Anwendung und Wirkung der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 24. August 2005 auf der Grundlage einer Evaluation der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle Stellungnahme des Bundesrats vom 15. Februar 2006

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 24. August 2005 auf der Grundlage einer Evaluation der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle nehmen wir nach Artikel 148 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. Februar 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Im Hinblick auf die Anwendung und Wirkung der 1995 eingeführten Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht hat die Geschäftsprüfungskommission (GPK-N) die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) am 23. Januar 2004 mit einer Untersuchung beauftragt. Die Evaluation der PVK wurde der GPK-N am 15. März 2005 vorgelegt und am 7. April 2005 zur Veröffentlichung freigegeben.

Auf der Grundlage dieser Evaluation hat die GPK-N einen Bericht erarbeitet und ihn am 24. August 2005 veröffentlicht. Der Bundesrat wurde eingeladen, bis Ende Februar 2006 eine Stellungnahme zu diesem Bericht und den darin enthaltenen Empfehlungen abzugeben.

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Stellungnahme des Bundesrates

A. Allgemeine Bemerkungen Der Bericht der GPK-N stellt fest, dass in den fünf untersuchten Kantonen die Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht unterschiedlich angewendet werden. Er enthält Empfehlungen, die insbesondere zu einer Vereinheitlichung der Praxis führen sollen. Der Bundesrat anerkennt, dass hier Handlungsbedarf besteht.

In den untersuchten Kantonen konnten 84 Prozent der in Ausschaffungshaft genommenen Personen zurückgeführt werden. Die Zwangsmassnahmen stellen somit ein wichtiges und wirksames Vollzugsinstrument dar.

Der Bericht stellt fest, dass sich in den meisten Fällen in den ersten drei Monaten der Haft entscheidet, ob sich die betroffene Person zur Mitwirkung bei der Identitätsabklärung und der Papierbeschaffung und zur Ausreise entschliesst. Ob eine Verlängerung der Ausschaffungshaft, wie sie von einzelnen kantonalen Vollzugsbehörden gefordert wird, die Bereitschaft zur Kooperation und zur Rückkehr erhöhen kann, wird indessen offen gelassen. Der Bericht führt dagegen aus, dass die Kantone die Ausschaffungshaft als relativ aufwändig und teuer einschätzen, weist auf die komplexen Wirkungszusammenhänge hin und zeigt anhand der Praktiken in den Kantonen die Wirkung unterschiedlicher Vorgehen auf. Die konsequente Durchsetzung rechtsstaatlicher Entscheide ist indessen regelmässig mit einem gewissen Aufwand verbunden. Der Bundesrat teilt die laut Bericht mehrheitliche Auffassung der Kantone, wonach bei den Zwangsmassnahmen der Nutzen die anfallenden Kosten rechtfertigt. Es ist davon auszugehen, dass bei einem Verzicht auf die Zwangsmassnahmen insbesondere im Bereich der Sozialhilfe deutliche Mehrkosten entstehen würden.

Der Bundesrat teilt zudem die im Bericht zum Ausdruck kommende Meinung, dass auch die Möglichkeit einer verlängerten Ausschaffungshaft oder einer Durchsetzungshaft, wie sie im Rahmen der Revision des Asylgesetzes und der Beratung zum Ausländergesetz vom Parlament beschlossen wurden, zielgerichtet und nur dann eingesetzt werden sollen, wenn keine milderen Massnahmen zum gleichen Erfolg führen.

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B. Stellungnahme des Bundesrates zu den Empfehlungen der GPK-N Empfehlung 1 Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, zusammen mit den Kantonen die Institutionalisierung einer regelmässigen Koordination und Kooperation (Ideen- / Erfahrungsaustausch z.B. im Rahmen einer Asyl- und Migrationskonferenz) zwischen Bund und Kantonen im Bereich des Vollzugs der Rückführungen von abgewiesenen Asylsuchenden und illegal anwesenden Ausländerinnen und Ausländern zu prüfen, mit dem Ziel eines einheitlicheren und effizienteren Vollzugs.

