06.089 Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006

Sehr geehrte Herren Präsidenten Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf für ein Bundesgesetz über Bucheffekten sowie den Entwurf zur Genehmigung des Haager Wertpapierübereinkommens vom 5. Juli 2006 mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. November 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2006-1734

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Übersicht Nach geltendem schweizerischem Recht ist ein Wertpapier eine Urkunde, mit der ein Recht derart verknüpft ist, dass es ohne die Urkunde weder geltend gemacht noch übertragen werden kann. Daraus ergibt sich, dass einerseits der Besitz des Papiers Ausweis ist für die Geltendmachung des Rechts und anderseits die Übertragung des Besitzes der Urkunde Voraussetzung ist für die Übertragung des Rechts.

Kapitalmarktpapiere werden heute jedoch nur noch in den seltensten Fällen direkt durch Anlegerinnen und Anleger verwahrt. Üblich ist vielmehr die Verwahrung der Wertpapiere durch Banken und andere Finanzintermediäre. Bei dieser so genannten mediatisierten Wertpapierverwahrung werden die Ansprüche der Anlegerinnen und Anleger durch Gutschriften in den Depotkonten ausgewiesen. Auch die Übertragung von Effekten erfolgt faktisch ausschliesslich durch Buchungen in Depotkonten.

Soweit physische Urkunden überhaupt noch vorliegen, sind sie bei zentralen Verwahrungsstellen immobilisiert; sie spielen weder für die Geltendmachung der Rechte der Anlegerinnen und Anleger noch für deren Übertragung eine Rolle. Die Immobilisierung wird erreicht, indem die Anlegerin oder der Anleger die Urkunden bei einer Verwahrungsstelle zur Sammelverwahrung hinterlegt oder die Emittentin statt Einzelurkunden Globalurkunden ausgibt. Immer mehr verzichten Emittentinnen zudem gänzlich auf die physische Verbriefung von Kapitalmarktpapieren und geben stattdessen so genannte Wertrechte aus.

Die Entwicklung der rechtlichen Grundlagen hat mit dem Aufbau mediatisierter Verwahrungssysteme allerdings nicht Schritt gehalten. In der Schweiz wurde die Mediatisierung bislang weitgehend auf der Grundlage des herkömmlichen Sachen-, Schuld- und Konkursrechts bewältigt. Bereits die Sammelverwahrung und das System der Globalurkunden rühren aber an grundlegende wertpapierrechtliche Vorstellungen. Erst recht lässt sich das Konzept der Wertrechte, das vollständig auf das Verkörperungselement verzichtet, auf der Grundlage des geltenden Wertpapierrechts nicht mehr befriedigend bewältigen. Die erforderliche Rechtssicherheit ist somit nicht mehr gewährleistet.

Der vorliegende Entwurf für ein Bundesgesetz über Bucheffekten stellt die mediatisierte Wertpapierverwahrung auf transparente und verlässliche rechtliche Grundlagen. Er schafft ein neues
Vermögensobjekt, die Bucheffekte. Bucheffekten weisen Merkmale sowohl einer schuldrechtlichen Forderung als auch einer Sache auf.

Ihnen kommen alle funktionellen Eigenschaften eines Wertpapiers zu, ohne Sache im Sinne der schweizerischen Privatrechtsordnung zu sein. Für die Bucheffekten gilt eine einheitliche rechtliche Regelung, unabhängig davon, ob das unterliegende Recht ein Wertpapier, eine Globalurkunde oder ein Wertrecht ist. Für die Entstehung von Bucheffekten, deren Übertragung oder für die Begründung von Rechten daran anerkennt der Entwurf die konstitutive Wirkung von Gutschriften in Effektenkonten.

Die mediatisierte Wertpapierverwahrung hatte auch im internationalen Privatrecht einschneidende Folgen. Die traditionelle Lex-rei-sitae-Regel, welche dingliche Rechte an Sachen dem Recht des Staates unterstellt, in dem die Sache belegen ist,

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funktioniert nicht mehr. Das geltende Bundesgesetz über das internationale Privatrecht (IPRG) zwingt zudem zu einer Differenzierung zwischen sachenrechtlichen und schuldrechtlichen Formen der mediatisierten Wertpapierverwahrung. Wegen der komplexen und manchmal unklaren Rechtslage des in- und ausländischen Sachenrechts ist diese Differenzierung eine praktisch kaum lösbare Aufgabe, die nicht immer eindeutige Resultate liefert.

Vor diesem Hintergrund schlägt die vorliegende Botschaft eine rasche Ratifikation des Haager Wertpapierübereinkommens vom 5. Juli 2006 (HWpÜ) vor, welches die Lex-rei-sitae-Regel überwindet, indem es für das auf Verfügungen über mediatisiert verwahrte Wertpapiere anwendbare Recht an den Ort des massgebenden Intermediärs anknüpft. Dabei wird eine Rechtswahl der Parteien berücksichtigt. Das HWpÜ ist völkerrechtlich jedoch noch nicht in Kraft getreten. Deshalb wird vorgeschlagen, im IPRG eine Bestimmung einzuführen, wonach für Rechte an Bucheffekten und deren Übertragung das HWpÜ gilt. Kraft dieser Bestimmung gilt das HWpÜ bis zu einem völkerrechtlichen Inkrafttreten als autonomes Recht. Das IPRG wird zudem mit Bestimmungen betreffend Begriff, Gerichtsstand und Anerkennung ergänzt.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Allgemeiner Teil 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Die Mediatisierung der Wertpapierverwahrung 1.1.2 Die Immobilisierung und Entmaterialisierung der Wertpapiere 1.1.3 Ruf nach einer Reform des Wertpapierrechts 1.2 Die mediatisierte Verwahrung von Wertpapieren im geltenden schweizerischen Recht 1.2.1 Überblick 1.2.2 Sammelverwahrung 1.2.3 Globalurkunden 1.2.4 Wertrechte 1.2.5 Mediatisiert verwahrte Wertpapiere im Konkurs der Depotbank 1.2.6 Internationales Privatrecht 1.2.6.1 Qualifikation 1.2.6.2 Sammelverwahrte Wertpapiere und Globalurkunden 1.2.6.3 Wertrechte 1.2.7 Mängel des geltenden Rechts 1.2.7.1 Materielles Recht 1.2.7.2 Internationales Privatrecht 1.3 Entwicklungen im ausländischen und einheitlichen Privatrecht 1.3.1 Ausländisches Recht 1.3.2 Internationale und regionale Initiativen 1.3.2.1 Unidroit-Wertpapierübereinkommen 1.3.2.2 Europäische Union 1.3.2.2.1 Legal Certainty Project 1.3.2.2.2 EU-Finalitätsrichtlinie 1.3.2.2.3 EU-Finanzsicherheitenrichtlinie 1.4 Ergebnisse des Vorverfahrens 1.4.1 Vorbereitungsarbeiten 1.4.2 Anhörung

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2 Besonderer Teil 2.1 Bucheffektengesetz 2.1.1 Grundzüge des vorliegenden Gesetzesentwurfs 2.1.1.1 Bucheffekten als Vermögensobjekt sui generis 2.1.1.2 Beschränkter Geltungsbereich des BEG 2.1.1.3 Drittverwahrung 2.1.1.4 Rechte aus der Verwahrung von Bucheffekten 2.1.1.5 Die Verfügung über Bucheffekten 2.1.1.6 Die Haftung von Verwahrungsstellen 2.1.2 1. Kapitel: Zweck, Geltungsbereich und Begriffe 2.1.3 2. Kapitel: Entstehung, Umwandlung und Untergang von Bucheffekten 2.1.4 3. Kapitel: Drittverwahrung 2.1.4.1 Überblick 9318

9326 9326 9326 9328 9328 9329 9330 9330 9330 9331 9331 9331 9333 9333 9333 9335 9335 9336 9336 9336 9337 9337 9337 9338 9339 9339 9339 9339 9340 9340 9341 9341 9342 9342 9348 9351 9351

2.1.5 4. Kapitel: Rechte aus der Verwahrung von Bucheffekten 2.1.5.1 Überblick 2.1.5.2 1. Abschnitt: Rechte der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber 2.1.5.3 2. Abschnitt: Rechte der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber in der Liquidation der Verwahrungsstelle 2.1.5.4 3. Abschnitt: Rechte der Verwahrungsstelle 2.1.6 5. Kapitel: Verfügung über Bucheffekten und Wirkung gegenüber Dritten 2.1.6.1 1. Abschnitt: Verfügung über Bucheffekten 2.1.6.2 2. Abschnitt: Stornierung 2.1.6.3 3. Abschnitt: Wirkung gegenüber Dritten 2.1.7 6. Kapitel: Verwertung von Sicherheiten 2.1.7.1 Überblick 2.1.8 7. Kapitel: Haftung der Verwahrungsstelle 2.1.9 8. Kapitel: Schlussbestimmungen 2.1.10 Änderung bisherigen Rechts 2.2 Haager Wertpapierübereinkommen 2.2.1 Grundzüge der Vorlage 2.2.1.1 Ausgangslage 2.2.1.2 Verträglichkeit des Haager Wertpapierübereinkommens mit dem System der schweizerischen Rechtsordnung 2.2.1.3 Ratifikationsstand 2.2.1.4 Situation in der EU 2.2.1.5 Übernahme des Haager Wertpapierübereinkommens als autonomes Recht 2.2.1.5.1 Alternativen 2.2.1.5.2 Einordnung in das IPRG 2.2.2 Grundzüge des Haager Wertpapierübereinkommens 2.2.2.1 Bestimmung des anwendbaren Rechts 2.2.2.2 Schlussbestimmungen 2.2.3 Kommentierung der vorgeschlagenen Gesetzesänderungen 2.2.3.1 Begriff der intermediärverwahrten Wertpapiere (neuer Art. 108a IPRG) 2.2.3.2 Auf intermediärverwahrte Wertpapiere anwendbares Recht (neuer Art. 108c IPRG) 2.2.3.3 Zuständigkeitsregelung (neue Art. 108b und 108d IPRG) 3 Auswirkungen 3.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen 3.2 Auswirkungen auf die Informatik 3.3 Volkswirtschaftliche Auswirkungen 3.3.1 Bucheffektengesetz 3.3.2 Haager Wertpapierübereinkommen 3.4 Legislaturplanung 3.5 Verhältnis zum europäischen Recht

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3.6 Rechtliche Grundlagen 3.6.1 Verfassungsmässigkeit 3.6.2 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

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Literaturverzeichnis

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Materialienverzeichnis

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Bundesgesetz über Bucheffekten (Entwurf)

9421

Bundesbeschluss über die Genehmigung und Umsetzung des Übereinkommens vom 5. Juli 2006 über die auf bestimmte Rechte an intermediärverwahrten Wertpapieren anzuwendende Rechtsordnung (Entwurf)

9439

Übereinkommen über die auf bestimmte Rechte an Intermediärverwahrten Wertpapieren anzuwendende Rechtsordnung

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Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Die Mediatisierung der Wertpapierverwahrung

Nach geltendem schweizerischem Obligationenrecht ist ein Wertpapier jede Urkunde, mit der ein Recht derart verknüpft ist, dass es ohne die Urkunde weder geltend gemacht noch auf andere übertragen werden kann.1 Daraus ergibt sich einerseits, dass der Besitz des Papiers Ausweis ist für die Geltendmachung des Rechts (Legitimationsfunktion des Wertpapiers). Andererseits ist die Übertragung des Besitzes der Urkunde Voraussetzung für die Übertragung des Rechts (Transportfunktion des Wertpapiers). Schliesslich bildet der Besitz des Papiers Grundlage für den Schutz des guten Glaubens von Erwerberinnen und Erwerbern der Wertpapiere (Verkehrsschutzfunktion des Wertpapiers). Diese Verbindung von Recht und Urkunde ist ein zentrales Element des schweizerischen Wertpapierbegriffs.2 Sie hat in der Vergangenheit die Mobilisierung von Forderungen und anderen Rechten ermöglicht. Mit der massenweisen Verbreitung von Wertpapieren hat sie sich jedoch zunehmend zu einem Hindernis des Rechtsverkehrs entwickelt: Je grösser die Zahl der Effekten, desto gravierender wurde das Problem sicherer Verwahrung und desto stärker machte sich die Schwerfälligkeit des Hin-und-her-Transports bei der Übertragung bemerkbar. Wertpapierverwaltung und -handel mussten rationalisiert werden.3 Für Geld- und Kapitalmarktpapiere, die der Anlage von Kapital dienen, ist diese «Verkörperung des Rechts»4 heute denn auch weitgehend überholt. Sie werden in aller Regel nicht mehr durch die Anlegerinnen und Anleger selbst, sondern durch Verwahrungsstellen verwahrt und verwaltet. Dabei wird das Papier weder für die Geltendmachung des Rechts noch für dessen Übertragung mehr gebraucht. Diese so genannte mediatisierte Wertpapierverwahrung hat zur Ausbildung komplexer Verwahrungspyramiden geführt.5 An der Basis einer Verwahrungspyramide stehen die Anlegerinnen und Anleger, die ihre Wertpapierbestände bei einer Verwahrungsstelle (einer Bank oder Effektenhändlerin) hinterlegt haben. Die Verwahrungsstellen bilden die zweite Verwahrungsebene. Sie sind einer zentralen Verwahrungsstelle angeschlossen, wo die Wertpapiere physisch verwahrt werden. Diese bildet die Spitze der Verwahrungspyramide.

Im einfachsten Fall besteht eine solche Verwahrungspyramide aus drei Ebenen (Anleger ­ Verwahrungsstelle ­ zentrale Verwahrungsstelle). Vor allem im grenzüberschreitenden
Verhältnis sind zwischen der Verwahrungsstelle, die für den Anleger das Depotkonto führt, und der zentralen Verwahrungsstelle an der Spitze der Pyramide weitere Verwahrungsstellen eingeschaltet, wie z.B. eine oder mehrere Unterverwahrungsstellen oder internationale zentrale Verwahrungsstellen. Hier kann eine Verwahrungspyramide ohne weiteres vier, fünf oder mehr Ebenen umfassen.

1 2 3 4 5

Art. 965 OR.

Vgl. Zobl/Lambert, 131 ff.; Meier-Hayoz, 388 ff.

Meier-Hayoz, 391.

Meier-Hayoz, 389.

Vgl. dazu die Darstellung in Bernasconi, 12 ff.

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Die Rechtszuständigkeit einer Anlegerin oder eines Anlegers an einer bestimmten Anzahl Wertpapiere ergibt sich in diesem so genannten stückelosen Effektengiroverkehr faktisch ausschliesslich aus einer Gutschrift in einem Konto, welches die Verwahrungsstelle auf den Namen der Anlegerin oder des Anlegers führt. Auch die Wertpapierbestände der Verwahrungsstellen, welche einer zentralen Verwahrungsstelle angeschlossen sind, sind durch Gutschriften in Wertpapierkonten bei der zentralen Verwahrungsstelle ausgewiesen. Bei den Wertpapierkonten der zweiten und dritten Ebene handelt es sich in aller Regel um Sammelkonten, welche die Gesamtheit der Bestände der einer Verwahrungsstelle angeschlossenen Anlegerinnen und Anleger umfassen. Die Rechtszuständigkeit einer Anlegerin wird übertragen, indem die Wertpapiere, die sie veräussert, ihrem Depotkonto belastet und demjenigen des Erwerbers gutgeschrieben werden. Sind die Veräussererin eines Wertpapiers und deren bzw.

Erwerber derselben Verwahrungsstelle angeschlossen (d.h. Kundinnen und Kunden derselben Verwahrungsstelle), so erschöpft sich dieser Übertragungsvorgang in einer Belastung des Kontos der Veräussererin und einer entsprechenden Gutschrift im Konto des Erwerbers. Halten die Parteien ihre Wertpapiere jedoch über verschiedene Verwahrungsstellen, so bedingt eine Übertragung unter Umständen eine ganze Reihe von Buchungsvorgängen bei zwei, drei oder mehr Verwahrungsstellen, Unterverwahrungsstellen oder zentralen Verwahrungsstellen.

Die Systeme für mediatisierte Wertpapierverwahrung sind für alle entwickelten Volkswirtschaften von grösster Bedeutung. Über sie werden gewaltige Vermögenswerte gehalten. In den Wertpapierdepots bei inländischen Bankstellen waren z.B.

Ende 2005 Wertpapiere im Wert von 4334 Milliarden Franken verbucht6 ­ ein 6

Vgl. Schweizerische Nationalbank, Die Wertschriftenbestände in Kundendepots der Banken, Statistisches Monatsheft März 2006, Tabelle D51, S. 40 f.

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Mehrfaches des schweizerischen Bruttoinlandprodukts.7 Hinzu kommen Handelsbestände der Banken im Umfang von rund 400 Milliarden Franken.8 Auch wenn eine verbindliche Aussage über die Form der Verwahrung aufgrund dieser Statistik nicht möglich ist, so kann man doch davon ausgehen, dass diese Depot- und Handelsbestände zum grössten Teil über mediatisierte Verwahrungssysteme gehalten werden.

Auch die Praxis bestätigt, dass Anlegerinnen oder Anleger, die ihre Wertpapiere zu Hause oder in einem geschlossenen Depot bei ihrer Bank verwahren, immer seltener werden. Bei den börsenkotierten Gesellschaften soll der Anteil dieser so genannten Heimverwahrung heute weniger als ein Prozent des Aktionariats ausmachen.9 Bemerkenswert ist ferner der hohe Grad an internationalen Verwahrungsverhältnissen. Knapp 60 Prozent der Depotbestände in den Kundendepots der inländischen Bankstellen, d.h. 1777 von 2557 Milliarden Franken, entfielen Ende 2005 auf ausländische Depotinhaberinnen und Depotinhaber.10 Mehr als 60 Prozent der durch Schweizer Banken verwahrten Titel waren im Übrigen durch Emittentinnen im Ausland begeben und dürften überwiegend im Ausland endverwahrt werden.11 Grenzüberschreitende Verwahrungsverhältnisse sind deshalb für die Schweiz die Regel, nicht die Ausnahme.

Die Mediatisierung der Wertpapierverwahrung ist aus ökonomischer Sicht positiv zu beurteilen. Zunächst erlaubt sie erhebliche Effizienzgewinne. Sie war notwendige Voraussetzung für den Aufbau von Effektenabrechnungs- und -abwicklungssystemen, die einen weitgehend automatisierten Austausch von Geld und Wertpapieren ermöglichen. Diese Systeme sind zentrales Element der Infrastruktur jedes Finanzmarktes, ohne das sich die heute umgesetzten Transaktionsvolumina längst nicht mehr mit vertretbaren Kosten bewältigen liessen. Die mediatisierte Wertpapierverwahrung führt auch zu einer massgeblichen Reduktion von Risiken wie Diebstahl, Verlust oder Fälschung, die mit physischen Transaktionen naturgemäss verbunden sind. Angesichts der zentralen Bedeutung der Wertpapiermärkte für die Finanzmärkte sowie für die Volkswirtschaften als Ganzes sind das gewichtige Vorteile.

Schliesslich sind effiziente und sichere Einrichtungen zur Verwahrung von Wertpapieren und zur Abwicklung von Wertpapiergeschäften auch von grossem Interesse für die Stabilität des Finanzsystems.

1.1.2

Die Immobilisierung und Entmaterialisierung der Wertpapiere

Der Aufbau mediatisierter Verwahrungssysteme ist nur möglich, wenn die Wertpapiere in die Systeme eingebracht und damit immobilisiert werden. Dafür stehen nach geltendem Recht mehrere Techniken zu Verfügung: die Sammelverwahrung von Einzelurkunden durch eine Verwahrungsstelle, der Ersatz von Einzelurkunden durch Globalurkunden sowie der vollständige Verzicht auf eine Verbriefung durch Aus7 8 9 10 11

Vgl. dazu Schweizerische Nationalbank, Bruttoinlandprodukt nach Verwendungsart, Statistisches Monatsheft März 2006, Tabelle P1, 110 f.

Vgl. Schweizerische Nationalbank, Die Banken in der Schweiz 2004, Wertschriften, Tabelle 15, Kolonne 23.

Praxiskommentar SWX, Art. 22 KR Rz. 6.

Vgl. Schweizerische Nationalbank, Die Wertschriftenbestände in Kundendepots der Banken, Statistisches Monatsheft März 2006, Tabelle D51, 40.

Vgl. Schweizerische Nationalbank, Die Wertschriftenbestände in Kundendepots der Banken, Statistisches Monatsheft März 2006, Tabelle D52a, Online-Version.

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gabe von Wertrechten.12 Im letzten Fall wird von der Entmaterialisierung der Wertpapiere gesprochen.

Bei der Sammelverwahrung werden Wertpapiere derselben Gattung mehrerer Hinterlegerinnen und Hinterleger ungetrennt in einem offenen Depot verwahrt. Ist deren Depotbank Verwahrerin, so spricht man von Haussammelverwahrung. Üblich ist heute die zentrale Sammelverwahrung durch eine zentrale Verwahrungsstelle. In der Schweiz wird die zentrale Wertpapierverwahrung von der SIS SegaInterSettle AG (SIS; früher: Schweizerische Effektengiro-Zentrale SEGA) wahrgenommen.

Die Globalurkunde fasst eine Mehrzahl von Einzelurkunden einer bestimmten Emission oder die gesamte Emission in einem einzigen Wertpapier zusammen.13 Die SWX Swiss Exchange (SWX) unterscheidet technische Globalurkunden und Globalurkunden auf Dauer. Bei der technischen Globalurkunde behalten die Anlegerinnen und Anleger das Recht auf Druck und Auslieferung von Einzelurkunden. Die seit 1997 zugelassene Globalurkunde auf Dauer verbrieft alle handelbaren Rechte, welche im Rahmen einer bestimmten Emission begeben werden. Das Recht, den Druck und die Auslieferung der Einzelurkunden zu veranlassen, steht ausschliesslich der federführenden Bank bzw. der Emittentin zu.14 Vor allem Schuldverschreibungen und Inhaberaktien sowie verbriefte Derivate (Warrants) werden heute in Form von Globalurkunden ausgegeben.

Während sowohl bei der Sammelverwahrung als auch beim System der Globalurkunden noch physische Titel vorhanden sind, geht das Konzept der Wertrechte einen Schritt weiter und verzichtet vollständig auf das körperliche Element. Wertrechte sind nicht verurkundete Rechte mit gleicher Funktion wie vereinheitlichte und zum massenweisen Handel geeignete Wertpapiere.15 In der Schweiz sind heute die Namenaktien der meisten Publikumsgesellschaften als Wertrechte ausgestaltet. Dabei lassen sich zwei Modelle unterscheiden. Nach dem Namenaktienmodell mit aufgeschobenem Titeldruck werden Aktien oder Aktienzertifikate nur ausgegeben, wenn der Aktionär die verlangt; im Übrigen bestehen die Namenaktien nur als Wertrechte.

Beim Namenaktienmodell mit aufgehobenem Titeldruck entfällt der Anspruch auf Druck und Auslieferung von Aktien vollständig. Neben Namenaktien werden auch Anlagefondsanteile16 sowie Geldmarktbuchforderungen als Wertrechte ausgegeben.

1.1.3

Ruf nach einer Reform des Wertpapierrechts

Die Entwicklung der rechtlichen Grundlagen hat mit der rasanten technischen Veränderung auf dem Gebiet der mediatisierten Wertpapierverwahrung nicht mitgehalten. In der Schweiz wie auch in vielen anderen Rechtsordnungen wurde die Mediatisierung bisher weitgehend auf der Grundlage des herkömmlichen Wertpapier-, Schuld- und Sachenrechts bewältigt. Bereits die Sammelverwahrung und das System 12 13 14 15

16

Dazu Zobl/Lambert, 118 ff.; Meier-Hayoz/von der Crone, § 25, sowie Boemle/Gsell, 518, 932, 1112.

Vgl. Rickenbacher, 129.

Richtlinie der Zulassungsstelle betr. Verbriefung von Valoren vom 14. Mai 1997, Rz. 13, 34.

Art. 2 Bst. a des Bundesgesetzes vom 24. März 1995 über die Börsen und den Effektenhandel (Börsengesetz, BEHG; SR 954.1); ähnlich Art. 32 des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Anlagefonds (Anlagefondsgesetz, AFG; SR 951.31).

Art. 23 Abs. 4 AFG.

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der Globalurkunden rühren jedoch an grundlegende wertpapierrechtliche Vorstellungen, weil das Wertpapier mit der Immobilisierung seine Legitimations- und seine Transportfunktion verliert. Erst recht lässt sich das Konzept der Wertrechte, das vollständig auf das Verkörperungselement verzichtet, auf der Grundlage des geltenden Wertpapierrechts nicht mehr befriedigend bewältigen.17 In den letzten Jahren ist deshalb der Ruf nach einer grundlegenden Modernisierung des Rechts der mediatisierten Wertpapierverwahrung zunehmend dringlicher geworden. So haben sich im November 2001 der Ausschuss für Zahlungs- und Abwicklungssysteme (CPSS) der Zehnergruppe und die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) in ihren Empfehlungen für Wertpapierabwicklungssysteme dafür ausgesprochen, Wertpapiere so weit als möglich zu immobilisieren oder zu entmaterialisieren und für eine Übertragung mittels Bucheintrag bei der zentralen Verwahrungsstelle zu sorgen.18 Auch in einem Aktionsplan der Group of Thirty, einem Zusammenschluss von weltweit tätigen Finanzinstituten, nimmt die Forderung nach einer Verbesserung der Rechtssicherheit vor allem bei der grenzüberschreitenden Abwicklung von Wertpapiertransaktionen eine zentrale Stellung ein. Dazu ist eine Reform des Wertpapierrechts notwendig, damit die Anlegerinnen und Anleger im Konkurs des Intermediärs geschützt sind, einfache und transparente Verfahren für die Begründung sowie Verwertung von Sicherungsrechten bereit gestellt werden sowie die Unwiderruflichkeit und Endgültigkeit von Verfügungen über mediatisiert verwahrte Wertpapiere auch im Konkurs einer Teilnehmerin an Wertpapierverwahrungssystemen gewährleistet wird.19 Diesen Ruf haben in jüngerer Zeit eine ganze Reihe von Rechtsordnungen aufgenommen.20 Auf internationaler Ebene verabschiedete die Haager Konferenz für internationales Privatrecht im Dezember 2002 das Haager Wertpapierübereinkommen. Das Übereinkommen vereinheitlicht das Kollisionsrecht zur Bestimmung der Rechtsordnung, welche auf Rechte an mediatisiert verwahrten Wertpapieren anwendbar ist. Weiter laufen derzeit Projekte für die Modernisierung des materiellen Wertpapierrechts beim Römer Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts (Unidroit) sowie im Rahmen der Europäischen Union.21 Auch die schweizerische Lehre fordert seit
längerem eine grundlegende Modernisierung des Wertpapierrechts.22 In der direkt betroffenen Industrie stiess diese Forderung allerdings zunächst auf einige Zurückhaltung. Sie wies darauf hin, dass das auf der Grundlage allgemeiner Vorschriften des Sachen-, Schuld- und Konkursrechts geschaffene und durch Rechtsgutachten sowie vertragliche Abreden modifizierte schweizerische System23 gesamthaft befriedigend funktioniere und bis heute in keinem öffentlich bekannten Rechtsstreit grundlegend in Frage gestellt worden sei.

Insbesondere im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr und im Verkehr mit ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörden hatten schweizerische Verwahrungsstellen allerdings in den vergangenen Jahren zunehmend Mühe, das schweizerische System 17 18 19 20 21 22

23

Zum Reformbedarf des geltenden Rechts eingehender hinten Ziff. 1.2.7.

Committee on Payment and Settlement Systems, Empfehlung 6.

Group of Thirty, 13, 16, 46, 111 ff.

Vgl. dazu hinten Ziff. 1.3.1.

Zum HWpÜ hinten Ziff. 2.2.; zum ausländischen und einheitlichen Privatrecht eingehender hinten Ziff. 1.3.2.

Vgl. Zobl/Lambert, 129; Druey, 69 f.; Meier-Hayoz, 398; Meier-Hayoz/von der Crone, § 25 Rz. 39; Nobel, 823 ff.; Forstmoser/Lörtscher, 64; Forstmoser, 4; BSK OR II-Furter, Art. 965 Rz. 24. Gegen neue gesetzliche Regelungen: Kleiner, 295.

Vgl. nachfolgend Ziff. 1.2.

9325

zufrieden stellend zu erklären. Daher setzte sich in jüngerer Zeit auch unter Praktikerinnen und Praktikern die Erkenntnis durch, dass sich die mediatisierte Wertpapierverwahrung auf Dauer nicht auf der Grundlage eines gesetzlichen Rahmens bewältigen lässt, der im Wesentlichen im 19. Jahrhundert geschaffen worden ist. Gefördert wurde die Diskussion auch durch die Arbeiten am HWpÜ, an denen die Schweiz aktiv teilnahm und welche an verschiedenen Veranstaltungen in der Schweiz erörtert wurden.24

1.2

Die mediatisierte Verwahrung von Wertpapieren im geltenden schweizerischen Recht

1.2.1

Überblick

Trotz der überragenden Bedeutung der mediatisierten Wertpapierverwahrung finden sich bis heute im schweizerischen Recht nur punktuell gesetzliche Regelungen, die darauf Bezug nehmen. Zu erwähnen sind Artikel 2 Buchstabe a BEHG, der eine Legaldefinition für Wertrechte enthält, sowie die Artikel 16 und 37d des Bankengesetzes vom 8. November 1934 (BankG; SR 952.0), die den Hinterlegerinnen und Hinterlegern im Konkurs ihrer Depotstelle ein Absonderungsrecht an ihren Depotbeständen einräumen. Im Übrigen ergibt sich der rechtliche Rahmen der mediatisierten Wertpapierverwahrung überwiegend aus den allgemeinen Regeln des Sachen- und des Obligationenrechts sowie des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG; SR 281.1). Diese Rechtsgrundlagen werden durch eine Reihe von Gutachten und die vertraglichen Vereinbarungen zwischen Betreiberinnen von und Teilnehmerinnen an den Effektenabwicklungs- und -abrechnungssystemen ergänzt. Auch das Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (IPRG; SR 291) sieht bislang keine besonderen Kollisionsregeln für mediatisierte Wertpapiere vor.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

1.2.2

Sammelverwahrung

Die Sammelverwahrung beruht in der Schweiz auf dem von Liver25 entwickelten Konzept des modifizierten und labilen Miteigentums. Modifiziert ist das Miteigentum, weil unter den Miteigentümerinnen und Miteigentümern nur theoretische Rechtsbeziehungen bestehen; und labil ist es insofern, als eine Hinterlegerin ihren Anteil jederzeit herausverlangen kann, ohne dass dazu die Mitwirkung der anderen Hinterlegerinnen und Hinterleger notwendig ist.26 Grundlage des Konzepts bildet Artikel 484 Absatz 1 des Obligationenrechts (OR; SR 220), wonach die Sammelverwahrung nur möglich ist, wenn die Hinterlegerinnen und der Hinterleger auf den Anspruch verzichten, dass die deponierten Gegenstände spezifiziert verwahrt und zurückgegeben werden. Dieser Verzicht ist im Depotvertrag enthalten. Der Depotvertrag ist nach Auftrags- und Hinterlegungsver-

24 25 26

Dazu hinten Ziff. 2.2.1.

Liver, Gutachten 1963 und Ergänzungsgutachten 1969.

Meier-Hayoz/von der Crone, § 25 Rz. 13.

9326

tragsrecht zu beurteilen.27 Für die Drittsammelverwahrung schliesst die Depotbank z.B. mit der SIS als zentraler Verwahrungsstelle einen so genannten Teilnehmervertrag ab; es handelt sich dabei ebenfalls um einen gemischten Vertrag mit Auftragsund Hinterlegungsvertragselementen. Zwischen den Kundinnen und Kunden der Depotbank und der SIS bestehen keine vertraglichen Beziehungen.28 Fehlt ein solcher Depotvertrag, so kann Artikel 727 Absatz 1 des Zivilgesetzbuchs (ZGB; SR 210) analog herangezogen werden, nach welchem bei Verbindung oder Vermischung beweglicher Sachen von verschiedenen Eigentümerinnen und Eigentümern durch den Realakt, d.h. ohne Willensäusserung, Miteigentum entsteht.29 Mit der Sammelverwahrung von Wertpapieren entstehen gestufte Besitzverhältnisse (Art. 920 ZGB): Wer bei einer Depotbank Wertpapiere hinterlegt, bleibt mittelbarer Besitzer; bei der Haussammelverwahrung wird die Depotbank unmittelbare Besitzerin, bei der Drittsammelverwahrung erwirbt die Depotbank ebenfalls mittelbaren und die zentrale Verwahrungsstelle unmittelbaren Besitz. Gemäss anerkannter Lehre und Rechtsprechung erwerben die Hinterlegerinnen und Hinterleger nach erfolgter Vermengung an sämtlichen hinterlegten Gegenständen gleicher Art und Güte Miteigentum im Verhältnis der von ihnen hinterlegten Anzahl Titel zum jeweiligen Sammeldepotgesamtbestand.30 Miteigentumsanteile an sammelverwahrten Effektenbeständen werden aus rechtlicher Sicht (nicht aber faktisch) ausschliesslich durch Übertragung des Besitzes an der Urkunde übertragen (Art. 967 Abs. 1 OR). Die Besitzübertragung erfolgt durch Besitzanweisung (Art. 924 ZGB), also durch Anweisung der mittelbaren selbständigen Besitzerin an den unmittelbaren Besitzer, in Zukunft einer anderen Person den Besitz zu vermitteln.31 Bei der Drittsammelverwahrung zeigt die Veräussererin oder der Veräusserer der Depotbank den Besitzübergang an. Diese leitet die Anzeige (in anonymisierter Form) an die zentrale Verwahrungsstelle weiter. Lässt die Erwerberin oder der Erwerber die erworbenen Effekten auf derselben Bank bzw. bei derselben zentralen Verwahrungsstelle verwahren wie die Veräussererin oder der Veräusserer, so müssen diese Effekten physisch nicht bewegt werden. Die Verbuchung der Übertragung durch die Depotbank bzw. die zentrale Verwahrungsstelle hat aus rechtlicher Sicht
(nicht aber faktisch) bloss deklaratorische Bedeutung, da das Eigentum bereits mit der Besitzanweisung, d.h. mit Empfang der Anzeige durch die Besitzmittlerin oder den Besitzmittler (Art. 924 Abs. 2 ZGB), übergegangen ist.

Wertpapiere sind zur Sammelverwahrung geeignet, wenn sie untereinander vertretbar sind. Dies trifft insbesondere auf Inhaberpapiere zu. Ordrepapiere müssen grundsätzlich zuerst durch ein Blankoindossament bzw. eine Blankozession umlauffähig gemacht werden.32

27 28 29 30 31 32

ZK-Haab/Simonius/Scherrer/Zobl, Art. 727 ZGB Rz. 94a; Meier-Hayoz/von der Crone, § 25 Rz. 14 f.

Meier-Hayoz/von der Crone, § 25 Rz. 11.

Meier-Hayoz/von der Crone, § 25 Rz. 14 f.

ZK-Haab/Simonius/Scherrer/Zobl, Art. 727 ZGB Rz. 94b.

Vgl. BSK ZGB II-Stark, Art. 924 Rz. 1.

Meier-Hayoz/von der Crone, § 25 Rz. 16.

9327

1.2.3

Globalurkunden

Auch das System der Globalurkunde beruht auf einem sachenrechtlichen Konzept, da wenigstens noch ein Papier besteht.33 Die Anlegerinnen und Anleger haben Miteigentum am Gesamtbestand der in der Urkunde verbrieften Rechte, und zwar im Verhältnis der von ihnen gehaltenen Anzahl Rechte zum Gesamtbestand. Dieses Miteigentumskonzept ist vergleichbar mit demjenigen bei der Sammelverwahrung.

Verschieden ist einzig das Objekt des Miteigentums: Bei der Sammelverwahrung besitzen die Anlegerinnen und Anleger Miteigentum an einer Vielzahl von Wertpapieren, während hier einzig die Globalurkunde als Einzelsache Miteigentumsgegenstand ist.34 Gesetzliche Grundlagen dieser Verwahrungsform bilden ebenfalls die Artikel 484 OR und 727 ZGB.35 Entwickelt wurde das Konzept Mitte der 1980erJahre in Gutachten von Patry36 und Forstmoser37. Auch die Verfügung über die Miteigentumsanteile an global verurkundeten Effekten erfolgt nach den gleichen Grundsätzen wie bei der Sammelverwahrung, d.h. durch Besitzanweisung (Art. 924 Abs. 1 ZGB) an die Depotbank bzw. zentrale Verwahrungsstelle.

1.2.4

Wertrechte

Mit Erlass des BEHG fand das Konzept der Wertrechte gesetzliche Verankerung.

Artikel 2 Buchstabe a BEHG definiert Wertrechte als nicht verurkundete Rechte mit gleicher Funktion wie vereinheitlichte und zum massenweisen Handel geeignete Wertpapiere. Allerdings weist diese Legaldefinition keinen materiellen Gehalt auf; insbesondere sagt sie nicht, wann nicht verurkundete Rechte die gleiche Funktion aufweisen wie Wertpapiere.

Bei den Wertrechten ist die Loslösung des Rechts von der Urkunde vollständig verwirklicht. Sie haben nach in der Schweiz herrschender Lehre keinen dinglichen Charakter mehr, sondern stellen rein obligatorische Rechte dar. Daraus wird abgeleitet, dass sie nach zessionsrechtlichen Grundsätzen (Art. 164 ff. OR) übertragen und nach den Vorschriften über die Forderungsverpfändung (Art. 899 f. ZGB) verpfändet werden. Das heisst insbesondere, dass für die Abtretung ein schriftlicher Abtretungsvertrag (Art. 165 Abs. 1 OR) und für die Verpfändung ein schriftlicher Pfandvertrag (Art. 900 Abs. 1 ZGB) erforderlich ist.38 Eine Minderheit der Lehre39 lehnt die Anwendung der zessionsrechtlichen Grundsätze auf die Übertragung von Wertrechten ab mit der Begründung, hinsichtlich der Übertragung von Wertrechten bestehe eine Gesetzeslücke, die durch die Anerkennung des Bucheintrags als konstitutiver Übertragungsakt für Wertrechte zu schliessen sei. Obwohl überzeugend, hat sich diese Lehrmeinung bis heute nicht durchsetzen können.

33 34 35 36 37 38 39

Meier-Hayoz/von der Crone, § 25 Rz. 26; Zobl/Lambert, 127 f.

Zobl/Lambert, 128.

ZK-Haab/Simonius/Scherrer/Zobl, Art. 727 ZGB Rz. 94d; BGE 112 II 406.

Patry, Gutachten April 1985 und Ergänzungsgutachten August 1985.

Forstmoser, Gutachten 1986.

Vgl. Forstmoser/Lörtscher, 51 f.; Zobl/Lambert, 129; Meier-Hayoz/von der Crone, § 25 Rz. 35.

Vgl. Brunner, 204 ff.

9328

1.2.5

Mediatisiert verwahrte Wertpapiere im Konkurs der Depotbank

Eine grundlegende Voraussetzung für die Einrichtung von zentralen Verwahrsystemen war der Schutz der Hinterlegerinnen und Hinterleger im Konkurs ihrer Depotbank oder der zentralen Verwahrungsstelle. Da diese nach unbestrittener Lehre40 an sammelverwahrten bzw. globalverurkundeten Wertpapieren Eigentümerstellung haben, steht ihnen für ihre Papiere im Konkurs der Depotbank bzw. der zentralen Verwahrungsstelle gemäss Artikel 242 SchKG ein Aussonderungsanspruch zu.

