06.042 Botschaft über ein Protokoll zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Republik Finnland vom 24. Mai 2006

Sehr geehrte Herren Präsidenten Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung des am 19. April 2006 unterzeichneten Protokolls zur Änderung des Abkommens und des zugehörigen Protokolls mit der Republik Finnland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

24. Mai 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2006-0862

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Übersicht Mit dieser Abkommensänderung wird einerseits die Aufnahme einer gegenseitig formulierten Bestimmung zur vollständigen Entlastung der Dividenden aus wesentlichen Beteiligungen an Kapitalgesellschaften vereinbart und andererseits die Ausweitung des Informationsaustausches festgelegt. Neu ist Amtshilfe nach Artikel 26 auch für Steuerbetrug und im Falle von Holdinggesellschaften möglich. Die neu vereinbarte Amtshilfebestimmung ist damit mit derjenigen vergleichbar, die mit Norwegen vereinbart wurde und bereits in Kraft ist.

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Botschaft 1

Grundzüge des Protokolls

1.1

Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Mit der vorliegenden Revision werden einerseits die im einverständlichen Memorandum zum Zinsbesteuerungsabkommen vom 26. Oktober 2004 (SR 0.641.926.81) enthaltenen Verpflichtungen zur Gewährung von Informationsaustausch für Betrugsdelikte und dergleichen umgesetzt sowie die in Artikel 15 des Zinsbesteuerungsabkommens festgelegte Aufhebung der Quellenbesteuerung von grenzüberschreitenden Zahlungen von Dividenden zwischen verbundenen Unternehmen in leicht modifizierter Form in das Abkommen überführt. Andererseits war die Schweiz bereit, ihre im Rahmen der OECD-Arbeiten über schädliche Steuerpraktiken vertretene Haltung in Bezug auf den Informationsaustausch für Holdinggesellschaften in das Protokoll aufzunehmen.

1.2

Würdigung

Mit der Neuregelung der Dividendenbesteuerung wird nicht nur die bereits mit Artikel 15 des Zinsbesteuerungsabkommens vereinbarte Regelung in das Doppelbesteuerungsabkommen aufgenommen, sondern auch eine günstigere Lösung vereinbart, welche verschiedene im Zinsbesteuerungsabkommen enthaltene, einschränkende Voraussetzungen (Mindesthaltedauer, keine Steuerbefreiung) nicht aufführt.

Das vorliegende Protokoll enthält somit für die schweizerischen Unternehmen mit wesentlichen Beteiligungen in Finnland analoge Bedingungen, wie sie mit anderen skandinavischen Ländern bereits gelten. Die Bestimmung trägt damit dazu bei, die Attraktivität der Schweiz als Unternehmensstandort weiter zu verbessern. Mit der Einfügung einer Amtshilfeklausel für Steuerdelikte soll erreicht werden, dass künftig Handlungen, die keinen Schutz verdienen, nicht über die Schweiz abgewickelt werden.

Die Amtshilfe bei Holdinggesellschaften entspricht der schweizerischen Haltung gegenüber der OECD. Das Bankgeheimnis ist von der Amtshilfe bei Holdinggesellschaften nicht betroffen, werden doch bei Amtshilfeersuchen für Holdinggesellschaften keine Auskünfte bei Steuerpflichtigen oder Dritten eingeholt (ausser es liegt ein Fall von Steuerbetrug vor), sondern nur Informationen weitergeleitet, die sich bereits im Besitz der Steuerbehörden befinden oder befinden müssten.

Das Revisionsprotokoll entspricht der schweizerischen Doppelbesteuerungspolitik und stellt ein ausgewogenes Ergebnis dar.

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Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln des Protokolls

Art. 1 (betrifft Art. 10 des Abkommens: Dividenden) Durch die Änderung der internen Steuergesetzgebung wurde in Finnland die Steuergutschrift auf Dividendenzahlungen per 31. Dezember 2004 abgeschafft, womit der Quellensteuersatz auf aus Finnland stammenden Dividenden per 1. Januar 2005 im Beteiligungsverhältnis von 0 auf 5 Prozent bzw. in allen übrigen Fällen von 5 auf 10 Prozent erhöht wurde. Ab dem 1. Januar 2005 unterliegen somit schweizerische wie auch finnische Dividendenzahlungen der gleichen Quellensteuer von 5 bzw.

