06.031 Botschaft zum Bundesbeschluss über die Genehmigung von zwei Abkommen der Weltorganisation für geistiges Eigentum und zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 10. März 2006

Sehr geehrte Herren Präsidenten Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zum Bundesbeschluss betreffend zwei Abkommen der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO), des WIPO-Urheberrechtsvertrages (WCT) und des WIPO-Vertrages über Darbietungen und Tonträger (WPPT) sowie der landesrechtlichen Umsetzungsbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes und den Entwurf zu weiteren Änderungen dieses Gesetzes.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 1999 M 99.3557

Urheberrechtsentschädigungen auf Subventionen (N 22.12.99, Christen)

2000 M 00.3127

Produzenten-Urheberrecht (N 23.06.00, Weigelt)

2001 M 01.3401

Folgerecht im Urheberrechtsgesetz (N 5.10.01, Aeppli Wartmann)

2001 P

01.3417

Urheberrechtsgesetz. Teilrevision (N 5.10.01, Kommission für Rechtsfragen NR)

2002 P

02.3356

Urheberrecht, Ratifikation von zwei WIPO-Abkommen und Regelung der Privatkopie (N 4.10.02, Baumann J. Alexander)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

10. März 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2005-2765

3389

Übersicht Die Vorlage ist in erster Linie auf die Ratifikation von zwei Abkommen der Weltorganisation für geistiges Eigentum ausgerichtet. Durch die Umsetzung der Standards des WIPO-Urheberrechtsvertrags und des WIPO-Vertrags über Darbietungen und Tonträger ins Landesrecht soll das Urheberrecht der technologischen Entwicklung angepasst werden. Das ist auch das Ziel der zusätzlichen ­ auf den Ausbau der Schutzschranken bezogenen ­ Gesetzesänderungen.

Ausgangslage Im Dezember 1996 wurden unter der Schirmherrschaft der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) zwei Abkommen verabschiedet: der WIPO-Urheberrechtsvertrag (WIPO Copyright Treaty; WCT) und der WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WIPO Performances and Phonograms Treaty; WPPT). Sie regeln den Schutz der Urheberinnen und Urheber, der Musikinterpretinnen und -interpreten sowie der Tonträgerherstellerinnen und -hersteller in Bezug auf grenzüberschreitende Kommunikationstechnologien wie das Internet. Die deshalb auch als «Internet-Abkommen» bezeichneten Verträge sind am 6. März (WCT) und am 20. Mai (WPPT) 2002 in Kraft getreten und haben die dazu notwendige Anzahl von 30 Ratifizierungen bzw. Beitritten inzwischen weit überschritten.

Alle führenden Industriestaaten haben die beiden Abkommen unterzeichnet und bereiten ihre Ratifikation vor. In den USA und Japan ist dieser Prozess bereits abgeschlossen. Die USA haben die Ratifikation gestützt auf den Digital Millennium Copyright Act von 1998 vorgenommen, der die dafür erforderlichen Schutzstandards noch übertrifft. Die Europäische Gemeinschaft will die WIPO-Abkommen gleichzeitig mit ihren Mitgliedstaaten ratifizieren. Sie hat zu diesem Zweck die Richtlinie 2001/29/EG vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (Richtlinie Informationsgesellschaft) erlassen, die ebenfalls ein höheres Schutzniveau als die Internet-Abkommen aufweist. Im Sinne eines Interessenausgleichs gibt die Richtlinie Informationsgesellschaft den Mitgliedstaaten aber auch Anweisungen zur Wahrung der Interessen der Werknutzenden sowie der Konsumentinnen und Konsumenten.

Inhalt der Vorlage Die Vorlage weist bei der Umsetzung der WIPO-Abkommen drei Schwerpunkte auf: Die Anpassung des materiellen Urheberrechtsschutzes an das
Niveau der beiden Abkommen durch die Anerkennung des Rechts, Werke und andere Schutzobjekte über das Internet zugänglich zu machen, ferner die Einführung eines Verbots der Umgehung von technischen Massnahmen wie elektronische Zugangs- und Kopiersperren sowie die Einführung eines Schutzes für elektronische Informationen zur Identifizierung von Werken, anderen Schutzobjekten und deren Nutzungsbedingungen.

3390

Daneben enthält die Vorlage eine Reihe von Änderungsvorschlägen, die vor allem den Bedürfnissen der Werknutzenden sowie der Konsumentinnen und Konsumenten Rechnung trägt. So kommen die Bibliotheken und Archive in den Genuss einer erweiterten Schutzschranke für den Erhalt ihrer Bestände. Eine weitere Schutzschranke ist auf die Bedürfnisse der Sendeunternehmen zugeschnitten. Für Menschen mit Behinderungen wird ebenfalls eine Schutzschranke eingeführt und die Internet Service Provider werden durch eine Beschränkung des Vervielfältigungsrechts vor zu weit gehenden Haftungsansprüchen geschützt. Ausserdem wird das Herunterladen von Werken über elektronische Bezahldienste von der Vergütungspflicht für das Vervielfältigen zum Eigengebrauch ausgenommen. Durch diese Massnahme soll eine Mehrfachbelastung der Konsumentinnen und Konsumenten vermieden werden.

3391

Inhaltsverzeichnis Übersicht

3390

Abkürzungsverzeichnis

3394

1 Grundzüge der Vorlage 1.1 Ratifikation der WIPO-Abkommen und Änderungen des Urheberrechtsgesetzes 1.1.1 Ausgangslage 1.1.1.1 Die technologische Entwicklung 1.1.1.2 Internationale und regionale Vorgaben 1.1.2 Überblick über den Inhalt der WIPO-Abkommen 1.1.3 WIPO-Abkommen mit nur teilweise direkt anwendbarem Charakter 1.1.4 Würdigung 1.1.5 Überblick über die Änderungen des Urheberrechtsgesetzes zur Umsetzung der WIPO-Abkommen 1.1.5.1 Ausgangslage 1.1.5.2 Die beantragte Neuregelung 1.1.5.3 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.1.5.3.1 Begründung 1.1.5.3.2 Untersuchte Lösungsmöglichkeiten 1.1.5.4 Standpunkte und Stellungnahmen im vorparlamentarischen Verfahren 1.1.5.4.1 Ratifikation der WIPO-Abkommen 1.1.5.4.2 Umsetzung der WIPO-Abkommen 1.2 Weitere Änderungen des Urheberrechtsgesetzes 1.2.1 Ausgangslage 1.2.2 Die beantragte Neuregelung 1.2.3 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.2.3.1 Begründung 1.2.3.2 Untersuchte Lösungsmöglichkeiten 1.2.3.3 Standpunkte und Stellungnahmen im vorparlamentarischen Verfahren 1.2.3.3.1 Berücksichtigte Revisionspunkte 1.2.3.3.2 Nicht berücksichtigte Revisionspunkte 1.3 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 1.4 Rechtsvergleich und Verhältnis zum Gemeinschaftsrecht 1.5 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

3395 3395 3395 3395 3396 3397 3397 3398 3398 3398 3398 3399 3399 3399 3400 3400 3401 3402 3402 3403 3403 3403 3403 3404 3404 3405 3408 3408 3408

2 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 2.1 WIPO-Urheberrechtsvertrag 2.2 WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger 2.3 Änderungen des Urheberrechtsgesetzes zur Umsetzung der WIPO-Abkommen 2.4 Weitere Änderungen des Urheberrechtsgesetzes

3410 3410 3415

3 Auswirkungen

3434

3392

3420 3429

3.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen 3.1.1 Auswirkungen auf Bund, Kantone und Gemeinden 3.2 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 3.2.1 Notwendigkeit und Möglichkeit staatlichen Handelns 3.2.2 Auswirkungen auf die einzelnen gesellschaftlichen Gruppen 3.2.3 Beurteilung einzelner konkreter Massnahmen 3.2.4 Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft 3.3 Alternative Regelungen 3.4 Zweckmässigkeit im Vollzug

3434 3434 3434 3434 3436 3437 3438 3438 3439

4 Verhältnis zur Legislaturplanung

3439

5 Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.1.1 Ratifikation der WIPO-Abkommen und Änderungen des Urheberrechtsgesetzes 5.1.2 Weitere Änderungen des Urheberrechtsgesetzes 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.3 Erlassform 5.4 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

3439 3439 3439 3439 3439 3440 3441

Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Entwurf)

3443

Bundesbeschluss über die Genehmigung von zwei Abkommen der Weltorganisation für geistiges Eigentum und über die Änderung des Urheberrechtsgesetzes (Entwurf)

3447

WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT)

3453

WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT)

3463

3393

Abkürzungsverzeichnis ABl.

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften

BV

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999; SR 101

DRMS

Digital Rights Management System

EFTA

Europäische Freihandelsassoziation

E-URG

Vorgeschlagene Änderung des Urheberrechtsgesetzes

OECD

Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Rom-Abkommen

Internationales Abkommen vom 26. Oktober 1961 über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeanstalten; SR 0.231.171

RBÜ

Berner Übereinkunft vom 9. September 1886 zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971); SR 0.231.15

Richtlinie Informationsgesellschaft

Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft

RVOG

Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz; SR 172.010

StGB

Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937; SR 311.0

TRIPS-Abkommen

Abkommen vom 15. April 1994 über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigem Eigentum (Anhang 1C zum Abkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation); SR 0.632.20

Urheberrechtsgesetz/URG

Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte; SR 231.1

WCT

WIPO-Urheberrechtsvertrag/WIPO Copyright Treaty

WIPO

Weltorganisation für geistiges Eigentum mit Sitz in Genf / World Intellectual Property Organization

WPPT

WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger/ WIPO Performances and Phonograms Treaty

ZGB

Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907; SR 210

3394

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ratifikation der WIPO-Abkommen und Änderungen des Urheberrechtsgesetzes

1.1.1

Ausgangslage

1.1.1.1

Die technologische Entwicklung

Das Urheberrechtsgesetz wird in immer kürzeren Zeitabständen von der technologischen Entwicklung überholt und in Frage gestellt. Mit der Technologie ändern sich auch die sozialen und wirtschaftlichen Strukturen, auf die sich der Urheberrechtsschutz bezieht. Dem muss der Anpassungsprozess Rechnung tragen. Er kann deshalb nicht nur auf die Interessen der Rechteinhaberinnen und -inhaber ausgerichtet sein und Schutzdefizite kompensieren, die dadurch entstehen, dass die Technik immer neue Verwendungsmöglichkeiten hervorbringt. Er muss daneben auch Postulate wie dasjenige des «free flow of information» berücksichtigen, welches zu einem «Credo» der modernen Informationsgesellschaft geworden ist. Nur unter dieser Voraussetzung wird man den Schutz des geistigen Eigentums nicht als eine Bedrohung, sondern als eine notwendige Rahmenbedingung für die Anwendung der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien wahrnehmen.

Die Notwendigkeit einer Anpassung des Urheberrechtsgesetzes an den technologischen Fortschritt ist unbestritten. Das geltende Recht ist noch auf die analogen Technologien ausgerichtet. Es vermag im digitalen Umfeld weder die legitimen Ansprüche der Rechteinhaberinnen und -inhaber nach einem angemessenen Schutz noch das Bedürfnis der Informationsgesellschaft nach einer effizienten Anwendung moderner Technologien zur Übermittlung urheberrechtlich geschützter Inhalte zu gewährleisten. Die Rechteinhaberinnen und -inhaber sehen sich neuen Formen der Piraterie ausgeliefert, die gestützt auf revolutionäre Reproduktionsmöglichkeiten und ein weltumspannendes Datennetz ungeahnte Dimensionen angenommen haben.

Ausserdem können die Anbieterinnen und Anbieter elektronischer Übermittlungen nach dem geltenden Recht für Urheberrechtsverletzungen ihrer Kundschaft zur Verantwortung gezogen werden. Für die Nutzerseite verwischt sich im digitalen Umfeld die Grenze zwischen legalen und illegalen Zugangsmöglichkeiten sowie zwischen erlaubten und unerlaubten Verwendungen. Als Konsumentinnen und Konsumenten sind sie zudem von technischen Massnahmen wie Kopiersperren betroffen, mit denen auch rechtlich erlaubte Verwendungen geschützter Inhalte unterbunden werden. Zur Lösung dieser Probleme werden ausbalancierte Gesetzesänderungen vorgeschlagen. Sie sollen nicht nur die legitimen Interessen der Rechteinhaberinnen
und -inhaber berücksichtigen, sondern auch eine effiziente und bedürfnisgerechte Anwendung der modernen Kommunikationstechnologien gewährleisten und damit die Entwicklung der Informationsgesellschaft fördern.

3395

1.1.1.2

Internationale und regionale Vorgaben

Bei der Anpassung des Urheberrechtsschutzes an das Zeitalter der Digitaltechnologie ist die internationale Entwicklung den entsprechenden Bestrebungen auf nationaler Ebene vorausgegangen.

Die Vertragsstaaten der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (RBÜ)1 verabschiedeten 1989 ein Arbeitsprogramm zur Beseitigung von Unsicherheiten bei der Anwendung und Auslegung der RBÜ. Im Verlaufe der Arbeiten der Expertenausschüsse kristallisierte sich heraus, dass durch den beschleunigten technologischen Wandel weitere Anpassungen des internationalen Urheber- und Leistungsschutzes nötig würden. Nach den Vorbereitungen der Expertenausschüsse fand vom 2. bis 20. Dezember 1996 die Diplomatische Konferenz der Weltorganisation für geistiges Eigentum in Genf statt. Es nahmen 127 Mitgliedstaaten der WIPO, die Europäische Gemeinschaft und weitere Staaten daran teil.

Das Ergebnis der Verhandlungen waren schliesslich die zwei Abkommen, der WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT) und der WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (WPPT). Beide Abkommen sind im Jahre 2002 in Kraft getreten.

Ihr Rezept zur Modernisierung des Urheberrechtsschutzes und der verwandten Schutzrechte besteht in der Harmonisierung des Schutzes auf einem möglichst hohen Niveau. Es entspricht einer auf politischer Ebene erfolgten Weichenstellung.

So wurde an der Ministerkonferenz der führenden Industriestaaten von 1995 in Brüssel ein starker Schutz des geistigen Eigentums als eine wichtige Rahmenbedingung für die Entwicklung der Informationsgesellschaft propagiert. Man ist von der Überlegung ausgegangen, dass es im wohlverstandenen Interesse der Informationsgesellschaft ist, die immateriellen Güter als den Rohstoff, der durch die Pipelines des Internets fliesst, angemessen zu schützen.

Auf regionaler Ebene ist die Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (Richtlinie Informationsgesellschaft)2 zu erwähnen. Mit ihr hat die Europäische Gemeinschaft die Leitplanken für die Ausgestaltung des Schutzes des geistigen Eigentums in Bezug auf die Anwendung der neuen Kommunikationstechnologien für die Mitgliedstaaten festgelegt. Die Richtlinie Informationsgesellschaft ist auf
eine harmonisierte Umsetzung der beiden WIPO-Abkommen durch die Mitgliedstaaten ausgerichtet und strebt dementsprechend auch eine Rechtsvereinheitlichung auf einem hohen Schutzniveau an. Sie berücksichtigt aber ebenfalls das in der Informationsgesellschaft besonders ausgeprägte Bedürfnis nach einem möglichst freien Datenfluss. Das kommt insbesondere in der Regelung der Schutzschranken und ihrem Verhältnis zum Schutz der technischen Massnahmen zum Ausdruck (siehe Ziff. 2.3, Art. 39b E-URG).

1 2

Berner Übereinkunft vom 9. September 1886 zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst, revidiert am 24. Juli 1971; SR 0.231.15.

ABl. L 167 vom 22.06.2001, S. 10.

3396

1.1.2

Überblick über den Inhalt der WIPO-Abkommen

Das WCT regelt den Schutz der Urheberinnen und Urheber und baut auf der RBÜ auf. Es präzisiert und erweitert einerseits die bereits in der RBÜ enthaltenen Rechte und ergänzt anderseits diesen Rechtebestand durch die Schaffung neuer ausschliesslicher Befugnisse. Das WPPT harmonisiert die verwandten Schutzrechte auf einem höheren Schutzniveau als das Internationale Abkommen vom 26. Oktober 19613 über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeanstalten (Rom-Abkommen). Der sachliche Geltungsbereich des WPPT ist allerdings enger als derjenige des Rom-Abkommens. Der Interpretenschutz im audiovisuellen Bereich ist auf nicht festgelegte Darbietungen beschränkt und der Schutz der Sendeunternehmen bleibt vollständig ausgeklammert. Dafür sind nach dem WPPT neu Folkloredarbietungen geschützt (Art. 2 WPPT) und der Interpretenschutz ist auf persönlichkeitsrechtliche Befugnisse ausgedehnt worden (Art. 5 WPPT).

Um dem urheber- und dem nachbarrechtlichen Schutz auch im Bereich der Digitaltechnologie Geltung zu verschaffen, wurden insbesondere zwei Massnahmen getroffen, die sowohl das WCT als auch das WPPT charakterisieren. Sie betreffen einerseits die Anerkennung des ausschliesslichen Rechts für das Zugänglichmachen von Werken und geschützten Leistungen über On-Demand-Dienste ­ das sogenannte On-Demand-Recht (Art. 8 WCT, Art. 10 und 14 WPPT) ­ und anderseits die Verpflichtung, einen rechtlichen Schutz für technische Massnahmen vorzusehen (Art. 11 WCT und 18 WPPT). Diese Verpflichtung bezieht sich auf technische Massnahmen wie Zugangskontrollen und Kopiersperren, die im digitalen Umfeld angewendet werden, um unerlaubte Verwendungen geschützter Inhalte zu verhindern. Hinzu kommt die Verpflichtung, die Fälschung oder Unterdrückung von elektronischen Informationen für die Rechtewahrnehmung zu verbieten (Art. 12 WCT und 19 WPPT).

1.1.3

WIPO-Abkommen mit nur teilweise direkt anwendbarem Charakter

Ein Abkommen hat gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts direkt anwendbaren Charakter, wenn es hinreichend bestimmte und klare Regelungen enthält, auf deren Grundlage im Einzelfall ein Entscheid getroffen werden kann. Dagegen fehlt ihm dieser Charakter, wenn es den Vertragsstaaten lediglich vorschreibt, wie eine Materie zu regeln ist und damit nicht die Verwaltungs- oder Justizbehörden, sondern den Gesetzgeber anspricht (BGE 124 IV 23).

Die beiden WIPO-Abkommen enthalten zwar eine ganze Reihe von Bestimmungen mit direkt anwendbarem Charakter (siehe auch Ziff. 5.3). Dazu zählen insbesondere die in den beiden Abkommen vorgesehenen Rechte der Urheberinnen und Urheber (Art. 5­8 WCT), der Interpretinnen und Interpreten (Art. 5­10 WPPT) und der Herstellerinnen und Hersteller von Tonträgern (Art. 11­14 WPPT). Daneben finden sich aber in beiden Abkommen auch Bestimmungen mit nicht direkt anwendbarem Charakter. Dazu gehören zum Beispiel die Verpflichtungen betreffend den Schutz technischer Massnahmen (Art. 11 WCT und Art. 18 WPPT) und den Schutz von 3

SR 0.231.171

3397

elektronischen Informationen für die Rechtewahrnehmung (Art. 12 WCT und Art. 19 WPPT). Diese Verpflichtungen richten sich an die Vertragsstaaten und müssen vom Gesetzgeber umgesetzt werden. Gemäss den vom Bundesgericht aufgestellten Beurteilungskriterien sind die beiden WIPO-Abkommen nur teilweise direkt anwendbar.

1.1.4

Würdigung

Die beiden WIPO-Abkommen modernisieren den internationalen Schutz der Urheberrechte und der verwandten Schutzrechte mit dem Ziel, ihn den Bedürfnissen der Informationsgesellschaft anzupassen. Sie weisen dem nationalen Gesetzgeber den Weg zu einem Schutzsystem, das auch im digitalen Umfeld Bestand hat. Mit ihren institutionellen Vorgaben für die Ausgestaltung des Schutzes leisten die beiden Abkommen zudem einen bedeutenden Beitrag zur Rechtsvereinheitlichung. Das ist eine wichtige Rahmenbedingung für die neuen, grenzüberschreitenden bzw. globalen Kommunikationssysteme. Den Vertragsstaaten wird aber auch ein gewisser Spielraum für die Umsetzung der sich aus den Abkommen ergebenden Verpflichtungen eingeräumt. Dies trifft insbesondere für die Verpflichtung zur Einführung eines Schutzes von technischen Massnahmen zu, die im Mittelpunkt der Harmonisierungsbestrebungen steht. Mit der Ratifikation wird die Schweiz einen Beitrag zur weltweiten Harmonisierung des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte leisten. Das liegt in ihrem eigenen Interesse, weil sie als moderner Industriestaat darauf angewiesen ist, gute Rahmenbedingungen für die Anwendung und Weiterentwicklung der digitalen Informationstechnologie zu schaffen.

