06.096 Botschaft über die Genehmigung des Fakultativprotokolls vom 6. Oktober 1999 zum Übereinkommen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (OP CEDAW) vom 29. November 2006

Sehr geehrte Herren Präsidenten Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung des Fakultativprotokolls vom 6. Oktober 1999 zum Übereinkommen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (OP CEDAW) mit Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

29. November 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2005-2440

9787

Übersicht Am 23. August 1995 hatte der Bundesrat den Eidgenössischen Räten die Botschaft zur Genehmigung des Internationalen Übereinkommens von 1979 zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (CEDAW) unterbreitet. Dieses Übereinkommen, mittlerweile von 180 Vertragsstaaten ratifiziert, ist eines der am breitesten akzeptierten Übereinkommen auf universeller Ebene.

Am 6. Oktober 1999 nahm die 54. Generalversammlung der Vereinten Nationen im Konsens den Text eines Fakultativprotokolls zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau an (OP CEDAW). Das Fakultativprotokoll beinhaltet im Wesentlichen zwei neue Elemente: Ein Mitteilungsverfahren und ein Untersuchungsverfahren. Liegt eine Verletzung der im Übereinkommen verbrieften Rechten vor, müssen zunächst die innerstaatlichen Rechtmittel ausgeschöpft werden. Danach können Frauen die Rechtsverletzung in Form einer Mitteilung vor dem UNO-Ausschuss zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau kundtun. Das Untersuchungsverfahren gibt dem Ausschuss die Befugnis, Untersuchungen durchzuführen, wenn zuverlässige Angaben vorliegen, die auf schwerwiegende oder systematische Verletzungen der im Übereinkommen niedergelegten Rechte durch einen Vertragsstaat hinweisen.

Selbst wenn die Auffassungen und Empfehlungen des Ausschusses für die Regierung des betroffenen Vertragsstaates ­ im Gegensatz etwa zu den völkerrechtlich verbindlichen Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ­ juristisch nicht bindend sind, tragen sie dennoch dazu bei, einen universellen Grundkonsens über Inhalt und Tragweite der einzelnen Menschenrechte zu entwickeln und den Dialog mit den betroffenen Staaten aufrecht zu erhalten.

Das Fakultativprotokoll entspringt der Einsicht, dass die Einrichtung von wirksamen Kontrollinstrumenten ein unablässiges Mittel zur Förderung der Durchsetzung der völkerrechtlich kodifizierten Menschenrechte und Grundfreiheiten darstellt. Es enthält keine grundsätzlich neuen Bestimmungen, sondern orientiert sich an bereits bestehenden Verfahren zu anderen Menschenrechtsübereinkommen, welche für die Schweiz bereits heute Geltung beanspruchen. Derzeit haben 71 Staaten, namentlich sämtliche Staaten der Europäischen Union, das Fakultativprotokoll ratifiziert.

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Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeiner Teil 1.1 Einleitung 1.2 Entstehungsgeschichte des Fakultativprotokolls

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2 Die schweizerische Haltung zum Fakultativprotokoll 2.1 Haltung des Bundesrates 2.2 Werdegang des Geschäftes 2.3 Das Vernehmlassungsverfahren

9794 9794 9795 9796

3 Besonderer Teil: Inhalt und Anwendungsbereich des Fakultativprotokolls 3.1 Inhalt des Fakultativprotokolls 3.2 Die Bestimmungen des Fakultativprotokolls im Einzelnen 3.2.1 Die Zuständigkeit des Ausschusses (Art. 1) 3.2.2 Das individuelle Mitteilungsverfahren (Art. 2 ff.)

3.2.3 Formvorschriften (Art. 3) 3.2.4 Prüfung der Zulässigkeit einer Mitteilung (Art. 4) 3.2.5 Vorläufige Massnahmen bei zeitlicher Dringlichkeit (Art. 5) 3.2.6 Informationsaustausch (Art. 6) 3.2.7 Prüfung der Begründetheit einer Mitteilung (Art. 7) 3.2.8 Das Untersuchungsverfahren (Art. 8 ff.)

3.2.9 Follow-up-Mechanismen für das Untersuchungsverfahren (Art. 9) 3.2.10 «Opting-out»-Klausel (Art. 10) 3.2.11 Schutz- und Informationspflichten (Art. 11 ff.)

3.2.12 Berichtspflichten des Ausschusses (Art. 12) 3.2.13 Weiterverbreitung der Inhalte des Übereinkommens und des Fakultativprotokolls (Art. 13) 3.2.14 Verfahrensordnung (Art. 14) 3.2.15 Schlussbestimmungen (Art. 15­21) 3.3 Konkurrenz zu anderen internationalen Kontrollverfahren

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4 Das Fakultativprotokoll und die schweizerische Rechtsordnung 4.1 Art der völkerrechtlichen Verpflichtung 4.2 Umsetzungsmassnahmen

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5 Finanzielle und personelle Auswirkungen

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6 Legislaturplanung

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7 Verfassungsmässigkeit

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8 Schlussfolgerung

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Bundesbeschluss über die Genehmigung des Fakultativprotokolls vom 6. Oktober 1999 zum Übereinkommen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (OP CEDAW) (Entwurf)

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Fakultativprotokoll vom 6. Oktober 1999 zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau

9821 9789

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Einleitung

Die Menschenrechte von Frauen werden heute als unveräusserlicher und integraler Bestandteil der allgemeinen Menschenrechte anerkannt. Mit dem Übereinkommen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (nachfolgend «Übereinkommen» bzw. auch CEDAW genannt)1, dem die Schweiz am 27. März 1997 beigetreten und das am 26. April 1997 für unser Land in Kraft getreten ist2, wurde erstmals ein alle Lebensbereiche von Frauen umfassendes Menschenrechtsübereinkommen geschaffen. Dieses Übereinkommen zählt heute zu den weltweit grundlegenden Rechtsinstrumenten im Bereich der Menschenrechte von Frauen. 184 Staaten haben es mittlerweile ratifiziert bzw. sind dem Übereinkommen beigetreten (Stand: 11. August 2006).

Zu den Kontrollinstrumenten des Übereinkommens gehören, wie auch bei anderen Menschenrechtsübereinkommen der UNO, ein Berichtsprüfungsverfahren3 sowie das Verfahren der Staatenbeschwerde4. Im Unterschied zu anderen UNO-Menschenrechtsübereinkommen verfügte das Übereinkommen aber zunächst über keine weiteren Kontrollinstrumente wie etwa ein individuelles Mitteilungs- oder ein Untersuchungsverfahren5.

Das am 22. Dezember 2000 völkerrechtlich in Kraft getretene Fakultativprotokoll zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (nachfolgend «Fakultativprotokoll» bzw. OP CEDAW genannt) ergänzt das Übereinkommen um diese beiden Kontrollverfahren. Durch das Fakultativprotokoll wird 1

2 3

4

5

SR 0.108. Vgl. hierzu die Botschaft betreffend das Übereinkommen von 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 23. August 1995 (BBl 1995 IV 901).

AS 1999 1577 Grundlage dieser Berichterstattungspflicht bildet Art. 18 CEDAW («Die Vertragsstaaten verpflichten sich, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zur Beratung durch den Ausschuss einen Bericht über die zur Durchführung dieses Übereinkommens getroffenen Gesetzgebungs-, Gerichts-, Verwaltungs- und sonstigen Massnahmen und die diesbezüglichen Fortschritte vorzulegen, [...]»). Prüfungsinstanz ist der Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau, dem alle vier Jahre und so oft es der Ausschuss verlangt, ein Folgebericht vorzulegen ist. Der Initialbericht und der Zweite Bericht der Schweiz waren am 26. April 1998 bzw. am 26. April 2002 fällig. Die Schweiz reichte den gemeinsamen Bericht am 20. Februar 2002 ein, dessen Präsentation fand am 14. und 17. Januar 2003 in New York statt (CEDAW/C/CHE/1-2). Der dritte Bericht ist auf den 26. April 2006 fällig. Sämtliche Berichte finden sich auf dem Internet unter http://www.un.org/womenwatch/daw/cedaw/reports.htm Art. 29 CEDAW besagt, dass, wenn zwischen zwei oder mehr Vertragsstaaten über die Auslegung oder Anwendung dieses Übereinkommens eine Streitigkeit entsteht, die nicht auf dem Verhandlungsweg beigelegt werden kann, diese auf Verlangen einer Partei zum Gegenstand eines Schiedsverfahrens gemacht wird. Können sich die Parteien innerhalb von sechs Wochen vom Zeitpunkt des Antrags auf ein Schiedsverfahren über dessen Ausgestaltung nicht einigen, so kann eine Partei die Streitigkeit dem Internationalen Gerichtshof vorlegen, indem sie einen Antrag im Einklang mit dessen Statut stellt.

Die meisten UNO-Übereinkommen namentlich die UNO-Pakte I und II, sehen ein Berichtsprüfungsverfahren bezüglich der Staatenberichte als einziges obligatorisches Verfahren zur internationalen Kontrolle der innerstaatlichen Durchsetzungsmassnahmen vor.

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der bei den Vereinten Nationen nach Teil V des Übereinkommens bereits eingerichtete Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (Committee on the Elimination of Discrimination against Women [CEDAW]; nachfolgend «Ausschuss» genannt) ermächtigt, Mitteilungen von Einzelpersonen oder Personengruppen, die behaupten, Opfer einer Verletzung eines im Übereinkommen niedergelegten Rechts durch einen Vertragsstaat zu sein, entgegenzunehmen und in einem im Einzelnen nach dem Fakultativprotokoll geregelten Verfahren zu prüfen (individuelles Mitteilungsverfahren, Art. 2 ff. OP CEDAW).

Durch das nach dem Fakultativprotokoll ebenfalls vorgesehene Untersuchungsverfahren kann der Ausschuss darüber hinaus bei zuverlässigen Angaben, die auf schwerwiegende oder systematische Verletzungen der im Übereinkommen niedergelegten Rechte hinweisen, auch von sich aus tätig werden und die Vertragsstaaten zur Stellungnahme auffordern. Dieses Untersuchungsverfahren stellt eine wichtige Ergänzung zum individuellen Mitteilungsverfahren dar (Untersuchungsverfahren, Art. 8 f. OP CEDAW).

1.2

Entstehungsgeschichte des Fakultativprotokolls

Die Vereinten Nationen haben sich seit ihrer Gründung für die Gleichberechtigung von Frauen eingesetzt. Bereits die Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 19456 beinhaltet den Grundsatz der Gleichberechtigung von Frau und Mann in ihrer Präambel. Die am 10. Dezember 1948 von der UNO-Generalversammlung verabschiedete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte7 legt in Artikel 2 das allgemeine Diskriminierungsverbot auch im Hinblick auf das Geschlecht fest. Ebenso fand der Grundsatz der Gleichberechtigung von Frau und Mann Eingang in Artikel 3 des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (nachfolgend UNO-Pakt II)8 und Artikel 2 Absatz 2 und 3 des Internationalen Paktes vom 19. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (nachfolgend UNO-Pakt I)9. Die völkerrechtliche Anerkennung der Gleichberechtigung der Geschlechter kommt ausser in diesen allgemeinen Menschenrechtsübereinkommen auch in einer Reihe weiterer frauenspezifischer Übereinkommen zum Ausdruck, deren Reichweite auf bestimmte Gebiete beschränkt bleibt.

Es sind dies beispielsweise das Übereinkommen von New York über die politischen Rechte der Frau vom 31. März 195310, die Gleichstellung von Frau und Mann bei der Eheschliessung im Rahmen eines Zusatzabkommens über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavenähnlicher Einrichtungen und Praktiken vom 7. September 195611; das Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit verheirateter Frauen vom 20. Februar 195712 oder das Übereinkommen über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit vom 29. Juni 195113.

6 7 8 9 10 11 12 13

SR 0.120 Res. 217 (III) UN Doc. A/810; in: BBl 1982 II 791­797.

SR 0.103.2 (AS 1993 750).

SR 0.103.1 (AS 1993 725).

UNTS Bd. 193, S. 135.

UNTS Bd. 266, S. 40.

A/RES/1040 (XI), 1957.

ILO-Konvention Nr. 100 (UNTS Bd. 165, S. 303; SR 0.822.720.0).

9791

Im November 1967 verabschiedete die UNO-Generalversammlung eine Deklaration über die Beseitigung der Diskriminierung der Frau14, die neben Ergebnissen der Weltfrauenkonferenz, die vom 19. Juni bis zum 2. Juli 1975 in Mexiko City stattgefunden hatte, als Grundlage des Übereinkommens vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) diente.

Das aus einer Präambel und dreissig Artikeln bestehende Übereinkommen enthält eine Begriffsbestimmung der Diskriminierung der Frau (Art. 1 CEDAW) und verurteilt jede Form diesbezüglicher Diskriminierung (vgl. Art. 2 CEDAW)15. Es enthält ein breites Spektrum detaillierter Ausführungen, in denen sich die Vertragsstaaten verpflichten, effektive gesetzgeberische oder sonstige Massnahmen zum Abbau rechtlicher und tatsächlicher Ungleichheiten insbesondere auf politischem, wirtschaftlichem, sozialem, kulturellem, staatsbürgerlichem und sonstigem Gebiet zu ergreifen (Art. 2­16 CEDAW). Zeitweilige Sondermassnahmen, welche die De-facto-Gleichberechtigung von Mann und Frau beschleunigen sollen, gelten nicht als Diskriminierung im Sinne dieses Übereinkommens (Art. 4 CEDAW).

