Bericht des Bundesrates zum Schutz vor Passivrauchen In Erfüllung des Postulates der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) 02.3379 «Schutz vor dem Passivrauchen» vom 9. Juli 2002 vom 10. März 2006

Sehr geehrte Herren Präsidenten Sehr geehrte Damen und Herren Am 9. Juli 2002 hat die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) ein Postulat eingereicht, mit welchem der Bundesrat eingeladen wird, in einem Bericht die Möglichkeit zu prüfen, gestützt auf Artikel 118 der Bundesverfassung verbindliche Richtlinien zum Schutz vor dem Passivrauchen zu erlassen. Das Postulat wurde am 25. September 2002 vom Nationalrat überwiesen.

Wir unterbreiten Ihnen im Folgenden den Bericht. Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2002 P 02.3379

Schutz vor dem Passivrauchen P WAK-N (02.020)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

10. März 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2005-3048

3695

Übersicht Angesichts der wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Faktoren über das Rauchen erachtet der Bundesrat die Exposition der Bevölkerung gegenüber dem Passivrauchen als ein bedeutendes Gesundheitsrisiko, dessen effiziente Prävention möglich und nötig ist. In Übereinstimmung mit den Zielen des Nationalen Programms zur Tabakprävention hält es der Bundesrat für notwendig, den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Arbeitsplatz sowie den Schutz der Bevölkerung in geschlossenen öffentlichen Räumen zu verstärken. Er erachtet eine Regelung des Privatbereichs (Wohnräume, individuelle Verkehrsmittel) als unangemessen.

Im Postulat der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats, das am 25. September 2002 gutgeheissen wurde, wird der Bundesrat beauftragt, die Möglichkeit verbindlicher Richtlinien zum Schutz vor dem Passivrauchen zu prüfen.

Die schweizerische Bevölkerung, die mehrheitlich nicht raucht (71 %), ist dem Rauch ausgesetzt, oftmals ohne Möglichkeit, sich diesem zu entziehen. Dies gilt vor allem für Kinder von rauchenden Eltern und für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an privaten oder öffentlichen Arbeitsplätzen (Spitäler, Verwaltungen) oder an geschlossenen öffentlich zugänglichen Orten (Bars und Restaurants).

Die schädlichen Auswirkungen des Passivrauchens auf die Gesundheit von Menschen jeden Alters sind erwiesen und gut dokumentiert. Es gibt keine Schwelle der Exposition, unterhalb welcher Tabakrauch unbedenklich wäre. Passivrauchen führt zu einer erhöhten Morbidität (Asthma, Lungenentzündungen usw.) und Mortalität (Herzinfarkt, Lungenkrebs, plötzlicher Kindstod usw.). Man schätzt die Folgen auf mehrere hundert vorzeitige Todesfälle pro Jahr ­ das sind mehr Opfer, als durch Gewaltakte, Aids oder Drogen verursacht werden.

Passivrauchen hat auch wirtschaftlich negative Folgen, da es erhebliche direkte und indirekte Kosten verursacht: Krankheiten, verminderte Produktivität. Mit einem Rauchverbot in öffentlichen Räumen können die Betriebs ­ (durch Zigaretten verursachten Sachschaden, Reinigungs- und Versicherungskosten usw.) und Gesundheitskosten gesenkt werden.

Auf gesellschaftlicher Ebene zeigen Umfragen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung einer vollständigen oder teilweisen (Möglichkeit von Raucherräumen) Ausweitung des Rauchverbots in
geschlossenen öffentlich zugänglichen Lokalen positiv gegenübersteht. Allmählich zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab: In einem geschlossenen Raum nicht zu rauchen wird zur Norm. Die Entscheidung der SBB und der anderen Unternehmen des öffentlichen Verkehrs, ab dem 11. Dezember 2005 nur noch Nichtraucherabteile zu führen, ist für diesen Wandel bezeichnend.

Politisch schliesslich hat sich die veränderte gesellschaftliche Wahrnehmung des Problems in politischen Vorstössen niedergeschlagen, und dies sowohl auf kantonaler wie auf eidgenössischer Ebene. Sie rechtfertigen sich damit, dass der Schutz der Bevölkerung vor den schädlichen Auswirkungen des Passivrauchens schwerer

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wiegt als die Freiheit zu rauchen. Selbst innerhalb von GastroSuisse, wie sich am Beispiel von GastroTicino zeigt, findet der Paradigmenwechsel Zustimmung.

Im Ausland ist diese Entwicklung schon seit langem zu beobachten: In den USA haben acht Bundesstaaten absolute oder sehr weit gehende Verbote eingeführt, die auch für Restaurants und Bars gelten. In Europa war Irland das erste Land, in dem im März 2004 ein Rauchverbot für alle Arbeitsplätze in Kraft trat. Seither haben Norwegen, Schweden, Malta und Italien ähnliche Bestimmungen umgesetzt. Die gemachten Erfahrungen sind überall ähnlich: Die Verbote werden von der Bevölkerung gut akzeptiert, selbst von einem grossen Teil oder sogar einer Mehrheit der Rauchenden; sie werden wirksam umgesetzt und die Umsätze von Restaurants und Bars blieben übers Ganze gesehen stabil.

In der Schweiz gibt es mehrere verfassungsrechtliche und gesetzliche Grundlagen sowie Ausführungsbestimmungen zum Schutz der Bevölkerung vor Passivrauchen.

Möglich wären auch mehrere kurz- und mittelfristige rechtliche Schritte zur Konkretisierung effizienter und angemessener Massnahmen.

In Übereinstimmung mit den Zielen des Nationalen Programms zur Tabakprävention sollte auf den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Arbeitsplatz und auf den Schutz der Bevölkerung in alle geschlossenen öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten verstärkt Wert gelegt werden. Dies entspricht auch den Bestimmungen des Rahmenübereinkommens der WHO zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (Framework Convention on Tobacco Control, FCTC). Die Schweiz beabsichtigt, dieses Übereinkommen in den nächsten Jahren zu ratifizieren. Der Bundesrat beabsichtigt nicht, vor Abschluss der Arbeiten der Subkommission «Passivrauchen» der SGK-N, welche als Folge der parlamentarischen Initiative Gutzwiller eingesetzt wurde, konkrete Massnahmen zu ergreifen. Die Subkommission prüft zurzeit die vorhandenen Möglichkeiten zur Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung vor Passivrauchen. Die Handlungsoptionen gehen in die gleiche Richtung wie diejenigen, die im vorliegenden Bericht aufgezeigt werden.

Je nach Ergebnis der Arbeiten des Parlaments könnte der Bundesrat folgende Massnahmen vorsehen: In einer ersten Phase: ­

eine Revision der Bundespersonalverordnung (BPV) durch die Einführung eines Rauchverbotes mit oder ohne Möglichkeit Raucherräume einzurichten;

­

eine Revision des Dienstreglements der Schweizer Armee (Dienstreglement 04) im gleichen Sinne, sofern es notwendig ist;

­

eine Ausarbeitung eines neuen Reglements/neuer Reglemente für Gebäude im Besitz der Eidgenossenschaft, mit denen ein solches Verbot ebenfalls konkretisiert werden könnte;

­

eine Revision der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz (Gesundheitsvorsorge, Art. 19 ArGV 3). Damit sollen Ausnahmen vom allgemeinen Grundsatz des Schutzes vor Passivrauchen am Arbeitsplatz verhindert werden.

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In einer zweiten Phase: ­

eine Revision des Arbeitsgesetzes (ArG) mit einer Ausweitung des Gesundheitsschutzes auf ausnahmslos alle privaten und öffentlichen Arbeitsverhältnisse: ­ Paradigmenwechsel mit der Einführung des Grundsatzes, dass es am Arbeitsplatz mit Ausnahme von besonders dafür bestimmten Räumlichkeiten verboten ist, zu rauchen; ­ allenfalls prüfen, ob der Kündigungsschutz im Falle einer Klage ausreicht und ob eine Verbesserung des Schutzes für den Arbeitnehmer notwendig ist;

­

eine Überprüfung, ob die Erarbeitung eines neuen Bundesgesetzes zum Schutz vor Passivrauchen sinnvoll ist.

Die Schaffung beziehungsweise Revision der folgenden Gesetze wäre zwar rechtlich gesehen denkbar, doch diesbezügliche Gesetzgebungsarbeiten werden als inopportun erachtet: ­

Revision des Transportgesetzes (TG) mit Ausweitung des Schutzes vor Passivrauchen auf die betriebliche Infrastruktur wie Bahnhöfe oder Fahrzeuge (vgl. Entscheid der SBB vom Dezember 2005, das Rauchen in ihren Wagen zu verbieten);

­

Einführung einer neuen strafgesetzlichen Bestimmung je nach Bedarf oder politischem Willen zur Verstärkung der Kontrolle bei Widerhandlungen gegen den Grundsatz des Schutzes vor Passivrauchen;

All die aufgeführten gesetzlichen Grundlagen werden den Ratifikationsprozess der Schweiz für das WHO-Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs unterstützen.

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Bericht 1

Mandat (Inhalt des Postulats der WAK-N ­ 02.3379)

Am 9. Juli 2002 reichte die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK-N) das Postulat 02.3379, Schutz vor dem Passivrauchen, ein: Eingereichter Text Gestützt auf Artikel 118 der Bundesverfassung prüft der Bundesrat die Möglichkeit, verbindliche schweizerische Richtlinien zum Schutz vor dem Passivrauchen, z.B.

Einschränkungen des Rauchens im öffentlichen Raum, Einführung und Ausdehnung rauchfreier Zonen, zu erlassen.

Begründung Verschiedene Studien belegen, dass Passivrauchen gesundheitsschädlich ist. Passivraucherinnen und -raucher haben jedoch ohne öffentliche Schutzmassnahmen keine Freiheit der Wahl.

Am 11. September 2002 erklärte sich der Bundesrat bereit, das Postulat entgegenzunehmen. Das Postulat wurde am 25. September 2002 vom Nationalrat angenommen und an den Bundesrat überwiesen. In Antwort auf das Postulat gibt der vorliegende Bericht eine Übersicht über die geltenden rechtlichen Grundlagen im Bereich des Schutzes vor Passivrauchen und enthält Empfehlungen über die Prioritätensetzung zur Verbesserung der entsprechenden Gesetzgebung.

2

Wissenschaftlicher Hintergrund ­ gesundheitliche Auswirkungen

Tabakrauch setzt sich aus mehreren Tausend chemischen Substanzen zusammen; mindestens 40 davon sind krebserregend, andere wie Kohlenmonoxyd und Zyanwasserstoff sind erwiesenermassen toxisch.