Neben dem sachenrechtlichen Herausgabeanspruch können die Hinterlegerinnen und Hinterleger ihre Wertpapiere auch gestützt auf den Depotvertrag mit der Depotbank und die darauf anwendbaren Artikel 475 Absatz 1 bzw. Artikel 484 Absatz 2 OR jederzeit zurückfordern. Dasselbe gilt auch im Verhältnis zwischen der Depotbank und der zentralen Verwahrungsstelle, wo ebenfalls Hinterlegungsvertragsrecht anwendbar ist.

Mit der Revision der Artikel 16 und 37b BankG (erneut revidiert im Rahmen der am 3. Oktober 2003 verabschiedeten Teilrevision des BankG betreffend Bankensanierung, Bankenliquidation und Einlegerschutz; heute: Art. 37d BankG) von 1994 wurde der Schutz der Anlegerinnen und Anleger im Konkurs einer Depotstelle in verschiedener Hinsicht verbessert. Nach dem heutigen Artikel 37d Absatz 1 BankG werden im Konkurs einer Depotbank die Depotwerte nicht zur Konkursmasse gezogen, sondern unter Vorbehalt sämtlicher Ansprüche der Bank gegenüber der betreffenden Deponentinnen und Deponenten zu deren Gunsten abgesondert. Als Depotwerte gelten gemäss Artikel 16 BankG unter anderem Effekten, zu denen nach Artikel 2 Buchstabe a BEHG auch Wertrechte zu zählen sind. Ist die konkursite Bank selber Deponentin bei Dritten, z.B. bei der SIS, so werden die Depotwerte als Bestände ihrer Depotkunden vermutet und ebenfalls abgesondert (Art. 37d Abs. 2 BankG). In sachlicher Hinsicht setzen die Artikel 16 und 37d BankG einen Depotvertrag zwischen der Bank und ihrer Kundin oder ihrem Kunden voraus, aufgrund dessen die Bank die betreffenden Depotwerte verwahrt.41 Gestützt auf Artikel 37d BankG können auch Vermögenswerte abgesondert werden, welche die konkursite Bank für Kundinnen und Kunden treuhänderisch hält. Im Unterschied zu Artikel 401 OR gilt dies unabhängig davon, ob die Bank die betreffenden Vermögenswerte von den Fiduziantinnen und Fiduzianten erhalten oder
von einer Drittperson auf Rechnung der Kundinnen und Kunden erworben hat. Die Absonderung der Depotwerte erfolgt im Unterschied zur Aussonderung gemäss Artikel 242 SchKG von Amtes wegen.42 Eine vergleichbare Regelung gilt mit Artikel 16 AFG für Sachen und Rechte, die zum Anlagefonds gehören; auch diese werden im Konkurs der Depotstelle zugunsten der Anlegerinnen und Anleger abgesondert.

Eine Einschränkung des Absonderungsrechts ergab sich bislang daraus, dass der persönliche Anwendungsbereich der Artikel 16 und 37d BankG auf Banken im Sinne des BankG beschränkt war.43 Durch die Teilrevision des BankG von 2003 ist das bankengesetzliche Absonderungsrecht auf Effektenhändlerinnen ausgedehnt worden (vgl. Art. 36a BEHG).

40 41 42 43

Vgl. Ziff. 1.2.2 und 1.2.3.

Dazu Bertschinger, 426 ff.

Bodmer/Kleiner/Lutz, Art. 37b BankG Rz. 7 ff.; BSK BankG-Hess, Art. 37d Rz. 2 ff.

Bodmer/Kleiner/Lutz, Art. 16 BankG Rz. 1.

9329

1.2.6

Internationales Privatrecht

1.2.6.1

Qualifikation

Das IPRG kennt ebenfalls keine besonderen Kollisionsregeln für die mediatisierte Wertpapierverwahrung. Es kommt deshalb auch hier grundsätzlich darauf an, ob ein sachen- oder ein schuldrechtliches Konzept vorliegt.44 Die Frage, welches Recht dazu berufen ist, über die Rechtsnatur des Rechts der Anlegerin oder des Anlegers zu entscheiden, ist in der schweizerischen Lehre kontrovers. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts stellt auf die lex fori ab.45 Die heute herrschende Auffassung spricht sich demgegenüber für Recht und Verkehrssitte am Ausstellungsort der Urkunde bzw. des Wertrechts aus46, während eine neuere, sich im Durchsetzen begriffene Auffassung auf die für das verbriefte Recht massgebende Rechtsordnung abstellt.47 Danach richtet sich die Beurteilung der Rechtsnatur von Mitgliedschaftsrechten nach dem Gesellschaftsstatut48 und die Frage, ob ein Pfand- oder ein Vollrecht vorliegt, nach dem Wertpapiersachstatut.49

1.2.6.2

Sammelverwahrte Wertpapiere und Globalurkunden

Da die Anlegerinnen und Anleger im Falle der Sammelverwahrung von Wertpapieren oder bei Bestehen einer Globalurkunde nach dem Recht der meisten Länder einen sachenrechtlichen Anspruch haben, bestimmt sich das auf die Eigentumsübertragung anwendbare Recht grundsätzlich nach Artikel 100 Absatz 1 IPRG. Anwendbar ist gemäss dieser Norm das Recht des Staates, in dem die Wertpapiere im Zeitpunkt des Vorgangs, aus dem der Erwerb oder der Verlust hergeleitet wird, gelegen sind (lex chartae sitae). Entscheidend ist also der Ort, an dem die zentrale Verwahrungsstelle die Wertpapiere verwahrt oder verwahren lässt. Eine Rechtswahl ist nur im engen Rahmen von Artikel 104 IPRG möglich und kann Dritten nicht entgegengehalten werden.

Für das Pfandrecht an Wertpapieren sieht Artikel 105 IPRG eine Sonderanknüpfung vor. Massgebend ist demnach das von den Parteien des Verpfändungsvertrags gewählte Recht, wobei eine Rechtswahl Dritten nicht entgegengehalten werden kann (Art. 105 Abs. 1 IPRG). Daraus kann sich, wie bereits bei der Eigentumsübertragung, eine Spaltung der sachenrechtlichen Wirkung in ein Innen- und ein Aussenverhältnis ergeben.50 Fehlt eine Rechtswahl, so ist das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Pfandgläubigers anwendbar (Art. 105 Abs. 2 IPRG). Dem Wertpapierschuldner kann nur das Recht entgegengehalten werden, dem das verpfändete Recht untersteht (Art. 105 Abs. 3 IPRG).

44 45 46 47 48 49 50

Vgl. zum IPR der mediatisierten Wertpapiere aus schweizerischer Sicht Girsberger/Guillaume, 15 ff.; Zobl, 105 ff.; BK-Zobl, Syst. Teil Rz. 940 ff.

BGE 59 II 399 Vgl. BSK OR II-Furter, Art. 965 Rz. 26; BK-Meier-Hayoz, Syst. Teil Rz. 777, 844; BK-Zobl, Syst. Teil Rz. 906.

Vgl. Brunner, 107; BSK IPRG-von Planta, Art. 155 Rz. 13; IPRG-Kommentar Zürich Vischer, Art. 155 Rz. 24 f.; Zobl, 109.

Vgl. BSK IPRG-von Planta, Art. 155 Rz. 13; IPRG-Kommentar Zürich Vischer, Art. 155 Rz. 24 f.

Vgl. IPRG-Kommentar Zürich Heini, Art. 105 Rz. 3.

Vgl. Zobl, 110 f.

9330

1.2.6.3

Wertrechte

Weil Wertrechte nach in der Schweiz herrschender Lehre als rein schuldrechtliche Ansprüche zu qualifizieren sind, richtet sich ihre Übertragung nicht nach sachenrechtlichen, sondern nach zessionsrechtlichen Grundsätzen. Im internationalen Verhältnis ergibt sich daraus, dass sich auch die auf die Abtretung solcher Wertrechte anwendbare Rechtsordnung nach den Regeln des internationalen Zessionsrechts (Art. 145 IPRG) bestimmt. Danach findet im Verhältnis gegenüber Dritten das von den Parteien gewählte Recht Anwendung. Damit die Rechtswahl auch gegenüber der Schuldnerin oder dem Schuldner wirksam ist, braucht es deren oder dessen Zustimmung. Mangels einer Rechtswahl untersteht die Abtretung dem auf die Forderung anzuwendenden Recht (Art. 145 Abs. 1 IPRG).

Für das Pfandrecht bestehen wieder besondere Normen: Wie bei der Verpfändung von Wertpapieren ist die Rechtswahl bei der Verpfändung von Forderungen zulässig. Sie kann aber Dritten nicht entgegengehalten werden (Art. 105 Abs. 1 IPRG).

Wurde keine Rechtswahl getroffen, so ist die Frage nach dem anwendbaren Recht nach Artikel 105 Absatz 2 IPRG zu beantworten. Die Norm unterscheidet zwischen der Verpfändung von Forderungen, die sich nach dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt der Pfandgläubigerin oder des Pfandgläubigers richtet, und der Verpfändung anderer Rechte, die dem auf diese anwendbaren Recht unterstehen. Allerdings ist umstritten, ob Wertrechte für die Zwecke von Artikel 105 IPRG als Forderungen oder als andere Rechte zu qualifizieren sind. Die Lehre spricht sich dafür aus, dass man, ausgehend von Gesetzeswortlaut und Gesetzessystematik, die Wertrechte unter den Begriff der andern Rechte subsumieren müsste, da es sich insbesondere bei den Mitgliedschaftsrechten einer Aktionärin oder eines Aktionärs nicht um eine einzelne Forderung, sondern um eine Rechtsposition handelt. Eine solche Auslegung wird jedoch als unbefriedigend erachtet, da Wertrechte letztlich die gleiche Funktion erfüllen wie Wertpapiere und deshalb Wertrechte und Wertpapiere auch kollisionsrechtlich gleich behandelt werden sollten.51

1.2.7

Mängel des geltenden Rechts

1.2.7.1

Materielles Recht

Sowohl in der Praxis wie auch in der Lehre besteht heute weitgehend Einigkeit, dass die geltenden materiellrechtlichen Grundlagen nicht ausreichen, um die notwendige Rechtssicherheit und Klarheit im Rechtsverkehr zu gewährleisten.52 Das gilt insbesondere für das Konzept der Wertrechte. Dessen blosse Anerkennung durch den Gesetzgeber in Artikel 2 Buchstabe a BEHG ohne materielle Regelung lässt wesentliche Fragen offen; das Konzept ist deshalb de lege lata nicht geeignet, die zentralen Funktionen des Rechtsinstituts Wertpapier (Legitimations-, Transport-, Verkehrsschutzfunktion53) zu erfüllen. So ist die Übertragung von reinen Wertrechten im Vergleich zu verkörperten Wertpapieren erschwert, weil nach herrschender Lehre zessionsrechtliche Grundsätze zur Anwendung gelangen, welche die Beachtung der

51 52 53

Vgl. Zobl, 110 f.; Brunner, 108 f.; Guillaume, 258.

Vgl. die vorne in Fn. 22 genannten Autoren.

Dazu vorne Ziff. 1.1.1.

9331

Schriftform erfordern (Art. 165 Abs. 1 i.V.m. Art. 11 ff. OR).54 In der schweizerischen Praxis wird die Einhaltung des Schriftformerfordernisses durch Abtretungsvollmachten an die Gesellschaft oder die depotführende Bank oder dann durch Blankozessionen sichergestellt.55 Dies zeigt, dass die Schriftform zu einer nutzlosen Formalität verkommen ist, deren Einhaltung erhebliche Kosten verursacht. Auch die Legitimation richtet sich bei reinen Wertrechten nach den strengeren zessionsrechtlichen Grundsätzen; die verpflichtete Person kann danach mit befreiender Wirkung nur an diejenige Person leisten, die an der Forderung materiell berechtigt ist. Die Legitimationsklausel bei verkörperten Wertpapieren entlastet die verpflichtete Person demgegenüber von dieser Überprüfungspflicht, sie kann von der Legitimation der Person ausgehen, die die Wertpapiere vorlegt.56 Schliesslich ist bei der Übertragung von Wertrechten der Verkehrsschutz nicht gewährleistet57, denn von hier nicht interessierenden Ausnahmen (Art. 18 Abs. 2, Art. 164 Abs. 2 OR) abgesehen, kennt das schweizerische Zessionsrecht keinen Schutz der gutgläubigen Erwerberin oder des gutgläubigen Erwerbers.58 Die rechtlichen Grundlagen der Konzepte Sammelverwahrung und Globalurkunde stehen zwar dogmatisch auf festerem Boden; dennoch hat sich auch hier die Realität der Wertpapiermärkte weit von den Vorstellungen des Gesetzgebers entfernt. Dies löst Unklarheiten und Unsicherheiten zum Beispiel in Bezug auf den Eigentumsübergang aus. So erfolgt die Verfügung über sammelverwahrte und global verurkundete Wertpapiere aus rechtlicher Sicht durch Besitzanweisung, faktisch jedoch durch Bucheintrag. Da die Besitzanweisung eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist und damit bereits mit Zugang bei der Empfängerin oder dem Empfänger Wirkung entfaltet, kann ein Eigentumsübergang vorliegen, bevor die Buchung erfolgt ist. In Bezug auf den Verkehrsschutz steht für sammelverwahrte Wertpapiere und Globalurkunden zwar ausser Frage, dass auf sie die sachenrechtlichen Gutglaubensregeln (Art. 933 ff. ZGB) zur Anwendung gelangen. Danach ist die erwerbende Person im Erwerb einer beweglichen Sache geschützt, wenn sie im guten Glauben davon ausgehen kann, dass der Veräusserer die Sache besitzt und entsprechend zu deren Veräusserung berechtigt ist. Für die mediatisierte
Wertpapierverwahrung mit ihren mehrfach gestuften und von aussen nicht überblickbaren Besitzverhältnissen ist diese Regelung untauglich. Darüber hinaus haben sammelverwahrte oder global verurkundete Wertpapiere auch für die Geltendmachung des Rechts (Legitimationsfunktion) ihre Bedeutung faktisch eingebüsst, weil sie ohne Papiervorlage vor sich geht.59

54 55 56 57 58 59

Vgl. dazu vorne Ziff. 1.2.4; ebenso BGE 122 III 361.

Vgl. auch Zirkular Nr. 7217 der SBVg vom 3. Dezember 2002 (Handel mit Namenaktien schweizerischer Gesellschaften: einheitliches Eintragungsgesuch).

Zobl/Lambert, 133.

So auch Zobl/Lambert, 133, und Meier-Hayoz, 398.

Zobl/Lambert, 133.

Zum Ganzen Zobl/Lambert, 131, 133.

9332

1.2.7.2

Internationales Privatrecht

Beim für die mediatisierte Wertpapierverwahrung geltenden internationalen Privatrecht liegen die Mängel auf der Hand. Die durch die Artikel 100, 105 und 145 IPRG fordern eine Differenzierung zwischen sachen- und schuldrechtlichen Formen der mediatisierten Wertpapierverwahrung. Bereits wenn es darum geht festzustellen, welche Rechtsordnung angewendet werden soll, ist somit das materielle Recht der in Frage kommenden Rechtsordnungen eingehend zu analysieren. Dazu sind vertiefte Kenntnisse und ein gründliches Verständnis der sachenrechtlichen Behandlung inund ausländischer Verwahrungssysteme und deren rechtlicher Qualifikation nach den Kriterien des schweizerischen materiellen Rechts notwendig. Angesichts der komplexen und gelegentlich unklaren Rechtslage des in- und ausländischen Sachenrechts ist das eine praktisch kaum lösbare Aufgabe, die überdies nicht immer eindeutige Resultate liefert.60 Hinzu kommt, dass die Anknüpfung an den Ort der gelegenen Sache (lex chartae sitae), die bei Vorliegen einer sachenrechtlichen Qualifikation zur Anwendung gelangt, häufig zufällige Ergebnisse liefert. Der Lageort der Urkunden bezeichnet in mediatisierten Verhältnissen keineswegs immer die Rechtsordnung, welche mit dem Sachverhalt am engsten verbunden ist.61 Der effektive Lageort ist den am internationalen Wertpapiergeschäft beteiligten Personen häufig auch gar nicht bekannt. Deshalb ist das nach der traditionellen Regel auf ihre Transaktion anwendbare Recht für sie auch nicht vorhersehbar, und somit ist es in zahlreichen Fällen nicht möglich, auf der Grundlage der Artikel 100, 105 und 145 IPRG das auf grenzüberschreitende Geschäfte mit mehrstufig gehaltenen Wertpapieren anwendbare Recht mit der notwendigen Sicherheit festzustellen.

1.3

Entwicklungen im ausländischen und einheitlichen Privatrecht

1.3.1

Ausländisches Recht

Im ausländischen Recht sind die Entmaterialisierung der Wertpapiere und die Mediatisierung der Wertpapierverwahrung überwiegend durch den Erlass von Spezialgesetzen bewältigt worden. Frankreich hat seine Kapitalmarktpapiere bereits vor 20 Jahren auf ein vollständig entmaterialisiertes System umgestellt.62 Die Entmaterialisierung ist nach französischem Recht verbindlich; es besteht somit keine Möglichkeit mehr, Wertpapiere anders als über Finanzintermediärinnen zu halten. Eine vollständige Entmaterialisierung haben auch die nordischen Staaten vorgenommen.63 Diese zeichnen sich im Übrigen dadurch aus, dass die Bestände von Anlegerinnen und Anlegern nicht nur auf der untersten Stufe der Verwahrungspyramide, sondern auch bei der zentralen Verwahrungsstelle direkt zugeordnet werden können, weshalb man von einem direkten Verwahrungssystem (direct holding system) 60 61 62

63

Eingehend vorne Ziff. 1.2.6.

Vgl. Girsberger/Guillaume, 21 f.; Schefold, 470.

Vgl. Art. 94-II der loi de finance no 81-1160 vom 30.12.1981, nunmehr kodifiziert als Art. l. 211-4 des Code Monétaire et Financier und Art. L. 229-1 des Code de Commerce.

Dazu de Vauplane, passim.

Schweden: Financial Instruments Registration Act (1998: 1479); Finnland: Act on Bookentry System, 826/1991, und Act von Book-entry Accounts, 827/1991; Dänemark: Danish Securities Trading Act (1995); Norwegen: Securities Register Act (2003). Vgl. zu den nordischen Systemen Affress/Wallin-Norman, passim.

9333

spricht. Auch Luxemburg64 und Belgien65, beide Sitzstaat einer internationalen zentralen Verwahrungsstelle66, haben das Recht der mediatisierten Wertpapierverwahrung spezialgesetzlich geregelt. Anders als das französische Recht schreiben diese Gesetze keine zwingende Entmaterialisierung der Wertpapiere vor; sie regeln die Rechtsverhältnisse bei Hinterlegung von Wertpapieren bei einem Depositär, die Rechte der Hinterlegerinnen und Hinterleger gegenüber dem Depositär sowie die Rechte und Pflichten des Depositärs.

Das heute einflussreichste Regelungsmodell ist das 1994 erlassene 5. Kapitel von Artikel 8 des US-amerikanischen Uniform Commercial Code (UCC). Der UCC ist ein Modellgesetz, das heute in allen 50 US-Bundesstaaten sowie auf Bundesebene für die Verwahrung von US-Staatsanleihen anwendbar ist.67 Zentraler Begriff des 5. Kapitels von Artikel 8 UCC ist das security entitlement68. Er umschreibt das Recht der Anlegerinnen und Anleger am Inhalt ihres Wertpapierkontos (securities account) bei ihrer Wertpapierintermediärin (securities intermediary). Der Begriff umfasst sowohl die Rechte der Anlegerinnen und Anleger gegenüber der Depotbank als auch die Rechte der Depotbank gegenüber der zentralen Verwahrungsstelle, bei der die Wertpapiere effektiv liegen. Artikel 8 UCC nimmt damit Abschied von der Vorstellung, die Anlegerinnen und Anleger hätten ein dingliches Recht an einem Papier, das über eine Verwahrungskette gehalten wird. Es umschreibt stattdessen die Rechtsstellung der berechtigten Person als ein Bündel von Rechten gegenüber ihrer Verwahrungsstelle.

Ähnlich wie in der Schweiz haben die Verhandlungen zum HWpÜ in einer Reihe von Staaten Bemühungen zur Reform des materiellen Wertpapierrechts ausgelöst. In Kanada verabschiedete die Uniform Law Conference of Canada im August 2004 in Zusammenarbeit mit den Wertpapieraufsichtsbehören einen Uniform Securities Transfer Act (USTA).69 Der USTA, der sich eng an das Vorbild von Artikel 8 UCC anlehnt, ist wie dieser ein Modellgesetz. Seine Inkraftsetzung in der Provinz Ontario steht unmittelbar bevor.70 In Japan ist 2003 eine Novelle in Kraft getreten, welche die Entmaterialisierung von Obligationen und anderen Forderungspapieren ermöglicht.71 Dieses Gesetz wurde 2004 auf Aktien ausgedehnt.72 Im Vereinigten Königreich, das die Mediatisierung der Wertpapierverwahrung
bislang auf der Grundlage des common law bewältigt hat, forderte ein Bericht der Financial Markets Law Committee vom Juli 2004 ebenfalls den Erlass eines Sondergesetzes. Die Forderung

64

65

66 67 68 69 70 71 72

Vgl. loi du 1er août 2001 concernant la circulation de titres et d'autres instruments fongibles, Journal Officiel du Grand-Duché de Luxembourg 31.08.2001, No. 106, 2180; LCTIF.

Vgl. arrêté royal no 62 du 10 novembre 1967 favorisant la circulation des instruments financiers; geändert zuletzt durch die loi du 2 août 2002 relative à la surveillance du secteur financier et aux services financiers und koordiniert durch den arrêté royal du 27 janvier 2004 portant coordination de l'arrêté royal no 62.

Clearstream bzw. Euroclear.

Vgl. Regulations Governing Book-Entry Treasury Bonds, Notes and Bills (23. August 1996), 62 Fed. Reg. 43,626 (1996) (kodifiziert als 31 C.F.R. 357.1).

Vgl. § 8-102(a)(17) UCC.

Text mit Erläuterungen siehe http://www.ulcc.ca/en/us/Uniform_Securities_Transfer_Act_En.pdf.

Vgl. Bill 41, Securities Transfer Act, 2005 http://www.ontla.on.ca/library/bills/382/41382.htm.

Vgl. Unidroit Position Paper, 9.

Vgl. Kanda, passim.

9334

wurde insbesondere mit der Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes London begründet.73

1.3.2

Internationale und regionale Initiativen

1.3.2.1

Unidroit-Wertpapierübereinkommen

Bereits im Laufe der Arbeiten am HWpÜ, die im Dezember 2002 abgeschlossen wurden, setzte sich die Erkenntnis durch, dass die Probleme des grenzüberschreitenden Effektengiroverkehrs sich mit einer Vereinheitlichung des Kollisionsrechts alleine nicht befriedigend lösen lassen. Deshalb nahm das Internationale Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts (Unidroit) in Rom im Herbst 2002 Vorarbeiten zu einem Instrument zur materiellen Rechtsvereinheitlichung auf.74 Eine Studiengruppe unter der stellvertretenden Leitung von Prof. Dr. Luc Thévenoz, Universität Genf, veröffentlichte im August 2003 ein Positionspapier dazu75 und legte im Mai 2004 einen ersten Entwurf zu einem Übereinkommen über materielle Vorschriften betreffend intermediärverwahrte Wertpapiere76 vor. Ein Regierungsexpertenkomitee, in dem rund 50 Staaten und Organisationen vertreten sind, nahm im Mai 2004 unter Schweizer Leitung intergouvernementale Verhandlungen über den Vorentwurf auf. Der Abschluss der Verhandlungen ist für Ende 2006 oder Anfang 2007 vorgesehen; eine Annahme des Unidroit-Wertpapierübereinkommens durch eine diplomatische Konferenz könnte im Laufe des Jahres 2007 erfolgen.

Der vorliegende Entwurf zu einem Unidroit-Wertpapierübereinkommen77 bezweckt, durch Harmonisierung von zentralen Bestimmungen des Rechts der mediatisierten Wertpapierverwahrung die Rechtssicherheit in grenzüberschreitenden Verwahrungsverhältnissen zu verbessern. Die Möglichkeiten des nationalen Gesetzgebers sind hier beschränkt.78 Darüber hinaus umfasst der Übereinkommensentwurf ein optionales Kapitel über Finanzsicherheiten, das sich weitgehend an die EU-Finanzsicherheitenrichtlinie anlehnt.79 Der Entwurf zum BEG ist mit dem vorliegenden Übereinkommensentwurf weitestgehend kompatibel. Das gilt insbesondere auch für das Konzept der Bucheffekte. Die wichtigste Abweichung betrifft Artikel 24 BEG, nach dem die Übertragung von Bucheffekten erst mit Abschluss der erforderlichen Gutschrift eintritt, während nach dem Übereinkommensentwurf bereits die Belastung Verfügungswirkung aufweist (Art. 4 Abs. 3 des Übereinkommensentwurfs).

73 74 75 76 77 78 79

Vgl. Financial Markets Law Committee, Investment Securities, 10.

Vgl. Unidroit Draft convention 2004.

Vgl. Unidroit Position Paper.

Vgl. Unidroit Draft convention 2004.

Unidroit-Übereinkommensentwurf.

Vgl. hinten Ziff. 2.1.5.3.

Vgl. hinten Ziff. 1.3.2.2.3.

9335

1.3.2.2

Europäische Union

1.3.2.2.1

Legal Certainty Project

Die Europäische Union hat in ihrem Aktionsplan für die Schaffung eines einheitlichen Marktes für Finanzdienstleistungen die Vermittlung von Rechtssicherheit im grenzüberschreitenden Wertpapierhandel zu einer der wichtigsten Prioritäten erklärt.80 Die so genannte Giovannini-Gruppe, eine von der EU-Kommission eingesetzte Expertengruppe unter Vorsitz von Alberto Giovannini, identifizierte in Berichten vom November 2001 und vom April 2003 den Mangel an Rechtssicherheit als eines der grössten Hindernisse bei der Schaffung eines einheitlichen europäischen Wertpapiermarktes und der Konsolidierung der europäischen Infrastruktur für die Abwicklung von Wertpapiergeschäften.81 Die Gruppe regte daher eine Harmonisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die mediatisierte Verwahrung von Wertpapieren in der EU an. Die EU-Kommission nahm diesen Vorschlag in einer Mitteilung vom 28. April 200482 auf und setzte eine Sachverständigengruppe für Fragen der Rechtssicherheit auf dem Gebiet von Clearing und Abrechnung ein.83 Die Gruppe hat den Auftrag, das geltende Recht der mediatisierten Wertpapierverwahrung zu analysieren und Vorschläge für eine allfällige Harmonisierung durch einen Rechtsakt der EU zu unterbreiten. Dabei berücksichtigt sie auch die Arbeiten von Unidroit.

Diese Arbeiten im Rahmen der Europäischen Union knüpfen an frühere Rechtsetzungsakte an, die ebenfalls das Recht der mediatisiert verwahrten Wertpapiere betreffen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere von Bedeutung: ­

Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen (Amtsblatt Nr. L 166 vom 11.6.1998, 45­50; nachfolgend EU-Finalitätsrichtlinie);

­

Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten (Amtsblatt Nr. L 168 vom 27.6.2002, 43­50; nachfolgend EU-Finanzsicherheitenrichtlinie).

1.3.2.2.2

EU-Finalitätsrichtlinie

Die EU-Finalitätsrichtlinie bezweckt, das mit der Teilnahme an Wertpapierlieferund -abrechnungssystemen verbundene Risiko, insbesondere bei Konkurs einer Systemteilnehmerin, zu vermindern. Zu diesem Zweck anerkennt die Richtlinie die Wirksamkeit von Zahlungen und Übertragungsaufträgen sowie von Aufrechnungen (Netting) auch im Konkurs einer Teilnehmerin. Darüber hinaus schützt sie Kreditsicherheiten, die im Rahmen eines Zahlungs- oder Effektenabwicklungssystems geleistet werden, vor den Auswirkungen einer Insolvenz der Sicherungsgeberin.

80 81 82

83

Aktionsplan 1999.

Vgl. Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements, 44 ff.; Second Report on EU Clearing and Settlement Arrangements, 13 ff.

Vgl. Communication from the Commission to the Council and the European Parliament, Clearing and Settlement in the European Union ­ The way forward, COM (2004) 312 final (16. April 2004).

Vgl. Pressemitteilung der Kommission vom 1. 2. 2005, IP/05/123.

9336

Schliesslich sieht die Richtlinie auch eine IPR-Regelung vor, welche das Recht am Sitz der das Konto oder Register führenden Verwahrungsstelle auf Sicherungsrechte an Wertpapieren anwendbar erklärt. Die Mitgliedstaaten der EU mussten die EU-Finalitätsrichtlinie bis zum 11. Dezember 1999 umsetzen.84 Obwohl für die Schweiz als Nichtmitgliedstaat nicht verbindlich, wurden Teilaspekte der EU-Finalitätsrichtlinie im Rahmen der Bankeninsolvenznovelle85 durch die Schweiz übernommen. Insbesondere schliesst Artikel 27 Absatz 2 BankG die Widerruflichkeit von Aufträgen für Zahlungen und Effektentransaktionen ausdrücklich aus, sofern sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in das Zahlungs- und Effektenabwicklungssystem eingebracht wurden. Artikel 27 Absatz 3 BankG gewährleistet darüber hinaus die rechtliche Verbindlichkeit von Aufrechnungsvereinbarungen.

1.3.2.2.3

EU-Finanzsicherheitenrichtlinie

Mit der 2002 verabschiedeten EU-Finanzsicherheitenrichtlinie ging die EU einen Schritt weiter und stellte allgemein gültige Mindestanforderungen für die zivil- und konkursrechtliche Behandlung von Kreditsicherheiten auf, die im Rahmen von Geschäften zwischen Finanzmarktteilnehmerinnen und -teilnehmern Verwendung finden. Die Richtlinie verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, in ihrem Recht wirksame und einfache Regelungen für die Schaffung von Sicherheiten vorzusehen, entweder im Rahmen von Vollrechtsübertragungs- (einschliesslich Repos) oder im Rahmen von Verpfändungsstrukturen (Art. 3, 6). Sie anerkennt die rechtliche Wirksamkeit von Vereinbarungen über die Nutzung von Sicherheiten (Art. 5) und deren Verwertung (Art. 4). Ferner anerkennt sie Vereinbarungen über die Aufrechnung im Beendigungsfall (close-out netting, Art. 7). Die Richtlinie gewährt einen begrenzten Schutz vor bestimmten konkursrechtlichen Vorschriften, insbesondere solchen, die der Verwertung von Sicherheiten entgegenstehen oder Zweifel an der Wirksamkeit von Techniken wie der Aufrechnung im Beendigungsfall, der Bestellung zusätzlicher Sicherheiten zufolge Änderungen des Marktwerts der besicherten Forderung oder der Sicherheit und des Ersatzes der Sicherheit begründen würden (Art. 8).

Schliesslich umfasst die Richtlinie auch eine Bestimmung über das auf mediatisierte Wertpapiere anwendbare Recht (Art. 9).

1.4

Ergebnisse des Vorverfahrens

1.4.1

Vorbereitungsarbeiten

2001 setzten die Schweizerische Bankiervereinigung und die SIS eine Arbeitsgruppe aus Finanzmarktjuristen ein. Diese Arbeitsgruppe erarbeitete in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Hans Caspar von der Crone, Universität Zürich, einen Vorentwurf für ein Bundesgesetz über die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren und Bucheffekten (Wertpapierverwahrungsgesetz, WVG).86 Der Vorentwurf wurde dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) im Januar 2003 zur weiteren Bearbeitung unterbreitet. Dieses setzte in Absprache mit dem Eidgenössischen Justiz- und 84 85 86

Art. 11 Ziff. 1 der EU-Finalitätsrichtlinie.

Dazu vorne Ziff. 1.2.5.

Zum Vorentwurf von der Crone/Kessler/Gersbach, 135 ff.

9337

Polizeidepartement im April 2003 eine technische Arbeitsgruppe87 ein mit dem Auftrag, den Vorentwurf zu überarbeiten und Differenzen zu bereinigen; ausserdem sollte die Arbeitsgruppe prüfen und sicherstellen, dass der Vorentwurf mit dem HWpÜ und der schweizerischen Rechtsordnung kompatibel sei. Für die Vorbereitung der Ratifikation des HWpÜ blieb das Bundesamt für Justiz federführend. Zur Erleichterung der rechtstatsächlichen Abklärungen bildeten die Bankenvertreter der Arbeitsgruppe Anfang 2004 eine Kontaktgruppe Finanzindustrie, in der Vertreter der Grossbanken, der Privatbanken sowie der Kantonalbanken Einsitz nahmen. Nach insgesamt elf Sitzungen hat die Arbeitsgruppe im Juni 2004 ihren Bericht vorgelegt.

Der Bericht wies auf weiteren Klärungsbedarf im Bereich des Anweisungsrechts hin. Auf Anfrage des EFD hin hat die Schweizerische Nationalbank die offenen Fragen in mehreren Treffen mit Zahlungsverkehrsspezialisten und der betroffenen Industrie erörtert und daraufhin einen Vorschlag zur Ergänzung von Artikel 470 OR vorgelegt. Der Vorschlag ist in das vorliegende Projekt übernommen worden.

1.4.2

Anhörung

Der Bericht wurde einem ausgewählten Kreis von 25 interessierten Personen, Verbänden, Institutionen und ausländischen Marktorganisationen zur Anhörung unterbreitet.

Im Rahmen der Anhörung sind 15 Stellungnahmen eingegangen. Die Stellungnehmenden begrüssten den Gesetzesentwurf einhellig. Sie waren sich einig, dass auf dem Gebiet der mediatisierten Wertpapierverwahrung einheitliche Gesetzesregeln dringend notwendig sind, um Rechtssicherheit und Klarheit zu erlangen. Sie erachteten den Entwurf als taugliche Grundlage für eine gesetzliche Regelung. Insbesondere die Finanzindustrie und die Marktorganisationen bezeichneten ihn als einen guten Vorschlag, der über weite Strecken bewährte Praktiken abbilde. Auch das Konzept der Bucheffekte fand uneingeschränkte Unterstützung. In drei Stellungnahmen wurde kritisiert, der Entwurf berücksichtige einseitig und ohne hinreichenden Grund die Interessen der Verwahrungsstellen; jemand stellte die Frage nach der Vereinbarkeit des Entwurfs mit der Eigentumsgarantie.

Inhaltlich konzentrierte sich die Kritik auf die Bestimmungen über die Stornierung und den Gutglaubensschutz sowie die Rangfolgeregelung. Die Stornierungs- und Gutglaubensregelungen wurden gründlich überprüft und überarbeitet. Der absolute Vorrang von Sicherungsrechten der Verwahrungsstelle, der ebenfalls Anstoss erregte, wurde gestrichen. Die übrigen Vorschläge aus der Anhörung sind soweit möglich übernommen worden.

87

Mitglieder der technischen Arbeitsgruppe: Dr. iur. Hans Kuhn, Rechtsanwalt, LL.M., Direktor Schweizerische Nationalbank, Zürich (Leitung); Hans-Peter Ammann, Rechtskonsulent, SIS Swiss Financial Services Group AG, Olten; Dr. iur. Matthäus Den Otter, Eidg. Bankenkommission, Bern; Dr. iur. Martin Hess, Rechtsanwalt, Wenger Vieli Belser, Zürich; Dr. iur. Brigitte Hofstetter, Fürsprecherin, LL.M., Eidg. Finanzdepartement, Bern; Dr. iur. Alexander Markus, Rechtsanwalt, Sektionschef Bundesamt für Justiz, und Dr. iur. Samuel Baumgartner, Fürsprecher, LL.M., M.L.I., stellvertretender Sektionschef Bundesamt für Justiz, Bern; Dr. iur. Christina Schmid, Fürsprecherin, Chefin Eidg.

Amt für Grundbuch- und Bodenrecht, Bern; Prof. Dr. iur. Luc Thévenoz, Universität Genf; PD Dr. iur. Christoph Winzeler, Advokat, Schweizerische Bankiervereinigung, Basel. Das Sekretariat wurde geführt von Dr. iur. Franziska Löw, Advokatin, LL.M., Schweizerische Nationalbank, Zürich.

9338

Von den zehn Stellungnahmen zum HWpÜ begrüssten neun dessen Ratifikation.

Einzig eine Stimme hiess die Ratifikation verhalten gut, dies unter anderen wegen der im Übereinkommen verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe.

Angesichts der sich abzeichnenden Änderung der Haltung in der EU gegenüber dem HWpÜ waren die interessierten Kreise nochmals gebeten worden, zur Frage der Ratifikation des HWpÜ Stellung zu nehmen. Die Stellungnehmenden erachteten die Modernisierung des Internationalen Privatrechts der mediatisierten Wertpapierverwahrung aus Schweizer Sicht als dringend. Zum gewählten Weg wurde festgehalten, dass die Regeln des HWpÜ aufgrund ihrer Flexibilität und des beträchtlichen Ausmasses an gewährter Parteiautonomie den Interessen und Bedürfnissen des Finanzplatzes Schweiz in jedem Fall entsprechen. Im Anschluss an diese Konsultation hat eine vom Bundesamt für Justiz eingesetzte Expertengruppe die notwendigen Ergänzungen des IPRG erarbeitet.88

2

Besonderer Teil

2.1

Bucheffektengesetz

2.1.1

Grundzüge des vorliegenden Gesetzesentwurfs

2.1.1.1

Bucheffekten als Vermögensobjekt sui generis

Dem Entwurf liegt, anders als dem geltenden Recht89, keine Miteigentumskonstruktion mehr zugrunde. Das BEG schafft ein neues Vermögensobjekt sui generis, die Bucheffekte.90 Bucheffekten sind nach der Legaldefinition von Artikel 3 vertretbare Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte gegenüber einer Emittentin, die einem Effektenkonto gutgeschrieben sind, über welche die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber nach den Vorschriften des Gesetzes verfügen können und die der Verwahrungsstelle und jedem Dritten gegenüber wirksam sind. Das Vermögensobjekt Bucheffekte weist Merkmale sowohl einer schuldrechtlichen Forderung als auch einer Sache im Sinne der schweizerischen Privatrechtsordnung auf. Wie sich aus den weiteren Bestimmungen des BEG ergibt, kommen Bucheffekten alle funktionellen Eigenschaften eines Wertpapiers zu, ohne Sache im Sinne der schweizerischen Privatrechtsordnung zu sein.

Bucheffekten entstehen in einem zweistufigen Akt: erstens mit Hinterlegung von Wertpapieren oder Globalurkunden bei einer Verwahrungsstelle oder mit Eintragung von Wertrechten im Hauptregister einer Verwahrungsstelle und zweitens mit deren Gutschrift im Effektenkonto der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers (Art. 6 Abs. 1 BEG). Ebenso gehen Bucheffekten unter, wenn sie aus dem Effektenkonto ausgebucht und die unterliegenden Wertpapiere oder Globalurkunden ausgeliefert oder die Wertrechte aus dem Hauptregister ausgetragen werden (Art. 8 Abs. 1 BEG).

88

89 90

Mitglieder der technischen Expertengruppe IPR: Prof. Dr. iur. Daniel Girsberger, Universität Luzern; Dr. iur. Florence Guillaume, Rechtsanwältin, Zürich; Dr. iur. Hans Kuhn, Rechtsanwalt, LL.M., Direktor Schweizerische Nationalbank, Zürich; Dr. iur. Alexander Markus, Rechtsanwalt, Sektionschef Bundesamt für Justiz, Bern; Dr. iur. Danielle Gauthey, Rechtsanwältin, Bundesamt für Justiz, Bern.