Die Detailliertheit der Verpflichtungen wird allerdings in gewisser Weise dadurch relativiert, dass es Artikel 28 CEDAW den Staaten ermöglicht, bei der Ratifikation oder beim Beitritt Vorbehalte («reservations») gegen einzelne Artikel zu Protokoll zu geben16. Viele Staaten haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und dabei auch immer wieder Vorbehalte ausgesprochen, die mit Ziel und Zweck des Übereinkommens unvereinbar sind, was Artikel 28 Absatz 2 CEDAW ausdrücklich für unzulässig erklärt (z.B. umfassende Vorbehalte der Anwendung des SchariaRechts). Die Kritik am Missbrauch der Vorbehaltsregelung, die der Ausschuss im Verlauf der Jahre immer wieder geäussert hat, blieb leider ohne nachhaltigen Erfolg.

Immerhin haben zwischenzeitlich verschiedene der Vertragsstaaten begonnen, von der Möglichkeit eines Protestes gegen solche, den Artikel 28 Absatz 2 CEDAW verletzende Vorbehalte Gebrauch zu machen (Art. 29 CEDAW räumt eine solche Möglichkeit ausdrücklich ein).

Wie bereits eingangs erwähnt, gehören zu den Kontrollinstrumenten des Übereinkommens bloss das Berichtsprüfungsverfahren (Art. 18 CEDAW) sowie das Verfahren der Staatenbeschwerde (Art. 29 CEDAW). Das Übereinkommen enthielt 14 15

16

GA Res. 2263 (XXII) vom 7. November 1967 Zur Geschichte und zum Inhalt des Übereinkommens siehe auch die Ausführungen in der Botschaft betreffend das Übereinkommen von 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 23. August 1995 (BBl 1995 IV 901), Ziffer 12, 22 sowie 32 und 33.

Die Schweiz brachte bei der Ratifikation des Übereinkommens drei Vorbehalte an (vgl.

Art. 1 des BB vom 4. Oktober 1996 [AS 1999 1577]): ­ Einen Vorbehalt zu Art. 7 Bst. b CEDAW (Recht auf gleiche Mitwirkung bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben), der im April 2004 zurückgezogen wurde (aufgrund der schweizerischen Militärgesetzgebung war es den Frauen verboten, Funktionen auszuüben, welche den Waffeneinsatz über den Selbstschutz hinaus vorsehen); ­ einen weiteren Vorbehalt zu Art. 16 Abs. 1 Bst. g CEDAW (gleiche Rechte der Ehegatten bei der Wahl des Familiennamens), da gemäss Art. 160 Abs. 1 ZGB der Name des Mannes Familienname ist, sowie ­ jeweils einen Vorbehalt zu Art. 15 Abs. 2 CEDAW (gleiche Rechtsfähigkeit) und Art. 16 Abs. 1 Bst. h CEDAW (gleiche Rechte beider Ehegatten hinsichtlich Erwerb, Bewirtschaftung, Verwaltung und Nutzung von Vermögen), da aufgrund verschiedener Übergangsbestimmungen zum Eherecht Ehepaaren, die unter dem alten Eherecht geheiratet hatten, bei der Eherechtsrevision von 1984 die Möglichkeit offenblieb, ihren Güterstand nach altem Recht beizubehalten.

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zunächst keine weiteren Kontrollinstrumente wie beispielsweise ein individuelles Mitteilungs- oder ein Untersuchungsverfahren.

Ein wichtiger Impuls zur Beseitigung dieses kodifikatorischen Defizits, das eine Schwäche gegenüber ähnlichen Rechtsinstrumenten darstellt, ging von der Erklärung der Wiener Weltkonferenz über die Menschenrechte aus dem Jahre 1993 aus.

Hier wurden die Menschenrechte von Frauen ausdrücklich als unveräusserlicher und integraler Bestandteil der allgemeinen Menschenrechte benannt. Der Schutz vor Gewalt, Benachteiligung und Diskriminierung als ein Menschenrecht der Frauen wurde zu einem gemeinsamen Anliegen der Völkergemeinschaft erhoben. In der Schlussdeklaration von Wien wird deshalb die Ausarbeitung eines Petitionsrechts im Rahmen eines Fakultativprotokolls zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau ausdrücklich gefordert17. Gleiches gilt für die Aktionsplattform und Schlusserklärung der Vierten Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking, welche die universelle Geltung der Menschenrechte von Frauen als integraler Bestandteil der Menschenrechte fortschreibt und die Ausarbeitung eines Fakultativprotokolls zum baldmöglichsten Zeitpunkt anstrebte18.

Der Ausschuss zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau machte 1995, ausgehend von den Vorarbeiten eines Experten- und Expertinnentreffens an der Universität Limburg (Niederlande), eine Empfehlung zum möglichen Inhalt eines Fakultativprotokolls. Wesentliche Elemente stellten dabei ein individuelles Mitteilungsverfahren und ein Untersuchungsverfahren im Falle von wohlbegründeten Hinweisen auf systematische Formen der Diskriminierung der Frau dar. Aufgrund der Resolution des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen (ECOSOC) vom Juli 1995 begannen 1996 die Verhandlungen zu einem Fakultativprotokoll in einer eigens dafür eingesetzten Arbeitsgruppe der Frauenrechtskommission der Vereinten Nationen (Commission on the Status of Women, CSW). Diese Verhandlungen wurden schliesslich am 10. März 1999 mit der Annahme des Entwurfs eines Fakultativprotokolls durch die 43. Session der Frauenrechtskommission nach nur vier Jahren erfolgreich abgeschlossen (VN Dok. E/CN.6 1999/WG/L.2). Die Schweiz war an diesen Verhandlungen konstruktiv beteiligt und hat an deren erfolgreichem Abschluss mitgewirkt.

Der Entwurf
des Fakultativprotokolls wurde am 6. Oktober 1999 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Konsens angenommen (VN Dok. A/54/L.4 [1999]). Das Fakultativprotokoll wurde sodann am 10. Dezember 1999 zur Zeichnung aufgelegt und bei dieser Gelegenheit von 26 Staaten (darunter Österreich, Belgien, Bolivien, Chile, Deutschland, Frankreich, Kolumbien, Costa Rica, Tschechische Republik, Dänemark, Italien, Griechenland, Liechtenstein, Niederland und Island) unterzeichnet.

Gemäss seinem Artikel 16 Absatz 1 ist das Fakultativprotokoll drei Monate nach Hinterlegung der zehnten Ratifikations- bzw. Beitrittsurkunde für die Staaten, die bis zu diesem Zeitpunkt beigetreten sind bzw. ratifiziert haben, am 22. Dezember 2000 in Kraft getreten. Derzeit haben 71 Staaten das Fakultativprotokoll ratifiziert;

17 18

UN Doc. A/CONF. 157/23 (1993).

UN Doc. A/CONF. 177/20 (1995). Rz. 230/k.

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dazu zählen namentlich sämtliche Staaten der Europäischen Union (EU) (siehe den aktuellen Stand unter www.un.org./womenwatch/daw/cedaw/sigop.htm)19.

2

Die schweizerische Haltung zum Fakultativprotokoll

2.1

Haltung des Bundesrates

Das Fakultativprotokoll (OP CEDAW) leistet aus der Sicht des Bundesrates einen bedeutsamen Beitrag zum weltweiten Menschenrechtsschutz von Frauen.

Das eigentliche Ziel des nationalen wie des internationalen Menschenrechtsschutzes besteht in erster Linie in der Verhütung von Menschenrechtsverletzungen. Auch wenn angesichts der unzähligen schweren und systematischen Menschenrechtsverletzungen im letzten und zu Beginn dieses Jahrhunderts das Postulat der Prävention noch utopisch scheint, so wurden gerade in den Jahrzehnten seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und, noch verstärkt, seit dem Ende des Ost-West-Konflikts grosse Schritte in Richtung der Realisierung dieser Idealvorstellung gemacht. Mit dem vorliegenden Fakultativprotokoll erhalten Frauen nun ein individuelles Mitteilungsverfahren, das vergleichbar mit dem Standard anderer UNO-Menschenrechtsübereinkommen ist und die Möglichkeit vorsieht, nach Ausschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs einen eventuellen persönlichen Diskriminierungsfall vom Ausschuss zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau überprüfen zu lassen.

Durch das ebenfalls vorgesehene Untersuchungsverfahren kann der Ausschuss darüber hinaus bei zuverlässigen Angaben, die auf schwerwiegende oder systematische Verletzungen der im Übereinkommen niedergelegten Rechte hinweisen, auch von sich aus tätig werden und die Vertragsstaaten zur Stellungnahme auffordern.

Dieses Untersuchungsverfahren stellt eine wichtige Ergänzung zum individuellen Mitteilungsverfahren dar und trägt nicht zuletzt zur Gewährleistung eines universellen Menschenrechtsstandards bei.

Der Bundesrat hat in den letzten Jahren prioritär die Ratifizierung oder den Beitritt zu verschiedenen Übereinkommen verfolgt, denen er als universelle Instrumente der Vereinten Nationen zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte grundlegende Bedeutung beimisst. Er ist zudem der Ansicht, dass die Einrichtung von wirksamen Kontrollinstrumenten ein unablässiges Mittel zur Förderung der Durchsetzung der Menschenrechte darstellt20. Kontrolle ist ein bestimmendes Element jeder Politik für einen besseren Menschenrechtsschutz. Die Schweiz beteiligt sich 19

20

Albanien, Andorra, Aserbaidschan, Bangladesch, Belarus, Belgien, Belize, Bolivien, Bosnien-Herzegowina, Brasilien, Costa Rica, Dänemark, Deutschland, Dominikanische Republik, Ecuador, Finnland, Frankreich, Gabon, Georgien, Griechenland, Grossbritannien, Guatemala, Irland, Island, Italien, Kamerun, Kanada, Kasachstan, Kirgisien, Kroatien, Lesotho, Fürstentum Liechtenstein, Litauen, Luxembourg, Lybien, Mali, Mazedonien, Mexiko, Mongolei, Namibia, Neuseeland, Niederlande, Niger, Nigeria, Norwegen, Österreich, Osttimor, Panama, Paraguay, Peru, Philippinen, Polen, Portugal, Rumänien, Russische Föderation, Salomon-Inseln, Schweden, Senegal, Serbien-Montenegro, Slowakische Republik, Slowenien, Spanien, Sri Lanka, Thailand, Tschechische Republik, Türkei, Ungarn, Ukraine, Uruguay, Venezuela, Zypern. 76 weitere Staaten haben das Fakultativprotokoll unterzeichnet.

Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates zur Motion Maury Pasquier (NR 00.3527, «Fakultativprotokoll zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau. Unterzeichnung und Ratifizierung durch die Schweiz», vom 5. Oktober 2000, als Postulat überwiesen.

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daher aktiv an den Bemühungen, die auf internationaler Ebene bereits bestehenden Kontrollmechanismen zur Einhaltung der Menschenrechte zu stärken und deren Ausbau zu fördern21. Der Bundesrat bekräftigte diese Absicht in der Folge in seinen Antworten auf verschiedene parlamentarische Vorstösse und stellte mehrfach die Wünschbarkeit einer entsprechenden Stärkung der internationalen Kontrollmechanismen fest22. Die Ratifikation des vorliegenden Instruments entspricht somit der in verschiedenen Stellungnahmen des Bundesrates erklärten Absicht, um wirkungsvolle internationale Instrumente zum Schutz der Menschenrechte bemüht zu sein.

Darüber hinaus stärkt die Ratifikation dieses Instruments die Position jener Länder, die ebenfalls dafür kämpfen, dass die Menschenrechte und namentlich die Rechte der Frauen global an Terrain gewinnen. Auf internationaler Ebene stärkt dies nicht zuletzt die Position der Schweiz und deren Glaubwürdigkeit, wenn es darum geht, sich für diese Werte einzusetzen. So hat schliesslich auch der Ausschuss die Schweiz anlässlich der Prüfung ihres Ersten und Zweiten Länderberichts ersucht, das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen zu ratifizieren23.

2.2

Werdegang des Geschäftes

Die Schweiz zählte am 10. Dezember 1999 nicht zu den Erstunterzeichnern des Fakultativprotokolls, der Bundesrat erachtete aber dessen Unterzeichnung und Ratifizierung bereits im damaligen Zeitpunkt seiner Erstauflegung zur Unterzeichnung als wünschenswert.

Die Ratifikation des Fakultativprotokolls entspräche der bisherigen auch dem Ausland gegenüber vertretenen Gleichstellungspolitik der Schweiz, insbesondere der Überzeugung, die Rechte von Frauen als unveräusserlichen, integralen und unabtrennbaren Bestandteil der allgemeinen Menschenrechte zu fördern, welche auch im Aktionsplan der Schweiz «Gleichstellung von Frau und Mann» (1999) festgehalten werden. Das Ziel der Unterzeichnung und Ratifizierung des Fakultativprotokolls ist daher im Bericht über die Legislaturplanung 1999­2003 des Bundesrates aufgenommen worden.

Nach der bisherigen Praxis unternimmt die Schweiz jedoch keine Schritte zur Unterzeichnung eines Internationalen Übereinkommens, solange sie nicht sicher ist, dieses in der Folge auch tatsächlich ratifizieren zu können. Zum damaligen Zeitpunkt schienen die Tragweite des Fakultativprotokolls und die Folgen seiner Umsetzung für die schweizerische Rechtsordnung allerdings noch schwer abschätzbar. Da das Fakultativprotokoll, im Gegensatz zum Übereinkommen, keine Vorbehalte gestattet, hielt man fest, dass es zunächst einer umfassenden Abklärung der Auswirkungen auf die schweizerische Rechtsordnung bedürfe. Aus diesem Grund beschloss der Bundesrat am 6. Dezember 1999, das Fakultativprotokoll vorerst nicht zu unterzeichnen 21

22

23

Vgl. hierzu etwa den Aussenpolitischen Bericht 2000 «Präsenz und Kooperation: Interessenwahrung in einer zusammenwachsenden Welt» vom 15. November 2000 (BBl 2001 261), Ziff. 3.2.2.2. sowie den Bericht des Bundesrates über die Menschenrechtspolitik der Schweiz vom 16. Februar 2000 (BBl 2000 2586), Ziff. 2.1 und 2.2.2.