Bereits 1986 kam ein offizieller Bericht des Leiters der US-Gesundheitsbehörden zum Schluss:

1

1.

Passivrauchen kann bei Nichtraucherinnen und Nichtrauchern Lungenkrebs verursachen.

2.

Kinder von rauchenden Eltern leiden öfter unter Infektionen und Erkrankungen der Atemwege.

3.

In einem Lokal rauchende und nicht rauchende Personen räumlich zu trennen, schützt nicht vor Passivrauchen.1

The health consequences of involuntary smoking: a report of the Surgeon General.

Rockville, Maryland: Public Health Service, 1986.

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1992 bestätigte ein Bericht der US-amerikanischen Umweltschutzbehörde diese Schlussfolgerungen und präzisierte, Passivrauch sei offiziell als krebserregende Substanz der Klasse A zu klassieren (Substanzen, die beim Menschen Krebs verursachen).2 Und schliesslich stufte das Centre International de Recherche sur le Cancer (CIRC) am 19. Juni 2003 Passivrauchen definitiv als krebserregend ein. Es gibt keine Expositionsschwelle, unterhalb derer Tabakrauch unbedenklich wäre. Zwar fehlt für die Schweiz eine Studie zu den Folgen von Passivrauchen, aber aufgrund von Schätzungen kann davon ausgegangen werden, dass bei uns mehrere hundert Personen jährlich wegen Passivrauchen ihr Leben verlieren.3 Dies sind mehr Opfer, als Aids, der Konsum illegaler Drogen oder Gewalttaten fordern.

Für Nichtraucherinnen und Nichtraucher, die regelmässig dem Passivrauchen ausgesetzt sind, kann die Erhöhung der Gesundheitsrisiken wie folgt zusammengefasst werden:4

2.1

Ungeborene

Raucht die Mutter, so wird das Wachstum des ungeborenen Kindes verlangsamt und das Risiko, dass es mit einem ungenügenden Geburtsgewicht zur Welt kommt, steigt um 150 %. Ist eine nichtrauchende Mutter dem Passivrauchen ausgesetzt, so nimmt dieses Risiko um 20 % zu.

2.2

Säuglinge und Kleinkinder

Raucht der Vater zu Hause und ist die Mutter Nichtraucherin, so nimmt beim Säugling das Risiko für den plötzlichen Kindstod um 140 % zu.

Raucht einer der beiden Elternteile zu Hause, so haben Kinder ein um 40 % erhöhtes Risiko, an einer chronischen Mittelohrenentzündung zu leiden, und ein um 50 % höheres Risiko für Bronchitis oder Lungenentzündung. Raucht die Mutter, so steigt das Risiko für das Kind, im Laufe seines Lebens Asthma zu entwickeln, um 100 %.

2

3

4

Die US-Behörden gehen heute davon aus, dass Passivrauchen jährlich den vorzeitigen Tod von rund 38 000 Nichtraucherinnen und Nichtrauchern fordert: 3000 aufgrund von Lungenkrebs und 35 000 aufgrund einer Herz-Kreislauf-Krankheit (insbes. Herzinfarkt).

Viele in den letzten fünfzehn Jahren veröffentlichte Studien belegen, dass die Annahmen der Behörden vorsichtig und korrekt waren.

Mortalité due au tabagisme passif en Suisse. Estimations d'OxyRomandie, septembre 2005 ­ s. www.oxygeneve.ch/docs/mortalite-estimations.pdf; Nurminen M., Jaakkola M.: Mortality from occcupational exposure to environmental tobacco smoke in Finland. Journal of Occupational Environmental Medicine 2001, 43, 687­693; Keil U. et al.: Passivrauchbedingte Morbidität und Mortalität in Deutschland, in Passivrauchen ­ ein Unterschätztes Risiko. Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg, 2005.

Eine Tabelle mit den Gefahren von Passivrauchen mit den dazu gehörigen Quellen findet sich im Anhang. Sie findet sich auch unter der Internet-Adresse http://www.rauchenschadet.ch/topic4821.html.

3700

2.3

Erwachsene

Mit einem rauchenden Partner steigt das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, um 24 %. Ist man zu Hause, in einem öffentlich zugänglichen Raum oder am Arbeitsplatz dem Passivrauchen ausgesetzt, so steigt das Risiko für einen Herzinfarkt um 25 % und für einen Hirnschlag um 80 %. Passivrauchen hat selbst bei geringer Exposition einen starken Einfluss auf Herz-Kreislauf-Krankheiten. Forschungen haben gezeigt, dass bereits eine einzige halbstündige Passivrauchexposition das Herz schwächt.5 In gewissen geschlossenen Räumen (Cafés, Discos usw.) kann die Exposition gegenüber dem Passivrauchen vor allem für die Angestellten massiv und ununterbrochen sein. Zudem ist es heute erwiesen, dass eine Halbierung der beim Passivrauchen inhalierten Menge das Risiko nicht um die Hälfte zu verringern vermag. Es ist also wichtig, jede Passivrauchexposition zu vermeiden.6 Beim Barpersonal, das am Arbeitsplatz dem Passivrauchen ausgesetzt ist, konnte nach der Einführung des Rauchverbots in Bars eine rasche Verbesserung der Atemwegprobleme und der Lungenleistung festgestellt werden.7

3

Wirtschaftliche Folgen

Einige Studien aus dem Ausland beziffern die wirtschaftlichen Kosten, die durch Passivrauchen generiert werden. Diese betragen 10 % der Kosten des aktiven Rauchens8, d.h. für die Schweiz rund 500 Millionen Franken pro Jahr. Die Kosten setzen sich zusammen aus Gesundheitskosten und Einkommensverlusten bei Nichtraucherinnen und Nichtrauchern, die dem Passivrauchen ausgesetzt sind.

Ein Rauchverbot am Arbeitplatz oder für öffentliche Lokale hat eine positive Wirkung auf die Kosten: Die Betriebskosten sinken (Reinigung, Schäden, Versicherungskosten usw.), desgleichen die Kosten infolge gesundheitlicher Beeinträchtigungen. Mit einem solchen Verbot muss kein teureres, schwierig zu konzipierendes und kaum wirksames Lüftungssystem installiert werden. Zudem haben einige Studien gezeigt,9 dass ein Rauchverbot keine negativen Folgen bezüglich der Kundenfrequenz in öffentlich zugänglichen Lokalen nach sich zieht.

Schliesslich verringert die Einführung eines Rauchverbots generell die Betriebskosten und die Anzahl der Raucherinnen und Raucher, und die durchschnittliche Anzahl konsumierter Zigaretten pro Raucherin bzw. Raucher nimmt ab.

5

6 7 8 9

Vorübergehende Verminderung der Koronarreserve, s. Otsuka R. et al.: Acute effects of passive smoking on the coronary circulation in healthy young adults. Journal of the American Medical Association, 2001, 286, 436­431.

Pechacek T., Babb S.: Commentary: How acute and reversible are the cardiovascular risks of secondhand smoke?. British Medical Journal, 2004, 328, 980­983.

Eisner M. et al.: Bartender's respiratory health after establishment of smoke-free bars and taverns. Journal of the American Medical Association, 1998, 280, 1909­1914.

Adams K, et al.: The Costs of Environmental Tobacco Smoke: An International Review.

WHO, Geneva, 1999.

Z.B. The State of Smoke-free New York City: A One-year Review. New York City Department of Finance, NYC Dept. of Health & Mental Hygiene, NYC Dept. of Small Business Services, NYC Economic Development Corporation, März 2004.

3701

4

Gesellschaftlicher Hintergrund

4.1

Auf schweizerischer Ebene

In der Schweiz ist ein Viertel der Nichtraucherinnen und Nichtraucher täglich während mindestens einer Stunde dem Passivrauchen ausgesetzt. 86 % der Nichtraucherinnen und Nichtraucher zwischen 14 und 65 Jahren rauchen passiv in öffentlichen Räumlichkeiten, und eine Mehrheit fühlt sich dadurch erheblich belästigt. 26 % der Bevölkerung meiden gewisse öffentliche Lokale aus diesem Grund.10 Viele Studien zeigen auch, dass die Installation von Lüftungen in öffentlichen Lokalen keine praktische und effiziente Lösung darstellt, um die Giftstoffe des Rauchs zu eliminieren.

In den letzten 15 Jahren hat man zu den gravierenden Folgen von Passivrauchen viele Erkenntnisse hinzugewonnen. Es wurde nachgewiesen, dass Passivrauchen zahlreiche Krankheiten verursacht und dass die Risiken oftmals unterschätzt, wenn nicht gar negiert werden, insbesondere von Seiten der Tabakindustrie, die ihre wissenschaftlichen Ergebnisse zu dieser Frage lange Zeit unter Verschluss gehalten hat.11 Unabhängig von rechtlichen oder politischen Fragen entwickelt sich auch der gesellschaftliche Kontext. So wurden in den vergangenen Jahren viele Initiativen ergriffen, um in bestimmten Räumen das Rauchen ganz oder teilweise zu verbieten, wie beispielsweise in Primar-, Sekundar- oder Hochschulen (z.B. Universitäten Genf, Lausanne und Zürich), in Verwaltungen (als Beispiel auf Bundesebene kann das seco gelten, das seit dem 1. Februar 2005 ein rauchfreies Amt ist; auf kantonaler Ebene wird der Kanton Jura in Kürze in allen staatlichen Räumen ein Rauchverbot erlassen) oder in privaten Unternehmen (z.B. Novartis, Roche). Seit Beginn 2005 sind auch die Kinos der grössten schweizerischen Kinobetreiber rauchfrei. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus der Hotellerie und dem Gastgewerbe wünschen sich ähnliche Massnahmen für ihren Arbeitsplatz. Mit Unterstützung von Regierung, Präventionsorganisationen und GastroTicino hat das Tessiner Parlament ein Gesetz für rauchfreie Restaurants und Bars verabschiedet. Aufgrund eines Referendums der Lega wird die Tessiner Bevölkerung, am 12 März 2006 darüber abstimmen. Falls des Gesetzes definitiv angenommen wird, ist es ab 2007 nur noch in abgetrennten und belüfteten Fumoirs gestattet, zu rauchen.