Vorne Ziff. 1.2.2. und 1.2.3.

Zustimmend zu diesem Konzept Foëx, 70 f.; Eigenmann, 108 ff.; Thévenoz, 703 ff. Auch in der Anhörung hat das Konzept der Bucheffekte uneingeschränkte Unterstützung erfahren; dazu vorne Ziff. 1.4.2.

9339

Das BEG setzt die Konzepte Sammelverwahrung, Globalurkunde und Wertrechte zwar notwendigerweise voraus, doch stehen sie nicht im Mittelpunkt der Regelung.

Sind Bucheffekten erst einmal einem Effektenkonto gutgeschrieben, so kommt es nicht mehr darauf an, ob sie durch Hinterlegung eines einzelnen oder vieler Wertpapiere oder durch Registrierung eines Wertrechts in einem Hauptregister entstanden sind. Weder für die Beziehungen zwischen Anlegerinnen und Anlegern einerseits und Verwahrungsstelle anderseits noch für die Übertragung von Bucheffekten ist die Form, wie das Recht ausgestaltet ist ­ ob als Wertpapier, Globalurkunde oder Wertrecht ­, von Bedeutung. Aus diesem Grund verzichtet das BEG auf eine Kodifizierung der Konzepte Sammelverwahrung, Globalurkunde und Wertrechte. Dies geschieht neu in Artikel 973a­973c OR.

2.1.1.2

Beschränkter Geltungsbereich des BEG

Anders als gewisse ausländische Rechtsordnungen verzichtet das BEG darauf, zwingend die Verwahrung von Wertpapieren durch eine Verwahrungsstelle vorzuschreiben. Wertpapiere sollen weiterhin durch die Anlegerinnen und Anleger selber, durch eine Nicht-Verwahrungsstelle oder in einem Einzeldepot bzw. einem Sammeldepot mit Streifbandverwahrung durch eine Verwahrungsstelle verwahrt werden können (offene Architektur).

Das BEG stellt deshalb Mechanismen bereit, die sowohl die Einlieferung von Wertpapieren in Systeme der mediatisierten Wertpapierverwahrung (Art. 6) wie auch deren Herausnahme (Art. 8) ermöglichen. Zudem geht der Entwurf von einem auf Verwahrungsstellen beschränkten persönlichen Geltungsbereich aus (Art. 2, 4). Das Gesetz soll also nicht anwendbar sein, wenn Wertpapiere durch andere Personen als Verwahrungsstellen verwahrt werden. Dies rechtfertigt sich mit Rücksicht auf die zentrale Bedeutung des Bucheintrags im Übertragungsvorgang: Das BEG macht den Übergang des Eigentums und die Begründung von beschränkten dinglichen Rechten an Bucheffekten vom Eintrag in private Bücher abhängig. Das ist nur möglich, wenn diese Bücher hohe Gewähr für Richtigkeit und Zuverlässigkeit bieten. Bei Verwahrungsstellen, die der Aufsicht und Regulierung unterliegen, ist dies der Fall.

2.1.1.3

Drittverwahrung

Systeme der mediatisierten Wertpapierverwahrung weisen unter ökonomischen Aspekten erhebliche Vorteile auf und vermeiden gewisse Risiken herkömmlicher Wertpapierverwahrung91. Dem stehen andere, spezifische Risiken der mediatisierten Wertpapierverwahrung gegenüber, die sich aus dem notwendigen Beizug von Drittverwahrungsstellen ergeben. Insbesondere kann es vorkommen, dass die Ansprüche der Kunden einer Verwahrungsstelle nicht jederzeit durch entsprechende Effektenbestände dieser Verwahrungsstelle bei Drittverwahrungsstellen gedeckt sind (sog.

Shortfall-Risiko). Das BEG verpflichtet die Verwahrungsstelle, ausreichend Bucheffekten zu halten, um die Guthaben ihrer Kundinnen und Kunden zu decken. Kommt es zu einem Unterbestand, so hat sie Bucheffekten zuzukaufen (Art. 11). Zum effektiven Schutz der Kundenbestände sieht der Entwurf zudem die Möglichkeit vor, dass 91

Vgl. vorne Ziff. 1.1.3.

9340

eine Verwahrungsstelle Eigen- und Kundenbestände bei der Drittverwahrungsstelle über getrennte Effektenkonten hält (Art. 12).

2.1.1.4

Rechte aus der Verwahrung von Bucheffekten

Das BEG regelt einlässlich die rechtlichen Beziehungen zwischen Kontoinhaberinnen und Kontoinhabern und ihren Verwahrungsstellen. Dabei lassen sich drei Regelungskomplexe unterscheiden: ­

In mediatisierten Verwahrungssystemen sind Identität und Anspruch einer Kontoinhaberin oder eines Kontoinhabers ausschliesslich der Verwahrungsstelle bekannt, welche das entsprechende Effektenkonto führt. Deshalb kann die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber Ansprüche aus der Wertpapierverwahrung grundsätzlich ausschliesslich gegenüber ihrer Verwahrungsstelle geltend machen (Art. 13). Auch der Gläubiger einer Anlegerin hat sich zur Durchsetzung ihrer Ansprüche an die Verwahrungsstelle zu halten, welche das Effektenkonto führt (Art. 14). Zwangsmassnahmen (Arrest, Pfändung) auf den übergeordneten Ebenen der Verwahrungspyramide sind deshalb ausgeschlossen. Die Verfügung einer Kontoinhaberin oder eines Kontoinhabers über Bucheffekten erfolgt durch Weisung an die Verwahrungsstelle (Art. 15). Die Weisung ist eine Instruktion der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers an die Verwahrungsstelle, die notwendigen Buchungen vorzunehmen.

­

Die Bucheffekten von Kontoinhaberinnen oder Kontoinhabern einer Verwahrungsstelle sind auch im Konkurs dieser Verwahrungsstelle geschützt.

Sie sind deshalb abzusondern (Art. 17 und 18). Sind die Kundenbestände nicht vollständig gedeckt, so ist der Unterbestand (shortfall) durch Rückgriff auf die Eigenbestände der Verwahrungsstelle zu decken. Ein immer noch vorhandener Unterbestand ist anteilsmässig von den Kontoinhaberinnen und Kontoinhabern zu tragen (Art. 19).

­

Das BEG regelt schliesslich auch Rechte der Verwahrungsstelle an den Bucheffekten, die sie verwahrt, insbesondere das Nutzungsrecht (right of use) sowie das Retentionsrecht (Art. 21­23).

2.1.1.5

Die Verfügung über Bucheffekten

Wichtigste Teilregelung des BEG ist die Verfügung über Bucheffekten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Verfügung über Bucheffekten in aller Regel eine Reihe von Buchungen bei verschiedenen Verwahrungsstellen auf verschiedenen Ebenen der Verwahrungspyramide erfordert, wobei diese verschiedenen Buchungen nicht notwendigerweise sequenziell ablaufen. Das bedeutet, dass ein Buchungsvorgang auf einer unteren Ebene abgeschlossen sein kann, bevor auf einer übergeordneten Ebene ebenfalls eine Übertragung stattgefunden hat.

Das BEG anerkennt die Gutschrift im Effektenkonto der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers bei einer Verwahrungsstelle als konstitutives Element für den Erwerb und die Übertragung mehrstufig verwahrter Wertpapiere (Art. 24). Für die Bestellung von Sicherheiten sieht der Entwurf alternative Verfügungsformen vor (Art. 25, 9341

26). Weil der Gutschrift konstitutive Wirkung zukommt, muss das BEG ferner die Voraussetzungen regeln, unter denen eine fehlerhafte Gutschrift bzw. Belastung aufgrund mangelhafter Weisung rückgängig gemacht werden kann (Stornierung, Art. 27 und 28). Weiter gewährleistet das BEG den Schutz derjenigen Personen, die Wertpapiere von nichtberechtigten Personen gutgläubig erwerben (Art. 29).

Schliesslich sieht es Regeln für die Verwertung von Sicherheiten an mediatisiert verwahrten Wertpapieren vor (Art. 31, 32).

2.1.1.6

Die Haftung von Verwahrungsstellen

Das BEG regelt schliesslich Aspekte der Haftung der Verwahrungsstelle, die für die mediatisierte Wertpapierverwahrung typisch sind.

2.1.2 Art. 1

1. Kapitel: Zweck, Geltungsbereich und Begriffe Gegenstand und Zweck

Artikel 1 enthält Regelungsgegenstand und Zweck bzw. Ziele, die mit dem Erlass des BEG verfolgt werden. Der Artikel legt einerseits das gesetzgeberische Programm fest, hat andererseits für die Auslegung des Gesetzes aber auch normative Bedeutung.

Abs. 1 Gegenstand des BEG ist die Verwahrung von Wertpapieren und Wertrechten durch Verwahrungsstellen und deren Übertragung. Das Gesetz will eine einheitliche rechtliche Ordnung schaffen, die für alle Formen der mediatisierten Wertpapierverwahrung gilt, gleichgültig ob der Verwahrung ein sachenrechtliches oder ein schuldrechtliches Konzept zugrunde liegt. Das ist bei der Füllung von Gesetzeslücken zu beachten: Regelt das BEG eine Frage nicht oder nicht vollständig, so ist die Lösung unter Beachtung des in Artikel 1 festgelegten Regelungszwecks aus der Systematik des Gesetzes heraus zu suchen, nicht durch Rückgriff auf das Sachenrecht des ZGB (im Falle von Wertpapieren und Globalurkunden) oder das Schuldrecht des OR (im Falle von Wertrechten).

Abs. 2 Die gesetzliche Regelung der mediatisierten Wertpapierverwahrung dient den in Absatz 2 genannten Zielen. Im Vordergrund steht der Schutz der Eigentumsrechte der Anlegerinnen und Anleger. Die Wertpapierverwahrung durch Verwahrungsstellen beruht wie alle Formen der Finanzintermediation auf dem Vertrauen der Anlegerinnen und Anleger. Dieses Vertrauen hängt entscheidend davon ab, dass die Eigentumsrechte an Vermögenswerten, die bei einer Verwahrungsstelle hinterlegt werden, gewahrt sind. Indem das BEG diese Eigentumsrechte präzise umschreibt und insbesondere in der Zwangsvollstreckung gegen die Verwahrungsstelle wirksam schützt, stärkt es das Vertrauen der Anlegerinnen und Anleger in mediatisierte Verwahrungssysteme. Der Begriff Eigentumsrecht ist im vorliegenden Zusammenhang nicht im engen sachenrechtlichen Sinn zu verstehen, der den Artikeln 641 ff. ZGB zugrunde liegt. Wegleitend ist vielmehr der Eigentumsbegriff von Artikel 26 der 9342

Bundesverfassung (BV; SR 101). Schutzobjekt der Eigentumsgarantie ist nicht allein das sachenrechtlich verstandene Eigentum, sondern sämtliche Vermögensrechte des Privatrechts, einschliesslich obligatorischer Rechte.92 Neben dem Schutz der Eigentumsrechte der Anlegerinnen und Anleger nennt Absatz 2 drei Oberziele, zu denen das BEG einen Beitrag leisten will: Rechtssicherheit im internationalen Verhältnis, effiziente Abwicklung von Effektengeschäften und Stabilität des Finanzsystems. In der Schweiz übersteigt der Anteil der Verwahrungsverhältnisse, welche ein grenzüberschreitendes Element aufweisen, denjenigen der rein innerstaatlichen bei weitem. Rechtssicherheit im internationalen Verhältnis ist daher von grösster Bedeutung. Das BEG trägt dazu bei, indem es in verschiedenen Bestimmungen ausdrücklich auf grenzüberschreitende Sachverhalte Bezug nimmt (Art. 4 Abs. 3, Art. 9 Abs. 2). Allerdings sind die Möglichkeiten des nationalen Gesetzgebers, in grenzüberschreitenden Verwahrungsverhältnissen Rechtssicherheit zu gewährleisten, eng begrenzt. Eine wirksame Verbesserung lässt sich hier nur durch internationale Harmonisierung und Modernisierung des Rechts der mediatisierten Wertpapiere erreichen, wie sie zur Zeit insbesondere durch das Internationale Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts (Unidroit) vorangetrieben wird. Das BEG ist mit dem aktuellen Entwurf zu einem Übereinkommen über mediatisierte Wertpapiere weitgehend kompatibel.93 Zur Effizienz in der Abwicklung von Effektengeschäften trägt das BEG durch klare Regelungen bei. Effektenabwicklungs- und -abrechnungssysteme bilden heute ein Herzstück der Finanzmarktinfrastruktur. Indem das BEG das Vertrauen der Anlegerinnen und Anleger in die mediatisierte Verwahrung von Effekten stärkt, die Rechtssicherheit im internationalen Verhältnis sowie die Effizienz von Effektenabrechnungs- und -abwicklungssystemen fördert, trägt es schliesslich auch zur Stabilität des Finanzsystems bei.

Art. 2

Geltungsbereich

Abs. 1 Absatz 1 umschreibt den persönlichen und sachlichen Geltungsbereich des BEG. Er grenzt diesen mit Hilfe der drei Systembegriffe Bucheffekten, Verwahrungsstelle und Effektenkonto ein. Das BEG findet mit anderen Worten nur dann Anwendung, wenn Bucheffekten einem Effektenkonto gutgeschrieben sind, welches durch eine Verwahrungsstelle geführt wird. Was Bucheffekten sind, ergibt sich aus Artikel 3; in Artikel 4 findet sich eine abschliessende Aufzählung der Verwahrungsstellen im Sinne des BEG. Im Gesetz nicht definiert ist der Begriff Effektenkonto; gemeint ist ein von einer Verwahrungsstelle geführtes Konto, dem Bucheffekten gutgeschrieben oder belastet werden können. In der Bankpraxis wird es häufig als Depot oder Depotkonto bezeichnet.

Aus Absatz 1 ergibt sich e contrario, dass die Verwahrung von Wertpapieren, an denen die Anlegerin oder der Anleger unmittelbaren Besitz ausübt, nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes fällt. Das ist etwa der Fall, wenn die Anlegerin oder der Anleger Wertpapiere zu Hause oder in einem geschlossenen Depot aufbewahrt. Hier stellen sich die mit der mediatisierten Verwahrung verbundenen rechtlichen und tatsächlichen Probleme nicht, weshalb eine Anwendung des BEG keinen 92 93

St. Galler Kommentar Vallender, Art. 26 BV Rz. 14, 18; Pra. 84 (1995) Nr. 23 = BGE 120 Ia 120.

Vgl. vorne Ziff. 1.3.2.1.

9343

Sinn machen würde. Auch die so genannte Einzel- oder Streifbandverwahrung94 wird durch das BEG nicht erfasst, weil die Entstehung von Bucheffekten die Hinterlegung von Wertpapieren zur Sammelverwahrung (Art. 6 Abs. 1 Bst. a) voraussetzt.

Bei der Einzel- oder Streifbandverwahrung hält die Verwahrungsstelle die Bestände mehrerer Einliefernder voneinander physisch getrennt. Die Einzel- oder Streifbandverwahrung richtet sich nach Auftrags- und Hinterlegungsvertragsrecht.95 Verwahrt die Verwahrungsstelle Wertpapiere einer bestimmten Art nur für eine einzelne Person, so handelt es sich ebenfalls um Sammelverwahrung, wenn für den Fall, dass weitere Personen Bestände hinterlegen, keine Trennung oder Individualisierung vorgesehen ist.

Schliesslich findet das BEG ebenfalls keine Anwendung auf die Verwahrung von Wertpapieren, Globalurkunden oder Wertrechten durch die Emittentin (sog. Emittentenverwahrung), es sei denn, diese ist Verwahrungsstelle im Sinne von Artikel 4.

Die Emittentenverwahrung wird von vielen Gesellschaften angeboten, die für ihre Namenaktien zum Modell mit aufgeschobenem oder aufgehobenem Titeldruck96 übergegangen sind; sie vermeidet einen faktischen Depotzwang. Die Rechtsverhältnisse zwischen Anlegerinnen und Anlegern einerseits und der Emittentin anderseits bestimmen sich nach Auftrags- und Hinterlegungsvertragsrecht sowie nach den neuen Artikeln 973a, 973b oder 973c OR (Anhang zum BEG, hinten Ziff. 2.1.10).

Abs. 2 Das BEG berührt Vorschriften über die Eintragung von Namenaktien in das Aktienbuch (Art. 686 OR) nicht. Es befasst sich ausschliesslich mit den Voraussetzungen und Wirkungen des Erwerbs der Rechtszuständigkeit an Bucheffekten, nicht mit den Voraussetzungen, unter denen Rechte aus Namenaktien der Gesellschaft gegenüber geltend gemacht werden können. Beim rechtsgeschäftlichen Erwerb von nicht börsenkotierten vinkulierten Namenaktien bedarf es weiterhin der Zustimmung der Gesellschaft (Art. 685c Abs. 1 OR). Hingegen erfolgt der Erwerb von börsenkotierten vinkulierten Namenaktien ausschliesslich durch Gutschrift (Art. 685f Abs. 1 Satz 1 OR, zur Streichung der Sonderregelung für den ausserbörslichen Erwerb von börsenkotierten vinkulierten Namenaktien siehe hinten Ziff. 2.1.10).

Art. 3

Bucheffekten

Zentraler Systembegriff des BEG ist die Bucheffekte. Daran knüpfen die materiellen Vorschriften des BEG an. Die Einführung des Begriffs ermöglicht eine einheitliche Regelung der Rechtszuständigkeit der Anlegerin oder des Anlegers an mediatisierten Wertpapieren und von deren Übertragung, unabhängig davon, ob diese in einer Vielzahl von Papieren (Wertpapiere) oder einem einzigen Papier (Globalurkunde) verbrieft oder vollständig entmaterialisiert (Wertrechte) sind.

Abs. 1 Bst. a und b Bucheffekten sind vertretbare (fungible) Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte gegenüber einer Emittentin, die einem Effektenkonto bei einer Verwahrungsstelle gutgeschrieben sind (Bst. a) und über welche die Kontoinhaberinnen und Kontoin94 95 96

Vgl. Meier-Hayoz/von der Crone, § 25 Rz. 7.

Meier-Hayoz/von der Crone, § 25 Rz. 5.

Dazu vorne Ziff. 1.1.2.

9344

haber nach den Vorschriften des BEG verfügen können (Bst. b). Wichtigstes Element dieser Definition ist die Gutschrift im Effektenkonto, die sowohl für die Entstehung (Art. 6) als auch für die Verfügung über Bucheffekten (Art. 24) konstitutive Wirkung hat. Die Anerkennung dieser konstitutiven Wirkung ist für das BEG wie auch für alle anderen neueren Kodifikationen des Rechts der mediatisierten Wertpapiere von grundlegender Bedeutung.

Aus Absatz 1 ergibt sich auch, dass eine unmittelbare rechtliche Beziehung zwischen der Anlegerin oder dem Anleger und der Emittentin (Schuldnerin) besteht.

Das Recht der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers erschöpft sich also nicht nur in einem Anspruch gegen ihre bzw. seine Verwahrungsstelle, sondern umfasst auch einen unmittelbaren Anspruch gegen die Emittentin. Allerdings kann die Kontoinhaberin bzw. der Kontoinhaber diesen Anspruch in der Regel nur über ihre bzw.

seine Verwahrungsstelle geltend machen (vgl. auch Art. 13).

Abs. 2 Die Bucheffekte ist der Verwahrungsstelle und jedem Dritten gegenüber wirksam.

Wichtige Konsequenz dieser Drittwirkung ist, dass die Bucheffekten dem Zugriff der Gläubigerinnen und Gläubiger der Verwahrungsstelle entzogen sind (Abs. 2 Halbsatz 2). Daraus geht hervor, dass die Bucheffekte mehr ist als eine einfache schuldrechtliche Forderung. Sie weist alle Merkmale eines Wertpapiers auf, ohne eine körperliche Dimension zu haben und damit Sache im Sinne der schweizerischen Privatrechtsordnung zu sein Die Bucheffekte kann daher als Vermögensgegenstand sui generis bezeichnet werden.97 Der Begriff der Bucheffekte ist zugleich weiter und enger als derjenige der Effekte nach Artikel 2 Buchstabe a BEHG. Effekten sind danach einerseits auch Derivate, und zwar unabhängig davon, ob diese verbrieft bzw. als Wertrecht ausgestaltet sind oder ob sie eine einfache schuldrechtliche Forderung darstellen (regelmässig bei OTC-Derivaten). Bucheffekten im Sinne des BEG hingegen können nur verbriefte und zur Sammelverwahrung geeignete Wertpapiere, Globalurkunden oder im Hauptregister einer Verwahrungsstelle eingetragene Wertrechte sein. Anderseits ist Effekte nach BEHG nur ein zum massenweisen Handel geeigneter Titel, während Bucheffekte jeder Titel sein kann, sofern er fungibel (vertretbar) ist.

Art. 4

Verwahrungsstellen

Das BEG ist nur anwendbar, wenn Bucheffekten einem Effektenkonto gutgeschrieben sind, das durch eine Verwahrungsstelle geführt wird. Artikel 4 zählt die als Verwahrungsstelle zugelassenen Finanzintermediärinnen auf. Sie sind alle reguliert und beaufsichtigt. Diese Beschränkung erklärt sich daraus, dass die weit reichenden rechtlichen Wirkungen, die das BEG den Einträgen in Effektenkonten beimisst, ein hohes Masse an Gewähr für Zuverlässigkeit und Richtigkeit in der Kontoführung erfordern. Bei einer regulierten und beaufsichtigten Verwahrungsstelle kann davon ausgegangen werden.

Abs. 1 Die im vorliegenden Zusammenhang relevante Tätigkeit der Verwahrungsstelle ist das Führen von Effektenkonten.

97

Thévenoz, 703 ff.

9345

Abs. 2 Bst. a­f Als Verwahrungsstellen im Sinne des BEG qualifizieren folgende inländische Finanzintermediärinnen: ­

Banken im Sinne der Artikel 1 ff. BankG (Bst. a);

­

Effektenhändlerinnen im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d BEHG (Bst. b);

­

Fondsleitungen nach den Artikeln 27 ff. des Bundesgesetzes vom ... über die kollektiven Kapitalanlagen (Kollektivanlagengesetz, KAG; SR ...), sofern sie Anteilskonten führen (Bst. c);

­

Betreiberinnen von Systemen zur Abrechnung und Abwicklung von Effektengeschäften, die für die Stabilität des Finanzsystems von Bedeutung sind (Bst. d).98 Erfasst sind also nur Betreiberinnen, welche die Mindestanforderungen der Schweizerischen Nationalbank zu beachten haben (Art. 20 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 2003 über die Schweizerische Nationalbank [Nationalbankgesetz, NBG; SR 951.11]). Zurzeit verfügen die beiden Schweizer Systembetreiberinnen SIS und x-clear, die zentrale Gegenpartei der Börse virt-x, über eine Banklizenz und sind damit bereits durch Absatz 1 Buchstabe a erfasst. Betreiberinnen von Effektenabwicklungssystemen sind jedoch so wichtig, dass sie in jedem Fall unter den Geltungsbereich des BEG fallen müssen;

­

die Schweizerische Nationalbank (Bst. e), die z.B. im Rahmen ihrer Engpassfinanzierungsfazilität99 für Banken, in ihrer Funktion als Bankier des Bundes und für ihr Personal Effektenkonten führt;

­

die Schweizerische Post (Bst. f), die ebenfalls Effektenkonten führt (insbesondere für die von der Post vertriebenen Anlagefondsanteile), aber weder Bank noch Effektenhändlerin ist.

Diese Aufzählung inländischer Finanzintermediärinnen ist abschliessend. Nicht erfasst sind somit z.B. Versicherungsunternehmen nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz vom 17. Dezember 2004 (VAG; SR 961.01) oder Pensionskassen im Sinne des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; SR 831.40), selbst wenn sie ausnahmsweise für Kunden Effektenkonten führen. Denn Versicherungen und Pensionskassen sind als Intermediärinnen nur ausnahmsweise Teilnehmerinnen an Systemen der mediatisierten Wertpapierverwahrung.

98

99

Zum Begriff des Effektenabwicklungssystems vgl. Art. 19 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 2003 über die Schweizerische Nationalbank (Nationalbankgesetz, NBG; SR 951.11) sowie Art. 2 der Verordnung vom 18. März 2004 zum Bundesgesetz über die Schweizerische Nationalbank (Nationalbankverordnung, NBV; SR 951.131); auch die Botschaft vom 26. Juni 2002 über die Revision des Nationalbankgesetzes, BBl 2002 6218 ff.

Vgl. dazu Ziff. 2.4.1. der Richtlinien der Schweizerischen Nationalbank über das geldpolitische Instrumentarium; http://www.snb.ch/d/snb/index.html?file=recht/content _recht.html.

9346

Abs. 3 Nach dem HWpÜ kann das BEG unter Umständen auch Anwendung finden, wenn das Effektenkonto durch eine ausländische Finanzintermediärin geführt wird, nämlich wenn die Parteien der Kontovereinbarung schweizerisches Recht als anwendbar erklären und die Verwahrungsstelle in der Schweiz über eine Geschäftsstelle verfügt (Art. 4 Abs. 1 HWpÜ). In diesem Fall gilt als Verwahrungsstelle auch jede ausländische Finanzintermediärin, sofern sie im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Effektenkonten führt. Die ausländische Finanzintermediärin muss dabei keiner besonderen Aufsicht unterstehen, denn im internationalen Verhältnis ist es für die Anlegerinnen und Anleger von Interesse, dass das BEG unabhängig von der Qualität der Aufsicht Anwendung findet. Hingegen ist eine der Tätigkeit angemessene Aufsicht Voraussetzung für die gesetzliche Ermächtigung zur Drittverwahrung im Ausland (Art. 9 Abs. 1).

Art. 5

Begriffe

Artikel 5 definiert weitere, für das Verständnis des Gesetzes wichtige Begriffe.

Bst. a Der Begriff Drittverwahrungsstelle veranschaulicht die komplexen Verhältnisse in mehrgliedrigen Verwahrungsketten. Aus Sicht einer Anlegerin oder eines Anlegers ist Drittverwahrungsstelle jede Verwahrungsstelle, die in der Verwahrungskette über ihrer eigenen Verwahrungsstelle steht. Unter welchen Voraussetzungen Drittverwahrung zulässig ist und welche Rechtsverhältnisse dadurch entstehen, ergibt sich aus den Artikeln 9 und 10.

Bst. b Kontoinhaberin oder Kontoinhaber ist jede Person oder Personengesamtheit, auf deren Namen eine Verwahrungsstelle ein Effektenkonto führt. Kontoinhaberin ist nicht nur die an Bucheffekten letztlich rechtszuständige Person, die das Gesetz als Anlegerin bzw. Anleger bezeichnet (vgl. Art. 1 Abs. 2, Art. 13 Abs. 1, Art. 22 Abs. 2, Art. 26 Abs. 3, Art. 27 Abs. 5, Art. 28 Abs. 5, Art. 32 Abs. 1), sondern ebenfalls die Verwahrungsstelle, und zwar sowohl bezüglich ihrer Eigen- als auch ihrer Kundenbestände.

Bst. c Anlegerin oder Anleger ist jede Kontoinhaberin und jeder Kontoinhaber, die oder der nicht Verwahrungsstelle ist. Hält aber eine Verwahrungsstelle Titel auf eigene Rechnung, so gilt sie hinsichtlich dieser Eigenbestände als Anlegerin. Dieser Begriff ist für eine Reihe von Bestimmungen notwendig, welche auf die kontoführende Verwahrungsstelle nicht anwendbar sind (vgl. Art. 13 Abs. 1, Art. 22 Abs. 2, Art. 26 Abs. 3, Art. 27 Abs. 5, Art. 28 Abs. 5, Art. 32 Abs. 1).

Bst. d Das BEG unterscheidet für verschiedene Zustimmungserfordernisse zwischen gewöhnlichen und qualifizierten Anlegerinnen und Anlegern. Wie im Bundesgesetz über kollektive Kapitalanlagen zählen zu den qualifizierten Anlegerinnen und Anlegern institutionelle Anlegerinnen und Anleger sowie öffentlich-rechtliche Körper-

9347

schaften und Vorsorgeeinrichtungen mit professioneller Tresorerie.100 Qualifizierte Anlegerinnen und Anleger sowie Verwahrungsstellen müssen einer Nutzung oder Weiterverwendung von Sicherheiten (Art. 22 Abs. 2) sowie einer Sicherheit zugunsten der Verwahrungsstelle (Art. 26 Abs. 3) nicht in qualifizierter Form zustimmen; sie können auch auf die Ankündigung einer Verwertung verzichten (Art. 32 Abs. 1).

Schliesslich sind die Vorschriften über die Stornierung von Belastungen und Gutschriften für qualifizierte Anlegerinnen und Anleger dispositiv (Art. 27 Abs. 5, Art. 28 Abs. 5).

Bst. e­g Die weiteren Begriffe der sammelverwahrten Wertpapiere (Bst. e), der Globalurkunde (Bst. f) und des Wertrechts (Bst. g) definieren sich nach den neuen Artikeln 973a, 973b und 973c OR (vgl. Anhang zum BEG, hinten Ziff. 2.1.10).

2.1.3

2. Kapitel: Entstehung, Umwandlung und Untergang von Bucheffekten

Das BEG ist als offenes, durchlässiges System mit einem beschränkten persönlichen und sachlichen Geltungsbereich konzipiert. Kapitel 2 stellt die rechtliche Infrastruktur zur Verfügung, die notwendig ist, um in das System der mediatisierten Wertpapierverwahrung zu gelangen (Art. 6) und um es wieder zu verlassen (Art. 8). Ferner sieht es die Möglichkeit vor, eine bestehende Form der mediatisierten Verwahrung in eine der beiden anderen umzuwandeln (Art. 7).

Art. 6

Entstehung von Bucheffekten

Abs. 1 Bst. a­c Die Entstehung von Bucheffekten setzt einerseits einen tatsächlichen Vorgang voraus, nämlich die physische Einlieferung der Wertpapiere oder Globalurkunden bei der Verwahrungsstelle (Bst. a und b). Mit Einlieferung ist die Übertragung des Besitzes (Art. 922 Abs. 1 ZGB) an der Urkunde auf die Verwahrungsstelle gemeint.

Bei Wertrechten ist eine physische Einlieferung nicht möglich; an ihre Stelle tritt die Eintragung ins Hauptregister einer Verwahrungsstelle (Bst. c). Andererseits ist zur Entstehung von Bucheffekten die Gutschrift der Wertpapiere, Globalurkunden oder Wertrechte im Effektenkonto der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers erforderlich. Erst mit dem vollständigen Abschluss beider Vorgänge ­ Einlieferung bzw.

Eintragung im Hauptregister und Gutschrift ­ sind Bucheffekten als eigenständige Vermögensobjekte entstanden, an denen die Anlegerinnen und Anleger die in Kapitel 4 beschriebenen Rechte haben und über die sie nach den Vorschriften von Kapitel 5 verfügen können.

Wenn Bucheffekten durch Einlieferung von Wertpapieren oder Globalurkunden entstehen, wird dadurch die sachenrechtliche Beziehung des Hinterlegers zu den Urkunden (vgl. Art. 973a Abs. 2 und 973b Abs. 2 OR neu) nicht aufgehoben. Die 100

Vgl. Botschaft zum Bundesgesetz über die kollektiven Kapitalanlagen (Kollektivanlagengesetz) vom 23. September 2005, BBl 2005 6441.

9348

Anlegerinnen und Anleger können jedoch während der Dauer der mediatisierten Verwahrung aus ihrem bzw. seinem Miteigentum am Sammelbestand der hinterlegten Wertpapiere bzw. an der Globalurkunde keine Rechte mehr ableiten. Insbesondere können sie Bucheffekten grundsätzlich nur nach den Vorschriften von Kapitel 5 übertragen. Artikel 30 Absatz 2 nimmt zwar Bezug auf die Möglichkeit einer Übertragung von Bucheffekten durch Abtretung (Art. 164 ff. OR), doch gehen die Rechte von Personen, die Bucheffekten nach den Vorschriften des BEG erworben haben, den Rechten der Zessionarin oder des Zessionars immer vor. Auch die Rechte der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber in der Liquidation der Verwahrungsstelle (vgl. Art. 17 ff.) oder gegenüber einer Person, die Bucheffekten gutgläubig erwirbt (Art. 29), richten sich nicht nach sachenrechtlichen Vorschriften, sondern nach dem BEG. Somit ist die sachenrechtliche Beziehung der Anlegerin oder des Anlegers zu den bei einer Verwahrungsstelle eingelieferten Wertpapieren und Globalurkunden während der Dauer der mediatisierten Verwahrung suspendiert. Erst im Falle einer Auslieferung (Art. 8) lebt sie wieder auf.

Abs. 2 Für jede Emission von Wertrechten führt eine einzige Verwahrungsstelle das Hauptregister. Dieses hat in erster Linie die Funktion, Publizität hinsichtlich der in einem System zirkulierenden Bucheffekten zu schaffen, die in Form von Wertrechten begründet wurden. Eine solche Publizität ist zwar auch bei Wertpapieren bzw.

Globalurkunden nicht gewährleistet. Die Verbindung von Recht und Urkunde (Art. 965 OR) bewirkt jedoch, dass nicht mehr Bucheffekten geschaffen werden können, als Wertpapiere hinterlegt sind. Die zu registrierenden Informationen beschränken sich auf das Notwendigste; anzugeben sind die Emission (z.B. durch die Valoren- oder ISIN-Nummer) sowie die Anzahl und die Stückelung der im Hauptregister eingetragenen Wertrechte. Ändert sich die Zahl der Wertrechte im Laufe der Zeit ­ z.B. durch Aufstockung einer Emission oder durch Verbriefung von Wertrechten in Wertpapieren gemäss Artikel 7 und Auslieferung nach Artikel 8 ­, ist dies im Hauptregister stets nachzutragen. Die Rechtszuständigkeit an den Bucheffekten wird im Hauptregister nicht eingetragen. Sie ergibt sich ausschliesslich aus den Effektenkonten, welche die registerführende Verwahrungsstelle
für ihre Teilnehmerinnen führt.

In Bezug auf die Art und Weise der Publikation hat die Verwahrungsstelle einen grossen Spielraum. Wesentlich ist, dass jedermann ohne besonderen Interessennachweis öffentlich zu den im Hauptregister eingetragenen Informationen gelangen kann. Ausreichend ist z.B. die Publikation auf der Website der Verwahrungsstelle.

Auch die konkrete Form des Hauptregisters wird offen gelassen; es bleibt der Verwahrungsstelle überlassen, ob sie für sämtliche Bucheffekten-Emissionen zusammen oder für jede Bucheffekten-Emission einzeln ein Hauptregister führen will.

Das Hauptregister ist zu unterscheiden vom Buch, das die Emittentin von Wertrechten nach dem neuen Artikel 973c Absatz 2 OR zu führen hat. Die Eintragung in dieses Buch ist konstitutiv für die Begründung von Wertrechten, während die Eintragung im Hauptregister der Verwahrungsstelle Voraussetzung für die sachliche Anwendbarkeit des BEG ist.

9349

Art. 7

Umwandlung

Abs. 1 Die Emittentin kann die Unterlagen von Bucheffekten (z.B. Wertpapiere), die in bestimmter Form ausgestaltet sind, jederzeit und ohne Zustimmung der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber in eine andere Unterlage (z.B. Globalurkunden oder Wertrechte) umwandeln. Vorbehalten bleiben abweichende Bestimmungen der Ausgabebedingungen oder der Gesellschaftsstatuten. Die Emittentin trägt die Kosten einer Umwandlung. Diese Umwandlungsmöglichkeit gehört zur offenen Architektur des BEG. Zwar steht ausser Frage, dass eine vollständige Entmaterialisierung der Wertpapiere Effizienz- und Sicherheitsvorteile aufweist. Dennoch besteht kein Grund, die Entscheidung über die Form nicht letztlich den Kontoinhaberinnen und Kontoinhabern sowie den Emittentinnen zu überlassen.

Abs. 2 Während der Emittentin aus Kostengründen eher an einer Entmaterialisierung gelegen sein dürfte, wird das Interesse der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber in erster Linie auf die Möglichkeit einer Verbriefung gerichtet sein, insbesondere weil nur Wertpapiere nach Artikel 8 auslieferbar sind. Daher haben sie einen Anspruch darauf, dass ihre in Form von Wertrechten oder einer Globalurkunde verwahrten Bucheffekten als Wertpapiere (Einzelurkunden) verbrieft werden. Dieser Anspruch kann durch die Ausgabebedingungen oder Gesellschaftsstatuten ausgeschlossen werden. Die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber tragen die Kosten einer Verbriefung, es sei denn, die Ausgabebedingungen oder die Gesellschaftsstatuten sehen eine andere Kostenverteilung vor. Systeme der mediatisierten Wertpapierverwahrung weisen gegenüber anderen Verwahrungssystemen eindeutige Effizienz- und Sicherheitsvorteile auf. Die gesetzlich vorgesehene Kostenverteilung schafft einen Gegenanreiz zur Verbriefung von Bucheffekten, die auf eine Schwächung dieser Systeme hinausläuft.

Abs. 3 Umwandlungsvorgänge in beide Richtungen sind mit dem Risiko verbunden, dass die Gesamtzahl der durch eine Emittentin begebenen Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte irrtümlicherweise verändert wird. Die mit der Umwandlung befasste Verwahrungsstelle hat deshalb sicherzustellen, dass dies nicht geschieht.

Art. 8

Untergang und Auslieferung

Abs. 1 Bst. a, b Die offene Architektur des BEG bedingt, dass Effekten aus dem System der mediatisierten Verwahrung wieder herausgenommen und von einer anderen Institution als einer Verwahrungsstelle oder in einem geschlossenen Depot bei einer Verwahrungsstelle verwahrt oder allenfalls sogar zu Hause aufbewahrt werden können. Die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber haben daher das Recht, von der Verwahrungsstelle jederzeit die Auslieferung von Wertpapieren gleicher Zahl und Gattung zu verlangen, wie ihrem Effektenkonto Bucheffekten gutgeschrieben sind. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein solcher Anspruch nur besteht, wenn bei der Verwahrungsstelle Wertpapiere hinterlegt sind (Bst. a) oder die Kontoinhaberinnen und 9350

Kontoinhaber nach Artikel 7 einen Anspruch auf Verbriefung ihrer Bucheffekten in Wertpapiere hat (Bst. b). Ein Anspruch auf Auslieferung einer Globalurkunde ist allenfalls denkbar, wenn die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber an allen darin verbrieften Einzelrechten rechtszuständig ist oder wenn sie bzw. er einen Anspruch auf Verbriefung in Teil-Globalurkunden hat. Auch auf die Auslieferung von Wertrechten ist Artikel 8 höchstens analog anwendbar, etwa wenn eine Emittentin, die nicht Verwahrungsstelle ist, für ihre Aktionärinnen oder Aktionäre eine Emittentenverwahrung anbietet.

Abs. 2 Die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber hat Anspruch auf die Auslieferung von Wertpapieren, die hinsichtlich Druck und Qualität den Anforderungen des Marktes entsprechen, auf dem diese Wertpapiere gehandelt werden.101 Abs. 3 Die Verwahrungsstelle ist verpflichtet, sicherzustellen, dass es nicht zu einer Duplizierung von Effekten kommt. Deshalb darf eine Auslieferung erst erfolgen, wenn Bucheffekten gleicher Zahl und Gattung dem Effektenkonto der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers belastet worden sind. Mit der Belastung werden die Bucheffekten ausgebucht und gehen unter; die dinglichen Rechte der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers an den Wertpapieren, die sich nicht nach dem BEG bestimmen, leben wieder auf.