1.1.5

Überblick über die Änderungen des Urheberrechtsgesetzes zur Umsetzung der WIPO-Abkommen

1.1.5.1

Ausgangslage

Den formellen Anstoss zur Revision gab eine inzwischen abgeschriebene Motion der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (97.3008 Urheberrechtsschutz und neue Kommunikationstechnologien). Sie hat den Bundesrat beauftragt, im Bereich der Digitaltechnologie und des Internets einen angemessenen Urheberrechtsschutz sicherzustellen. Gemäss dem Postulat der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats vom 3. Juli 2001 (01.3417 Urheberrechtsgesetz. Teilrevision) sollen dabei neben den Vorgaben der beiden WIPO-Abkommen auch diejenigen der Europäischen Gemeinschaft berücksichtigt werden.

1.1.5.2

Die beantragte Neuregelung

Die Vorlage übernimmt bei der Anpassung des Urheberrechtsschutzes an die technologische Entwicklung die in den beiden WIPO-Abkommen festgelegten Standards und orientiert sich an den zusätzlichen Vorgaben der auf einen Interessenausgleich ausgerichteten Richtlinie Informationsgesellschaft.

3398

1.1.5.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

1.1.5.3.1

Begründung

Gemäss den WIPO-Abkommen muss klargestellt werden, dass das Zugänglichmachen von Werken und Leistungen über so genannte On-Demand-Dienste der Urheberin bzw. dem Urheber und den Leistungsschutzberechtigten in Form einer ausschliesslichen Befugnis vorbehalten ist. Zwar liesse sich diese neue Verwendungsart für die Urheberinnen und Urheber auch über traditionelle Verwendungsbefugnisse erfassen, wie sie in Artikel 10 URG bereits verankert sind. Um hier aber eine eindeutige und den internationalen Anforderungen entsprechende Rechtslage zu schaffen, ist der Rechtekatalog aller Kategorien von Rechteinhaberinnen und -inhaber durch das so genannte On-Demand-Recht bzw. das Recht des Zugänglichmachens ergänzt worden. Dieses Recht wird im Sinne einer Gleichstellung aller Leistungsschutzberechtigten in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht auch den Sendeanstalten zuerkannt.

Zudem wurde der auf Werkdarbietungen beschränkte Schutz der ausübenden Künstlerinnen und Künstler auf Darbietungen von Ausdrucksformen der Volkskunst ausgedehnt und ihr Persönlichkeitsschutz verstärkt. Diese Massnahmen sind notwendig, um die verwandten Schutzrechte den Anforderungen des WPPT anzupassen.

Neben diesen materiellrechtlichen Änderungen, bei denen es sich zum Teil nur um Klarstellungen handelt, enthält die Vorlage ein neues eigenständiges Schutzsystem für technische Massnahmen, mit denen die Rechteinhaberinnen und -inhaber die Verwendung ihrer Werke und Leistungen im digitalen Umfeld kontrollieren können.

Damit verbunden ist der Schutz von elektronischen Informationen für die Rechtewahrnehmung. Der rechtliche Schutz vor der Umgehung technischer Massnahmen verleiht dem Urheberrecht insofern eine neue Dimension, als er sich nicht auf das immaterielle Gut an sich, sondern auf technische Kontrollmöglichkeiten wie Zugangs- oder Kopiersperren bezieht. Bei seiner Umsetzung ins nationale Recht wird deshalb dafür Sorge getragen, dass gesetzlich erlaubte Werkverwendungen, die zum Teil mit einer Vergütungspflicht verknüpft sind, durch den Umgehungsschutz nicht in die Illegalität verdrängt werden. Zudem werden im Zusammenhang mit seiner Umsetzung auch Vorkehrungen getroffen, um die Nutzer- und Konsumentenseite vor einer missbräuchlichen Anwendung der technischen Kontrollmöglichkeiten zu schützen (siehe Ziff. 2.3, Art. 39b E-URG).

1.1.5.3.2

Untersuchte Lösungsmöglichkeiten

Geprüft wurde eine Umsetzung der beiden WIPO-Abkommen, bei der das Schutzniveau grundsätzlich nicht über die vorgeschriebenen Mindeststandards angehoben wird. Unerlässlich für die Ratifikation der Abkommen ist das Umgehungsverbot von technischen Massnahmen, der Schutz von elektronischen Informationen für die Rechtewahrnehmung, der Schutz von Darbietungen von Ausdrucksformen der Volkskunst, der Schutz der Musikerinnen und Musiker und Tonträgerproduzierenden in Bezug auf die Verbreitung ihrer Leistungen über das Internet und die Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes für Musikerinnen und Musiker. Bei einer strikten Beschränkung der Revision auf die vorerwähnten Punkte wäre die in der Vernehmlassung von Bundesratsparteien unterstützte Forderung der Wirtschaft nach einem 3399

Ausbau des Umgehungsschutzes über die konventionsrechtlichen Mindestanforderungen hinaus unberücksichtigt geblieben. Ausserdem wäre für die ausübenden Künstlerinnen und Künstler ein «Zweiklassensystem» eingeführt worden, weil die höheren Schutzstandards des WPPT nur für den Musikbereich verbindlich sind. Auf die Angleichung des Schutzes der Sendeunternehmen an denjenigen der Tonträgerherstellerinnen und -hersteller hätte ebenfalls verzichtet werden müssen, weil sich das WPPT nicht auf die Sendeunternehmen bezieht. Die Minimallösung hätte die Akzeptanz dieser Vorlage erheblich verschlechtert. Sie stellt deshalb kein gangbarer Lösungsansatz dar.

1.1.5.4

Standpunkte und Stellungnahmen im vorparlamentarischen Verfahren

Gegenstand der Vernehmlassung war ein Vorentwurf mit Erläuterungen, der sowohl die für eine Ratifikation der beiden WIPO-Abkommen notwendigen als auch die zusätzlichen Gesetzesänderungen enthielt. Das Vernehmlassungsverfahren wurde am 1. Oktober 2004 eröffnet und dauerte bis zum 31. Januar 2005. Der Bericht über die Ergebnisse desselben ist auf der Homepage des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum veröffentlicht: http://www.ige.ch/D/jurinfo/j103.shtm.

1.1.5.4.1

Ratifikation der WIPO-Abkommen

Im Rahmen der Vernehmlassung blieb die Notwendigkeit einer Ratifizierung der beiden WIPO-Abkommen unbestritten. 21 Kantone, alle Bundesratsparteien sowie die Organisationen der Kulturschaffenden, die Verbände der Unterhaltungsindustrie, viele Spitzenverbände der Wirtschaft und die Swisscom sprechen sich für eine Ratifizierung der WIPO-Abkommen aus. Die übrigen Vernehmlassungsteilnehmenden ­ insbesondere die Nutzer- und Konsumentenorganisationen ­ haben sich nicht dazu geäussert.

Grosse Meinungsverschiedenheiten bestehen allerdings darüber, wie der Spielraum genutzt werden soll, der bei der Umsetzung der beiden WIPO-Abkommen zur Verfügung steht und welche zusätzlichen Massnahmen zu treffen sind, um den Anpassungsbedarf im Bereich der Digitaltechnologie abzudecken. Die SPS, die Gewerkschaften und die meisten Organisationen der Kulturschaffenden, der Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband sowie das Centre Patronal stellen der Vorlage diesbezüglich ein gutes Zeugnis aus. In diesem Kreis wird die Auffassung vertreten, dass die unterschiedlichen Interessen in ausgewogener Weise berücksichtigt worden sind. Die Schweizer Presse, Impressum sowie die Unterhaltungsindustrie sind hingegen ganz anderer Meinung. Sie weisen die Vorlage als zu nutzer- und konsumentenfreundlich zurück. Der Dachverband der Urheber- und Nachbarrechtsnutzer, die Wirtschaftsverbände auf Nutzerseite sowie die Konsumentenorganisationen finden hingegen, die Interessen der Rechteinhaberinnen und -inhaber seien zu hoch bewertet worden. Bei mehr als der Hälfte der Kantone sowie bei der SRG und dem Verband der Schweizer Privatradios überwiegt ebenfalls der Eindruck, die Nutzerinteressen seien zu kurz gekommen. Die économiesuisse und der Schweizerische Arbeitgeberverband haben divergierende Interessen zu vertreten,

3400

weil sich unter ihren Mitgliedern sowohl Produzierende als auch Nutzende von urheberrechtlich geschützten Leistungen befinden. Sie lehnen die Vorlage als unausgewogen ab.

1.1.5.4.2

Umsetzung der WIPO-Abkommen

Gemäss den Nutzer- und Konsumentenorganisationen sollte das Schutzniveau grundsätzlich nicht über die vorgeschriebenen Mindeststandards angehoben werden.

Die Forderungen der Unterhaltungsindustrie und teilweise auch diejenigen der Organisationen der Kulturschaffenden übersteigen dagegen das konventionsrechtliche Mindestmass; sie orientieren sich an den höheren Schutzstandards des Gemeinschaftsrechts. Die wichtigsten Diskussionspunkte betreffend die Umsetzung der beiden WIPO-Abkommen sind: Ausbau der verwandten Schutzrechte: Neben den Nutzer- und Konsumentenorganisationen haben sich auch die CVP und die LPS dafür ausgesprochen, das Niveau der verwandten Schutzrechte nur soweit anzuheben, als dies für eine Ratifikation des WPPT unerlässlich ist. SVP und SPS sind der Meinung, dass der im WPPT vorgesehene Persönlichkeitsschutz der ausübenden Künstlerinnen und Künstler durch Artikel 28 folgende ZGB bereits abgedeckt ist und somit diesbezüglich kein Regelungsbedarf besteht. Dagegen wird eine spezielle Regelung des Persönlichkeitsschutzes von zahlreichen Organisationen der Kulturschaffenden und der Rechteinhaber ausdrücklich begrüsst.

Der Dachverband der Urheber- und Nachbarrechtsnutzer beanstandet zudem die in der Vorlage vorgesehene Ausdehnung des Interpretenschutzes über Werkdarbietungen hinaus auf Ausdrucksweisen der Folklore.

Die Unterhaltungsindustrie vermisst ein ausschliessliches Vermiet- und Verleihrecht und fordert eine Verlängerung der Schutzfrist für Darbietungen, Ton- und Tonbildträger von 50 auf 70 Jahre.

Schutz der technischen Massnahmen: In Bezug auf die Ausgestaltung dieses Schutzes bestehen grosse Meinungsverschiedenheiten. Der Dachverband der Urheber- und Nachbarrechtsnutzer sowie die Konsumentenorganisationen vertreten die Auffassung, die Vorlage sei in diesem Punkt zu stark auf die Interessen der Rechteinhaberinnen und -inhaber zugeschnitten, weil sie über die Mindestanforderungen der beiden Abkommen hinausreiche. Der Dachverband der Urheber- und Nachbarrechtsnutzer verlangt insbesondere eine Streichung der in der Vorlage enthaltenen Regelung, wonach auch Vorbereitungshandlungen zur Umgehung technischer Massnahmen verboten sind, wie das Herstellen und Anbieten dazu geeigneter Geräte.

Die FDP, die SVP, der Schweizerische Wirtschaftsverband der Informations-, Kommunikations- und
Organisationstechnik sowie die Unterhaltungsindustrie setzen sich hingegen für ein uneingeschränktes Umgehungsverbot ein, wie es die Europäische Gemeinschaft ihren Mitgliedstaaten vorschreibt. Diese Kreise fordern mehrheitlich die Streichung der Bestimmung, wonach das Verbot nicht durchgesetzt werden kann, wenn die Umgehung der technischen Massnahme dazu dient, eine gesetzlich erlaubte Werkverwendung vorzunehmen.

3401

Die CVP, die meisten Verbände der Kulturschaffenden und Verwertungsgesellschaften betrachten die Regelung des Umgehungsverbots grundsätzlich als eine ausgewogene Lösung.

Leitplanken für die Anwendung technischer Massnahmen: Der Dachverband der Urheber- und Nachbarrechtsnutzer und die Konsumentenorganisationen verlangen ein einfaches Verfahren, mit dem die Inanspruchnahme einer Schutzschranke gegenüber den Anwendenden technischer Sperren umgehend durchgesetzt werden kann. Die Kulturschaffenden und die ihnen nahe stehenden Organisationen sind zwar nicht grundsätzlich gegen eine Absicherung der Schutzschranken gegenüber der Anwendung technischer Massnahmen. Sie melden aber Bedenken bezüglich der Praktikabilität eines solchen einfachen Verfahrens an. Die Unterhaltungsindustrie, die Schweizer Presse und Impressum schlagen einen auf ganz bestimmte Schutzschranken beschränkten Freischaltanspruch der Nutzenden gegenüber den Anwendenden von technischen Kontrollsystemen vor. In diese Richtung weist auch die Stellungnahme der économiesuisse. Der Schweizerische Verband der FilmproduzentInnen, die Schweizerische Vereinigung der Musikverleger und die Freien Berufsjournalistinnen und -journalisten Zürich beantragen, von einer Regelung zur Durchsetzung der Schutzschranken gegenüber den Anwendenden technischer Massnahmen abzusehen.

1.2

Weitere Änderungen des Urheberrechtsgesetzes

1.2.1

Ausgangslage

Der Rückstand, den das geltende Recht gegenüber der technologischen Entwicklung (siehe Ziff. 1.1.1.1) aufweist, kommt nicht nur in den Schutzdefiziten zum Ausdruck, die durch die Umsetzung der beiden WIPO-Abkommen kompensiert werden sollen. Er betrifft auch die Schranken des Schutzes, die wie die Rechte noch auf die analogen Technologien ausgerichtet sind und dem digitalen Umfeld nicht gerecht werden. So muss die Schutzschranke für die Werkverwendung zum Eigengebrauch und das damit verbundene Vergütungssystem korrigiert werden, um zu vermeiden, dass Konsumentinnen und Konsumenten, die Werke über On-Demand-Dienste beziehen, einer Doppelbelastung ausgesetzt sind. Daneben behindert der Umstand, dass nach geltendem Recht auch vorübergehende, rein technisch bedingte Vervielfältigungshandlungen von der Rechteinhaberin oder dem Rechteinhaber erlaubt werden müssten, die Anwendung digitaler Kommunikationssysteme (siehe die Erläuterungen zu Art. 24a E-URG). Die Richtlinie Informationsgesellschaft sieht dafür eine Schutzschranke vor, die für die Mitgliedstaaten der EG zwingendes Recht ist. Als nicht mehr zeitgemäss erscheint zudem die Schutzschranke für Archivierungszwecke. Sie lässt den Archiven, Bibliotheken und ähnlichen Einrichtungen zu wenig Spielraum, um den Erhalt ihrer digitalen Bestände längerfristig sicherzustellen.

Ausserdem haben sich bei der Verwendung im Handel erhältlicher Tonträger zu Sendezwecken Probleme ergeben, die zur Einreichung einer parlamentarischen Initiative geführt haben4 (siehe die Erläuterungen zu Art. 24b E-URG). Im Rahmen der Beratungen über das Behindertengleichstellungsgesetz wurde die Forderung 4

02.0421 Pa.Iv. Änderung des URG. Vervielfältigung von Tonträgern zum Zweck der Sendung in Radio und Fernsehen.

3402

gestellt, den Menschen mit Behinderungen den Zugang zu geschützten Werken zu erleichtern. Auch dieser Handlungsbedarf wird im Rahmen der Überarbeitung der Schutzschranken berücksichtigt.

1.2.2

Die beantragte Neuregelung

Die Vorlage passt die Schranken des Urheberrechtsschutzes an die neuen Gegebenheiten und Bedürfnisse an, die mit der technologischen Entwicklung entstanden sind. Daneben behebt sie auch Defizite bei den Schutzschranken zugunsten der Sendeunternehmen und der Menschen mit Behinderungen.

Es werden insgesamt vier neue Schutzschranken ins Gesetz aufgenommen. Sie betreffen das Archivieren von Werken (Art. 24 Abs. 1bis E-URG), vorübergehende Vervielfältigungen, die technisch bedingt sind (Art. 24a E-URG), das Vervielfältigen von im Handel erhältlichen Ton- und Tonbildträgern zu Sendezwecken (Art. 24b E-URG) sowie das Vervielfältigen von Werken in einer für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Form (Art. 24c E-URG). Ausserdem wird die Schutzschranke für die Verwendung von Werken zum Eigengebrauch (Art. 19 URG) durch einen neuen Absatz 5 dem elektronischen Geschäftsverkehr angepasst.

1.2.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

1.2.3.1

Begründung

Das primäre Ziel der Gesetzesrevision besteht darin, die beiden WIPO-Abkommen zu ratifizieren. Die damit verbundene Umsetzung der Abkommen ins nationale Recht führt zu einer Verbesserung der Rechtsstellung der Schutzadressaten, aber die Nutzer- und Konsumenteninteressen bleiben dabei unberücksichtigt. Bei der Anpassung des Urheberrechts an die digitale Informationsvermittlung müssen jedoch auch diese Interessen zum Tragen kommen. Es sind somit Gesetzesänderungen notwendig, die über den Umsetzungsbedarf der beiden WIPO-Abkommen hinausgehen und insbesondere die Schutzschranken in diesen Anpassungsprozess einbeziehen. Nur dieser Weg, den auch die Richtlinie Informationsgesellschaft eingeschlagen hat, führt zu einem angemessenen Interessenausgleich.

1.2.3.2

Untersuchte Lösungsmöglichkeiten

Es kommen zwei Alternativen in Betracht. Die eine besteht darin, die Revision auf die Ratifikation der WIPO-Abkommen und die dazu notwendigen Gesetzesänderungen zu beschränken. Bei diesem Vorgehen wäre die Vorlage zu weiteren Anpassungen des Urheberrechtsgesetzes überflüssig. Es ist bereits erwähnt worden, dass diese Minimallösung zu einer einseitigen Gewichtung der Interessenlage führen würde.

Ausserdem wäre sie nicht europakompatibel, weil man damit weit hinter dem Anpassungsbedarf zurückbleiben würde, den das geltende URG gegenüber der Richtlinie Informationsgesellschaft aufweist. Mit dieser Variante lässt sich somit weder ein ausgewogenes noch ein eurokompatibles Ergebnis erzielen.

3403

Die zweite Option besteht darin, diese auf die Modernisierung des Urheberrechts ausgerichteten Revisionsbestrebungen auf die Neubeurteilung von Grundsatzentscheiden auszudehnen, die der Gesetzgeber anlässlich der Totalrevision von 1992 getroffen hat. In diese Richtung weisen verschiedene parlamentarische Vorstösse, die sowohl Revisionsbegehren der Nutzenden und Produzierenden (Produzentenartikel5, Verschärfung der Angemessenheitskontrolle der Tarife6) als auch solche der Kulturschaffenden (Folgerecht7 und Bibliotheksausleihe8) aufgreifen, die damals abgelehnt worden sind (siehe Ziff. 1.5). Die Vernehmlassung hat ergeben, dass sich die Positionen in Bezug auf diese Forderungen nicht verändert haben (siehe Ziff. 1.2.3.3.2). Sie sind nach wie vor umstritten und es besteht kein ersichtlicher Grund, von der 1992 vorgenommenen Interessenabwägung abzuweichen. Gestützt auf diese Überlegungen ist schliesslich auch auf die Einführung einer Geräteabgabe für das Vervielfältigen zum Eigengebrauch verzichtet worden9.

1.2.3.3

Standpunkte und Stellungnahmen im vorparlamentarischen Verfahren

1.2.3.3.1

Berücksichtigte Revisionspunkte

Einführung neuer Schutzschranken: Der Dachverband der Urheber- und Nachbarrechtsnutzer sowie die Swisscom, die SRG, der Verband der Schweizer Privatradios, die Union Romande des Radios Régionales und die Telesuisse begrüssen die zusätzlichen Schutzschranken, um auch für Menschen mit Behinderungen und die Werkverwendung im digitalen Umfeld gewisse Freiräume zu schaffen. Die Schutzschranke zugunsten der Sendeanstalten wird von zahlreichen Organisationen der Unterhaltungsindustrie abgelehnt. Die Schweizerische Interpreten-Gesellschaft, der Schweizerische Musikerverband, das Schweizer Syndikat Medienschaffender und der Schweizerische Bühnenkünstlerverband akzeptieren sie unter dem Vorbehalt, dass die Sendeunternehmen nicht noch zusätzlich in ihrer Eigenschaft als Produzierende privilegiert werden.