Stellungnahme des Bundesrates: Die für den Vollzug des Ausländer- und Asylrechts zuständigen kantonalen Behörden arbeiten heute im Rahmen der folgenden Organisationen zusammen: ­

Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD)

­

Vereinigung der kantonalen Migrationsbehörden (VKM)

­

Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz (KKPKS).

Mit der Einführung der Vollzugsunterstützung durch den Bund im Jahr 1999 haben die Kantone Vollzugskoordinatoren eingesetzt. Diese gewährleisten im operativen Bereich einen regelmässigen Informationsaustausch mit dem Bundesamt für Migration.

Der Fachausschuss Rückkehr und Wegweisungsvollzug ist im Februar 2004 vom EJPD und der KKJPD eingesetzt worden. Dieser Fachausschuss hat den Auftrag, auf operativer Stufe institutionelle und organisatorische Verbesserungen im Bereich des Wegweisungsvollzugs zu erzielen, indem er insbesondere die Entwicklungen im Rückkehr- und Vollzugsbereich analysiert, den notwendigen Handlungs- und Optimierungsbedarf feststellt und entsprechend die vorhandenen Vollzugsinstrumente anpasst und optimiert. In diesem Fachausschuss sind auch die VKM und die KKPKS vertreten. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit im Bereich der Zwangsmassnahmen. Aktuelle Fragen betreffen insbesondere die finanziellen Entwicklungen bei den Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, die Annullierungen von Flugbuchungen bei nicht durchgeführten Ausschaffungen sowie die Optimierung der Rückführungen auf dem Luftweg. Der Fachausschuss Rückkehr und Wegweisungsvollzug erstattet halbjährlich Bericht zuhanden des EJPD und der KKJPD.

Auch die regelmässigen Treffen der Vollzugskoordinatoren der Kantone mit Vertretern des BFM haben das Ziel, durch Informationsaustausch und Abstimmung der Abläufe den Vollzugsprozess zu optimieren.

Die geforderte Institutionalisierung der Koordination und Kooperation zwischen Bund und Kantonen ist damit sichergestellt. Die Schaffung weiterer Gremien würde aus der Sicht des Bundesrates zu unnötigen Doppelspurigkeiten führen.

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Empfehlung 2 Der Bundesrat erstellt Richtlinien, die gewährleisten, dass die Kantone einheitliche und vergleichbare Daten im Bereich des Wegweisungs- und Rückführungsvollzugs erheben, so z.B. in Bezug auf Haftgründe, Haftdauer, die Anzahl der Haftanordnungen und die betroffenen Personenkreise.

Stellungnahme des Bundesrates: Gestützt auf die heutige gesetzliche Aufgabenteilung im Ausländerrecht werden Zwangsmassnahmen ausschliesslich durch die Kantone angeordnet.

Mit der Vollzugsunterstützung bietet der Bund den Kantonen wichtige Hilfsmittel und Vollzugsinstrumente an. Dies gilt insbesondere bei der Identifizierung der zur Ausreise verpflichteten Personen und bei der Beschaffung von vollzugstauglichen Reisedokumenten. Seit 2001 besteht am Flughafen Zürich-Kloten und seit 2005 auch am Flughafen Genf-Cointrin eine spezialisierte Ausreiseorganisation (swissREPAT). In zahlreichen Fällen ermöglicht die Vollzugsunterstützung durch den Bund auch die Anordnung und Aufrechterhaltung der Ausschaffungshaft, da sich die Behörden während dieser Haft um die rasche Abklärung der Identität und die Beschaffung von Reisepapieren bemühen müssen.

Es liegt im Interesse der Kantone, die Daten zu den Zwangsmassnahmen vollständig zu erheben und gemeinsam auszuwerten. Da die Zuständigkeit im Bereich des Wegweisungsvollzugs bei den Kantonen liegt, sollte die Initiative für eine zweckmässige und zentrale Datenauswertung auch von ihnen in die Wege geleitet werden (zum Beispiel durch die KKJPD oder die VKM). Das Bundesamt für Migration befürwortet eine Vereinheitlichung. Es kann den Kantonen bei Bedarf helfen, Massnahmen für einen einheitlichen Vollzug und für eine einheitliche Auswertung im Bereich der Zwangsmassnahmen auszuarbeiten.

