Generelle Bewilligung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens Die Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung, hat im Zirkularverfahren vom 31. Oktober 2005, gestützt auf Artikel 321bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB, SR 311.0); Artikel 1, 3, 9, 10, 11 und 13 der Verordnung vom 14. Juni 1993 über die Offenbarung des Berufsgeheimnisses im Bereich der medizinischen Forschung in Sachen Hôpital psychiatrique cantonal de Marsens betreffend Gesuch vom 19. August 2005 für eine generelle Bewilligung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses im Sinne von Artikel 321bis StGB zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens verfügt: 1. Bewilligungsnehmer Dem Hôpital psychiatrique cantonal de Marsens wird unter den nachfolgenden Bedingungen und Auflagen eine generelle Bewilligung gemäss Artikel 321bis StGB in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 und 2 sowie Artikel 11 VOBG erteilt.

Verantwortlich für die Bewilligungsforschung ist die medizinische Direktorin, Dr. med. Graziella Giacometti Bickel.

Durch die Bewilligung wird dem mit betriebsinterner Forschung betrauten Personal des Hôpital psychiatrique cantonal de Marsens sowie den Doktorandinnen und Doktoranden gestattet, zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens unter den nachstehenden Bedingungen nicht anonymisierte Patientendaten einzusehen.

Durch die Bewilligung wird die Einsichtnahme in nicht anonymisierte Daten ermöglicht, ohne dass der Dateninhaber dadurch sein Berufsgeheimnis verletzt. Dies gilt jedoch nur innerhalb des als Bewilligungsnehmer bezeichneten Hôpital psychiatrique cantonal de Marsens. Sollten Forschungsprojekte auf nicht anonymisierte Daten anderer Kliniken, Spitäler, medizinischer Institute oder freipraktizierender Ärzte angewiesen sein oder soll externen Forschergruppen Einblick in nicht anonymisierte Daten des Hôpital psychiatrique cantonal de Marsens gewährt werden, ist der Kommission ein Sonderbewilligungsgesuch einzureichen.

2. Zweck und Umfang der Dateneinsicht Die Bewilligung umfasst das Recht, in die Patientendossiers des Hôpital psychiatrique cantonal de Marsens Einsicht zu nehmen und die für betriebsinterne Forschungsprojekte relevanten Daten einzusehen.

3. Bedingungen Es
dürfen nur dann personenbezogene Daten verwendet werden, wenn das Forschungsprojekt nicht mit anonymisierten Daten durchgeführt werden kann.

Wenn die Einwilligung der betroffenen Patientinnen und Patienten zur Verwendung ihrer Daten ohne unverhältnismässig grosse Schwierigkeiten und ohne dass ihnen

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ein erheblicher Schaden zugefügt wird, eingeholt werden kann, dürfen die Daten nicht gestützt auf diese Bewilligung zu Forschungszwecken verwendet werden.

Wenn für ein Forschungsprojekt auf das Einholen der Einwilligung von betroffenen Psychiatriepatientinnen und -patienten mit der Begründung verzichtet werden soll, dass ihnen dadurch ein erheblicher Schaden zugefügt würde, muss im Forschungsprotokoll dargelegt werden, dass ­

das Einholen der Einwilligung mit einer tatsächlichen Gefahr verbunden ist und

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das Forschungsprojekt nicht ohne Zugriff auf die persönlichen Daten dieser Patientinnen und Patienten durchgeführt werden kann.

4. Aufklärung der Betroffenen und Vetorecht Die Patientinnen und Patienten müssen darüber aufgeklärt werden, dass sie die Datenweitergabe untersagen können. Wird die Datenweitergabe untersagt, dürfen die Patientendaten nicht für Forschungszwecke verwendet werden.

Die für den Datenschutz in der medizinischen Forschung zuständige Person ist für den Datenschutz und für die Berücksichtigung eines allfälligen Widerspruchs des Patienten/der Patientin verantwortlich.

5. Datensammlungen und Kreis der Zugriffsberechtigten Das Hôpital psychiatrique cantonal de Marsens ist befugt, Patientendossiers in Papierform wie auch in elektronischer Form zu führen. Es hat sicherzustellen, dass die personenbezogenen Angaben von den bereits anonymisierten Daten klar getrennt werden.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hôpital psychiatrique cantonal de Marsens sowie Doktorandinnen und Doktoranden haben mit Bewilligung der medizinischen Direktorin Zugang zu den Daten. Auf bereits bearbeitete Daten darf je nach Bedürfnis erneut zugegriffen werden. Nach Abschluss des Forschungsprojektes ist für einen erneuten Datenzugriff die Bewilligung der medizinischen Direktorin einzuholen.

6. Dauer der Datenaufbewahrung Die Befristung der Datenaufbewahrung richtet sich nach kantonalem Recht. Die Vernichtung der für Forschungsprojekte verwendeten Personendaten hat gemäss den Vorschriften des kantonalen Datenschutzbeauftragten zu erfolgen.

7. Massnahmen für die Anonymisierung Die den Datensammlungen des Hôpital psychiatrique cantonal de Marsens entnommenen Daten sind zu Beginn der Forschungstätigkeit zu anonymisieren.

8. Erkennungsmerkmale Es ist sicherzustellen, dass in den auf den gesammelten Daten basierenden Publikationen keine Identifizierung der betroffenen Personen möglich ist.