Eingrenzung des Eigengebrauchs: Die Filmwirtschaft, die Schweizer Landesgruppe der International Federation of Producers of Phonograms and Videograms, die Schweizer Presse, Impressum und die Schweizerische Vereinigung der Musikverleger verlangen eine Einschränkung der gesetzlichen Lizenz fürs Vervielfältigen von Werken zum Eigengebrauch. Es werden dabei unterschiedliche Akzente gesetzt: Einerseits soll klargestellt werden, dass dazu keine illegalen Quellen verwendet werden dürfen. Anderseits soll die Möglichkeit, für den Eigengebrauch bestimmte Vervielfältigungen durch Dritte herstellen zu lassen, auf den Bereich der Reprographie eingeschränkt werden. Schliesslich wird geltend gemacht, die Ausnahme führe in ihrer geltenden, generalklauselartigen Fassung zu einer Beeinträchtigung der digitalen Verwertungsformen und würde deshalb gegen Artikel 10 WCT und Artikel 16 WPPT verstossen.

5 6 7 8 9

00.3127 Motion Weigelt. Produzenten-Urheberrecht.

02.3322 Motion Triponez. Masshalten bei Urheberabgaben.

01.3401 Motion Aeppli Wartmann. Folgerecht im Urheberrechtsgesetz.

04.3288 Motion Müller-Hemmi. Urheberrecht. Bibliothekstantieme.

04.3163 Motion Thanei. Gerätevergütung.

3404

Dagegen lehnt der Dachverband der Urheber- und Nachbarrechtsnutzer eine Einschränkung der Schutzschranke des Eigengebrauchs ab. Er weist darauf hin, dass die Rechteinhaberinnen und -inhaber für das Vervielfältigen von Werken zum Eigengebrauch über ein Vergütungssystem entschädigt werden, das sowohl im analogen als auch im digitalen Bereich zur Anwendung kommt. Abgesehen von Impressum sprechen sich auch die Organisationen der Kulturschaffenden und mehrheitlich die Verwertungsgesellschaften für eine Beibehaltung der geltenden Regelung aus, deren Anwendungsbereich jedoch in verschiedener Hinsicht zu präzisieren sei. Es müsse insbesondere klargestellt werden, dass die Privatsphäre vom Verbot der Benützung illegaler Quellen ausgenommen ist und dass die Verwendung von Werken in betriebsinternen Datennetzen unter den Eigengebrauch fällt. Diese zweite Präzisierung wird auch vom Dachverband der Urheber- und Nachbarrechtsnutzer, von Spitzenverbänden der Wirtschaft und dem Schweizer Buchhändler- und VerlegerVerband gefordert.

Weitere Forderungen: Um eine Doppelbelastung zu vermeiden, die durch die Überlagerung der Vergütungsregelung für das Vervielfältigen von Werken zum Eigengebrauch mit der Anwendung von Systemen zur digitalen Verwertung von Rechten (Digital Rights Management Systems, DRMS) entstehen kann, werden von den Nutzer- und Konsumentenorganisationen sowie von der économiesuisse und weiteren Wirtschaftsverbänden zwei Massnahmen verlangt. Einerseits soll bei der Festsetzung der Pauschalentschädigung für das Kopieren zum Eigengebrauch im Rahmen des Tarifgenehmigungsverfahrens jeweils berücksichtigt werden, in welchem Umfang das Vervielfältigen von Werken über DRMS kontrolliert wird. Anderseits sind die Rechteinhaberinnen und -inhaber, die solche Systeme anwenden und somit von den Nutzenden direkt entschädigt werden, von der Verteilung der gesetzlichen Pauschalvergütung auszuschliessen.

1.2.3.3.2

Nicht berücksichtigte Revisionspunkte

Verschiedene Revisionsbegehren, die gestützt auf parlamentarische Vorstösse in die Vorarbeiten eingebracht und durch Arbeitsgruppen geprüft worden sind, haben in der Vorlage keine Berücksichtigung gefunden (siehe Ziff. 1.2.3.2). Die SPS hält es grundsätzlich für richtig, dass die Vorlage nicht auf diese umstrittenen Forderungen eingeht und sich auf die eigentliche Zielsetzung der Revision konzentriert. Die CVP schlägt vor, in einer ersten Etappe nur die Umsetzung der beiden WIPO-Abkommen anzustreben und die Behandlung der zusätzlichen Revisionsbegehren auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Zu den einzelnen Begehren ist Folgendes zu bemerken: Verbesserung der Stellung der Arbeitgebenden und Produzierenden: Die FDP, die économiesuisse, die Dachorganisation der kleineren und mittleren Unternehmen KMU, der Dachverband der Urheber- und Nachbarrechtsnutzer, weitere Wirtschaftsverbände und die SRG bemängeln, dass die Vorlage keine Bestimmung vorsieht, wonach die Urheberrechte denjenigen Arbeitgebenden bzw. Produzierenden zustehen, welche die Verantwortung und das finanzielle Risiko für die Schaffung des Werks tragen. Ein solcher Produzentenartikel würde nicht nur die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Schweiz verbessern, sondern auch mehr Rechtssicherheit gewährleisten. Die Swissfilm unterstützt diese Forderung für den

3405

Fall, dass die Revision nicht auf die Umsetzung der WIPO-Abkommen beschränkt bleiben sollte.

Die SPS, die Gewerkschaften sowie die Kulturschaffenden und ihre Organisationen begrüssen es hingegen, dass kein Produzentenartikel in die Vorlage aufgenommen worden ist. Schon der status quo, wonach sich die Arbeitgebenden oder Produzierenden in der Regel alle Urheberrechte abtreten lassen, benachteilige die Urheberinnen und Urheber. Ein Eingriff in die geltende, auf dem Prinzip der Vertragsfreiheit beruhende Rechtslage müsste nach ihrem Dafürhalten zu einem Urhebervertragsrecht führen, das die Urheberinnen und Urheber vor einer Übervorteilung schützt.

Ergänzung des Vergütungssystems: Der Vorschlag, die Vergütung für das Vervielfältigen von Werken zum Eigengebrauch auch über einen Zuschlag auf die dazu verwendeten Geräte abzugelten, ist auf breiten Widerstand gestossen. Die Einführung der so genannten Gerätevergütung wird von vier Kantonen, den bürgerlichen Bundesratsparteien, dem Städte- und Gemeindeverband sowie dem Dachverband der Urheber- und Nachbarrechtsnutzer, der économiesuisse, den meisten anderen Nutzer- und Wirtschaftsverbänden und zudem auch von den Konsumentenorganisationen abgelehnt. Man befürchtet, dass die Gerätevergütung zu einer zusätzlichen und somit ungerechtfertigten Belastung der Nutzenden führt und der Schweiz als Wirtschaftsstandort schaden wird.

Fünf Kantone stimmen der Einführung der Gerätevergütung unter dem Vorbehalt zu, dass sich daraus keine zusätzlichen Kosten für die öffentliche Hand ergeben. Die SPS und die PdAS sowie die Verbände der Kulturschaffenden, der Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband, die swiss interactive media and software association, der Verband der Schweizer Privatradios, das Centre Patronal, die Gewerkschaften und die Verwertungsgesellschaften sehen darin eine notwendige Massnahme, um das Vergütungssystem für das Vervielfältigen von Werken zum Eigengebrauch zu verbessern und der technologischen Entwicklung anzupassen.

Verschärfung der Angemessenheitskontrolle der Tarife: Der Dachverband der Urheber- und Nachbarrechtsnutzer und die Spitzenverbände der Wirtschaft ­ ohne die Gewerkschaften ­ fordern eine Ergänzung der Kriterien, die das Gesetz für die Beurteilung der Angemessenheit der tariflich festgelegten Entschädigungen vorsieht.

Sie finden,
die geltende Regelung sei zu einseitig auf die Interessen der Rechteinhaberinnen und -inhaber ausgerichtet und beanstanden, dass bei der Prüfung der Angemessenheit nicht berücksichtigt wird, ob die Entschädigung für die Nutzerseite wirtschaftlich tragbar ist.

Ganz anderer Meinung ist die Schweizer Landesgruppe der International Federation of Producers of Phonograms and Videograms. Sie beurteilt die Angemessenheitskriterien als zu restriktiv und verlangt eine Aufhebung der gesetzlichen Limite, wonach die Entschädigung für die verwandten Schutzrechte höchstens drei Prozent des Nutzungsertrags betragen darf. Die SUISA lehnt eine Verschärfung der Tarifkontrolle ab und bemerkt, dass sich die im Rahmen der Vorarbeiten diskutierten Vorschläge entweder als undurchführbar oder konventions- und verfassungswidrig erwiesen hätten.

Einführung des Folgerechts: Die Kulturschaffenden und die ihnen nahe stehenden Organisationen fordern eine Ergänzung der Vorlage mit einer Regelung über das Folgerecht gemäss den Vorgaben der Richtlinie 2001/84/EG des Europäischen

3406

Parlaments und des Rates vom 27. September 2001 über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerks10. Dadurch sollen die bildenden Künstlerinnen und Künstler an den Einnahmen beteiligt werden, die der Kunsthandel mit der Weiterveräusserung ihrer Werke erzielt. Die Befürworter des Folgerechts, zu denen auch ein Kanton gehört, sehen in seiner Anerkennung zudem einen wichtigen Beitrag zur Harmonisierung mit dem Gemeinschaftsrecht.

Der Kunsthandelsverband der Schweiz, die Schweizerische Vereinigung der Kunstsammler und die économiesuisse sind gegen die Einführung des Folgerechts, weil die Schweiz dadurch einen wichtigen Standortvorteil gegenüber der Europäische Gemeinschaft auf dem Gebiet des Kunsthandels verlieren würde.

Einführung einer Vergütung für die Bibliotheksausleihe: Die Kulturschaffenden und der Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband beantragen, einen Vergütungsanspruch der Urheberinnen und Urheber gegenüber den Bibliotheken in die Vorlage aufzunehmen. Das würde zu einer weiteren Annäherung ans Gemeinschaftsrecht führen und entspreche dem Grundgedanken des Urheberrechts, wonach jede Verwendung des Werks entschädigt werden soll. Ein Kanton unterstützt dieses Begehren unter der Voraussetzung, dass die Bibliotheken der Lehranstalten von dieser Regelung ausgenommen werden.

Der Verband der Bibliotheken und der Bibliothekarinnen/Bibliothekare der Schweiz begrüsst hingegen, dass dieser Vergütungsanspruch nicht in die Vorlage aufgenommen worden ist und lehnt die Belastung des bibliothekarischen Leihverkehrs mit einem urheberrechtlichen Vergütungssystem entschieden ab.

In die Vernehmlassung sind schliesslich noch Revisionsanliegen eingeflossen, die weder in Zusammenhang mit der Umsetzung der beiden WIPO-Abkommen stehen noch auf parlamentarischen Vorstössen beruhen. Sie beziehen sich auf die Einführung eines Sonderschutzes für Fotografien (Comedia, Schweizer Presse, Suisseculture und Schweizer Berufsfotografen) und für Datenbanken (swiss interactive media and software association und Schweizer Presse) sowie die Gewährung eines Klagerechts für die einzelnen an einer Darbietung beteiligten Interpretinnen und Interpreten (SPS, Schweizerische Interpreten-Gesellschaft, Suisseculture, Städteverband und Demokratische Juristinnen und Juristen der Schweiz). In Bezug auf den Schutz von
Computerprogrammen werden gewisse Klarstellungen sowie weitere Anpassungen an das Gemeinschaftsrecht verlangt (Schweizerischer Wirtschaftsverband der Informations-, Kommunikations- und Organisationstechnik). Schliesslich wird von der SUISA die Einführung des Grundsatzes der nationalen Erschöpfung und von der Filmwirtschaft eine Ergänzung der Regelung über die Erschöpfung des Verbreitungsrechts in Bezug auf audiovisuelle Werke beantragt. Die Swiss Internet User Group beantragt die Einführung einer weiteren Schutzschranke für die Verwendung von Werken zu Forschungszwecken und der Verband der Museen der Schweiz eine für die Verwendung von Werken der bildenden Kunst zu Ausstellungszwecken. Die Anregungen fanden keinen Eingang in die Vorlage.

10

ABl. L 272 vom 13.10.2001, S. 32.

3407

1.3

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Neue Aufgaben sind für den Bund mit der Errichtung einer Beobachtungsstelle nach Artikel 39b E-URG verbunden. Sie können von der Eidgenössischen Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten oder dem Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum übernommen werden und dürften zu einem Mehraufwand und damit verbundenen Mehrausgaben von maximal einer halben Stelle führen.

1.4

Rechtsvergleich und Verhältnis zum Gemeinschaftsrecht

Auch die Europäische Gemeinschaft strebt die Ratifikation der beiden WIPOAbkommen an. Sie hat zu diesem Zweck, wie bereits erwähnt, die Richtlinie Informationsgesellschaft erlassen (siehe Ziff. 1.1.1.2). Die Vorlage folgt ihr namentlich dort, wo die beiden WIPO-Abkommen dem nationalen Gesetzgeber einen gewissen Gestaltungsspielraum offen lassen, wie das insbesondere bei der Verpflichtung zur Einführung des rechtlichen Schutzes für technische Massnahmen der Fall ist (siehe Ziff. 2.3, Art. 39a E-URG). Zudem berücksichtigt sie bei der Umsetzung des WPPT alle Kategorien von Leistungsschutzberechtigten, wie das die Richtlinie Informationsgesellschaft ebenfalls vorsieht (siehe Ziff. 2.3, Art. 33, 36 und 37 E-URG).

Schliesslich hält sich die Vorlage auch bei den neu vorgesehenen Schutzschranken an die diesbezüglichen Vorgaben der Richtlinie Informationsgesellschaft (siehe Ziff. 2.4). Sie bewirkt somit eine erhebliche Annäherung an das Gemeinschaftsrecht auf dem Gebiet des Urheber- und des Nachbarrechtsschutzes.

Eine weitere Angleichung an das Gemeinschaftsrecht wurde im Rahmen dieser Revision mit den parlamentarischen Vorstössen betreffend die Einführung des Folgerechts und des Verleihrechts (sog. Bibliothekstantieme) angestrebt. Die Vernehmlassung hat ergeben, dass diese Forderungen, die anlässlich der Totalrevision von 1992 abgelehnt wurden, nach wie vor umstritten sind (siehe Ziff. 1.2.3.3.2). Es sind auch keine Argumente vorgebracht worden, die eine Neubeurteilung rechtfertigen würden. Die Vorlage hält sich in diesen beiden Punkten an die anlässlich der Totalrevision beschlossene Weichenstellung und folgt damit nicht dem Gemeinschaftsrecht.

1.5

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Mit der Vorlage werden folgende Vorstösse abgeschrieben: Die Motion Christen vom 8. Oktober 1999 (99.3557 Urheberrechtsentschädigungen auf Subventionen) betrifft die Stärkung der Position der Nutzenden gegenüber den Verwertungsgesellschaften. Sie wurde in ein Postulat umgewandelt und im Rahmen der Gesetzgebungsvorarbeiten geprüft. Dabei hat sich gezeigt, dass eine gewisse Verbesserung des Tarifgenehmigungsverfahrens auf Verordnungsebene erzielt werden kann.

Die Motion Weigelt vom 23. März 2000 (00.3127 Produzenten-Urheberrecht) fordert eine Verbesserung des Schutzes der Produzentinnen bzw. der Produzenten von urheberrechtlich geschützten Werken. Sie ist ebenfalls in ein Postulat umge3408

wandelt worden. Da im Rahmen der Vorarbeiten keine kompromissfähige Lösung gefunden werden konnte, wurde darauf verzichtet, eine entsprechende Regelung in die Vorlage aufzunehmen (siehe Ziff. 1.2.3.3.2).

Im Zusammenhang mit der Forderung nach einem Produzentenartikel wurde in der Vernehmlassung auch die Meinung vertreten, dass im Interesse der Rechtssicherheit und einer praxisorientierten Gesetzesauslegung die Tragweite des in Artikel 16 Absatz 1 URG statuierten Grundsatzes der Übertragbarkeit der Urheberrechte präzisiert werden müsse. Im Vordergrund steht dabei die für die Wirtschaft wichtige Frage, ob sich eine Rechtsübertragung auch auf künftige Verwendungsarten bezieht.

Das Gesetz beantwortet diese Frage zwar nicht explizit, da es aber der vertraglichen Rechtsübertragung weder zeitliche noch inhaltliche Schranken setzt, steht einer uneingeschränkten Übertragung der Urheberrechte ­ einschliesslich künftiger Verwendungsformen ­ nichts entgegen. Das ergibt sich auch aus den Materialien und das Gesetz bedarf diesbezüglich keiner Klarstellung.

Der Bundesrat hatte in seiner Vorlage zur Totalrevision des Urheberrechtsgesetzes von 199211 insbesondere deshalb am Grundsatz der Übertragbarkeit des Urheberrechts unter Lebenden festgehalten, weil er der im Rückweisungsbeschluss des Parlaments enthaltenen Anweisung entsprechen wollte. Danach sollten im Hinblick auf die zunehmende Bedeutung des abhängigen und kollektiven Werkschaffens die Interessen der Werknutzenden und Produzierenden besser berücksichtigt werden12.

Eine restriktive Auslegung des Grundsatzes der Übertragbarkeit des Urheberrechts unter Lebenden würde dieser Intention widersprechen. Sie lässt sich übrigens auch nicht mit den Ausführungen in der damaligen Botschaft vereinbaren, wonach «das Urheberrecht grundsätzlich zeitlich und inhaltlich unbeschränkt übertragen werden» kann und der Rechtsnachfolger des Urhebers als Zessionar die Rechtsstellung des originären Rechtsinhabers erwirbt13. Diese Auslegung des Grundsatzes der Übertragbarkeit ist in den parlamentarischen Beratungen unwidersprochen geblieben. Daraus ergibt sich, dass der Urheber künftige Werkverwendungen aus der Hand gibt, wenn er seine Rechte ausdrücklich und vorbehaltlos auf einen Dritten überträgt, oder wenn er eine Vereinbarung trifft, die gestützt auf die Zweckübertragungstheorie
(Art. 16 Abs. 2 URG) zu demselben Ergebnis führt. Diese Auffassung ist auch in der Lehre vorherrschend14.

Die Motion Aeppli Wartmann vom 22. Juni 2001 (01.3401 Folgerecht im Urheberrechtsgesetz) verlangt die Einführung des Folgerechts der Urheberin bzw. des Urhebers des Originals eines Kunstwerkes. Die Prüfung dieses in ein Postulat umgewandelten Vorstosses hat ergeben, dass das Folgerecht nach wie vor umstritten ist und von breiten Kreisen abgelehnt wird. Es ist deshalb nicht in die Vorlage aufgenommen worden (siehe Ziff. 1.2.3.3.2).

Das Postulat der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 3. Juli 2001 (01.3417 Urheberrechtsgesetz. Teilrevision) beauftragt den Bundesrat, bei der Anpassung des Urheberrechts an die neuen Kommunikationstechnologien die Standards der WIPO-Abkommen sowie die Richtlinie Informationsgesellschaft zu berücksichtigen. Die Vorlage entspricht diesen Vorgaben.

11 12 13 14

BBl 1989 III 477 ff.

BBl 1989 III 477 534 BBl 1989 III 477 534 So insbesondere von Büren/Meer, in: SIWR II/1, 2. Aufl., S. 245.

3409

Das Postulat Baumann J. Alexander vom 21. Juni 2002 (02.3356 Urheberrecht.

Ratifikation von zwei WIPO-Abkommen und Regelung der Privatkopie) verlangt die Prüfung von Massnahmen zur Anpassung des Vergütungssystems für das Vervielfältigen zum Eigengebrauch an die neuen technischen Gegebenheiten. Die Vorlage trägt diesem Postulat Rechnung (siehe Ziff. 1.2).

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

2.1

WIPO-Urheberrechtsvertrag

Präambel Das WCT dient dem Schutz der Urheberin bzw. des Urhebers und soll damit einen zusätzlichen Anreiz für literarisches und künstlerisches Arbeiten schaffen. Das Abkommen weist auf die tief greifenden Veränderungen durch die Informationsund Kommunikationstechnologie hin und betont die Notwendigkeit, die internationalen Vorschriften daran anzupassen. Es bezweckt ein Gleichgewicht zu erreichen zwischen den Interessen der Urheberseite und denjenigen der Öffentlichkeit an Bildung, Forschung und Zugang zu Informationen.