Vgl. etwa die Stellungnahme des Bundesrates zur Motion Teuscher «Ratifizierung des Protokolls Nr. 12 zur Verhinderung von Diskriminierungen vom 13. Dezember 2000» (NR 00.3674).

Schlussbemerkungen des Ausschusses vom 31. Januar 2003 (CEDAW/C/2003/I/CRP.3/Add.1/Rev.1), Ziffer 52.

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und zuvor die Auswirkungen von dessen Ratifikation auf das schweizerische Recht zu prüfen. Auch sollte die Frage der Unterzeichnung und der Ratifikation des Fakultativprotokolls den Kantonen zur Konsultation unterbreitet werden, wie dies das Bundesgesetz vom 22. Dezember 199924 (BGMK) über die Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes vorsieht.

2.3

Das Vernehmlassungsverfahren

Im Hinblick auf die Ausarbeitung der vorliegenden Botschaft ermächtigte der Bundesrat am 25. Januar 2006 das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), ein Vernehmlassungsverfahren zum Fakultativprotokoll zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau durchzuführen. Die Kantone, die politischen Parteien, die beiden Bundesgerichte, die gesamtschweizerischen Dachverbände der Gemeinden, Städte, Berggebiete und der Wirtschaft sowie 38 weitere Organisationen und interessierte Kreise wurden eingeladen, sich zur Ratifikation zu äussern.

Das Vernehmlassungsverfahren dauerte bis am 30. April 2006. Insgesamt sind 56 Stellungnahmen eingegangen, wobei 6 Stellungnahmen von nicht adressierten Vernehmlassungsteilnehmern kamen und einige Vernehmlassungsteilnehmer schriftlich mitteilten, dass sie auf eine Stellungnahme verzichten bzw. sich nicht formell an der Vernehmlassung beteiligen (die beiden Bundesgerichte, die Kantone Appenzell Innerrhoden und Uri sowie die Beratungsstelle für Ausländerfrauen und ihre Familien [BAFFAM]).

Ausser der SVP und dem Schweizerischen Arbeitgeberverband haben alle Vernehmlassungsteilnehmer die Ratifizierung des Fakultativprotokolls begrüsst. Eine grosse Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer war sich darüber einig, dass das Fakultativprotokoll in bedeutender Weise zum weltweiten Menschenrechtsschutz von Frauen beitrage und sie sahen darin einen wichtigen Schritt in Richtung Verwirklichung der Gleichstellung von Mann und Frau. Zudem wurde von verschiedenen Seiten auf die Signalwirkung einer Ratifizierung für andere Staaten hingewiesen und die Notwendigkeit derselben für die Glaubwürdigkeit der Schweiz im Bereich der Menschenrechte betont.

Einige Vernehmlassungsteilnehmer begrüssten ausdrücklich die Haltung des Bundesrats, auf eine Opting-Out-Klausel zu verzichten und damit das Untersuchungsverfahren uneingeschränkt anzuerkennen. Einzig das Centre Patronal spricht sich dagegen aus.

Vereinzelt wurde bedauert, dass von einem überwiegend programmatischen Charakter der Bestimmungen des CEDAW-Übereinkommens ausgegangen wird. Der Arbeitgeberveband hingegen sah ein Risiko darin, dass der Ausschuss seine Praxis zum individuellen Mitteilungsverfahren künftig ausdehnen könnte, so dass dieses auch auf Bestimmungen mit bloss programmatischem
Charakter angewendet werde.

Verschiedene Vernehmlassungsteilnehmer äusserten sich zum Charakter der Empfehlungen des Ausschusses. Einige wünschten, dass solche Empfehlungen nach Möglichkeit Eingang in das schweizerische Rechtssystem und die Rechtspraxis

24

SR 138.1

9796

finden würden. Andere begrüssten ausdrücklich den juristisch nicht bindenden Charakter der Empfehlungen.

Zudem wurde der Bundesrat von verschiedener Seite dazu aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die Informationen betreffend dem CEDAW-Übereinkommen und dem Fakultativprotokoll adressatengerecht aufgearbeitet und verbreitet werden.

Die SVP begründete ihre ablehnende Haltung hauptsächlich damit, dass bereits im Rahmen des Staatenberichtsverfahrens zweifelhafte Erfahrungen mit dem CEDAWAusschuss gemacht worden seien und sie generell gegen einen Ausbau staatlicher Bemühungen zur Gleichstellung von Frau und Mann seien.

Die Partei bezieht sich dabei auf eine Empfehlung des Ausschusses, in der dieser auf mögliche Probleme bei der Umsetzung des Übereinkommens aufgrund der föderalen Strukturen und direktdemokratischen Prozessen der Schweiz hinwies. Der Ausschuss empfahl in der Folge, durch effiziente Koordination für eine einheitliche Umsetzung des Übereinkommens zu sorgen. Die Abgabe solcher Empfehlungen bedeutet keine Kritik am schweizerischen System als solches, sondern gehört vielmehr zur Grundaufgabe des Ausschusses.

Der Arbeitgeberverband hat sich gegen eine Ratifizierung des Fakultativprotokolls ausgesprochen, weil er einen zu starken Einfluss des Ausschusses auf das schweizerische Rechtssystem und die Rechtspraxis befürchtete, unter anderem weil noch nicht klar sei, auf welche Rechte des Übereinkommens sich das individuelle Mitteilungsverfahren beziehe.

Wie bereits erwähnt wurde, kann der Ausschuss jedoch nur Empfehlungen abgeben, die in keiner Weise bindend sind.

3

Besonderer Teil: Inhalt und Anwendungsbereich des Fakultativprotokolls

3.1

Inhalt des Fakultativprotokolls

Das Fakultativprotokoll ergänzt die Kontrollmechanismen des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 18. Dezember 1979 (CEDAW) um zwei Kontrollverfahren.

Zum einen wird der nach Artikel 17 CEDAW eingerichtete Ausschuss ermächtigt, Mitteilungen von Einzelpersonen oder Personengruppen entgegenzunehmen, die behaupten, Opfer einer Verletzung eines im Übereinkommen verankerten Rechts durch einen Vertragsstaat zu sein (Art. 2 OP CEDAW), und diese Mitteilungen in einem im Einzelnen in den Artikeln 3­7 des Fakultativprotokolls geregelten Verfahren zu prüfen.

Zum anderen erhält der Ausschuss zusätzlich die Kompetenz, bei zuverlässigen Angaben, die auf schwerwiegende oder systematische Verletzungen der im Übereinkommen niedergelegten Rechte durch einen Vertragsstaat hinweisen, von sich aus ein Untersuchungsverfahren durchzuführen (Art. 8 und 9 OP CEDAW), wobei die Vertragsstaaten jedoch nicht verpflichtet sind, dieses Untersuchungsverfahren anzuerkennen (Art. 10 OP CEDAW, «opting-out»-Regelung). Es ist hier jedoch anzufügen, dass von dieser Möglichkeit bis anhin nur gerade drei Vertragsstaaten, die das Fakultativprotokoll ratifiziert haben, Gebrauch gemacht haben (Belize, Bangladesch und Kuba).

9797

Das Fakultativprotokoll enthält keine materiell-rechtlichen Regelungen, sondern sieht ein rein prozedurales Instrumentarium für ein individuelles Mitteilungs- und Untersuchungsverfahren vor. Beide Verfahren sind existierenden Verfahrensregelungen anderer UNO-Menschenrechtsübereinkommen nachempfunden. In diesem Kontext ist daran zu erinnern, dass grundsätzlich jede Einzelperson den Organen und Institutionen der UNO ein Menschenrechtsproblem zur Kenntnis bringen kann.

In der Geschichte des Völkerrechts handelt es sich um ein junges Phänomen, dass Einzelpersonen ihre Rechte auf internationaler Ebene geltend machen können.

Neben Verfahren auf regionaler Ebene, wie etwa dem Individualbeschwerdeverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), haben sich auf internationaler Ebene seit den 1970er-Jahren eine Reihe individueller Mitteilungs- oder Beschwerdemechanismen entwickelt, mit dem Ergebnis, dass gegenwärtig, neben dem vorliegenden Fakultativprotokoll, auch Artikel 1 des 1. Fakultativprotokolls zum UNO-Pakt II, Artikel 22 des Übereinkommens vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche Behandlung oder Strafe (CAT)25, Artikel 14 des Internationalen Übereinkommens vom 7. März 1966 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD)26 und Artikel 77 des Übereinkommens zum Schutz der Wanderarbeiter (CMW)27 ein individuelles Mitteilungsverfahren vorsehen, d.h. die Möglichkeit einer schriftlichen Mitteilung einer Einzelperson über erlittene Menschenrechtsverletzungen nach dem Durchlaufen des innerstaatlichen Instanzenzuges an das jeweilige Kontrollorgan28. Teilweise sind die Modalitäten dieses Mitteilungsverfahrens in den einzelnen Übereinkommen selber geregelt, teilweise finden sie sich, wie vorliegend, in so genannten Fakultativprotokollen verankert, was den fakultativen Charakter dieses Verfahrens besonders betont.

Die individuellen Mitteilungsverfahren der UNO sind nach ihrer Konzeption wie zum Teil auch in ihrer Handhabung durch die einzelnen Ausschüsse eine Mischung aus gerichtlichem Rechtsschutz- und diplomatischem Vermittlungsverfahren. Dass es sich nicht um Rechtsmittel im eigentlichen Sinne handelt, wird schon dadurch erkennbar, dass die Betroffenen nicht etwa «Klage» oder «Beschwerde» erheben, sondern dass sie dem jeweiligen Kontrollorgan
schlicht eine «Mitteilung» («Communication») von der Verletzung des Übereinkommens machen. Allerdings überprüfen die Ausschüsse dann, wie in einem rechtsförmigen Verfahren, Zulässigkeit

25 26 27

28

SR 0.105 SR 0.104 Das Übereinkommen zum Schutz der Wanderarbeiter (International Convention on the Protection of the Rights of All Migrant Workers and Members of their Families [CMW]) ist am 1. Juli 2003 in Kraft getreten. Das entsprechende Kontrollorgan, bestehend aus 10 unabhängigen Expertinnen und Experten, hat im März 2004 seine Tätigkeit aufgenommen.

Die Schweiz anerkennt bislang das fakultative Mitteilungsverfahren gemäss Art. 22 CAT sowie, mit Wirkung seit dem 19. Juni 2003, das individuelle Mitteilungsverfahren nach Art. 14 CERD (vgl. die Botschaft über die Anerkennung der Zuständigkeit des Ausschusses zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung [CERD] für die Entgegennahme und Erörterung von Mitteilungen gemäss Art. 14 des Internationalen Übereinkommens von 1965 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung vom 29. August 2001, BBl 2001 5927­5949). Hingegen hat bereits eine Vielzahl an Staaten das 1. Fakultativprotokoll zum UNO-Pakt II ratifiziert (gegenwärtig 104 von 149 Vertragsstaaten; eine aktualisierte Übersicht der Ratifikationen findet sich unter: http://www.unhchr.ch/pdf/report.pdf).

9798

(«admissibility») und Begründetheit («merits») einer Mitteilung am Massstab des jeweiligen Übereinkommens und dessen Verfahrensordnung29.

Die individuellen Mitteilungsmechanismen werden durch Mitteilungsverfahren vor der UNO-Menschenrechtskommission (insbesondere das sog. 1503-Verfahren30) und der Frauenrechtekommission (CSW)31 ergänzt. Diese letztgenannten Verfahren, an denen politische Staatsorgane und deren Vertreter teilnehmen, gehören zu den ältesten innerhalb des UNO-Systems. Ihr Schwerpunkt unterscheidet sich erheblich vom Fokus der zuvor genannten Abkommen: Obwohl auch sie allen Personen offenstehen, konzentrieren sich die Mitteilungen an die Kommissionen auf systematische Muster und Trends von Menschenrechtsverletzungen (z.B. schwere Menschenrechtsverletzungen gegenüber Minderheiten in einem Land) und können gegen jedes Land der Welt vorgebracht werden.

Die Regelung des Untersuchungsverfahrens des Fakultativprotokolls (Art. 8 und 9 OP CEDAW) ist Artikel 20 der UNO-Antifolterkonvention (CAT) nachgebildet, mithin einem für die Schweiz bereits heute verbindlichen Verfahren.

3.2

Die Bestimmungen des Fakultativprotokolls im Einzelnen

3.2.1

Die Zuständigkeit des Ausschusses (Art. 1)

Gemäss der Bestimmung von Artikel 1 OP CEDAW anerkennen die Vertragsstaaten die Kompetenz des Ausschusses zur Entgegennahme und Prüfung von Mitteilungen nach dem vorliegenden Fakultativprotokoll. Die Vorschrift entspricht den Regelungen anderer individueller Mitteilungsverfahren der UNO-Menschenrechtsübereinkommen. Sie soll die Kontinuität der Zuständigkeit für das Übereinkommen durch den Ausschuss sicherstellen und die Sachkompetenz eines bereits existierenden Menschenrechtsgremiums nutzen.

29

30

31

Die Verfahrensregeln zum OP CEDAW (nachfolgend: VO-CEDAW) finden sich im dritten Teil (Regeln 56­91) der Geschäftsordnung des Ausschusses; vgl. den Jahresbericht des Ausschusses zuhanden der UN-Generalversammlung für 2001 (UN Doc. A/56/38, Annex I) sowie: http://www.un.org/womenwatch/daw/cedaw/ cedawreport-a5638-RulesOfProcedure.htm#part3.

Geschaffen durch Resolution 1503 (XLVIII) des Wirtschafts- und Sozialrates vom 27. Mai 1970 bezgl. Verfahren für die Behandlung von Mitteilungen mit Bezug auf die Verletzung von Menschenrechten und Grundfreiheiten. Es handelt sich dabei um ein vertrauliches, nicht gerichtsförmiges und rein diplomatisches Verfahren. Vgl. dazu Michael Schaefer, Brückenbau ­ Herausforderung an die Menschenrechtskommission, in: Gerhart Baum/Eibe Riedel/Michael Schaefer (Hrsg.), Menschenrechtsschutz in der Praxis der Vereinten Nationen, Baden-Baden 1998, S. 57 ff., S. 77 f.