10 Prozent.

Seit dem 1. Juli 2005 kann auf Dividendenzahlungen eine vollständige Entlastung an der Quelle beantragt werden, sofern die in Artikel 15 des Zinsbesteuerungsabkommens enthaltenen Bestimmungen erfüllt sind.

Artikel 1 des Protokolls ändert Artikel 10 Absätze 2, 3 und 4 des Abkommens.

Dividenden, die von Tochtergesellschaften an Muttergesellschaften ­ sofern diese mindestens 20 Prozent des Kapitals halten ­ ausgeschüttet werden, sind von der Quellensteuer befreit, und Portfoliodividenden unterliegen einer Quellensteuer von 10 Prozent. Nach Abschaffung der Steuergutschrift für von finnischen Gesellschaften bezahlte Dividenden gemäss finnischem Recht konnten die in Artikel 10 Absatz 3 des Abkommens enthaltene Spezialregelung sowie die Ziffer 2 des Protokolls gestrichen werden.

Art. 2 (betrifft Art. 23 des Abkommens: Vermeidung der Doppelbesteuerung) Nach finnischem Recht können natürliche Personen, die ihren Wohnsitz aus Finnland in die Schweiz verlegt haben, von den finnischen Steuerbehörden weiterhin als in Finnland ansässig betrachtet und entsprechend besteuert werden, sofern sie nicht nachweisen, dass sie nicht mehr in Finnland ansässig sind. Zur Durchführung dieser Massnahme nach innerstaatlichem Recht hat sich Finnland in Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe c des Abkommens vorbehalten, diese Personen unter bestimmten Voraussetzungen (finnische Staatsangehörigkeit, innerhalb dreier Jahre seit Wegzug) zu besteuern, wobei die in der Schweiz anfallende Steuer auf die finnische Steuer anzurechnen ist. Da die praktische Bedeutung dieser Bestimmung gering war, erklärte sich Finnland bereit, Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe c des Abkommens ersatzlos zu streichen.

Art. 3 (betrifft Art. 26 des Abkommens: Informationsaustausch) Auf Grund des einverständlichen Memorandums zum
Zinsbesteuerungsabkommen könnte Finnland die Aufnahme einer Amtshilfebestimmung für den Austausch von Auskünften, die nicht nur zur richtigen Durchführung des Abkommens, sondern auch zur richtigen Anwendung des innerstaatlichen Rechts im Falle von Steuerbetrug und «ähnlicher Delikte» dienen, verlangen. Da im finnischen Veranlagungsverfahren jedoch keine Sachverhalte festgestellt werden konnten, die zwar keinen Steuerbetrug nach schweizerischem Recht darstellen, jedoch den gleichen Unrechtsgehalt wie der Steuerbetrug nach schweizerischem Recht aufweisen, wurde auf die Aufnahme von «ähnlichen Delikten» verzichtet. Der paraphierte Artikel 26 sieht damit den Austausch von Informationen nur für die richtige Anwendung des 4774

Abkommens und für die Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts im Falle von Steuerbetrug vor. Materiell bedeutet die neue Amtshilfebestimmung keine Ausdehnung der internationalen Kooperationsverpflichtungen der Schweiz, insbesondere nicht im Vergleich zum Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (SR 351.1; IRSG), namentlich in Bezug auf das Prinzip der doppelten Strafbarkeit.

Neu können im Verhältnis zu Finnland ­ wie dies z.B. schon heute mit den USA und Deutschland der Fall ist ­ in Fällen von Steuerbetrug beide Staaten auch den Weg der Amtshilfe beschreiten. Dies hat für die Steuerbehörden den Vorteil, dass sie die Informationen, die sie vom anderen Staat erhalten haben, auch für die Besteuerung verwenden können, was bei den rechtshilfeweise übermittelten Informationen nicht möglich ist. Wegen des im IRSG festgelegten Spezialitätsprinzips können dort die Informationen nur vom Strafrichter, nicht aber von den Steuerbehörden verwendet werden.