4.2

Auf internationaler Ebene

Im Jahr 1975 führte Minnesota als erster US-Bundesstaat weitgehende Einschränkungen für das Rauchen in öffentlichen Räumen ein. In der Folge erliessen mehrere Staaten und Städte der USA Rauchverbote, so Kalifornien, Florida, Maine, Massachusetts und die Städte New York und Boston. In den letzten Jahren führten verschiedene europäische Länder (Irland, Norwegen, Italien, Portugal, Spanien und Frankreich) verschiedene Massnahmen zum Schutz vor Passivrauchen ein. Irland, 10 11

Passivrauchen in der Schweizer Bevölkerung 2004. Krebs H. et al. Psychologisches Institut der Universität Zürich, Sozial- und Gesundheitspsychologie. Zürich, 2005.

Diethelm P. et al.: The whole truth and nothing but the truth. The Lancet online, 11. November 2004: http://image.thelancet.com/extras/03art7306web.pdf. Vgl. auch Dossier zur «Affäre Rylander»: www.prevention.ch/rylanderpm.htm und der Bundesgerichtsentscheid vom 17. April 2003: www.prevention.ch/ryatf170403e.htm.

3702

Norwegen, Indien, Neuseeland und Bhutan erliessen im Laufe des Jahres 2004 ein Rauchverbot für öffentliche Räume.12 Am 10. Januar 2005 trat in Italien ein vollständiges Rauchverbot für alle öffentlichen Lokale in Kraft,13 sofern diese nicht über getrennte Raucherräume verfügen. Kuba und Schweden unternahmen den gleichen Schritt per Juni 2005. Gleiche Verbote sind ab 2006 in weiteren Ländern geplant, darunter insbesondere Grossbritannien (England, Wales, Schottland), Litauen und Russland. Andere Länder sehen ähnliche Schritte vor.

In den USA und in Europa (Italien, Niederlande, Norwegen, Grossbritannien und Frankreich) haben Nichtrauchende, die an ihrem Arbeitsplatz dem Passivrauchen ausgesetzt waren, Haftpflichtprozesse gegen ihre Arbeitgeber gewonnen.

2002 gab es in 80 % der europäischen WHO-Mitgliedstaaten Rauchverbote oder ­ Einschränkungen für öffentlich zugängliche Räume und Arbeitsplätze.14

5

Rechtliche Situation

5.1

Internationales Recht

Am 19. Juni 2003 stufte das Centre International de Recherche sur le Cancer (CIRC) Passivrauchen definitiv als krebserregend für den Menschen ein.

1974 ratifizierte die Schweiz die Konvention zu beruflich bedingtem Krebs der Internationalen Arbeitsorganisation. Die Konvention besagt, jeder Mitgliedstaat habe periodisch kanzerogene Stoffe und Substanzen zu überprüfen, denen Arbeitnehmende am Arbeitsplatz nicht exponiert werden dürfen, die bewilligungspflichtig sind oder für die andere Bestimmungen gelten.15 Vor diesem Hintergrund musste die Schweiz ­ auch im Zusammenhang mit der oben erwähnten Einstufung des CIRC ­ die geltenden Bestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor dem Passivrauchen überprüfen.

Am 21. Mai 2003 nahm die 56. Weltgesundheitsversammlung das WHO-Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (Framework Convention on Tobacco Control; FCTC) an.16 Das WHO-Rahmenübereinkommen ist ein internationales Abkommen zur Bekämpfung des Tabakkonsums und zum Schutz vor Passivrauchen. Artikel 3 FCTC umschreibt das Ziel des Übereinkommens wie folgt: Art. 3

Ziel

Ziel dieses Übereinkommens und seiner Protokolle ist es, heutige und künftige Generationen vor den verheerenden gesundheitlichen, gesellschaftlichen, umweltrelevanten und wirtschaftlichen Folgen des Tabakkonsums und des Passivrauchens zu 12 13 14

15 16

Als Beispiel: «Effective Tobacco Control Policies in 28 European Countries» Luk Joossens, Oktober 2004: www.ensp.org/files/effectivefinal.pdf.

Girolamo Sirchia, damals Gesundheitsminister: «Dieses Gesetz orientiert sich nicht an der Prohibition, sondern dient dem Schutz vor Passivrauchen».

«Tobacco control in the WHO European Region: current status and developments», Factsheet 06/02, WHO Europa, Kopenhagen, 17. September 2002: www.who.dk/document/CMA/rc52fstob0602e.pdf; «Cross country profile / Smoke free public transport»: http://data.euro.who.int/tobacco/Default.aspx?TabID=2444.

SR 0.832.329 Konvention Nr. 139 BBl 1975 II 359: www.admin.ch/ch/d/sr/i8/0.832.329.de.pdf.

Viele Informationen zur Rahmenkonvention finden sich auf der WHO-Website: www.who.int/tobacco/framework/en/.

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schützen, indem ein Rahmen für Massnahmen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs geschaffen wird, die von den Vertragsparteien auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene einzuleiten sind, um die Verbreitung des Tabakkonsums und des Passivrauchens stetig und wesentlich zu vermindern.

Das WHO-Rahmenübereinkommen wurde von 168 Staaten, darunter auch der Schweiz, unterzeichnet und bisher von 124 Staaten ratifiziert.17 Es trat am 27. Februar 2005 in Kraft. Solange die Ratifikation durch die Schweiz nicht erfolgt ist, ist es nicht rechtsverbindlich für die Schweiz. Das WHO-Rahmenübereinkommen enthält keine direkt anwendbaren Bestimmungen, so dass die nötigen rechtlichen Änderungen auf nationaler Ebene vorgenommen werden müssen.

Zum Schutz vor Passivrauchen sieht Artikel 8 FCTC Folgendes vor: Art. 8

Schutz vor Passivrauchen

1. Die Vertragsparteien erkennen an, dass wissenschaftliche Untersuchungen eindeutig bewiesen haben, dass Passivrauchen Tod, Krankheit und Invalidität verursacht.

2. Jede Vertragspartei beschliesst in Bereichen bestehender innerstaatlicher Zuständigkeit nach innerstaatlichem Recht wirksame gesetzgeberische, ausführende, administrative und/oder sonstige Massnahmen zum Schutz vor Passivrauchen am Arbeitsplatz in geschlossenen Räumen, in öffentlichen Verkehrsmitteln, an geschlossenen öffentlichen Orten und gegebenenfalls an sonstigen öffentlichen Orten, führt solche Massnahmen durch und setzt sich auf anderen Zuständigkeitsebenen aktiv für die Annahme und Durchführung solcher Massnahmen ein.

Damit wird die Umsetzung dieser Massnahmen in nationales Recht (Rauchverbot, technische, strukturelle und organisatorische Massnahmen usw.) vollständig dem Ermessen des Mitgliedstaates überlassen. Es geht um eine Gesamtheit von Massnahmen, die anzuwenden und auch gesetzgeberisch zu konkretisieren sind.18 Die Massnahmen sollen wirksam sein und nicht einzig von einem theoretischen Standpunkt aus erarbeitet werden. Die Mitgliedstaaten müssen in ihrem Zuständigkeitsgebiet die Massnahmen zum Schutz vor Passivrauchen ergreifen und gleichzeitig ihre eigenen «Mitglieder», d.h. im Falle der Schweiz die Kantone, auffordern, das Gleiche zu tun.

Bereits heute verfügt die Schweiz über ausreichende Verfassungsgrundlagen, um im Bereich der Tabakprävention und zum Schutz vor Passivrauchen Gesetze zu erlassen. Sie hat dies teilweise auch schon getan (vgl. folgende Kapitel) und es sind weitere Möglichkeiten vorstellbar, um die Bevölkerung noch wirksamer gegen die schädlichen Auswirkungen von Passivrauchen zu schützen, insbesondere mittels eines Rauchverbots am Arbeitsplatz und in öffentlich zugänglichen Räumen.

17 18

Stand 14. Februar 2006, vgl. www.who.int/tobacco/framework/countrylist/en/index.html.

Vgl. A/FCTC/WEG1/6, S. 15.

3704

5.2

Nationales Recht ­ Gesetzliche Grundlagen und Ausführungsbestimmungen

5.2.1

Arbeitsrecht

5.2.1.1

Öffentliches Arbeitsrecht

Artikel 6 des Arbeitsgesetzes19 (ArG) verpflichtet den Arbeitgeber, zum Schutze der Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmer alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebs angemessen sind, insbesondere alle erforderlichen Massnahmen zum Schutz der persönlichen Integrität der Arbeitnehmenden.20 Er hat die betrieblichen Einrichtungen und den Arbeitsablauf so zu gestalten, dass Gesundheitsgefährdungen und Überbeanspruchungen der Arbeitnehmer nach Möglichkeit vermieden werden.

Das Gesetz gilt unter Vorbehalt der Artikel 2 und 4 ArG für alle öffentlichen und privaten Betriebe. Ein Betrieb liegt dann vor, wenn ein Arbeitgeber mindestens einen Arbeitnehmer beschäftigt. Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a ArG nimmt grundsätzlich die Verwaltungen des Bundes, der Kantone und Gemeinden vom Geltungsbereich aus. Dies gilt allerdings nicht für die Vorschriften des Gesundheitsschutzes, die nach Artikel 3a ArG auch anwendbar sind auf Verwaltungen des Bundes, der Kantone und Gemeinden, für Arbeitnehmer, die eine höhere leitende Tätigkeit oder eine wissenschaftliche oder selbstständige künstlerische Tätigkeit ausüben, für Lehrpersonal an Privatschulen sowie für Lehrer, Fürsorger, Erzieher und Aufseher in Anstalten. Somit fallen heute fast alle Arbeitnehmenden in den Geltungsbereich der Gesundheitsschutzvorschriften des Arbeitsgesetzes.21 Auf Grundlage von Artikel 6 ArG hat der Bundesrat in Artikel 19 der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz22 (ArGV 3) bestimmt, dass der Arbeitgeber im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten dafür zu sorgen hat, dass nichtrauchende Angestellte durch das Rauchen anderer Personen nicht belästigt werden. Damit ist es für das Ergreifen von Massnahmen nicht nötig, das Vorhandensein einer Gesundheitsgefahr nachzuweisen; es reicht, dass sich eine Person belästigt fühlt. Im Zweifelsfall muss diese Bestimmung im Rahmen des Möglichen zugunsten von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern interpretiert und im Licht von Artikel 2 ArGV 3 ausgelegt werden, der besagt, der Arbeitgeber habe alle erforderlichen Massnahmen zu treffen, um den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmenden zu gewährleisten und zu fördern und deren physische und psychische Gesundheit zu erhalten. Insbesondere hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen,
dass ergonomisch und hygienisch gute Arbeitsbedingungen herrschen, die Gesundheit aufgrund von physikalischen, chemischen oder biologischen Einwirkungen nicht in Mitleidenschaft gezogen wird und die Gesundheitsvorsorge-

19 20 21

22

Bundesgesetz vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz, ArG); SR 822.11.