2.1.4

3. Kapitel: Drittverwahrung

2.1.4.1

Überblick

Die mediatisierte Wertpapierverwahrung umfasst in aller Regel mindestens zwei Ebenen, nämlich die Depotbank der Anlegerin oder des Anlegers sowie eine zentrale Verwahrungsstelle (in der Schweiz z.B. die SIS). Insbesondere im grenzüberschreitenden Verhältnis kann die Verwahrungskette jedoch ohne weiteres ein halbes Dutzend Verwahrungsstellen umfassen, da der Einbezug von Unter- und Zwischenverwahrungsstellen die Regel, nicht die Ausnahme ist. Die Drittverwahrung ist in vielen Fällen auch gar nicht vermeidbar, weil schweizerische Depotbanken nur ausnahmsweise Teilnehmerinnen der zentralen Verwahrungsstellen sind, bei denen ausländische Effekten endverwahrt werden.

Aus Sicht der Anlegerin oder des Anlegers ist nicht ohne Bedeutung, über wie viele und welche Zwischen- und Unterverwahrungsstellen Effekten gehalten werden. Mit jeder Verwahrungsstelle, die zusätzlich in die Verwahrungskette einbezogen wird, erhöhen sich die der mediatisierten Wertpapierverwahrung eigenen Risiken. Während diese Risiken im Binnenverhältnis für die Anlegerin und den Anleger überschaubar sind, ist im grenzüberschreitenden Verhältnis eine verlässliche Beurteilung auch für institutionelle Investorinnen und Investoren schwieriger. Insbesondere ist zu bedenken, dass die Rechtsstellung der Anlegerin oder des Anlegers nach ausländischem Recht in aller Regel nicht vollständig mit derjenigen nach schweizerischem Recht übereinstimmt.

101

Für an der Schweizer Börse SWX kotierte Titel vgl. Huber/Hodel/Staub Gierow, Art. 21 Kotierungsreglement Rz. 1 ff.

9351

Kapitel 3 regelt die Rechtsbeziehungen zwischen Anlegerin oder Anleger und Verwahrungsstelle im Falle einer Drittverwahrung. Als Drittverwahrung gilt dabei jeder Einbezug eines Dritten in die Verwahrungskette (zur Drittverwahrungsstelle vgl. die Definition in Art. 5 Bst. a). Das kann einerseits durch Einschaltung einer Unter- oder Zwischenverwahrungsstelle geschehen, die zwischen die Verwahrungsstelle der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers und die zentrale Verwahrungsstelle tritt.

Drittverwahrung liegt auch vor, wenn eine Verwahrungsstelle bisher physisch bei sich verwahrte Wertpapiere oder Globalurkunden einer anderen Verwahrungsstelle anvertraut oder ein Hauptregister durch eine andere Verwahrungsstelle führen lässt.

Art. 9

Ermächtigung zur Drittverwahrung

Abs. 1 Die Verwahrungsstelle ist grundsätzlich (vgl. Abs. 2) von Gesetzes wegen zur Drittverwahrung ermächtigt. Das gilt für die Verwahrung sowohl im In- als auch im Ausland. Zwar ist die Drittverwahrung im Ausland häufig mit gewissen Risiken verbunden. Dennoch rechtfertigt sich eine gesetzliche Ermächtigung, weil es für ausländische Effekten zur Verwahrung im Ausland häufig gar keine Alternative gibt.

Somit ist davon auszugehen, dass mit der Drittverwahrung im Ausland einverstanden ist, wer ausländische Effekten erwirbt und über eine inländische Verwahrungsstelle hält.

Abs. 2 Eine ausdrückliche Zustimmung der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers ist erforderlich, wenn die ausländische Verwahrungsstelle nicht einer Aufsicht untersteht, welche ihrer Tätigkeit angemessen ist. Die Aufsicht muss dabei nicht derjenigen einer schweizerischen Behörde entsprechen, aber sie muss sich auf die Intermediationsfunktion der ausländischen Verwahrungsstelle beziehen. Nicht angemessen wäre demnach z.B. eine Beaufsichtigung ausschliesslich zur Durchsetzung von Vorschriften über die Bekämpfung der Geldwäscherei. Die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber müssen ihre Zustimmung zur Drittverwahrung ausdrücklich erteilen.

Das heisst, dass eine stillschweigende Zustimmung nicht möglich ist. Nicht gefordert ist eine Aufklärung der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber über die mit einer Auslandverwahrung verbundenen rechtlichen und operationellen Risiken, weil eine solche nur in sehr allgemeiner und damit wenig aussagekräftiger Form erfolgen könnte und weil Auslandverwahrung seit jeher und ohne spezifische Aufklärung praktiziert wird.

Wo eine gesetzliche Ermächtigung oder die Zustimmung der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers zur Drittverwahrung vorliegt, übernimmt die als Dritte beigezogene Verwahrungsstelle die Verwahrung als selbständige Unterbeauftragte und nicht als Hilfsperson im Sinne von Artikel 101 OR. Es liegt somit ein Fall von befugter Substitution vor (Art. 33 Abs. 2, der sinngemäss Art. 399 Abs. 2 OR entspricht).

Vertraut eine Verwahrungsstelle einem Dritten Bucheffekten zur Verwahrung an, obwohl weder eine gesetzliche Ermächtigung noch eine Zustimmung der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers vorliegt, so ist von einer unbefugten Substitution auszugehen. Die Verwahrungsstelle haftet in diesem Fall für die Handlungen des Dritten wie für ihre eigenen (Art. 33 Abs. 1 i.V.m. Art. 399 Abs. 1 OR; zum Ganzen hinten Ziff. 2.1.8).

9352

Art. 10

Wirkungen

Abs. 1 Buchungsmässig führt Drittverwahrung dazu, dass die Verwahrungsstelle dem Effektenkonto der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers die Bucheffekten gutschreibt, die die Drittverwahrungsstelle ihrem eigenen Effektenkonto gutgeschrieben hat. Diese Gutschrift von Bucheffekten auf verschiedenen Stufen der Verwahrungspyramide bildet den Kern der Mediatisierung.

Abs. 2 Der Vorgang der Drittverwahrung bereitet keine besonderen Schwierigkeiten, wenn sämtliche Kontobeziehungen innerhalb einer Kette demselben Recht unterliegen; die Rechte, welche einer Verwahrungsstelle gegenüber einer Drittverwahrungsstelle zustehen, sind identisch mit denjenigen, welche die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber der Verwahrungsstelle gegenüber hat. Auf die einzelnen Glieder einer Verwahrungskette können jedoch auch unterschiedliche Rechtsordnungen Anwendung finden, welche die Rechte der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber abweichend vom schweizerischen Recht festlegen, z.B. als Miteigentumsanteil an einem Sammelbestand oder auch als einfache Forderung. In diesen Fällen gibt die Verwahrungsstelle der Kontoinhaberin oder dem Kontoinhaber zumindest die Rechte weiter, die ihr selbst gemäss dem auf die Drittverwahrung anwendbaren Recht zustehen.

Art. 11

Verfügbare Bucheffekten

Zu den zentralen Pflichten eines Aufbewahrers gehört die sichere Aufbewahrung der bei ihm hinterlegten Vermögenswerte (vgl. Art. 472 Abs. 1 OR). Auch in gestuften Verwahrungssystemen ist die sichere Aufbewahrung zu gewährleisten, doch trifft diese Pflicht in erster Linie die zentrale Verwahrungsstelle am Ende der Verwahrungskette. Für die Verwahrungsstellen auf den unteren Ebenen der Verwahrungspyramiden treten andere Pflichten in den Vordergrund. Insbesondere muss eine Verwahrungsstelle sicherstellen, dass sie bei übergeordneten Verwahrungsstellen ausreichend Effekten hält, um die Ansprüche der ihr angeschlossenen Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber zu befriedigen.

Sind die aggregierten Effektenguthaben der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber durch den Effektenbestand der Verwahrungsstelle bei der übergeordneten Verwahrungsstelle nicht voll gedeckt, so spricht man von Unterbestand (shortfall). Ein Unterbestand kann als Folge von Fehlbuchungen oder operationellen Problemen auftreten. Häufiger ergeben sich Unterbestände jedoch aus den Abwicklungszyklen, die namentlich durch börsenrechtliche Regeln vorgegeben sind. So schreibt etwa die Schweizer Börse SWX einen Abwicklungszyklus von T+3 vor.102 Erwirbt also eine Kontoinhaberin bestimmte Titel, so werden die Titel im Sammelkonto ihrer Verwahrungsstelle bei der übergeordneten Verwahrungsstelle drei Tage nach dem Geschäftsabschluss (trade) gutgeschrieben (settlement). Die vorbehaltlose Gutschrift auf dem Effektenkonto der Kontoinhaberin wird jedoch nach dem von den meisten Schweizer Verwahrungsstellen angewandten System des so genannten contractual settlement bereits unmittelbar nach dem Geschäftsabschluss, also im Zeitpunkt T+0, vorgenommen.103 Bei der Verwahrungsstelle verursacht diese Gutschrift bis zum 102 103

Vgl. Huber/Hodel/Staub Gierow, Art. 25 Kotierungsreglement Rz. 6.

Zum contractual settlement vgl. das Zirkular 7215 der SBVg vom 27. November 2002.

9353

settlement einen Unterbestand, weil die aggregierten Effektenguthaben der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber grösser sind als ihr Sammelbestand bei der übergeordneten Verwahrungsstelle.104 Treten in einer Verwahrungskette Unterbestände auf, so besteht für die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber das Risiko, dass über Bucheffekten nicht verfügt werden kann (Art. 24 ff.) bzw. Bucheffekten nicht ausgeliefert werden können (Art. 8).

Kommt es zum Konkurs der Verwahrungsstelle, so tragen die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber das Risiko, dass ihr Anspruch auf Absonderung der Bucheffekten (Art. 17 f.) nicht voll gedeckt ist. Die Ersatzforderungen der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber im Falle eines Unterbestandes sind im Übrigen keine privilegierten Einlagen und daher nicht durch die Einlagensicherung gedeckt.105 Trotz dieser Risiken überwiegen aber die Vorteile, die mit dem System des contractual settlement verbunden sind. Insbesondere erlaubt es eine raschere Abwicklung von Effektengeschäften und verbessert damit die Marktliquidität, was sich wiederum positiv auf die Stabilität der Abrechnungs- und Abwicklungssysteme auswirkt. Die Risiken lassen sich darüber hinaus z.B. durch Eigenkapitalvorschriften oder ein Limitensystem kontrollieren, das Unterbestände nur bis zu einem bestimmten Anteil am Gesamtbestand zulässt. Schliesslich werden die Risiken der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber auch durch Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe c wirksam begrenzt, wonach im Konkurs der Verwahrungsstelle deren Lieferansprüche gegen andere Intermediärinnen von Amtes wegen abgesondert werden.

Abs. 1 Unterbestände sind grundsätzlich zu vermeiden. Die Verwahrungsstelle ist daher verpflichtet, jederzeit Bucheffekten verfügbar zu halten, deren Zahl und Gattung mindestens der Summe der Bucheffekten entspricht, die in den Effektenkonten aller Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber als Guthaben ausgewiesen sind. Die Eigenbestände der Verwahrungsstelle sind dabei nicht einzurechnen (Art. 5 Bst. c). Die Summe der verfügbaren Bucheffekten ist dann grösser als die Effektenguthaben der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber, wenn Eigenbestände vorhanden sind.

Abs. 2 Ist die Menge der verfügbaren Bucheffekten kleiner als die Summe der Effektenguthaben, so hat die Verwahrungsstelle den Unterbestand zu beseitigen, indem sie Bucheffekten in
entsprechendem Umfang erwirbt. Absatz 2 befasst sich nur mit den zivilrechtlichen Rechtsfolgen bei Auftreten eines Unterbestandes ausserhalb eines Konkurs- oder Liquidationsverfahrens; die Befugnis der Aufsichtsbehörden (insbesondere der Eidgenössischen Bankenkommission [EBK]) bleibt unberührt, Massnahmen zur Erkennung, Begrenzung und Kontrolle der mit Unterbeständen verbundenen Risiken anzuordnen. Fällt die Verwahrungsstelle, die einen Unterbestand aufweist, in Konkurs, so bestimmen sich die Ansprüche der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber nach den Artikeln 17 und 18.

104

Umgekehrt ist der Sammelbestand der Verwahrungsstelle des Veräusserers grösser als die Effektenguthaben ihrer Anleger (sofern die Belastung beim Veräusserer spätestens im Zeitpunkt T+0 stattfindet).

105 Vgl. Art. 23 Abs. 2 der Verordnung der Eidgenössischen Bankenkommission zum Konkurs von Banken und Effektenhändlern (Bankenkonkursverordnung; SR 952.812.32).

9354

Abs. 3 Bst. a Verfügbar und damit anrechenbar sind zunächst Bucheffekten, die einem Effektenkonto der Verwahrungsstelle bei einer Drittverwahrungsstelle gutgeschrieben sind.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Bucheffekten einem Kunden-Sammelkonto (sog. Loro-Konto) oder einem auf den Namen der (untergeordneten) Verwahrungsstelle lautenden Konto (sog. Nostro-Konto) gutgeschrieben sind. Werden Eigen- und Kundenbestände über dasselbe (nicht-segregierte) Sammelkonto gehalten, so gilt im Konkurs die Vermutung, dass die Bucheffekten zu den Kundenbeständen zählen (Art. 17 Abs. 2). Auch wenn Eigen- und Kundenbestände über getrennte Konten gehalten werden (Segregation), kann zur Deckung eines Unterbestandes auf die Eigenbestände zurückgegriffen werden (Art. 19 Abs. 1).

Bst. b Anrechenbar sind ferner die bei der betreffenden Verwahrungsstelle sammelverwahrten Wertpapiere und Globalurkunden sowie die bei ihr im Hauptregister eingetragenen Wertrechte. Buchstabe b ist nur für zentrale Verwahrungsstellen am Ende einer Verwahrungskette von Bedeutung, die ja ihrerseits keine Effektenguthaben bei einer übergeordneten Verwahrungsstelle halten.

Bst. c Anrechenbar sind auch frei verfügbare Ansprüche auf Lieferung von Bucheffekten.

Buchstabe c ist auf das contractual settlement, also die Gutschrift auf untergeordneter Ebene im Zeitpunkt T+0 und damit vor Lieferung der Titel auf übergeordneter Ebene, zugeschnitten. Wickelt eine Verwahrungsstelle nach dem System des so genannten actual settlement ab, d.h. erfolgt die Gutschrift im Effektenkonto der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers erst nach Lieferung dieser Bucheffekten auf der oberen Verwahrungsebene, so sind die Buchstaben a und b anwendbar. Zu beachten ist, dass die nach Buchstabe c verfügbaren und damit anrechenbaren Lieferansprüche nicht deckungsgleich sind mit den nach Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe c absonderbaren Lieferansprüchen. Zur Deckung der Effektenguthaben anrechenbar sind insbesondere auch Lieferansprüche gegen ausländische Verwahrungsstellen, die nicht nach Artikel 17 (möglicherweise jedoch nach ausländischem Recht) absonderbar sind. Für die Zwecke von Artikel 11 anrechenbar sind Lieferansprüche weiter nur dann, wenn die zur Lieferung verpflichtete Verwahrungsstelle aufrechtstehend und nicht in Verzug ist. Deshalb können sie nur während der
Frist angerechnet werden, die für eine ordentliche Abwicklung üblich oder vorgeschrieben ist. Massgebend sind die Regeln des betreffenden Marktes. An der Schweizer Börse SWX ist ein Abwicklungszyklus von T+3 vorgeschrieben; der auch auf den meisten ausländischen Börsenplätzen üblich ist. Im Sinne einer Obergrenze legt Buchstabe c die höchstzulässige Frist auf acht Tage fest, was dem längsten derzeit praktizierten Settlement-Zyklus entspricht.106 Beschränkungen der freien Verfügbarkeit können sich aus Pfand- oder Retentionsrechten der Verwahrungsstelle oder einer Drittverwahrungsstelle, aus Börsenbedingungen oder aus Netting-Vereinbarungen ergeben.107 106

Vgl. dazu International Securities Services Association, Handbook, Lincolnwood Ill.

2004 (Loseblattsammlung).

107 BSK BankG-Hess, Art. 16 Rz. 41 ff.

9355

Art. 12

Eigen- und Drittbestände

Die mediatisierte Wertpapierverwahrung zeichnet sich dadurch aus, dass auf einer übergeordneten Verwahrungsebene die Bestände der Teilnehmerinnen der tieferen Ebene in Sammelkonten zusammengefasst werden. Viele Verwahrungsstellen, darunter auch die meisten schweizerischen, halten neben den Kundenbeständen (Loro-Bestände) auch ihre Eigenbestände (Nostro-Bestände) in demselben Sammelkonto. Gewisse Rechtsordnungen (z.B. Luxemburg) untersagen aus Gründen des Anlegerschutzes eine solche Vermischung und verpflichten die Verwahrungsstelle, Eigen- und Kundenbestände über zwei verschiedene Konten zu halten (sog. Segregation). Allerdings besteht auf internationaler Ebene in dieser Frage bisher kein Einvernehmen.

Auf eine Bestimmung, welche die Verwahrungsstellen zwingen würde, Eigen- und Kundenbestände auf übergeordneter Ebene zu trennen, wird verzichtet. Zwar ist unbestritten, dass eine Trennung die Überschaubarkeit der Rechtsverhältnisse verbessern und damit die Kontrolle der rechtlichen Risiken erleichtern würde. Andererseits wird die Rechtsstellung der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber bereits dadurch gestärkt, dass bei nicht-segregierten Sammelkonten eine Fremdvermutung greift (Art. 17 Abs. 2) und Unterbestände darüber hinaus selbst bei Segregierung durch Rückgriff auf die Eigenbestände der Verwahrungsstelle auszugleichen sind (Art. 19 Abs. 1). Schliesslich ist die Frage der Segregation primär aufsichtsrechtlich zu behandeln und soll im Rahmen des privatrechtlichen BEG deshalb offen bleiben.

Hingegen sind gewisse Rechtsverhältnisse zu klären, wenn Eigen- und Kundenbestände getrennt gehalten werden, sei dies aufgrund aufsichtsrechtlicher Anordnung, vertraglicher Vereinbarung oder anwendbarer Regeln eines Effektenabrechnungsund -abwicklungssystems.

Abs. 1 Bst. a Aufrechnungs- oder Netting-Vereinbarungen sind darauf gerichtet, dass gegenseitige Forderungen zwischen den Parteien unter bestimmten Voraussetzungen miteinander verrechnet werden können. Solche Vereinbarungen können sich auch auf Ansprüche einer Verwahrungsstelle auf Lieferung von Bucheffekten bei der verrechnenden Verwahrungsstelle erstrecken. Dann schmälert sich die Anzahl der verfügbaren Bucheffekten, die mindestens der Summe der in den Effektenkonten der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber als Guthaben ausgewiesenen Bucheffekten entsprechen
muss (Art. 11 Abs. 3 Bst. c). Daraus ergibt sich für die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber das Risiko eines Unterbestandes.

Hält eine Verwahrungsstelle Eigen- und Kundenbestände bei einer Drittverwahrungsstelle getrennt und ist sie, nicht aber die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber Partei einer Netting-Vereinbarung mit der Drittverwahrungsstelle, so erstreckt sich die Vereinbarung weder auf Lieferansprüche der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber noch auf deren Bucheffekten.

Bst. b Sind Eigen- und Kundenbestände einer Verwahrungsstelle bei einer Drittverwahrungsstelle segregiert, so werden die Bucheffekten der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber sowie deren Lieferansprüche nicht berührt durch Pfand-, Rückbehaltsund Verwertungsrechte der Drittverwahrungsstelle oder von Dritten, denen die Kontoinhaberinnen oder Kontoinhaber nicht zugestimmt haben.

9356

Abs. 2 Sind Eigen- und Kundenbestände einer Verwahrungsstelle bei einer Drittverwahrungsstelle segregiert, so kann die Verwahrungsstelle über Bucheffekten einer Kontoinhaberin oder eines Kontoinhabers erst verfügen, nachdem sie diese in Ausübung ihres Nutzungsrechts gemäss Artikel 22 in ihr eigenes Effektenkonto übertragen hat. Die rechtliche Grundstruktur von Nutzungsgeschäften ist also auch buchungsmässig nachzuvollziehen bzw. in den Effektenkonten sichtbar zu machen.

Abs. 3 Die Absätze 1 und 2 sind zwingende Bestimmungen, d.h. abweichende Abreden sind unwirksam.

2.1.5

4. Kapitel: Rechte aus der Verwahrung von Bucheffekten

2.1.5.1

Überblick

Kapitel 4 legt die Rechte der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber sowie der Verwahrungsstellen aus der mediatisierten Wertpapierverwahrung fest. Der 1. Abschnitt (Art. 13­16) enthält die Rechte der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber generell, der 2. Abschnitt (Art. 17­20) deren Rechte im Falle einer Insolvenz der Verwahrungsstelle. Der 3. Abschnitt schliesslich (Art. 21­23) regelt die Rechte der Verwahrungsstelle an Bucheffekten.

2.1.5.2 Art. 13

1. Abschnitt: Rechte der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber Grundsatz

Artikel 13 ist für die Beziehungen innerhalb einer Verwahrungskette von grundsätzlicher Bedeutung.

Abs. 1 Der Vorgang der Entstehung von Bucheffekten hat grundsätzlich keinen Einfluss auf die Rechte der Anlegerinnen und Anleger gegenüber der Emittentin. Das heisst insbesondere, dass Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte nicht in entsprechende Rechte gegen die Verwahrungsstelle umgedeutet werden. Die Verwahrungsstelle vermittelt diese Rechte bloss, sie ist aber nicht selber Rechtsträgerin. Weil das Gesetz eine direkte Rechtsbeziehung zwischen Anlegerin oder Anleger und Emittentin anerkennt, besteht auch ohne weiteres die Möglichkeit einer Verrechnung in diesem Verhältnis, sofern die Voraussetzungen nach Artikel 120 ff. OR erfüllt sind.

Abs. 2 Obwohl das Gesetz grundsätzlich von einer unmittelbaren Rechtsbeziehung zwischen Anlegerinnen und Anlegern einerseits und Emittentin andererseits ausgeht, können die Anlegerinnen und Anleger ihre Rechte regelmässig nur mit Hilfe der Verwahrungsstelle ausüben. Denn nur der Verwahrungsstelle ist die Identität der Anlegerinnen und Anleger und der Bestand ihrer Depots bekannt. Auch die Verfü9357

gung über Bucheffekten setzt grundsätzlich die Mitwirkung der kontoführenden Verwahrungsstelle voraus.

Absatz 2 befasst sich ausschliesslich mit der Ausübung von Rechten an Bucheffekten, nicht jedoch mit solchen aus Bucheffekten. Das BEG regelt insbesondere nicht die Auszahlung von Zinsen und Dividenden, die Rückzahlung von Kapital oder die Ausübung von Bezugs- oder Mitgliedschaftsrechten. Alle Fragen, die mit der Ausübung von Rechten aus Bucheffekten zusammenhängen, bleiben der vertraglichen Vereinbarung zwischen Anlegerin oder Anleger, Verwahrungsstelle und Emittentin überlassen.

Art. 14

Pfändung und Arrest

Artikel 14 befasst sich mit dem so genannten upper-tier attachment. Darunter versteht man den Vollzug von Zwangsvollstreckungsmassnahmen bei einer anderen Verwahrungsstelle als derjenigen, welche für die Schuldnerin oder den Schuldner, gegen die bzw. den sich die Massnahme richtet, das Effektenkonto führt. Weil einer Drittverwahrungsstelle in aller Regel weder die Identität der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber noch deren Anteil am Sammelbestand bekannt sind, könnte eine Pfändung oder Arrestnahme bei einer solchen Stelle zur Blockierung ganzer Sammelbestände führen und damit das reibungslose Funktionieren von Effektenabrechnungs- oder -abwicklungssystemen beeinträchtigen. Aus diesen Gründen besteht international breiter Konsens, dass in der mediatisierten Wertpapierverwahrung das upper-tier attachment auszuschliessen ist.108 Das geltende schweizerische Zwangsvollstreckungsrecht schliesst Zwangsvollstreckungsmassnahmen bei einer Drittverwahrungsstelle nicht eindeutig aus. Verschiedene Bestimmungen des SchKG sehen eine Zuständigkeit am Ort der gelegenen Sache vor (Art. 51 Abs. 1, Art. 52, Art. 272 Abs. 1 SchKG). Auch die Pfändung ist am Ort zu vollziehen, an dem die zu pfändende Sache belegen ist. Wo mediatisiert verwahrte Bucheffekten als gelegen gelten, lässt sich aber nicht eindeutig sagen.

Diese Frage ist klarzustellen.

Abs. 1 Zwangsvollsteckungsmassnahmen, die Bucheffekten einer Kontoinhaberin oder eines Kontoinhabers zum Gegenstand haben, sind ausschliesslich bei der Verwahrungsstelle zu vollziehen, die das Effektenkonto führt, welchem die betreffenden Effekten gutgeschrieben sind. Die Bestimmung ist als Präzisierung von Artikel 89 SchKG zu verstehen. Die örtliche Zuständigkeit für die Anordnung eines Arrests bleibt davon unberührt. Auch vorsorgliche Massnahmen nach kantonalem oder eidgenössischem Zivilprozessrecht sind ausschliesslich bei dieser Verwahrungsstelle zu vollziehen.

Abs. 2 Die Zuständigkeitsordnung von Absatz 1 ist zwingend. Deshalb ist jede Zwangsvollsteckungsmassnahme, die an einem anderen Ort erfolgt, nichtig. Das entspricht der herrschenden Lehre und Rechtsprechung zu Artikel 89 SchKG.109

108 109

Vgl. Art. 15 des Unidroit-Übereinkommensentwurfs.

BGE 91 III 41, 88 III 7

9358

Art. 15

Weisung

Abs. 1 Der Tatbestand der Verfügung über Bucheffekten setzt neben der Gutschrift im Effektenkonto der Erwerberin oder des Erwerbers (Art. 24 Abs. 1 Bst. b) als Grundlage der Gutschrift auch eine Weisung der verfügenden Kontoinhaberin bzw. des verfügenden Kontoinhabers (Art. 24 Abs. 1 Bst. a) voraus. Die Verwahrungsstelle ist grundsätzlich verpflichtet, solche Weisungen auszuführen. Die Verpflichtung besteht allerdings nur nach Massgabe ihres Vertrags mit der Kontoinhaberin oder dem Kontoinhaber. Dieser kann insbesondere vorsehen, dass die Person, von welcher die Weisung ausgeht, ihre Legitimation ausreichend nachweist. Auch eine ausreichende Deckung des Effektenkontos wird häufig vorausgesetzt.

Die Weisung ist eine einseitige, rechtsgeschäftliche und empfangsbedürftige Willenserklärung der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers an die Verwahrungsstelle, die Bucheffekten auf die Erwerberin oder den Erwerber zu übertragen. Sie ist formlos gültig. Ist die Erwerberin oder der Erwerber derselben Verwahrungsstelle angeschlossen wie die Person, die die Bucheffekten veräussert und die entsprechende Weisung erteilt, so führt die Verwahrungsstelle die Weisung aus, indem sie das Konto dieser Person belastet und die Bucheffekten dem Konto der Erwerberin oder des Erwerbers gutschreibt. Sind an der Übertragung weitere Verwahrungsstellen beteiligt, so muss die Verwahrungsstelle der veräussernden Person die Weisung an die übergeordnete Verwahrungsstelle weiterleiten.

Die Weisung weist zwar gewisse Ähnlichkeiten mit der Anweisung (Art. 466 ff.

OR) auf, ist von dieser jedoch zu unterscheiden. Insbesondere ist die Weisung keine Doppelermächtigung; sie richtet sich ausschliesslich an die Verwahrungsstelle, nicht auch an die Erwerberin oder den Erwerber. Die Weisung hat auch nicht eine Ermächtigung an die Verwahrungsstelle zur Leistung von Bucheffekten zum Gegenstand; vielmehr ermächtigt und verpflichtet sie die Verwahrungsstelle lediglich, eine Belastung des Effektenkontos vorzunehmen. Deshalb ist ein blosser Verweis auf Artikel 466 ff. OR nicht möglich.

Abs. 2 Die Verwahrungsstelle hat weder das Recht noch die Pflicht, den Rechtsgrund der Weisung zu überprüfen. Sie darf also die Ausführung einer Weisung nicht verweigern, selbst wenn sie Kenntnis von Mängeln im Grundverhältnis hat. Umgekehrt kann die Verwahrungsstelle
nicht zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie eine Weisung trotz Mängeln im Grundverhältnis ausführt. Insofern ist die Weisung als eines der Elemente des Verfügungsgeschäfts von der Wirksamkeit des Kausalgeschäfts (Verpflichtungsgeschäft) unabhängig. Vorbehalten bleiben öffentlich-rechtliche Beschränkungen der Verfügbarkeit, z.B. aufgrund von Vorschriften über die Geldwäscherei, eines Arrestes oder einer Kontosperre im Rahmen gerichtlicher Anordnungen über den einstweiligen Rechtsschutz.

Abs. 3 Die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber kann die Weisung bis zum Zeitpunkt widerrufen, der durch den Vertrag mit der Verwahrungsstelle oder gegebenenfalls die anwendbaren Regeln eines Effektenabrechnungs- und -abwicklungssystems festgelegt ist. Unwiderruflichkeit tritt jedoch ein, sobald die Verwahrungsstelle das Effektenkonto belastet hat. Im Effektengiroverkehr rechtfertigt sich der Verweis auf 9359

die zugrunde liegenden vertraglichen Regelungen damit, dass eine Weisung unter Umständen eine ganze Kette von Buchungen auslöst, deren Rückabwicklung geeignet ist, die Sicherheit des Rechtsverkehrs zu beeinträchtigen. Darüber hinaus bestehen vor allem für Effektenabwicklungssysteme komplexe und differenzierte Regelungen der Unwiderruflichkeit, in welche nicht ohne Not eingegriffen werden sollte.

Da das Vorliegen einer Weisung Tatbestandselement des Verfügungsvorganges ist, treten keine Verfügungswirkungen ein, wenn eine Weisung rechtzeitig widerrufen wird. Dementsprechend kann die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber bei rechtzeitigem Widerruf die Stornierung der in Ausführung der widerrufenen Weisung erfolgten Buchung verlangen, die zu einer Belastung ihres bzw. seines Kontos geführt hat (Art. 27 Abs. 1 Bst. a Ziff. 3).

Absatz 3 regelt die Gründe, welche zum Erlöschen einer Weisung führen können, nicht abschliessend. Auch der Tod der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers oder deren bzw. dessen Verlust der Handlungsfähigkeit sind zu nennen. Weiter führt die Eröffnung eines Konkurses über die Kontoinhaberin oder den Kontoinhaber zwingend zum Erlöschen der noch nicht ausgeführten Weisung (Art. 204 Abs. 1 SchKG).

Vorbehalten sind nach Artikel 20 Aufträge von Teilnehmerinnen an Effektenabrechnungs- und -abwicklungssystemen (siehe Ziff. 2.1.5.3).

Art. 16

Ausweis

Wertpapiere öffentlichen Glaubens erfüllen u.a. eine Legitimationsfunktion: Sie dienen der Geltendmachung der durch sie verkörperten Rechte (Art. 965 und Art. 975 f. OR).110 Mediatisiert verwahrte Wertpapiere können diese Funktion nicht erfüllen, weil die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber keinen unmittelbaren Besitz an den Papieren haben und sie damit nicht vorweisen können. Im Verhältnis zur Emittentin legitimieren sich diese stattdessen durch einen Ausweis der Verwahrungsstelle (z.B. Depotauszug). Artikel 16 verleiht den Kontoinhaberinnen und Kontoinhabern einen Anspruch auf jederzeitige Ausstellung einer solchen Bescheinigung (der im Übrigen bereits nach auftragsrechtlichen Grundsätzen besteht; vgl.

Art. 400 OR).

Der Ausweis ist blosses Beweismittel; er hat für die Geltendmachung des aus Bucheffekten fliessenden Rechts keine materielle Bedeutung. Das heisst einerseits, dass ein Kontoinhaber sein Recht auch ohne Ausweis geltend machen kann und dass der Ausweis ihn nicht vom Nachweis der materiellen Berechtigung entlastet. Andererseits kann sich die Emittentin nicht auf die Rechtszuständigkeit der Person verlassen, die den Ausweis vorlegt; sie erfüllt nur gültig durch Leistung an die oder den materiell Berechtigten. Werden die Ansprüche der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers durch die Verwahrungsstelle geltend gemacht, ist die Vorlage eines Ausweises nicht erforderlich; hier können auch keine Zweifel über die Legitimation entstehen.

110

Vgl. vorne Ziff. 1.1.1.

9360

2.1.5.3

Art. 17

2. Abschnitt: Rechte der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber in der Liquidation der Verwahrungsstelle Absonderung

Zu den wichtigsten Elementen des Rechtsschutzes in mediatisierten Verwahrungssystemen gehört die Gewährleistung der Eigentumsrechte der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber im Konkurs der Verwahrungsstelle. Sie müssen Gewissheit haben, dass die Wertpapiere und Wertrechte, die sie über eine Verwahrungsstelle halten, in deren Konkurs nicht in die Konkursmasse fallen und nicht zur Befriedigung der Kurrentgläubiger herangezogen werden können. Diese Gewährleistung ist in allen massgebenden Rechtsordnungen anerkannt.111 Das BEG verwirklicht diesen Schutz einerseits durch Artikel 17, der ein Absonderungsrecht der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber an Bucheffekten und Wertpapieren statuiert, welche die Verwahrungsstelle für sie hält. Artikel 19 erstreckt das Absonderungsrecht im Falle eines Unterbestandes auf Eigenbestände der Verwahrungsstelle. Artikel 17 lehnt sich eng an das bankengesetzliche Absonderungsrecht (Art. 16 i.V.m. Art. 37d BankG) an112, der persönliche Geltungsbereich ist allerdings weiter als derjenige der bankengesetzlichen Vorschriften, da er nicht nur Banken und Effektenhändler erfasst, sondern auf alle in Artikel 5 genannten Verwahrungsstellen anwendbar ist.113 Die Absonderung greift in allen Verfahren, die auf eine Generalexekution gerichtet sind, also im Bankenkonkurs gemäss Artikel 33 ff. BankG bzw. im Konkurs gemäss Artikel 197 SchKG, wenn eine Verwahrungsstelle nicht dem Bankenkonkursrecht untersteht. Hingegen berührt ein Sanierungsoder Nachlassverfahren (Art. 28 ff. BankG; Art. 293 ff. SchKG) die Ansprüche der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber nicht, weshalb hier eine Absonderung keinen Sinn macht. Da auch die Verwahrung durch ausländische Finanzintermediärinnen dem BEG unterstehen kann, spricht Artikel 17 ganz allgemein von Zwangsliquidationsverfahren im Sinne einer Generalexekution.

Abs. 1 Wird über eine Verwahrungsstelle ein Zwangsliquidationsverfahren eröffnet, so nimmt die Liquidatorin oder der Liquidator die Absonderung im Umfang der Effektenguthaben der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber vor. Anders als bei der konkursrechtlichen Aussonderung (Art. 242 SchKG) erfolgt die Absonderung dabei von Amtes wegen.

Bst. a Abgesondert werden Bucheffekten, die einem Effektenkonto der Verwahrungsstelle bei einer Drittverwahrungsstelle gutgeschrieben sind. Dabei geht es einerseits um
Bucheffekten, die auf den Namen der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber (Kunden-Sammelkonto) lauten. Hält eine Verwahrungsstelle Kunden- und Eigenbestände bei der Drittverwahrungsstelle auf einem Konto, so sind auch diese abzusondern, da von diesen Bucheffekten vermutet wird, dass sie zu den Kundenbeständen zählen 111

Vgl. Art. 11 und 19 Abs. 2 des Unidroit-Übereinkommensentwurfs; Belgien: Art. 12 Dekret No. 62; Luxemburg: Art. 7 Abs. 1 LCTIF; USA: § 8­503(a) UCC.

112 Vgl. Bodmer/Kleiner/Lutz, Art. 37b BankG Rz. 7.

113 Art. 16 i.V.m. Art. 37d BankG, Art. 36a BEHG.

9361

(Abs. 2). Sind die Effektenguthaben der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber der insolventen Verwahrungsstelle noch nicht gedeckt, so kann nach Artikel 19 Absatz 1 auch auf Eigenbestände der insolventen Verwahrungsstelle gegriffen werden, selbst wenn sie einem segregierten Effektenkonto gutgeschrieben sind.

Bst. b Abgesondert werden weiter sammelverwahrte Wertpapiere, Globalurkunden und eingetragene Wertrechte, die bei der insolventen Verwahrungsstelle verwahrt sind.

Buchstabe b hat den Fall im Auge, dass die Verwahrungsstelle am Ende der Verwahrungskette insolvent wird; hier bestehen keine absonderbaren Effektenguthaben gegenüber einer übergeordneten Verwahrungsstelle.

Bst. c Schliesslich werden frei verfügbare Ansprüche der Verwahrungsstelle gegenüber Dritten auf Lieferung von Bucheffekten aus Kassageschäften, frei abgelaufenen Termingeschäften, Deckungsgeschäften oder Emissionen für Rechnung der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber abgesondert. Damit wird die Praxis des contractual settlement konkursfest gemacht. Sachlich entspricht die Regelung Artikel 16 Ziffer 3 BankG, der wiederum ein Anwendungsfall des in Artikel 401 Absatz 3 OR für Auftragsverhältnisse vorgesehenen Vorzugsrechts ist.114 Erfasst sind Lieferansprüche sowohl gegen andere Verwahrungsstellen wie auch gegen Dritte, z.B. eine Verkäuferin oder einen Verkäufer von Bucheffekten.

Abs. 2 Hält die Verwahrungsstelle Eigen- und Kundenbestände bei einer Drittverwahrungsstelle zusammengefasst auf einem einzigen Konto, so gilt die Vermutung, dass es sich dabei um Bucheffekten ihrer Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber handelt.

Das heisst, dass in diesem Fall zunächst die für die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber benötigten Bestände abgesondert und nur die verbleibenden Titel in den Eigenbestand der Verwahrungsstelle eingestellt werden. Ein Unterbestand geht also voll zulasten der Verwahrungsstelle, so dass die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber lediglich zu Schaden kommen, wenn der Unterbestand den Eigenbestand übersteigt. Die vorrangige Befriedigung der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber erfolgt je getrennt für die einzelnen Vermögenswerte.115 Für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung kommen in erster Linie die Bücher der insolventen Verwahrungsstelle in Betracht.

Abs. 3 Hält die zu liquidierende Verwahrungsstelle die Bucheffekten
bei einer Drittverwahrungsstelle, so kann deren Rückbehaltsrecht (Art. 21 BEG) einer Absonderung entgegenstehen. Die Liquidatorin oder der Liquidator muss deshalb die Verpflichtungen der zu liquidierenden Verwahrungsstelle gegenüber der Drittverwahrungsstelle erfüllen, die aus der Drittverwahrung von Bucheffekten oder aus der Vorleistung der Drittverwahrungsstelle für den Erwerb von Bucheffekten entstanden sind.

Dabei handelt es sich um Massaforderungen. Die Bestimmung entspricht Artikel 37d Absatz 3 BankG.