Während das 1503-Verfahren vor der UNO-Menschenrechtskommission (CHR) entwickelt wurde, um grobe Menschenrechtsverletzungen in bestimmten Ländern aufzudecken, wurde das vertrauliche Beschwerdeverfahren der UNO-Frauenrechtskommission (Commission on the Status of Women, CSW) dafür geschaffen, globale Trends und Muster im Bereich der Frauenrechte zu identifizieren. Das Verfahren wurde im Gefolge einer Reihe von Resolutionen des Wirtschafts- und Sozialrats eingerichtet und dient der Kommission zur Überprüfung vertraulicher und nichtvertraulicher Beschwerden (Res. 76 [V] vom 5. August 1947; 304 I [XI] vom 14. und 17. Juli 1950; 1983/27 vom 26. Mai 1983; 1992/19 vom 30. Juli 1992 und 1993/11 vom 27. Juli 1993 des Wirtschafts- und Sozialrates). Wie beim 1503-Verfahren ist auch hier das vorrangige Ziel nicht, direkte Abhilfe für Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu schaffen.

9799

Gemäss Artikel 17 des Übereinkommens besteht der Ausschuss aus 23 Sachverständigen von hohem sittlichem Rang und grosser Sachkenntnis auf dem von dem Übereinkommen erfassten Gebiet. Diese werden von den Vertragsparteien in geheimer Wahl für eine vierjährige Amtszeit aus einer Liste von Personen gewählt, die von den Vertragsstaaten nominiert wurden. Schon bisher hatte der Ausschuss eine wichtige Rolle bei der Auslegung des Übereinkommens. Neben der Prüfung von Staatenberichten gemäss Artikel 20 Absatz 1 CEDAW kann der Ausschuss unter anderem gemäss Artikel 21 Absatz 1 CEDAW allgemeine Empfehlungen aufgrund der Berichtsprüfungen abgeben.

3.2.2

Das individuelle Mitteilungsverfahren (Art. 2 ff.)

Artikel 2 OP CEDAW regelt zunächst die Aktivlegitimation, legt also den Personenkreis fest, der nach dem Fakultativprotokoll berechtigt ist, Mitteilungen an den Ausschuss einzureichen (vgl. Regel 68 VO-CEDAW). Im Weiteren bestimmt Artikel 2 OP CEDAW, welche Regelungen des Übereinkommens Gegenstand eines Mitteilungsverfahrens sein können.

Das Fakultativprotokoll räumt die Aktivlegitimation zur Einreichung von Mitteilungen an den Ausschuss sowohl Einzelpersonen als auch Personengruppen ein32.

Entsprechende Mitteilungen können auch von deren Vertreterinnen oder Vertretern eingereicht werden. Voraussetzung ist dabei stets eine direkte und persönliche Betroffenheit: Die Verfasserin der Mitteilung (oder die vertretene Person) muss Opfer der mutmasslichen Rechtsverletzung sein. Die Mitteilende muss nachweisen, dass sie persönlich und unmittelbar von einer Handlung oder Unterlassung, eventuell auch einer gesetzlichen Regelung des Vertragsstaates betroffen ist. Die Betroffenheit fehlt, wenn die Verfasserin der Mitteilung überhaupt nicht unter den inkriminierten staatlichen Hoheitsakt (z.B. eine Verfügung oder ein Gerichtsurteil) fällt: Der Ausschuss tritt nicht auf eine lediglich abstrakte Beschwerde ein, die im Namen einer unbestimmten Vielzahl von Drittpersonen gegen ein Gesetz als solches oder eine staatliche Politik oder Praxis erhoben wird (keine actio popularis).

Die Möglichkeit der Vertretung ist besonders wichtig, da vielen Frauen (vor allem in Ländern der Dritten Welt) oftmals die fachlichen oder juristischen Kenntnisse sowie die technischen oder finanziellen Mittel fehlen, um selbst eine Mitteilung einzubringen. Durch die Vertretungsregelung kann insbesondere auch internationalen Frauenund Menschenrechtsgruppen die Befugnis übertragen werden, Mitteilungen in Vertretung dieser Frauen beim Ausschuss vorzubringen, wobei diese Vertreterinnen 32

Analog der Bestimmung von Art. 14 CERD, welche ebenfalls «einzelne Personen oder Personengruppen», die vorgeben, Opfer einer Verletzung zu sein, als aktivlegitimiert bezeichnet, währenddem sich Art. 1 des Fakultativprotokolls UNO-Pakt II und Art. 22 CAT ausschliesslich auf «einzelne Personen» beziehen. Folglich sehen Art. 2 OP CEDAW und Art. 14 CERD ausdrücklich die Möglichkeit vor, dass Gruppen ein Verfahren bezüglich Verletzung einer Bestimmung des Übereinkommens einleiten. Allerdings ist dabei stets eine direkte und persönliche Betroffenheit notwendig: Es handelt sich hier nicht um eine «actio popularis» gegen eine allgemeine staatliche Politik (vgl. Fact Sheet No. 7/Rev. 1 des Office of the High Commissioner for Human Rights, Communications Procedures, 5, sowie ausdrücklich den Entscheid des CERD-Ausschusses in Mitteilung Nr. 28/2003, Ziff. 6.5 f. [The Documentation and Advisory Centre on Racial Discrimination vs. Dänemark], welche der CERD-Ausschuss aufgrund des Mangels identifizierbarer persönlich betroffener Opfer als nicht zulässig erachtete).

9800

und Vertreter nicht der Hoheitsgewalt des Vertragsstaates unterstehen müssen.

Durch diese Möglichkeit wird unter Berücksichtigung der spezifischen Lebenssituationen von Frauen die effektive Nutzung des Fakultativprotokolls gewährleistet.

Sofern Mitteilungen nicht von den betroffenen Einzelpersonen oder Personengruppen selbst eingebracht werden, kann dies nur mit deren ausdrücklichen Zustimmung bzw. Bevollmächtigung geschehen. Allerdings ist denkbar, dass es potentiellen Petitionärinnen aus faktischen Gründen unmöglich ist, ihre formelle Zustimmung zu erteilen (etwa bei einer vollständigen Isolierung der Betroffenen und der Verhinderung von Kontakten mit Aussenstehenden oder im Falle von Furcht vor Repressalien gegenüber Familienangehörigen). Für solche Fälle sieht Artikel 2 Satz 2 OP CEDAW vor, dass eine Mitteilung ausnahmsweise auch von Dritten eingereicht werden kann, sofern die jeweilige Verfasserin bzw. der Verfasser der Mitteilung sein Tätigwerden im Namen der Betroffenen ohne deren ausdrückliche Zustimmung begründen kann33. In solchen Fällen verlangt der Ausschuss keine formelle Autorisierung (vgl. Regel 68 Ziff. 2 VO-CEDAW).

Artikel 2 OP CEDAW hält ferner fest, dass der Ausschuss nur berechtigt ist, Mitteilungen zu behaupteten Verletzungen von Rechten nach dem Übereinkommen durch den Vertragsstaat entgegenzunehmen. Das Übereinkommen begründet in erster Linie Staatenverpflichtungen, wonach die Vertragsstaaten das Übereinkommen und die in ihm anerkannten Frauenrechte in ihrem innerstaatlichen Recht umsetzen müssen. Soweit Artikel 2 des Fakultativprotokolls von «einer Verletzung eines im Übereinkommen niedergelegten Rechts durch diesen Vertragsstaat» spricht, können damit nur solche Bestimmungen des Übereinkommens gemeint und Gegenstand einer Mitteilung sein, die zugleich im Konkretisierungsgrad Individualrechten entsprechen und somit justiziabel sind. Davon zu unterscheiden sind solche Bestim-

33

Im Namen der Europäischen Union und der assoziierten Staaten sowie der EFTA-Staaten inkl. der Schweiz, gab die deutsche Delegation als amtierende EU-Präsidentschaft nach Annahme des Fakultativprotokolls im März 1999 folgende interpretative Erklärung bezüglich Art. 2 des Fakultativprotokolls ab: «(...) (a) Die vorgenannten Delegationen verstehen Art. 2 Satz 1 im Lichte der Handhabung der bestehenden Menschenrechtsinstrumente, wie in ihren Verfahrensregeln, den Verfahrensregeln des Menschenrechtsausschusses, Regel 90 (b), den Verfahrensregeln des Ausschusses für die Beseitigung der Rassendiskriminierung, Regel 91 (b) und den Verfahrensregeln des Ausschusses gegen Folter, Vorschrift 107 (1) (b), wiedergegeben.

(b) Wir, die vorgenannten Delegationen, verstehen gemäss den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts den Bezug auf die in Art. 2 Satz 1 und den Bezug auf die «Verletzung» in Art. 8 Satz 1 eines im Übereinkommen niedergelegten Rechts dahingehend, dass sie sowohl eine Handlung als auch eine unterlassene Handlung durch den betreffenden Vertragsstaat umfasst.» (vgl. den Bericht der 43. UNO-Frauenrechtskommission [E/1999/27 CSW], S. 63 f).

Mit Buchstabe a der Erklärung wird festgehalten, dass die Interpretation der Rechtfertigung der Vertretung ohne expliziten Auftrag im Sinne der übrigen UNO-Menschenrechtsinstrumente zu verstehen ist, und mit der Formulierung im Artikel 2 Satz 2 OP CEDAW keine höhere formale Anforderung an dieses Vertretungsrecht eingeführt werden soll. Des Weiteren hält die Erklärung mit Buchstabe b fest, dass eine Verletzung eines im Übereinkommen niedergelegten Rechts sowohl durch eine Handlung als auch durch ein Unterlassen des betreffenden Vertragsstaates bewirkt werden kann. Der Ausschuss wird diese Erklärung in der Beurteilung von Mitteilungen berücksichtigen.

9801

mungen, die programmatische Zielvorgaben beschreiben, für deren Umsetzung dem Vertragsstaat ein Ermessensspielraum politischer Gestaltung zusteht34.

Für diese Sichtweise spricht nicht nur der Wortlaut der Bestimmung von Artikel 2 OP CEDAW, sondern auch seine Verhandlungsgeschichte, bei der man sich des Unterschiedes zwischen Rechten (rights) und sonstigen Bestimmungen (provisions) des Übereinkommens durchaus bewusst war. Wie bereits in der Botschaft zum Übereinkommen festgehalten wurde35, geht der Bundesrat davon aus, dass die Bestimmungen des Übereinkommens grundsätzlich nicht direkt anwendbar sind36.

Allerdings wurde bereits damals nicht ausgeschlossen, dass zumindest gewisse Teilgehalte der Artikel 9 CEDAW (Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit) und 15 CEDAW (Rechtsgleichheit, Rechts- und Geschäftsfähigkeit im Zivil- und Prozessrecht, Recht auf Freizügigkeit und Wohnsitzwahl), möglicherweise auch die Artikel 7 CEDAW (Politisches und öffentliches Leben) und 16 CEDAW (Ehe und Familie), vom Bundesgericht als direkt anwendbar qualifiziert werden könnten37. Im weiteren wird sodann dem Ausschuss die Auslegung obliegen, welche Bestimmungen hinreichend konkrete Rechte enthalten, die nach dem Fakultativprotokoll mitteilungsfähig sind, und welches die sonstigen Staatenverpflichtungen sind, welche im Rahmen der üblichen Beratung der periodischen Länderberichte (nach Teil V des Übereinkommens) überprüft werden.

3.2.3

Formvorschriften (Art. 3)

Artikel 3 OP CEDAW beinhaltet Vorschriften über die Formerfordernisse für Mitteilungen an den Ausschuss und regelt die Passivlegitimation. Danach müssen Mitteilungen in schriftlicher Form eingereicht werden und dürfen nicht anonym sein (vgl. Regel 56 VO-CEDAW). Infolge des fakultativen Charakters können Mitteilungen nur gegen Vertragsstaaten des Fakultativprotokolls eingebracht werden. Eine Mitteilung kann folglich nur gegen einen (Vertrags-)Staat eingereicht werden, der das Übereinkommen sowie das Fakultativprotokoll ratifiziert hat, und damit die Befugnis des Ausschusses anerkennt, Mitteilungen von Einzelpersonen oder Perso34

35

36

37

Zur Frage der Verpflichtungsstruktur der Menschenrechte im Zusammenhang mit der Frage der Justiziabilität von sozialen und wirtschaftlichen Menschenrechten vgl. etwa die Botschaft des Bundesrates betreffend den Beitritt der Schweiz zu den beiden internationalen Menschenrechtspakten von 1966 (BBl 1991 I 1189).

Siehe dazu die Ausführungen in der Botschaft betreffend das Übereinkommen von 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 23. August 1995 (BBl 1995 IV 901), Ziffer 31.

Diese Tatsache wird vom Ausschuss in seinen Schlussbemerkungen zum Ersten und Zweiten Länderbericht der Schweiz (CEDAW/C/CHE/1­2) kritisiert, wenn er mit Besorgnis feststellt, dass der Bundesrat nach wie vor davon ausgeht, dass das Übereinkommen im Wesentlichen programmatischer Natur sei (vgl. Auszug aus dem Bericht A/58/38 [Part I], Par. 87­141; Ziff. 20) .

Hierzu etwa die Entscheidung BGE 125 I 21, E. 4 b, in welcher das Bundesgericht bezüglich zeitlich befristeter Sondermassnahmen (wie etwa Vorzugsbehandlungen oder Quotensysteme) zur Förderung der Integration der Frauen namentlich im Bereich der Politik festhält, dass das Übereinkommen keine konkreten Verpflichtungen enthält, sondern den Vertragsstaaten die Wahl der Mittel überlässt, mit denen sie die Untervertretung von Frauen im politischen und öffentlichen Leben beheben wollen. Vgl. auch Christina Hausammann/Erika Schläppi, Menschenrechte und Frauenrechte ­ Das UNO-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und seine Bedeutung für die Schweiz, AJP 1995, S. 32­46, S. 38 und 44.