Empfehlung 3 Der Bundesrat wird eingeladen, eine umfassende Untersuchung über die Ausschreibungspraxis der Kantone in automatisierten Fahndungsregistern (RIPOL, ZAR) im Zusammenhang mit der Aufenthaltsermittlung, der Verhaftung und Ausschaffung von abgewiesenen Asylsuchenden und illegal anwesenden Ausländerinnen und Ausländern durchzuführen. Zudem soll die Wirksamkeit dieser Systeme im genannten Zusammenhang unter Berücksichtigung des Datenschutzes überprüft werden.

Stellungnahme des Bundesrates: Das Fahndungssystem RIPOL dient den Behörden des Bundes und der Kantone bei der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben zur Rationalisierung der Arbeitsabläufe, zum Informations- und Datenaustausch sowie zu statistischen Erhebungen. Das System bezweckt unter anderem die Verhaftung von Personen oder die Ermittlung ihres Aufenthaltes zu Zwecken der Strafuntersuchung oder des Straf- und Massnah2670

menvollzuges oder die Kontrolle von Fernhaltemassnahmen gegenüber Ausländerinnen und Ausländern nach dem Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) sowie der übrigen Ausweisungen und Landesverweisungen. Die rechtliche Grundlage ist in Artikel 351bis Absatz 1 Buchstaben a und d Strafgesetzbuch (StGB; SR 311.0) enthalten.

Das vom Bundesamt für Migration in Zusammenarbeit mit den interessierten Bundesstellen und den Kantonen geführte Zentrale Ausländerregister (ZAR) ist kein Fahndungsregister. Es dient insbesondere der automatisierten Datenverwaltung und der Kontrolle der Einreise- und Aufenthaltsvoraussetzungen der Ausländerinnen und Ausländer.

Die kantonalen Behörden oder das Bundesamt für Migration können weggewiesene Asylsuchende im RIPOL polizeilich ausschreiben lassen, wenn diese sich durch Verheimlichung ihres Aufenthaltsortes dem Vollzug entziehen (Art. 47 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998; AsylG; SR 142.31). Entsprechende Gesuche sind direkt an das fedpol zu richten (Art. 35 der Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen; SR 142.311).

Der Bundesrat ist bereit, in Zusammenarbeit mit den Kantonen eine Untersuchung über die Ausschreibungspraxis im RIPOL zu veranlassen. Eine Harmonisierung liegt im gesamtschweizerischen Interesse. Das Bundesamt für Migration wird in Zusammenarbeit mit dem fedpol geeignete Massnahmen vorschlagen und umsetzen.

Empfehlung 4 Der Bundesrat prüft Massnahmen, die eine Vereinheitlichung der Ausschreibungspraxis der Kantone im Fahndungsregister RIPOL zum Ziel haben.

Stellungnahme des Bundesrates: Im Rahmen der Umsetzung von Empfehlung 3 werden auch Massnahmen zu prüfen sein, die zu einer Vereinheitlichung der Ausschreibungspraxis führen.

Empfehlung 5 Der Bundesrat prüft Massnahmen, um seine Möglichkeiten zur Rechtsvereinheitlichung im Bereich der Zwangsmassnahmen mittels Behördenbeschwerde an das Bundesgericht besser wahrzunehmen.

Stellungnahme des Bundesrates: Das Bundesamt für Migration kann beim Bundesgericht eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen letztinstanzliche kantonale Urteile zu Zwangsmassnahmen einreichen (Art. 14 Abs. 2 der Organisationsverordnung für das EJPD vom 17. November 1999; SR 172.213.1). Dabei sind jedoch die Anwendungsfälle für eine solche Behördenbeschwerde beschränkt. Gegen die Nichtanordnung einer Ausschaffungshaft durch die kantonale Vollzugsbehörde kann keine Beschwerde geführt werden.