Vgl. dazu Hans-Ulrich Scheidegger/Christine Pitteloud, Stämpflis Handkommentar, Art. 6 ArG, Bern 2005.

Keine Anwendung findet es auf alle Ausnahmen vom betrieblichen oder persönlichen Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes, die nicht durch Art. 3a ArG eingeschlossen werden.

Namentlich sind die Betriebe der Landwirtschaft, der Gärtnerei, der Fischerei und private Haushaltungen (Art. 2 Abs. 1 ArG) sowie Familienbetriebe (Art. 4 ArG).

Verordnung 3 vom 18. August 1993 zum Arbeitsgesetz (Gesundheitsvorsorge, ArGV 3); SR 822.113.

3705

massnahmen, die von den Behörden bezüglich der Einrichtung des Gebäudes und der betrieblichen Organisation vorgeschrieben sind, verhältnismässig sind.

Weiter zu respektieren sind die Bestimmungen der Artikel 12 (Luftraum), 16 (Raumklima), 17 (Lüftung) und 18 (Luftverunreinigung) ArGV 3, wonach Luft, die durch Gerüche, Gase, Dämpfe, Nebel, Rauch, Staub, Späne und dergleichen in einer die Gesundheit beeinträchtigenden Weise verunreinigt wird, so nahe wie möglich an der Stelle, wo sie verunreinigt wird, wirksam abzusaugen ist. Nötigenfalls ist die Verunreinigungsquelle räumlich abzutrennen.

Die Anwendung von Artikel 19 ArGV 3 erfordert nicht zwingend ein Rauchverbot und ist vereinbar mit Einrichtungen zugunsten von Raucherinnen und Rauchern, sei es auf technischer Ebene (Lüftung) und/oder auf struktureller Ebene (getrennte Raucherzonen usw.), sofern der Schutz der Nichtraucherinnen und Nichtraucher gewährleistet ist. Sind solche Einrichtungen nicht machbar oder fühlen sich die nichtrauchenden Angestellten weiterhin belästigt, so können sie vom Arbeitgeber verlangen, dass dieser ein allgemeines Rauchverbot erlässt. Dabei handelt es sich um eine Bestimmung des öffentlichen Arbeitsrechts, die zwingend nach Artikel 342 Absatz 1 Buchstabe b OR auch für den privaten Arbeitsvertrag gilt. Bei Missachtung der arbeitsgesetzlichen Bestimmungen kann der Arbeitnehmer während der Dauer des Arbeitsverhältnisses eine Anzeige bei der Vollzugsbehörde des Gesetzes machen. Er kann damit einer direkten Konfrontation mit dem Arbeitgeber ausweichen. Die Vollzugsbehörde kann Verwaltungsmassnahmen nach den Artikeln 50­54 ArG ergreifen. Eine Verletzung der Gesundheitsvorschriften kann Strafen nach den Artikeln 59 ff. ArG nach sich ziehen. In der Praxis wird jedoch nur sehr selten aufgrund von Artikel 19 ArGV3 Anzeige erstattet und gegen Zuwiderhandlungen vorgegangen.23

5.2.1.2

Unfallversicherungsgesetzgebung

Laut Artikel 82 des Unfallversicherungsgesetzes24 (UVG) muss ein Arbeitgeber zur Prävention von Berufsunfällen und Berufskrankheiten alle Massnahmen ergreifen, die erfahrungsgemäss notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den gegebenen Verhältnissen angemessen sind.25 Die Bestimmung gilt für alle Unternehmen, die in der Schweiz Arbeitnehmer beschäftigen.

Nach Anhörung der direkt interessierten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen hat der Bundesrat gestützt auf Artikel 81 UVG die Verordnung über die Unfallverhütung26 (VUV) erlassen, Sie enthält die Vorschriften zu technischen, arbeitsmedizinischen und weiteren Massnahmen zur Prävention solcher Unfälle und Berufskrankheiten. Gemäss Artikel 33 VUV (Lüftung) darf die Zusammensetzung 23

24 25 26

Für eine politikwissenschaftliche Analyse des Vollzugsdefizits und der unintendierten Nebenwirkungen des Artikels vgl. Regula Bernhard, Evaluation zum Artikel 19 der Verordnung 3 des Arbeitsgesetzes. Bern 2004, Fachstelle für Gesundheitspolitik/Universität Bern.

Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (Unfallversicherungsgesetz, UVG); SR 832.20.

Zum Verhältnis zwischen der Arbeits- und Unfallversicherungsgesetzgebung, vgl. Roger Baumberger, Rauchen am Arbeitsplatz, S. 109 ff., Bern 2002.

Verordnung vom 19. Dezember 1983 über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten (Verordnung über die Unfallverhütung, VUV); SR 832.30.

3706

der Luft am Arbeitsplatz keine Gefahr für die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer darstellen. Andernfalls muss eine natürliche oder künstliche Lüftung eingerichtet werden oder es sind nötigenfalls weitere technische Massnahmen zu ergreifen. Diese zwingende Bestimmung des öffentlichen Arbeitsrechts umfasst damit materiell den Schutz vor Tabakrauch. Im Gegensatz zu Artikel 19 ArGV 3 macht sie dabei keinerlei Vorbehalt zugunsten der bestehenden Verhältnisse im Betrieb. Laut der Verordnung über die Unfallsversicherung kann die Anwendung dieser Bestimmungen durch Betriebsbesuche gemäss den Artikeln 61 ff. überprüft werden.

5.2.1.3

Privates Arbeitsrecht

Werden im öffentlichen Arbeitsrecht dem Arbeitgeber oder Arbeitnehmer Pflichten auferlegt, so steht der andern Partei ein zivilrechtlicher Anspruch auf Erfüllung zu, wenn sie Gegenstand des Arbeitsvertrages sein könnten (Art. 342 Abs. 2 OR, sog.

Rezeptionsklausel). Der Arbeitnehmer kann somit zur Durchsetzung der Gesundheitsschutzvorschriften des Arbeitsgesetzes zu zivilrechtlichen Mitteln des Arbeitsvertragsrechtes greifen.

Laut Artikel 328 Absatz 2 OR27 muss der Arbeitgeber insbesondere zum Schutz von Leben, Gesundheit und persönlicher Integrität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Massnahmen treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes oder Haushaltes angemessen sind, soweit es ihm mit Rücksicht auf das einzelne Arbeitsverhältnis und die Natur der Arbeitsleistung billigerweise zugemutet werden kann. Tut er dies nicht, verletzt er seine Fürsorgepflicht und dem Arbeitnehmer stehen verschiedene zivilrechtliche Möglichkeiten (Klage auf Erfüllung, Verweigerung der Arbeitsleistung, Klage auf Schadenersatz) offen.

Was bereits für die Vollzugspraxis zu Artikel 19 ArGV erwähnt wurde, gilt auch für das Obligationenrecht: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer klagen praktisch nie einen Arbeitgeber wegen Verletzung des Schutzes vor Passivrauchen zivilgerichtlich ein. Ein Grund liegt darin, dass, neben der Befürchtung des Mobbings durch Arbeitskollegen, das Obligationenrecht nur einen beschränkten Kündigungsschutz kennt.28 Eine missbräuchliche Kündigung liegt zwar vor, wenn einer Person wegen einer Eigenschaft, die der anderen Partei kraft ihrer Persönlichkeit zusteht, gekündigt wird (Art. 336 Abs. 1 Bst. a OR). Kann der Arbeitgeber hingegen beweisen, dass das Betriebsklima durch die Forderung nach Schutz vor Passivrauchen massgeblich beeinflusst wurde, so gilt diese Kündigung nicht mehr als missbräuchlich.

Ebenfalls ist zwar eine Kündigung missbräuchlich, wenn sie zur Vereitelung eines Anspruchs aus dem Arbeitsvertrag ausgesprochen wurde (Art. 336 Abs. 1 Bst. c OR). Dies hat aber bloss zur Folge, dass der Arbeitgeber eine Entschädigung leisten muss, höchstens aber im Umfang von sechs Monatslöhnen (Art. 336a Abs. 2 OR).

Das öffentliche und das private Arbeitsrecht der Schweiz enthalten somit bereits heute Bestimmungen zum Schutz vor Passivrauchen am Arbeitsplatz und in allgemein zugänglichen Räumen von Betrieben. In der Praxis besteht das tatsächliche 27 28

Berner Kommentar, Rehbinder, n. 7 ad art. 328 CO; possibilité d'agir des associations pour faire respecter les intérêts collectifs des travailleurs (ATF 114 II 345, 125 III 82).

Roger Baumberger, Rauchen am Arbeitsplatz, S. 77 ff., Bern 2002.

3707

Problem, wie bereits erwähnt, nicht so sehr auf der materiellern Ebene, sondern vielmehr in der Durchsetzbarkeit und der Anwendung vor Ort.

5.2.2

Sonderstatusverhältnis und weitere Rechtsbereiche

5.2.2.1

Allgemeines

Steht eine Person in einem Sonderstatusverhältnis, so gelten für sie die Grundrechte der Verfassung in gleicher Weise. Die Grundrechte der in einem Sonderstatusverhältnis stehenden Personen dürfen indessen durch einschlägige Regelungen soweit eingeschränkt werden, als dies unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit und zur Verwirklichung der Zwecke des jeweiligen besonderen Rechtsverhältnisses nötig ist. Entsprechend können Personen, die sich in einem Sonderstatusverhältnis befinden, in Bezug auf das Rauchen Vorschriften oder Verbote auferlegt werden.

5.2.2.2

Bundespersonal

Für das Bundespersonal gelten die arbeitsrechtlichen Gesundheitsschutzbestimmungen nach Artikel 3a Buchstabe a ArG. Das Personalrecht wird im Bundespersonalgesetz (BPG)29 und in der Bundespersonalverordnung geregelt (BPV)30.

Das BPG gewährleistet den Gesundheitsschutz der Bundesangestellten, indem es den Arbeitgeber verpflichtet, die geeigneten Massnahmen zum Schutz der Persönlichkeit und der Gesundheit sowie Massnahmen zur Arbeitssicherheit zu treffen. Die Ausführungsbestimmungen können auch Massnahmen und Leistungen zur Förderung von umweltförderlichem und gesundheitsförderndem Verhalten sowie zur Verbesserung der Sicherheit am Arbeitsplatz enthalten. Laut BPV bestimmen die Departemente in dem durch die bundesrätlichen Richtlinien vorgegebenen Rahmen die geeigneten Massnahmen, um beim Personal ein für Gesundheit, Sicherheit und Umwelt förderliches Verhalten zu unterstützen.