Entsprechend der schweizerischen Amtshilfepraxis wird in Ziffer 3 des Protokolls der Grundsatz der beidseitigen Strafbarkeit festgehalten und darauf hingewiesen, dass ein direkter Zusammenhang zwischen den betrügerischen Handlungen und der verlangten Amtshilfemassnahme bestehen muss. Ersuchen, die der blossen Beweisausforschung dienen, sind überdies ausdrücklich ausgeschlossen.

Die zuständigen Behörden legten im Verhandlungsprotokoll vom 10. August 2005 die zur Durchführung der finnischen Ersuchen erforderlichen Verfahrensbestimmungen bereits fest. Diese entsprechen im Wesentlichen den Bestimmungen, die mit Deutschland und Norwegen vereinbart wurden.

Entsprechend der von der Schweiz im Rahmen der OECD-Arbeiten über schädliche Steuerpraktiken vertretenen Haltung wird zudem auf reziproker Grundlage eine Bestimmung aufgenommen, wonach Amtshilfe für die Durchsetzung des Landesrechts des anderen Staates im Falle von Holdinggesellschaften geleistet wird. Für die Schweiz bedeutet das, dass die Schweiz Amtshilfe für die Durchsetzung des finnischen Rechts leistet, sofern es sich um Auskünfte betreffend eine Holdinggesellschaft im Sinne von Artikel 28 Absatz 2 des Steuerharmonisierungsgesetzes (SR 642.14; StHG) handelt. Da Finnland keine entsprechende Regelung kennt, leistet Finnland Amtshilfe für Gesellschaften, die mit den schweizerischen
Gesellschaften vergleichbar sind. Der Informationsaustausch erfolgt im Einzelfall und auf Anfrage des ersuchenden Staates. Im Protokoll zu Artikel 26 wird klargestellt, dass nur Informationen ausgetauscht werden, die im Besitz der Steuerbehörden sind oder die den Steuerbehörden ordentlicherweise zuzustellen sind und von diesen im ordentlichen Verfahren beschafft werden können (z.B. mittels Mahnung zur Einreichung der Bilanz und Erfolgsrechnung als Beilage zu Formular 103). Die Durchführung von spezifischen Massnahmen, insbesondere von Zwangsmassnahmen, ist explizit ausgeschlossen.

Art. 4 (betrifft das Protokoll zum Abkommen) Mit der Streichung von Artikel 10 Absatz 3 des Abkommens konnte auch Ziffer 2 des Protokolls aufgehoben werden (vgl. die entsprechenden Erläutungen unter Artikel 1 des Protokolls). Als Ziffer 3 wird die bereits unter Artikel 3 des Protokolls erläuterte Protokollbestimmung zum Steuerbetrug eingefügt.

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Art. 5 (betrifft das Inkrafttreten) Artikel 5 des Protokolls regelt das Inkrafttreten der vereinbarten Änderungen. Das Protokoll tritt dreissig Tage nach Eingang der zweiten Note, mit der die Beendigung des innerstaatlichen Genehmigungsverfahrens mitgeteilt wird, in Kraft, und seine Bestimmungen finden grundsätzlich ab dem 1. Januar des folgenden Jahres Anwendung. In Bezug auf Dividenden, die an eine zu 20 Prozent oder mehr beteiligte Gesellschaft gezahlt werden, wurde festgelegt, dass das ausschliessliche Besteuerungsrecht im Ansässigkeitsstaat der empfangenden Gesellschaft bereits ab dem 1. Januar 2006 gelten soll, sofern das Protokoll im Jahr 2006 in Kraft tritt.

3

Finanzielle Auswirkungen

Die vorgesehene Abkommensrevision hat für beide Staaten steuerliche Einbussen zur Folge. Da die Herabsetzung der Quellensteuer jedoch bereits in vielen Fällen auf Grund des Zinsbesteuerungsabkommens beantragt werden kann, ist die zusätzliche Entlastung von der Verrechnungssteuer im Vergleich zum heutigen Zustand gering.