Das internationale Recht soll demnach Schritt halten mit den neuen Errungenschaften und kein Kräfteungleichgewicht entstehen lassen. Ein generell unbeschränkter und unentgeltlicher Zugang zu Werken ­ wie es zum Teil von Nutzerseite im Internetbereich gefordert wird ­ steht nicht zur Diskussion. Aber auch die Rechte der Urheberinnen und Urheber gelten nicht schrankenlos, sondern müssen überwiegenden öffentlichen Interessen weichen.

Art. 1 Das WCT stellt gemäss Absatz 1 ein Sonderabkommen im Sinne von Artikel 20 RBÜ dar. Auf Grund dieser Qualifikation darf das Abkommen weder der RBÜ widersprechen noch ein geringeres Schutzniveau vorsehen. Gemäss Absatz 4 sind die materiellen Bestimmungen (Art. 1­21) und der Anhang zur RBÜ von den Vertragsparteien zu respektieren.

Gemäss internationalem Vertragsrecht hat diese Verknüpfung der beiden Abkommen zur Folge, dass bei widersprüchlichen Regelungen die RBÜ den Vorrang geniesst. Um solche Widersprüche zu vermeiden, ist das WCT konventionskonform auszulegen. Dies scheint vor allem bezüglich der Vereinbarten Erklärung zu Artikel 1 Absatz 4 relevant zu sein, die besagt, dass das Vervielfältigungsrecht nach Artikel 9 RBÜ und die darunter fallenden Ausnahmen auch im vollen Umfang im digitalen Bereich Anwendung finden und eine elektronische Speicherung eine Vervielfältigung im Sinne dieser Bestimmung ist.

Die uneingeschränkte Befolgungspflicht bezüglich der materiellen Bestimmungen und des Anhangs der RBÜ ist vor allem für die Vertragsstaaten von Gewicht, welche diese Übereinkunft nicht unterzeichnet haben. Die wichtigsten Inhalte der erwähnten Bestimmungen der RBÜ sind die Begriffsdefinition der «Werke der Literatur und der Kunst», das Inländerbehandlungsprinzip, das Prinzip der Unabhängigkeit des Schutzes von formellen Voraussetzungen, die Persönlichkeitsrechte der Urheberinnen und Urheber und die ausschliesslichen Rechte wie das Vervielfäl3410

tigungsrecht, das Änderungsrecht, das Aufführungs- und Vortragsrecht sowie das Sende- und Wiedergaberecht.

Aus Absatz 1 Satz 2 geht hervor, dass ­ mit Ausnahme des Verweises in Absatz 4 auf die RBÜ ­ keine weiteren rechtlichen Verweisungen auf internationale Verträge bestehen. Bei den Vertragsverhandlungen wurde aber auf die Vereinbarkeit mit andern internationalen Verträgen wie beispielsweise das Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum (TRIPS-Abkommen)15 Rücksicht genommen.

Art. 2 Mit der Definition des Schutzgegenstandes wird der Artikel 9 Absatz 2 des TRIPSAbkommens beinahe wörtlich übernommen, was bewirkt, dass die beiden Abkommen den gleichen sachlichen Anwendungsbereich haben. In der RBÜ ist dieser Schutzumfang zwar nicht wörtlich enthalten, dennoch war er unter den Berner Vertragsstaaten immer unbestritten.

Art. 3 Die Artikel 2 bis 6 der RBÜ sollen für die neuen oder weiter gehenden Rechte des WCT entsprechend gelten. Damit sind insbesondere der Katalog von Werken der Literatur und Kunst und die Grundsätze der Inländerbehandlung sowie Unabhängigkeit des Schutzes von formellen Voraussetzungen angesprochen. Die analoge Anwendung der Hauptprinzipien der RBÜ auf die Regeln des WCT war der einfachste Weg, Widersprüche zwischen diesen Abkommen wie beispielsweise die Begriffe «Vertragsparteien» im WCT und «Verbandsländer» in der RBÜ zu vermeiden (siehe Vereinbarte Erklärung zu Art. 3).

Art. 4 Es handelt sich hier nicht um eine Erweiterung des Werkbegriffs des Computerprogramms, sondern um eine Klärung. Es ist seit geraumer Zeit unbestritten, dass Computerprogrammen urheberrechtlicher Schutz gewährt wird. So hält auch die Vereinbarte Erklärung zu Artikel 4 fest, dass der Schutzumfang dieses Artikels im Einklang mit der RBÜ steht und den einschlägigen Bestimmungen des TRIPSAbkommens entspricht.

Art. 5 Auch diese Bestimmung zu den Datensammlungen und Datenbanken deklariert lediglich, was aufgrund der RBÜ und des TRIPS-Abkommens bereits gilt (siehe Vereinbarte Erklärung zu Art. 5).

Art. 6 Die Bestimmung sieht ein Verbreitungsrecht vor, das sich auf alle Werke der Literatur und Kunst bezieht. Die Einräumung dieses ausschliesslichen Rechts ist eine 15

Abkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation vom 15. April 1994, Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum; SR 0.632.20 Anhang 1C.

3411

wichtige Neuerung des WCT im Vergleich zur RBÜ und zum TRIPS-Abkommen.

Die Vereinbarte Erklärung zu Artikel 6 und 7 beschränkt den Anwendungsbereich dieser Bestimmung jedoch auf die Verbreitung von materialisierten Werkexemplaren und schliesst somit die digitale Übermittlung aus.

Die Regelung der wichtigen aber umstrittenen Frage der Erschöpfung bleibt den Vertragsstaaten überlassen. Immerhin kann gemäss Absatz 2 die Erschöpfung nur eintreten, nachdem die Urheberin bzw. der Urheber der ersten Verfügungshandlung zugestimmt hat.

Art. 7 Ein ausschliessliches Vermietrecht wurde multilateral erstmals im TRIPS-Abkommen vorgesehen, das auch als Grundlage für die Ausarbeitung dieses Artikels diente.

Bei der Ausgestaltung dieses Rechts finden sich keine substantiellen Unterschiede zwischen den beiden Abkommen.

Das ausschliessliche Vermietrecht wird beschränkt auf körperliche Wiedergaben von Computerprogrammen, Filmwerken und von auf Tonträgern aufgenommenen Werken (siehe Vereinbarte Erklärung zu Art. 6 und 7). Dazu finden sich gewichtige Ausnahmen. Ein Vorbehalt wurde zugunsten von Staaten eingeführt, welche ein System kennen, das der Urheberin bzw. dem Urheber von auf Tonträgern aufgenommenen Werken eine angemessene Vergütung für das Vermieten zusichert.

Solche Staaten dürfen ihr System beibehalten, sofern das ausschliessliche Vervielfältigungsrecht dadurch nicht erheblich beeinträchtigt wird. Ausserdem hält die Vereinbarte Erklärung zu Artikel 7 fest, dass ein Land, dessen nationales Recht diesen Urheberinnen und Urhebern kein ausschliessliches Vermietrecht einräumt, nicht gezwungen ist, diesbezüglich sein Recht zu ändern. Zudem bleibt es den Vertragsstaaten erlaubt, ein weiter reichendes Vermietrecht vorzusehen.

Art. 8 Erstmals wird ein umfassendes öffentliches Wiedergaberecht statuiert, das unabhängig von der Werkart gilt. Eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts tritt mit der Zugänglichmachung nicht ein. Mit dieser Formulierung wird auch die Übertragung in digitalen Netzen erfasst. Sie ist auch auf allfällige nicht-interaktive Übertragungen anwendbar. Damit wurde eine Unsicherheit beseitigt, die sich bezüglich der Rechtslage durch den technischen Fortschritt ergeben hat. Die Vereinbarte Erklärung zu Artikel 8 stellt klar, dass das blosse Bereitstellen von Infrastruktur zur Ermöglichung einer
Übermittlung noch keine Wiedergabe im Sinne dieses Artikels ist.

Art. 9 Der Ausschluss der Anwendung von Artikel 7 Absatz 4 RBÜ bewirkt, dass allgemeine Mindestschutzfrist von 50 Jahren nun auch für fotografische Werke (Art. 1 Abs. 4 WCT i.V.m. Art. 7 Abs. 1 RBÜ). Mit dieser neuen Bestimmung WCT wird das unterschiedliche Schutzniveau für die Fotografie und somit ungleiche Behandlung beendet.

die gilt des die

Gemäss RBÜ sind die Verbandsländer frei, auch längere Schutzfristen zu gewähren.

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union kennen für sämtliche Werkgattungen die 70-jährige Schutzfrist. Dies gilt auch für die Schweiz mit Ausnahme der Computerprogramme.

3412

Art. 10 Die Vertragsstaaten dürfen nach Absatz 1 grundsätzlich Beschränkungen und Ausnahmen beibehalten und einführen, die den Drei-Stufen-Test bestehen: Sie sind zulässig, wenn sie auf Sonderfälle beschränkt sind, die normale Verwertung der Werke nicht beeinträchtigen und die berechtigten Urheberinteressen nicht unzumutbar verletzen.

Dieser Artikel bezweckt, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den Interessen der Urheberinnen und Urheber und den öffentlichen Interessen zu ermöglichen und konkretisiert somit einen Grundsatz der Präambel. Der Drei-Stufen-Test wurde erstmals in Artikel 9 Absatz 2 der RBÜ festgeschrieben, der sich aber nur auf Ausnahmen und Beschränkungen des Vervielfältigungsrechts bezieht. Später wurde er als generelle Ausnahme- und Beschränkungsregel in Artikel 13 des TRIPSAbkommens aufgenommen.

Die erste Teststufe verbietet generalklauselartige Ausnahmebestimmungen. Die mit der Ausnahme oder Beschränkung verfolgte Zielsetzung muss klar sein. Die zweite Teststufe fordert eine Verhältnismässigkeitsprüfung im Hinblick auf die Verwertungsmöglichkeiten des Urheberrechts. Was eine normale Verwertung ist, bestimmt sich nach der Art des in Frage stehenden Rechts und nach dem diesbezüglichen Absatzmarkt. Die dritte Teststufe fordert eine Verhältnismässigkeitsprüfung im engeren Sinne; in die berechtigten Interessen der Urheberinnen und Urheber darf nicht so stark eingegriffen werden, dass dies für sie unzumutbar ist.

Absatz 2 dehnt diese Zulässigkeitsvoraussetzungen explizit auf die Ausnahmen und Beschränkungen gemäss RBÜ aus. Die Vereinbarte Erklärung zu Artikel 10 präzisiert, dass damit der Anwendungsbereich der Ausnahmen und Beschränkungen nach RBÜ unverändert bleibt, da der Drei-Stufen-Test implizit auch in der RBÜ verankert ist. Zudem soll der Drei-Stufen-Test auch im digitalen Bereich volle Anwendung finden.

Art. 11 Die Vertragsstaaten werden dazu verpflichtet, einen hinreichenden rechtlichen Umgehungsschutz für technische Massnahmen vorzusehen.

Diese flankierende Massnahme ist eine der wichtigsten Neuerungen dieses Abkommens. Sie dient der Durchsetzbarkeit des materiellen Rechts im veränderten technischen Umfeld und will den Urheberinnen und Urhebern bzw. den Rechteinhaberinnen und -inhabern die Möglichkeit geben, sich wirksam gegen die Piraterie zur Wehr zu setzen. Diese
sind aber keineswegs zur Anbringung solcher Massnahmen verpflichtet.

Das WCT selbst definiert die Begriffe «angemessener Rechtsschutz» und «wirksame Rechtsbehelfe» nicht und räumt den Vertragsstaaten einen Spielraum zur Umsetzung ein. Die Angemessenheit der materiellen Sanktionen kann wohl nur bejaht werden, wenn diese stark genug sind, um den angestrebten Zweck zu erreichen, aber dennoch die Interessen der Nutzenden und der Allgemeinheit im Sinne der Erwägungen der Präambel berücksichtigen. Als Konkretisierungshilfe für den Begriff wirksame Rechtsbehelfe kann Artikel 14 Absatz 2 WCT beigezogen werden, obwohl dieser nicht unmittelbar anwendbar ist. Demnach müssen prozessuale Durchsetzungsverfahren Verletzungshandlungen verhindern können und vor weiteren abschrecken.

Nebst zivilrechtlichen Verfahren dienen auch Strafverfahren diesen Zielen. Zur 3413

Einführung eines konkreten Verfahrens sind die Vertragsstaaten allerdings nicht verpflichtet.

Vor Umgehungen geschützt werden nur wirksame technische Massnahmen. Die Urheberinnen und Urheber müssen technische Vorkehrungen treffen, die einen Mindestschutz bieten. Die Vertragsstaaten sind lediglich verpflichtet, die technischen Mittel zum Schutz der Rechte gemäss diesem Abkommen oder gemäss der RBÜ zu schützen. Sie sind aber berechtigt, den Schutz auf weitere Rechte auszudehnen. Zudem bleibt es ihnen überlassen, die gesetzlichen Ausnahmen festzulegen.

Art. 12 Die Vertragsparteien werden ­ entsprechend Artikel 11 WCT ­ verpflichtet, hinreichende materielle Sanktionen und prozessuale Durchsetzungsverfahren zur Verfügung zu stellen. Geschützt werden die elektronischen Informationen für die Rechtewahrnehmung. Gemäss Absatz 2 handelt es sich dabei um Angaben zur Identifizierung der Werke, der Urheberinnen oder Urheber und der Rechteinhaberinnen und -inhaber sowie über Nutzungsbedingungen und diesen Zwecken dienende Zahlen oder Codes. Die Informationen müssen am Werkexemplar angebracht sein oder mit dessen Wiedergabe erscheinen. Den Vertragsstaaten steht es frei, weitere Informationen zu schützen.

Absatz 1 bestimmt zwei Tatbestände, bei deren Verwirklichung die Vertragsparteien hinreichende und wirksame Rechtsbehelfe vorzusehen haben: Die unbefugte Entfernung oder Änderung von elektronischen Informationen sowie die unbefugte Verbreitung, Einfuhr zur Verbreitung, Funksendung oder öffentliche Wiedergabe von Werken oder Werkexemplaren in Kenntnis der vorangegangenen unerlaubten Manipulationen. Absatz 1 legt zudem noch Anforderungen an den subjektiven Tatbestand fest. Im zivilrechtlichen Verfahren genügt bereits die fahrlässige Unkenntnis der Tatsache, dass die unbefugten Handlungen eine Verletzung eines unter das WCT oder die RBÜ fallenden Rechts herbeiführen, ermöglichen, erleichtern oder verbergen. Die von den Vertragsstaaten vorzusehenden Rechtsbehelfe können zusätzlich auch strafrechtlicher Natur sein. Da sich Artikel 12 auf Mindestschutzanforderungen bezieht, können diese von den Vertragsstaaten ausgedehnt werden.

Gemäss Vereinbarter Erklärung zu Artikel 12 geht es nicht nur um den Schutz der Wahrnehmung der ausschliesslichen Rechte nach RBÜ und WCT sondern auch um die Vergütungsansprüche. Ferner
geht aus der Erklärung hervor, dass diese Vorschrift nicht dazu dienen darf, den freien Warenverkehr zu unterbinden oder die Rechteausübung zu beeinträchtigen.

Art. 13 Für die Anwendung in zeitlicher Hinsicht verweist dieser Artikel auf die Regelung der RBÜ. Demnach gilt das Abkommen für alle Werke, die bei dessen Inkrafttreten noch nicht Gemeingut geworden sind. Ist die Schutzdauer zu diesem Zeitpunkt abgelaufen, lebt der Schutz nicht neu auf. Einzelheiten hierzu können gemäss Artikel 18 Absatz 3 der RBÜ bilateral oder national geregelt werden. Für neu eintretende Länder oder bei Ausdehnung des Rechtsschutzes gelten die gleichen Regeln bezüglich zeitlicher Anwendung (Art. 18 Abs. 4 RBÜ).

3414

Art. 14 Die Rechtsdurchsetzung bleibt weiterhin im Zuständigkeitsbereich der Vertragsstaaten. Diese müssen in Übereinstimmung mit ihren nationalen Rechtsordnungen die für die Anwendung dieses Vertrages notwendigen Massnahmen ergreifen. Es werden im Sinne eines Mindestkatalogs Durchsetzungsverfahren wie vorsorgliche Massnahmen zur Verhinderung von Verletzungshandlungen und Massnahmen zur Abschreckung entsprechender Handlungen gefordert. Das Strafverfahren wird nicht explizit verlangt.

Art. 15­18 Keine Bemerkungen.

Art. 19 Dieses Abkommen lag bis zum 31. Dezember 1997 zur Unterzeichnung auf.

50 Staaten und die Europäische Gemeinschaft haben fristgerecht von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Die Schweiz hat dieses Abkommen (zusammen mit Estland und der Slowakei) am 29. Dezember 1997 unterzeichnet.

Art. 20 Die dreissigste Ratifikations- bzw. Beitrittsurkunde hinterlegte der Staat Gabun am 6. Dezember 2001, weshalb das WCT seit dem 6. März 2002 in Kraft ist.

Art. 21 Keine Bemerkungen.

Art. 22 Vorbehalte zu diesem Abkommen sind nicht zulässig. Die Vorbehalte nach RBÜ bleiben innerhalb des Verweises in Artikel 1 Absatz 4 WCT zulässig.

Art. 23­25 Keine Bemerkungen.

2.2

WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger

Präambel Die Präambel des WPPT lautet praktisch gleich wie die Präambel des WCT ­ abgesehen davon, dass sich der Schutz des Abkommens auf die ausübenden Künstlerinnen und Künstler und die Herstellerinnen und Hersteller von Tonträgern bezieht und dass die Erwägung über die Anreizfunktion weggelassen wurde.

3415

Art. 1 Das WPPT ist ein unabhängiges internationales Übereinkommen, welches kein Sonderabkommen darstellt. Die bestehenden Pflichten aus dem Rom-Abkommen werden durch dieses Abkommen nicht beeinträchtigt. Ebenso wenig werden die Rechte und Pflichten anderer internationaler Verträge berührt. Das Abkommen hat auch keinen Einfluss auf den Schutz der Urheberrechte. Die Unabhängigkeit des Urheberrechtsschutzes vom Leistungsschutz wird in der Vereinbarten Erklärung zu Artikel 1 erläutert. Ferner hält die Vereinbarte Erklärung fest, dass die Vertragsparteien den Leistungsschutzberechtigten zusätzliche Ausschliesslichkeitsrechte gewähren können.

Art. 2 Die Begriffsbestimmungen entsprechen weitgehend jenen von Artikel 3 des RomAbkommens. Abgesehen von diversen Ergänzungen und Aktualisierungen wurden neu die Begriffe «Festlegung» und «öffentliche Wiedergabe» in das Abkommen aufgenommen.

Art. 3 Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Kreises der Schutzberechtigten ist die Staatsangehörigkeit. Zur Begriffsbestimmung der Staatsangehörigkeit verweist Absatz 2 auf das Rom-Abkommen.

Die Schweiz hat gestützt auf Artikel 5 Absatz 3 des Rom-Abkommens einen Vorbehalt angebracht und erklärt, das Anknüpfungsmerkmal der «Festlegung» nicht anzuwenden (siehe Erklärungen im Rom-Abkommen)16. Gemäss Absatz 3 ist dieser Vorbehalt dem Generaldirektor der WIPO anlässlich der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde zu notifizieren.

Art. 4 Der Grundsatz der Inländerbehandlung nach diesem Artikel reicht weniger weit als derjenige in der RBÜ. Er ist beschränkt auf die nach diesem Abkommen ausdrücklich gewährten ausschliesslichen Rechte und auf das Recht auf angemessene Vergütung. Er erstreckt sich demnach nicht auf weitergehende Rechte, die das nationale Gesetz vorsieht. Nach Absatz 2 entfällt die Pflicht zur Inländerbehandlung zudem, wenn eine Vertragspartei das Recht auf Vergütung für Funksendung und öffentliche Wiedergabe einschränkt oder ausschliesst (siehe Art. 15 Abs. 3 WPPT).

Art. 5 Der Absatz 1 dieses Artikels verleiht den ausübenden Künstlerinnen und Künstlern zwei Persönlichkeitsrechte: das Recht auf Namensnennung und dasjenige auf Integrität ihrer Darbietungen. Diese Persönlichkeitsrechte verbleiben ihnen, selbst wenn sie die wirtschaftlichen Rechte abgetreten haben. Sie sind beschränkt auf die hörbaren Live-Darbietungen
und die auf Tonträgern aufgenommenen Darbietungen.

