388 Art. 3. Der Bundesrath wird periodifch, auf Grundlage des jeweiligen Bestandes der Unterstützungskontrollen der einzelnen Kantone, eine möglichst gleichmäßige Ver-

theilung der Flüchtlinge vornehmen.

Den Befchlüssen allen des Nationalrathes hat der Ständerath (unterem 8. August) feine Zustimmung ertheilt.

#ST#

Rede des

Herrn Amtsbürgermeisters Dr. Escher, Präsidenten des Nationalrathes, bei der Vertagung der

außerordentlichen Sitzung am 8. August 1849.

Tit.!

Die dießmalige Versammlung des Nationalrathes war von kurzer Dauer; die Beschlüsse, die während derselben gefaßt worden, sind nicht zahlreich; die Verhandlungen, die diefen Beschlüssen vorangingen, waren wenig ansgedehnt. Dessenungeachtet scheint mir die Versammlung, die wir zu schließen im Begriffe sind, als eine b e d e u -

tungsvolle.

Als ich Sie bei unserm Wiederzusammentritte willkommen hieß, rief ich Jhnen zu: ,,Lassen wir nicht aus ,,dem Auge, daß es Augenblicke geben kann, wo vordem ,,höhern Jnteresse der Kräftigung des Vaterlandes durch ,,Einigung Verfchiedenheiten der Ansichten, die an und für ,,sich wichtig, aber, mit jenem Interesse verglichen, von

389 ,,geringerm Belange sind, zurücktreten, wenn auch deß,,wegen nicht aufgegeben werden müssen; bedenken wir, ,,daß unter solchen Umständen die wahre Grundsätzlichkeit ,,gerade in der Besolgung dieses obersten Grundsatzes ,,besteht." Dieser Zuruf hat bei Ihnen, Tit., offene Herzen gefunden: Sie haben die Gesinnung, welche demselben zu Grunde lag, in dem wichtigsten Beschlüsse, den Sie zu fassen hatten, zur That werden lassen. DerJnhalt diefes Beschlusses wird zwar allen von Jhnen nicht zusagen. Er wird, wenn auch nur ganz entgegengesetzter Gründe willen, kaum die Mehrheit von Jhnen befriedigen. Es ist aber anch nicht der Jnh alt des Beschlusses, der zu einer auszeichnenden Hervorhebung geeignet wäre, es ist vielmehr die Art und Weife, wie er zu Stande kam, es ist die Thatsache, daß durch Zustimmung zu demselben von allen Seiten zum Theile sehr g r o ß e K o n z e f s i o n e n gemacht wurden, um nicht

dem Auslande in diesem Augenblicke das Bild innerer Spaltung darzubieten. Es bedurste dazu vieler Selbstverleugnung, um des Vaterlandes willen.

Aber gerade, daß der Nationalrath diese Selbstverlängnung besaß, das ist das Hauptergebniß, das ist das schöne Hanptergebniß der kurzen Sitzung, welche wir zu schließen im Begriffe sind, eben darum glaubte ich, vorhin die dießmalige Versammlung des Nationalrathes als eine b e deutnngsvolle bezeichnen zu sollen.

Jch kann Sie, Tit., nicht scheiden sehen, ohne noch

zwei Wünsche Jhrer Beherzigung dringend empfohlen zu haben.

Wir kehren nun nach unferer Heimat in den Kreis derjenigen zurück, durch deren Vertrauen wir die Vertreter des schweizerischen Volkes geworden sind. Suchen wir jetzt den Geist, der uns bei unsern Verhandlungen durchge-

390 drungen hat, auch in dem Volke zu wecken und zu be-

.festigen. Mich dünkt, es sollte uns wohl gelingen können, dieses schöne Ziel zu erreichen; scheint doch der erhebende Geist bundesbrüderlicher Eintracht, der die jetzt wieder vollständige eidgenössische Armee beseelt, nnsern Bestrebnngen schon zum voraus das Gelingen zu sichern. Ein Schild sei es, den wir dabei alle sühren. Gegen außen gekehrt, möge auf demselben das Wort "Vaterland" stehen und kein anderes! Nach innen gerichtet trage er die Inschrift: "der neue Bund in seiner Lebens-

srifche und Entwicklungsfähigkeit." Führen wir alle diesen Einen Schild in der krästigen Rechten, dann, dann ganz gewiß wird das gesammte Schweizervolk um uns und bei uns sein, dann wird die Schweiz noch während Jahrhunderten die äußern und innern Stürme überdanern, denen sie schon Jahrhunderte lang getrotzt hat.

Jch sagte eben: ,,der neue Bund in seiner Lebens.-

frische und Entwicklungsfähigkeit." Und dieß führt mich noch aus den z w e i t e n Wunfch, den. ich Jhnen, Tit., vorzutragen mich gedrungen fühle. Es können sich zwar die Verhältnisse - und wir machen eben die Ersahrung davon -- so gestalten, daß die Einigung zum obersten Grundsatze der Staatsklugheit wie der Vaterlandsliebe wird, und, sobald dieß der Fall ist, so muß die Bahn gegenseitiger Zugeständnisse betreten werden: denn eben nur auf dieser gelangt man zur Einigung. Dabei wolle man aber hinwieder nicht vergessen, daß die Schattenfeite des Bildes einer. solchen Einigung darin besteht, daß die Haltung der Behörden da, wo das Volk sie, wenn auch gemessenen, doch festen Schrittes voranschreiten zu sehen wünscht, leicht eine schwankende werden kann. Und wenn dieß als ein Uebelstand erschei-

391 nen muß , fo darf überdieß nicht aus dem Auge gelassen werden, daß es um so fühlbarer werden wird, wenn es sich um Behörden handelt, die, neu geschaffen, das Zutrauen des Volkes sich erst noch zu e r w e r b e n , oder, wenn ihnen dieses Zutrauen bereits entgegenkömmt, es doch erst noch zu r e c h t f e r t i g e n haben. Darum,

Tit., gilt mein letzter Wunsch einem grundsätzlich sesten Gange der Bundesbehörden auf dem durch die Bundesverfassung und den demokratischen Geist derNeuzeit vorgezeichneten Pfade

des Fortschrittes; er gilt somit der Verwirklichung einer Lebensbedingung der gedeihlichen Fortentwickelung unserer neuen Bundeseinrichtungen.

Mit dem herzlichen Wünsche, daß uns eine freudige Rückkehr zu den Unsrigen und bei unserm Wiederzusammentritte ein sreudiges Wiedersehen beschieden sein möge, erkläre ich neuerdings die ordentliche Simung des schweizerischen Nationalrathes - nicht vorherzusehende vorherige Einberusungen desselben wieder vorbehalten- bis zum ..12. November dieses Jahres für vertagt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Rede des Herrn Amtsbürgermeisters Dr. Escher, Präsidenten des Nationalrathes, bei der Vertagung der ausserordentlichen Sitzung am 8. August 1849.

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1849

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

42

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

11.08.1849

Date Data Seite

388-391

Page Pagina Ref. No

10 000 151

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.