5.2.2.3

Armee

Personen im Dienst der Armee sind ebenfalls in einem Sonderstatusverhältnis, wie es in den Artikeln 41 ff. (Ausbildungsdienste), 67 ff. (Assistenzdienst) und 76 ff.

(Aktivdienst) des Militärgesetzes (MG)31 ausgeführt wird. Während des Militärdienstes verfügen die Dienstpflichtigen über die gleichen verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Rechte wie im Zivilleben. Laut Artikel 62 des Bundesgesetzes über die Militärversicherung (MVG)32 sollen Massnahmen zur Verhütung von Gesundheitsschäden gefördert und unterstützt werden. Der Bundesrat hat das Dienstreglement

29 30 31 32

Bundespersonalgesetz vom 24. März 2000 (BPG); SR 172.220.1.

Bundespersonalverordnung vom 3. Juli 2001 (BPV), SR. 172.220.111.3.

Bundesgesetz vom 3. Februar 1995 über Armee und die Militärverwaltung (Militärgesetz, MG); SR 510.10.

Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über Militärversicherung (MVG); SR 833.1.

3708

der schweizerischen Armee erlassen (DR 04)33. Dieses sieht keinen spezifischen Gesundheitsschutz vor, der etwa den Schutz vor Passivrauchen einschliessen würde, aber das Reglement verpflichtet die Vorgesetzten, das Wohlbefinden und die Sicherheit ihrer Untergebenen zu fördern und diese nicht unnötigen Risiken auszusetzen. Wie beim Bundespersonal könnte für die gesamte Armee ein generelles Rauchverbot oder eines mit der Möglichkeit von Raucherräumen eingeführt werden.

5.2.2.4

Eigentum der Eidgenossenschaft ­ Hausrecht

Der Bund übt in Gebäuden, die ihm gehören, gemäss Artikel 62f des Regierungsund Verwaltungsorganisationsgesetzes (RVOG)34 das Hausrecht aus. Als Haupteigentümer hat er das Recht, Hausordnungen oder Benutzungsreglemente zu erlassen und somit Rauchverbote für diese Gebäude mit oder ohne Raucherräumen vorzusehen. Die Bundesversammlung, die Departemente, die Ämter und die anderen Behörden können für ihre jeweiligen Liegenschaften gleich vorgehen. Seit Inkrafttreten des neuen Parlamentsgesetzes35 ist das Hausrecht in Artikel 69 geregelt. Auf dieser Grundlage können die Rechte und Pflichten der Besucherinnen und Besucher des Gebäudes und der Räumlichkeiten des Parlaments geregelt werden.

5.2.2.5

Öffentlicher Verkehr

Laut Transportgesetz36 können die Tarife Vorschriften über die Benützung der Anlagen und Fahrzeuge sowie über das Verhalten der Reisenden während der Fahrt enthalten; die Reisenden haften für den Schaden, den sie schuldhaft an Anlagen und Fahrzeugen der Unternehmung verursachen. Dies ist eine ausreichende Grundlage, um aus Sicherheitsgründen ein Rauchverbot einzuführen und um Massnahmen zum Schutz vor Passivrauchen zu erlassen. Denkbar wäre auch, für den gesamten öffentlichen Verkehr ein Rauchverbot mit oder ohne Raucherabteilen einzuführen. Die SBB haben für verschiedene unterirdische Bahnhöfe, darunter der Hauptbahnhof Zürich und die Flughafenbahnhöfe Zürich-Kloten und Genf-Cointrin, ein Rauchverbot geplant und umgesetzt; im Einvernehmen mit anderen Unternehmen des öffentlichen Verkehrs haben die SBB ferner entschieden, per 11. Dezember 2005 alle Raucherabteile in den Zügen aufzuheben.

Laut Luftfahrtgesetz (LFG)37 erlässt der Bundesrat Vorschriften zum Transport von Personen und Reisegepäck, Gütern und Tieren mit Einschluss der Vorschriften über die Haftpflicht des Transportführers gegenüber den Fluggästen und den Verfrachtern. Die Verordnung über die Infrastruktur der Luftfahrt (VIL)38 verlangt, dass das 33 34 35 36 37 38

Dienstreglement der Schweizerischen Armee vom 22. Juni 1994 (DR 04); SR 510.107.0.

Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997 (RVOG); SR 172.010.

Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz); SR 171.10.

Art. 18, Bundesgesetz vom 4. Oktober 1985 über den Transport im öffentlichen Verkehr (Transportgesetz); SR 742.40.

Bundesgesetz vom 21. Dezember 1948 über die Luftfahrt (Luftfahrtgesetz, LFG); SR 748.0.

Verordnung vom 23. November 1994 über die Infrastruktur der Luftfahrt (VIL); SR 748.131.1.

3709

Betriebsreglement den Flugplatzbetrieb in allen Belangen regelt. Dazu gehören insbesondere die Benützung von Flugplatzanlagen durch Passagiere, Luft- und Bodenfahrzeuge sowie sonstige Benützer. Diese Vorschriften sind analog zu jenen des Transportgesetzes, und deshalb können in Bezug auf den Schutz vor Passivrauchen die gleichen Schlussfolgerungen gezogen werden.

5.3

Kantonales Recht

Einige kantonale Gesetzgebungen (insbesondere AG, BE, BL, BS, FR, JU, TI, VD, VS und ZH)39 enthalten Bestimmungen zur Tabakprävention und zum Schutz vor Passivrauchen, die aber nicht harmonisiert und oftmals ungenügend sind. In einigen Kantonen sind verschiedene Vorstösse hängig, um den Schutz von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern zu verbessern:

39

40

41

­

Bereits heute geht der Kanton Tessin weiter als die meisten nachfolgend erwähnten anderen Kantone, indem er für Räume, in denen Lebensmittel angeboten werden, eine ausreichende Luftqualität vorschreibt; zudem muss in Restaurants mindestens ein Drittel der Plätze für Nichtraucherinnen und Nichtraucher reserviert sein. In Kürze könnte er der erste Kanton sein, der ein Rauchverbot für alle öffentlichen Lokale und Gebäude mit der Möglichkeit Raucherräume einzurichten erlässt (Bars, Hotels, Restaurants, aber auch alle öffentlichen kantonalen Gebäude wie Spitäler, Verwaltung usw.); der Regierungsrat hat eine Botschaft für eine entsprechende Revision des kantonalen Gesetzes über die öffentlichen Einrichtungen verabschiedet. Die Tessiner Bevölkerung wird aufgrund des Referendums der Lega, am 12. März 2006, darüber abstimmen.

­

Im Kanton Genf verlangt eine am 6. Juli 2005 eingereichte Volksinitiative ein Rauchverbot für interne oder geschlossene öffentliche Räume.

­

Im Kanton Bern wurde eine Motion für ein relatives Rauchverbot in Schulen, Sportanlagen, Verwaltungsgebäuden, Versammlungsräumen, Spitälern, Kinos und Theatern mit 117 gegen 57 Stimmen an die Regierung überwiesen. Am gleichen Sessionstag vom 22. Juni 2005 wurden zwei Motionen für rauchfreie Restaurants abgewiesen, darunter eine mit Stichentscheid des Präsidenten des Grossen Rates.40

­

In mehreren Kantonen41 ­ Aargau, Appenzell Ausserrhoden, Basel-Stadt, Basel-Land, Fribourg, Glarus, Luzern, Neuenburg, Solothurn, St. Gallen, Uri, Wallis und Zürich ­ wurden Vorstösse zum Thema eingereicht und müssen von den Kantonsparlamenten noch behandelt werden.

Vgl. Marcello Martinoni, Bericht «Evaluation et valorisation du projet 1113: Luoghi pubblici della ristorazione senza fumo de ASN ­ Ticino» zuhanden von Gesundheitsförderung Schweiz, Kap. 2.2 S. 9 ff; November 2004.

Motion der Grünen «Rauchfreies Geniessen in Berner Restaurants» vom 17. November 2004 und Motion Ruedi Löffel «Saubere Luft in öffentlich zugänglichen Räumen» und «Saubere Luft im Gastgewerbe», beide am 18. November 2004 eingereicht.

Stand am 12. August 2005.

3710

6

Die politische Ebene Laufendes Tabakpräventionsprogramm und neue parlamentarische Vorstösse

6.1

Nationales Programm zur Tabakprävention (NPTP 2001­2007)

Paradigmenwechsel: Im Juni 2001 erteilte der Bundesrat dem Eidgenössischen Departement des Innern den Auftrag, das NPTP umzusetzen, dessen Ziel Nr. 3 lautet: «Nichtrauchende haben überall und jederzeit die Möglichkeit, rauchfreie Luft einzuatmen. An Orten, wo sich die Bevölkerung notwendigerweise aufhalten muss (Ausbildungs- und Arbeitsplatz, öffentliche Verwaltung, Spitäler usw.), muss das Nichtrauchen als neue Norm gelten».42

6.2

Parlamentarische Vorstösse

6.2.1

Anfrage Aeschbacher (03.1027) ­ 21. März 2003 ­ Rauchfreie Bahnhöfe

Der Bundesrat wird angefragt, ob es nicht möglich wäre, dass in allen öffentlich zugänglichen Anlagen der Bahnhöfe das Rauchen untersagt werden könnte.

6.2.2

Motion Sommaruga (Mo 03.3533) ­ 3. Oktober 2003 ­ Rauchfreie Wandelhalle

Es sind die notwendigen Massnahmen für eine rauchfreie Wandelhalle zu treffen.

6.2.3

Postulat Sommaruga (04.3580) ­ 7. Oktober 2004 ­ Schutz vor den Folgen des Passivrauchens im Parlamentsgebäude

Das Büro des Ständerates wird beauftragt, die notwendigen Massnahmen für einen echten Schutz vor dem Passivrauchen im Parlamentsgebäude zu treffen.

6.2.4

Motion Guisan (04.3609) ­ 8. Oktober 2004 ­ Schutz vor Passivrauchen im Parlamentsgebäude

Das Büro des Nationalrates wird beauftragt, die notwendigen Massnahmen für einen echten Schutz vor dem Passivrauchen im Parlamentsgebäude zu treffen.

42

NPTP 2001­2007, S. 29.