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Im Falle einer Haftbestätigung durch die kantonale Haftrichterin oder den kantonalen Haftrichter reichen die betroffenen Ausländerinnen und Ausländer sehr oft selber eine Beschwerde ein.

Die Anwendung der Behördenbeschwerde durch das Bundesamt für Migration beschränkt sich somit auf jene Fälle, in denen die betroffene Person aus der Sicht des Bundes durch die kantonale Haftrichterin oder den kantonalen Haftrichter unrechtmässig aus der Haft entlassen wurde. In diesen Fällen reicht das Bundesamt für Migration bereits heute eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht ein. Jährlich werden vom Bundesamt für Migration im Bereich der Zwangsmassnahmen rund drei bis fünf Beschwerden eingereicht. Aufgrund dieser Beschwerden hat das Bundesgericht Rechtsfragen entschieden, die zu einer Harmonisierung der Praxis geführt haben.

Empfehlung 6 Die GPK-N empfiehlt den SPK-N/S, die verschiedenen Haftformen (Ausschaffungshaft, Durchsetzungshaft) im Lichte ihres Haftzwecks und auf ihre Vereinbarkeit mit der EMRK hin nochmals zu überprüfen. Sollten die SPK-N/S eine Haft zur Erzwingung der Kooperation zur Ausreise einführen wollen, wäre nach Meinung der GPK-N die dafür geeignete Haftform im Gesetz vorzusehen.

Stellungnahme des Bundesrates: Im Rahmen der Revisionen des Asyl- und des Ausländergesetzes hat das Parlament die Einführung einer Durchsetzungshaft als neue Zwangsmassnahme im Ausländerrecht beschlossen. Sie kann bis zu maximal 18 Monaten angeordnet werden. Bei der Ausarbeitung dieser Bestimmung wurde ihre Verfassungsmässigkeit und EMRKKonformität geprüft. Bei der Anwendung dieser neuen Haftmöglichkeit wird in jedem Einzelfall darauf zu achten sein, dass insbesondere der Grundsatz der Verhältnismässigkeit beachtet wird.

Empfehlung 7 Der Bundesrat geht dem Problem der Vollzugspendenzen und deren Ursachen nach und prüft geeignete Massnahmen.

Stellungnahme des Bundesrates: Die Reduktion der Vollzugspendenzen ist ein ständiges und prioritäres Ziel des EJPD. Die Teilrevision des Asylgesetzes soll zu weiteren Verbesserungen im Vollzugsbereich führen. Eine glaubwürdige Migrationspolitik setzt voraus, dass einmal getroffene rechtskräftige Entscheide in allen Kantonen auch konsequent vollzogen werden.

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Die Vollzugspendenzen im Asylbereich haben sich in den letzten Jahren wie folgt entwickelt: Personen im Wegweisungsvollzug 2000 ­ Dezember 2005 Stand per

Anzahl Personen

31.12.2000 31.12.2001 31.12.2002 31.12.2003 31.12.2004 31.12.2005

13 825 11 156 12 796 17 322 14 231 10 046

Besondere Massnahmen gegenüber einzelnen Kantonen, die im interkantonalen Vergleich überproportional hohe Vollzugspendenzen aufweisen, wurden bereits Anfang 2004 eingeleitet. Eine uneinheitliche Praxis der Kantone im Vollzugsbereich kann zum stossenden Ergebnis führen, dass Personen in vergleichbaren Situationen unterschiedlich behandelt werden.

Der Abbau der Vollzugspendenzen wird durch die Beschaffung von Reisedokumenten und die spezialisierte Ausreiseorganisation (swissREPAT) an den Flughäfen Zürich und Genf wirksam unterstützt. Die Anzahl der durch das Bundesamt für Migration zentral gebuchten und durch die Kantone aus unterschiedlichen Gründen später annullierten Flüge zur kontrollierten Rückkehr in die Herkunfts- oder Heimatstaaten konnte gesenkt werden, was eine höhere Ausreise- und Rückführungsquote zur Folge hat.