9802

nengruppen nachzugehen. Das Fakultativprotokoll verpflichtet nur Staaten; Privatpersonen sind nicht passivlegitimiert.

Diese Bestimmungen entsprechen dem Standard der übrigen individuellen Mitteilungsverfahren anderer UNO-Menschenrechtsübereinkommen (vgl. Art. 22 CAT und Art. 14 CERD).

3.2.4

Prüfung der Zulässigkeit einer Mitteilung (Art. 4)

Die Bedingungen für die Zulässigkeit einer Mitteilung gemäss dem Fakultativprotokoll basieren auf den Erfahrungen der anderen UNO-Mitteilungsverfahren. Die Begründungen für die Unzulässigkeit sind in Artikel 4 OP CEDAW verankert und entsprechen den allgemeinen Mustern der erwähnten Verfahren (CERD; CAT; 1. Fakultativprotokoll UNO-Pakt II). Zwei Punkte sind jedoch hervorzuheben, die von diesem Muster abweichen. Erstens gilt eine individuelle Mitteilung ­ wie im Falle des Ausschusses gegen Folter (CAT) ­ expressis verbis als unzulässig, wenn über diese bereits im Rahmen eines anderen internationalen Untersuchungs- oder Beilegungsverfahrens entschieden wurde. Zweitens verfügt der Ausschuss über die ausdrückliche Kompetenz, Mitteilungen frühzeitig zurückzuweisen, wenn diese offenkundig schlecht begründet sind, oder mit anderen Worten ungerechtfertigt sind.

Artikel 4 Absatz 1 OP CEDAW (Regel 69 Ziff. 6 VO-CEDAW) hält zunächst die für die internationalen Menschenrechtsverfahren übliche Voraussetzung fest, dass für die Prüfung einer Mitteilung durch den Ausschuss die Ausschöpfung aller innerstaatlich zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe strikte notwendig ist (exhaustion of local remedies-rule)38.

Welche innerstaatlichen Rechtsbehelfe ergriffen werden müssen, muss letztlich im Einzelfall unter Berücksichtigung des jeweiligen nationalen Rechtssystems und der konkreten Umstände des Falls entschieden werden. Dabei sind grundsätzlich alle gerichtlichen und administrativen Möglichkeiten auszuschöpfen, die eine begründete Chance auf Abhilfe bieten. Für etwaige Mitteilungen aus der Schweiz bedeutet dies, dass sich der Ausschuss mit diesen Fällen grundsätzlich nur dann befassen kann, wenn sie innerstaatlich rechtskräftig entschieden sind und auch eine staatsrechtliche Beschwerde (Art. 84 ff. OG39) erfolglos geblieben ist.

Im Falle des Erschöpfungsgrundsatzes sind sämtliche UNO-Ausschüsse relativ streng: So durfte sich etwa vor dem CERD-Ausschuss ein Beschwerdeführer nicht darauf berufen, dass die innerstaatlichen Rechtsbehelfe nur deshalb nicht ausgeschöpft wurden, weil der Anwalt die Frist versäumt hatte. Der CERD-Ausschuss vertrat die Auffassung, dies könne dem Vertragsstaat nicht angelastet werden, weil der Mitteilende den Anwalt selbst ausgesucht habe (Mitteilung Nr. 5/1994, Ziff. 6.2). Beschwerdeführer können auch nicht ohne weiteres geltend machen, die 38

39

Die klassische Funktion des Grundsatzes bestand im Schutz der staatlichen Souveränität gegenüber der übermässigen Einmischung eines anderen Staates zur Geltendmachung von Ansprüchen zu Gunsten von Privatpersonen (sog. Ausübung des diplomatischen Schutzes). Um damit verbundene drohende Verschlechterungen in den internationalen Beziehungen zu vermeiden und den Grundsatz der staatlichen Souveränität aufrechtzuerhalten, wurde der Erschöpfungsgrundsatz ins Völkerrecht eingeführt. Darüber hinaus ging man davon aus, dass das nationale Rechtsverfahren wirksamer war, um der geschädigten Person zu prompter und rascher Befriedigung zu verhelfen.

SR 173.110

9803

zur Verfügung stehenden innerstaatlichen Rechtsmittel seien nicht effektiv: Zweifel hinsichtlich der Wirksamkeit der innerstaatlichen Rechtsbehelfe machen, nach Ansicht der Ausschüsse, die Pflicht zu deren Ausschöpfung nicht hinfällig.

In begrenztem Umfang werden jedoch Ausnahmen vom Erschöpfungsgrundsatz gewährt: Insbesondere wenn die Ausschöpfung von Rechtsmitteln zu einer unverhältnismässigen zeitlichen Verschleppung führen, diese keine wirksamen Ergebnisse zeitigen würden oder wenn Rechtsmittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Es ist jedoch vom Beschwerdeführer detailliert zu begründen, warum die allgemeine Regel nicht anzuwenden sei. Die Bemühungen, die an den Tag gelegt wurden, um die nationalen Rechtsbehelfe auszuschöpfen, sind in der Mitteilung zu beschreiben (Verfahren, Daten, Ergebnisse), beziehungsweise ist zu begründen, warum eine wie auch immer geartete Ausnahme gewährt werden soll.

Nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe a OP CEDAW ist eine Mitteilung unzulässig, wenn dieselbe Sache bereits von dem Ausschuss untersucht worden ist oder in einem anderen internationalen Untersuchungs- oder Streitregelungsverfahren geprüft worden ist oder geprüft wird. Dieses Kumulationsverbot bezweckt unnötige Überschneidungen mit Mitteilungsverfahren nach anderen Menschenrechtsübereinkommen. Die Bestimmung ist Regelungen anderer UNO-Menschenrechtsübereinkommen nachgebildet, z.B. Artikel 22 Absatz 5 Buchstabe a UNO-Antifolterkonvention (CAT)40.

Aufgrund der Vorschrift in Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe a OP CEDAW wird somit die Anwendung anderer internationaler Kontrollmechanismen expressis verbis eingeschränkt (also etwa im Gegensatz zu Art. 14 CERD, wo die Schweiz diesbezüglich eine präzisierende Erklärung abgegeben hat). Ohnehin ist die Praxis der UNO-Vertragsüberwachungsorgane eindeutig vom völkerrechtlichen Grundsatz der hierarchischen Gleichrangigkeit aller internationalen Gerichts- und Kontrollinstanzen geprägt: Dieser soll verhindern, dass eine internationale Behörde auf dem Weg des Weiterzuges über die Entscheidung einer anderen urteilt.

Gemäss Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b kann eine Mitteilung zurückgewiesen werden, wenn sie «unvereinbar mit den Bestimmungen des Übereinkommens» ist. Da sich der Gegenstand von Mitteilungen gemäss Artikel 2 auf die im Übereinkommen niedergelegten Rechte
beschränkt, sind Mitteilungen, welche die Verletzung anderer Rechte behaupten, ratione materiae unvereinbar mit den Bestimmungen des Übereinkommens.

Unzulässig ist nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe c auch eine Mitteilung, die offensichtlich unbegründet ist oder nicht hinreichend begründet wird (Substantiierungspflicht). Hierbei handelt es sich insbesondere um solche Mitteilungen, bei denen die behaupteten Rechtsverletzungen nicht oder nicht ausreichend mit Tatsachen substantiiert sind. Als unzulässig gelten somit Mitteilungen, denen ein Mindestmass an Informationen fehlt, die auf eine mögliche Verletzung des Übereinkommens hinweisen. Die UNO-Ausschüsse prüfen jedoch in der Regel frei, ob allenfalls noch weitere ­ in der Mitteilung nicht erwähnte ­ Bestimmungen des jeweiligen Übereinkommens betroffen sind.

Nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe d ist eine Mitteilung des Weiteren unzulässig, wenn sie rechtsmissbräuchlich ist. Dieser Zurückweisungsgrund kann herangezogen werden, wenn mit der Mitteilung z.B. offensichtlich querulatorische Absichten 40

Vgl. die nachfolgenden Ausführungen sub Ziffer 3.3.

9804

verfolgt werden (etwa mehrfache, erfolglose Geltendmachung des gleichen Falles) oder der Mitteilung bewusst falsche Angaben zugrunde liegen, die eine Irreführung des Ausschusses bezwecken.

Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe e sieht schliesslich vor, dass das Mitteilungsrecht nicht rückwirkend anwendbar ist, d.h. dass Vorfälle vor dem Inkrafttreten des Fakultativprotokolls, die nicht ab diesem Zeitpunkt fortbestehen, keinen Beschwerdegrund gemäss Artikel 2 des Fakultativprotokolls abgeben können (zeitlicher Geltungsbereich [ratione temporis])41. Ausnahmsweise prüfen die UNO-Ausschüsse jedoch die gesamten Umstände eines Falles, wenn sich die Auswirkungen des zur Diskussion stehenden Ereignisses bis in den Zeitraum erstrecken, in dem der Mitteilungsmechanismus Geltung erlangt.

3.2.5

Vorläufige Massnahmen bei zeitlicher Dringlichkeit (Art. 5)

Artikel 5 Absatz 1 OP CEDAW, der seine Entsprechung in Regel 63 des Verfahrensreglements des Ausschusses findet, ermächtigt den Ausschuss zu vorläufigen Massnahmen. Mitteilungen entfalten keine aufschiebende Wirkung, daher kann der Ausschuss jederzeit nach Eingang einer Mitteilung und bevor er in der Sache selbst entschieden hat, dem betreffenden Vertragsstaat ein Gesuch zur sofortigen Prüfung übermitteln und ihn auffordern, die gegebenenfalls erforderlichen vorläufigen Massnahmen zu treffen, um einen möglichen, nicht wieder gut zu machenden Schaden für das oder die Opfer der behaupteten Verletzung abzuwenden.

Bei der Beurteilung, was ein «nicht wieder gut zu machender Schaden ist», steht dem Ausschuss ein gewisser Ermessensspielraum zu. Bei Ausübung dieses Ermessens wird er sich an der Praxis der in den Verfahrensordnungen anderer Menschenrechtsübereinkommen enthaltenen Regelungen zu vorläufigen Massnahmen orientieren (vgl. Regel 108 Abs. 1 Verfahrensordnung des CAT42; 94 Abs. 3 Verfahrensordnung des CERD43). Wesentliches Kriterium für die Annahme eines «nicht wieder gut zu machenden Schadens» sind demnach die Schwere und Irreversibilität

41

42 43

Am 14. Juli 2004 hat der Ausschuss seinen ersten Fall entschieden (Communication No. 1/2003, Ms. B.-J. gegen Deutschland). Die Mitteilung, vom 20. August 2002 datierend, wurde vom Ausschuss aus formellen Gründen für unzulässig erklärt. Die 57-jährige Beschwerdeführerin hatte während dreissig Ehejahren drei Kinder grossgezogen und auf Wunsch des Ehegatten auf den Wiedereinstieg in den Beruf verzichtet. Im Jahre 2000 wurde die Ehe geschieden, und die Beschwerdeführerin rügte, dass das deutsche Scheidungsrecht geschlechterdiskriminierend sei, da die unbezahlte Betreuungsarbeit und die daraus folgenden schlechteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt, welche vor allem Frauen treffen, vom Scheidungsrecht zu wenig berücksichtigt werden. Der Ausschuss erklärte die Mitteilung zum einen aus zeitlichen Gründen als unzulässig (das Fakultativprotokoll ist für Deutschland am 15. April 2002 in Kraft getreten) und zum anderen mit der Begründung, dass die innerstaatlichen Rechtsmittel nicht ausgeschöpft worden seien (die Höhe der vom Ehemann geschuldeten Unterhaltsrente war zum Zeitpunkt der Entscheidung der Mitteilung noch offen).

UN Doc. CAT/C/3/Rev. 2 (1997).

UN Doc. CERD/C/65/Rev. 3 mit Änderung 1993 (UN Doc. A/48/18, Annex V).

9805

der Folgen für das oder die Opfer, die eine spätere Entscheidung des Ausschusses in der Sache selbst obsolet machen könnten44.

Es ist festzuhalten, dass ein Ersuchen des Ausschusses an den Vertragsstaat um entsprechende Interimsmassnahmen keine verbindliche Wirkung besitzt. Artikel 5 Absatz 2 OP CEDAW stellt ferner klar, dass ein Gesuch des Ausschusses zu vorläufigen Massnahmen keine Entscheidung über die Zulässigkeit der Mitteilung oder in der Sache selbst bedeutet.

3.2.6

Informationsaustausch (Art. 6)

Artikel 6 Absatz 1 OP CEDAW enthält weitere Verfahrensvorschriften zur Behandlung zulässiger Mitteilungen durch den Ausschuss. Sobald der Ausschuss eine Mitteilung zur Behandlung annimmt, bringt er sie dem betreffenden Vertragsstaat vertraulich zur Kenntnis (vgl. Regel 69 Ziff. 1 VO-CEDAW). Voraussetzung dafür ist aber, dass das oder die Opfer der behaupteten Verletzung eines im Übereinkommen niedergelegten Rechts in die Offenlegung ihrer Identität gegenüber dem Vertragsstaat einwilligen. Verweigert ein Opfer die Offenlegung, endet das Verfahren an dieser Stelle.

Artikel 6 Absatz 2 verpflichtet den Vertragsstaat, dem Ausschuss innerhalb von sechs Monaten seine Sicht der Sachlage und gegebenenfalls von ihm getroffene Abhilfemassnahmen schriftlich zu übermitteln (vgl. Regel 69 Ziff. 3 VO-CEDAW).