Die Vereinbarung des ausschliesslichen Besteuerungsrechts von Dividenden im Ansässigkeitsstaat der Dividendenempfängerin im Beteiligungsverhältnis dürfte aber eine Standortverbesserung darstellen und zusätzliche Einnahmen bei den direkten Steuern ergeben.

Die übrigen Änderungen des Abkommens haben keine direkten finanziellen Auswirkungen.

4

Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage dieses Revisionsprotokolls bildet Artikel 54 der Bundesverfassung, der die auswärtigen Angelegenheiten als Sache des Bundes ausweist. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 der Bundesverfassung zuständig für die Genehmigung dieses Revisionsprotokolls.

Das Protokoll fällt nicht in die Kategorie der dem obligatorischen Referendum unterstehenden Erlasse. Es unterliegt auch nicht dem fakultativen Referendum für völkerrechtliche Verträge im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffern 1 und 2 der Bundesverfassung. Das revidierte Abkommen ist zwar auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer sechsmonatigen Frist auf das Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Er sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor.

Dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 der Bundesverfassung unterstehen seit dem 1. August 2003 Abkommen, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes gilt eine Bestimmung eines Staatsvertrages dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt.

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Das vorliegende Revisionsprotokoll enthält zwar rechtsetzende Bestimmungen, begründet aber keine zusätzlichen Steuerpflichten. Die neuen Bestimmungen begrenzen die schweizerischen Besteuerungsrechte nur in sehr geringem Umfang.

Da bereits heute auf Grund von Artikel 15 des Zinsbesteuerungsabkommens die im Quellenstaat verbleibende Steuer auf Dividenden in vielen Fällen von 5 auf 0 Prozent gesenkt wird, wird der neue Artikel 10 des Abkommens nur eine geringe zusätzliche Reduktion der in der Schweiz verbleibenden Steuer bewirken (vgl. dazu die Ausführungen unter Ziffer 2 zu Artikel 1). Die im Fall von Steuerbetrug neu auf dem Weg der Amtshilfe erhältlichen Informationen können bereits heute über die Rechtshilfe beschafft werden (vgl. dazu die Ausführungen unter Ziffer 2 zu Artikel 3). Die Amtshilfe zur Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts im Falle von Steuerbetrug wurde bereits mit Deutschland und Norwegen in gleichem Umfang vereinbart und umfasst diejenigen Informationen, die heute bereits rechtshilfeweise erhältlich sind. Diese Amtshilfeklausel wurde zudem bereits im Zusammenhang mit dem Zinsbesteuerungsabkommen mit der Europäischen Union den eidgenössischen Räten unterbreitet und gegenüber OECD-Staaten als neuer Schweizer Standard definiert. Eine ähnliche Bestimmung dürfte daher mit den meisten EU-Staaten bzw.

OECD-Staaten in den nächsten Jahren vereinbart werden. Der Informationsaustausch für Holdinggesellschaften entspricht der von der Schweiz im Rahmen der OECD-Arbeiten über schädliche Steuerpraktiken gemachten Konzession und umfasst lediglich Informationen, die sich im Besitz der Steuerbehörden befinden oder befinden sollten; Zwangsmassnahmen sind damit ausgeschlossen und das Bankgeheimnis bleibt gewahrt. Das vorliegende Revisionsprotokoll beinhaltet damit entsprechend der in der Botschaft zum Doppelbesteuerungsabkommen mit Israel beschriebenen Praxis keine wichtigen zusätzlichen Verpflichtungen für die Schweiz.

Die rechtsetzenden Bestimmungen des Revisionsprotokolls sind daher nicht von einer derartigen Wichtigkeit, dass diese die Unterstellung unter das fakultative Referendum rechtfertigen würden. Der Bundesbeschluss über das Revisionsprotokoll mit Finnland unterliegt daher nicht dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 der Bundesverfassung.

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