3711

6.2.5

Parlamentarische Initiative Gutzwiller (04.476) ­ 8. Oktober 2004 ­ Schutz der Bevölkerung und der Wirtschaft vor dem Passivrauchen

Bevölkerung und Wirtschaft werden vor den gesundheitsschädigenden und einschränkenden Wirkungen des passiven Rauchens geschützt. Dazu wird die bereits bestehende Gesetzgebung geändert. Damit wird der Schutz vor dem Passivrauchen gewährleistet, insbesondere an Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, in der öffentlichen Verwaltung, an den Arbeitsplätzen und in Räumen und Verkehrsmitteln, die für den freien Zugang beziehungsweise für die Nutzung durch die Allgemeinheit bestimmt sind. An der Sitzung der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) vom 29. April 2005 wurde dieser Initiative im Grundsatz mit 14 zu 6 Stimmen bei zwei Enthaltungen Folge gegeben. Am 30. August 2005 beschloss die SGK des Ständerates (SGK-S) einstimmig, der Initiative Folge zu leisten.

Alle diese Vorstösse, insbesondere die parlamentarische Initiative Gutzwiller, sind in der Folge gutgeheissen worden und unterstützen das Vorgehen im Hinblick auf einen verstärkten Schutz vor Passivrauchen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass nicht nur auf gesellschaftlicher und rechtlicher, sondern auch auf politischer Ebene ein Prozess im Gang ist, um bezüglich Schutz vor Passivrauchen am Arbeitsplatz und in öffentlichen geschlossenen Räumen angemessene Massnahmen zu konkretisieren, sei es mit allgemeinen oder mit relativen Rauchverboten (getrennte Raucherräume).

7

Denkbare gesetzgeberische Lösungen

7.1

Verfassungsrecht

7.1.1

Die einzelnen Verfassungsbestimmungen

Das Gesundheitswesen ist Sache der Kantone. Jedoch beauftragt Artikel 118 BV (Schutz der Gesundheit) den Bund in Absatz 1, Massnahmen zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier zu treffen. Absatz 2 verpflichtet den Bund zur Regelung des Umgangs mit Lebens-, Heil- und Betäubungsmitteln, Organismen, Chemikalien und gesundheitsgefährdenden Gebrauchsgegenständen (Bst. a.), zur Bekämpfung spezifischer Krankheiten (gemäss Bst. b «übertragbar», «stark verbreitet» oder «bösartig») und zum Schutz vor ionisierenden Strahlen (Bst. c).

Gestützt auf Artikel 118 Absatz 2 Buchstabe a BV kann der Bund Vorschriften erlassen über den Umgang mit Tabakerzeugnissen und anderen Raucherwaren, die aufgrund des Lebensmittelgesetzes43 den Lebensmitteln zugeordnet sind, erlassen.

Die Zuständigkeit umfasst einzig unmittelbare Einwirkungen auf die Gesundheit von Raucherinnen und Rauchern. Für mittelbare Einwirkungen mittels Passivrauchen auf die Gesundheit anderer Personen ist Artikel 118 Absatz 2 Buchstabe a BV nicht kompetenzbegründend. Artikel 74 Absatz 1 BV (Umweltschutz) erfasst mittelbare

43

Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG); SR 817.0.

3712

Einwirkungen auf den Menschen, aber nur diejenigen, die mittels der Aussenluft erfolgen.44 Hingegen ist der Bund gestützt auf Artikel 118 Absatz 2 Buchstabe b BV ermächtigt, Vorschriften zum Schutz vor den gesundheitsschädigenden Folgen von Passivrauchen zu erlassen. Damit trägt er zur Verhütung von bösartigen Krankheiten (z.B.

Krebserkrankungen) bei. Da es sich um eine konkurrenzierende Kompetenz mit nachträglich derogatorischer Wirkung handelt, dürfen die Kantone im betreffenden Bereich so lange Vorschriften erlassen, wie der Bund von seiner Zuständigkeit keinen Gebrauch gemacht hat.

Gestützt auf Artikel 110 BV kann der Bund Vorschriften zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie zum Verhältnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite erlassen. Mit dieser Verfassungsgrundlage kann der Bund in Form von Verhaltensvorschriften auf allen Gebieten direkt und umfassend zugunsten des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmenden Bestimmungen erlassen, unabhängig davon, ob es sich um den öffentlichen oder den privaten Bereich handelt.

Artikel 110 Absatz 1 Buchstabe a BV ist deshalb für die arbeitsschutzrechtlichen Aspekte des Schutzes vor Passivrauchen kompetenzbegründend.

Neben den beiden zum Schutz vor Passivrauchen kompetenzbegründenden Bestimmungen gibt es eine Reihe weiterer Verfassungsartikel, die jeweils sektorielle Zuständigkeiten des Bundes begründen (z.B. Art. 60 BV, 82 BV und 87 BV). Sie können je nach Situation und Schutzzweck zusätzlich herangezogen werden.

7.1.2

Übersicht über die Verfassungsbestimmungen

Gegenstand der Regelung

Rauchen

Passivrauchen

Schutz vor gesundheitsgefährdenden Lebensmitteln Bekämpfung von bösartigen Krankheiten Schutz vor Passivrauchen am Arbeitsplatz Schutz vor Einwirkungen durch Tabakrauch in Aussenräumen

Art. 118 Abs. 2 Bst. a BV

­

Art. 118 Abs. 2 Bst. b BV

Art. 118 Abs. 2 Bst. b BV

­

Art. 110 Abs. 1 BV

­

Art. 74 Abs. 1 BV

7.1.3

Vereinbarkeit mit Grundrechten

Staatliche Massnahmen zum Schutz vor Passivrauchen müssen mit den Grundrechten vereinbar sein. Artikel 10 Absatz 2 BV garantiert wie Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) den Schutz der persönlichen Freiheit. Er verleiht dem Einzelnen unter anderen einen Anspruch auf eine selbstbestimmte Gestaltung der wesentlichen Aspekte seines Lebens. Nicht geschützt ist seine allgemeine Handlungsfreiheit. Es muss sich also um einen elementaren Aspekt der Persönlich44

Vgl. zum Ganzen, Bundesamt für Justiz, Rechtsgutachen vom 8. Mai 2003, Frage der Grundlagen für eine Bundesgesetzgebung zum Schutze vor dem Passivrauchen, VPB 68.81.

3713

keitsentfaltung handeln, wozu das Rauchen überall und zu jeder Zeit nicht gehört.

Rauchen fällt deshalb kaum in den Schutzbereich des Artikels 10 Absatz 2 BV.45 Auf der anderen Seite kann sich eine Person in einem Sonderstatusverhältnis (z.B.

Gefangener, Armeeangehöriger), die unfreiwilligem Passivrauchen ausgesetzt ist, auf den Anspruch auf körperliche Integrität als Teilgehalt der persönlichen Freiheit berufen.46 Artikel 27 BV gewährleistet die Wirtschaftsfreiheit. Sie schützt die freie Ausübung von privatwirtschaftlichen Tätigkeiten (z.B. Gastgewerbe). Einschränkungen zum Schutz vor Passivrauchen in Einrichtungen, die privatwirtschaftlich betrieben werden, fallen deshalb in den Schutzbereich der Wirtschaftsfreiheit. Nicht in den Schutzbereich der Wirtschaftsfreiheit fallen Einschränkungen zum Schutz vor Passivrauchen, die für Tätigkeiten des Gemeinwesens oder seines Personals gelten.

Grundrechte gelten nicht absolut und können unter den in Artikel 36 BV genannten Voraussetzungen eingeschränkt werden. Eine Einschränkung bedarf einer gesetzlichen Grundlage, muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.

Der Kerngehalt des Grundrechts darf nicht angetastet werden.

Massnahmen zum Schutz vor Passivrauchen erfolgen im öffentlichen Interesse zum Schutz der Gesundheit, weil Passivrauchen erwiesenermassen gesundheitsschädlich ist. Als gerechtfertigte Einschränkung gilt darüber hinaus gemäss Artikel 36 Absatz 2 BV auch der Schutz von Grundrechten anderer Personen. Ob eine Massnahme zum Schutz vor Passivrauchen verhältnismässig ist, muss im Einzelfall geprüft werden. Der Kerngehalt der Wirtschaftsfreiheit und allenfalls der persönlichen Freiheit werden mit einer Einschränkung des Rauchens nicht angetastet.

7.2

Arbeitsrecht

Im Bereich der Tabakprävention und des Schutzes vor Passivrauchen hat die Exekutive auf Grundlage von Artikel 6 ArG und der Artikel 81 ff. UVG einen breiten Handlungsspielraum. Die Möglichkeiten auf Ebene der Ausführungsbestimmungen sind unter anderen die folgenden: ­

allgemeines Rauchverbot am Arbeitsplatz,

­

Sanktionen im Falle der Missachtung des Schutzes vor Passivrauchen,

Angesichts des in Artikel 18 ArGV 3 und in Artikel 33 VUV vorgesehenen Grundsatzes ist es möglich, in Artikel 19 ArGV 3 den Passus «im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten» (nur sehr begrenzt für den Schutz vor lästigen Einwirkungen) zu streichen. Dieser Vorbehalt ist nämlich bereits in den Artikeln 6 ArG und 82 UVG vorgesehen. Geht man davon aus, dass der ungenügende Schutz vor Passivrauchen vor allem ein Vollzugs- und Kontrollproblem ist, so scheint es um so dringender, dieses Paradigma zu ändern: Von signalisierten Ausnahmen abgesehen (Raucherräume), sollen öffentlich zugängliche Räume von vornherein rauchfrei sein.

Dieses Ziel kann mit der Einführung eines Rauchverbots für Arbeitsplätze erreicht werden; mit der allfälligen Möglichkeit, dass Arbeitgeber, für rauchende Angestellte spezielle Zonen einrichten, die bestimmten Bedingungen unterliegen (deutlich 45 46

Das Bundesgericht musste bisher dazu nicht Stellung nehmen.

BGE 118 Ia 64 ff.

3714

bezeichnete und geschlossene Räume mit einer Lüftung usw.). Diese Lösung könnte im Gastgewerbe und in der Hotellerie allerdings problematisch sein, da Angestellte in solchen Räumen dem Passivrauchen ausgesetzt wären (im Unterschied zu Küche, Office, Garderobe und anderen Betriebsräumen). Eine Möglichkeit könnte darin bestehen, dass in Raucherräumen nicht bedient werden darf. Diesbezüglich wäre es allerdings sinnvoll, in die ArGV 3 eine differenzierte Bestimmung aufzunehmen, um zu verhindern, dass die zuständigen kantonalen Behörden auf Grundlage der in Artikel 6 ArG vorgesehenen allgemeinen Akzeptierungsklausel nicht zu grosszügige Ausnahmen von der Regel bewilligen. Nötig ist ferner, die Folgen für die Angestellten des öffentlichen Verkehrs zu prüfen.