114 115

Bodmer/Kleiner/Lutz, Art. 16 BankG Rz. 22.

Bodmer/Kleiner/Lutz, Art. 37b BankG Rz. 18.

9362

Abs. 4 Bst. a, b Absatz 4 legt Einzelheiten des Absonderungsverfahrens fest. Einerseits hat die Liquidatorin oder der Liquidator die Möglichkeit, die Bucheffekten auf eine Verwahrungsstelle zu übertragen, die von der Kontoinhaberin oder dem Kontoinhaber bezeichnet worden ist (Bst. a). Dieses Vorgehen ist regelmässig das einzig praktikable. Sind die Bucheffekten auf der Grundlage von sammelverwahrten Wertpapieren entstanden (Art. 6 Abs. 1 Bst. a), so kann der Absonderungsanspruch stattdessen durch Auslieferung der betreffenden Wertpapiere befriedigt werden (Bst. b). Die Entscheidung über das Vorgehen steht der Liquidatorin bzw. dem Liquidator zu, die bzw. der berücksichtigen muss, dass alle Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber ein vordringliches Interesse daran haben, rasch wieder über die Bucheffekten verfügen zu können.

Abs. 5 Das Absonderungsrecht steht unter Vorbehalt des Rückbehaltsrechts der Verwahrungsstelle (Art. 21). Die Absonderung kann somit nur erfolgen, nachdem Forderungen der Verwahrungsstelle aus der Verwahrung von Bucheffekten oder aus der Vorleistung der Verwahrungsstelle für den Erwerb von Bucheffekten befriedigt oder sichergestellt sind (siehe auch Abs. 3).

Art. 18

Absonderung bei Liquidation der Drittverwahrungsstelle

Artikel 18 schützt die Rechte der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber im Konkurs der Verwahrungsstelle, mit welcher sie in einer direkten Kontobeziehung stehen.

Ihre Rechte sind jedoch auch gefährdet, wenn eine Drittverwahrungsstelle in Konkurs fällt. Insbesondere bei Drittverwahrung im Ausland wäre es für die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber eine nicht hinnehmbare Last, wenn sie sich um die Absonderung kümmern müssten. Daher hat die Verwahrungsstelle die Absonderung der Bucheffekten ihrer Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber bei der Drittverwahrungsstelle geltend zu machen. Dabei bestimmt sich nach der Vereinbarung zwischen Kontoinhaberinnen und Kontoinhabern sowie der Verwahrungsstelle, welche Schritte letztere im Einzelnen zu unternehmen hat. Haben die Parteien nichts vereinbart und bestimmt das anwendbare Recht nichts anders, so kann sich die Verwahrungsstelle auf die Anmeldung des Anspruchs ihrer Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber beschränken und diesen die weitere Verfolgung ihres Anspruchs überlassen.

Zudem muss die Verwahrungsstelle den Kontoinhaberinnen und Kontoinhabern den Nachweis ihrer Berechtigung ermöglichen.

Art. 19

Unterbestand

Abs. 1 Die Verwahrungsstelle ist verpflichtet, ausreichend Bucheffekten zu halten, um die Effektenguthaben ihrer Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber zu decken und Unterbestände durch Zukauf von Bucheffekten zu beseitigen (Art. 11 Abs. 1 und 2). Ist ein Zukauf nicht mehr möglich, weil über die Verwahrungsstelle ein Zwangsvollstreckungsverfahren eröffnet worden ist, und genügen die abgesonderten Bucheffekten zur Befriedigung der Ansprüche der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber nicht, so werden im Umfang des Unterbestandes Bucheffekten derselben Gattung abge9363

sondert, die die Verwahrungsstelle auf eigene Rechnung hält. Erfasst sind nicht nur Bucheffekten der Verwahrungsstelle, die diese zusammen mit den Bucheffekten der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber verwahrt, sondern vielmehr auch Bucheffekten, die von den Bucheffekten ihrer Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber segregiert sind. Ein solcher Zugriff lässt sich damit rechtfertigen, dass ein Unterbestand meistens die Folge operationeller Mängel ist, z.B. weil eine Verwahrungsstelle Bucheffekten falsch verbucht oder darüber missbräuchlich verfügt hat. Auch ausländische oder internationale Regelungsmodelle sehen für diesen Fall ein Zugriffsrecht der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber auf die Eigenbestände der Verwahrungsstelle vor.116 Abs. 2 Sind die Ansprüche der Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber auch nach Rückgriff auf die Eigenbestände der Verwahrungsstelle nicht vollständig befriedigt, so tragen sie den Unterbestand anteilsmässig. In diesem Umfang steht ihnen eine Ersatzforderung gegen die Verwahrungsstelle zu. Dabei handelt es sich nicht um eine Schadenersatzforderung im Sinne von Artikel 33, weshalb eine Exkulpation nicht möglich ist. Zwar ist nicht auszuschliessen, dass diese proportionale Verlustverteilung in extremen Fällen zu unbefriedigenden Ergebnissen führen mag. Eine Alternative dazu ist indessen nicht erkennbar.117 Müssten die Umstände, unter denen der Verlust entstanden ist, oder die Reihenfolge der Belastungen und Gutschriften mit berücksichtigt werden, so würde das zu einer praktisch nicht bewältigbaren Belastung des Liquidationsverfahrens führen. Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass das geltende Miteigentumsmodell118 bereits heute zu einer proportionalen Verteilung von Unterbeständen führen würde.

Art. 20

Endgültigkeit von Weisungen

Bst. a, b Wird über eine Kontoinhaberin oder einen Kontoinhaber der Konkurs eröffnet, so sind Weisungen und damit Verfügungen über Bucheffekten nach Artikel 204 Absatz 1 SchKG unwirksam, die nach Konkurseröffnung erteilt oder ausgeführt werden. Das gilt auch dann, wenn die Erwerberin oder der Erwerber von Bucheffekten von der Eröffnung des Konkursverfahrens keine Kenntnis hatte. Ist die Kontoinhaberin Teilnehmerin an einem Effektenabrechnungs- und -abwicklungssystem, so ergibt sich aus dieser Regelung eine nicht hinnehmbare Gefährdung der Rechtssicherheit und der Stabilität dieser Systeme. Artikel 20 bestimmt deshalb, dass der Wegfall der Dispositionsbefugnis die rechtliche Verbindlichkeit und Wirksamkeit von Weisungen in zwei Fällen nicht berührt: Wird die Weisung vor Eröffnung des Zwangsvollstreckungsverfahrens in das System eingegeben, so ist sie in jedem Fall rechtlich verbindlich, auch wenn sie erst nach Eröffnung des Verfahrens ausgeführt wird. Wird die Weisung erst nach Eröffnung des Verfahrens eingegeben, so bleibt sie wirksam, sofern sie am Tage der Eröffnung des Verfahrens ausgeführt wird und die Systembetreiberin dabei keine Kenntnis von der Eröffnung des Verfahrens hatte oder hätte haben müssen. Artikel 20 entspricht Artikel 3 der EU-Finalitätsrichtlinie

116 117 118

Vgl. Art. 19 Abs. 4 des Unidroit-Übereinkommensentwurfs.

So auch Art. 20 des Unidroit-Übereinkommensentwurfs.

Vgl. Ziff. 1.2.2 und 1.2.3.

9364

sowie sinngemäss Artikel 27 Absatz 2 BankG, hat jedoch einen weiteren Anwendungsbereich als letztere Bestimmung.

2.1.5.4 Art. 21

3. Abschnitt: Rechte der Verwahrungsstelle Rückbehalts- und Verwertungsrecht

Nach Artikel 895 ZGB besteht an beweglichen Sachen und Wertpapieren, die sich mit Willen des Schuldners im Besitze eines Gläubigers befinden, ein Retentionsrecht. Auch Verwahrungsstellen haben an den bei ihnen hinterlegten Wertpapieren ein Retentionsrecht. Im geltenden Recht besteht allerdings insofern eine Lücke, als sich Artikel 895 ZGB nach herrschender Lehre nur auf Sachen, nicht aber auf Rechte bezieht.119 Wertrechte sind demnach nicht retinierbar, obwohl sie sich funktionell in keiner Weise von sammelverwahrten oder global verurkundeten Wertpapieren unterscheiden. Artikel 21 regelt deshalb das Retentionsrecht der Verwahrungsstelle, das so genannte Rückbehaltsrecht, in einer adaptierten Form.

Abs. 1 Voraussetzung für die Geltendmachung des Rückbehaltsrechts der Verwahrungsstelle an Bucheffekten ist wie bei Artikel 895 Absatz 1 ZGB die Fälligkeit der zu sichernden Forderung sowie Konnexität zwischen dem Rückbehaltsobjekt und dieser Forderung. Konnexität ist gegeben, wenn die zu sichernde Forderung aus der Verwahrung der retinierten Bucheffekten stammt (z.B. Depotgebühren). Darüber hinaus besteht ein hinreichender Zusammenhang zwischen Sicherungsforderung und Rückbehaltsobjekt auch, wenn die Verwahrungsstelle den Kauf von Bucheffekten vorfinanziert hat und das Rückbehaltsrecht der Sicherung des Kaufpreises dient.

Sind die Voraussetzungen für die Geltendmachung des Rückbehaltsrechts gegeben, so kann die Verwahrungsstelle rückbehaltene Bucheffekten, die an einem repräsentativen Markt gehandelt werden, freihändig verwerten und sich aus dem Verwertungserlös befriedigen. Das Verfahren der Verwertung und die übrigen Voraussetzungen richten sich nach Artikel 31.

Abs. 2 Die innere Rechtfertigung des Rückbehaltsrechts ergibt sich daraus, dass die Verwahrungsstelle nicht zur Herausgabe von Vermögenswerten gezwungen sein soll, solange Forderungen gegen die Kontoinhaberin oder den Kontoinhaber noch offen sind. Gibt sie diese Vermögenswerte freiwillig und ohne Vorbehalt frei, so besteht umgekehrt kein Grund mehr, der Verwahrungsstelle an diesen Vermögensobjekten ein bevorzugtes Recht einzuräumen. Deshalb erlischt das Rückbehaltsrecht, wenn die Verwahrungsstelle die Bucheffekten auf ein anderes Effektenkonto, bei sich selber oder bei einer anderen Verwahrungsstelle, überträgt.

119

Vgl. BSK ZGB II-Ramini/Schulin/Vogt, Art. 895 Rz. 18 ff.

9365

Art. 22

Nutzungsrecht

Auf den Finanzmärkten haben sich verschiedene Nutzungsrechte herausgebildet, nach denen Verwahrungsstellen oder Sicherungsnehmerinnen und Sicherungsnehmer über die ihnen anvertrauten Vermögenswerte verfügen (right of use). Nutzungsrechte sind nicht nur aus Effizienzgründen sinnvoll, sondern sie verbessern auch die Liquidität der Märkte und verringern dadurch deren Volatilität. Deshalb besteht nicht zuletzt aus aufsichtsrechtlicher und systemstabilitätspolitischer Sicht ein Interesse daran. Nutzungsrechte müssen durch verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen unterstützt werden.120 Der Vorteil eines Nutzungsrechts der Verwahrungsstelle kann für Anlegerinnen und Anleger in einem vereinbarten Zusatzentgelt bestehen.

Allerdings nehmen sie auch gewisse Risiken in Kauf, weil an die Stelle ihres Eigentumsrechts an den Effekten ein obligatorischer Rückübereignungsanspruch tritt.121 Zu den Nutzungsrechten gehört z.B. die Wertpapierleihe (securities lending and borrowing). Die Borgerin macht davon Gebrauch, wenn sie eine offene Lieferverpflichtung erfüllen muss, aber die benötigten Wertschriften nicht im eigenen Bestand hat. Ein weiteres Nutzungsrecht ist die Weiterverpfändung von Sicherheiten. Die Sicherungsnehmerin nimmt eine Weiterverpfändung vor, indem sie ein ihr übergebenes Pfand zur Besicherung eigener Forderungen verwendet. Nach Artikel 887 ZGB ist die Weiterverpfändung eines Faustpfandes mit Zustimmung der Verpfänderin oder des Verpfänders zulässig. Für die Weiterverpfändung durch Banken findet sich eine Sonderregelung in Artikel 17 BankG und Artikel 33 der Verordnung vom 17. Mai 1972 über die Banken und Sparkassen (Bankenverordnung, BankV; SR 952.02). Danach ist eine Weiterverpfändung möglich, sofern eine qualifizierte Zustimmung der Verpfänderin oder des Verpfänders vorliegt (daneben bestehen verschiedene Einschränkungen). Artikel 17 BankG soll aufgehoben werden (Anhang zum BEG, hinten Ziff. 2.1.10).

Abs. 1 Das Recht der Verwahrungsstelle, über die ihr anvertrauten Bucheffekten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu verfügen, wird ausdrücklich anerkannt.

Voraussetzung ist, dass die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber der Verwahrungsstelle dieses Recht einräumen.

Abs. 2 Weil ein Nutzungsrecht mit Risiken verbunden ist, muss die Ermächtigung dazu schriftlich erteilt werden, soweit die
Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber weder eine Verwahrungsstelle nach Artikel 4 Absatz 2 noch eine qualifizierte Anlegerin oder ein qualifizierter Anleger nach Artikel 5 Buchstabe d ist. Die Ermächtigung darf nicht in allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sein. Damit übernimmt das BEG die Anforderungen an die Zustimmung zu Securities-lending-Programmen, welche die EBK aufgestellt hat.122 Diese gehen weiter als das geltende Hinterlegungsvertragsrecht, das für das Recht des Aufbewahrers zur Verfügung über hinterlegte Wertpapiere bloss eine ausdrückliche Zustimmung des Hinterlegers voraussetzt (Art. 481 Abs. 3 OR).

120 121 122

Vgl. dazu Technical Committee, passim.

Diese Risiken sind einlässlich erörtert in Technical Committee, 39­45.

Vgl. EBK-Jahresbericht 2002, 47 f.

9366

Art. 23

Rückerstattung von Sicherheiten

Abs. 1 Hat ein Kontoinhaber der Verwahrungsstelle Bucheffekten als Sicherheit übertragen und nutzt die Verwahrungsstelle diese Bucheffekten mit seiner Zustimmung ihrerseits als Sicherheit, so hat sie ihm spätestens bei Fälligkeit der gesicherten Forderung Bucheffekten derselben Zahl und Gattung zurückzuerstatten. Diese Bestimmung entspricht Artikel 5 Absatz 2 der EU-Finanzsicherheitenrichtlinie.

Abs. 2 Diese rückerstatteten Bucheffekten unterliegen demselben Sicherungsrecht wie die Bucheffekten, die ursprünglich als Sicherheit übertragen wurden. Die zurückübertragenen Bucheffekten werden somit vom ursprünglichen Sicherungsrecht erfasst, wie wenn eine Verfügung nie stattgefunden hätte. Das bedeutet insbesondere, dass für die Bestimmung der Rangfolge die ursprüngliche Gutschrift massgebend ist, nicht die Gutschrift im Rahmen der Rückerstattung. Auch die Anfechtungsfristen nach Artikel 285 ff. SchKG laufen vom Zeitpunkt des ursprünglichen Sicherungsvertrags an.

Abs. 3 Sofern vereinbart, kann die Verwahrungsstelle die Bucheffekten stattdessen verwerten (Art. 31 f).

2.1.6

5. Kapitel: Verfügung über Bucheffekten und Wirkung gegenüber Dritten

2.1.6.1

1. Abschnitt: Verfügung über Bucheffekten

Art. 24

Verfügung durch Gutschrift

Artikel 24 regelt die Voraussetzungen und Wirkungen der Verfügung über Bucheffekten. Als Verfügung im Sinne des BEG ist jedes Rechtsgeschäft zu verstehen, das eine Änderung im Bestand der Bucheffekten der verfügenden Person bewirkt.

Neben der Übertragung der vollen Rechtszuständigkeit an Bucheffekten («des Eigentums») umfasst der Verfügungsbegriff auch die Begründung von Sicherungsrechten an Bucheffekten, entweder in Form eines Vollrechts oder eines Pfandrechts, sowie die Begründung von Nutzniessungen daran.

Abs. 1 Bst. a, b Der Tatbestand der Verfügung über Bucheffekten umfasst zwei Elemente, die kumulativ erfüllt sein müssen: einerseits eine Weisung der verfügenden Kontoinhaberin oder des verfügenden Kontoinhabers an die Verwahrungsstelle, eine Übertragung von Bucheffekten vorzunehmen (Bst. a; vgl. dazu Art. 15), und andererseits die Gutschrift im Effektenkonto der Erwerberin oder des Erwerbers (Bst. b). Der Verfügungsvorgang bei Bucheffekten ist damit ähnlich wie die immobiliarsachenrechtliche Verfügung, die ebenfalls zwei Tatbestandselemente umfasst (vgl. Art. 963 ZGB).

9367

Aus Buchstabe b ergibt sich, dass die Gutschrift im Effektenkonto der Erwerberin oder des Erwerbers für den Erwerb von Bucheffekten oder die Begründung von Sicherungsrechten daran konstitutiv ist. Demgegenüber kommt der Belastung von Effektenkonten keine Verfügungswirkung zu. Diese Festlegung auf eine einzige Buchung lässt sich damit rechtfertigen, dass die Übertragung von Bucheffekten häufig eine ganze Reihe von Buchungen bei verschiedenen Verwahrungsstellen auf verschiedenen Ebenen der Verwahrungspyramide auslöst. Die Buchungsvorgänge sind untereinander in der Regel zeitlich nicht koordiniert; eine Buchung am Ende der Übertragungskette kann deshalb durchaus abgeschlossen sein, bevor der Vorgang auch bei allen übergeordneten Verwahrungsstellen verbucht ist. Das Abstellen auf die Gutschrift im Effektenkonto der Erwerberin oder des Erwerbers hat den Nachteil, dass theoretisch eine Gutschrift (und damit der Erwerb von Bucheffekten) möglich ist, ohne dass die Bucheffekten bei der Verwahrungsstelle der Veräussererin oder des Veräusserers bereits belastet wurden. Diese Gefahr ist allerdings weitgehend auf den grenzüberschreitenden Effektengiroverkehr beschränkt; im reinen Binnenverhältnis wird sie durch eine entsprechende Ausgestaltung der Abwicklungssysteme praktisch ausgeschlossen.

Fehlt es im Zeitpunkt der Gutschrift an einer gültigen und wirksamen Weisung, so bestimmt sich nach Artikel 27, ob eine Veräussererin ihre Rechtszuständigkeit (vorbehaltlich eines Rückforderungsanspruchs gegen den bösgläubigen Erwerber, Art. 29 Abs. 2) definitiv verloren hat oder ob sie einen Anspruch auf Stornierung der Belastung hat. Im Verhältnis zwischen den beteiligten Verwahrungsstellen, einschliesslich der Unter- und Zwischenverwahrungsstellen, regelt Artikel 28, ob und unter welchen Voraussetzungen fehlerhafte Gutschriften rückgängig gemacht werden können.

Abs. 2 Die Verfügung über Bucheffekten ist mit Abschluss der Gutschrift im Effektenkonto der Erwerberin oder des Erwerbers vollzogen. Ein Veräusserer bleibt also bis zum Abschluss des Verfügungsvorgangs rechtszuständig, auch wenn er nach der Belastung des Kontos über diese Bucheffekten nicht mehr verfügen kann. Diese Regelung verhindert die Entstehung subjektloser Rechte durch zeitlich gestreckte Übertragungsvorgänge, bei denen Bucheffekten bereits ausgebucht
sind, bevor sie eingebucht werden.

Abs. 3 Artikel 24 ff. regeln ausschliesslich den rechtsgeschäftlichen Erwerb von Bucheffekten auf dem Wege der Einzelrechtsnachfolge. Vorbehalten bleiben deshalb die Vorschriften über den Erwerb durch Universalsukzession oder Zwangsvollstreckung. Dazu gehören der Übergang der Rechtszuständigkeit mit dem Tod des Erblassers nach den Vorschriften über das Erbrecht (Art. 560 Abs. 1 und 2 ZGB), die Begründung der Gütergemeinschaft unter Ehegatten (Art. 222 Abs. 1 i.V.m.

Art. 652 ff. ZGB), der Zuschlag bei der Zwangsverwertung durch öffentliche Versteigerung (Art. 125, 257­259 SchKG) sowie gewisse Auflösungstatbestände (Art. 188 ZGB [Konkurseröffnung über einen Ehegatten]; Art. 242 Abs. 1 i.V.m.

Art. 236 Abs. 2 ZGB [Scheidung, Trennung etc.]). Zu erwähnen sind auch Fusionen, Spaltungen, Umwandlungen und Vermögensübertragung nach dem Fusionsgesetz vom 3. Oktober 2003 (FusG; SR 221.301), wo der Eigentumsübergang mit dem Handelsregistereintrag erfolgt (vgl. Art. 22, 52, 67, 73 FusG). Ein gerichtliches

9368

Urteil oder ein Urteilssurrogat können dieselbe Wirkung haben, sofern sie gestaltend wirken.

Abs. 4 Der Erwerb vinkulierter Namenaktien ist im schweizerischen Recht wie auch in vielen ausländischen Rechtsordnungen ein Sonderfall des rechtsgeschäftlichen Erwerbs, bei dem neben wertpapierrechtlichen auch gesellschaftsrechtliche Vorschriften zu beachten sind. Daher bleiben Beschränkungen der Übertragbarkeit von Namenaktien vorbehalten. Das heisst, dass neben den Voraussetzungen von Artikel 24 allenfalls auch gesellschaftsrechtliche Bedingungen erfüllt sein müssen, um den vollen Rechtsübergang von Namenaktien zu bewirken. Handelt es sich dabei um Namenaktien einer schweizerischen Emittentin, so ergeben sich die Voraussetzungen aus den Artikeln 685c und 685f OR: Im Falle eines börsenmässigen Erwerbs kotierter vinkulierter Namenaktien bestimmen sich die Voraussetzungen des Erwerbs ausschliesslich nach Artikel 21 (da Art. 685f Abs. 1 Satz 1 OR besagt, dass die Rechte an börsenmässig erworbenen börsenkotierten Namenaktien mit der Übertragung auf den Erwerber übergehen). Demgegenüber werden vinkulierte Namenaktien, die nicht an einer Börse kotiert sind, erst mit der Zustimmung der Gesellschaft erworben (Art. 685c OR). Beim ausserbörslichen Erwerb kotierter vinkulierter Namenaktien schliesslich erfolgt der Rechtsübergang erst mit Einreichen eines Gesuchs um Anerkennung als Aktionär (Art. 685f Abs. 1 Satz 2 OR). Der Vorrang der aktienrechtlichen Ordnung bei nicht-kotierten Aktien (Art. 685c OR) lässt sich angesichts deren relativ beschränkter Bedeutung für die Kapitalmärkte vertreten. Im Falle des nicht-börsenmässigen Erwerbs kotierter Namenaktien stellt der Vorbehalt von Artikel 685f Absatz 1 Satz 2 OR hingegen eine Gefährdung des Rechtsverkehrs dar. Aus diesem Grund ist die Bestimmung anzupassen (Anhang zum BEG, hinten Ziff. 2.1.10). Bei Namenaktien ausländischer Emittentinnen ist in Bezug auf weitere Voraussetzungen das entsprechende ausländische Recht zu befragen.

Nach Absatz 4, zweiter Satz, sind andere Beschränkungen der Übertragbarkeit von Bucheffekten (als beim Erwerb vinkulierter Namenaktien) der Erwerberin oder dem Erwerber und anderen Dritten gegenüber wirkungslos. Das gilt unabhängig davon, ob die Erwerberin oder der Erwerber die Beschränkung der Übertragbarkeit kannte oder nicht. Beschränkungen
der Übertragbarkeit sind mit dem Erfordernis der Vertretbarkeit, welches ein zentrales Merkmal der Bucheffekte ist (vgl. Art. 3 Abs. 1), nicht vereinbar; sie können auch eine Gefährdung des Rechtsverkehrs darstellen. Zu diesen anderen Beschränkungen, die wirkungslos sind, gehört Artikel 685 OR, wonach nicht voll liberierte Namenaktien nur mit Zustimmung der Gesellschaft übertragen werden dürfen. Auch Artikel 967 Absatz 3 OR ist zu nennen, der allgemein die Möglichkeit vorsieht, durch Vertrag für die Übertragung eines Wertpapiers die Mitwirkung des Schuldners oder anderer Personen vorzuschreiben.

Art. 25

Bestellung von Sicherheiten

Sollen Bucheffekten als Sicherheiten verwendet werden, so steht dafür einerseits der ordentliche Verfügungsmodus gemäss Artikel 24 zur Verfügung. Das Sicherungsrecht wird demnach mit Wirkung gegenüber Dritten begründet durch Übertragung auf ein auf den Namen der Sicherungsnehmerin oder des Sicherungsnehmers lautendes Effektenkonto, das entweder bei der Verwahrungsstelle des Sicherungsgebers oder derjenigen der Sicherungsnehmerin geführt werden kann. Daneben begründet 9369

Artikel 25 eine alternative Möglichkeit für die Begründung von Sicherungsrechten, indem die Verwahrungsstelle mit Zustimmung des Sicherungsgebers der Sicherungsnehmerin gegenüber erklärt, deren Weisungen ohne weitere Zustimmung oder Mitwirkung des Sicherungsgebers zu befolgen.

Das BEG verwendet den Begriff der Sicherheit in einem funktionalen Sinne, also unter Einschluss sowohl von Pfandrechten als auch von Vollrechtsübertragungen für Sicherungszwecke. Soweit Pfandgeschäfte vorliegen, ist die Regelung des BEG abschliessend. Sie geht damit den Artikeln 900 Absatz 1 und 901 Absatz 2 ZGB vor (vgl. Art. 901 Abs. 3 ZGB neu [Anhang zum BEG, hinten Ziff. 2.1.10]). Das heisst insbesondere, dass der Vertrag über die Verpfändung von Bucheffekten keinen Formvorschriften unterliegt. Das BEG kommt damit einer Vorgabe von Artikel 3 der EU-Finanzsicherheitenrichtlinie nach, wonach «die Bestellung und die Wirksamkeit einer Finanzsicherheit sowie die prozessuale Beweisführung bei einer Finanzsicherheit oder die Besitzverschaffung an einer Finanzsicherheit [nicht] von der Erfüllung von Formerfordernissen abhängen» darf. Im Übrigen ist der Pfandvertrag als Kausalgeschäft der dinglichen Verfügung nicht Gegenstand der Regelung des BEG.

Abs. 1 Eine Sicherheit an Bucheffekten kann bestellt werden, indem eine Kontoinhaberin mit der Verwahrungsstelle vereinbart, dass diese die Weisungen der Sicherungsnehmerin oder des Sicherungsnehmers ohne weitere Zustimmung oder Mitwirkung der Kontoinhaberin auszuführen hat. Tritt der Sicherungsfall ein, so kann die Sicherungsnehmerin oder der Sicherungsnehmer demnach ohne weitere Zustimmung der Sicherungsgeberin über die Bucheffekten verfügen. Sofern vereinbart, können die Bucheffekten auch freihändig verwertet werden (Art. 31). Die Vereinbarung zwischen der Kontoinhaberin und der Verwahrungsstelle muss unwiderruflich sein, d.h.

sie darf ohne Zustimmung der Sicherungsnehmerin oder des Sicherungsnehmers weder geändert noch aufgelöst werden.

Obwohl die Bucheffekten auf ihrem Effektenkonto eingebucht bleiben, begibt sich die Sicherungsgeberin mit Bestellung der Sicherheit der ausschliesslichen Gewalt über die Bucheffekten. Artikel 25 ist daher ohne weiteres mit Artikel 884 Absatz 3 ZGB vereinbar, wonach ein Pfandrecht nicht begründet ist, solange der Verpfänder die ausschliessliche
Gewalt über die Sache behält. Die Begründung einer Sicherheit nach Absatz 1 hat vor allem den Vorteil, dass Zinsen und Dividenden sowie Stimmrechte damit ohne weiteres der Sicherungsgeberin zufallen. Im grenzüberschreitenden Verhältnis hat diese Form der Sicherheitenbestellung auch den Vorteil, dass sie einer einzigen Rechtsordnung unterliegt. Sie hat den Nachteil, dass die Sicherungsnehmerinnen und Sicherungsnehmer sich allenfalls das Rückbehaltsrecht (Art. 21) oder ein Pfandrecht der Verwahrungsstelle (Art. 26) entgegenhalten lassen müssen (vgl. jedoch Art. 30 Abs. 2).

Abs. 2 Zu den tragenden Grundsätzen des schweizerischen Mobiliarpfandrechts zählt das Spezialitätsprinzip. Es besagt, dass Gegenstand der Verpfändung ein einzelnes, bestimmbares Recht sein muss.123 Der Grundsatz der Spezialität gilt auch für die

123

Statt vieler BSK ZGB II-Bauer, Art. 884 Rz. 44.

9370

Bestellung von Sicherheiten an Forderungen und anderen Rechten.124 Eine buchstabengetreue Anwendung des Grundsatzes würde bei der Bestellung von Sicherheiten an Bucheffekten dazu zwingen, entweder sämtliche einem Konto gutgeschriebenen Effekten zu verpfänden oder das Pfandobjekt z.B. durch Nennung von ISIN-125 oder Valorennummern bis auf Titelebene zu spezifizieren. Der Zwang zur Verpfändung ganzer Konten nimmt den Sicherungsgeberinnen und Sicherungsgebern die Möglichkeit, wirtschaftlich nicht belastete Bucheffekten zur Sicherung anderer Kredite zu verwenden. Die Sicherungsnehmerinnen und Sicherungsnehmer sind andererseits in aller Regel nicht an einem Sicherungsrecht an bestimmten Titelkategorien, sondern bloss an einer bestimmten Wertquote interessiert. Daher kann sich die Anmerkung sowohl auf bestimmte wie auch auf alle oder auf einen bloss wertmässig bestimmten Anteil der einem Konto gutgeschriebenen Bucheffekten beziehen.

Abs. 3 Die Nutzniessung ist neben dem Pfandrecht das zweite beschränkte dingliche Recht, mit dem Bucheffekten realistischerweise belastet werden können. Entsprechend dem Grundsatz von Artikel 746 Absatz 1 ZGB, wonach zur Bestellung einer Nutzniessung bei beweglichen Sachen oder Forderungen die Übertragung auf den Erwerber erforderlich ist, kann auch an Bucheffekten eine Nutzniessung durch Gutschrift im Effektenkonto der Nutzniesserin oder des Nutzniessers (Art. 24 Abs. 1) begründet werden. Darüber hinaus kann eine Nutzniessung mit Wirkung gegenüber Dritten auch nach den in Absatz 1 vorgesehenen Modalitäten begründet werden.

Art. 26

Sicherheiten zugunsten der Verwahrungsstelle

Abs. 1 Sicherungsrechte werden häufig zwischen einem Kontoinhaber und dessen Verwahrungsstelle (z.B. der Depotbank) vereinbart. In der Regel geschieht dies mittels besonderer Sicherungsverträge, gelegentlich jedoch auch in Form von Pfand- oder Sicherungsklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen. Es besteht kein Anlass, unter dem BEG an dieser Rechtslage materiell etwas zu ändern. Deshalb verzichtet das BEG darauf, die dingliche Wirkung des Sicherungsrechts zugunsten der kontoführenden Verwahrungsstelle von einer Buchung oder einer Anmerkung im Effektenkonto abhängig zu machen. Eine Sicherheit der Verwahrungsstelle an Bucheffekten eines Kontoinhabers wird somit bestellt und ist Dritten gegenüber wirksam mit Abschluss einer Vereinbarung. Will ein Dritter dem Kontoinhaber Kredit gegen die Verpfändung von Bucheffekten gewähren und sicher sein, dass ihm die Verwahrungsstelle kein Sicherungsrecht entgegenhält, so muss er darauf bestehen, dass die Bucheffekten nach Artikel 24 Absatz 1 in ein anderes Effektenkonto (bei derselben oder einer anderen Verwahrungsstelle) umgebucht werden.

Abs. 2 Die Sicherheit erlischt mit der Gutschrift der Bucheffekten im Effektenkonto einer anderen Kontoinhaberin oder eines anderen Kontoinhabers. Hat eine Verwahrungsstelle an Bucheffekten einer Kontoinhaberin oder eines Kontoinhabers ein Sicherungsrecht begründet, so braucht sie eine entsprechende Weisung der Kontoinhabe124 125

BSK ZGB II-Bauer, Art. 899 Rz. 19.

International Securities Identification Number.

9371

rin oder des Kontoinhabers zur Übertragung der Bucheffekten auf ein anderes Konto nicht auszuführen. Tut sie es dennoch, so gibt sie konkludent zu erkennen, dass sie auf die Geltendmachung des Sicherungsrechts verzichtet.

Abs. 3 Das Sicherungsrecht der Verwahrungsstelle besteht nicht von Gesetzes wegen, sondern bedarf einer ausdrücklichen Vereinbarung. Diese ist formfrei wirksam und kann somit auch in allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sein, soweit es sich bei der Kontoinhaberin oder dem Kontoinhaber um eine Verwahrungsstelle (Art. 4) oder eine qualifizierte Anlegerin bzw. einen qualifizierten Anleger (Art. 5 Bst. d) handelt. In allen anderen Fällen bedarf es für die Vereinbarung des Sicherungsrechts einer Vereinbarung in Schriftform; eine Pfandklausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nicht ausreichend.

2.1.6.2

2. Abschnitt: Stornierung

Die Übertragung von Bucheffekten im Effektengiroverkehr bedingt häufig eine ganze Reihe von Buchungen (Belastungen und Gutschriften). Dabei kann es zu Fehlern kommen, z.B. wenn eine Gutschrift in einem falschen Konto erfolgt oder die falsche Gattung Bucheffekten bzw. eine falsche Zahl von Bucheffekten betrifft.

Auch die Weisungen, durch welche diese Buchungsvorgänge ausgelöst werden, können mangelhaft sein. Ein System, welches auf der konstitutiven Wirkung der Gutschrift in einem Effektenkonto beruht, muss daher zwingend einen Mechanismus vorsehen, um fehlerhafte Buchungsvorgänge rückgängig zu machen. Nach den Artikeln 27 und 28 erfolgt die Korrektur fehlerhafter Buchungsvorgänge durch Stornierung, also durch Gegenbuchung. Die beiden Artikel sind grundsätzlich zwingend; eine vertragliche Modifikation kommt nur für Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber in Frage, die Verwahrungsstelle oder qualifizierte Anlegerinnen oder Anleger sind.

Art. 27

Stornierung einer Belastung

Das BEG knüpft Verfügungswirkungen ausschliesslich an die Gutschrift im Effektenkonto der Erwerberin oder des Erwerbers, nicht an die Belastung des Veräussererkontos (Art. 24 Abs. 1 Bst. b). Auch der Verlust der Rechtszuständigkeit der Veräussererin oder des Veräusserers tritt erst ein, wenn die Gutschrift im Konto der Erwerberin oder des Erwerbers abgeschlossen ist (Art. 24 Abs. 2 Satz 2). Faktisch verliert eine Kontoinhaberin jedoch bereits mit der Belastung ihres Kontos die Möglichkeit, über die Bucheffekten zu verfügen. Deshalb hat sie ein gewichtiges Interesse, eine Belastung rasch rückgängig zu machen.

Abs. 1 Bei den Fällen, in denen die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber grundsätzlich Anspruch auf Stornierung hat, sind zwei Kategorien von Mängeln zu unterscheiden: einerseits Mangelhaftigkeit der Weisung des verfügenden Kontoinhabers, andererseits Fehler in der Übertragungskette.

9372

Bst. a Die Weisung ist mangelhaft und löst einen Stornierungsanspruch aus, wenn sie nichtig ist (Ziff. 1), nicht von der Kontoinhaberin oder dem Kontoinhaber bzw.

deren oder dessen Vertreterin oder Vertreter stammt (Ziff. 2), durch die Kontoinhaberin oder den Kontoinhaber rechtzeitig widerrufen wurde (Ziff. 3) oder wegen eines Erklärungsirrtums oder eines Übermittlungsfehlers, wegen absichtlicher Täuschung oder gegründeter Furcht angefochten wurde (Ziff. 4).

Ziff. 1 Nichtig ist eine Weisung dann, wenn sie einen unmöglichen oder widerrechtlichen Inhalt hat oder gegen die guten Sitten verstösst (Art. 20 Abs. 1 OR). Ein nichtiger Rechtsakt vermag keine rechtsgeschäftlichen Wirkungen zu entfalten; deshalb muss die Belastung bei Vorliegen einer nichtigen Weisung zwingend korrigiert werden.

Der Nichtigkeitsgrund muss sich auf die Weisung beziehen; eine Weisung, die in Ausführung eines widerrechtlichen oder sittenwidrigen Rechtsgeschäfts erteilt wird, ist selber nicht notwendigerweise widerrechtlich oder sittenwidrig. Buchstabe a Ziffer 1 dürfte deshalb ganz selten zur Anwendung kommen.

Ziff. 2 Von selbst versteht sich auch, dass eine Belastung zu stornieren ist, die aufgrund einer Weisung erfolgt, welche weder von der Kontoinhaberin oder dem Kontoinhaber noch von deren oder dessen Vertreterin oder Vertreter stammt. Denn Willenserklärungen eines unbeteiligten Dritten vermögen keine Rechtswirkungen zu Lasten einer Kontoinhaberin oder eines Kontoinhabers zu begründen.

Ziff. 3 Eine Belastung ist ebenfalls zu stornieren, wenn die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber zwar irrtumsfrei eine Weisung erteilte, diese jedoch rechtzeitig widerrufen hat. Bis wann eine Weisung widerrufen werden kann, bestimmt sich gemäss Artikel 15 Absatz 3 nach dem Vertrag zwischen Verwahrungsstelle und Kontoinhaberin oder Kontoinhaber bzw. nach den Regeln des Effektenabwicklungssystems.

Ziff. 4 Schliesslich besteht ein Anspruch auf Stornierung, wenn die Belastung aufgrund einer Weisung erfolgte, die wegen eines Erklärungsirrtums (Art. 24 Ziff. 1­3 OR), absichtlicher Täuschung (Art. 28 OR) oder gegründeter Furcht (Art. 29 f. OR) angefochten wurde. Ebenfalls storniert werden muss im Falle eines Übermittlungsfehlers (Art. 27 OR). Das Stornierungsrecht erlischt, wenn die Anfechtung nicht innert Jahresfrist erfolgt (Art. 31 OR). Der
Stornierungsanspruch besteht auch, wenn die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber den Irrtum der eigenen Fahrlässigkeit zuzuschreiben hat; in diesem Fall hat die Verwahrungsstelle jedoch unter den in Artikel 26 OR genannten Voraussetzungen einen Anspruch auf Schadenersatz.

Zu beachten ist, dass Mängel im Kausalgeschäft nie einen Anspruch auf Stornierung begründen. Fehlt es an einem wirksamen Kausalgeschäft und ist deshalb die Übertragung von Bucheffekten rückgängig zu machen, so bedarf es dazu immer einer Weisung der Empfängerin oder des Empfängers zur Rückübertragung der Bucheffekten. Zum Verhältnis zwischen dem Anspruch auf Stornierung und den Vorschriften über den Erwerb kraft guten Glaubens vgl. Artikel 29.

9373

Bst. b Ein Anspruch auf Stornierung einer Belastung besteht ferner, wenn die Gutschrift von Bucheffekten im Effektenkonto der Erwerberin oder des Erwerbers der Weisung nicht entspricht oder nicht innerhalb der für die Ausführung üblichen Frist erfolgt.