Die Künstlerpersönlichkeitsrechte finden sich erstmals in einem internationalen Übereinkommen. Sie sind eine der wesentlichsten Neuerungen dieses Abkommens, 16

SR 0.231.171

3416

auch wenn die Fragen der Übertragbarkeit oder Verzichtbarkeit dieser Rechte offen gelassen wurden.

Absatz 2 bezweckt die Koordination der Schutzfrist der vermögensrechtlichen und persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse. Vertragsparteien, welche bei der Ratifikation dieses Abkommens oder beim Beitritt zu diesem Abkommen keine den Tod der Künstlerinnen und Künstler überdauernden Persönlichkeitsrechte im Bereich der verwandten Schutzrechte kennen, können bestimmen, dass diese Rechte nach deren Tod nicht fortbestehen. Von dieser Möglichkeit wird die Schweiz im Interesse der Rechtssicherheit und im Sinne einer möglichst einfachen und einheitlichen Regelung keinen Gebrauch machen.

Nach Absatz 3 kommt hinsichtlich der Rechtsdurchsetzung das Recht der Vertragspartei zur Anwendung, deren Schutz beansprucht wird.

Art. 6 In Anlehnung an Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe a und b des Rom-Abkommes und Artikel 14 Absatz 1 TRIPS-Abkommen, aber erstmals in Ausgestaltung als Ausschliesslichkeitsrecht, gewährt dieser Artikel den ausübenden Künstlerinnen und Künstlern vermögensrechtliche Befugnisse an ihren nicht festgelegten Darbietungen.

Der Schutz umfasst nebst musikalischen auch audiovisuelle und visuelle Darbietungen.

Art. 7 Dieser Artikel sieht für die ausübenden Künstlerinnen und Künstler ein generelles ausschliessliches Vervielfältigungsrecht in Bezug auf ihre auf Tonträger festgelegten Darbietungen vor. Das Recht umfasst mittelbare und unmittelbare Vervielfältigungen und findet auch im digitalen Bereich volle Anwendung (siehe Vereinbarte Erklärung zu Art. 7, 11 und 16). Somit stellt die elektronische Speicherung einer bereits in digitaler Form festgelegten Darbietung oder die Digitalisierung einer in analogen Medien gespeicherten Darbietung jeweils eine Vervielfältigungshandlung dar.

Art. 8 Dieser Artikel verleiht den ausübenden Künstlerinnen und Künstlern ein ausschliessliches Verbreitungsrecht hinsichtlich festgelegter Vervielfältigungsstücke, die als körperliche Gegenstände in Verkehr gebracht werden können (siehe Vereinbarte Erklärung zu Art. 2 Bst. e, 8, 9, 12 und 13 hiezu). Die Regelung der Erschöpfungsfrage wird ­ nach dem Muster des Artikels 6 WCT ­ den Vertragsstaaten überlassen.

Art. 9 Diese Bestimmung räumt den ausübenden Künstlerinnen und Künstlern ein ausschliessliches Vermietrecht ein. Eine
Beschränkung des Rechts ist darin zu sehen, dass es nur die gewerbliche Vermietung an die Öffentlichkeit umfasst und nach Massgabe des innerstaatlichen Rechts der Vertragsparteien gewährt wird.

Nach Absatz 2 können die Vertragsparteien das bereits bestehende System der angemessenen Vergütung für die Vermietung beibehalten, sofern dieses das aus-

3417

schliessliche Vervielfältigungsrecht der ausübenden Künstlerinnen und Künstler nicht erheblich beeinträchtigt (siehe die parallele Bestimmung in Art. 7 Abs. 3 WCT).

Art. 10 Das Recht auf Zugänglichmachung festgelegter Darbietungen gemäss diesem Artikel entspricht in weiten Teilen dem Recht auf öffentliche Wiedergabe gemäss Artikel 8 WCT. Neu werden insbesondere auch die On-Demand-Dienste erfasst.

Art. 11 Die Herstellerinnen und Hersteller von Tonträgern geniessen ­ entsprechend der Vorschrift des Artikels 7 WPPT ­ ein ausschliessliches Vervielfältigungsrecht.

Art. 12 Dieser Artikel verleiht den Herstellerinnen und Herstellern von Tonträgern ein zu den Artikeln 6 WCT und 8 WPPT analoges Recht auf Zugänglichmachung durch Eigentumsübertragung. Die Regelung der Erschöpfungsfrage wird auch hier den Vertragsstaaten überlassen.

Art. 13 Zum ausschliesslichen Recht der Tonträgerherstellerinnen und -hersteller auf gewerbsmässige Vermietung und dem Vorbehalt zugunsten von Vertragsstaaten mit einem angemessenen Vergütungssystem kann auf die Ausführungen zu Artikel 9 WPPT verwiesen werden.

Art. 14 Das ausschliessliche Recht der Zugänglichmachung der Herstellerinnen und Hersteller von Tonträgern entspricht weitestgehend dem Ausschliesslichkeitsrecht der ausübenden Künstlerinnen und Künstler in Artikel 10 WPPT.

Art. 15 Nach Absatz 1 wird den ausübenden Künstlerinnen und Künstlern und Tonträgerherstellerinnen und -herstellern ein Vergütungsanspruch eingeräumt für das Senden und die öffentliche Wiedergabe von zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgern. Individuell abrufbare Tonträger nach Absatz 4 werden den Tonträgern in Absatz 1 gleichgestellt. Aus der Vereinbarten Erklärung zu Artikel 15 geht hervor, dass ein Vergütungsanspruch bei folkloristischen Darbietungen oder Aufzeichnungen besteht, auch wenn die Tonträger ­ abweichend von Absatz 1 ­ nicht zu gewerblichen Zwecken veröffentlicht worden sind.

Der Vergütungsanspruch steht beiden Gruppen zu. Die Vertragsparteien können gemäss Absatz 2 aber festlegen, ob die eine bzw. die andere Gruppe oder beide Gruppen zur Geltendmachung des Anspruchs berechtigt sind. Besteht bei der internen Aufteilung des Erlöses kein Einvernehmen, bleibt auch diese Regelung den Vertragsparteien vorbehalten.

3418

Nach Absatz 3 kann jede Vertragspartei einen Vorbehalt anbringen, um die Anwendung des Absatzes 1 über die Vergütungsansprüche zu beschränken oder die Bestimmung nicht anzuwenden.

Die Bestimmung basiert im Wesentlichen auf den Artikeln 12 und 16 des RomAbkommens. Über den Umfang des Sende- und Wiedergaberechts konnten die Vertragsparteien keine Einigung erzielen, weshalb die Frage offen gelassen wurde (siehe Vereinbarte Erklärung zu Art. 15). Um überhaupt eine gemeinsame Regelung zu verankern, mussten die verschiedenen Vorbehalte eingeräumt werden. Immerhin wird auch hier lediglich ein Mindeststandard festgelegt, der von den Vertragsstaaten übertroffen werden kann.

Art. 16 Diese Schrankenbestimmung ist im Vergleich zur Regelung in Artikel 15 Absatz 1 des Rom-Abkommens enger gefasst. Die Ausnahmen und Beschränkungen sind nur unter Beachtung des Drei-Stufen-Tests zulässig (siehe dazu Art. 10 WCT und die Vereinbarte Erklärung zu Art. 16).

Art. 17 Die Bestimmung legt in Übereinstimmung mit Artikel 14 Ziffer 5 Satz 1 des TRIPSAbkommens eine Mindestschutzdauer von 50 Jahren für die Rechte der ausübenden Künstlerinnen und Künstler sowie der Tonträgerherstellerinnen und -hersteller fest.

Eine entsprechende Mindestfrist sieht auch die europäische Richtlinie 93/98/EWG des Rates vom 29. Oktober 1993 zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter Schutzrechte17 vor.

Art. 18 Das Vorgehen der Vertragsstaaten gegen die Umgehung von wirksamen technischen Massnahmen regelt dieser Artikel ebenso wie Artikel 11 WCT.

Art. 19 Dieser Artikel entspricht inhaltlich der Regelung von Artikel 12 WCT.

Art. 20 Im Gegensatz zu Artikel 11 des Rom-Abkommens und Artikel 14 Ziffer 6 des TRIPS-Abkommens, welche den Vertragsstaaten gewisse Formvorschriften erlauben, statuiert diese Bestimmung uneingeschränkt den Grundsatz der Unabhängigkeit des Schutzes von formellen Voraussetzungen.

Art. 21 Mit Ausnahme der Vorbehalte gemäss Artikel 15 Absatz 3 dieses Abkommens sind keine weiteren in Bezug auf das WPPT zulässig.

17

ABl. L 290 vom 24.11.1993, S. 9­13.

3419

Art. 22 Für den zeitlichen Geltungsbereich wird ­ wie schon in Artikel 13 WCT ­ auf Artikel 18 RBÜ verwiesen.

Absatz 2 enthält die Sonderbestimmung, wonach die Künstlerpersönlichkeitsrechte gemäss Artikel 5 dieses Abkommens auf Darbietungen beschränkt werden können, die nach Inkrafttreten dieses Abkommens für die jeweilige Vertragspartei stattgefunden haben.

Art. 23 Diese Bestimmung gibt den Inhalt des Artikels 14 WCT wieder.

Art. 24­33 Diese Verwaltungs- und Schlussbestimmungen entsprechen den Artikeln 15 bis 21 und 23 bis 25 des WCT. Anzufügen bleibt lediglich, dass die Schweiz dieses Abkommen gleichzeitig mit dem WCT am 29. Dezember 1997 unterzeichnet hat.

Nachdem Honduras als dreissigster Staat dem WPPT beigetreten ist, ist dieses Abkommen am 20. Mai 2002 in Kraft getreten.

2.3

Änderungen des Urheberrechtsgesetzes zur Umsetzung der WIPO-Abkommen

Art. 10

Verwendung des Werkes

In Bezug auf die Verwendungsbefugnisse in Form von ausschliesslichen Rechten besteht eigentlich kein Anpassungsbedarf an das WCT. Da den Urheberinnen und Urhebern gemäss Artikel 10 Absatz 1 URG grundsätzlich jede Art der Verwendung ihrer Werke als ausschliessliches Recht vorbehalten ist, wird auch das in Artikel 8 WCT gegenüber der RBÜ neu vorgesehene Recht des Zugänglichmachens von Werken durch On-Demand-Dienste durch das geltende URG an sich bereits abgedeckt.

Dieses so genannte On-Demand-Recht kann auch aus Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe c URG abgeleitet werden. Gemäss der Botschaft zum URG18 erfasst der Begriff «anderswo wahrnehmbar machen» nämlich auch die unkörperliche Wiedergabe eines Werks über ein Netzsystem. Gleichwohl erscheint es angebracht, das Zugänglichmachen von Werken als eine ausschliessliche Befugnis der Urheberinnen und Urhebern explizit in Absatz 2 Buchstabe c aufzunehmen. Damit wird seine Bedeutung für das digitale Umfeld hervorgehoben und auch im Interesse der Rechtssicherheit klargestellt, dass das URG den Urheberinnen und Urhebern in Bezug auf das Zugänglichmachen ihrer Werke über Internet oder ähnliche Kommunikationssysteme ein ausschliessliches Recht gewährt, das mit Artikel 8 WCT und Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie Informationsgesellschaft kongruent ist.

Das WCT überlässt es den Vertragsstaaten zu definieren, wann ein Zugänglichmachen von Werken öffentlich und damit urheberrechtlich relevant ist. Nach Artikel 10 URG sind den Urheberinnen und Urhebern grundsätzlich alle unkörperlichen 18

BBl 1989 III 477 529

3420

Werkwiedergaben vorbehalten, die sich an einen Kreis von Personen richten, der nicht durch Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe a oder b URG abgedeckt ist. Das bedeutet indessen nicht, dass ein Werk, das gestützt auf Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe c URG in Form einer digitalen Kopie in einem betriebsinternen Netzwerk gespeichert wird, innerhalb dieses Betriebs nur mit der Einwilligung der Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber zugänglich gemacht werden kann. Obwohl sich diese Ausnahmebestimmung eigentlich nur auf das Vervielfältigungsrecht bezieht, erlaubt sie selbstverständlich auch die betriebsinterne Verbreitung der zu Information oder Dokumentation hergestellten Vervielfältigungen und zwar unabhängig davon, ob diese Verbreitung in körperlicher oder in unkörperlicher Form erfolgt19.

Bei der Abgrenzung des Rechts des Zugänglichmachens gegenüber der gesetzlichen Lizenz für den Eigengebrauch darf indessen nicht darauf abgestellt werden, in welchem Kreis der Abruf des zugänglich gemachten Werks vorgenommen wird. Nur wenn sowohl das Zugänglichmachen als auch der Abruf von einem der in Artikel 19 Absatz 1 URG definierten Kreisen erfasst wird, fällt dieses Recht unter die Schutzschranke des Eigengebrauchs.

Durch die Formulierung «mit irgendwelchen Mitteln» wird klargestellt, dass dieses Recht nicht davon abhängt, welche Technologie für das Zugänglichmachen von Werken eingesetzt wird. Es spielt also keine Rolle, ob die Werke drahtgebunden oder drahtlos zugänglich gemacht werden.

In Absatz 2 Buchstabe f wird festgehalten, dass auch das Wahrnehmbarmachen eines zugänglich gemachten Werks den Urheberinnen und Urhebern als eine ausschliessliche Befugnis vorbehalten ist. So wie man Sendungen über einen Bildschirm beispielsweise in einem Restaurant wahrnehmbar machen kann, kann man auch zugänglich gemachte Werke für einen nicht durch den Eigengebrauch abgedeckten Personenkreis wahrnehmbar machen. In diesem Sinne stellt das Wahrnehmbarmachen von Werken nicht nur in Bezug auf das Senden und Weitersenden sondern auch bezüglich des Zugänglichmachens durch On-Demand-Dienste eine den Urheberinnen und Urhebern vorbehaltene Zweitverwertung dar.

Art. 33

Rechte der ausübenden Künstler und Künstlerinnen

In Absatz 1 wird die Definition der ausübenden Künstlerin und des ausübenden Künstlers in Anlehnung an Artikel 2 Buchstabe a WPPT auf Ausdrucksformen der Volkskunst erweitert. Neu sind damit auch Darbietungen geschützt, denen zwar kein Werk zugrunde liegt, die aber eine Ausdrucksweise der Volkskunst darstellen.

Werke weisen «das Gepräge einer eigenartigen Geistesschöpfung» auf, die auf die Individualität ihrer Urheberin, bzw. ihres Urhebers hinweist (BGE 110 IV 102 «Harlekin»). Dieses Merkmal der Individualität fehlt der Volkskunst, die sich stark an Überliefertem orientiert und deren Schöpfungen von Generation zu Generation nur graduelle Änderungen erfährt. Dazu gehören beispielsweise folkloristische Tänze, denen keine geschützte Choreographie zugrunde liegt. Auf schweizerische Verhältnisse bezogen, könnte dieser Folkloreschutz zum Beispiel die Darbietung eines Fahnenschwingers erfassen.

Die in Absatz 2 enthaltene Aufzählung der ausschliesslichen Rechte der ausübenden Künstlerinnen und Künstler bezieht sich sowohl auf Live-Darbietungen als auch auf 19

Gleicher Meinung Gasser Christoph, 1997, Der Eigengebrauch im Urheberrecht, ASR Heft 604, Zürich, Stämpfli, S. 98 mit Verweis auf Cherpillod.

3421

festgelegte Darbietungen. Die abschliessende Aufzählung enthält neu unter dem Buchstaben a das so genannte On-Demand-Recht entsprechend der in Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe c E-URG gewählten Formulierung. Diese neue Befugnis, die weitgehend mit Artikel 10 WPPT übereinstimmt, betrifft das Zugänglichmachen von festgelegten Darbietungen. Im Unterschied zu Artikel 10 WPPT erfasst sie jedoch auch audiovisuelle Darbietungen und nicht nur solche, die auf einen Tonträger festgelegt sind. Darüber hinaus wird den ausübenden Künstlerinnen und Künstlern durch eine entsprechende Ergänzung unter Buchstabe e auch das ausschliessliche Recht vorbehalten, zugänglich gemachte Darbietungen wahrnehmbar zu machen.

Art. 33a

Persönlichkeitsrechte der ausübenden Künstler und Künstlerinnen

In das WPPT wurde unter Berücksichtigung der Manipulationsmöglichkeiten, welche die modernen Technologien bieten, ein Persönlichkeitsschutz der ausübenden Künstlerinnen und Künstler aufgenommen, der sich stark an das in Artikel 6bis RBÜ geregelte «droit moral» der Urheberinnen und Urheber anlehnt. Die Ratifikation des WPPT setzt also die Gewährleistung eines entsprechenden Schutzes voraus.

Wie in Artikel 5 WPPT wird in Artikel 33a E-URG zwischen zwei Komponenten des Persönlichkeitsschutzes unterschieden, nämlich dem Recht auf Namensnennung und dem Recht auf Wahrung der Integrität der Darbietung. In Absatz 1 wird das Recht der ausübenden Künstlerinnen und Künstler auf Anerkennung der Interpreteneigenschaft an ihrer Darbietung verbrieft. Die Bestimmung entspricht Artikel 9 Absatz 1 URG, aus dem kein absoluter Anspruch der Urheberin bzw. des Urhebers auf Namensnennung abgeleitet wird. Eine Auslassung der Namensnennung ist somit zulässig, wenn sie durch die Art der Verwendung geboten ist oder der Praxis entspricht. Zu denken ist etwa an eine Radiosendung mit Hintergrundmusik.

Der nach dem WPPT erforderliche Schutz der Integrität der Darbietung wird durch den Persönlichkeitsschutz nach Artikel 28 folgende ZGB20 gewährleistet, der auch durch die Entstellung oder Verstümmelung einer Darbietung verletzt sein kann. Das wird in Absatz 2 festgehalten.

Im Unterschied zu Artikel 5 WPPT bezieht sich Artikel 33a E-URG nicht bloss auf hörbare Darbietungen, sondern gewährt den ausübenden Künstlerinnen und Künstlern generell, also auch für ihre Darbietungen im audiovisuellen Bereich, einen Persönlichkeitsschutz. Davon abgesehen, dass es nicht opportun erscheint, die ausübenden Künstlerinnen und Künstler im audiovisuellen Bereich zu diskriminieren, ist davon auszugehen, dass ein zukünftiges WIPO-Abkommen zum Schutz der audiovisuellen Darbietungen ebenfalls eine persönlichkeitsrechtliche Komponente enthalten wird.

Art. 36

Rechte der Herstelles oder der Herstellerin von Ton- und Tonbildträgern

Buchstabe a bezieht sich auf das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht und ändert an sich nichts am bisherigen Schutzumfang. Das Vervielfältigungsrecht ist allerdings als eine umfassende Befugnis im Sinne von Artikel 11 WPPT zu verstehen. Sie erfasst sowohl die unmittelbare als auch die mittelbare Vervielfältigung, gleichviel auf welche Art und in welcher Form sie vorgenommen wird. Buchstabe b 20

SR 210

3422

ergänzt den Rechtebestand durch das On-Demand-Recht und schützt somit auch die Herstellerinnen und Hersteller von Ton- und Tonbildträgern in Bezug auf das Zugänglichmachen ihrer Leistungen durch elektronische Dienste. Mit der Aufnahme dieser neuen ausschliesslichen Befugnis in den Rechtekatalog sind die Mindestanforderungen des WPPT zum Schutz der Tonträgerherstellerinnen und -hersteller erfüllt.

Die Bestimmung geht insofern über den Schutz des WPPT hinaus, als diese Rechte nicht nur den Herstellerinnen und Herstellern von Tonträgern, sondern auch jenen von Tonbildträgern zugestanden werden. Dies entspricht dem Konzept des geltenden URG, Ton- und Tonbildträger gleich zu behandeln.

Art. 37

Rechte der Sendeunternehmen

Die Rechte der Sendeunternehmen werden mit Buchstabe e durch dieselbe Befugnis erweitert, die neu auch den Herstellerinnen und Herstellern von Ton- und Tonbildträgern zusteht. Das bedeutet, dass das Zugänglichmachen einer Sendung über On-Demand-Dienste demjenigen Sendeunternehmen vorbehalten ist, welches die Sendung produziert hat.