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9. Auflagen

a)

Für jedes Forschungsprojekt muss eine «non obstat»-Erklärung des Comité intercantonal d'éthique de la recherche dans le domaine de la santé des cantons de JU/FR/NE eingeholt werden. Das Comité überprüft neben der ethischen auch die datenschutzrechtliche Konformität des jeweiligen Forschungsprojektes. Es hat sich davon zu überzeugen, dass das Forschungsprojekt den ethischen Grundsätzen entspricht und die datenschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden. Insbesondere hat es sich davon zu überzeugen, dass das Forschungsprojekt nicht mit anonymen Daten durchgeführt werden kann, dass die Einwilligung der betroffenen Patientinnen und Patienten nicht oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand eingeholt werden kann, dass die jeweiligen Forschungsinteressen die Interessen der Betroffenen an der Geheimhaltung überwiegen, dass die Berechtigten über ihr Vetorecht aufgeklärt worden sind und dass die Daten zu Beginn der Forschungstätigkeit anonymisiert werden. Die medizinische Direktorin, die gegenüber der Expertenkommission die Verantwortung für die Bewilligungsforschung trägt, bestätigt durch Visum der «non obstat»-Eklärung, dass das Forschungsprojekt den ethischen und datenschutzrechtlichen Anforderungen entspricht. Wird die «non obstat»-Erklärung verweigert, darf das Forschungsprojekt nicht gestützt auf die generelle Bewilligung durchgeführt werden. Das Einholen einer Sonderbewilligung bleibt diesfalls aber vorbehalten.

b)

Die Krankengeschichten müssen einen Vermerk über eine allfällig erfolgte Verweigerung der Einwilligung zur Verwendung der Daten zu Forschungszwecken enthalten. Dies setzt voraus, dass die betroffenen Patientinnen und Patienten über die ihnen zustehenden Rechte informiert worden sind. Die diesbezügliche Information, deren Wortlaut der Expertenkommission bereits unterbreitet wurde, ist in die Patienteninformationsbroschüre des Hôpital psychiatrique cantonal de Marsens zu integrieren.

c)

Das Hôpital psychiatrique cantonal de Marsens hat die einzelnen betriebsinternen Forschungsprojekte sowie die Dissertationen zu registrieren und dem Sekretariat der Expertenkommission jährlich zu Handen des Präsidenten zu melden. Die Meldung hat folgendes zu beinhalten: ­ den Titel des Forschungsvorhabens; ­ die geschätzte Anzahl der vom Forschungsprojekt betroffenen Personen, die Auswahlkriterien sowie den Forschungszweck; ­ den Namen des verantwortlichen Projektleiters oder der verantwortlichen Projektleiterin; ­ die Namen der Personen, welche Einblick in nicht anonymisierte Daten erhalten; ­ für jedes einzelne Forschungsprojekt den Nachweis einer «non obstat»Erklärung der zuständigen Ethikkommission gemäss Bst. a.

d)

Das Hôpital psychiatrique cantonal de Marsens hat ein Zugriffsreglement zu erstellen, aus dem hervorzugeht, in welcher Funktion die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Forschungszwecken Zugriff auf elektronische, nicht anonymisierte Personendaten sowie auf Krankengeschichten haben. Personen, die über keine Zugriffsberechtigung verfügen, ist der Zugriff auf nicht anonymisierte Daten zu verweigern. Insbesondere dürfen externen Spitälern, 2687

Kliniken, Instituten oder externen Forschergruppen nur anonymisierte Daten zur Verfügung gestellt werden.

Der Reglementsentwurf, der dem Gesuch beigelegt war, entspricht diesen Anforderungen. Die definitive Version des Zugriffsreglementes ist dem Sekretariat der Expertenkommission zuhanden des Präsidenten zuzustellen.

Zugriffsberechtigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Doktorandinnen und Doktoranden, sind auf die ihnen gemäss Artikel 321bis StGB auferlegte Schweigepflicht hinzuweisen.

10. Bewilligungsdauer und -beständigkeit Die vorliegende Bewilligung wird für eine Dauer von fünf Jahren ab Eintritt der Rechtskraft erteilt. Vor Ablauf der Bewilligungsdauer ist ein neues, ergänzendes Gesuch zu stellen, wenn ein Wechsel der für den Datenschutz in der Forschung zuständigen Person erfolgt oder wenn eine Änderung des Datenbearbeitungssystems oder des Zugriffsreglementes vorgenommen wird. Im übrigen ist der Bewilligungsnehmer verpflichtet, jede Änderung in der Organisations- oder Verwaltungsstruktur des Hôpital psychiatrique cantonal de Marsens zu melden.

11. Frist zur Auflagenerfüllung Dem Hôpital psychiatrique cantonal de Marsens wird zur Erfüllung der Auflagen gemäss Ziffer 9 Buchstaben b) und d) eine Frist von 6 Monaten ab Rechtskraft der Bewilligung gesetzt.

12. Rechtsmittelbelehrung Gegen diese Verfügung kann nach Massgabe von Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe c des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG; SR 235.1) und Artikel 44 ff. des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021) innert 30 Tagen seit deren Eröffnung bei der Eidgenössischen Datenschutzkommission, Postfach, 3000 Bern 7, Verwaltungsbeschwerde erhoben werden. Die Beschwerde ist im Doppel einzureichen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift der beschwerdeführenden Partei oder ihres Vertreters oder ihrer Vertreterin zu enthalten.

13. Mitteilung und Publikation Diese Verfügung wird dem Hôpital psychiatrique cantonal de Marsens und dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten schriftlich mitgeteilt. Das Verfügungsdispositiv wird im Bundesblatt veröffentlicht. Wer zur Beschwerde legitimiert ist, kann innert der Beschwerdefrist beim Sekretariat der Expertenkommission, Bundesamt für Gesundheit, Abteilung Recht, 3003 Bern, nach telefonischer Voranmeldung (031 324 94 02) Einsicht in die vollständige Verfügung nehmen.

7. März 2006

Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung Der Präsident: Prof. Dr. iur. Franz Werro

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