Buchstabe b erfasst Fälle, in denen ein Überweisungsvorgang aufgrund einer mangelfreien Weisung ausgelöst und weiter übermittelt wurde, jedoch irgendwo in der Überweisungskette stecken geblieben ist, z.B. weil die Bucheffekten einem falschen Konto gutgeschrieben oder die Weisung fehlerhaft weiter übermittelt wurde. Die Lieferverpflichtung der Kontoinhaberin bzw. des Kontoinhabers besteht je nachdem weiterhin. Da er bzw. sie den Fehler nicht zu vertreten hat, ist ihm bzw. ihr ein Anspruch auf Stornierung der Belastung einzuräumen, sobald die für die Ausführung einer Lieferung übliche Frist abgelaufen ist.

Abs. 2 In den Fällen nach Absatz 1 Buchstabe a obliegt den Kontoinhaberinnen und Kontoinhabern der Nachweis, dass die Weisung an einem der in Ziffer 1­4 genannten Mängel litt. Gelingt ihnen dieser Nachweis, so kann sich die Verwahrungsstelle durch den Nachweis entlasten, dass sie den Mangel der Weisung nicht kannte und trotz Anwendung zumutbarer Massnahmen und Verfahren nicht kennen musste.

Praktische Bedeutung dürfte der Entlastungsbeweis insbesondere bei einer Verfügung aufgrund einer Weisung eines unbeteiligten Dritten (Abs. 1 Bst. a Ziff. 2) haben; hier kann die Verwahrungsstelle nachweisen, dass sie für die Legitimationsprüfung allgemein anerkannte Verfahren anwendet und die fehlende Legitimation dennoch nicht erkennen konnte. Auch im Falle einer mit einem Nichtigkeitsgrund (Abs. 1 Bst. a Ziff. 1), einem Erklärungsirrtum oder einem Übermittlungsfehler (Abs. 1 Bst. a Ziff. 4) behafteten Weisung ist ein Entlastungsbeweis denkbar. Beim Widerruf einer Weisung (Abs. 1 Bst. a Ziff. 3) steht demgegenüber weniger die Erkennbarkeit als vielmehr die Rechtzeitigkeit des Widerrufs der Weisung im Vordergrund; diese ist durch die Kontoinhaberin oder den Kontoinhaber nachzuweisen.

Gelingt der Verwahrungsstelle der Entlastungsbeweis, so haben die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber keinen Anspruch auf Stornierung. Ihnen verbleibt jedoch die Möglichkeit, Rückerstattungsansprüche gegen die Erwerberin oder den Erwerber geltend zu machen, sofern dieser nicht
kraft guten Glaubens Rechtszuständigkeit an den Bucheffekten erworben hat (Art. 29 Abs. 2).

Abs. 3 Die Stornierung hat zur Folge, dass die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber gestellt wird, wie wenn die Belastung nie stattgefunden hätte. Stornierung bewirkt also restitutio in integrum; die Belastung ist vollumfänglich rückgängig zu machen.

Buchungstechnisch geschieht dies, indem die Belastung durch eine entsprechende Gutschrift ausgeglichen wird.

Abs. 4 Die Ansprüche auf Stornierung bzw. auf Schadenersatz verjähren mit Ablauf eines Jahres seit der Entdeckung des Mangels (relative Frist), in jedem Fall jedoch mit Ablauf von fünf Jahren seit dem Tag der Belastung (absolute Frist). Die Verkürzung der Verjährungsfrist gegenüber der ordentlichen Frist von zehn Jahren nach Artikel 127 OR rechtfertigt sich dadurch, dass es sich um ausgeprägte Verkehrsgeschäfte handelt. Mit der absoluten Frist von fünf Jahren wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Fehlbuchungen gelegentlich erst längere Zeit nach Abschluss 9374

eines Geschäfts bemerkt werden und die damit in Zusammenhang stehenden Abklärungen ebenfalls Zeit in Anspruch nehmen können.

Abs. 5 Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber haben ein gewichtiges Interesse, mangelhafte Belastungen rückgängig zu machen. Deshalb ist der Anspruch auf Stornierung grundsätzlich als zwingendes Recht ausgestaltet, auf welches Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber durch Vereinbarung mit ihrer Verwahrungsstelle nicht verzichten können. Keines Schutzes bedürfen Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber, welche Verwahrungsstellen oder qualifizierte Anlegerinnen bzw. qualifizierte Anleger sind.

Art. 28

Stornierung einer Gutschrift

Der Kontogutschrift kommt konstitutive Wirkung zu; sie bewirkt grundsätzlich den Erwerb der Rechtszuständigkeit an Bucheffekten. Soll die Verwahrungsstelle eine Gutschrift stornieren können, bedarf es daher einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage.

Abs. 1 Bst. a, b Die Verwahrungsstelle kann die Gutschrift von Bucheffekten in einem Effektenkonto einerseits stornieren, wenn die entsprechende Belastung storniert worden ist (Bst. a). Diese Möglichkeit muss der Verwahrungsstelle konsequenterweise eingeräumt werden für die Fälle, in denen sie eine Belastung rückgängig machen muss.

Anderseits kann die Verwahrungsstelle eine Gutschrift stornieren, wenn die Gutschrift nicht der Weisung entspricht (Bst. b), d.h. wenn sie etwa aufgrund einer gefälschten Weisung bucht oder die Weisung einer Kontoinhaberin oder eines Kontoinhabers falsch versteht und Bucheffekten deshalb einem falschen Konto gutschreibt. Die Gutschrift ist dann ohne Rechtsgrund erfolgt und daher rückgängig zu machen. Dabei kann sich die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber nicht auf den guten Glauben berufen (Art. 29 Abs. 5).

Abs. 2 Die Verwahrungsstelle ist verpflichtet, der Kontoinhaberin oder dem Kontoinhaber die Stornierung mitzuteilen.

Abs. 3 Die Stornierung der Gutschrift ist ausgeschlossen, wenn dem Effektenkonto Bucheffekten dieser Gattung nicht mehr gutgeschrieben sind, weil die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber über die Bucheffekten bereits weiter verfügt hat. Sind die Bucheffekten noch vorhanden, haben Dritte daran jedoch gutgläubig Rechte begründet ­ beispielsweise durch Bestellung einer Sicherheit nach Artikel 25 ­, so kommt eine Stornierung ebenfalls nicht in Frage.

Ist eine Stornierung ausgeschlossen, so ist die ungerechtfertigte Bereicherung der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers auszugleichen, gegebenenfalls durch Geldzahlung (Abs. 3 Satz 2). Der Ersatzanspruch der Verwahrungsstelle bestimmt sich grundsätzlich nach der Bereicherung der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers (nicht nach der allenfalls der Verwahrungsstelle obliegenden Ersatzpflicht). Bereicherungsrechtlichen Grundsätzen entspricht auch, dass die Pflicht zur Leistung von Wertersatz entfällt, wenn die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber sich der Berei9375

cherung in gutem Glauben entäussert hat oder mit der Rückerstattung nicht rechnen musste (Einrede der nicht mehr vorhandenen Bereicherung, Art. 64 OR). Umgekehrt bleibt der bösgläubige Empfänger von Bucheffekten zur Ersatzleistung verpflichtet, selbst wenn er nicht mehr bereichert ist. Massgebend ist dabei der Zeitpunkt der Geltendmachung des Ersatzanspruchs.

Abs. 4 Der Anspruch auf Stornierung einer fehlerhaften Buchung (Abs. 1) bzw. auf Wertersatz (Abs. 3) verjährt mit Ablauf eines Jahres seit der Entdeckung des Mangels (relative Verjährungsfrist) bzw. mit Ablauf von fünf Jahren seit dem Tage der Gutschrift (absolute Verjährungsfrist). Diese Regelung entspricht Artikel 27 Absatz 4 (zur Begründung vgl. Kommentar zu Artikel 27 Absatz 4).

Abs. 5 Vgl. Kommentar zu Artikel 27 Absatz 5.

2.1.6.3 Art. 29

3. Abschnitt: Wirkung gegenüber Dritten Schutz des gutgläubigen Erwerbs

Der Schutz des Rechtsverkehrs mittels Gutglaubensregeln ist ein zentrales Anliegen des Wertpapierrechts. Auch eine gesetzliche Ordnung der mediatisierten Wertpapierverwahrung kommt um eine Regelung des Erwerbs kraft guten Glaubens nicht herum126, wobei die Schwerpunkte hier anders gelagert sind als bei Verfügungen über physische Titel. Insbesondere bietet die mediatisierte Wertpapierverwahrung in hohem Mass Schutz vor dem Diebstahl von Wertpapieren. Nicht ausgeschlossen ist demgegenüber, dass eine Verwahrungsstelle oder eine Mitarbeiterin bzw. ein Mitarbeiter einer Verwahrungsstelle ohne Ermächtigung der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers über Bucheffekten verfügt. Ferner lassen sich bei der Übertragung von mediatisiert gehaltenen Wertpapieren Fehler und Irrtümer nie vollständig vermeiden, so dass der Mangel auch innerhalb der Überweisungskette liegen kann. Aus diesen Gründen stellt das BEG Regeln zum Schutz gutgläubigen Erwerbs auf.

Abs. 1 Bst. a, b Wer nach Artikel 24, 25 oder 26 Bucheffekten oder Rechte an Bucheffekten in gutem Glauben entgeltlich erwirbt, ist in seinem Erwerb geschützt, auch wenn die Veräussererin oder der Veräusserer zur Verfügung nicht befugt war (Abs. 1 Bst. a) oder die Gutschrift von Bucheffekten im Effektenkonto der Veräussererin oder des Veräusserers storniert worden ist (Abs. 1 Bst. b). Die bisher rechtszuständige Person hat gegen die Erwerberin oder den Erwerber keinen Rückabwicklungs- oder Ausgleichsanspruch. Sind die Voraussetzungen von Artikel 27 erfüllt, so kann sie jedoch gegen ihre Verwahrungsstelle einen Anspruch auf Stornierung der Belastung geltend machen.

126

Vgl. dazu Art. 7 des Unidroit-Übereinkommensentwurfs; USA: § 8­502; vgl. auch § 8­510 UCC; Belgien: Art. 10 Dekret No 62.

9376

Der Erwerb kraft guten Glaubens heilt nur das Fehlen der Verfügungsbefugnis auf Seiten der Veräussererin oder des Veräusserers (Abs. 1 Bst. a), nicht aber das Fehlen von deren Urteils- oder Handlungsfähigkeit. Es gibt im schweizerischen Recht in Bezug auf die Handlungsfähigkeit keinen Schutz des guten Glaubens, d.h. es wird niemand in seinem Vertrauen auf die Handlungsfähigkeit eines anderen geschützt.127 Das gilt bei Wertpapieren öffentlichen Glaubens128 und hat somit gleichermassen für den Erwerb von Bucheffekten zu gelten. Ebenfalls nicht heilbar ist der Verlust der Verfügungsfähigkeit durch Eröffnung des Konkurses über die Verfügende oder den Verfügenden. Nach Artikel 204 Absatz 1 SchKG sind Rechtshandlungen, welche der Schuldner nach der Konkurseröffnung in Bezug auf Vermögensstücke vornimmt, die zur Konkursmasse gehören, den Konkursgläubigern gegenüber ungültig.

Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob die Konkurseröffnung bereits veröffentlicht worden ist.129 Diese Regelung muss auch für Verfügungen über Bucheffekten nach Konkurseröffnung gelten (vgl. aber Art. 20; vorne Ziff. 2.1.5.3).

Das Vorhandensein des guten Glaubens wird vermutet (Art. 3 Abs. 1 ZGB). Massgeblich ist dabei der Zeitpunkt des Erwerbs, d.h. der Abschluss der Buchungen im Effektenkonto der Erwerberin oder des Erwerbers gemäss Artikel 24 bzw. das Vorliegen aller Voraussetzungen für die Bestellung von Sicherheiten gemäss den Artikeln 25 und 26. Die Berufung auf den guten Glauben ist ausgeschlossen, wenn die Erwerberin oder der Erwerber bei der Aufmerksamkeit, wie sie nach den Umständen von ihr bwz. ihm verlangt werden durfte, nicht gutgläubig sein konnte (Art. 3 Abs. 2 ZGB). Als massgebliche Umstände sind dabei auch die Verhältnisse in einem bestimmten Wirtschaftszweig zu berücksichtigen.130 Grundsätzlich gilt, dass Artikel 3 Absatz 2 ZGB keine allgemeine Erkundigungspflicht statuiert und dass sich nur erkundigen muss, wer Grund zum Verdacht hat.131 Eine solche Pflicht besteht für die Geschäftszweige, die dem Angebot von Waren zweifelhafter Herkunft und folglich mit Rechtsmängeln behafteten Sachen in besonderem Masse ausgesetzt sind. Das ist im Wertpapierhandel ausgeprägt nicht der Fall. Vielmehr ist hier zu berücksichtigen, dass die Organisation des Effektengiroverkehrs eine Verfügung durch die oder den
Nichtberechtigten in aller Regel ausschliesst.

Der Gutglaubensschutz greift nur bei Entgeltlichkeit des Erwerbs. Wer Bucheffekten von einer nichtberechtigten Person durch Schenkung erwirbt, kann sich somit nicht auf den Erwerb kraft guten Glaubens berufen; die Erwerberin oder der Erwerber bleibt zur Rückerstattung der geschenkten Bucheffekten verpflichtet (Art. 29 Abs. 2). Der Ausschluss von schenkungsweisen Erwerbsvorgängen lässt sich damit begründen, dass Interessen des Rechtsverkehrs hier nicht berührt sind. Entgeltlichkeit ist nicht mit Gegenleistung gleichzusetzen. Auch Übertragungsvorgänge oder die Bestellung von Sicherheiten ohne unmittelbare Gegenleistung, z.B. in Konzernverhältnissen oder im Rahmen von Börsentransaktionen, sind entgeltliche Verkehrsgeschäfte.

127 128

129 130 131

BK-Bucher, Art. 17/18 ZGB Rz. 148; ZK-Jäggi, Art. 3 ZGB Rz. 69; vgl. auch BGE 55 II 157.

BK-Bucher, Art. 17/18 ZGB Rz. 116, 118, 148; ZK-Jäggi, Art. 3 ZGB Rz. 69; ZK-Jäggi, Art. 965 OR Rz. 142; BGE 89 II 391 (obiter); vgl. aber betreffend Schuldbrief und Gült BGE 89 II 391.

Vgl. aber Art. 204 Abs. 2 und Art. 205 Abs. 2 SchKG sowie BGE 115 III 111.

Vgl. BGE 113 II 397 Vgl. BGE 122 III 1, 100 II 8 E. 4a, 83 II 133 E. 1, 77 II 138, 38 II 468 E. 2.

9377

Abs. 2 Ist der Erwerb nicht geschützt, so sind die Erwerberinnen und Erwerber nach den Vorschriften des Obligationenrechts über die ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 62 ff. OR) zur Rückerstattung von Bucheffekten derselben Zahl und Gattung verpflichtet. Die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber ist mit anderen Worten so zu stellen, wie wenn die mit einem Mangel behaftete Verfügung nicht stattgefunden hätte (restitutio in integrum). Das gilt jedoch nur, sofern dem Effektenkonto der Erwerberinnen und Erwerber Bucheffekten dieser Gattung noch gutgeschrieben sind. Haben sie über die Bucheffekten bereits weiterverfügt, so geht der Anspruch auf die Gegenleistung, die sie für die Verfügung erhalten haben; haben sie Bucheffekten ohne Kenntnis des Rückerstattungsanspruchs veräussert und dafür keine Gegenleistung erhalten, so steht ihnen die Entreicherungseinrede (Art. 64 OR) offen.

Absatz 2 begründet somit keine Pflicht der Erwerberinnen und Erwerber, Bucheffekten dieser Gattung zu beschaffen (vgl. Abs. 2 Satz 2).

Weitere schuldrechtliche Ansprüche bleiben vorbehalten (Abs. 2 Satz 3). In Betracht kommen Ansprüche aus unechter Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 423 Abs. 1 OR) und aus unerlaubter Handlung (Art. 41 ff. OR). Auch vertragliche Ansprüche (Art. 68 ff., Art. 97 ff. OR) sind denkbar.

Negativ ergibt sich aus dem Verweis von Absatz 2 auf das OR, dass eine Vindikation der Bucheffekten (Art. 641 Abs. 2 ZGB) oder die Restituierung nach den Regeln über den Besitzesschutz (Art. 927, Art. 933 ff. i.V.m. Art. 938­946 ZGB) ausgeschlossen ist. Für eine Rückabwicklung nach schuldrechtlichen Grundsätzen gibt es mehrere gute Gründe. Einerseits können nach schweizerischer Auffassung grundsätzlich nur körperliche Sachen sowie die Naturkräfte, die der rechtlichen Herrschaft unterworfen werden können (Art. 713 ZGB), Gegenstand des Eigentums und damit der Vindikation sein. Bucheffekten sind zwar absolute Rechte, aber nicht Sachen im Sinne des schweizerischen Privatrechts. Die Besitzesschutzregeln knüpfen an den Besitz einer Sache an; eine Vorstellung, die bei der mediatisierten Wertpapierverwahrung nicht zutrifft. Vor allem aber stehen mit den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung differenzierte Regeln zur Verfügung, welche geeignet sind, zu angemessenen Ergebnissen zu führen.

Abs. 3 Die
Rückabwicklung fehlgeschlagener Erwerbsvorgänge nach schuldrechtlichen Regeln hat vor allem im Konkurs der rückerstattungspflichtigen Erwerberin oder des rückerstattungspflichtigen Erwerbers Nachteile. Grundsätzlich verbliebe der Kontoinhaberin oder dem Kontoinhaber bloss eine Forderung dritter Klasse (Art. 219 SchKG). Mit der dinglichen Natur der Bucheffekten (Art. 3 Abs. 2) ist das nicht zu vereinbaren. Deshalb wird der berechtigten Person die Möglichkeit eingeräumt, Bucheffekten derselben Gattung auszusondern (Art. 242 Abs. 1 SchKG). Voraussetzung ist, dass sich Bucheffekten überhaupt in der Konkursmasse befinden; das Aussonderungsrecht kann also nicht zur Befriedigung eines Anspruchs auf Wertersatz geltend gemacht werden.

Abs. 4 Die bereicherungs- und deliktsrechtlichen Rechtsbehelfe sowie der Anspruch aus unechter Geschäftsführung ohne Auftrag verjähren nach einem Jahr ab Kenntnis des Anspruchs (Art. 67 Abs. 1 OR, Art. 60 Abs. 1 OR). Dieser Nachteil wird korrigiert, indem für sämtliche Ansprüche eine einheitliche Verjährungsfrist von zehn Jahren 9378

seit dem Tag der Belastung bestimmt wird. Artikel 60 Absatz 2 OR bleibt vorbehalten.

Abs. 5 Das Verhältnis zwischen Gutglaubenserwerb und Stornierungsvorschriften wird klargestellt mit der Bestimmung, dass die Erwerberin oder der Erwerber von Bucheffekten sich nicht auf den Erwerb kraft guten Glaubens berufen kann, wenn die Voraussetzungen für die Stornierung einer Gutschrift nach Artikel 28 erfüllt sind.

Dieser Vorrang der Stornierungsvorschriften lässt sich damit begründen, dass Vorschriften über den Erwerb kraft guten Glaubens dem Schutz des Rechtsverkehrs dienen. Deshalb können sich Kontoinhaberinnen oder Kontoinhaber, die in einer Übertragungskette unmittelbar aufeinander folgen, darauf nicht berufen.132 Geschützt wird erst die Partei, die von der Zwischenperson erwirbt. Diese Beschränkung des Erwerbs kraft guten Glaubens ergibt sich im Übrigen bereits aus der systematischen Stellung von Artikel 29 im 3. Abschnitt, der die Wirkungen der Verfügung über Bucheffekten gegenüber Dritten regelt.

Art. 30

Rangfolge

Das im BEG vorgesehene System der Verfügung durch Bucheintrag eröffnet ähnlich wie im Immobiliarsachenrecht die Möglichkeit, an denselben Bucheffekten verschiedene Rechte zu begründen. Konkurrierende Rechte können z.B. entstehen, wenn Bucheffekten mehrfach verpfändet oder zunächst durch ein beschränktes dingliches Recht belastet und später veräussert werden. Dies erfordert Vorschriften über die Rangfolge konkurrierender Rechte.

Abs. 1 Prioritätskonflikte sind nach dem Grundsatz der Alterspriorität zu entscheiden. Ein Recht an Bucheffekten hat also vor anderen Rechten Vorrang, wenn es zeitlich früher begründet wurde. Massgeblicher Zeitpunkt bei Verfügung durch Gutschrift ist deren Abschluss (Art. 24 Abs. 2). Wird ein Sicherungsrecht an Bucheffekten durch Vereinbarung zwischen Kontoinhaberin oder Kontoinhaber und Verwahrungsstelle begründet, so ist massgeblicher Zeitpunkt der Abschluss der Vereinbarung (Art. 25 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1).

Abs. 2 Nach Artikel 25 Absatz 1 können Sicherheiten auch durch eine Vereinbarung zwischen der Kontoinhaberin oder dem Kontoinhaber und der Verwahrungsstelle begründet werden, welche der Sicherungsnehmerin oder dem Sicherungsnehmer eine Dispositionsbefugnis einräumt. Hat die Verwahrungsstelle an diesen Bucheffekten früher bereits ein Sicherungsrecht aufgrund einer Vereinbarung gemäss Artikel 26 Absatz 1 begründet, so hätte dieses nach dem Grundsatz der Alterspriorität Vorrang. Weil die Drittwirkung von Sicherungsrechten nach Artikel 26 Absatz 1 keiner Publizität bedarf und diese Sicherungsrechte für Dritte daher nicht erkennbar sind, würde sich daraus eine nicht hinnehmbare Belastung des Rechtsverkehrs ergeben. Absatz 2 stellt daher die Vermutung auf, dass das Sicherungsrecht der Verwahrungsstelle gemäss Artikel 26 dem Sicherungsrecht des Dritten gemäss Artikel 25 untergeordnet ist. Die Verwahrungsstelle kann ihrem Sicherungsrecht 132

So für Art. 933 ZGB auch BK-Stark, Art. 933 ZGB Rz. 3.

9379

zum Vorrang verhelfen, indem sie den Dritten ausdrücklich auf dessen Existenz hinweist.

Abs. 3 Der Erwerb gemäss den Artikeln 24, 25 und 26 ist für Bucheffekten zwar der im Sinne des BEG ordentliche, aber nicht der einzig mögliche Übertragungsmodus.

Insbesondere ist weiterhin die Verfügung über Bucheffekten durch Abtretung (Art. 164 ff. OR) möglich. Zum Schutz des Rechtsverkehrs gehen die Rechte von Personen, die sie nach den Vorschriften des BEG erworben haben, den Rechten des Zessionars jedoch im Range vor. Das gilt unabhängig davon, ob die Zession vor oder nach der Verfügung durch Gutschrift erfolgte. Der Vorrang der Verfügung nach dem BEG ist notwendige Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit dieses gesetzlichen Systems, weil die Abtretung nach schweizerischem Recht ohne effektive Publizität wirksam ist. Müssten Erwerberinnen und Erwerber von Bucheffekten damit rechnen, dass ihnen vorrangige Abtretungen entgegenhalten würden, so bedeutete dies eine gravierende Belastung des Rechtsverkehrs. Weil die Zessionarin oder der Zessionar jederzeit damit rechnen muss, dass sich eine besser berechtigte Erwerberin oder ein besser berechtigter Erwerber präsentiert, besteht bei Übertragungen von Bucheffekten ausserhalb der mediatisierten Verwahrung ein starker Anreiz, die Buchung rasch nachzuholen.

Abs. 4 Die Rangfolgeordnung von Absatz 1 kann durch Parteiabrede modifiziert werden.

Zu denken ist insbesondere an eine Rangrücktrittserklärung. Solche Abreden entfalten jedoch nur Wirkung inter partes.

2.1.7

6. Kapitel: Verwertung von Sicherheiten

2.1.7.1

Überblick

Die Verwendung von Kapitalmarktpapieren als Sicherheit gehört auf den Finanzmärkten zu den wichtigsten Risikominderungstechniken.133 Eine Sicherheit ist jedoch nur so viel wert wie das Verfahren zur ihrer Verwertung. Dabei ist von grösster Bedeutung, dass Sicherheiten rasch verwertet werden können. Die Verwertung durch Zwangsvollstreckungsbehörden genügt diesen Anforderungen nicht.

Deshalb anerkennen viele Rechtsordnungen eine Befugnis der Sicherungsnehmerin oder des Sicherungsnehmers, Sicherheiten freihändig zu verwerten, sofern sich der Preis der Sicherheit objektiv bestimmen lässt.134 Nach geltendem schweizerischem Recht sind Abreden, die Pfandgläubigerinnen und Pfandgläubigern das Recht einräumen, auf privatem Wege die Verwertung vorzunehmen, grundsätzlich gültig.135 Auch deren Selbsteintritt kann gültig vereinbart werden, sofern die Interessen der Verpfänderin oder des Verpfänders ebenfalls angemessen berücksichtigt sind. Das ist gegeben, wenn es um Pfänder geht, die einen Markt- oder Börsenpreis haben oder deren Wert auf andere Weise objektiv

133 134 135

Dazu Committee on the Global Financial System, passim.

Vgl. auch Art. 4 der EU-Finanzsicherheitenrichtlinie (dazu vorne Ziff. 1.3.2.2.3).

Vgl. etwa Art. 324 Abs. 1 SchKG.

9380

bestimmt werden kann.136 Handelt es sich bei der Verpfänderin oder dem Verpfänder um eine Bank oder eine Effektenhändlerin, so schützt nunmehr Artikel 27 Absatz 3 BankG die Wirksamkeit von im Voraus getroffenen Abreden über die freihändige Verwertung von Effekten, sofern diese an einem repräsentativen Markt gehandelt werden.137 Artikel 31 und 32 kodifizieren diese Praxis.

Art. 31

Verwertungsbefugnis

Abs. 1 Bst. a, b Ist an Bucheffekten, die an einem repräsentativen Markt gehandelt werden, nach den Vorschriften des BEG eine Sicherheit bestellt worden, so kann die Sicherungsnehmerin oder der Sicherungsnehmer sie unter den im Sicherungsvertrag vereinbarten Voraussetzungen freihändig verwerten. Die freihändige Verwertung kann geschehen durch den Verkauf der Bucheffekten (Bst. a) oder die Aneignung der Bucheffekten durch die Sicherungsnehmerin oder den Sicherungsnehmer (sog. Selbsteintritt, Bst. b). In beiden Fällen ist der Erlös mit der gesicherten Forderung zu verrechnen.

Die Aneignung erfolgt also nur zahlungshalber, nicht an Zahlungs statt; auch bei einem Selbsteintritt ist die Sicherungsnehmerin oder der Sicherungsnehmer mit anderen Worten zur Abrechnung und zur Herausgabe eines allfälligen Überschusses verpflichtet (Art. 32 Abs. 2).

Ein repräsentativer Markt liegt vor, wenn für Vermögenswerte der geschuldeten Art und Güte an einem bestimmten Ort eine minimale Anzahl gleichartiger Geschäfte abgeschlossen wird, so dass sich ein angemessener Preis für das Vermögensobjekt feststellen lässt. Auch für Bucheffekten, die zum Handel an einer Börse nicht zugelassen oder dort nicht täglich gehandelt werden, kann ein repräsentativer Markt vorhanden sein. Ob das Handelsgeschehen über Infrastruktureinrichtungen wie z.B.

eine Börse oder ohne solche Einrichtungen wie z.B. im Telefonhandel abläuft, ist nicht massgebend.

Abs. 2 Das Recht zur freihändigen Verwertung von Sicherheiten bleibt auch in einem Zwangsvollstreckungsverfahren gegen die Sicherungsgeberin oder den Sicherungsgeber sowie bei Anordnung von Sanierungs- oder Schutzmassnahmen jeglicher Art bestehen. Der Konkurs der Sicherungsgeberin oder des Sicherungsgebers ist der bei weitem wichtigste Sicherungsfall; ein Recht zur freihändigen Verwertung, das im Konkurs nicht wirksam ist, nützt daher kaum etwas. Die vom Bundesgericht zur Rechtfertigung seiner Rechtsprechung gegen die Konkursfestigkeit von Verwertungsrechten genannten Gründe, insbesondere das Interesse an einer Gleichbehandlung der Gläubiger, steht der hier getroffenen Regelung nicht entgegen. Die Voraussetzungen, unter denen eine Sicherungsnehmerin oder ein Sicherungsnehmer zur Verwertung schreiten kann (Abrechnungspflicht, Pflicht zur Herausgabe des Überschusses), schliessen eine Benachteiligung der übrigen Gläubiger nämlich aus.

136 137

BGE 119 II 344 Dazu BSK BankG-Hess/Künzi, Art. 27 Rz. 22.

9381

Abs. 3 Ob eine Sicherungsnehmerin oder ein Sicherungsnehmer ein Recht zur freihändigen Verwertung von Sicherheiten hat, ergibt sich nicht aus dem BEG, sondern aus der Sicherungsvereinbarung. Deshalb hat die Verwahrungsstelle weder das Recht noch die Pflicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Verwertung der Bucheffekten erfüllt sind.

Abs. 4 Schreitet die Sicherungsnehmerin oder der Sicherungsnehmer zur Verwertung von Bucheffekten, ohne dass die vertraglich vereinbarten Voraussetzungen dafür gegeben sind, haftet sie bzw. er der Sicherungsgeberin oder dem Sicherungsgeber für den daraus entstandenen Schaden.

Art. 32

Ankündigung und Abrechnung

Abs. 1 Die Verwertung ist der Sicherungsgeberin oder dem Sicherungsgeber anzukündigen, damit allenfalls notwendige Dispositionen getroffen werden können. Fristen und Modalitäten der Anzeige ergeben sich aus dem Sicherungsvertrag. Handelt es sich bei der Sicherungsgeberin oder dem Sicherungsgeber um eine Verwahrungsstelle im Sinne von Artikel 4 oder um eine qualifizierte Anlegerin bzw. einen qualifizierten Anleger im Sinne von Artikel 5 Buchstabe d, so kann er bzw. sie auf die Ankündigung der Verwertung verzichten.

Abs. 2 Die Sicherungsnehmerin oder der Sicherungsnehmer ist zur Abrechnung verpflichtet und hat der Sicherungsgeberin oder dem Sicherungsgeber einen Überschuss herauszugeben. Ausgeschlossen bleibt weiterhin die Möglichkeit einer Aneignung an Zahlungs statt, wie sie in Artikel 4 Absatz 1 der EU-Finanzsicherheitenrichtlinie vorgesehen ist. Die Aneignung an Zahlungs statt ist mit Artikel 894 ZGB nicht vereinbar. Nach dieser Bestimmung ist jede Abrede, wonach die Pfandsache bei Nichtbefriedigung des Gläubigers diesem als Eigentum zufällt, ungültig. Dieses Verbot des Verfallsvertrags ist als Bestandteil der schweizerischen öffentlichen Ordnung zu charakterisieren.138 Auch EU-Mitgliedstaaten sind nach Artikel 4 Absatz 3 der EU-Finanzsicherheitenrichtlinie zur Anerkennung der Aneignung aber nicht verpflichtet, sofern ihr Recht dieses Institut bei Inkrafttreten der Richtlinie nicht vorsah.

2.1.8 Art. 33

7. Kapitel: Haftung der Verwahrungsstelle Haftung der Verwahrungsstelle

Artikel 33 regelt Teilaspekte der vertraglichen Haftung der Verwahrungsstelle für Schäden, die der Kontoinhaberin oder dem Kontoinhaber aus dem Beizug von Dritten zur Verwahrung oder Übertragung von Bucheffekten entstehen. So beschränkt sich der Gehalt der Bestimmung im Wesentlichen auf die Regelung der 138

BSK ZGB II-Bauer, Art. 894 Rz. 19 f.

9382

Haftung bei befugter Substitution (Abs. 2 [entsprechend Art. 399 Abs. 2 OR], 3 und 4), während sich die Haftung bei unbefugter Substitution sowie die Haftung für Ansprüche der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers aus anderen Anspruchsgrundlagen als Vertrag (z.B. Delikt oder ungerechtfertigte Bereicherung) nach den Vorschriften des OR bestimmen (Abs. 1). Artikel 33 sagt demnach ebenfalls nichts zu den Ansprüchen der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers gegen die Drittverwahrungsstelle.

Abs. 1 Artikel 33 ist keine abschliessende Regelung der Haftung der Verwahrungsstelle aus Vertrag. Vielmehr richtet sich diese nach den obligationenrechtlichen Bestimmungen, soweit dieser Artikel nichts anderes bestimmt.

Abs. 2 Lässt die Verwahrungsstelle Bucheffekten bei einer Drittverwahrungsstelle verwahren, so haftet sie im Wesentlichen nach den Regeln über die Haftung des Beauftragten bei befugter Substitution (Art. 399 Abs. 2 OR), sofern es sich um zulässige Substitution (Art. 9) handelt und nicht aufgrund der Umstände des Einzelfalls die strengere Haftung nach Absatz 3 greift. Das heisst, dass die Verwahrungsstelle zunächst nur für gehörige Sorgfalt bei der Auswahl und Instruktion des Dritten haftet. Absatz 2 geht aber insofern über die auftragsrechtlichen Haftungsgrundsätze hinaus, als die Verwahrungsstelle ausserdem für gehörige Sorgfalt bei der Überwachung der dauernden Einhaltung der Auswahlkriterien haftet. Ein Auswahlkriterium kann z.B. das Rating der Drittverwahrungsstelle sein; es versteht sich von selbst, dass die Verwahrungsstelle dieses fortlaufend überwacht. Für die Anforderungen an die gehörige Sorgfalt bei Auswahl und Instruktion einer Drittverwahrungsstelle kann auf Lehre und Rechtsprechung zu Artikel 399 Absatz 2 OR verwiesen werden.139 Sind die Voraussetzungen von Artikel 9 nicht gegeben und liegt somit unbefugte Substitution vor, so haftet die Verwahrungsstelle für die Handlungen der Drittverwahrungsstelle wie für ihre eigenen (Abs. 1; vgl. Art. 399 Abs. 1 OR).

Dass die Verwahrungsstelle nach den Grundsätzen der Substitutionshaftung verantwortlich ist, stellt eine Privilegierung dar, für die jedoch gute Gründe sprechen.

Einerseits erfolgt der Beizug von Drittverwahrungsstellen auch im Interesse der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers. Dieses Kriterium ist auch im Auftragsrecht Begründung
für das Haftungsprivileg.140 Insbesondere im grenzüberschreitenden Verhältnis könnten ausländische Titel ohne Beizug von Unter- und Zwischenverwahrungsstellen häufig nicht oder jedenfalls nicht zu vertretbaren Kosten über Verwahrungsstellen im Inland gehalten werden. Andererseits sind diese Drittverwahrungsstellen in aller Regel Unternehmen, die von ihren Teilnehmerinnen unabhängig sind und die Verwahrung selbständig und in eigener Verantwortung organisieren. Es wäre illusorisch zu glauben, dass eine Depotbank ausländische zentrale Verwahrungsstellen oder internationale zentrale Verwahrungsstellen effektiv und wirksam kontrollieren und in ihrer Auftragserfüllung beeinflussen könnte. Die Haftung nach Substitutionsgrundsätzen ist daher den Gegebenheiten in der grenzüberschreitenden Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren angemessen.

139 140

BK-Fellmann, Art. 399 OR Rz. 60, 64.

Vgl. dazu BK-Fellmann, Art. 399 OR Rz. 49; BGE 107 II 238, 112 II 345.

9383

Abs. 3 Die Haftungsregelung von Artikel 33 Absatz 2 ist grundsätzlich zwingend (Abs. 5), doch ist eine Freizeichnungsmöglichkeit gegeben, wenn Bucheffekten auf ausdrückliche Weisung der Kontoinhaberin oder des Kontoinhabers bei einem Dritten verwahrt werden und die Verwahrungsstelle diesen Dritten nicht zur Verwahrung empfohlen hat. Eine Verwahrungsstelle kann die Haftung für sorgfältige Auswahl und Instruktion einer Drittverwahrungsstelle realistischerweise nur übernehmen, wenn sie mit dieser in einer regelmässigen Geschäftsbeziehung steht. Erwirbt eine Kontoinhaberin oder ein Kontoinhaber Effekten, die in einer Rechtsordnung verwahrt werden, zu welcher die Verwahrungsstelle keine regelmässigen Korrespondentenbeziehungen pflegt, so geschieht dies auf deren eigenes Risiko. Dasselbe gilt, wenn die Verwahrungsstelle zwar über eine Korrespondentenbeziehung verfügt, die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber jedoch ausdrücklich Verwahrung durch eine andere Drittverwahrungsstelle verlangt. Nach den Grundsätzen des Auftragsrechts trifft die Verwahrungsstelle allerdings unter Umständen eine Pflicht, die Kontoinhaberin oder den Kontoinhaber über die Risiken der Verwahrung durch die von ihr bzw. ihm gewählte Verwahrungsstelle bzw. in der fraglichen Rechtsordnung aufzuklären.141 Eine Freizeichnung der Verwahrungsstelle ist nach auftragsrechtlichen Grundsätzen nur innerhalb der Schranken von Artikel 100 OR möglich. Diese Schanke gilt auch für die Freizeichnung nach Artikel 33 Absatz 3.

Abs. 4 Bst. a, b Die Verwahrungsstelle haftet auch bei erlaubter Substitution für das Verschulden der Drittverwahrungsstelle wie für eigenes Verschulden, wenn die Drittverwahrungsstelle für die Verwahrungsstelle selbständig und dauernd die gesamte Effektenverwaltung und die Abwicklung von Effektengeschäften erledigt (Bst. a). Dann liegt eine Auslagerung von Geschäftsbereichen im Sinne des Outsourcing-Rundschreibens der EBK142 vor. In diesem Fall wäre es nicht angemessen, die Verwahrungsstelle nach Absatz 2 privilegiert haften zu lassen. Nach dem strengen Massstab haftet die Verwahrungsstelle ebenfalls, wenn sie mit der Drittverwahrungsstelle eine wirtschaftliche Einheit bildet, also insbesondere im Konzernverhältnis (Bst. b). Die Verhältnisse liegen hier ganz ähnlich wie beim Outsourcing, weshalb es zu einer privilegierten
Haftung keinen Anlass gibt.

Abs. 5 Die Haftungsregelung von Artikel 33 ist grundsätzlich zwingend und kann durch Parteiabrede nicht modifiziert werden. Ist jedoch auch die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber eine Verwahrungsstelle im Sinne von Artikel 4, so bedarf sie oder er keines besonderen Schutzes. Allerdings sind auch in diesem Fall die Schranken von Artikel 100 OR zu beachten.

141

Vgl. BGE 124 III 162 E. 3a; eine Aufklärungspflicht wurde demgegenüber verneint in BGE 122 III 32 E. 4a; 119 II E. 5.

142 EBK-Rundschreiben 99/2 vom 26.8.1999 (Auslagerung von Geschäftsbereichen, Outsourcing), Ziff. 2.

9384

2.1.9 Art. 34

8. Kapitel: Schlussbestimmungen Änderung bisherigen Rechts

Der Erlass des BEG macht Anpassungen in einer Reihe von Erlassen des geltenden Rechts notwendig. Diese sind im Anhang zum BEG aufgeführt.