Ein verstärkter Schutz der Arbeitnehmenden vor missbräuchlicher Kündigung könnte unter Berücksichtigung der Erwägungen im Kapitel 6 in Betracht gezogen werden. Er müsste allerdings auf Gesetzesstufe verankert werden.

7.3

Strafrecht

Das Strafgesetzbuch (StGB) enthält gegenwärtig keinerlei Bestimmung bezüglich einer Missachtung des Schutzes vor Passivrauchen. Dieser Sachverhalt erfüllt auch nicht die Tatbestandsvoraussetzung des Artikels 125 StGB bezüglicher einfacher Körperverletzung.

Wie bereits erwähnt, sieht das Arbeitsgesetz in den Artikeln 59 ff ArG sowie das Unfallversicherungsgesetz in Artikel 112 Strafbarkeit vor. Verfassungsrechtlich gesehen könnten auf Grundlage von Artikel 123 Absatz 1 BV Strafbestimmungen betreffend des Schutzes vor Passivrauchen vorgesehen werden. Allerdings sollte diese juristisch machbare Lösung nur als Ultima Ratio erwogen und nur dann vorgesehen werden, wenn angemessenere Alternativen nicht im Bereich des Möglichen liegen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Strafbestimmungen in diesem Bereich wenn möglich nur bezüglich der Anwendung von verwaltungsrechtlichen Schutzbestimmungen zum Tragen kommen sollten, und zwar in Form von Ordnungsbussen vor allem auf jenen Gebieten, auf denen eine Überwachung oder ein Kontrollorgan bereits vorgesehen ist.

7.4

Verwaltungsrecht

Gestützt auf Artikel 118 Absatz 2 Buchstabe b BV verfügt der Bund im Bereich des Schutzes vor Passivrauchen über eine umfassende gesetzgeberische Zuständigkeit.

Die Schutzbestimmungen, die auf dieser Basis erarbeitet werden können, müssen der Krebsprävention und der Tabakprävention dienen.

3715

7.4.1

Bundespersonal

Die Bestimmungen in Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe g BPG regeln den Gesundheitsschutz des Bundespersonals, wozu auch das Recht auf Schutz vor Passivrauchen gehört. Angesichts der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Gesundheitsgefahren von Passivrauchen sind diese Bestimmungen aber als ungenügend einzustufen. Eine Änderung zugunsten eines besseren Schutzes vor Passivrauchen am Arbeitsplatz und innerhalb von gemeinsam genutzten Betriebsräumlichkeiten des Bundes könnte ins Auge gefasst werden. Da das Bundespersonal über einen speziellen rechtlichen Status verfügt, liesse sich ein allgemeines Rauchverbot beispielsweise in die Bundespersonalverordnung aufnehmen. Die Einrichtung von getrennten Raucherräumen mit der Einführung eines «relativen» Rauchverbots steht dazu in keinem Widerspruch.

Es wäre mithin möglich, für das gesamte Bundespersonal ein allgemeines Rauchverbot mit oder ohne Möglichkeit Raucherräumen einzurichten. Regeln das BPG oder andere Bundesgesetze nichts anderes, so gelten die einschlägigen Bestimmungen des Obligationenrechts, insbesondere die Artikel 328 und Artikel 342 OR, analog für die Arbeitsverhältnisse des Bundes.

7.4.2

Eigentum der Eidgenossenschaft ­ Hausrecht

Zusätzlich zu den allgemein nötigen Bestimmungen bezüglich eines Rauchverbots am Arbeitsplatz und innerhalb der gemeinsamen Betriebsräume, wäre es möglich, rechtsetzende Ausführungsbestimmungen zum Schutz vor Passivrauchen zu erlassen.

7.4.3

Öffentlicher Verkehr

Auf Grundlage seiner Zuständigkeit im Bereich des öffentlichen Verkehrs, zu der insbesondere auch betriebliche Bestimmungen gehören, oder auf Basis von Artikel 118 BV, könnte der Bund zwingende Vorschriften zum Schutz vor Passivrauchen im Bereich des öffentlichen Verkehrs planen. In Übereinstimmung mit den anderen Unternehmen des öffentlichen Verkehrs haben die SBB beschlossen, ab 11. Dezember 2005 keine Raucherabteile mehr zu führen. Im Moment scheint es allerdings unangemessen solche Gesetzgebungsarbeiten in Angriff zu nehmen.

7.4.4

Hotellerie- und Gastgewerberecht

Gemäss Artikel 95 Absatz 1 BV kann der Bund über die Ausübung der privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit Vorschriften erlassen. Sofern der Bund auf diesem Gebiet keine Vorschriften nennt, ist das Gastgewerberecht Sache der Kantone. Sie treffen die erforderlichen gesundheitspolitischen Massnahmen. Dieser Bereich fällt grundsätzlich in die Kompetenz der Kantone, aber der Bund kann gestützt auf Artikel 118 Absatz 2 Buchstabe b BV Bestimmungen zum Schutz vor Passivrauchen vorsehen, insbesondere die Einführung eines Rauchverbots mit oder ohne Einrichtung von Raucherräumen. Sie müssten gegebenenfalls in einem Bundesgesetz ver3716

ankert werden, wegen des Gesetzmässigkeitsprinzips und angesichts der Einschränkung eines Grundrechts (vgl. Art. 36 Abs. 1 BV), hier der Wirtschaftsfreiheit. Die nötigen Bedingungen ­ Vorhandensein eines öffentlichen Interesses und Verhältnismässigkeit der Massnahme ­ würden damit ebenfalls berücksichtigt, und so könnten diese Bestimmungen als angemessen gelten, ähnlich wie andere gesundheitspolizeiliche Vorschriften, die zum Schutz der Kundschaft von Gaststätten und Hotels umgesetzt werden. Wissenschaftliche Gutachten und die im Kanton Tessin gemachten Erfahrungen haben gezeigt, dass Teilmassnahmen nicht ausreichen. Die rechtlichen Grundlagen sind aber heute ausreichend, um den Schutz vor Passivrauchen für die Angestellten in dieser Branche mit arbeitsrechtlichen Massnahmen zu verbessern oder ein neues Gesetz zum Schutz vor Passivrauchen zu erarbeiten.

7.5

Kantonales Recht ­ weitere Rechtsgebiete

Die Kantone sind zuständig für die Feuerpolizei und müssen zu diesem Zweck die entsprechenden Vorkehrungen treffen, etwa Benutzungseinschränkungen für Gebäude sowie technische, bauliche, betriebliche und organisatorische Einschränkungen. Die Zuständigkeit, auf diesem Gebiet Vorschriften zu erlassen, wird oftmals der Exekutive übertragen. Der Aargauer Regierungsrat hat auf Grundlage dieser Zuständigkeit beispielsweise ein Rauchverbot für Verkaufsräume erlassen und verlangt, dass dieses Verbot deutlich signalisiert wird.

Auch das Bildungswesen liegt in der Hoheit der Kantone, einschliesslich der Suchtprävention ­ wozu auch die Tabakprävention gehört ­ und des Schutzes vor Passivrauchen. Da Schüler- und Lehrerschaft über einen speziellen rechtlichen Status verfügen und Lehrerinnen und Lehrer aufgrund des Arbeitsgesetzes am Arbeitsplatz geschützt werden müssen, könnte vorgesehen werden, dass die Kantone für Schulund Unterrichtsgebäude ein allgemeines Rauchverbot erlassen.

7.6

Schlussfolgerung zu den rechtlichen Lösungen und Überblick

Auf Bundesebene In Übereinstimmung mit Artikel 118 Absatz 2 Buchstabe b BV und gestützt auf die verschiedenen gesetzlichen Grundlagen wäre es vorstellbar, ein Rauchverbot für öffentliche und private Arbeitsplätze und für geschlossene öffentlich zugängliche Räume vorzusehen und zu regeln, z.B., gestützt auf das Obligationenrecht, Arbeitsgesetz, Bundespersonalgesetz, Armee- und Militärverwaltungsgesetz, Unfallversicherungsgesetzgebung, Transportgesetz, Flugverkehrsgesetz und das Hausrecht. Das heisst konkret: In einer ersten Phase: ­

eine Revision der Bundespersonalverordnung (BPV) durch die Einführung eines Rauchverbotes mit oder ohne Möglichkeit Raucherräumen einzurichten;

­

eine Revision des Dienstreglements der Schweizer Armee (Dienstreglement 04) im gleichen Sinne, sofern es notwendig ist;

3717

­

eine Ausarbeitung eines neuen Reglements / neuer Reglemente für Gebäude im Besitz der Eidgenossenschaft, mit denen ein solches Verbot ebenfalls konkretisiert werden könnte;

­

eine Revision der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz (Gesundheitsvorsorge, ArGV 3) mit Streichung des Passus «im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten» in Artikel 19 ArGV 3. Damit sollen Ausnahmen vom allgemeinen Grundsatz des Schutzes vor Passivrauchen am Arbeitsplatz verhindert werden.

In einger zweiten Phase: ­

eine Revision des Arbeitsgesetzes (ArG) mit einer Ausweitung des Gesundheitsschutzes auf ausnahmslos alle privaten und öffentlichen Arbeitsverhältnisse; ­ Paradigmenwechsel mit der Einführung des Grundsatzes, dass es am Arbeitsplatz mit Ausnahme von besonders dafür bestimmten Räumlichkeiten verboten ist, zu rauchen; ­ allenfalls prüfen, ob der Kündigungsschutz im Falle einer Klage ausreicht und ob eine Verbesserung des Schutzes für den Arbeitnehmer notwendig ist;

­

eine Überprüfung, ob die Erarbeitung eines neuen Bundesgesetzes zum Schutz vor Passivrauchen sinnvoll ist.

Die Schaffung beziehungsweise Revision der folgenden Gesetze wäre zwar rechtlich gesehen denkbar, doch diesbezügliche Gesetzgebungsarbeiten werden als inopportun erachtet: ­

Revision des Transportgesetzes (TG) mit Ausweitung des Schutzes vor Passivrauchen auf die betriebliche Infrastruktur wie Bahnhöfe oder Fahrzeuge (vgl. Entscheid der SBB vom Dezember 2005);

­

Einführung einer neuen strafgesetzlichen Bestimmung je nach Bedarf oder politischem Willen.

Auf internationaler Ebene All die aufgeführten gesetzlichen Grundlagen werden den Ratifikationsprozess der Schweiz für das WHO-Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs unterstützen.

3718

8

Überblick

Überblick über die erforderlichen gesetzlichen Grundlagen je nach Ort, jeweiliger Zuständigkeit des Bundesrats (Verordnungen, Reglemente) resp. des Parlaments (Gesetze) oder der Kantone sowie nach Opportunität und Bedürfniss nach Reglementierung.