Die Regelung entspricht dem Standard anderer UNO-Menschenrechtsübereinkommen, z.B. Artikel 4 Absatz 2 des 1. Fakultativprotokolls zum UNO-Pakt II. In seiner Stellungnahme kann sich der Vertragsstaat sowohl zur Begründetheit der Mitteilung wie auch zu deren Zulässigkeit nach Artikel 4 OP CEDAW äussern. Der Ausschuss kann diese sodann im Lichte dieser Gegenäusserung erneut prüfen.

3.2.7

Prüfung der Begründetheit einer Mitteilung (Art. 7)

Artikel 7 OP CEDAW befasst sich mit der abschliessenden materiellen Behandlung der individuellen Mitteilungen durch den Ausschuss (materielle Prüfung der Frage, ob die im Übereinkommen verankerten Rechte verletzt wurden).

Gemäss der Bestimmung von Artikel 7 Absatz 1 OP CEDAW prüft der Ausschuss die ihm zugegangenen Mitteilungen sowie die nach Artikel 6 übermittelten Erklärungen des betreffenden Vertragsstaates unter Berücksichtigung aller ihm von den Parteien unterbreiteten Angaben, wobei der Ausschuss verpflichtet ist, diese Angaben allen Parteien zuzuleiten. Der Ausschuss kann zudem zur Unterstützung bei der Prüfung der Mitteilung über den UNO-Generalsekretär die Vereinten Nationen oder andere Organe um Unterlagen jeglicher Art bitten (vgl. Regel 72 Ziff. 2 VO-CEDAW).

44

So hat der Ausschuss in seinem zweiten zu beurteilenden Fall (Communication No. 2/2003 Ms. A.T. vs. Hungary) im Rahmen von Art. 5 OP CEDAW Ungarn aufgefordert, unverzüglich die nötigen Massnahmen zum Schutz des Opfers zu treffen. Die Beschwerdeführerin hat in der Mitteilung darum ersucht, da sie sich durch ihren gewalttätigen Ehemann bedroht fühlte und um ihr Leben fürchtete.

9806

Diese Vorschrift dient der Sicherung der Entscheidungsfindung des Ausschusses auf einer möglichst breiten Grundlage, da die Prüfung nicht allein auf die Mitteilung und die Gegenäusserung des Vertragsstaates beschränkt ist, sondern darüber hinaus auch alle von den Parteien und ihren Vertretern unterbreiteten zusätzlichen Angaben einfliessen müssen. Die Zuleitung dieser Angaben an die beteiligten Parteien, denen damit Gelegenheit geboten wird, Stellung zu diesen Unterlagen oder Informationen zu nehmen, sichert die Fairness des Verfahrens.

Gemäss Artikel 7 Absatz 2 OP CEDAW hat der Ausschuss, über die Mitteilungen in geschlossener Sitzung zu beraten (vgl. auch Regel 74 VO-CEDAW).

Der Ausschuss übermittelt nach der abschliessenden Prüfung der Begründetheit der Mitteilung gemäss Artikel 7 Absatz 3 OP CEDAW den betreffenden Parteien seine Auffassungen zusammen mit etwaigen Empfehlungen. Ist der Ausschuss zu der Auffassung gelangt, dass eine Verletzung von im Übereinkommen niedergelegten Rechten vorliegt, so kann er dem Vertragsstaat auch Empfehlungen zur Abhilfe übermitteln (vgl. Regel 72 Ziff. 5 VO-CEDAW). Nach den Erfahrungen mit den übrigen UNO-Mitteilungsverfahren kann es sich bei den Empfehlungen um Vorschläge zu Gesetzesänderungen, verbesserten Schulungen für ausführende Organe, vermehrte Öffentlichkeitsarbeit oder auch Entschädigungszahlungen an das oder die Opfer handeln.

Während jedoch die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) völkerrechtlich bindend sind, gibt der Ausschuss zu einer Mitteilung lediglich Einschätzungen und Empfehlungen ab. Diese sind ohne völkerrechtliche Verbindlichkeit und lösen daher für den betroffenen Staat keine rechtliche Handlungsverpflichtung aus.

Gemäss Absatz 4 hat der Vertragsstaat die Auffassungen des Ausschusses zusammen mit etwaigen Empfehlungen gebührend in Erwägung zu ziehen und dem Ausschuss innerhalb von sechs Monaten eine detaillierte und schriftliche Antwort zu unterbreiten, welche Angaben über alle unter Berücksichtigung der Auffassungen und Empfehlungen getroffenen Massnahmen enthält (vgl. auch Regel 73 Ziff. 1 VO-CEDAW). Der Vertragsstaat hat auch zu berichten, wenn und warum er allenfalls den Empfehlungen des Ausschusses nicht nachkommen wird.

Der Ausschuss kann gemäss Absatz 5 den Vertragsstaat einladen, weitere Angaben
über Massnahmen zu machen, die der Vertragsstaat in Beantwortung der Auffassungen oder etwaigen Empfehlungen des Ausschusses getroffen hat, und diese Massnahmen, soweit dies der Ausschuss für angemessen hält, in die spätere Berichterstattung des Vertragsstaates gemäss Artikel 18 des Übereinkommens aufnehmen (vgl. Regel 73 Ziff. 2 und 3 VO-CEDAW). Diese Bestimmung beinhaltet somit einen sogenannten Follow-up-Mechanismus, der zunächst einem «kritischen Dialog» mit den Vertragsstaaten und der Evaluierung der Ausschussempfehlungen dient. Da wohl die meisten Massnahmen, die ein Vertragsstaat in Zusammenhang mit den Empfehlungen des Ausschusses zu einer Mitteilung gegebenenfalls in Gang setzt, nicht kurzfristig wirksam werden, ist es sinnvoll, wenn der Ausschuss mit dem Vertragsstaat in Kontakt bleiben kann. Zum Follow-up gehört konsequenterweise auch, dass der Ausschuss den Vertragsstaat auffordern kann, in seinem periodischen Staatenbericht gemäss Artikel 18 des Übereinkommens auf die Umsetzung der Empfehlungen aus dem individuellen Mitteilungsverfahren einzugehen.

9807

3.2.8

Das Untersuchungsverfahren (Art. 8 ff.)

Während sich die Artikel 2­7 des Fakultativprotokolls mit der Regelung des individuellen Mitteilungsverfahrens von Personen oder Personengruppen befassen, regeln die Artikel 8­10 OP CEDAW ein Untersuchungsverfahren (Enquête-Verfahren), welches Artikel 20 des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame und unmenschliche Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984 (CAT) nachgebildet ist (vgl. Regeln 76­91 VO-CEDAW).

Artikel 8 OP CEDAW verankert ein vertrauliches Untersuchungsverfahren durch den Ausschuss, welches in mehrere Verfahrensstufen gegliedert ist, wobei der Vertragsstaat auf allen Verfahrensstufen um Zusammenarbeit anzugehen ist (Art. 8 Abs. 5).

Auf der ersten Verfahrensstufe kann der Ausschuss nach Artikel 8 Absatz 1 OP CEDAW aufgrund von zuverlässigen Angaben, die auf schwerwiegende oder systematische Verletzungen der im Übereinkommen niedergelegten Rechte durch den Vertragsstaat hinweisen, diesen Vertragsstaat einladen, bei der Prüfung dieser Angaben mitzuwirken und zu diesen Angaben Stellung zu beziehen. Anknüpfungspunkt für die Einleitung eines Untersuchungsverfahrens sind zuverlässige Angaben, die sich alternativ auf schwerwiegende oder systematische Menschenrechtsverletzungen an Frauen beziehen. Als schwerwiegende Verletzungen gelten in erster Linie die Bedrohung des Lebens, der körperlichen und geistigen Integrität oder der Sicherheit einer Person. Bei systematischen Verletzungen, die unterhalb dieser Schwelle liegen können, wird es sich insbesondere um weit verbreitete oder zielgerichtete Diskriminierungspraktiken handeln.

Gemäss Artikel 8 Absatz 2 OP CEDAW kann der Ausschuss unter Berücksichtigung der vom Vertragsstaat abgegebenen Stellungnahmen sowie aller sonstigen ihm zur Verfügung stehenden Informationen auf der zweiten Verfahrensstufe eines oder mehrere seiner Mitglieder mit einer Untersuchung beauftragen. Diese kann mit Zustimmung des Vertragsstaates auch einen Besuch seines Hoheitsgebietes einschliessen (vgl. Regel 86 VO-CEDAW).

Die Ergebnisse, zu denen der Ausschuss aufgrund einer solchen Untersuchung gelangt, werden nach Artikel 8 Absatz 3 OP CEDAW zusammen mit etwaigen Bemerkungen und Empfehlungen an den betreffenden Vertragsstaat weitergeleitet.

Dieser übermittelt gemäss Artikel 8 Absatz 4 OP CEDAW innerhalb von sechs Monaten dem Ausschuss seine Stellungnahme.
Das hier verankerte Untersuchungsverfahren stellt eine wichtige Ergänzung des Mitteilungsverfahrens dar, dank dem der Ausschuss auch ohne Vorliegen einer individuellen Mitteilung gegen schwerwiegende und systematische Verletzungen von Menschenrechten vorgehen kann. Gerade in solchen Fällen kann es besonders schwierig sein, eine Mitteilung einzubringen. Einzelpersonen oder auch Personengruppen sind in Fällen schwerwiegender oder systematischer Menschenrechtsverletzungen oftmals akuten Gefahren oder Bedrohungen ausgesetzt, was ihre Möglichkeiten, eine Mitteilung zu machen, einschränkt. Zudem soll dem Untersuchungsverfahren auch eine gewisse Präventivfunktion zukommen. Allein die Möglichkeit eines Untersuchungsverfahrens durch den Ausschuss kann dazu beitragen, schwerwiegenden oder systematischen Menschenrechtsverletzungen durch einen Vertragsstaat vorzubeugen.

9808

Während der Ausschuss gegen die Folter (CAT) bisher Untersuchungen über systematische Folter in insgesamt sechs Vertragsstaaten eingeleitet und die Ergebnisse von fünf Verfahren (gegen Mexiko, Sri Lanka, die Türkei, Ägypten und Peru) veröffentlicht hat, hat der Ausschuss gegen die Diskriminierung der Frau bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt erst ein einziges Untersuchungsverfahren i.S.v. Artikel 8 OP CEDAW, und zwar gegen Mexiko durchgeführt. Im konkreten Fall wurden die Entführungen, Vergewaltigungen und Ermordungen von Frauen in der Region Chihuahua untersucht. Nach einem Besuch einer Delegation des Ausschusses in Mexiko hat dieser Bemerkungen und Empfehlungen ausgearbeitet, welche dann Mexiko zur Stellungnahme unterbreitet wurden45.

3.2.9

Follow-up-Mechanismen für das Untersuchungsverfahren (Art. 9)

Diese Bestimmung sieht zwei sog. Follow-up-Mechanismen für das Untersuchungsverfahren von Artikel 8 OP CEDAW vor. Parallel zu Artikel 7 Absatz 5 OP CEDAW regelt Artikel 9 Absatz 1 OP CEDAW, dass der Ausschuss den Vertragsstaat ersuchen kann, in seinem periodischen Staatenbericht gemäss Artikel 18 CEDAW auch auf die Umsetzung der Empfehlungen aus dem abgeschlossenen Untersuchungsverfahren einzugehen und Einzelheiten über etwaige getroffene Massnahmen aufzunehmen (vgl. Regel 90 Ziff. 1 VO-CEDAW).

Artikel 9 Absatz 2 OP CEDAW sieht parallel zur Bestimmung in Artikel 7 Absatz 5 OP CEDAW einen weiteren Follow-up-Mechanismus vor: Danach kann der Ausschuss gegebenenfalls nach Ablauf des in Artikel 8 Absatz 4 genannten Zeitraums von sechs Monaten den betreffenden Vertragsstaat ersuchen, ihn über die aufgrund einer solchen Untersuchung getroffenen Massnahmen zu informieren und mit dem Vertragsstaat nach Übermittlung von dessen Stellungnahme gemäss Artikel 8 Absatz 4 in der Phase der Umsetzung der Empfehlungen in Kontakt bleiben (vgl.

Regel 90 Ziff. 2 VO-CEDAW).

3.2.10

«Opting-out»-Klausel (Art. 10)

Aufgrund der Bestimmung von Artikel 10 OP CEDAW besteht für die Vertragsstaaten des Fakultativprotokolls keine Verpflichtung, das in Artikel 8 und 9 OP CEDAW vorgesehene Untersuchungsverfahren anzuerkennen (sog. «opting-out»Klausel). Zu diesen beiden Artikeln sind somit ­ trotz der in Artikel 17 OP CEDAW enthaltenen Klausel, welche die generelle Unzulässigkeit von Vorbehalten zum Fakultativprotokoll vorsieht ­, zum Zeitpunkt der Unterzeichnung, der Ratifikation oder des Beitritts einseitige Erklärungen zulässig, wonach die in den Artikeln 8 und 9 OP CEDAW vorgesehene Zuständigkeit des Ausschusses nicht anerkannt wird.

Zurzeit haben gerade einmal drei von 71 Ländern (Bangladesch, Belize und Kuba) von der Möglichkeit einer solchen «opting-out»-Klausel Gebrauch gemacht.

45

Informationen zum Fall finden sich unter: http://www.un.org/womenwatch/daw/cedaw/ cedaw32/CEDAW-C-2005-OP.8-MEXICO-E.pdf.

9809

Es erschiene nicht opportun, dass der Bundesrat anlässlich der Ratifikation eine solche Erklärung abgeben würde. So haben etwa sämtliche Nachbarstaaten der Schweiz sowie alle Mitgliedsstaaten der EU, die das Fakultativprotokoll bereits ratifiziert haben bzw. ihm beigetreten sind (Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Holland, Irland, Italien, Liechtenstein, Luxemburg, Österreich, Polen, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien und die Tschechische Republik), darauf verzichtet eine solche Erklärung anlässlich der Ratifikation abzugeben.