Mit Massnahmen zur Verbesserung des Vollzugs müssen sich alle betroffenen Stellen ständig auseinander setzen. Angesichts der bereits bestehenden Instrumente und Analysen besteht keine Notwendigkeit für die Durchführung von zusätzlichen Untersuchungen (siehe Stellungnahme zu Empfehlung 1).

Empfehlung 8 Der Bundesrat verstärkt seine Bemühungen, weitere Rückübernahmeabkommen zu schliessen bzw. bestehende Abkommen durchzusetzen, und prüft adäquate Anreize zur Rückkehr von abgewiesenen Asylsuchenden und illegal Anwesenden.

Stellungnahme des Bundesrates: Der Bundesrat kann Rückübernahmeabkommen abschliessen (Art. 25b Abs. 1 ANAG).

Eine entsprechende Regelung ist auch im neuen Ausländergesetz vorgesehen. Auch in der Zukunft bleiben Rückübernahmeabkommen ein wichtiges Instrument der Schweizer Migrationspolitik.

Das Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union über die Assoziierung an Schengen und an Dublin sieht vor, dass die Europäische Union jene 2673

Staaten, mit welchen sie ein Rückübernahmeabkommen aushandelt, dazu anhält, auch mit der Schweiz entsprechende Verhandlungen aufzunehmen.

Viele Herkunftsstaaten haben kein eigenes Interesse am Abschluss eines Rückübernahmeabkommens mit der Schweiz. Zu Beginn der entsprechenden Gespräche werden daher oft Gegenforderungen angemeldet (zum Beispiel Verbesserung der Rechtshilfe, Erleichterungen im Visabereich, Zugang zum schweizerischen Arbeitsmarkt, technische Unterstützung, polizeiliche Zusammenarbeit). Es ist oft sehr schwierig, hier einen akzeptablen Interessenausgleich zu finden.

Der Bundesrat ist weiterhin bestrebt, die Zahl der Rückübernahmeabkommen zu erhöhen. Die interdepartementale Arbeitsgruppe für Migrationsfragen (IAM) wurde vom Bundesrat beauftragt sicherzustellen, dass die Interessen der Schweiz im Migrationsbereich gegenüber vorerst neun ausgewählten Staaten eine spezielle Berücksichtigung finden.

Im neuen Ausländergesetz wurde eine Bestimmung aufgenommen, wonach das Engagement der Schweiz gegenüber den Herkunftsstaaten von deren Bereitschaft abhängig gemacht werden kann, die anstehenden Probleme im Migrationsbereich zu lösen. Bei Rückübernahmevereinbarungen kann der Bundesrat im Rahmen seiner Zuständigkeiten Leistungen und Vorteile gewähren oder vorenthalten. Er berücksichtigt dabei die völkerrechtlichen Verpflichtungen sowie die Gesamtheit der Beziehungen der Schweiz zum betroffenen Staat.

Was die Anreize zur Rückkehr von weggewiesenen Personen betrifft, hat die Förderung der freiwilligen Rückkehr für den Bundesrat Priorität. Rückkehrhilfe ist ein erfolgreiches Instrument, das laufend an das sich ändernde Umfeld angepasst wird und das eine Alternative zum zwangsweisen Wegweisungsvollzug darstellen kann.

Eine freiwillige Rückkehr mit Rückkehrhilfe findet hauptsächlich in Herkunftsländer statt, in die auch ein zwangsweiser Wegweisungsvollzug möglich wäre.