Diese Gleichstellung des Schutzes der Sendeunternehmen mit demjenigen der Herstellerinnen und Herstellern von Ton- und Tonbildträgern entspricht den internationalen Bestrebungen, den Schutz der Sendeunternehmen in Anlehnung an den Schutz der Herstellerinnen und Hersteller von Tonträgern gemäss dem WPPT zu verbessern. In diese Richtung weist auch die Richtlinie Informationsgesellschaft, die die entsprechenden Massnahmen auf den ganzen Bereich der verwandten Schutzrechte bezieht.

Art. 39

Schutzdauer

Gemäss Absatz 1 beginnt die Schutzfrist neu mit der Veröffentlichung des Ton- oder Tonbildträgers. Nur sofern eine solche nicht erfolgt, wird auf den Zeitpunkt der Herstellung abgestellt. Damit wird eine Übereinstimmung mit Artikel 17 Absatz 2 WPPT erzielt, der die Schutzfrist für Tonträger regelt. Im Unterschied zu Artikel 17 WPPT, der zwischen der Schutzfrist der Darbietung und derjenigen des Tonträgers unterscheidet, ist diese Bestimmung jedoch so zu verstehen, dass die Schutzfrist der Darbietung jeweils denselben Anknüpfungspunkt hat, wie der Ton- oder Tonbildträger auf dem sie festgelegt worden ist. Das heisst, dass mit der nach der Herstellung erfolgenden Veröffentlichung eines Ton- und Tonbildträgers auch die Schutzfrist der darin festgehaltenen Darbietungen neu zu laufen beginnt.

Absatz 1bis regelt die Schutzfrist für das Recht auf Namensnennung der Interpretinnen und Interpreten in Übereinstimmung mit Artikel 5 Absatz 2 WPPT. Dieses Persönlichkeitsrecht endet mit Ablauf der Schutzfrist nach Absatz 1. Überleben die Interpretinnen oder Interpreten die Schutzfrist, endet der Schutz mit ihrem Tod.

Die Dauer des Schutzes der Interpretinnen und Interpreten vor Beeinträchtigungen ihrer Darbietungen braucht hier nicht geregelt zu werden, sie richtet sich gemäss Artikel 33a Absatz 2 E-URG nach den Artikeln 28 folgende ZGB21.

21

SR 210

3423

Art. 39a

Schutz technischer Massnahmen

Diese Bestimmung schützt technische Massnahmen, welche die Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber anwenden, um die unerlaubte Verwendung ihrer Werke und Leistungen im digitalen Umfeld zu verhindern oder zu kontrollieren. Die WIPOAbkommen haben mit den sich aus Artikel 11 WCT und Artikel 18 WPPT ergebenden Verpflichtungen den Grundstein zu diesem neuartigen Schutz gelegt, der hier umgesetzt wird.

Unter das sich aus Absatz 1 ergebende Umgehungsverbot fällt auch das Unbrauchbarmachen von technischen Massnahmen wie beispielsweise ihre Beseitigung oder Zerstörung. In Übereinstimmung mit den Vorgaben der WIPO-Abkommen werden jedoch technische Massnahmen nicht generell geschützt, sondern nur insofern, als sie sich auf urheberrechtlich geschützte Werke oder Leistungen beziehen. Für technische Massnahmen, die gemeinfreie Werke und Leistungen bzw. ungeschützte Inhalte betreffen, besteht also kein urheberrechtliches Umgehungsverbot.

Eine weitere Einschränkung des Umgehungsverbots ergibt sich aus Absatz 2, der die nach Absatz 1 geschützten technischen Massnahmen näher umschreibt. Danach hängt der Schutz zwar nicht davon ab, welche Technologien oder Vorrichtungen verwendet werden. Sie sind jedoch nur geschützt, wenn sie nicht nur dazu bestimmt sondern auch dazu geeignet sind, unerlaubte Verwendungen von urheberrechtlich geschützten Inhalten zu verhindern. Das bedeutet, dass sie auch eine entsprechende Wirkung entfalten müssen. Der Umgehungsschutz ist zudem darauf beschränkt, unerlaubte Verwendungen von geschützten Werken oder Leistungen zu verhindern.

Mit unerlaubten Verwendungen sind in Übereinstimmung mit den Vorgaben von Artikel 11 WCT und Artikel 18 WPPT solche gemeint, die das Gesetz den Rechteinhaberinnen und Rechteinhabern vorbehält. Das bedeutet insbesondere, dass der Schutz von technischen Massnahmen gegenüber den Schutzschranken keine überschiessende Wirkung haben kann.

Die Umgehung technischer Massnahmen wird sich allerdings in der Regel als eine Vorbereitungshandlung zu einer Verletzung der Urheberrechte oder der verwandten Schutzrechte darstellen. Sie gefährdet diese Rechte, indem sie die unerlaubte bzw.

gesetzeswidrige Verwendung von geschützten Werken oder Leistungen ermöglicht.

Insofern ist es gerechtfertigt, die Umgehungshandlung als solche grundsätzlich zu verbieten. Stellt sich jedoch im
Nachhinein heraus, dass die Umgehung tatsächlich nur dazu gedient hat, eine gesetzlich erlaubte Verwendung vorzunehmen, so wird dem Umgehungsverbot seine Rechtfertigung entzogen, die im Schutz vor unerlaubten Verwendungen besteht.

Ein auf den Urheberrechtsschutz ausgerichtetes Umgehungsverbot kann die gesetzlich gewährten Rechte nur flankieren. Es darf nicht absolut gelten und die Freiräume schliessen, die der Gesetzgeber mit den Schutzfristen und Schutzschranken zugunsten der Allgemeinheit geschaffen hat. Dies würde sonst in die Interessenabwägung eingreifen, die dem Gesetz zugrunde liegt und zu einem eigentlichen Paradigmenwechsel führen. Die Grenze zwischen erlaubten und nicht erlaubten Verwendungen von Werken und geschützten Leistungen wird durch die den Schutzadressaten zustehenden Rechte und die darauf bezogenen Schranken gezogen. Der Umgehungsschutz hat keinen Einfluss auf diese Grenzziehung. Demgemäss können gesetzlich erlaubte Werkverwendungen nicht über den Umgehungsschutz verboten werden. Vom Umgehungsverbot ausgenommen sind auch Eingriffe in technische Massnahmen, die nicht auf eine Werkverwendung abzielen, sondern wissenschaftli3424

chen Zwecken dienen, oder die vorgenommen werden, um solche Massnahmen zu testen oder zu verbessern.

Absatz 3 verbietet Handlungen, mit denen die Umgehung technischer Massnahmen ermöglicht und vorbereitet wird. Damit geht der Schutz in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht (Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie Informationsgesellschaft) über die sich aus Artikel 11 WCT und Artikel 18 WPPT ergebenden Verpflichtungen hinaus. Die Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber erhalten durch diese Bestimmung eine weit reichende Kontrolle über Vorrichtungen und Dienstleistungen, welche die Umgehung erst möglich machen. Dieses die Vorbereitungshandlungen der Umgehung betreffende Verbot dürfte für den Schutz technischer Massnahmen eine noch wirksamere Waffe darstellen als das in Absatz 1 geregelte Umgehungsverbot.

In Absatz 4 werden die unter den Ausführungen zu Absatz 2 abgesteckten Grenzen des Umgehungsschutzes in Bezug auf die Schutzschranken konkretisiert. Danach ist ein Eingriff in die technischen Massnahmen zwar grundsätzlich verboten, aber seine Verletzung hat weder zivil- noch strafrechtliche Konsequenzen, wenn der Eingriff ausschliesslich dem Zweck gedient hat, eine gesetzlich erlaubte Verwendung des Schutzobjekts vorzunehmen. Gesetzlich erlaubt ist eine Verwendung, die unter eine Schutzschranke fällt, Werke betrifft, die gemäss Artikel 5 URG vom Urheberrechtsschutz ausgenommen sind oder die sich auf Werke und Leistungen bezieht, deren Schutzfrist bereits abgelaufen ist. Diese Bestimmung bringt zum Ausdruck, dass der urheberrechtlich begründete Schutz von technischen Massnahmen nicht über das materielle Urheberrecht hinausreicht. Sie lässt indessen den durch Artikel 150bis StGB22 gewährleisteten Schutz von Zugangskontrollen für den elektronischen Geschäftsverkehr unberührt.

Art. 39b

Beobachtungsstelle für technische Massnahmen

Der Schutz technischer Massnahmen ist zwar in Artikel 39a E-URG so ausgestaltet worden, dass er gegenüber dem materiellen Urheberrecht bzw. den damit verbundenen Schranken keine überschiessende Wirkung hat. Technische Massnahmen können aber unabhängig von ihrem rechtlichen Schutz Verwendungen verhindern, die gemäss den Schranken des Urheberrechts erlaubt sind. Es stellt sich somit die Frage, ob und gegebenenfalls welche Massnahmen notwendig sind, um Beeinträchtigungen der Schutzschranken durch die Anwendung technischer Sperrvorrichtungen zu verhindern. Die Richtlinie Informationsgesellschaft verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, gesetzgeberische Massnahmen zu ergreifen, falls solche Probleme auftreten und auf freiwilliger Basis keine Vorkehrungen getroffen werden, um sie zu lösen.

In Anlehnung an dieses Konzept, das der Selbstregulierung den Vorrang gibt, soll eine Beobachtungsstelle eingerichtet werden, die gemäss Absatz 1 zwei Aufgaben hat. Gemäss Buchstabe a soll sie sich mit der Frage befassen, wie sich die technischen Massnahmen auf gesetzlich erlaubte Werkverwendungen auswirken bzw. ob ihre Anwendung in diesem Zusammenhang zu einer Beeinträchtigung öffentlicher Interessen führt. Ferner soll sie eine Verbindungsfunktion zwischen den Anwenderinnen und Anwendern technischer Massnahmen und den davon betroffenen Nutzerkreisen wahrnehmen (Bst. b). Dadurch wird sie direkt mit den Problemen konfrontiert, die sich aus der Anwendung der technischen Massnahmen ergeben können. Sie 22

SR 311.0

3425

wird diese Probleme beurteilen müssen, um im Bedarfsfall das Zustandekommen partnerschaftlicher Lösungen zwischen den Anwenderinnen und Anwendern technischer Massnahmen und den davon betroffenen Nutzerinnen und Nutzern zu fördern.

Sie wird zudem die politischen Behörden darüber informieren, ob ihre Vermittlungstätigkeit ausreicht, um die Probleme auf freiwilliger Basis zu lösen, oder ob gestützt auf Absatz 2 weitere Massnahmen getroffen werden müssen.

Bei der Beurteilung der Auswirkungen der technischen Massnahmen ist nicht alleine darauf abzustellen, ob eine gesetzlich erlaubte Verwendung eingeschränkt oder verhindert wird. Man wird sich vielmehr die Frage stellen müssen, inwieweit dadurch die Interessen der Allgemeinheit oder bestimmter Nutzerkreise, die der Gesetzgeber mit einer Schranke berücksichtigt hat, tatsächlich beeinträchtigt werden. So behindern zwar Kopiersperren, welche die Unterhaltungsindustrie auf ihren CD und DVD anbringt, das Kopieren von Werken zum eigenen, persönlichen Gebrauch. Sie beeinträchtigen aber in keiner Weise den Schutz der Privatsphäre, der gemäss Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe a URG eine grundrechtsbedingte Schranke des Urheberrechtsschutzes darstellt23. Kopiersperren, die verhindern, dass digitale Werkexemplare wie CD und DVD geklont werden, ändern jedenfalls nichts daran, dass der Schutz der Privatsphäre dem Urheberrechtsschutz grundsätzlich vorgeht24.

Die Auswirkungen technischer Massnahmen sind somit danach zu beurteilen, ob sie die mit einer Schutzschranke verfolgte Zielsetzung beeinträchtigen. Nur in diesem Fall wird die Beobachtungsstelle den betroffenen Kreisen durch Vermittlung Hilfestellung leisten.

Absatz 2 sieht vor, dass Organisation und Verfahren der Beobachtungsstelle auf Verordnungsstufe geregelt werden. Zudem wird dem Bundesrat die Kompetenz eingeräumt, die Beobachtungsstelle durch die Zuweisung weiterer Aufgaben auszubauen. Er darf diese Kompetenz allerdings nur in Anspruch nehmen, falls die Vermittlungstätigkeit gemäss Absatz 1 nicht ausreichen sollte, um eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen zu vermeiden, die sich aus der Kollision zwischen technischen Massnahmen und den Schutzschranken ergeben kann. Unter dieser Voraussetzung könnte beispielsweise ein Verfahren zur Prüfung und Genehmigung von Richtlinien eingeführt werden, die
verbindlich festhalten, welche Vorkehrungen von den Anwenderinnen und Anwendern technischer Massnahmen zu treffen sind, um Eingriffe in Schutzschranken zu korrigieren, die zu einer Beeinträchtigung öffentlicher Interessen führen. Ein solches Genehmigungsverfahren könnte in Anlehnung an die Tarifaufsicht durch die Eidgenössische Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten ausgestaltet und dieser Aufsichtsinstanz als zusätzliche Aufgabe zugeordnet werden.

Die Aufgaben der Beobachtungsstelle wären von einer der beiden Behörden zu übernehmen, die im Bereich des Urheberrechts eine Aufsichtstätigkeit wahrnehmen.

Das ist einerseits das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum in seiner Eigenschaft als Aufsichtsbehörde der Verwertungsgesellschaften (Art. 52 URG) und anderseits die Eidgenössische Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, die für die Prüfung und Genehmigung der Tarife der Verwertungsgesellschaften zuständig ist (Art. 55 Abs. 1 URG). In beiden Behörden ist das für die Übernahme der neuen Aufgaben erforderliche Fachwissen 23 24

Siehe Botschaft zum Urheberrechtsgesetz vom 19. Juni 1989, BBl 1989 477 541.

Lediglich in Bezug auf den Schutz von Computerprogrammen wird von diesem Grundsatz abgewichen (Art. 19 Abs. 4 URG).

3426

vorhanden und in beiden Fällen wäre diese Übernahme mit einem Synergieeffekt verbunden. Der Umstand, dass die in Absatz 1 Buchstabe b vorgesehene Vermittlungstätigkeit eher auf der Linie der Aufgaben der Schiedskommission liegt, spricht dafür, die Beobachtungsstelle bei dieser Behörde einzurichten. Auch im Hinblick auf einen allfälligen Ausbau der Vermittlungstätigkeit im oben erwähnten Sinne wäre diese Zuordnung angezeigt.

Art. 39c

Schutz von Informationen für die Wahrnehmung von Rechten

Mit dieser Bestimmung werden elektronische Informationen geschützt. Sie erlauben die Identifizierung des Rechtsobjekts, der Urheberin oder des Urhebers, der Berechtigten und geben über die Modalitäten und Bedingungen der Nutzung Auskunft. Die Regelung dient der Umsetzung der sich aus Artikel 12 WCT und Artikel 19 WPPT ergebenden Verpflichtungen. Sanktioniert werden nur solche Handlungen, die der Verletzung von Urheberrechten oder verwandten Schutzrechten Vorschub leisten.

Aus dieser Bestimmung erwächst jedoch für die Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber bzw. die ausschliesslichen Lizenznehmerinnen und Lizenznehmer keine Verpflichtung, elektronische Informationen für die Rechtewahrnehmung einzusetzen.

Absatz 1 enthält das Verbot, elektronische Informationen für die Rechtewahrnehmung zu entfernen oder zu ändern.

In Absatz 2 wird das Schutzobjekt in Anlehnung an Artikel 12 Absatz 2 WCT und Artikel 19 Absatz 2 WPPT definiert.

Gemäss Absatz 3 ist auch die unkörperliche Wiedergabe und die Verbreitung von Vervielfältigungsexemplaren verboten, wenn diese Handlungen Schutzobjekte betreffen, an denen elektronische Informationen für die Rechtewahrnehmung entfernt oder geändert wurden.

Im Gegensatz zu technischen Massnahmen können elektronische Informationen zur Rechtewahrnehmung gesetzlich erlaubte Verwendungen nicht verhindern, weshalb auf die Aufnahme einer Artikel 39a Absatz 4 E-URG entsprechenden Bestimmung verzichtet wird. Soweit aber elektronische Informationen zur Rechtewahrnehmung im Rahmen einer Umgehung wirksamer technischer Massnahmen zum ausschliesslichen Zweck einer erlaubten Verwendung entfernt oder geändert werden, ist diese Handlung von Artikel 39a Absatz 4 E-URG mitumfasst. Das Verbot, Informationen für die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten zu entfernen oder zu ändern, kann diesfalls nicht geltend gemacht werden.

Art. 62

Leistungsklagen

Die Leistungsklagen gemäss Absatz 1 beziehen sich auch auf den Schutz technischer Massnahmen nach Artikel 39a E-URG sowie den Schutz von elektronischen Informationen für die Rechtewahrnehmung nach Artikel 39c E-URG. Eine entsprechende Klarstellung erfolgt durch Absatz 1bis. Die Aktivlegitimation zur Klage steht demjenigen zu, der durch Widerhandlungen gegen den Schutz technischer Massnahmen oder den Schutz von Informationen für die Wahrnehmung von Rechten in seinen Urheberrechten oder verwandten Schutzrechten gefährdet wird.

3427

Art. 67

Urheberrechtsverletzung

Buchstabe gbis bezieht sich auf die in Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe c E-URG aufgenommene Befugnis der Urheberinnen und Urheber, Werkübertragungen auf Abruf zugänglich zu machen. Buchstabe i wurde in Übereinstimmung mit Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe f E-URG auf das Wahrnehmbarmachen von Werkübertragungen ausgedehnt. Damit sind die in dieser Bestimmung aufgelisteten Straftatbestände mit dem Rechtekatalog von Artikel 10 Absatz 2 E-URG kongruent.

Art. 69

Verletzung von verwandten Schutzrechten

Absatz 1 Buchstabe e wurde an Artikel 33 Absatz 2 Buchstabe e E-URG angepasst, wonach dieses Recht auch das von einer interaktiven Übertragung ausgehende Wahrnehmbarmachen einer Darbietung erfasst. Buchstabe ebis macht die Verletzung des Rechts auf Anerkennung der Interpreteneigenschaft (Art. 33a Absatz 1 E-URG) zu einem Straftatbestand. Mit Buchstabe eter wird der Katalog der strafbaren Verletzungen von verwandten Schutzrechten gestützt auf Artikel 33 Absatz 2 Buchstabe a, Artikel 36 Buchstabe b und Artikel 37 Buchstabe e E-URG auf das Zugänglichmachen von Darbietungen, von Ton- und Tonbildträgern sowie von Sendungen ausgedehnt.

Art. 69a

Verletzung des Schutzes von technischen Massnahmen und von Informationen für die Rechtewahrnehmung

Neben der Verletzung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten wird auch die Verletzung des Schutzes von technischen Massnahmen (Art. 39a E-URG) sowie des Schutzes von elektronischen Informationen für die Rechtewahrnehmung (Art. 39c E-URG) unter Strafe gestellt.

Die Strafandrohung gemäss Absatz 1 entspricht derjenigen der parallelen Bestimmung zum Schutz des elektronischen Geschäftsverkehrs (Art. 150bis StGB). Unter den Buchstaben a­c sind die Straftatbestände festgehalten, die sich auf eine Verletzung des Schutzes der technischen Massnahmen beziehen. Gemäss Buchstabe a ist eine Umgehung technischer Massnahmen nur strafbar, wenn sie auf die Vornahme einer unerlaubten Verwendung ausgerichtet ist. In den Buchstaben d und e werden die Handlungen unter Strafe gestellt, die den Schutz von elektronischen Informationen für die Rechtewahrnehmung verletzen.

In Übereinstimmung mit den Strafbestimmungen betreffend die Verletzung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten sieht Absatz 2 für die gewerbsmässige Vornahme die Verfolgung von Amtes wegen und eine wesentlich höhere Strafandrohung vor.

In Absatz 3 werden zusätzliche Anforderungen an den subjektiven Tatbestand in Bezug auf die Verletzung des Schutzes von elektronischen Informationen für die Rechtewahrnehmung gestellt. Danach sind die Handlungen gemäss Absatz 1 Buchstabe d und e nur strafbar, wenn die Person, die sie vornimmt, wusste oder den Umständen entsprechend wissen musste, dass sie dadurch einer Verletzung von Urheberrechten oder verwandten Schutzrechten Vorschub leistet, oder diese verschleiert.