Art. 35

Übergangsbestimmungen

Diese Bestimmung enthält zwei Sonderregeln zum intertemporalen Recht. Soweit sie nichts Abweichendes bestimmen, richtet sich das Übergangsrecht nach dem Schlusstitel zum ZGB (SchlT ZGB), dem nach der Rechtsprechung allgemeine intertemporalrechtliche Bedeutung zukommt.143 Das bedeutet, dass Vorgänge, die vor Inkrafttreten des BEG abgeschlossen werden, grundsätzlich nach altem Recht zu beurteilen sind (Art. 1 SchlT ZGB). Der Erwerb von Rechten an sammelverwahrten Wertpapieren, Globalurkunden oder Wertrechten bestimmt sich daher nach sachenbzw. abtretungsrechtlichen Grundsätzen, sofern der Erwerbstatbestand vor Inkrafttreten des BEG abgeschlossen wurde. Umgekehrt bestimmen sich die Voraussetzungen des Erwerbs der Rechte an Bucheffekten nach diesem Datum nach den Vorschriften des BEG.

In der Praxis sollten übergangsrechtliche Probleme nur beschränkt auftreten, weil trotz grundsätzlich unterschiedlicher rechtlicher Grundlagen faktisch bereits heute auf die Gutschrift im Effektenkonto abgestellt wird. Das bedeutet, dass ein unter altem Recht durch Besitzanweisung oder schriftliche Abtretungserklärung begründetes dingliches Recht in der Regel auch den Anforderungen der Artikel 24 ff. genügt.

Abs. 1 Sammelverwahrte Wertpapiere und Globalurkunden, die einem Effektenkonto bei einer Verwahrungsstelle gutgeschrieben sind, werden mit Inkrafttreten des BEG automatisch zu Bucheffekten. Bei Wertrechten setzt die Anwendbarkeit des BEG indessen zusätzlich voraus, dass die Wertrechte im Hauptregister einer Verwahrungsstelle eingetragen sind (Art. 6 Abs. 1 Bst. c). Die Emittentinnen von Wertrechten, die einem durch eine Verwahrungsstelle geführten Effektenkonto gutgeschrieben sind, haben daher innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des BEG bei einer Verwahrungsstelle das nach Artikel 6 Absatz 2 erforderliche Hauptregister einrichten und die Wertrechte darin eintragen zu lassen. Solange diese Eintragung nicht erfolgt ist, werden die Wertrechte nicht in Bucheffekten umgewandelt und somit vom Geltungsbereich des BEG (Art. 2 Abs. 1) nicht erfasst.

Abs. 2 Ist vor Inkrafttreten des BEG über sammelverwahrte Wertpapiere, Globalurkunden oder Wertrechte verfügt worden, so sind diese Verfügungen nach intertemporalrechtlichen Grundsätzen (Art. 1 SchlT ZGB) wirksam und gehen später begründeten Rechten vor. Das ist
unproblematisch, soweit die Verfügung den Anforderungen des BEG (Art. 24 f.) genügt. Ist dies nicht der Fall, so ergeben sich jedoch Belastungen des Rechtsverkehrs; eine unbegrenzte Weitergeltung altrechtlicher Rechte, die Vorrang vor neurechtlichen haben, stellt das gute Funktionieren des BEG in Frage.

Praktisch geht es dabei vor allem um Pfand- und Nutzniessungsrechte, weil Voll143

BGE 99 Ib 150, 96 I 673

9385

rechtsübertragungen bereits heute praktisch ausschliesslich durch Gutschrift im Effektenkonto erfolgen und damit den Anforderungen des neuen Rechts genügen.

Deshalb können die nach altem Recht Berechtigten innerhalb einer Schonfrist von 12 Monaten ihr Recht den Vorschriften des BEG gemäss eintragen lassen. Tun sie dies innert Frist, gehen ihre Pfand- und Nutzniessungsrechte den nach neuem Recht begründeten Rechten im Range vor. Unterlassen sie es jedoch, ihre Rechte nach neuem Recht drittwirksam zu machen, so bleibt das Recht zwar bestehen, doch haben die nach dem BEG begründeten Rechte Vorrang. Diese Regelung, die sich an Artikel 29 SchlT ZGB orientiert, schützt den Rechtsverkehr, ohne in die bestehenden altrechtlichen Rechte mehr als notwendig einzugreifen.

Art. 36

Referendum und Inkrafttreten

Abs. 1 Gestützt auf Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe a BV untersteht das BEG dem fakultativen Referendum.

Abs. 2 Das BEG und das HWpÜ sollten wenn möglich zeitgleich in Kraft gesetzt werden.

Die Rechtsänderung erfordert ausserdem Vorbereitungsarbeiten bei den Verwahrungsstellen, so insbesondere Anpassungen der Depotverträge und der anderen Dokumentationen. Der Bundesrat berücksichtigt dies bei der Bestimmung des Inkrafttretens.

2.1.10

Änderung bisherigen Rechts

Zivilgesetzbuch144 Art. 901 Abs. 3 (neu) Artikel 901 ZGB regelt die Voraussetzungen für die Verpfändung von Wertpapieren. Mit Artikel 901 Absatz 3 ZGB wird klargestellt, dass sich die Verpfändung von Bucheffekten ausschliesslich nach den Vorschriften des BEG (Art. 24 f.) richtet.

Damit ist für die Verpfändung von Bucheffekten kein schriftlicher Pfandvertrag im Sinne von Artikel 900 ZGB erforderlich. Ein solches Formerfordernis würde nicht nur den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs zuwiderlaufen, sondern stünde auch in Widerspruch zu Artikel 3 Absatz 1 der EU-Finanzsicherheitenrichtlinie.

144

SR 210

9386

Pfandbriefgesetz vom 25. Juni 1930145 Art. 7 Das Pfandbriefgesetz vom 25. Juni 1930 (PfG) stellt in den Artikeln 7 ff. Vorschriften über die Form und den Inhalt von Pfandbriefen auf. Zwar ist weder im Gesetz noch im geltenden Artikel 7 der Pfandbriefverordnung vom 23. Januar 1931 (PfV; SR 211.423.41) verbindlich festgeschrieben, dass Pfandbriefe zu verbriefen sind.

Den Vorschriften über die Übertragung von Pfandbriefen lässt sich jedoch entnehmen, dass der Gesetzgeber offensichtlich von verbrieften Wertpapieren ausgegangen ist. Auch Artikel 9, nach welchem die verantwortlichen Organe auf den Pfandbriefen zu bescheinigen haben, dass die gesetzliche Deckung vorhanden ist, setzt offenkundig voraus, dass die Pfandbriefe in Form von Wertpapieren oder Globalurkunden ausgegeben werden. Die Ausgabe als Wertrecht war damit nach bisheriger Auffassung ausgeschlossen. Der Erlass des BEG wird daher zum Anlass genommen, auch das PfG technologieneutral auszugestalten. Ebenfalls soll die Form des einfachen schriftlichen Darlehensvertrages zur Verfügung stehen.

Abs. 1 Pfandbriefe können sowohl in Form von Wertpapieren als auch als Globalurkunde oder als Wertrechte ausgegeben werden können. Sie sind entweder als Namenpfandbrief (d.h. als Ordrepapier) oder als Inhaberpapier auszugestalten. Die Bestimmung entspricht dem geltenden Artikel 7 Absatz 2 Satz 1 PfG. Grundsätzlich kann die Unterscheidung von Namen- und Inhaberpapieren auch für mediatisiert verwahrte Titel Sinn machen. Namenpapiere unterscheiden sich dabei von den Inhabertiteln dadurch, dass die materiell berechtigte Person in einem eigenen Register einzutragen ist (entsprechend dem Aktienbuch).

Abs. 2 Das Erfordernis der Wertpapiereigenschaft gemäss geltendem Artikel 7 Absatz 2 Satz 1 PfG lässt sich auf das Bedürfnis im Zeitpunkt der Gesetzesentstehung zurückführen, den Pfandbrief verkehrsfähig auszugestalten, um dessen Attraktivität zu fördern. Heute besteht jedoch namentlich bei grösseren Einzel-Investorinnen oder Einzel-Investoren ein Bedürfnis, die Ausgabe des Pfandbriefes zu vereinfachen und anstelle der Ausgabe eines Wertpapiers, einer Globalurkunde oder der Begründung eines Wertrechts lediglich einen einfachen schriftlichen Darlehensvertrag zwischen Pfandbriefzentrale und Gläubigerinnen oder Gläubigern ohne Wertpapierklausel abzuschliessen. Daher
werden die möglichen Formen für die Ausgabe eines Pfandbriefes um die Form des einfachen schriftlichen Darlehensvertrags ohne Wertpapierklausel erweitert. Dabei sind aber sämtliche Bestimmungen des PfG über den Pfandbrief (mit Ausnahme des revidierten Art. 7 Abs. 1 PfG) auch auf diese Pfandbriefform anwendbar. Auch die Bestimmungen über die Besicherung der Pfandbriefe, d.h. die gesetzliche Deckung im Sinne von Artikel 14 ff. PfG, sind dieselben wie bei den Pfandbriefformen nach dem revidierten Artikel 7 Absatz 1 PfG. Sie gelten sowohl für die Pfandbriefformen ohne Wertpapierklausel wie auch für diejenigen mit Wertpapierklausel, d.h. für alle vorgesehenen Formen von Pfandbriefen.

145

SR 211.423.4

9387

Abs. 3­5 Werden mediatisiert verwahrte Pfandbriefe auf den Namen ausgegeben, so hat die Pfandbriefzentrale ein Buch zu führen oder führen zu lassen, in das die Eigentümerinnen und Eigentümer sowie die Nutzniesserinnen und Nutzniesser der Pfandbriefe einzutragen sind. Die Regelung dieses Pfandbriefbuchs lehnt sich eng an Artikel 686 Absatz 1, 2 und 4 OR an, die das Aktienbuch regeln.

Art. 8 Der geltende Artikel 8 PfG umfasst Vorschriften über den Inhalt von Pfandbriefen.

Die Vorschriften sind sinnvollerweise auf Verordnungsstufe zu regeln. Die revidierte Bestimmung enthält die entsprechende Delegationsnorm.

Art. 9 Der geltende Artikel 9 PfG schreibt vor, dass die Deckung der Pfandbriefe bereits vor ihrer Ausgabe bestellt sein und diese Deckung auf dem (physisch vorhandenen) Pfandbrief bescheinigt werden muss. Diese gesetzliche Sicherheitsvorkehrung soll beibehalten werden und auch für die neue (nicht physische) Pfandbriefform des Wertrechts gelten. Die flexible Formulierung des revidierten Artikels 9 trägt dem Rechnung, indem die Bescheinigung der gesetzlichen Deckung nicht mehr zwingend auf dem Pfandbrief zu erfolgen hat.

Obligationenrecht146 Art. 470 Abs. 2bis (neu) Nach Artikel 15 Absatz 3 BEG wird eine Weisung zur Verfügung über Bucheffekten spätestens mit der Belastung durch die Verwahrungsstelle unwiderruflich. Demgegenüber tritt im bargeldlosen Zahlungsverkehr Unwiderruflichkeit nach geltendem Recht regelmässig erst mit Gutschrift auf dem Konto der Empfängerin oder des Empfängers ein.147 Die rechtliche Erfassung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs beruht im Wesentlichen auf dem Auftragsrecht und dem Institut der Anweisung (Art. 466 ff. OR).148 Dabei erteilt der Zahlende (Anweisender) seiner Bank (Angewiesene) die Ermächtigung (und den Auftrag), dem Zahlungsempfänger (Anweisungsempfänger) eine bestimmte Summe gutzuschreiben. Verfügen Zahlender und Zahlungsempfänger nicht über Konten bei derselben Bank, so dass eine weitere Bank eingeschaltet werden muss, liegt eine mehrgliedrige Überweisung (Kettenüberweisung) vor. Die ­ als einheitliches Rechtsgeschäft aufzufassende ­ mehrgliedrige Überweisung findet ihre Grundlage in selbständigen, auftragsrechtlichen Regeln folgenden Giroverträgen, in welchen sich die Banken verpflichten, für eine Kundin oder einen Kunden den bargeldlosen Zahlungsverkehr zu besorgen und dabei insbesondere Überweisungen auszuführen und entgegenzunehmen.149 Der Zahlungsempfänger erwirbt dabei ein direktes Forderungsrecht gegen die Angewiesene erst, wenn 146 147 148

SR 220 Vgl. statt vieler Hess, 102 f., 111; a.A. von der Crone, 36 ff.

Siehe BGE 121 III 310 ff., Erw. 3a, 124 III 253, Erw. 3a., sowie anstelle vieler Bettschart, 94 ff., 141 ff.

149 BGE 111 II 447 E. 1

9388

diese Annahme erklärt hat (Art. 468 Abs. 1 OR). Nach Artikel 470 Absatz 1 OR kann eine Anweisung grundsätzlich jederzeit widerrufen werden, es sei denn, die Angewiesene habe dem Anweisungsempfänger Annahme erklärt (Art. 470 Abs. 2 OR). Das Widerrufsrecht ist nach Lehre und Rechtsprechung zwingend; der Anweisende kann darauf nicht zum Voraus verzichten.150 Vor allem im mehrgliedrigen Zahlungsverkehr ist dieser späte Zeitpunkt der Unwiderruflichkeit unangemessen. Erfolgt eine Zahlung im Rahmen eines Wertpapiergeschäfts, so tritt Unwiderruflichkeit auf der Titelseite früher ein als auf der Geldseite (vgl. Art. 15 Abs. 3 BEG). Das ist unter dem Gesichtspunkt der Risikokontrolle und des Schutzes von Abwicklungssystemen nicht sinnvoll und widerspricht aufsichtsrechtlichen Vorgaben, welche bei Zahlungs- und Effektenabwicklungssystemen regelmässig die Gleichzeitigkeit von Lieferung und Zahlung (Delivery versus Payment, DvP) vorschreiben. Der heutige automatisierte Zahlungsverkehr erlaubt ein instruktionsmässiges Eingreifen nach Abbuchung ab dem Konto des Anweisenden überwiegend gar nicht mehr. Artikel 470 Absatz 2 OR ist deshalb im heutigen bargeldlosen Zahlungsverkehr ein Anachronismus. Auch rechtsvergleichend zeigt sich, dass die zahlungsverkehrsspezifischen Regeln älteren Datums den Widerruf so lange zulassen, als die beteiligten Finanzinstitute noch in den Ablauf eingreifen können. Die neueren Gesetze gehen demgegenüber vom Vorrang der Systemregeln aus. Die jüngsten Gesetze sowie moderne vertragliche Regelungen gehen von der Unwiderruflichkeit at the time of debit aus.151 Artikel 470 Absatz 2bis OR lässt deshalb für Anweisungen im bargeldlosen Zahlungsverkehr Unwiderruflichkeit eintreten, sobald der Überweisungsbetrag (bzw. im Falle von Zahlungen in Fremdwährungen dessen Gegenwert) durch die Angewiesene dem Konto des Zahlenden belastet worden ist. Als Belastung gilt jede Buchung auf der Passivseite des Kontos des Anweisenden, sofern dieser Buchung nach den Regeln des Buchungssystems oder dem Deckungsverhältnis eine gewisse Endgültigkeit zukommt oder sich in Form einer Willenserklärung der Angewiesenen manifestiert.152 Das ist in jedem Fall anzunehmen, wenn die Belastung mit einer Anweisung an die Bank des Zahlungsempfängers oder ein zwischengeschaltetes Institut verbunden ist; in diesem Fall ist die
angewiesene Bank in einer Weise tätig geworden, welche ein Widerrufsrecht ausschliesst. Auch bei einer Inhouse-Überweisung (Anweisender und Empfänger haben ihre Konten bei derselben Bank) tritt Unwiderruflichkeit mit der Belastung des Anweisenden ein.

Die vorgeschlagene Ergänzung von Artikel 470 OR ist in ihrem sachlichen Anwendungsbereich beschränkt auf Anweisungen im Rahmen des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Als bargeldloser Zahlungsverkehr wird die Übertragung von Buchgeld durch Belastung und Gutschrift auf Konten bezeichnet.153 Bargeldloser Zahlungsverkehr liegt dabei auch vor, wenn am Anfang der Überweisungskette eine Bargeldeinzahlung am Schalter steht, weil diese zunächst auf ein Sammelkonto verbucht wird.

150 151

BGE 127 III 557, 122 III 244 Vgl. auch Vorschlag für eine EU-Richtlinie über Zahlungsdienste im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2000/12/EG und 2002/65/EG vom 1.12.2005 (KOM(2005) 603 endgültig), Art. 65 i.V.m. Art. 54.

152 She. dazu den analogen Fall des Urkundencharakters von maschinenlesbar gespeicherten Daten in Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 in fine StGB sowie BGE 116 IV 334.

153 Dazu Botschaft über die Revision des Nationalbankgesetzes, BBl 2002 6185, sowie Boemle/Gsell, 151 f. (Stichwort «Bargeldloser Zahlungsverkehr»); Giovanoli, passim.

9389

Artikel 470 Absatz 2bis OR ist grundsätzlich als zwingende Regel ausgestaltet.

Vorbehalten bleiben abweichende Regeln von Zahlungssystemen, die sowohl einen früheren als auch einen späteren Eintritt der Unwiderruflichkeit vorsehen können.

Dabei ist insbesondere an das so genannte Lastschriftverfahren (LSV) zu denken, bei dem eine Belastung durch die Empfängerin oder den Empfänger ausgelöst, aber erst endgültig wird, wenn die oder der Zahlende nicht innerhalb bestimmter Frist Widerspruch einlegt. Die vorgeschlagene Neuregelung berührt dieses Widerspruchsrecht nicht. Aber auch bei offiziellen Zahlungssystemen wie beispielsweise dem Swiss Interbank Clearing (SIC) oder dem Kredit- und Debitkartensystem kann sich eine Abweichung von Artikel 470 Absatz 2bis OR aus funktionellen oder operationellen Gründen rechtfertigen. Weil hier die Entwicklungen in die Zukunft hinein offen sind, wären Präzisierungen des Begriffs «Zahlungssystem» im Gesetzeswortlaut selbst kaum sinnvoll. Zweifellos unter den Begriff des Zahlungssystems fällt hier aber jenes der Post.

Art. 622 Abs. 1 Artikel 622 Absatz 1 Satz 2 OR stellt klar, dass Aktien, die Bucheffekten sind, entweder als Inhaber- oder als Namenaktien ausgegeben werden können. Die aktienrechtliche Ausgestaltung soll durch das System der Verwahrung der Aktien nicht präjudiziert werden. Inhaber- und Namenaktien werden nicht nur wertpapierrechtlich unterschiedlich verurkundet (Inhaberaktie als Inhaberpapier, Namenaktie als Ordrepapier), sondern weisen auch unterschiedliche aktienrechtliche Wirkungen auf.

Diese Differenzierung soll beibehalten werden können.

Art. 627 Ziff. 14 (neu) Gemäss Artikel 7 Absatz 2 BEG können Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber von der Emittentin nur verlangen, Bucheffekten, die durch Hinterlegung einer Globalurkunde oder durch Eintragung von Wertrechten in ein Hauptregister entstehen, in Wertpapiere umzuwandeln, wenn dies die Ausgabebedingungen oder Gesellschaftsstatuten vorsehen. Dieses Recht gehört somit zum bedingt notwendigen Statuteninhalt, weshalb Artikel 627 mit einer neuen Ziffer 14 zu ergänzen ist. Die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber tragen die Kosten für die Ausstellung, es sei denn, dass die Ausgabebedingungen oder Gesellschaftsstatuten etwas anderes bestimmen (Art. 7 Abs. 2 Satz 2 BEG). Auch eine von Artikel 7 Absatz 2,
zweiter Satz, BEG abweichende Verteilung der bei der Ausstellung anfallenden Kosten muss daher in den Statuten geregelt werden.

Hat die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber einen Anspruch auf Ausstellung eines Wertpapiers oder sind Wertpapiere hinterlegt, so kann sie bzw. er sich diese nach Artikel 8 Absatz 1 BEG ausliefern lassen.

Art. 685f Abs. 1 Verfügungen über vinkulierte Namenaktien stehen nach Artikel 24 Absatz 4 BEG unter dem Vorbehalt der einschlägigen aktienrechtlichen Vorschriften. Für schweizerische Namenaktien gilt nach heutigem Recht, dass sich der Übergang der Rechtszuständigkeit nur beim börsenmässigen Erwerb kotierter vinkulierter Namenaktien ausschliesslich nach dem BEG richtet. Demgegenüber sind beim ausserbörslichen Erwerb von kotierten sowie beim Erwerb von nicht-kotierten vinkulierten Namenak9390

tien zusätzlich die Anforderungen der Artikel 685c (Zustimmung der Gesellschaft zur Übertragung) und 685f Absatz 1 Satz 2 OR (Einreichung eines Gesuchs durch Erwerber bei der Gesellschaft um Anerkennung als Aktionär) zu beachten.154 Während diese Regelung bei nicht-kotierten Namenaktien hingenommen werden kann, stellt der Vorbehalt der aktienrechtlichen Ordnung beim ausserbörslichen Erwerb von kotierten Titeln eine Gefährdung des Rechtsverkehrs dar. Zudem ist die geltende gesetzliche Ordnung denkbar unübersichtlich und insbesondere im internationalen Verhältnis nur schwer zu erklären. Der revidierte Artikel 685f Absatz 1 OR gibt die Unterscheidung von börsenmässigem und nicht-börsenmässigem Erwerb von kotierten vinkulierten Namenaktien daher auf und regelt den Erwerb einheitlich.

Das bedeutet, dass die Erwerberin oder der Erwerber kotierter Namenaktien bei beiden Arten von Erwerb mit Vollendung des wertpapierrechtlichen Übertragungsvorgangs Aktionärin bzw. Aktionär wird, und zwar unabhängig von einem Rechtsakt der Gesellschaft.155 Bis zur Anerkennung durch die Gesellschaft kann die Erwerberin oder der Erwerber aber zwar die vermögensrechtlichen Rechte, nicht jedoch das Stimmrecht ausüben (Art. 685f Abs. 2 OR).

Art. 973a (neu) Die Immobilisierung der Wertpapiere durch Sammelverwahrung bzw. durch Zusammenfassung in Globalurkunden oder die Entmaterialisierung der Wertpapiere ist zwar notwendige Voraussetzung eines Systems der mediatisierten Wertpapierverwahrung. Das BEG regelt aber nur Fragen der Mediatisierung und setzt dabei voraus, dass die umlaufenden Titel dem Rechtsverkehr durch Immobilisierung oder Entmaterialisierung entzogen werden.156 Sammelverwahrung, Globalurkunde und Wertrechte werden statt dessen in den neuen Artikeln 973a, 973b und 973c OR geregelt.

Zwar stellt insbesondere Artikel 973a Absatz 1 OR der Sache nach Hinterlegungsrecht dar, und Artikel 973a Absatz 2 und 3 sowie Artikel 973b OR sind sachenrechtliche Normen. Aber weil die Konzepte Sammelverwahrung, Globalurkunde und Wertrechte wesentliche Elemente des Wertpapierbegriffs modifizieren, rechtfertigt sich ihre Einfügung in den Allgemeinen Teil des Wertpapierrechts (Dreiunddreissigster Titel, Erster Abschnitt). Zudem fände Artikel 973c OR, der das Konzept der Wertrechte inhaltlich festlegt, weder im Hinterlegungs- noch im
Sachenrecht Platz.

Nicht in Betracht kommt die an sich nahe liegende Einordnung dieser Bestimmungen in das BEG. Einerseits ist der persönliche und sachliche Geltungsbereich der Artikel 973a ff. OR weiter als derjenige des BEG, da sie auch bei Verwahrung von Wertpapieren durch Nicht-Verwahrungsstellen Anwendung finden. Andererseits werden die nach den Artikeln 973a ff. OR bestehenden Rechte an sammelverwahrten Wertpapieren, Globalurkunden oder Wertrechten sowie die Voraussetzungen und rechtlichen Wirkungen ihrer Übertragung suspendiert, sobald die Titel durch Hinterlegung bei einer Verwahrungsstelle und Gutschrift im Effektenkonto in den Geltungsbereich des BEG gelangen. Deshalb dient es der Klarheit, wenn die Konzepte Sammelverwahrung, Globalurkunde und Wertrechte nicht im BEG geregelt werden.

154 155 156

Vgl. vorne Ziff. 2.1.6.1.

Forstmoster/Meier-Hayoz/Nobel, § 44 Rz. 216.

Vgl. dazu vorne Ziff. 2.1.1.1.

9391

Abs. 1 Nach Artikel 484 Absatz 1 OR ist die Vermengung von vertretbaren Gütern mit anderen derselben Gattung nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Hinterlegers zulässig, da sie von Gesetzes wegen zur Entstehung von Miteigentum führt und sich dessen Rechtsstellung damit verändert. Bei Wertpapieren ist die Sammelverwahrung indessen heute der Normalfall; zudem ist bei vertretbaren Wertpapieren das Interesse der Hinterlegerin oder des Hinterlegers an der Rückgabe eines spezifischen Titels in aller Regel nicht gegeben. Daher gilt die Vermutung, dass die Person, die vertretbare Wertpapiere hinterlegt, mit deren Sammelverwahrung einverstanden ist, weshalb die Aufbewahrerin oder der Aufbewahrer sich dazu nicht besonders ermächtigen lassen muss. Ist die Hinterlegerin oder der Hinterleger mit einer Sammelverwahrung nicht einverstanden, so muss sie bzw. er ausdrücklich die gesonderte Verwahrung seiner Wertpapiere verlangen.

Abs. 2 Die Vermengung von vertretbaren Wertpapieren gleicher Gattung (d.h. einer bestimmten Emission) durch Sammelverwahrung bewirkt von Gesetzes wegen die Entstehung von Miteigentum (Art. 727 Abs. 1 ZGB, Art. 484 Abs. 1 OR).157 An Stelle des Alleineigentums an seinen Wertpapieren tritt für den Hinterleger blosses Miteigentum nach Bruchteilen an den zum Sammelbestand gehörenden Wertpapieren gleicher Gattung. Dies bestätigt Absatz 2. Für die Bestimmung des Bruchteils ist der Nennwert, bei Wertpapieren ohne Nennwert (z.B. nennwertlosen Aktien) die Stückzahl massgebend.

Abs. 3 Die Lehre hat für die Sammelverwahrung von Wertpapieren die Rechtsfigur des modifizierten und labilen Miteigentums entwickelt158: Es ist modifiziert, weil im Gegensatz zum gewöhnlichen Miteigentum zwischen den Einliefernden nur theoretisch Rechtsbeziehungen bestehen und sich die Miteigentümerinnen und Miteigentümer nicht kennen; und als labil wird dieses Miteigentum bezeichnet, weil seine Teilung auf Begehren eines einzelnen Hinterlegers ohne Mitwirkung der übrigen Miteigentümerinnen und Miteigentümer erfolgen kann. Diese Sonderform des Miteigentums, welche insbesondere hinsichtlich der Teilung nicht vollständig dem Modell der Artikel 646 ff. ZGB entspricht, wird gesetzlich anerkannt. Die Einliefererin oder der Einlieferer hat jederzeit einen von der Mitwirkung oder Zustimmung der anderen Hinterlegerinnen und Hinterleger
unabhängigen Anspruch auf Herausgabe nicht der konkret eingelieferten Wertpapiere, sondern nur seines Bruchteils am Gesamtbestand.

Art. 973b (neu) Abs. 1 In einer Globalurkunde werden die Einzelrechte einer bestimmten Emission unter Wahrung ihrer Selbständigkeit in einem einzigen Papier verbrieft.159 Als Globalurkunde gilt auch die so genannte Sammelurkunde, bei der mehrere Einzelrechte, jedoch nicht die gesamte Emission in einem Papier verbrieft werden. Ferner erfasst 157 158 159

ZK-Haab Simonius/Scherrer/Zobl, Art. 727 ZGB Rz. 94b.

Vgl. dazu vorne Ziff. 1.2.2.

Vgl. dazu vorne Ziff. 1.2.3.

9392

Artikel 973b OR sowohl Globalurkunden auf Dauer, bei welchen die Hinterlegerin oder der Hinterleger kein Recht zur Ausfertigung einer Einzelurkunde hat160, als auch technische Globalurkunden, bei welchen der Hinterlegerin oder dem Hinterleger in den Emissionsbedingungen das Recht auf jederzeitige, spesenfreie Auslieferung bzw. Druck von Titeln oder Zertifikaten eingeräumt wird.161 Globalurkunden haben gegenüber Wertpapieren wesentliche Effizienzvorteile, und zwar sowohl beim Druck als auch bei der Verwahrung und Übertragung. Die Schuldnerin (Emittentin) hat daher das Recht, Globalurkunden auszugeben oder mehrere vertretbare Wertpapiere durch eine Globalurkunde zu ersetzen, sofern die Ausgabebedingungen oder Gesellschaftsstatuten diese Möglichkeit vorsehen oder, wenn dies nicht der Fall ist, die Hinterlegerinnen oder Hinterleger dazu ihre Zustimmung erteilt haben. Aus naheliegenden Gründen können Wertpapiere nur dann durch Globalurkunden ersetzt werden, wenn sie einer einzigen Aufbewahrerin oder einem einzigen Aufbewahrer anvertraut sind. Nicht besonders geregelt, aber ebenfalls ohne weiteres zulässig ist, dass die Emittentin eine Globalurkunde wieder durch separate Wertpapiere ersetzen lässt. Soweit diese Einzelurkunden nicht an die Hinterlegerinnen oder Hinterleger herausgegeben werden, bleiben sie bei der Verwahrungsstelle sammelverwahrt.

Abs. 2 Die Globalurkunde ist ein Wertpapier derselben Gattung wie die durch sie verkörperten Einzelrechte. Handelt es sich bei den Einzelrechten z.B. um Inhaberaktien, so ist die Globalurkunde ein Inhaberpapier; handelt es sich um Namenaktien, so ist sie ein Ordrepapier. Da mit der Globalurkunde noch ein Papier besteht, bleiben die wertpapierrechtlichen bzw. sachenrechtlichen Vorschriften grundsätzlich anwendbar.162 Somit haben die Hinterlegerinnen und Hinterleger an der Globalurkunde wie bei der gewöhnlichen Sammelverwahrung Miteigentum im Verhältnis der von ihnen gehaltenen Wertpapiere zum Gesamtbestand. Der einzige Unterschied besteht im Objekt des Miteigentums: Während die Hinterlegerin oder der Hinterleger bei der Sammelverwahrung an einer Vielzahl von Wertpapieren Miteigentum hat, bildet bei der Globalurkunde bloss diese als Einzelsache Miteigentumsgegenstand.163 Art. 973c (neu) Mit Artikel 2 Buchstabe a BEHG hat das Konzept der Wertrechte in der Schweiz
zwar gesetzliche Anerkennung gefunden, doch blieben die Konturen dieses Konzepts ebenso unscharf wie sein genauer Anwendungsbereich. Artikel 973c umreisst die Eckpunkte des rechtlichen Regimes, dem Wertrechte unterworfen sind.

Abs. 1 Ebenso wie die Emittentin mehrere Wertpapiere durch eine Globalurkunde ersetzen kann, hat sie auch die Möglichkeit, Wertpapiere oder Globalurkunden, die einem einzigen Aufbewahrer anvertraut sind, durch Wertrechte zu ersetzen. Daneben kann sie auch Wertrechte ausgeben. Voraussetzung ist wiederum, dass die Ausgabebedin-

160 161 162 163

Vgl. Art. 22 KR.

Zobl/Lambert, 117 ff., insbes. 128.

Meier-Hayoz/von der Crone, § 25 Rz. 26; Zobl/Lambert, 127.

Zobl/Lambert, 128.

9393

gungen oder Gesellschaftsstatuten dies vorsehen oder die Hinterlegerinnen oder Hinterleger dazu ihre Zustimmung erteilt haben.

Abs. 2 Wertrechte sind entmaterialisiert; ihnen fehlt das körperliche Element vollständig.

Anders als bei Wertpapieren ergibt sich daher die Zuordnung der Rechtszuständigkeit nicht aus dem Besitz der Urkunde, sondern vielmehr aus den Büchern des Schuldners. Die Schuldnerin oder der Schuldner ist daher verpflichtet, über die von ihm ausgegebenen Wertrechte ein Buch zu führen, in das die Anzahl und die Stückelung der ausgegebenen Wertrechte sowie die Gläubigerinnen und Gläubiger einzutragen sind. Als Buch gilt insbesondere auch die Buchhaltung der Schuldnerin oder des Schuldners, soweit sich daraus die geforderten Angaben ergeben. Das Buch ist nicht öffentlich.

Abs. 3 Ein Wertpapier öffentlichen Glaubens entsteht mit der Ausstellung der Urkunde sowie deren Begebung.164 Der Begebungsvertrag setzt die Übergabe der Urkunde voraus.165 Auch die Übertragung des Wertpapiers zu Eigentum oder zu einem beschränkten dinglichen Recht setzt in jedem Fall die Übertragung des Besitzes an der Urkunde voraus (Art. 967 Abs. 1 OR). Eine Besitzübertragung an Wertrechten ist ausgeschlossen. Deshalb bestimmt Absatz 3, dass Wertrechte mit Eintragung in das Buch entstehen und nach Massgabe dieser Eintragung bestehen. Der Bucheintrag tritt bei Wertrechten also sowohl bei der Begebung wie auch bei der Übertragung an die Stelle der Übertragung des Besitzes an der Urkunde.

Abs. 4 Während der Bucheintrag für die Entstehung von Wertrechten konstitutiv wirkt, erfolgt ihre rechtsgeschäftliche Übertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge nach zessionsrechtlichen Grundsätzen (Art. 164 ff. OR). Notwendig ist somit insbesondere eine schriftliche Abtretungserklärung (Art. 165 Abs. 1 OR). Die Verpfändung von Wertrechten erfolgt nach den Vorschriften über die Forderungsverpfändung (Art. 900 ZGB).

Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs166 Art. 287 Abs. 3 (neu) Sicherungsvereinbarungen zwischen Finanzintermediärinnen sehen häufig die Abrede vor, dass die Sicherungsgeberin zusätzliche Sicherheiten zu stellen hat, falls der Marktwert der ursprünglichen Sicherheit einen bestimmten Wert unterschreitet (sog. Aufstockungssicherheiten). Ferner wird der Sicherungsgeberin häufig das Recht eingeräumt, bestimmte Wertpapiere durch gleichwertige Wertpapiere zu ersetzen. So kann die Sicherungsgeberin weiter über die als Sicherheit gestellten Wertpapiere verfügen, ohne dass der Wert der Sicherheit geschmälert wird (sog.

164 165 166

Meier-Hayoz/von der Crone, § 3 Rz. 10 ff.

Meier-Hayoz/von der Crone, § 3 Rz. 23.

SR 281.1

9394

Substitutions- oder Ersatzsicherheit). Solche Abreden gelten als solide Marktpraxis, welche die Liquidität der Wertpapiermärkte verbessern und sich damit positiv auf die Stabilität der Finanzmärkte auswirken.

Werden Aufstockungs- oder Ersatzsicherheiten innerhalb der für die konkursrechtliche Anfechtung (Art. 285 ff. SchKG) massgebenden Verdachtsperioden gestellt, so besteht das Risiko, dass die Aufstockung bzw. die Substitution im Konkurs der Sicherungsgeberin durch deren Gläubigerinnen oder Gläubiger angefochten werden.

Daher wird klargestellt, dass die zum Voraus vereinbarte Aufstockung einer Sicherheit bei Änderungen im Wert der Sicherheit oder im Betrag der gesicherten Verbindlichkeit oder der Ersatz einer Sicherheit durch eine andere Sicherheit mit gleichem Wert keinen Anfechtungstatbestand im Sinne von Artikel 287 Absatz 1 Ziffer 1 SchKG darstellt, auch wenn die Aufstockung bzw. der Ersatz innerhalb der Verdachtsperiode von einem Jahr erfolgt. Aufstockungssicherheiten mit dem Ziel, bei Verschlechterung der Kreditwürdigkeit der Sicherungsgeberin die Situation der Sicherungsnehmerin zu Lasten anderer Gläubigerinnen oder Gläubiger zu korrigieren, sind hingegen weiterhin anfechtbar.

Die vorgeschlagene Ergänzung von Artikel 287 SchKG orientiert sich an Artikel 8 Absatz 3 der EU-Finanzsicherheitenrichtlinie. Artikel 287 Absatz 3 SchKG dürfte geltendem Recht entsprechen, doch ist die Rechtslage nicht transparent. Im Interesse der Rechtssicherheit sowie der Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz empfiehlt sich deshalb eine klare gesetzliche Regelung.

Bankengesetz vom 8. November 1934167 Art. 17 (aufgehoben) Artikel 17 BankG ist eine Sonderbestimmung für die Weiterverpfändung von Faustpfändern durch Banken, die die allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen (Art. 887 ZGB) zusätzlich einschränkt. Der mit Abstand wichtigste Anwendungsfall, die Weiterverpfändung von Bucheffekten, wird nunmehr abschliessend durch Artikel 17 BEG geregelt. Für Faustpfänder ist dem Schutzbedürfnis mit der in Artikel 887 ZGB enthaltenen Regelung Genüge getan. Damit wird die bankengesetzliche Sonderbestimmung, die im BankG ohnehin einen Fremdkörper bildete, obsolet; sie wird aufgehoben.

Art. 37d

Absonderung von Depotwerten

Die Regeln zur Absonderung in den Artikeln 17­19 BEG lehnen sich eng an das bestehende bankengesetzliche Absonderungsrecht in Artikel 37d BankG an, sind jedoch beschränkt auf Bucheffekten. Die Formulierung im BEG hat jedoch einen weit höheren Detaillierungsgrad und schafft mit der vorgesehenen Kaskade bis hinunter zur anteilsmässigen Verteilung und zum Ersatzanspruch im Falle des Unterbestandes im Vergleich zu Artikel 37d BankG weit grössere Klarheit und Rechtssicherheit. Der weitaus grösste Teil der heute von Artikel 37d BankG erfassten Depotwerte betrifft die Bucheffekten, deren Absonderung neu ausschliesslich im BEG geregelt wird. Zu den weiterhin bankenrechtlich abzusondernden Depotwerten, 167

SR 952.0

9395

denen eine wirtschaftliche Bedeutung zuzumessen ist, zählen insbesondere die sogenannten Treuhandanlagen der Banken sowie die Edelmetalldepots. Es macht aber keinen Sinn, dass in einem Bankenkonkursverfahren, dem praktisch ausschliesslich denkbaren Anwendungsfall der Absonderung nach BEG, zwei unterschiedliche Regelungen zum gleichen Thema in unterschiedlichen Gesetzen zur Anwendung gelangen. Die Absonderungsbestimmungen von BankG und BEG sind daher zu harmonisieren. Die detaillierte Regelung der Absonderung im BEG entspricht dabei der heutigen Auslegung von Artikel 37d BankG168 und kann auf alle weiterhin bankenrechtlich abzusondernden Depotwerte analog angewendet werden.

In Artikel 37d BankG wird daher für alle übrigen Depotwerte nach Artikel 16 BankG, die nicht bereits Bucheffekten sind, auf Artikel 17­19 BEG verwiesen.