Bereich

Ort

Verordnungen oder Reglemente

Gesetze

Opportunität und Bedarf

Beispiel

auf Bundesebene auf kantonaler Ebene

auf Bundesebene auf kantonaler Ebene

auf Bundesebene auf kantonaler Ebene

auf Bundesebene

«staatlicher» Verwaltung Bereich (Gebäude, Gefängnisse, Arbeitsplätze, Universitäten usw.)

Von Verwaltung abhängige Unternehmen (Armee, techn. Hochschulen usw.)

öffentlicher «öffentlich zugänglicher» Verkehr Luftfahrt Bereich

«privater» Bereich * **

ja ja

(ja) (ja)

ja ja

ArGV 3 BPV neues Gebäudereglement

ja ja

(ja) (ja)

ja ja

DR 04

(ja) (ja)




(ja) (ja)

Arbeitsplätze generell einschl.

Hotellerie und Gastgewerbe

ja ja




ja ja

öffentliche Räume einschl.

Hotellerie und Gastgewerbe

nein ja*




nein

Privatwohnungen

nein nein

ja* (ja)** (ja)

nicht unbed. nötig TG/TV nicht unbed. nötig LFG/VIL

ja ja

ArG/ArGV 3 LFG/VuV

ja mittelfristig ja

neues Bundesgesetz

nein nein

­

In einigen Kantonen am Laufen Zivilgesetzbuch, Strafgesetzbuch

Die Klammern ( ) geben an, dass eine Gesetzesänderung im Sinne eines verstärkten Schutzes nicht unbedingt erforderlich ist, entweder weil die Bedürfnisklausel oder der Grundsatz der Opportunität nicht erfüllt ist oder weil eine einfacher umzusetzende praktische Alternative besteht, insbesondere für die Kantone auf Ebene des Ausführungsrechts.

Die Zeichen und geben an, dass zur Bestimmung des angestrebten Schutzniveaus und folglich auch für die Art des zu wählenden rechtlichen Vorgehens ein politischer Entscheid unerlässlich ist.

3719

9

Allgemeine Schlussfolgerungen und Empfehlungen

9.1

Wichtigste Botschaften

Im Bereich Passivrauchen lauten die wichtigen Botschaften wie folgt: ­

Passivrauchen schadet der Gesundheit erheblich. In der Schweiz sterben jedes Jahr mehrere hundert Personen einen verfrühten Tod infolge des Passivrauchens.

­

Es zeichnet sich eine Änderung der Wahrnehmung ab: Der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung wird zunehmend als wichtiger erachtet als die Möglichkeit, überall rauchen zu können.

­

Ein Paradigmenwechsel muss noch vollzogen werden: Alle geschlossenen, der Öffentlichkeit zugänglichen Räume gelten grundsätzlich als rauchfrei.

­

Die Einrichtung von speziellen Raucherräumen ist nur dann erstrebenswert, wenn diese von rauchfreien Räumen abgetrennt sind, über ein leistungsfähiges Lüftungssystem verfügen und in der Hotellerie und im Gastgewerbe ohne Bedienung sind.

­

Die Erfahrungen im Ausland mit der Einführung von Rauchverboten haben im Bereich der Hotellerie und des Gastgewerbes keine negativen wirtschaftlichen Folgen gezeigt. Im Gegenteil, es könnte sogar ein positiver Effekt eintreten.

­

Die Einführung von Rauchverboten ist eine wirksame Massnahme zum Schutz vor Passivrauchen. Sie ist einfach umzusetzen und kostet praktisch nichts.

9.2

Geplante Massnahmen des Nationalen Programms zur Tabakprävention

Das Nationale Programm zur Tabakprävention sieht bereits jetzt vor: ­

die Bevölkerung über die Gefahren von Passivrauchen zu informieren,

­

auf Anfrage kantonale Behörden und Nichtregierungsorganisationen bei ihren Bemühungen zu unterstützen,

­

die Exposition der Bevölkerung gegenüber dem Passivrauchen zu evaluieren.

9.3

Empfehlungen

In Übereinstimmung mit den Zielen des Nationalen Programms zur Tabakprävention erachtet der Bundesrat den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Arbeitsplatz sowie den Schutz der Bevölkerung in öffentlichen Räumen als prioritär.

­

3720

Die vertiefte rechtliche Analyse zeigt, dass zahlreiche verfassungsmässige und gesetzliche Grundlagen bestehen und die Umsetzung von effizienten Massnahmen in einer ersten Phase möglich wäre. Dies hätte mittels Einführung von vollständigen Rauchverboten oder mit der Möglichkeit Raucher-

räume einzurichten im Ausführungsrecht zu erfolgen, insbesondere im Arbeitsrecht.

­

9.4

In einer zweiten Phase könnte auf Gesetzesebene mit der Verankerung des Grundsatzes von rauchfreien geschlossenen öffentlich zugänglichen Räumen ein Paradigmenwechsel angestrebt werden, um auf diese Weise allen Arbeitnehmenden einen rauchfreien Arbeitsplatz zu verschaffen bei gleichzeitiger Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung. Dies hätte hauptsächlich mit einer Änderung der Arbeitsgesetzgegbung und/oder mit der Erarbeitung eines neuen Gesetzes zu erfolgen.

Weiteres Vorgehen

Der Bundesrat beabsichtigt nicht, vor Abschluss der Arbeiten der Subkommission «Passivrauchen» der SGK-N, welche als Folge der parlamentarischen Initiative Gutzwiller eingesetzt wurde, konkrete Massnahmen zu ergreifen. Die Subkommission prüft zurzeit die vorhandenen Möglichkeiten zur Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung vor Passivrauchen. Die Handlungsoptionen gehen in die gleiche Richtung wie diejenigen, die im vorliegenden Bericht aufgezeigt werden.

Der Bundesrat wird zum gegebenen Zeitpunkt über allenfalls zu treffende Massnahmen in diesem Bereich entscheiden.

3721

Anhang

Auswirkungen des Passivrauchens auf die Gesundheit Lebensphase

Gefährdung

Ausmass im Vergleich zu nichtexponierten Nichtrauchenden

vor der Geburt

gestörte Entwicklung/ tiefes Geburtsgewicht

Risiko um ca. 150 % Geburtsgewicht im Durcherhöht47 schnitt 250 g niedriger, wenn die Mutter raucht

vor der Geburt

gestörte Entwicklung/ tiefes Geburtsgewicht

Risiko um ca. 20 % erhöht48

vor der Geburt

Plazentaablösung

Risiko um ca. 100 % wenn die Mutter raucht erhöht49

Frühe Kindheit

plötzlicher Kindstod

Risiko um ca. 200 % wenn die Mutter während erhöht50 und nach der Schwangerschaft raucht

Frühe Kindheit

plötzlicher Kindstod

Risiko um ca. 140 % wenn der Vater im Hauserhöht51 halt raucht und die Mutter während und nach der Schwangerschaft nicht raucht

Frühe Kindheit

chronische Mittelohrentzündung

Risiko um ca. 40 % erhöht52

wenn ein Elternteil zu Hause raucht

Frühe Kindheit

Erkrankungen der unteren Atemwege (Lungenentzündung, Bronchitis, ...)

Risiko um ca. 50 % erhöht53

wenn ein Elternteil zu Hause raucht

47 48 49 50 51

52

53

Kommentar

wenn die nichtrauchende Mutter dem Passivrauchen ausgesetzt ist

Cnattingius S. et al., American Journal of Obstetrics and Gynecology 1997, 177 (1), 156­161.

Dejmek J. et al., Environmental Health Perspectives 2002, 110 (6), 601­606; Windham G. et al., Paediatric Perinatal Epidemiology 1999, 13 (1), 35­57.

Ananth C. et al., American Journal of Epidemiology 1996, 144 (9), 881­889; Cnattingius S. et al., American Journal of Obstetrics and Gynecology 1997, 177 (1), 156­161.

Blair P. et al., British Medical Journal, 1996, 313, 195­198.

Glantz S A: Submission to Greater London Assembly investigative committee on smoking in public places, URL: http://www.ash.org.uk/html/publicplaces/pdfs/glantzsubmission.pdf.

SAPALDIA-Studie: Leuenberger Ph. et al., American Journal of Respirative and Critical Care Medicine 1994, 150, 1221­1228. SCARPOL-Studie: Latal Hajnal B. et al., Schweizerische Medizinische Wochenschrift 1999, 129, 723­30.

UK Scientific Committee on Tobacco and Health. Report of the Scientific Committee on Tobacco and Health. Environmental Tobacco Smoke (Annex I). London, Department of Health, 1998.

3722

Lebensphase

Gefährdung

Ausmass im Vergleich zu nichtexponierten Nichtrauchenden

Frühe Kindheit

spätere Entstehung von Asthma

Risiko um ca. 100 % wenn die Mutter raucht erhöht54

Kindheit

Grippe, Bronchitis

Risiko um ca. 19 % erhöht55

Erwachsenenalter

Entstehung von Asthma

Risiko um ca. 100 % Exposition am Arbeitsplatz erhöht56 ist bedeutender als jene zu Hause

Erwachsenenalter

Lungenkrebs

Risiko um ca. 24 % erhöht57

beim Zusammenleben mit Rauchenden

Erwachsenenalter

Schlaganfall

Risiko um ca. 80 % erhöht58

Exposition an irgendeinem Ort (Arbeitsplatz, zu Hause und/oder Restaurant)

Erwachsenenalter

Herzinfarkt

Risiko um ca. 25 % erhöht59

Exposition an irgendeinem Ort (Arbeitsplatz, zu Hause und/oder Restaurant)

54

55 56 57 58 59

Kommentar

wenn jemand zu Hause raucht

Ehrlich R. et al., American Review of Respiratory Diseases, 1992, 145, 594­599; Gupta D. et al., Journal of Asthma, 2001, 38 (6), 501­507; Infante-Rivard C., American Journal of Epidemiology 1993, 137, 834­844; Larsson M. et al., Chest, 2001, 120,711­717.

Latal Hajnal B. et al., Schweizerische Medizinische Wochenschrift 1999, 129, 723­730.

Jaakkola M. et al., American Journal of Public Health 2003, 93, 2055­2060.

Hackshaw A., British Medical Journal 1997, 315, 980­988.

Bonita R. et al., Tobacco Control 1999, 8, 156­160.

He J. et al., New England Journal of Medicine, 1999, 340, 920­926; Law M. et al., British Medical Journal, 1997, 315, 973­980.

3723

3724