Der Verzicht auf eine entsprechende Opting-out-Erklärung entspräche im Übrigen der Haltung der Schweiz zu anderen Untersuchungsverfahren. Eine Opting-OutMöglichkeit enthält bereits Artikel 28 Absatz 1 CAT, von welcher die Schweiz keinen Gebrauch gemacht hat46.

3.2.11

Schutz- und Informationspflichten (Art. 11 ff.)

Artikel 11 OP CEDAW begründet eine umfassende Schutzpflicht des Staates für die Personen, welche sich im Rahmen eines der beiden Verfahren an den Ausschuss gewandt haben bzw. davon betroffen sind. Die Bestimmung bezweckt in erster Linie den Schutz von Personen, die sich mit einer Mitteilung an den Ausschuss wenden, vor Misshandlungen oder Einschüchterungen. Der Staat ist verpflichtet, sowohl selbst gegenüber diesen Personen solche Handlungen zu unterlassen als auch solche von Seiten Dritter nicht zuzulassen. Der geschützte Personenkreis wird weit verstanden und umfasst sowohl die in Artikel 2 genannten Einzelpersonen und Personengruppen, deren Vertreterinnen und Vertreter auch als Auskunftspersonen des Ausschusses z.B. in einem Untersuchungsverfahren nach Artikel 8, die der Hoheitsgewalt eines Vertragsstaates unterstehen.

3.2.12

Berichtspflichten des Ausschusses (Art. 12)

Artikel 12 OP CEDAW betrifft die Berichtspflichten des Ausschusses und erweitert dessen bestehende Berichtspflichten. Nach Artikel 21 des Übereinkommens hat der Ausschuss der UNO-Generalversammlung über den Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) jährlich einen Bericht über seine Tätigkeit vorzulegen. Gemäss Artikel 12 OP CEDAW soll dieser Jahresbericht auch eine Zusammenfassung seiner Tätigkeit nach diesem Fakultativprotokoll enthalten (vgl. auch Regel 73 Ziff. 7 VO-CEDAW).

46

Analog zu Art. 10 OP CEDAW können die Vertragsstaaten der UNO-Antifolterkonvention das in Art. 20 CAT vorgesehene Untersuchungsverfahren bei der Unterzeichnung bzw. Ratifizierung mit einem Spezialvorbehalt ausschliessen. Von dieser «opting out»Möglichkeit gemäss Art. 28 CAT haben ursprünglich relativ viele, hauptsächlich sozialistische, Staaten Gebrauch gemacht, später aber diese Vorbehalte wieder zurückgezogen.

9810

3.2.13

Weiterverbreitung der Inhalte des Übereinkommens und des Fakultativprotokolls (Art. 13)

Diese Bestimmung verpflichtet die Vertragsstaaten zur Bekanntmachung und Verbreitung des CEDAW-Übereinkommens sowie des Fakultativprotokolls. Die Vorschrift von Artikel 13 OP CEDAW ist insoweit dem Artikel 42 des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (CRC)47 nachgebildet. Ferner sind die Vertragsstaaten verpflichtet, den Zugang zu Angaben über die Auffassungen und Empfehlungen des Ausschusses, namentlich den Vertragsstaat betreffend, zu erleichtern.

Die Schweiz kommt bereits heute, im Zusammenhang mit ihren Verpflichtungen aus den weiteren UNO-Menschenrechtsübereinkommen, in umfassendem Masse ihren Informations- und Aufklärungspflichten nach. So finden sich etwa auf den Webseiten der Bundesbehörden (www.admin.ch) sämtliche für die Schweiz geltenden Menschenrechtsübereinkommen in den drei Amtssprachen des Bundes, und die Web-Seite des Departements für auswärtige Angelegenheiten (www.eda.admin.ch) enthält, ebenfalls in den Amtssprachen, die jeweils jüngsten Staatenberichte der Schweiz und die dazugehörigen Empfehlungen und Schlussfolgerungen der Ausschüsse sowie weiterführende Links. Ferner gibt es konkrete Schritte, weitere wirksame Instrumente zur Verbreitung der völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz im Allgemeinen und der Menschenrechte im Besonderen zu schaffen (Internetgestützte Suchmaschinen, Informationsbroschüren, Text- und Materialiensammlungen und Dokumentationen).

3.2.14

Verfahrensordnung (Art. 14)

Gemäss diesem Artikel ist der Ausschuss befugt, sich eine Geschäftsordnung zu geben, die bei der Erfüllung der übertragenen Aufgaben durch dieses Protokoll zu beachten ist. Die entsprechenden Verfahrensregeln wurden vom Ausschuss am 26. Januar 2001 förmlich angenommen48.

3.2.15

Schlussbestimmungen (Art. 15­21)

Die Artikel 15­21 OP CEDAW weisen als Schlussbestimmungen vertragstechnischen Charakter auf. Die Bestimmungen regeln nach dem Vorbild anderer Übereinkommen Einzelheiten insbesondere des Beitritts zum Fakultativprotokoll (Art. 15), des Inkrafttretens (Art. 16), der Änderung (Art. 18) und der Kündigung (Art. 19). Für die Schweiz würde das Fakultativprotokoll drei Monate nach Hinterlegung der Ratifikationsurkunde in Kraft treten. Artikel 20 OP CEDAW betrifft Unterrichtungspflichten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen hinsichtlich des Fakultativprotokolls. Artikel 21 OP CEDAW regelt die Hinterlegung des Fakultativprotokolls in allen amtlichen Sprachfassungen der Vereinten Nationen sowie die Übermittlung der beglaubigten Abschriften des Fakultativprotokolls an die Vertragsstaaten.

47 48

SR 0.107 (für die Schweiz am 26. März 1997 in Kraft getreten).

UN Doc. A/56/38, Annex I.

9811

Artikel 17 OP CEDAW hält fest, dass Vorbehalte zum Fakultativprotokoll nicht zulässig sind, mit Ausnahme der in Artikel 10 Abs. 1 OP CEDAW ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeit des «opting-out» aus dem Untersuchungsverfahren (Art. 8 f. OP CEDAW).

3.3

Konkurrenz zu anderen internationalen Kontrollverfahren

Durch das Kumulationsverbot des Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe a OP CEDAW wird eine Überschneidung mit anderen internationalen Untersuchungs- oder Streitregelungsverfahren ausgeschlossen. Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe a des Fakultativprotokolls entspricht damit der Vorschrift in Artikel 22 Ziffer 5 Buchstabe a CAT, wo die Anwendung anderer internationaler Kontrollmechanismen ebenfalls expressis verbis eingeschränkt wird und damit den völkerrechtlichen Grundsatz der hierarchischen Gleichrangigkeit aller internationalen Gerichts- und Kontrollinstanzen zum Ausdruck bringt: Dieser soll verhindern, dass eine internationale Behörde auf dem Weg des Weiterzuges über die Entscheidung einer anderen urteilt. Mit dieser Regelung sollen unnötige Doppelspurigkeiten auf internationaler Ebene vermieden werden.

«International» bezieht sich nicht nur auf gleichwertige Untersuchungs- und Streitbeilegungsverfahren der Vereinten Nationen, sondern auch auf Verfahren, wie sie beispielsweise für den Europäischen Rechtskreis nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vorgesehen sind. Insbesondere mit Blick auf die Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) kann ohnehin eine entsprechende Anspruchskonkurrenz weitgehend ausgeschlossen werden: Artikel 35 Absatz 2 Buchstabe b EMRK untersagt dem EGMR, eine Beschwerde zu überprüfen, welche «bereits einer anderen internationalen Untersuchungs- oder Vergleichsinstanz unterbreitet worden ist und keine neuen Tatsachen enthält» (d.h. keine gleichzeitige Befassung CEDAW/EGMR; kein Weiterzug vom CEDAW ans EGMR möglich).

Grundsätzlich steht einer Person also die Wahl offen, ob sie ihre Rügen vor dem EGMR oder einem anderen internationalen Überwachungsorgan (für die Schweiz etwa dem CAT oder CERD) vorbringen will, die Mitteilung wird jedoch nur von einem dieser beiden Organe behandelt werden. Dass in Fällen, welche die Schweiz betreffen, beide Organe die bei ihnen eingelangten Mitteilungen an die Hand nehmen, etwa weil sie keine Kenntnis haben, dass das jeweils andere internationale Organ auch damit befasst ist, erscheint ausgeschlossen. Dies deshalb weil die Vertretung der Schweiz vor den internationalen Spruchkörpern durch das Bundesamt für Justiz wahrgenommen wird und so die Koordination gewährleistet ist. Dass zwei internationale Organe die gleiche
Sache behandeln, könnte höchstens dann zulässig erscheinen, wenn das zuerst befasste Organ gar nicht auf die Beschwerde eingetreten ist, demnach kein Entscheid in der Sache ergangen ist.

Die Auffassungen und Empfehlungen des Ausschusses sind für die Regierung des betroffenen Vertragsstaates nicht bindend. Sie muss die ihr zugegangene Meinungsäusserung des Ausschusses nicht notwendig zum Anlass nehmen, Massnahmen z.B.

auf dem Gebiete der Gesetzgebung einzuleiten, wenn sie die Meinung des Ausschusses nicht teilt. Der Vertragsstaat ist lediglich verpflichtet, die Auffassungen des Ausschusses zusammen mit etwaigen Empfehlungen gebührend in Erwägung zu 9812

ziehen und diesem innerhalb von sechs Monaten eine schriftliche Antwort zu unterbreiten, die auch alle unter Berücksichtigung der Auffassungen und Empfehlungen des Ausschusses getroffenen Massnahmen (Art. 7 Abs. 4 OP CEDAW) beinhaltet.

Dagegen sind die Vertragsstaaten im Verfahren aufgrund der Europäischen Menschenrechtskonvention vor dem EGMR nach Artikel 46 Absatz 1 der Konvention verpflichtet, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen.

4

Das Fakultativprotokoll und die schweizerische Rechtsordnung

4.1

Art der völkerrechtlichen Verpflichtung

Das Fakultativprotokoll enthält, wie bereits ausgeführt, keine materiell-rechtlichen Regelungen, sondern sieht ein rein prozedurales Instrumentarium zur Durchsetzung der seit der Ratifizierung des Übereinkommens ohnehin bereits bestehenden Verpflichtungen vor.

Eine der Hauptfragen bei der Umsetzung des Fakultativprotokolls ergibt sich aus dem überwiegend programmatischen Charakter des Übereinkommens49: Um den Staaten eine Ratifizierung möglichst leicht zu machen und den Vertragsparteien einen grossen Spielraum zu lassen, zeichnet sich das CEDAW-Übereinkommen, abgesehen von einer geringen Anzahl unmittelbar anwendbarer Bestimmungen, durch seinen programmatischen Charakter aus. In seiner Botschaft zum Übereinkommen vom 23. August 1995 ging der Bundesrat davon aus, dass höchstens vier Artikel vom Bundesgericht als direkt anwendbar qualifiziert werden könnten (siehe die Ausführungen hiervor Ziff. 3.2.2). Im Laufe der Ausarbeitung des Fakultativprotokolls zeigte sich, dass gerade die Frage, ob das im Fakultativprotokoll vorgesehene individuelle Mitteilungsverfahren nur für die direkt anwendbaren Rechte des Übereinkommens oder auch für dessen programmatischen Bestimmungen gilt, umstritten war.50 Wie aus den Materialien deutlich hervorgeht, waren auch die übrigen Vertragsparteien bei der Ausarbeitung des Fakultativprotokolls durchaus nicht der Meinung, dass das individuelle Mitteilungsverfahren auch auf den programmatischen Teil des Übereinkommens anzuwenden sei.51 Das Resultat der Diskussionen in der Arbeitsgruppe war schliesslich eine Änderung des Textes der einschlägigen Artikel 2 und 8 dahingehend, dass nur eine Verletzung von im Übereinkommen niedergelegten Rechten und nicht blosser Bestimmungen geltend gemacht werden kann. Aufgrund des Wortlautes der Artikel 2 und 8 sowie deren Verhandlungsgeschichte ist davon auszugehen, dass sich das individuelle Mitteilungsverfahren nur auf die direkt anwendbaren Rechte bezieht.

49

50

51

Siehe hierzu die Ausführungen in der Botschaft betreffend das Übereinkommen von 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 23. August 1995 (BBl 1995 IV 901), Ziffer 31.

Discussion on justiciability, in: Elaboration of a draft optional protocol to the convention on the elimination of all forms of discrimination against women, E/CN.6/1996/15, S. 89 und in: Synthesis of replies received from governments, intergovernmental organizations and non-governmental organizations, E/CN.6/1997/5, S.9.

Commission on the Status of Women, Report on the forty-third session, E/CN.6/1999/10, S. 59 ff.

9813

4.2

Umsetzungsmassnahmen

Grundsätzlich erfordert die Ratifikation des Fakultativprotokolls von der Schweiz keine Umsetzungsmassnahmen. Die Auffassungen und Empfehlungen des Ausschusses sind für die Regierung des betroffenen Vertragsstaates ­ im Gegensatz etwa zu den völkerrechtlich verbindlichen Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ­ juristisch nicht bindend, sondern politischer Natur.

Die gemäss den UNO-Konventionen ins Leben gerufenen Aufsichtsorgane (Treaty Bodies) sind unabhängige Gremien von Sachverständigen, jedoch nicht Gerichte im Sinne des EGMR, des Internationalen Gerichtshofs (IGH) oder des neuen Internationalen Strafgerichtshofes (ICC). Folglich sind ihre Auffassungen über die Begründetheit einer Mitteilung auch keine völkerrechtlich verbindlichen Urteile; die Aufsichtsorgane tragen in ihrer Gesamtheit vielmehr dazu bei, einen weltweiten Grundkonsens über den Inhalt und die Tragweite der einzelnen Bestimmungen der jeweiligen Menschenrechtsübereinkommen zu fördern.