Mit Unterstützung der Rückkehrhilfe sind in den letzten zehn Jahren rund 60 000 Personen selbständig in ihre Heimat zurückgekehrt. Der Bundesrat ist bestrebt, diese Entwicklung weiterzuführen. So wird die Rückkehrförderung neu bereits in den Empfangsstellen des Bundes angeboten. Ausserdem wurde im Rahmen der Revisionen des Asyl- und des Ausländergesetzes beschlossen, dass auch Personen mit einem Nichteintretensentscheid und weitere bestimmte Personengruppen aus dem Ausländerbereich (z.B. Opfer und Zeuginnen oder Zeugen von Menschenhandel) Rückkehrhilfe erhalten können.

Empfehlung 9 Der Bundesrat wirkt darauf hin, dass die Kantone ihre Kosten im Bereich des Wegweisungs- und Rückführungsvollzugs kontinuierlich überprüfen und eine umfassende und vergleichbare Vollkostenrechnung aufstellen, inkl. Kosten für Rückkehrberatung und -unterstützung.

Stellungnahme des Bundesrates: Der Bund vergütet den Kantonen für Personen aus dem Asylbereich die Kosten für die Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft, einschliesslich der medizinischen Ver2674

sorgung. Diese Rückvergütungen des Bundes an die Kantone sind von 7 Millionen Franken im Jahr 2001 auf 13,2 Millionen Franken im Jahr 2004 angestiegen.

Der Bundesrat erachtet es ebenfalls als notwendig, dass die Kantone die im Bereich der Zwangsmassnahmen entstehenden Kosten einheitlich und systematisch erfassen.

Das Bundesamt für Migration wird entsprechende Massnahmen ausarbeiten und umsetzen.

Seit 1999 nimmt die Anzahl schwieriger Fälle im Wegweisungsvollzug zu. Die von den Zwangsmassnahmen betroffenen Personen des Asylbereichs und des Ausländerbereichs unterscheiden sich bezüglich ihrer Nationalität. Die Personen des Asylbereichs stammen heute vorwiegend aus Afrika (Maghreb) und dem Mittleren Osten, diejenigen des Ausländerbereichs insbesondere aus Südamerika, Südosteuropa und den GUS-Staaten. Die Erfahrung zeigt, dass sich die Reisepapierbeschaffung bei Personen des Asylbereichs insbesondere mit afrikanischer Herkunft ungleich schwieriger gestaltet als bei Personen des Ausländerbereichs.

Empfehlung 10 1.

Die SPK-N/S prüfen im Rahmen der laufenden Revision der Ausländerund Asylgesetzgebung die Einführung von beschränkten Ein- bzw. Ausgrenzungen für Asylsuchende während der ersten 3­6 Monate des Asylverfahrens.

2.

Sofern sich eine Regelung im Rahmen der laufenden Gesetzesrevision aus zeitlichen Gründen nicht realisieren lässt, prüft der Bundesrat die Einführung einer entsprechenden Regelung im Hinblick auf eine spätere Gesetzesrevision.

3.

Der Bundesrat prüft im Rahmen seiner Kompetenzen weitere Massnahmen zur Eindämmung der mobilen Delinquenz potentieller Asylgesuchssteller.

Stellungnahme des Bundesrates: Zu Ziffer 1 und 2: Die Umsetzung der vorgeschlagenen Massnahme im Rahmen der Asylgesetzrevision war nicht mehr möglich. Der Bundesrat ist jedoch bereit, die Einführung einer entsprechenden Regelung im Hinblick auf eine spätere Gesetzesrevision zu prüfen. Andere Staaten haben vergleichbare Massnahmen ergriffen, insbesondere auch um die Erreichbarkeit der Asylsuchenden zu verbessern. Systematische Ein- oder Ausgrenzungen über einen längeren Zeitraum wären als freiheitsbeschränkende Massnahmen jedoch nur möglich, wenn sie verhältnismässig sind und einem öffentlichen Interesse entsprechen.

Zu Ziffer 3: Die Bekämpfung der Kriminalität von Ausländerinnen und Ausländern und des Asylmissbrauchs ist ein wichtiges Anliegen des Bundesrats. Die im Rahmen der Revision des Asylgesetzes, des Ausländergesetzes und des Schwarzarbeitsgesetzes vorgesehenen Massnahmen sollen hier Verbesserungen bringen. Weitere Massnahmen werden laufend geprüft, insbesondere auch im Hinblick auf eine konsequente Anwendung der bereits bestehenden gesetzlichen Instrumente.