3428

2.4 Art. 19

Weitere Änderungen des Urheberrechtsgesetzes Verwendung zum Eigengebrauch

Diese Schutzschranke wird in Bezug auf das Vervielfältigen von Werken zum Eigengebrauch durch verschiedene Klarstellungen sowie durch einen neuen Absatz 5 an das digitale Umfeld angepasst. Die Verdeutlichung der Grenzen dieser Schutzschranke erfolgt auch im Hinblick auf den so genannten Drei-Stufen-Test (siehe Ziff. 2.1, Art. 10 WCT), an den sich die Vertragsstaaten gemäss Artikel 10 WCT und Artikel 16 WPPT bei der Ausgestaltung der Schranken halten müssen.

In Absatz 2 werden zwei Klarstellungen vorgenommen. Die erste besteht in dem Hinweis, dass die Befugnis, sich für den Eigengebrauch Kopien durch Dritte herstellen zu lassen, nur unter Vorbehalt von Absatz 3 gilt. Damit steht fest, dass für Kopien, die von Dritten auf Bestellung einer nach Absatz 1 zum Eigengebrauch berechtigten Person hergestellt werden, in jedem Fall die in Absatz 3 enthaltenen Einschränkungen gelten. Die zweite Präzisierung betrifft den zweiten Satz dieser Bestimmung. Sie stellt klar, dass nicht nur Bibliotheken als Dritte im Sinne von Absatz 2 anzusehen sind, wenn sie ihren Benützern Kopiergeräte zur Verfügung stellen, sondern dass dies auch für andere Institutionen oder Geschäftsbetriebe gilt, die ihren Benützern bzw. ihrer Kundschaft diese Möglichkeit bieten.

Eine weitere Klarstellung betrifft Absatz 3. Sie verdeutlicht, dass mit dem privaten Kreis, der von den Einschränkungen dieser Bestimmung ausgenommen ist, nur der in Absatz 1 Buchstabe a URG umschriebene Kreis gemeint ist. Das heisst, dass das vollständige Kopieren eines im Handel erhältlichen Werkexemplars nur einer natürlichen Person gestattet ist, die diese Kopie zu ihrem eigenen persönlichen Gebrauch verwendet. Dabei ist die Formulierung «ausserhalb des privaten Kreises» nicht örtlich zu verstehen. Der Kopiervorgang darf auch ausserhalb des eigenen persönlichen Bereichs der Person stattfinden, die ihn vornimmt, aber er darf nicht durch eine Person erfolgen, die weder zum Verwandten- noch zum Freundeskreis des Adressaten der Kopie gehört.

Der neue Absatz 5 bezieht sich auf Vervielfältigungshandlungen, die mit dem Herunterladen erlaubterweise zugänglich gemachter Werke über On-Demand-Dienste wie iTunes verbunden sind. Er hebt für solche Vervielfältigungen die einschränkenden Bedingungen auf, die gemäss Absatz 1 Buchstabe c und Absatz 3 für das Kopieren von Werken
zum Eigengebrauch gelten. Dies ist notwendig, damit neben den natürlichen auch juristische Personen wie Unterrichtsanstalten, Betriebe, öffentliche Verwaltungen, Bibliotheken, Institute usw. Werke direkt über den elektronischen Geschäftsverkehr beziehen können, ohne mit den Bedingungen für das Vervielfältigen zum Eigengebrauch in Konflikt zu geraten. Zudem werden mit Absatz 5 die mit dem elektronischen Einkauf von Werken verbundenen Vervielfältigungen von der in Artikel 20 Absatz 2 und 3 URG enthaltenen Vergütungsregelung ausgenommen.

Beim Herunterladen von Werken über elektronische Bezahldienste sollen die Konsumentinnen und Konsumenten nicht zusätzlich durch die Vergütungsregelung für das Vervielfältigen zum Eigengebrauch belastet werden. Soweit die Leerträgervergütung (Art. 20 Abs. 3 URG) auch Speichermedien erfasst, die beim Herunterladen von Werken über On-Demand-Dienste Verwendung finden, wird die Einschränkung der Vergütungspflicht bei der Festsetzung der Entschädigungshöhe berücksichtigt werden müssen.

3429

Gemäss Absatz 5 sind nur solche Vervielfältigungshandlungen von den Bedingungen und Vergütungsansprüchen des Eigengebrauchs ausgenommen, die mit dem Abruf erlaubterweise zugänglich gemachter Werke verbunden sind. Die Bestimmung kommt nicht zur Anwendung, wenn Werke ab einer illegalen Quelle, wie sie zum Beispiel eine Tauschbörse darstellt, zum Eigengebrauch herunter geladen werden. Die Benutzung einer illegalen Quelle ist gemäss Absatz 3 Buchstabe a unzulässig, weil sie dazu dient, den Ankauf im Handel erhältlicher Werkexemplare zu umgehen. Diese Einschränkung des Eigengebrauchs gilt sinngemäss auch für Werke, die über den elektronischen Geschäftsverkehr angeboten werden. Sie erstreckt sich allerdings nicht auf die Werkverwendung durch eine natürliche Person zu ihrem eigenen, persönlichen Gebrauch. Bei Werkverwendungen im engen Rahmen der Privatsphäre muss also nicht zwischen legalen und illegalen Quellen unterschieden werden, was im Einzelfall auch schwierig sein dürfte.

Art. 24

Archivierungs- und Sicherungsexemplare

Der neue Absatz 1bis erweitert die bestehende Schutzschranke für Archivierungsund Sicherungsexemplare. Die Erweiterung ist notwendig, weil das digitale Umfeld diejenigen Einrichtungen, die sich mit dem Erhalt unseres Wissens und unserer kulturellen Errungenschaften befassen, vor neue Anforderungen stellt. Um die Sicherung und die Erhaltung ihrer Bestände gewährleisten zu können, müssen sie die Möglichkeit haben, ihre Bestände an analogen sowie an digitalen Informationsträgern gemäss dem neusten Stand der Technik zu verwalten. Dazu gehört insbesondere das Einrichten elektronischer Archive, in denen sowohl geschützte als auch ungeschützte Daten sicher und rationell abgespeichert werden können. Damit die digital gespeicherten Daten in einer lesbaren Form erhalten bleiben, müssen sie nicht nur auf neue Speichermedien übertragen sondern auch der sich ständig ändernden Soft- und Hardwareumgebung angepasst werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Haltbarkeit der digitalen im Vergleich zu den analogen Datenträgern (Bücher, Vinylschallplatten usw.) deutlich kürzer ist. Das digitale Archivgut muss deshalb periodisch erneuert werden. Damit sind Vervielfältigungshandlungen verbunden, die im Interesse am Erhalt von Wissen und Kultur vom Urheberrechtsschutz ausgenommen sein sollen. Nicht durch diese Ausnahme gedeckt sind allerdings Vervielfältigungs- und Speicherungsvorgänge, mit denen neben der Erhaltung der Bestände auch ein kommerzieller Zweck verbunden ist, also beispielsweise die Einrichtung einer Datenbank, über die gespeicherte Werke abgerufen werden können. Ebenfalls unzulässig wäre es, ein im Handel erhältliches Werkexemplar (zum Beispiel eine CD oder eine DVD) einfach zu duplizieren, um sich den Ankauf eines für die Archivierung benötigten Werkexemplares zu ersparen.

Art. 24a

Vorübergehende Vervielfältigungen

Diese Bestimmung trägt den Erfordernissen der modernen Kommunikationstechnologie Rechnung, indem sie ganz bestimmte, technisch bedingte Vervielfältigungshandlungen, die vorübergehend und begleitend sind, vom Schutz ausnimmt. Unter diese Schutzschranke fallen zum Beispiel Vervielfältigungen, die bei Speicherungen auf den Servern von Accessprovidern entstehen, wenn jemand Werke oder andere Schutzgegenstände über das Internet abruft. Es handelt sich somit um flüchtige Vervielfältigungen, welche die eigentliche Werkverwendung ­ zum Beispiel das Zugänglichmachen von Werken ­ nur begleiten und deshalb auch keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben. Die unter Buchstabe a­d genannten Voraus3430

setzungen müssen kumulativ erfüllt sein, damit diese Ausnahme zur Anwendung kommt. Erlaubt ist danach auch das «Browsing» und «Caching», sofern die entsprechenden Vervielfältigungshandlungen den Voraussetzungen dieser Schutzschranke entsprechen.

Diese neue, Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie Informationsgesellschaft nachempfundene Bestimmung ist im digitalen Umfeld von grosser Bedeutung. Es ist die einzige Schutzschranke, deren Umsetzung den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zwingend vorgeschrieben wird. Mit dieser Ausnahme wird die Verantwortlichkeit der Provider gegenüber den Inhaberinnen und Inhabern von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten im Interesse einer effizienten Anwendung der modernen Kommunikationssysteme eingeschränkt. Sie bezieht sich allerdings nur auf gewisse Sonderfälle, die nicht zu einer Beeinträchtigung der normalen Verwertung der Werke und geschützten Leistungen führen. Damit entspricht diese Schutzschranke den Anforderungen des so genannten Drei-Stufen-Tests, den es gemäss Artikel 10 WCT und Artikel 16 WPPT bei der Aufstellung von Schutzschranken zu beachten gilt.

Art. 24b

Vervielfältigungen zu Sendezwecken

Mit dieser neuen Bestimmung wird das Vervielfältigungsrecht in Bezug auf das Aufnehmen von nichttheatralischen Werken der Musik zu Sendezwecken eingeschränkt. Der Bundesrat hatte in seiner Vorlage von 1989 zwar bereits eine entsprechende Ausnahme vorgesehen (siehe BBl 1989 III 477 546). Sie wurde im Rahmen der parlamentarischen Beratungen allerdings gestrichen, weil sie sich im Hinblick auf die im Urheberrecht bestehende Verwertungspraxis als überflüssig erwiesen hatte. Durch die Einführung der verwandten Schutzrechte ist jedoch eine neue Situation entstanden. Zwar besteht für die Verwendung im Handel erhältlicher Tonträger zu Sendezwecken gemäss Artikel 35 URG nur ein Vergütungsanspruch, der in Übereinstimmung mit dem Senderecht an musikalischen Werken der kollektiven Wahrnehmung unter Bundesaufsicht unterstellt ist. Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts erstreckt sich diese gesetzliche Lizenz jedoch nicht auf die mit der Verwendung von Tonträgern zu Sendezwecken verbundenen Vervielfältigungshandlungen. Das bedeutet, dass die mit Artikel 35 URG angestrebte Regelung in der Praxis nicht spielt, weil die Sendeunternehmen das Vervielfältigungsrecht der Interpretinnen und Interpreten und Tonträgerherstellerinnen und -hersteller separat und ausserhalb der Bundesaufsicht und der damit verbundenen Angemessenheitskontrolle der Tarife abgelten müssen.

Absatz 1 unterstellt das Vervielfältigungsrecht der Musikurheberinnen und -urheber, der Interpretinnen und Interpreten und der Produzentinnen und Produzenten in Bezug auf die Verwendung von Ton- und Tonbildträgern zu Sendezwecken dem Zwang zur kollektiven Verwertung. Er schafft damit eine einheitliche und in sich konsistente Verwertungsordnung für diese Art der Verwertung und vervollständigt die mit Artikel 35 URG angestrebte Regelung. Die mit dieser Regelung verbundene Einschränkung des Vervielfältigungsrechts stützt sich auf Artikel 11bis Absatz 3 der RBÜ sowie auf Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe c des Rom-Abkommens. Auf diese Ausnahme können sich allerdings nur die dem Bundesgesetz vom 21. Juni 199125 über Radio und Fernsehen unterstehenden Sendeunternehmen berufen. Da der im 25

SR 784.40

3431

URG nicht definierte Begriff des Sendeunternehmens mit der technologischen Entwicklung seine Konturen verliert, soll auf diese Weise einem Ausufern des Begriffs und der sich daraus ergebenden Rechtsunsicherheit in Bezug auf die Anwendung dieser Bestimmung entgegengewirkt werden. Die Bestimmung findet übrigens nur auf die Ton- und Tonbildträger Anwendung, die im Handel erhältlich sind. Andere Festlegungen von Musikdarbietungen sind davon nicht betroffen. Der Ausdruck «im Handel erhältlich» ist aber im digitalen Umfeld dahingehend zu verstehen, dass er auch den elektronischen Geschäftsverkehr mit Musikwerken erfasst.

Der Zwang zur kollektiven Verwertung bedeutet, dass die originären Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber das Vervielfältigungsrecht in dem durch diese Bestimmung festgelegten Rahmen nur über eine zugelassene Verwertungsgesellschaft geltend machen können. Damit ist auch die Ausübung des Verbotsanspruchs durch die originäre Rechteinhaberin bzw. den originären Rechteinhaber ausgeschlossen.

Für einen solchen Akt der individuellen Rechtsausübung bleibt bei der kollektiven, mit dem Senderecht verknüpften Wahrnehmung des Vervielfältigungsrechts kein Raum. Das Verbotsrecht könnte also nur von der Verwertungsgesellschaft selbst unter Vorbehalt der Einhaltung ihrer Pflichten (Art. 44 ff. URG) geltend gemacht werden. Der Zwang zur kollektiven Verwertung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass eine Kategorie von Rechteinhaberinnen und Rechteinhabern ihr Vervielfältigungsrecht der Verwertungsgesellschaft vorenthält. Das Verbotsrecht kann hier nur die Funktion haben, die tariflich festgelegten Bedingungen gegenüber der Nutzerseite durchzusetzen.

Die Entschädigung für das Vervielfältigen von Ton- und Tonbildträgern zu Sendezwecken konnte bisher von den ausübenden Künstlerinnen und Künstlern und den Produzentinnen und Produzenten im Rahmen der Privatautonomie mit den Sendeunternehmen ausgehandelt werden. Gemäss der neuen Regelung wird sie in die bestehenden Sendetarife integriert werden müssen, die der Angemessenheitsprüfung durch die Schiedskommission unterstellt sind.

Absatz 2 setzt die Voraussetzungen um, von denen die RBÜ und das RomAbkommen die Einführung einer solchen Schutzausnahme abhängig machen. Der gemäss den Abkommen bestehende Spielraum wird insofern nicht ausgeschöpft, als für
das Vervielfältigen zu Sendezwecken sogar eine Gratislizenz vorgesehen werden könnte. Absatz 2 stellt weiter klar, dass sich diese Schutzausnahme ausschliesslich auf das Vervielfältigungsrecht bezieht. Das bedeutet insbesondere, dass diese Bestimmung nicht zur Anwendung kommt, wenn Musik zur Vertonung eines Fernsehfilms verwendet wird. Die Verbindung von Musik mit einem anderen Werk betrifft nicht allein das Vervielfältigungsrecht sondern auch das Recht auf Werkintegrität gemäss Artikel 11 Absatz 1 URG. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von dem so genannten Synchronisationsrecht.

Art. 24c

Verwendung durch Menschen mit Behinderungen

Mit dieser Bestimmung werden die Schranken des Urheberrechts durch eine Schutzschranke zugunsten von Menschen mit Behinderungen ergänzt. Menschen mit Behinderungen soll der Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken erleichtert werden. Das entspricht der Zielsetzung des am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen

3432

Bundesgesetzes vom 13. Dezember 200226 über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen.

Gemäss Absatz 1 dürfen veröffentlichte Werke in einer Form vervielfältigt werden, die es Menschen mit Behinderungen erlaubt, diese Werke sinnlich wahrzunehmen.

Diese Schutzschranke erlaubt es also beispielsweise, ein in Buchform veröffentlichtes Sprachwerk in Blindenschrift zu übertragen, damit auch Sehbehinderte Zugang dazu haben. Absatz 2 stellt klar, dass solche Werkexemplare auch vervielfältigt und in Verkehr gebracht werden dürfen, soweit sich diese Handlungen auf den Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen beschränken. Nicht zulässig wäre es demnach, gestützt auf diese Ausnahme hergestellte Werkexemplare Personen ohne Behinderung anzubieten.

Absatz 3 sieht vor, dass den Urheberinnen und Urhebern für das Vervielfältigen und Verbreiten solcher Werkexemplare ein Vergütungsanspruch zusteht, der gemäss Absatz 4 nur über eine zugelassene Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden kann. Die Herstellung und Verbreitung einzelner Werkexemplare ist allerdings von der Vergütungspflicht ausgenommen. Die Abgrenzung zwischen der vergütungspflichtigen und der vergütungsfreien Inanspruchnahme dieser Ausnahme wird auf der Tarifebene erfolgen und der Angemessenheitskontrolle durch die Schiedskommission unterliegen.

Schliesslich ist noch zu erwähnen, dass sich diese Schutzschranke gemäss Artikel 38 URG grundsätzlich nicht nur auf die Urheberrechte sondern auch auf die verwandten Schutzrechte bezieht.

Art. 40

Der Bundesaufsicht unterstellte Verwertungsbereiche

In Absatz 1 wird aus systematischen Gründen nicht mehr wie bis anhin zwischen zwei, sondern vier verschiedenen der Bundesaufsicht unterstellten Verwertungsbereichen unterschieden. Buchstabe a bleibt unverändert und bezieht sich weiterhin auf die ausschliesslichen Rechte an nichttheatralischen Werken der Musik, deren Wahrnehmung der Bundesaufsicht unterstellt ist. Buchstabe abis nimmt neu auf die ausschliesslichen Rechte Bezug, die gemäss Artikel 22 URG und Artikel 24b E-URG in Bezug auf bestimmte Nutzungen nur kollektiv und unter Bundesaufsicht wahrgenommen werden dürfen. Buchstabe b bezieht sich auf die im Gesetz enthaltenen Vergütungsansprüche, zu denen neu derjenige von Artikel 24c Absatz 3 E-URG hinzukommt und die nur von zugelassenen Verwertungsgesellschaften und unter Bundesaufsicht geltend gemacht werden können. In Absatz 3 wird präzisiert, dass sich der Vorbehalt der persönlichen Verwertung nur auf die Wahrnehmung der Rechte an nichttheatralischen Werken der Musik bezieht.

Art. 52

Aufsichtsbehörde

Mit der revidierten Allgemeinen Gebührenverordnung vom 8. September 200427 (AllgGV), die den Artikel 46a des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199728 (RVOG) näher ausführt, wird neu das Gebührenwesen in der Bundesverwaltung geregelt. Eine spezialrechtliche Gebührenregelung ist somit nicht mehr notwendig, weshalb Absatz 2 obsolet wird.

26 27 28

SR 151.3 SR 172.041.1 SR 172.010

3433

3

Auswirkungen

3.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

3.1.1

Auswirkungen auf Bund, Kantone und Gemeinden

Die Revision des URG bringt dem Bund mit der Schaffung einer Beobachtungsstelle nach Artikel 39b E-URG neue Aufgaben. Ihre Zuordnung ist auf dem Verordnungsweg zu regeln. Die Beobachtungsstelle wird entweder bei der Eidgenössischen Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten oder beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum einzurichten sein. In personeller Hinsicht sind die beiden Optionen gleichwertig. Da man auf eine bereits bestehende Infrastruktur zurückgreifen kann und das erforderliche Fachwissen bei beiden Behörden vorhanden ist, wird diese neue Tätigkeit mit einer zusätzlichen halben Stelle zu bewältigen sein. Die finanziellen Auswirkungen auf den Bundeshaushalt sind somit gering. Sie entfallen sogar gänzlich, wenn das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum diese neue Aufgabe übernimmt, weil es eine eigene Rechnung ausserhalb der Finanzrechnung des Bundes führt.

Die Vorlage hat für die Kantone und Gemeinden soweit ersichtlich weder finanzielle noch personelle Auswirkungen.

Auch in ihrer Eigenschaft als Nutzerin von Werken und geschützten Leistungen muss die öffentliche Hand nicht mit Mehrbelastungen rechnen.

3.2

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

3.2.1

Notwendigkeit und Möglichkeit staatlichen Handelns

Ohne den Urheberrechtsschutz unterliegen kulturelle Güter einem Marktversagen.

Ungeschützt sind sie, einmal veröffentlicht, als ein immaterielles Gut der Kontrolle ihrer Schöpferin bzw. ihres Schöpfers entzogen und somit grundsätzlich der freien Verwendung und Verwertung durch Dritte ausgesetzt.

Mit ihrer Veröffentlichung werden kulturelle Güter zu öffentlichen Gütern. Ihre Nicht-Ausschliesslichkeit (andere können von ihrer Nutzung nicht ausgeschlossen werden) zusammen mit der Eigenschaft der Nicht-Rivalität (die Nutzung des Wissens einer Partei schliesst die Nutzung durch andere Parteien nicht aus und begrenzt sie auch nicht) führen dazu, dass ohne die Gewährung von Immaterialgüterrechten kein Markt existiert und sowohl zur Schaffung als auch zur Vermittlung kultureller Güter kein ausreichender wirtschaftlicher Anreiz besteht.