Folgerichtig muss der einzelne Vertragsstaat des Fakultativprotokolls, wie bereits zuvor unter Ziffer 3.3 erwähnt, die ihm zugegangene Meinungsäusserung des Ausschusses auch nicht notwendig zum Anlass nehmen, Massnahmen etwa auf dem Gebiete der Gesetzgebung einzuleiten, wenn er die Meinung des Ausschusses nicht teilt.

Selbstverständlich können sich gegebenenfalls Auswirkungen des Fakultativprotokolls auch auf das schweizerische Rechtssystem und die Rechtspraxis durch etwaige Empfehlungen des Ausschusses bei einschlägigen Mitteilungs- oder Untersuchungsverfahren ergeben. Der Bundesrat wird, entsprechend seiner bisher gehandhabten Praxis des Umgangs mit den Empfehlungen der verschiedenen Vertragsorgane und aufgrund der Verpflichtungen aus diesem Fakultativprotokoll, solche Empfehlungen sorgfältig unter Beteiligung aller zuständigen Stellen prüfen. Er hat in der Vergangenheit mehrfach Empfehlungen anderer Vertragsorgane umgesetzt und wird dies, wenn immer möglich, auch in Zukunft tun. Falls diese Empfehlungen aus Sicht des Bundesrates nicht sachgerecht oder praktikabel sind oder ihr Ziel durch andere Massnahmen besser erreicht werden kann, erläutert er dies in der Regel dem betreffenden Vertragsorgan.

Der Bundesrat geht davon aus, dass die Ratifizierung des Fakultativprotokolls kaum zu einer nennenswerten Zahl einschlägiger
Mitteilungen gegen die Schweiz führen wird. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind dem Ausschuss gerade einmal drei Mitteilungen aufgrund von OP CEDAW eingegangen. Die Einschätzung des Bundesrates wird zudem durch Erfahrungen mit den weiteren individuellen Mitteilungsverfahren im Rahmen der Vereinten Nationen belegt: Die Anzahl Verfahren der jeweiligen Instrumente divergiert zwar erheblich, wobei sich jedoch festhalten lässt, dass sich gerade die Anzahl der Fälle vor den beiden bereits heute für die Schweiz relevanten Ausschüssen (CAT und CERD) in Grenzen hält.

­

9814

So ist etwa die Anzahl der nach Artikel 14 CERD absolut eingegangenen Mitteilungen bisher gering geblieben, und keiner der eingegangenen Fälle betraf die Schweiz: Gegenwärtig sind es gerade einmal 35 Mitteilungen

weltweit. Davon wurden 13 Fälle für unzulässig erklärt52. 21 Fälle wurden mit einer Stellungnahme zur Begründetheit abgeschlossen53; in neun dieser Fälle stellte der Ausschuss eine Verletzung des Übereinkommens fest und unterbreitete den betroffenen Staaten entsprechende Empfehlungen54.

­

Zum CAT sind bisher 168 Mitteilungen beurteilt worden. In 35 Fällen wurden dabei Verletzungen des Übereinkommens festgestellt und 46 wurden für unzulässig erklärt. Bis heute gab es 57 Beschwerden gegen die Schweiz.

Davon sind 11 hängig, sieben wurden für unzulässig erklärt und 11 wurden abgeschrieben. In 28 Fällen wurde materiell entschieden. Dabei hat das CAT in 3 Fällen festgestellt, dass die Schweiz mit der Rückschiebung der betroffenen Personen die Konvention verletzen würde.

Demgegenüber hat der Menschenrechtsausschuss (UNO-Pakt II) seit Beginn seiner Tätigkeit gemäss dem 1. Fakultativprotokoll 1322 registrierte Mitteilungen erhalten (Stand: 8. November 2004). Von diesen wurden 481 mit Ansichten des Ausschusses abgeschlossen (davon 373 mit der Feststellung von Verletzungen des Übereinkommens), 377 wurden für unzulässig erklärt und 183 wurden eingestellt oder zurückgezogen, während 281 noch hängig waren.

5

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Das Fakultativprotokoll sollte weder für den Bund noch die Kantone direkte finanzielle oder personelle Auswirkungen haben. Entsprechende Erhebungen bei den Vertragsstaaten, welche dem Protokoll beigetreten sind, lassen keine zusätzlichen Kosten auf Grund der Annahmeerklärung erwarten. Bereits heute hat die Bundes52

53

54

Mitteilung Nr. 5/1994 (Ch. Payne vs. Dänemark); Mitteilung Nr. 7/1995 (Barbaro vs.

Australien); Mitteilung Nr. 9/1997 (D.S. vs. Schweden); Mitteilung Nr. 12/1998 (Barbaro vs. Australien) (zweite Befassung); Mitteilung Nr. 18/2000 (Ali vs. Norwegen); Mitteilung Nr. 19/2000 (Mostafa vs. Dänemark); Mitteilungen Nr. 14/1998 und Nr. 21/2001 (D. Sidlo vs. Schweden); Mitteilung Nr. 22/2002 (POEM and FASM vs. Dänemark); Mitteilung Nr. 23/2002 (K.R.C. vs. Dänemark); Mitteilung Nr. 24/2002 (Nikolas Regerat et al. vs. Frankreich); Mitteilung Nr. 25/2002 (Ahmad Najaati Sadic vs. Dänemark) sowie Mitteilung Nr. 28/2003 (The Documentation and Advisory Centre on Racial Discrimination vs. Dänemark).

Mitteilung Nr. 1/1984 (Yilmaz-Dogan vs. die Niederlande); Mitteilung Nr. 2/1989 (Demba Talibe Diop vs. Frankreich); Mitteilung Nr. 3/1991 (Michel L.N. Narrainen vs. Norwegen); Mitteilung Nr. 4/1991 (L. Karim vs. die Niederlande); Mitteilung Nr. 6/1995 (Z.U.B.S. vs. Australien); Mitteilung Nr. 8/1996 (B.M.S. vs. Australien); Mitteilung Nr. 10/1997 (Ziad Ben Ahmed Habassi vs. Dänemark); Mitteilung Nr. 13/1998 (Koptova vs. Slowakei); Mitteilung Nr. 16/1999 (Kashif Ahmad vs. Dänemark); Mitteilung Nr. 17/1999 (B. Jebelly vs. Dänemark); Mitteilung Nr. 11/1998 (Lacko vs. Slowakei); Mitteilung Nr. 15/1999 (Fernand vs. die Niederlande); Mitteilung Nr. 26/2002 (Stephen Hagan vs. Australien), Mitteilung Nr. 27/2002 (Quereshi vs. Dänemark), Mitteilung Nr. 33/2003 (Kamal Quereshi vs. Dänemark) sowie Mitteilung Nr. 32/2003 (Emir Sefic vs. Dänemark).

Mitteilung Nr. 1/1984 (Yilmaz-Dogan vs. die Niederlande); Mitteilung Nr. 4/1991 (L. Karim vs. die Niederlande); Mitteilung Nr. 10/1997 (Ziad Ben Ahmed Habassi vs.

Dänemark); Mitteilung Nr. 13/1998 (Koptova vs. Slowakei), Mitteilung Nr. 16/1999 (Kashif Ahmad vs. Dänemark), Mitteilung Nr. 31/2003 (Ms. R.L. et al. vs.

Slowakei), Mitteilung Nr. 30/2003 (Jewish Community of Oslo vs. Norwegen), Mitteilung Nr. 29/2003 (Dragan Durmic vs. Serbien und Montenegro) sowie Mitteilung Nr.

34/2004 (Mohammed Hassan Gelle vs. Dänemark). Der Ausschuss gibt jedoch auch in Fällen, in denen keine Verletzungen des Übereinkommens festgestellt worden sind, gelegentlich Empfehlungen ab (vgl. etwa Mitteilung Nr. 17/1999 [B. Jebelly vs. Dänemark]).

9815

verwaltung gemäss Artikel 18 Absatz 1 des Übereinkommens die Pflicht, regelmässig Bericht über die Massnahmen, welche die Schweiz zur praktischen Umsetzung des Übereinkommens ergriffen hat, abzuliefern55. Etwaige ergänzende Hinweise in den Staatenberichten im Zusammenhang mit den so genannten Follow-up-Mechanismen lösen somit keine zusätzlichen Massnahmen aus.

Für die Vertretung der Schweiz vor dem Ausschuss im Falle individueller Mitteilungen liegt es nahe, damit das Bundesamt für Justiz zu betrauen, welches bereits heute die entsprechenden Aufgaben wahrnimmt. Für diese Lösung sprechen nicht nur Effizienzgründe, sondern auch die damit verbundene Gewährleistung einer kohärenten Verfolgung entsprechender Fälle. Bereits heute bietet diese Lösung Gewähr, dass der Verfasser einer Mitteilung nicht gleichzeitig an verschiedene internationale Kontrollorgane gelangen kann.

6

Legislaturplanung

Die Botschaft war bereits im Bericht über die Legislaturplanung 1999­2003 angekündigt56 und wurde als Geschäft zur Verabschiedung zuhanden des Parlaments in die Legislaturplanung 2003­2007 aufgenommen.57

7

Verfassungsmässigkeit

Die verfassungsmässige Grundlage des Bundesbeschlusses findet sich in der allgemeinen aussenpolitischen Kompetenz des Bundes gemäss Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Abs. 2 BV zuständig, die Ratifikation gutzuheissen.

Laut Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV werden völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum unterstellt, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), wenn sie den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2), wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3). Wie in der Botschaft über den Beitritt zum Übereinkommen festgehalten wurde58, enthält das Übereinkommen selber zwar keine ausdrückliche Kündigungsklausel, demgegenüber kann gemäss Artikel 19 des Fakultativprotokolls die Beitrittserklärung jederzeit durch Notifizierung an den Generalsekretär der Vereinten Nationen zurückgenommen werden.

Es stellt sich einzig die Frage, ob dieses Abkommen wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthält. Gemäss Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes sind solche Bestimmungen als rechtsetzend zu qualifizieren, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Die Bestimmungen des Fakultativprotokolls sind sowohl 55 56 57 58

Vgl. zuvor FN 3 BBl 2000 2276, Anhang 2.

Siehe Gesetzgebungsprogramm 2003­2007, S. 10 (Beilage 1 zum Bericht des Bundesrates über die Legislaturplanung 2003­2007).

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 23. August 1995, BBl 1995 IV 901, Ziffer 6.

9816

unmittelbar verbindlich als auch generell-abstrakt. Sie verleihen Einzelpersonen und Personengruppen das Recht, erlittene Verletzungen in einem standardisierten Mitteilungsverfahren einem internationalen Expertenausschuss zu unterbreiten. Die Vertragsstaaten ihrerseits sind zwar nicht an die Einschätzungen und Empfehlungen des Ausschusses gebunden; ihren Behörden obliegen jedoch sowohl im individuellen Mitteilungsverfahren als auch im Untersuchungsverfahren gewisse verbindliche Mitwirkungspflichten. Das Fakultativprotokoll begründet somit Rechte und Pflichten, die gemäss Artikel 164 Absatz 1 BV auf nationaler Ebene nur in der Form eines formellen Gesetzes erlassen werden können.

Das Fakultativprotokoll unterliegt somit dem fakultativen Referendum. Nach Artikel 163 Absatz 2 BV und Artikel 24 Absatz 3 ParlG erfolgt die Genehmigung in der Form eines Bundesbeschlusses.

8

Schlussfolgerung

Das Fakultativprotokoll (OP CEDAW) leistet aus der Sicht des Bundesrates einen bedeutsamen Beitrag zum weltweiten Menschenrechtsschutz von Frauen. Die Menschenrechte von Frauen werden heute als unveräusserlicher und integraler Bestandteil der allgemeinen Menschenrechte anerkannt. Zur Überprüfung ihrer Wahrung sollten wirksamere Kontrollverfahren geschaffen werden.

Im Gegensatz zu den Urteilen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Auffassungen und Empfehlungen des Ausschusses für die Regierung des betroffenen Vertragsstaates nicht bindend, sondern nur politischer Natur.

Die Regierung des betroffenen Vertragsstaates muss die ihr zugegangene Meinungsäusserung des Ausschusses nicht notwendig zum Anlass nehmen, Massnahmen z.B.

auf dem Gebiete der Gesetzgebung einzuleiten, wenn sie die Meinung des Ausschusses nicht teilt. Der Vertragsstaat ist lediglich verpflichtet, die Auffassungen des Ausschusses zusammen mit etwaigen Empfehlungen gebührend in Erwägung zu ziehen.

Trotz des unverbindlichen Charakters der Empfehlungen des Ausschusses, leisten diese einen wichtigen Beitrag zur universellen Entwicklung der Menschenrechte im Allgemeinen und der Rechte der Frauen im Besonderen. Die Instrumente des Fakultativprotokolls stellen universell institutionalisierte und gleichzeitig schlanke Verfahren dar, die dazu beitragen, Inhalte von Menschenrechten kostengünstig zu konkretisieren und diesen zur Geltung zu verhelfen. Zudem postulieren die Instrumente des Fakultativprotokolls unter Berücksichtigung der nationalen Unterschiede internationale Minimalanforderungen und schaffen so einen internationalen Grundkonsens.

Eine Ratifizierung des Fakultativprotokolls unterstreicht, dass dessen Zielsetzung eines verbesserten Schutzes der Menschenrechte von Frauen mit Nachdruck unterstützt wird. Die Ratifikation entspräche dem vom Bundesrat bereits mehrfach bekräftigten Engagement für die Menschenrechte und seinem konsequenten Eintreten für die Schaffung wirkungsvoller internationaler Instrumente zum Schutz der Menschenrechte. Schliesslich kommt der Ratifikation eine nicht zu unterschätzende Signalfunktion im Hinblick auf andere Staaten zu, die noch zögern, diesem Fakultativprotokoll beizutreten.

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