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Empfehlung 11 Der Bundesrat prüft eine verstärkte Inpflichtnahme der Asylsuchenden zur Teilnahme an Beschäftigungsprogrammen oder zu anderen Verpflichtungen während der ersten 3 bis 6 Monate des Asylverfahrens.

Stellungnahme des Bundesrates: Asylsuchende sind in der Empfangsstelle und nach der Zuteilung an einen Kanton verpflichtet, bei Hausarbeiten in den Kollektivunterkünften mitzuhelfen. Dafür erhalten sie keine Entlöhnung. Bei einer Verweigerung der Mithilfe in den kantonalen Kollektivunterkünften werden regelmässig Leistungen gekürzt (z.B. Taschengeld).

In den Empfangsstellen des Bundes werden heute keine Beschäftigungsprogramme angeboten. Nach der Zuweisung an einen Kanton können Asylsuchende auf freiwilliger Basis an Beschäftigungsprogrammen teilnehmen. Im Jahr 2004 wurden für diese Programme vom Bund rund 18 Millionen Franken und von den Kantonen rund 6 Millionen Franken aufgebracht. Beteiligt waren rund 11 000 Personen. Der Bund wird sich auch künftig an solchen Programmen beteiligen. Für die Teilnahme an den Beschäftigungsprogrammen erhalten die Asylsuchenden in der Regel Motivationsprämien, die vom Bund auf maximal 600 Franken pro Person und Quartal festgelegt sind. Die Ausrichtung der Prämien erfolgt durch die Kantone.

Von den zwischen Januar und Juni 2005 eingereichten Asylgesuchen konnten 72 Prozent innerhalb von 4 Monaten erstinstanzlich entschieden werden. Unbegründete Gesuche sind möglichst rasch und prioritär zu behandeln und zu vollziehen. Es ist daher nicht sinnvoll, für die erste Zeit des Aufenthalts vermehrt Beschäftigungsprogramme anzubieten. Dies entspricht auch der im Asylgesetz vorgesehenen Regelung, wonach für die ersten drei Monate nach dem Einreichen eines Asylgesuchs ein Arbeitsverbot besteht (Art. 43 Abs. 1 AsylG). Die Kantone können dieses Arbeitsverbot auf sechs Monate ausdehnen, sofern innerhalb der ersten drei Monate ein erstinstanzlicher Entscheid ergeht (Art. 43 Abs. 1 AsylG).

Der Bundesrat erachtet im heutigen Zeitpunkt eine verstärkte Verpflichtung der Asylsuchenden zur Teilnahme an Beschäftigungsprogrammen oder zu anderen Verpflichtungen während der ersten drei bis sechs Monate des Asylverfahrens nicht als angebracht.

Empfehlung 12 Die GPK-N fordert den Bundesrat und die Kantone auf, dafür zu sorgen, dass rechtzeitige und umfassende Informationen über inhaftierte Personen ausgetauscht werden.

Stellungnahme des Bundesrates: Der Bundesrat unterstützt diese Empfehlung der Kommission. Der Informationsaustausch zwischen den Migrationsbehörden der Kantone, welche für die Anordnung 2676

von Zwangsmassnahmen zuständig sind, und dem für die Vollzugsunterstützung zuständigen Bundesamt für Migration konnte in den vergangenen Jahren erheblich verbessert werden.

Ein gewisses Defizit besteht jedoch bezüglich der Koordination und Information in Haftfällen, namentlich bei der Ablösung einer strafrechtlichen Haft durch die Ausschaffungshaft.

Diese Koordination ist eine Voraussetzung dafür, dass der Bund seine Aufgaben im Bereich der Vollzugsunterstützung oder bei der Einreichung der Behördenbeschwerden (Empfehlung 5) optimal wahrnehmen kann.

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