Dies ist das ökonomische Argument für einen regulativen Staatseingriff zur Beibehaltung und zum Ausbau des Systems zum Schutz des geistigen Eigentums. Die Investitionen bei der Schaffung eines Werkes oder dem Erbringen einer damit verbundenen Leistung sollen belohnt werden. Nur wer von der Urheberin bzw. dem Urheber, der ausübenden Künstlerin bzw. dem ausübenden Künstler, der Herstellerin bzw. dem Hersteller von Ton- und Tonbildträgern sowie dem Sendeunternehmen eine entsprechende Erlaubnis (Lizenz) erhalten hat, soll das geschützte Gut verwenden dürfen. Die Urheberrechte und die verwandten Schutzrechte überwinden die faktische Unkontrollierbarkeit immaterieller Güter und schaffen damit die Voraussetzung für das Funktionieren des Kulturgütermarktes sowie den Anreiz, in die verschiedenen Zweige der Kulturwirtschaft zu investieren.

3434

Mit der Gesetzesrevision soll der Urheberrechtsschutz den Herausforderungen der Informationsgesellschaft und den damit verbundenen technischen Neuerungen der Informationsverbreitung angepasst werden. Innovationszyklen werden kürzer und die Bedeutung des Zugangs zu (sowie der Verbreitung von) Wissen wächst in der Informationsgesellschaft. Sie eröffnet aber auch neue Märkte, in denen geschützte Werke und Leistungen durch den elektronischen Geschäftsverkehr und Dienste auf neue Arten verwendet werden können29. Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen diesem neuen Umfeld angepasst werden, um anhaltende Innovation zu gewährleisten.

Die digitalen Technologien haben die Übertragung und Vervielfältigung von Werken und geschützten Leistungen ganz erheblich vereinfacht. Die starke Zunahme der Piraterie30, die nicht nur grosse Konzerne sondern auch kleine und mittlere Unternehmen und letztlich die Kulturschaffenden bedroht, zeigt, dass das auf die analogen Technologien ausgerichtete Schutzsystem den neuen Anforderungen nicht genügt.

Verbesserungen sind notwendig, um die Kulturschaffenden auch im digitalen Umfeld angemessen zu schützen und auf diese Weise das kreative Klima zu fördern sowie die Entwicklung der betroffenen Wirtschaftssektoren zu begünstigen.

Der Urheberrechtsschutz steht schon seit jeher in einem internationalen Kontext. Im Zeitalter globaler Netzsysteme ist die Harmonisierung der nationalen Schutzsysteme zu einem noch wichtigeren Faktor der internationalen Handelsbeziehungen geworden. Unterschiedliche nationale Rechtssysteme und Schutzniveaus können nichttarifäre Handelshemmnisse aufbauen. Deshalb, und um der Kulturwirtschaft den internationalen Standards angepasste Rahmenbedingungen bieten zu können, ist der Angleichung des nationalen Rechts an die internationalen Vorgaben (WCT, WPPT) und an die EU-Richtlinie Informationsgesellschaft ein hoher Stellenwert beizumessen.

Das Urheberrechtsgesetz ist nicht nur ein kultur- sondern auch ein wirtschaftspolitisches Instrument und es ist in diesem Sinne auf einen Interessenausgleich ausgerichtet. Einerseits soll es die richtigen und notwendigen Anreize für Investitionen in die Schaffung kultureller Güter hervorbringen. Andererseits soll es aber auch das Interesse der Allgemeinheit nach einem möglichst ungehinderten Zugang zur Information und zur
Anwendung der sich ständig weiterentwickelnden Kommunikationstechnologien berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat dabei das richtige Gleichgewicht zu finden unter Berücksichtigung der international festgelegten Standards.

29

30

Der Gesamtumsatz der Kulturwirtschaft im engeren Sinne (Musik, Buch, Kunst, Film und Darstellende Kunst) in der Schweiz beträgt 5,3 Mrd CHF (2000). Zusammen mit der Kulturwirtschaft im weiteren Sinne (kulturelle und mediale Verbreitung) macht das einen Gesamtumsatz von 17 Mrd CHF (2000) aus, was 82 000 Beschäftigten bzw. 2 % der Gesamtwirtschaft entspricht. Das Beschäftigungswachstum im Kulturellen Sektor in der Schweiz liegt mit 4,5 % weit über dem Durchschnitt. Siehe: Kultur, Wirtschaft, Schweiz, Das Umsatz- und Beschäftigungspotential des kulturellen Sektors, erster Kulturwirtschaftsbericht Schweiz, Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich 2003.

Nach Schätzungen der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) machen Fälschungen ca. 7­9 % des gesamten Welthandels aus. Besonders betroffen ist die Film-/TV Wirtschaft im engeren Sinne. Nach Angaben der Schweizer Vereinigung zur Bekämpfung der Piraterie geht die Audiovisionswirtschaft von Umsatzeinbussen in der Höhe von 90 Mio CHF auf Stufe Grosshandel aus. In dieser Zahl nicht eingerechnet sind die wesentlich höher liegenden Einbussen der Musikwirtschaft.

3435

3.2.2

Auswirkungen auf die einzelnen gesellschaftlichen Gruppen

Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber Urheberinnen bzw. Urheber und Leistungsschutzberechtigte profitieren durch die in der Revision vorgesehenen Massnahmen von einem besseren Schutz. Die verschiedenen Massnahmen führen einerseits dazu, dass die Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber auch im Bereich der Digitaltechnologie Profite aus den geschaffenen Werken und den erbrachten Leistungen erzielen können. Anderseits schaffen sie die Voraussetzungen für eine effiziente Bekämpfung neuer Formen der Piraterie. Die Digitalisierung hat neue Verwertungsmöglichkeiten hervorgebracht, die einer klaren Rechtsgrundlage bedürfen, damit sie im Interesse der Kulturschaffenden und der Allgemeinheit optimal genutzt werden können. Die auf die analogen Verwertungsmöglichkeiten ausgerichtete Kulturwirtschaft braucht neue Rahmenbedingungen, um sich im digitalen Umfeld unter Wahrung der Interessen der Kulturschaffenden entfalten zu können.

Werkvermittlerinnen und -vermittler Die Werkvermittlerinnen und -vermittler sind auf einen guten Investitionsschutz angewiesen. Sie sind das Bindeglied zwischen den kreativ tätigen Menschen und ihrem Publikum. Ohne eine Ausdehnung des Schutzes auf die digitalen Verwertungsmöglichkeiten können sich die bestehenden Strukturen der Werkproduktion und Werkvermittlung nicht an das neue Umfeld anpassen. Die gegenwärtigen Schwierigkeiten der Tonträger- und Filmproduzierenden machen dies deutlich. Mit der Ratifikation und Umsetzung der beiden WIPO-Abkommen und mit den neuen Schutzschranken (siehe Art. 24a und 24b E-URG) werden diese Lücken geschlossen.

Konsumentinnen und Konsumenten Aus Konsumentensicht könnte man annehmen, dass der Urheberrechtsschutz eigentlich nur eine Erhöhung des Marktpreises für Kulturgüter bewirkt. Zu diesem Schluss führt jedenfalls ein Vergleich zwischen dem Preis eines legal hergestellten Werkexemplars und einer Raubkopie. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Raubkopie in der Regel auf einer Leistungsübernahme auf Kosten anderer beruht. Es sind vor allem die Investitionen für die Produktion und Marktpositionierung, z.B. einer CD, die bei der Raubkopie wegfallen und die ein Vielfaches der Lizenzgebühren ausmachen, die die Tonträgerproduzierenden den Urheberinnen und Urhebern bezah-len. Ein fehlender Schutz vor Raubkopien gefährdet die für die Schaffung und Vermittlung
von Kulturgütern notwendigen Investitionen. Das kann im Gegensatz zur Förderung der Kreativität und einem breiten Angebot nicht im Interesse der Konsumierenden liegen. Die Vorlage ermöglicht den Erhalt eines breiten Angebots und dient somit auch den Konsumentinnen und Konsumenten.

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) So weit sie als Werkvermittler wie zum Beispiel als Verleger, Softwarehersteller oder Tonträgerproduzenten auftreten, sind auch kleine und mittlere Unternehmen auf rechtliche Rahmenbedingungen angewiesen, die es ihnen erlauben, ihre Produkte gewinnbringend zu vermarkten. Das neue On-Demand-Recht, der Schutz technischer Massnahmen und derjenige von elektronischen Informationen für die Rechte3436

wahrnehmung bieten diesen Unternehmen eine Chance zum Aufbau neuer Geschäftsmöglichkeiten.

3.2.3

Beurteilung einzelner konkreter Massnahmen

Bei der Beurteilung der einzelnen konkreten Massnahmen ist es schwierig, ihre wirtschaftlichen Auswirkungen zu prognostizieren und zu quantifizieren. Überwiegend sind diese indirekter Art. Die im Folgenden aufgeführten Massnahmen dienen insbesondere der Förderung von Kreativität in der Kulturwirtschaft und damit indirekt auch der Entwicklung der Informationsgesellschaft.

On-Demand-Recht Mit diesem Recht erhalten die Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber die Kontrolle über die Verwendung ihrer Werke und Leistungen im Internet. Das ermöglicht ihnen die Erschliessung neuer elektronischer Verwertungsformen, die in Zukunft die herkömmlichen Verwertungen ergänzen und zum Teil auch ablösen werden. Die Förderung dieser Entwicklung liegt auch im Interesse der Konsumierenden, weil die elektronischen Formen der Informationsvermittlung effizienter und schneller sind und damit den ständig steigenden Anforderungen besser gerecht werden. Ob durch diese Umlagerung auf neue Geschäftsformen bei der Werkvermittlung der Informationsfluss nicht nur vereinfacht sondern auch verbilligt wird, lässt sich schwer abschätzen. Die Produktionskosten werden dadurch jedenfalls kaum gesenkt, aber bei den Transaktionskosten dürften sich durch den digitalen Vertrieb Einsparungen ergeben.

Weitere Massnahmen Der Schutz technischer Massnahmen und von elektronischen Informationen für die Rechtewahrnehmung ist ein neues, durch die internationalen Standards vorgegebenes Instrumentarium zur Bekämpfung der Piraterie im digitalen Umfeld. Es begründet keine zusätzlichen vermögensrechtlichen Ansprüche der Urheberinnen bzw.

Urheber und der Leistungsschutzberechtigten, sondern es soll eine gesunde Entwicklung der Kulturwirtschaft im digitalen Umfeld ermöglichen. Dieses Ziel wird insbesondere dadurch erreicht, dass man einen rechtlichen Schutz für technische Massnahmen (z.B. Kopiersperren und Zugangssperren) vorsieht, mit denen die Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber die Verwendung von Werken und geschützten Leistungen kontrollieren können, die in digitaler Form angeboten werden. Die Vorlage sieht aber auch Massnahmen vor, um den Konsumierenden vor einer missbräuchlichen Anwendung dieser technischen Kontrollmöglichkeiten zu schützen (siehe Art. 39b E-URG).

Daneben sieht die Vorlage eine ganze Reihe neuer Schutzschranken vor, die den Zugang
zu geschützten Werken und Leistungen erleichtern sollen, ohne ihre normale Verwertung durch die Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber zu beeinträchtigen.

Auf diese Weise wird auch dem Bedürfnis der Informationsgesellschaft nach einem möglichst ungehinderten Informationsfluss Rechnung getragen.

3437

3.2.4

Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft

Bei der Beurteilung der Auswirkungen der Vorlage auf die Gesamtwirtschaft ist zu berücksichtigen, dass hier internationale Standards mit dem Ziel umgesetzt werden, ein bestehendes und bewährtes Schutzsystem den Anforderungen neuer Technologien anzupassen. Die Verbesserung dieses Schutzes dient allerdings nicht nur den Interessen der Kulturschaffenden und Produzierenden. Sie ist die Voraussetzung für das Gedeihen der Kulturwirtschaft in einem neuen Umfeld. Sie ist darauf angelegt, die Wettbewerbsfähigkeit der Kulturgüterindustrie zu fördern und die Rechtssicherheit im Umgang mit geschützten Werken und Leistungen zu verbessern. Nur ein Schutz, der auch im neuen Umfeld der Informationsgesellschaft voll zum Tragen kommt, kann die Investitionen fördern, die für die Entfaltung schöpferischer und innovativer Tätigkeit als Voraussetzung für eine hohe Wertschöpfung der Kulturindustrie notwendig sind.

Der Sinn und Zweck des Urheberrechts ist die Förderung von Kreativität sowie der Investitionsbereitschaft in kulturelle Güter. Die Hervorbringung neuer kultureller Güter ist mit der Schaffung von Arbeitsplätzen, höherem Wachstum und somit einer Erhöhung der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Schweiz verbunden. Kreativität und Investitionsschutz sind wesentliche Faktoren in der Kette wirtschaftlicher Wertschöpfung; sie sind aber mit einem Geflecht verschiedenster weiterer Faktoren und zusätzlicher Rahmenbedingungen verknüpft. Damit wird es nahezu unmöglich, die konkreten ökonomischen Auswirkungen der vorgeschlagenen Regulierungsmassnahmen zu beziffern.

Ein harmonisierter Rechtsrahmen wird durch erhöhte Rechtssicherheit und durch die Wahrung eines hohen Schutzniveaus im Bereich des geistigen Eigentums substantielle Investitionen in Kreativität und Innovation fördern und somit zu Wachstum und erhöhter Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Industrie beitragen.

Es ist davon auszugehen, dass eine Anpassung des Urheberrechtsschutzes an die technologischen Anforderungen der Informationsgesellschaft zu einer Erhöhung des Handels mit urheberrechtlich geschützten Gütern führen wird. Daraus sollten sich Chancen für den Einstieg neuer Firmen in den Kulturgütermarkt ergeben.

3.3

Alternative Regelungen

Bei den vorgesehenen Regulierungsmassnahmen handelt es sich überwiegend um Massnahmen, deren Alternative der Status Quo wäre. Die derzeitige Krise in verschiedenen Sparten der Kulturwirtschaft sowie die internationale und regionale Rechtsentwicklung (WCT und WPPT sowie die Richtlinie Informationsgesellschaft) machen es deutlich: die Beibehaltung des Status Quo kann in Bezug auf den Urheberrechtsschutz keine Antwort auf die technologische Entwicklung und die Herausforderungen der Informationsgesellschaft sein.

3438

3.4

Zweckmässigkeit im Vollzug

Mit der vorliegenden Gesetzesrevision wird der Vollzug des Urheberrechts und verwandter Rechte optimiert. Die vorgeschlagenen Änderungen und Ergänzungen tragen zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei und vereinfachen damit auch den Vollzug.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist im Bericht über die Legislaturplanung 2003­200731 angekündigt.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

5.1.1

Ratifikation der WIPO-Abkommen und Änderungen des Urheberrechtsgesetzes

Der Bundesbeschluss über die Genehmigung von zwei Abkommen der Weltorganisation für geistiges Eigentum und über die Änderung des Urheberrechtsgesetzes stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 und Artikel 166 Absatz 2 der Bundesverfassung.

Die erste Norm erteilt dem Bund eine generelle Zuständigkeit in auswärtigen Angelegenheiten und die zweite Norm der Bundesversammlung die Kompetenz, völkerrechtliche Verträge zu genehmigen.

5.1.2

Weitere Änderungen des Urheberrechtsgesetzes

Die Änderungen des Urheberrechtsgesetzes stützen sich auf die nämliche Verfassungsgrundlage wie der Grunderlass. Die verfassungsmässige Grundlage ergibt sich aus den Artikeln 95, 122 und 123 der Bundesverfassung (Art. 31bis Abs. 2, 64 und 64bis BV 1874).

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Das Übereinkommen vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) wurde durch den Vertrag vom 21. Juni 200132 ergänzt.

Dieser regelt den Schutz des geistigen Eigentums in Artikel 19 und im Anhang J.

Artikel 2 Absatz 2 im Anhang J schreibt den Mitgliedstaaten vor, dem WCT und dem WPPT vor dem 1. Januar 2005 beizutreten. Dieser Vertrag wurde mit Bundesbeschluss vom 14. Dezember 200133 genehmigt, am 12. April 2002 von der Schweiz ratifiziert und ist per 1. Juni 2002 in Kraft getreten. Mit der Ratifizierung der beiden

31 32 33

BBl 2004 1196 SR 0.632.31 AS 2003 2684 ff.

3439

WIPO-Abkommen erfüllt die Schweiz ihre Verpflichtungen, welche sie im Rahmen der EFTA eingegangen ist.

5.3

Erlassform

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffern 1­3 der Bundesverfassung unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2) und wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn ihre Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3).

Die beiden internationalen Übereinkommen sind jederzeit kündbar. Die Kündigung wird ein Jahr nach Eingang der Notifikation beim Generaldirektor der WIPO wirksam (Art. 23 WCT bzw. Art. 31 WPPT). Jeder Mitgliedstaat der WIPO kann Vertragspartei dieser Verträge sein (Art. 17 WCT bzw. Art. 26 WPPT). Die Schweiz ist seit dem 26. April 1970 Mitglied der WIPO. Somit ist zusätzlich kein Beitritt zu einer internationalen Organisation mehr erforderlich.

Artikel 22 Absatz 4 des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 200234 über die Bundesversammlung definiert den Begriff «rechtsetzende Bestimmungen» als Regelungen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als «wichtig» gelten im innerstaatlichen Recht Bestimmungen, die gemäss Artikel 164 Absatz 1 der Bundesverfassung in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind. Auf formalgesetzlicher Stufe sind gemäss Artikel 164 Absatz 1 Buchstabe c der Bundesverfassung die Rechte und Pflichten von Personen zu regeln.

Das WCT besteht vorwiegend aus Rahmenbestimmungen mit Reglementierungspflichten. Zentral sind die Bestimmungen in Bezug auf den Schutz technischer Massnahmen (Art. 11 WCT) und von elektronischen Informationen für die Rechtewahrnehmung (Art. 12 WCT), die auf Gesetzesebene umgesetzt werden müssen. Als unmittelbar anwendbares Recht enthält das WCT unter anderem das On-DemandRecht (Art. 8 WCT). Dieses Recht ist zwar bereits durch Artikel 10 Absatz 1 URG abgedeckt, es wird nun aber im Interesse der Rechtssicherheit und der Kongruenz mit Artikel 8 WCT unter Buchstabe cbis in den nicht abschliessenden Rechtekatalog von Artikel 10 Absatz 2 aufgenommen.

Auch das WPPT enthält ­ nebst diversen Rahmenbestimmungen ­ materielles Recht, das in den Vertragsstaaten unmittelbar anwendbar und durch das geltende schweizerische Recht nicht abgedeckt ist. So verankert der Staatsvertrag Persönlichkeitsrechte der
ausübenden Künstlerinnen und Künstler (Art. 5 WPPT) in einem Umfang, der über den Persönlichkeitsschutz nach Artikel 28 folgende ZGB35 hinausgeht. Zudem wird den ausübenden Künstlerinnen und Künstlern sowie den Herstellerinnen und Herstellern von Tonträgern das On-Demand-Recht eingeräumt (Art. 10, Art. 14 WPPT), das im geltenden URG nicht enthalten ist. (Zu den unmittelbar anwendbaren Bestimmungen siehe auch Ziff. 1.1.3).

34 35

SR 171.10 SR 210

3440

Die zu ratifizierenden Staatsverträge enthalten wichtige rechtsetzende Bestimmungen, die auf Gesetzesstufe umgesetzt werden müssen. Der zur Genehmigung zu unterbreitende Bundesbeschluss betreffend die Ratifikation der beiden WIPOAbkommen unterliegt somit dem fakultativen Referendum.

5.4

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Artikel 39b Absatz 2 E-URG überträgt dem Bundesrat, die Organisation und das Verfahren der Beobachtungsstelle auf Verordnungsstufe zu regeln. Bei dieser Delegation wird die dem Bundesrat grundsätzlich zustehende Organisationsautonomie für Verwaltungseinheiten (Art. 8 RVOG36) berücksichtigt und der Gesetzestext entlastet. Zudem wird dem Bundesrat die Kompetenz eingeräumt, die Beobachtungsstelle durch die Zuweisung weiterer Aufgaben auszubauen. Mit dieser Delegationsnorm kann den technischen Entwicklungen genügend schnell Rechnung getragen werden.

36

SR 172.010

3441

3442