2.2

Haager Wertpapierübereinkommen

2.2.1

Grundzüge der Vorlage

2.2.1.1

Ausgangslage

Das HWpÜ ist der bislang weitreichendste Versuch zur Vereinheitlichung des internationalen Privatrechts (IPR) im Bereich der mediatisiert verwahrten Wertpapiere. Anders als das BEG stellt das Übereinkommen also nicht materielle Rechtsvorschriften (sog. Sachrecht) auf. Vielmehr enthält es Regeln zur Bestimmung des materiellen Rechts, das bei grenzüberschreitenden Wertpapiergeschäften Anwendung finden soll (sog. Kollisionsrecht). Weil der Anteil der grenzüberschreitenden Rechtsverhältnisse bei mediatisiert verwahrten Wertpapieren besonders hoch ist, kommt dem Kollisionsrecht im vorliegenden Zusammenhang entscheidende Bedeutung zu. Zugleich ist die Rechtsunsicherheit hier besonders gross, denn die Mediatisierung der Wertpapierverwahrung hat dazu geführt, dass eine Bestimmung des anwendbaren Rechts aufgrund der herkömmlichen Lex-chartae-sitae-Regel häufig nicht mehr oder nicht mehr mit vertretbarem Aufwand möglich ist.169 Die Haager Konferenz für internationales Privatrecht (nachfolgend: Haager Konferenz) nahm die Arbeiten im Bereich des internationalen Wertpapierrechts im Mai 2000 auf und konnte das Übereinkommen bereits Ende 2002 an einer diplomatischen Konferenz verabschieden. Die Arbeiten wurden in einem für die Haager Konferenz neuartigen Dringlichkeitsverfahren vorangetrieben. Die Schweiz war an den Arbeiten von Beginn weg aktiv beteiligt. Die Schweizer Delegation bestand aus Experten aus Wissenschaft und Praxis, der Nationalbank sowie des Bundesamtes für Justiz (Delegationsleitung). Zusätzlich zu den Delegationen aus Amerika, Asien und Europa waren zahlreiche Interessengruppen der europäischen und US-amerikanischen Securities-Industrie als Beobachter anwesend. Die Europäische Zentralbank, die Europäische Kommission sowie der Europäische Rat waren ebenfalls vertreten.

Das HWpÜ regelt, welches Recht auf Wertpapiere und andere Finanzinstrumente, die intermediär gehalten werden (sog. mediatisiert verwahrte Wertpapiere170), zur Anwendung kommt. Das anwendbare Recht bestimmt sich primär nach einer 168 169 170

Vgl. Bodmer/Kleiner/Lutz, Art. 37d BankG Rz. 6 ff.

Vgl. vorne Ziff. 1.2.7.2.

Die deutsche Übersetzung des HWpÜ spricht von «Intermediär-verwahrten Wertpapieren». Sachlich ist damit nichts anderes gemeint als mit dem in der vorliegenden Botschaft verwendeten Begriff der «mediatisiert verwahrten Wertpapiere».

9396

Rechtswahl in der Kontovereinbarung zwischen der Depotinhaberin oder dem Depotinhaber und der massgeblichen Intermediärin, sofern dieser im betreffenden Staat eine Geschäftsstelle führt. Es besteht also Parteiautonomie, die durch den objektiv bestimmten Ort der Geschäftsstelle eingeschränkt wird. Die subjektive Hauptanknüpfung wird ergänzt durch eine Kaskade von subsidiären Anknüpfungen, welche dort zur Anwendung gelangen, wo die Parteien es unterlassen haben, das auf die Kontoführung anwendbare Recht zu bezeichnen, oder wenn die mit dem massgeblichen Intermediär verknüpften Gültigkeitsvoraussetzungen für eine Rechtswahl nicht erfüllt sind. Das HWpÜ stellt als erste subsidiäre objektive Anknüpfung auf das Recht des Staates ab, in dem der massgebliche Intermediär eine Geschäftsstelle führt, wenn sich aus der Kontovereinbarung klar ergibt, dass die Vereinbarung von dieser Geschäftsstelle abgeschlossen wurde. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, so gilt das Recht des Staates, nach welchem der massgebliche Intermediär gegründet wurde bzw. organisiert ist. Ist diese Voraussetzung auch nicht erfüllt, so gilt das Recht des Staates, in dem sich der Hauptgeschäftssitz des massgeblichen Intermediärs befindet.

2.2.1.2

Verträglichkeit des Haager Wertpapierübereinkommens mit dem System der schweizerischen Rechtsordnung

Nach dem HWpÜ wird jedes Glied in der Kette der Verwahrung für die Bestimmung des anwendbaren Rechts getrennt betrachtet. Dieser Ansatz hat zur Folge, dass auf einen einheitlichen Vorgang zwei oder mehr Rechtsordnungen zur Anwendung gelangen können. Das bereitet keine Schwierigkeiten, wenn die beteiligten Rechtsordnungen die Verwahrungskette in ihrem Sachrecht nachbilden und die Verfügung über mediatisiert verwahrte Wertpapiere als Rechtsgeschäft der Intermediärin gegenüber verstehen, wie das z.B. bei Artikel 8 UCC der Fall ist.171 Nach dem künftigen schweizerischen Recht ist die Gutschrift im Effektenkonto für die Entstehung von und die Verfügung über Bucheffekten konstitutiv. Massgeblich ist dabei die Gutschrift im Effektenkonto, das die Verwahrungsstelle führt, mit welcher die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber in einer direkten Beziehung steht (in der Terminologie des HWpÜ: der massgebliche Intermediär). Deshalb ist das System des BEG mit dem HWpÜ ohne weiteres vereinbar, auch wenn die Bucheffekte als direkte rechtliche Beziehung zwischen Anlegerin oder Anleger und Emittentin (Art. 3 BEG) verstanden wird.

2.2.1.3

Ratifikationsstand

Das HWpÜ tritt völkerrechtlich nach Ratifikation durch drei Staaten in Kraft (Art. 19 Abs. 1 des Übereinkommens). In den USA und in Kanada werden die Ratifikationsarbeiten vorangetrieben. Die Schweiz und die USA haben am 5. Juli 2006 das Übereinkommen gemeinsam unterzeichnet.

171

Vgl. ferner Einsele, 2349; Haubold, 656.

9397

2.2.1.4

Situation in der EU

Zur Zeit der Anhörungsverfahren hatte die EU die Absicht, das HWpÜ zu ratifizieren.172 Danach wurden Stimmen innerhalb der EU gegen die Ratifizierung des Übereinkommens laut.173 Die geäusserte Kritik war hauptsächlich auf eine befürchtete Inkompatibilität des Übereinkommens mit dem französischen und deutschen Wertpapierrecht zurückzuführen.174 Die EU-Kommission entschied deshalb, weitere Studien zur Wünschbarkeit einer Ratifikation des HWpÜ durch die Mitgliedstaaten durchzuführen.175 Heute befürwortet die Kommission indessen in ihrem Arbeitsdokument eine Ratifikation des Übereinkommens. Gleichzeitig schlägt sie lediglich vor, dass die Richtlinie über die Wirksamkeit von Abrechnungen insofern geändert werden soll, dass die Teilnehmer eines Abrechnungssystems jeweils ein einziges Recht wählen.

Weil die Haltung der EU gegenüber dem HWpÜ kritisch umgeschlagen hatte, waren im Übrigen neue Anhörungen mit den interessierten Kreisen geführt worden. Diese haben Folgendes ergeben: ­

Die Modernisierung des Kollisionsrechts für Wertpapiere ist aus Schweizer Sicht dringend.

­

Grundsätzlich besteht ein Interesse an einer Harmonisierung mit dem Kollisionsrecht der EU. Diese ist aber bis auf weiteres nicht möglich, weil einerseits die IPR-Bestimmungen der Finalitäts- und der Sicherheitsrichtlinie in einer Reihe von Punkten nicht klar sind und auch nicht einheitlich umgesetzt wurden und andererseits diese Richtlinien zurzeit revidiert werden.

Das HWpÜ sieht als Hauptregel die Parteiautonomie vor, auch wenn diese beschränkt ist. Es handelt sich primär um eine subjektive Anknüpfung. In der Praxis wird es sich um das in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Finanzintermediärinnen vorgesehene Recht handeln.

Nach dem HWpÜ wird jedes Glied in der Kette der Verwahrung für die Bestimmung des anwendbaren Rechts getrennt betrachtet. Mit dieser Lösung wird man den faktischen Abläufen bei der Übertragung mediatisiert verwahrter Wertpapiere gerecht. Damit werden besonders die Schwierigkeiten vermieden, die sich bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts nach traditionellem IPR dadurch ergeben, dass letztlich Anlegerinnen und Anleger sowie deren Intermediärinnen oft nicht wissen, wo sich die Wertpapiere bzw. bei Wertrechten das Hauptregister befinden, während umgekehrt z.B. die Zentralverwahrer in der Regel die Anlegerinnen und Anleger nicht kennen, für die sie die Wertpapiere via zwischengeschaltete Intermediärinnen halten.

Die EU-Richtlinien stellen auf das Konto oder das Register ab. Entsprechend ist zentral, wo das Konto bzw. das Register belegen ist. Die EU-Richtlinien geben zur Frage der Belegenheit keine Antwort. Die Belegenheit des Kontos ist jedoch kaum 172

Vgl. dazu Council Decision concerning the signing of the Hague Convention on the Law applicable to certain rights in respect of securities held with an intermediary, COM (2003) 783 final (15.12.3003).

173 Für eine Auseinandersetzung mit den innerhalb der EU gegen das HWpÜ vorgebrachten Argumente vgl. Deguée/Devos, 5 ff.

174 Vgl. für Deutschland Einsele, 2352 ff.; Haubold, 656 f.; für Frankreich Bloch/ de Vauplane, 25 ff.

175 Arbeitsdokument der Kommission über das HWpÜ SEC (2006)910.

9398

unabhängig von der Intermediärin zu bestimmen. Die Kontonummer, Bankleitzahlen oder ähnliche Bezeichnungen können zwar zur Identifizierung dieser Belegenheit dienen. Sie sind jedoch nur regional und/oder sektoriell normiert und bieten demzufolge keine universelle Lösung.176 Dies schliesst also nicht aus, dass im Ergebnis die von den EU-Richtlinien und dem HWpÜ vorgesehenen Anknüpfungen gleich ausgelegt werden. Der Hauptunterschied zwischen dem europäischen Recht und dem HWpÜ besteht indessen darin, dass dieses in unmissverständlicher Weise die kollisionsrechtliche Autonomie der Parteien statuiert.

Im Ergebnis ist die Regelung des HWpÜ klarer und flexibler als diejenige des EU-Rechts. Entsprechend erlaubt die Regelung des HWpÜ der in der Schweiz ansässigen Partei (z.B. einer Bank), im Bedarfsfall eine mit den bestehenden oder zukünftigen Regeln in der EU kompatible Lösung zu verhandeln.

2.2.1.5

Übernahme des Haager Wertpapierübereinkommens als autonomes Recht

2.2.1.5.1

Alternativen

Völkerrechtliche Verträge gehen den einschlägigen Bestimmungen des IPRG vor (Art. 1 Abs. 2 IPRG). Das HWpÜ schafft in seinem Bereich eine lückenlose Regelung des Kollisionsrechts, die keiner Einführungsgesetzgebung bedarf. Das HWpÜ tritt völkerrechtlich nach Ratifikation durch drei Staaten in Kraft (Art. 19 Abs. 1 des Übereinkommens). Bislang hat noch kein Staat das Übereinkommen ratifiziert.

Das vorliegende Projekt sieht die Einführung einer Bestimmung im IPRG vor, wonach für Rechte an Bucheffekten und deren Übertragung das HWpÜ gilt. Kraft dieser Bestimmung wird das HWpÜ bis zum völkerrechtlichen Inkrafttreten als autonomes schweizerisches Recht gelten; nach Inkrafttreten ist die Bestimmung nur noch ein deklaratorischer Hinweis auf geltendes Völkerrecht. Diese Lösung wurde aufgrund der Dringlichkeit, das IPR der mediatisierten Wertpapierwahrung zu modernisieren, gewählt.

Gegenüber der Schaffung einer bis zum Inkrafttreten des HWpÜ geltenden Übergangslösung hat dieses Konzept den Vorteil, dass der Gesetzgeber nur einmal angerufen werden muss. Ferner wäre die Erarbeitung der Übergangslösung mit erheblichem Aufwand verbunden und würde sich im Ergebnis doch weitgehend am HWpÜ orientieren. Die Erarbeitung einer dauerhaften autonomen Lösung wäre ebenfalls mit erheblichem Aufwand verbunden. Sie würde einen Verzicht auf die Ratifikation des HWpÜ sowie auf die Vorteile der sich daraus ergebenden internationalen Rechtsvereinheitlichung bedeuten. Im Übrigen erlaubt eine integrale Übernahme des HWpÜ den Praktikerinnen und Praktikern, sich bei der Anwendung des Übereinkommens an den Vorarbeiten der Haager Konferenz zu orientieren. Schliesslich garantiert das vorgeschlagene Vorgehen auch nach dem völkerrechtlichen Inkrafttreten des HWpÜ Kontinuität in der Auslegung des IPR der mediatisierten Wertpapierverwahrung.

176

Für eine Analyse der Möglichkeiten, um Konten zu lokalisieren, vgl.: Goode/Kanda/ Kreuzer, Int-41 ff.

9399

2.2.1.5.2

Einordnung in das IPRG

Wenn das HWpÜ für anwendbar erklärt bzw. ratifiziert wird, so stellt sich die Frage, wie sich die Kollisionsnormen des Übereinkommens ins schweizerische IPRG einordnen.

Das IPRG kennt keine besonderen Kollisionsregeln für die mediatisierte Wertpapierverwahrung. Solange das so ist, hängt die kollisionsrechtliche Einordnung einer Rechtsfrage aus diesem Bereich davon ab, ob sie sachen- oder schuldrechtlicher Natur ist.177 Ist also nach den Pflichten gefragt, die eine Kundin mit einem Auftrag an ihre Bank mit Bezug auf ihre Wertpapiere und Wertrechte bei der Bank auslöst, so handelt es sich aus schweizerischer Sicht um eine vertragsrechtliche Frage, die nach dem Vertragsstatut (Art. 116 ff. IPRG) zu beantworten ist. Diese Fragen werden sich auch nach Inkrafttreten des HWpÜ weiterhin nach dem IPRG richten (vgl.

Art. 2 Abs. 3 des Übereinkommens). Wird demgegenüber gefragt, ob ein Dritter Eigentumsrechte an einem Wertpapier geltend machen kann, so richtet sich die Frage nach noch geltendem Recht nach Artikel 100 IPRG. Macht jemand gegenüber der Besitzerin oder dem Besitzer eines mediatisierten Wertpapiers geltend, er habe ein Pfandrecht daran, so beurteilt sich diese Frage nach Artikel 105 IPRG (wobei dazu zunächst eine Qualifikation des geltend gemachten Rechts als Pfandrecht nötig ist, was bei ausländischen Instituten zu Problemen führen kann). Bei der Übertragung von Wertrechten zu Sicherungszwecken kommt ausserdem die Kollisionsnorm über die Abtretung (Art. 145 IPRG) zum Zuge.

Mit Bezug auf entmaterialisierte Wertpapiere und Wertrechte ist allerdings unklar, welche dieser Kollisionsnormen im Einzelfall überhaupt zur Anwendung gebracht werden sollen. Je nach angewendeter Kollisionsnorm sind die Ergebnisse unterschiedlich. Diese Situation beeinträchtigt die Rechtssicherheit bei Wertpapiertransaktionen, was der schweizerischen Finanzwirtschaft schaden könnte.178 Diese Problematik wird durch eine Übernahme des HWpÜ ins schweizerische Recht entschärft, weil die bisherigen Kollisionsnormen des IPRG innerhalb des Anwendungsbereichs des HWpÜ weitgehend verdrängt werden, sobald das Übereinkommen in der Schweiz anwendbar ist (allerdings mit einzelnen Ausnahmen wie namentlich der Frage der Rechtsnatur von Mitgliedschaftsrechten, die sich nach wie vor nach dem Gesellschaftsstatut richtet und vom HWpÜ nicht
erfasst wird).

Weil der Anwendungsbereich des HWpÜ eindeutig über vertragsrechtliche oder sonstige obligationenrechtliche Probleme hinausgeht, aber auch nicht nur sachenrechtliche Fragen betrifft und weil sogar innerhalb der einzelnen Rechtsgebiete verschiedene Kollisionsnormen des schweizerischen IPRG durch das HWpÜ verdrängt werden, erscheint es richtig, der Materie im IPRG eine Behandlung zukommen zu lassen, die dieser Qualifikation als Recht sui generis gerecht wird. Diese Einordnung wird der Qualifikation von Bucheffekten Rechnung tragen müssen, wie sie im BEG behandelt werden, nämlich als absolute Rechte, aber nicht ohne weiteres deckungsgleich sein, weil ausländische Institute wie etwa das securities entitlement nach Artikel 8 UCC vom schweizerischen Kollisionsrecht ebenfalls erfasst werden.

Dies ist am ehesten möglich durch die Schaffung eines eigenen Kapitels im IPRG.

Da keine rein obligationenrechtlichen Ansprüche betroffen sind, sondern vorwie177

Vgl. zum IPR der mediatisierten Wertpapiere aus schweizerischer Sicht Girsberger/ Guillaume,15 ff.; Zobl, 105 ff.; BK-Zobl, Syst. Teil Rz. 940 ff.

178 Vgl. dazu Girsberger/Guillaume, 40 f.

9400

gend Rechte und Pflichten mit Drittwirkung, ist eine Einordnung ratsam, welche den umfassenden Anwendungsbereich des HWpÜ dokumentiert, was am besten mit einer Platzierung unmittelbar nach dem Kapitel über das Sachenrecht (Kap. 7, Art. 97­108 IPRG) erreicht werden kann, und zwar als Kapitel 7a IPRG.

Da das HWpÜ verschiedene Normen des IPRG verdrängt, stellt sich die Frage, ob nicht bei denjenigen Normen, die davon vor allem betroffen sind, ein entsprechender Vorbehalt angebracht werden sollte. Das betrifft mehrheitlich die Bestimmungen betreffend das Pfandrecht (Art. 105 IPRG) und das Eigentum (Art. 100 IPRG). Da jedoch auch andere Kollisionsnormen durch das HWpÜ verdrängt werden ­ etwa Artikel 116 f. IPRG im Vertragsrecht, Artikel 155 IPRG im Gesellschaftsrecht (z.B.

bei Verfügungen über Dispoaktien im Sinne von 685c OR) und Artikel 145 IPRG betreffend Abtretung ­, wird auf einen solchen Vorbehalt verzichtet.179

2.2.2 Art. 1

Grundzüge des Haager Wertpapierübereinkommens Grundsatz

Gegenstand des HWpÜ ist die Bestimmung der auf Rechte an mediatisiert verwahrten Wertpapieren anwendbaren Rechtsordnung. Dabei geht es um Rechte einer Depotinhaberin oder eines Depotinhabers180, die sich aus einer Gutschrift von Wertpapieren auf einem Depotkonto ergeben (Art. 1 Abs. 1 Bst. f).

Die Definition des zentralen Systembegriffs des «Intermediär-verwahrten Wertpapiers» ist absichtlich weit gehalten. Als Wertpapiere gelten gemäss Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a Aktien, Schuldverschreibungen, andere Finanzinstrumente, Finanzanlagen und Rechte daran. Intermediär schliesslich ist jede Person, die im Rahmen einer geschäftlichen oder anderen regelmässigen Tätigkeit für eigene oder fremde Rechnung Depotkonten führt und in dieser Eigenschaft handelt (Art. 1 Abs. 1 Bst. c). Als Intermediäre gelten grundsätzlich auch die Zentralverwahrer (Art. 1 Abs. 4).

Das HWpÜ ist ausschliesslich auf Wertpapiere anzuwenden, die sich in einem System der mediatisierten Verwahrung befinden; Rechtsfragen, die direkt gehaltene Wertpapiere ausserhalb dieses Systems betreffen, fallen nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens.

Art. 2

Sachlicher Anwendungsbereich

Das HWpÜ regelt ­ vereinfacht gesagt ­ nur Rechte, die nach herkömmlicher Terminologie als dinglich oder sachenrechtlich qualifiziert werden. Nicht nach dem Übereinkommen bestimmt sich demgegenüber das anwendbare Recht, soweit rein schuldrechtliche Rechte und Pflichten zwischen Depotinhaberin oder Depotinhaber und Intermediär oder gegenüber der Emittentin in Frage stehen (Art. 2 Abs. 3 Bst. a und c). Auch die Rechtsordnung, die auf das Vertragsverhältnis zwischen den Par-

179 180

Vgl. Guillaume, 269.

Die deutsche Übersetzung des Übereinkommens verwendet den Begriff des Depotkontos, was im BEG als Effektenkonto bezeichnet wird. Sachlich besteht kein Unterschied. Gleiches gilt für die Begriffe Depotinhaber bzw. Kontoinhaber.

9401

teien einer Verfügung über mediatisiert verwahrte Wertpapiere Anwendung findet, ist nicht nach den Regeln des Übereinkommens festzustellen (Art. 2 Abs. 3 Bst. b).

Das Übereinkommen präzisiert den sachlichen Anwendungsbereich in Artikel 2 Absatz 1 mittels einer Positivliste. Diese führt sieben Regelungskomplexe auf, für welche sich die Bestimmung des anwendbaren Rechts nach dem Übereinkommen richtet. Im Einzelnen handelt es sich dabei um die folgenden Fragen: ­

Das Übereinkommen bestimmt das anwendbare Recht hinsichtlich der Rechtsnatur der Rechte, die sich aus einer Gutschrift von Wertpapieren auf einem Depotkonto ergeben. Einerseits gibt es Rechtsordnungen, wie etwa das geltende schweizerische Recht, in denen die Gutschrift im Depotkonto keine eigenständige Rechtswirkung hat. In moderneren Rechtsordnungen ist sie aber Teil des Verfügungsgeschäfts oder stellt das Verfügungsgeschäft schlechthin dar. Ferner findet das Übereinkommen Anwendung auf die Frage, welche Wirkungen diese Rechte gegenüber dem Intermediär und gegenüber Dritten entfalten (Art. 2 Abs. 1 Bst. a). Das nach den Artikeln 4 f.

anwendbare Recht legt also fest, ob es sich beim Anspruch einer Depotinhaberin oder eines Depotinhabers aus einer Gutschrift im Depotkonto allenfalls um ein dingliches Recht an einem Wertpapier, ein obligatorisches Recht gegen die Emittentin, einen obligatorischen Herausgabeanspruch gegen den Intermediär oder ein Recht sui generis (wie z.B. das securities entitlement nach Art. 8 UCC) handelt.

­

Das Übereinkommen sagt, welches Recht über die Rechtsnatur einer Verfügung entscheidet, die mediatisiert verwahrte Wertpapiere zum Gegenstand hat. Nach diesem Recht bestimmt sich auch die Wirkung einer solchen Verfügung gegenüber dem Intermediär und gegenüber Dritten (Art. 2 Abs. 1 Bst. b). Die nach den Artikeln 4 f. berufene Rechtsordnung regelt insbesondere die Voraussetzungen für die Begründung eines Rechts an mediatisiert verwahrten Wertpapieren, z.B. ob dazu ein gültiges Kausalgeschäft notwendig ist oder ob es sich um einen abgeleiteten oder einen originären Erwerb handelt. Liegt ein derivativer Erwerb vor, so bestimmt sich nach diesem Recht, ob der Erwerb von der Veräussererin bzw. dem Veräusserer oder einem Intermediär abgeleitet wird. Schliesslich ist unter Absatz 1 Buchstabe b auch der Erwerb vom Nichtberechtigten kraft guten Glaubens zu subsumieren.

­

Nach dem gemäss den Artikeln 4 f. bestimmten Recht beurteilen sich die Voraussetzungen für die Drittwirksamkeit von Verfügungen über mediatisiert verwahrte Wertpapiere (Art. 2 Abs. 1 Bst. c). Dieses Recht sagt also, ob dafür eine Buchung in einem Depotkonto, eine Besitzanweisung der verfügenden Person oder eine andere Handlung (z.B. Herstellung von control im Sinne von § 8­106 UCC) erforderlich ist. Das Übereinkommen verwendet hier den angelsächsischen Begriff der perfection. Das Common Law unterstellt die Begründung eines Sicherungsrechts inter partes (sog. attachment) anderen Voraussetzungen als die Schaffung der Wirkung dieses Sicherungsrechts gegenüber Dritten (sog. perfection). Nach dieser Rechtsordnung entscheidet sich auch die Rangfolge von mehreren drittwirksamen Rechten (Art. 2 Abs. 1 Bst. d). Dabei geht es sowohl um die Rangfolge zwischen mehreren durch ein solches Recht gesicherten Gläubigerinnen oder Gläubigern untereinander als auch um die Rangfolge zwischen diesen und anderen Gläubigerinnen und Gläubigern.

9402

­

Ebenfalls durch das nach den Artikeln 4 f. berufene Recht zu bestimmen ist, ob ein Drittansprecher gegenüber einem Intermediär Rechte an mediatisiert verwahrten Wertpapieren geltend machen kann (Art. 2 Abs. 1 Bst. e). Von dieser Regelung betroffen ist auch die Frage, ob ein so genanntes upper-tier attachment möglich ist.181

­

Das nach den Artikeln 4 f. berufene Recht entscheidet sodann, unter welchen Voraussetzungen ein mediatisiert verwahrtes Wertpapier verwertet werden kann (Art. 2 Abs. 1 Bst. f), und zwar insbesondere, ob und unter welchen Voraussetzungen die freihändige Verwertung möglich ist.

­

Schliesslich bestimmt das nach dem Übereinkommen anwendbare Recht auch, wie weit sich die Verfügung über ein Recht an einem mediatisiert verwahrten Wertpapier auf Früchte und Surrogate, inklusive Bargeld, bezieht (Art. 2 Abs. 1 Bst. g).

Nach Artikel 2 Absatz 2 bestimmt sich das anwendbare Recht selbst dann nach dem Übereinkommen, wenn die sich aus der Gutschrift im Depotkonto ergebenden Rechte vertraglicher Natur sind. Das Übereinkommen sagt deshalb auch, welches Recht auf Verfügungen über Wertrechte im Sinne von Artikel 2 Buchstabe a BEHG Anwendung findet, obwohl diese nach schweizerischer Auffassung reine Forderungsrechte sind.

Daran ändern die allgemeinen Bestimmungen von Artikel 2 Absatz 3 grundsätzlich nichts. Sie sind letztlich Ausdruck dessen, dass das Übereinkommen an sich für die Bestimmung von Rechten konzipiert ist, die in traditioneller Sichtweise sachenrechtlicher Natur waren oder sind. Sie sollen aber dessen Anwendung eben gerade nicht auf Rechte einschränken, die in der anwendbaren Rechtsordnung auch tatsächlich sachenrechtlich ausgestaltet sind.182 Im Gegenteil sind in klassischem Sinne «sachenrechtliche» Konzepte in modernen Rechtsordnungen nur beschränkt anzutreffen.

Art. 3 und 9

Internationalität und räumlicher Anwendungsbereich

Nach Artikel 3 findet das Übereinkommen auf sämtliche Sachverhalte Anwendung, die eine Verbindung zu mehreren Staaten aufweisen. Ein relevanter Auslandsbezug ist z.B. gegeben, wenn in einer Verwahrungskette ein Intermediär im Ausland domiziliert ist oder dort das massgebende Effektenkonto führt oder wenn diesem ein Wertpapier gutgeschrieben ist, das Rechte gegenüber einer ausländischen Emittentin verbrieft. Ein internationaler Sachverhalt wird ferner durch eine Rechtswahl nach Artikel 4 Absatz 1 begründet, unabhängig davon, ob das Erfordernis einer qualifizierten Geschäftsstelle erfüllt ist.

Das Übereinkommen bestimmt das anwendbare Recht in seinem Anwendungsbereich ohne Rücksicht darauf, ob das durch die Artikel 4 f. berufene Recht das Recht eines Mitgliedstaats ist (Art. 9). Es ist somit für den Ratifikationsstaat erga omnes geltende loi uniforme.

181 182

Dazu vorne Ziff. 2.1.5.2.

Vgl. Goode/Kanda/Kreuzer, 2­33.

9403

2.2.2.1

Bestimmung des anwendbaren Rechts

Kernelement des Übereinkommens sind die Kollisionsregeln in den Artikeln 4 und 5. Diese legen fest, welche Rechtsordnung zur Beurteilung der in Artikel 2 genannten Fragen berufen ist. Artikel 4 stellt eine Hauptanknüpfungsregel auf, die auf einer beschränkten Rechtswahl beruht. Artikel 5 bestimmt das anwendbare Recht nach objektiven Kriterien, sofern die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung von Artikel 4 nicht gegeben sind.

Art. 4

Hauptanknüpfung

Grundsatz Nach Artikel 4 Absatz 1 bestimmen sich Rechtsnatur, Begründung und Untergang von Rechten an mediatisiert verwahrten Wertpapieren nach dem von den Parteien (Depotinhaberin oder Depotinhaber und Intermediär) gewählten Recht. Weil der Anwendungsbereich des Übereinkommens sich auf Rechte erga omnes erstreckt, sind die Parteien in der Wahl des massgebenden Rechts nicht vollständig frei. Die Wirksamkeit der Rechtswahl unterliegt dem Erfordernis der qualifizierten Geschäftsstelle (Art. 4 Abs. 1 zweiter Satz). Danach muss der massgebliche Intermediär im Zeitpunkt des Abschlusses der Kontovereinbarung in dem darin bezeichneten Staat über eine Geschäftsstelle (vgl. Art. 1 Abs. 1 Bst. j) verfügen, welche die in Artikel 4 Absatz 1 genannten Bedingungen erfüllt. Diese Geschäftsstelle muss, für sich allein oder zusammen mit anderen Geschäftsstellen des massgeblichen Intermediärs oder anderer, für ihn handelnder Personen, entweder im Rahmen einer geschäftlichen oder anderen regelmässigen Tätigkeit Depotkonten führen (vgl. Art. 4 Abs. 1 Bst. a (i)­(iii)) oder sonst durch eine spezielle Kennung als eine Geschäftsstelle identifiziert sein, die im betroffenen Staat Depotkonten führt (Art. 4 Abs. 1 Bst. b).183 Es ist erforderlich, nicht aber ausreichend, dass der massgebliche Intermediär seinen Sitz oder eine Zweigniederlassung184 in dem von den Parteien gewählten Staat hat. Diese Geschäftsstelle muss darüber hinaus Artikel 4 Absatz 1 entsprechen. Sie muss demnach gewisse Tätigkeiten ausüben, oder diese Tätigkeiten müssen irgendwo von anderen Personen ausgeübt werden, beispielsweise von einer Zweigniederlassung oder einer Tochtergesellschaft des massgeblichen Intermediärs.

Eine Geschäftsstelle gilt auf jeden Fall nicht als qualifiziert, wenn sie nur eine eingeschränkte Tätigkeit ausübt, wie etwa die Verarbeitung elektronischer Daten oder das Betreiben eines Call-Centers (vgl. die Liste in Art. 4 Abs. 2). Das betreffende Konto muss keinen darüber hinausgehenden Zusammenhang mit der Geschäftsstelle aufweisen, deren Recht von den Parteien bestimmt wurde. Die Parteien einer Kontovereinbarung können also z.B. selbst dann schweizerisches Recht als anwendbar bezeichnen, wenn das Konto bei einer Geschäftsstelle im Ausland geführt wird.

183 184

Goode/Kanda/Kreuzer, 4­22 und 1­25.

Gemäss dem Begleitbericht stellt eine Tochtergesellschaft oder ein anderes Unternehmen des Konzerns des massgeblichen Intermediärs keine Geschäftsstelle des Betreffenden dar: Goode/Kanda/Kreuzer, 1­25.

9404

Bestimmung des massgeblichen Intermediärs Die Systeme für die mediatisierte Wertpapierverwahrung sind in der Regel mehrfach gestuft, sodass die Übertragung von Wertpapieren meist eine ganze Kette von Buchungen auf den verschiedenen Stufen der Verwahrungspyramide auslöst.185 Nach dem Übereinkommen ist das anwendbare Recht in einer solchen Verwahrungskette für jede Stufe grundsätzlich gesondert zu bestimmen.

Art. 5

Subsidiäre Anknüpfungen

Haben die Parteien der Kontovereinbarung keine nach Artikel 4 gültige Rechtswahl getroffen, so ist das Recht nach Artikel 5 festzustellen. Artikel 5 stellt eine Anknüpfungskaskade auf, welche auf verschiedene, vergleichsweise objektivierte Faktoren abstellt. In der Praxis wird Artikel 5 nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen.

Artikel 5 Absatz 1 verweist in erster Linie auf das Recht des Staates, in dem die Geschäftsstelle belegen ist, über welche die Kontovereinbarung abgeschlossen wurde. Die Kontovereinbarung muss schriftlich abgefasst sein und «ausdrücklich und unmissverständlich» erklären, dass der massgebliche Intermediär sie über gerade diese Geschäftsstelle geschlossen habe. Die Anwendbarkeit von Absatz 1 setzt ferner voraus, dass diese Geschäftsstelle den Anforderungen von Artikel 4 Absatz 1 Satz 2 genügt, also der Führung von Depotkonten dient oder damit zusammenhängende Dienstleistungen erbringt.

Findet sich in der Kontovereinbarung keine den Anforderungen von Absatz 1 genügende Erklärung, so bestimmt sich das anwendbare Recht gemäss Artikel 5 Absatz 2 nach dem Ort der Inkorporation des massgeblichen Intermediärs zur Zeit des Abschlusses des schriftlichen Kontovertrages oder ­ bei Fehlen eines schriftlichen Vertrags ­ zur Zeit der Kontoeröffnung. Lässt sich das anwendbare Recht auch so nicht bestimmen, etwa weil es an einer eigentlichen Inkorporation mangelt, so verweist Artikel 5 Absatz 3 in letzter Instanz auf das Recht am Ort des Hauptgeschäftssitzes des massgeblichen Intermediärs.

Art. 6

Negativliste der nicht zu berücksichtigenden Anknüpfungsfaktoren

Zur Klarstellung hält Artikel 6 eine Reihe von Kriterien fest, die nicht zur Anknüpfung herangezogen werden dürfen. Dazu zählen der Ort, an dem die Emittentin inkorporiert ist oder ihren Sitz bzw. Geschäftssitz hat, ferner der Ort, an dem sich Urkunden befinden, die Wertpapiere darstellen, schliesslich der Ort, an dem ein Aktionärsregister geführt wird, sowie der Ort jedes Intermediärs, der nicht der massgebliche Intermediär ist. Die Liste hat ausschliesslich deklaratorischen Charakter. Dass diese Kriterien bei der Anknüpfung keine Rolle spielen dürfen, ergibt sich an sich bereits durch Umkehrschluss aus den Artikeln 4 und 5.

Art. 7

Statutenwechsel

Die Parteien einer Kontovereinbarung haben grundsätzlich die Möglichkeit, jederzeit eine neue Rechtswahl zu treffen. Im Verhältnis zwischen den Parteien bewirkt die neue Rechtswahl ohne weiteres, dass sich die in Artikel 2 Absatz 1 umschriebe185

Vgl. vorne Ziff. 1.1.1.

9405

nen Rechte nach neuem Recht beurteilen; es kommt somit zu einem so genannten Statutenwechsel (Art. 7 Abs. 3). Demgegenüber müssen Dritte, die nicht zugestimmt haben, sich diesen Wechsel des anwendbaren Rechts nur eingeschränkt entgegenhalten lassen (Art. 7 Abs. 4 Ingress). Nach Artikel 7 Absatz 4 bleibt nämlich die Rechtsordnung, die gemäss der alten Kontovereinbarung anwendbar war, weiterhin massgebend für die folgenden Fragen: ­

Nach altem Recht beurteilen sich vor der Änderung der Rechtswahl begründete Rechte an mediatisiert verwahrten Wertpapieren sowie Verfügungen darüber, die vor der neuen Rechtswahl Dritten gegenüber wirksam geworden sind (Art. 7 Abs. 4 Bst. a).

­

Nach altem Recht beurteilen sich ferner Rechtsnatur und Wirkungen eines Rechts, das vor dem Wechsel der Rechtsordnung zur Entstehung gelangt ist, gegenüber des relevanten Intermediärs und gegenüber Parteien einer vor dem Wechsel der Rechtsordnung vorgenommenen Verfügung über diese Wertpapiere (Art. 7 Abs. 4 Bst. b i).

­

Nach altem Recht beurteilen sich Rechtsnatur und Wirkungen eines Rechts, das vor dem Wechsel der Rechtsordnung zur Entstehung gelangt ist, gegenüber einer Person, die diese Wertpapiere nach dem Wechsel der Rechtsordnung pfänden oder verarrestieren lässt (Art. 7 Abs. 4 Bst. b ii).

­

Nach altem Recht bestimmen sich schliesslich auch die dinglichen Ansprüche von Dritten in einem Insolvenzverfahren, auch wenn dieses nach einem Statutenwechsel eröffnet wird (Art. 7 Abs. 4 Bst. b iii).

­

Die Weitergeltung des alten Rechts findet dort ihre Grenze, wo Dritte nach der neuen Rechtsordnung Rechte an mediatisiert verwahrten Wertpapieren erwerben und diese mit Rechten kollidieren, die nach der früher geltenden Rechtsordnung erworben wurden.

Das Übereinkommen schützt die nach altem Recht erworbenen Ansprüche somit nicht in jedem Fall vor einem Verlust oder einer Beschränkung infolge eines Statutenwechsels. Diese im Ansatz nicht unproblematische Einschränkung bestehender Ansprüche wurde von der Haager Konferenz im Interesse des Schutzes des Rechtsverkehrs vorgenommen. Die nach neuem Recht erwerbenden Personen werden oft kaum die Möglichkeit zur Feststellung haben, ob früher eine andere Rechtsordnung anwendbar war und ob nach dieser Rechtsordnung dingliche Rechte begründet wurden. Eine Pfandnehmerin kann die Beeinträchtigung ihrer Rechte durch einen Statutenwechsel hingegen wirksam ausschliessen, indem sie die verpfändeten Titel auf ein eigenes Pfandkonto übertragen lässt. Oder sie kann mit dem Intermediär vereinbaren, dass diese es in Zukunft unterlässt, mit der Kontoinhaberin oder dem Kontoinhaber eine Änderung des anwendbaren Rechts zu vereinbaren. Selbstverständlich kann sie bzw. er sich schliesslich darum bemühen, dem unter altem Recht begründeten Anspruch an einem mediatisiert verwahrten Wertpapier Drittwirkung auch nach neuem Recht zu verschaffen, indem sie die nach neuem Recht notwendigen Schritte unternimmt.

Artikel 7 äussert sich nicht zur Frage, was geschieht, wenn sich die Voraussetzungen der subsidiären Anknüpfungstatbestände von Artikel 5 Absätze 2 und 3 ändern oder wenn die gemäss Artikel 4 Absatz 1 2. Satz erforderliche Geschäftsstelle nach einer gültigen Rechtswahl aufgehoben wird. Diese Tatbestände bewirken keinen Statutenwechsel, müssen doch sowohl die Voraussetzungen nach Artikel 4 Absatz 1 9406

2. Satz als auch Artikel 5 Absätze 2 und 3 nur zum Zeitpunkt des Abschlusses der Kontovereinbarung oder, wo eine solche fehlt, zum Zeitpunkt der Kontoeröffnung erfüllt sein. Der nachträgliche Wegfall einer Geschäftsstelle bleibt für eine einmal gültig getroffene Rechtswahl somit ohne Wirkung. Umgekehrt setzt ein Statutenwechsel nach Artikel 7 voraus, dass die objektiven Voraussetzungen von Artikel 4 Absatz 1 2. Satz zum Zeitpunkt des Abschlusses der neuen Rechtswahlklausel gegeben sind. Ist das nicht der Fall, so ist die neue Rechtswahlklausel ungültig, und die alte Rechtswahlklausel bzw. ­ bei Fehlen einer solchen ­ die Anknüpfung nach Artikel 5 Absatz 2 oder 3 bleibt bestehen.

Art. 8

Insolvenz

Artikel 8 des Übereinkommens regelt das Verhältnis zwischen dem durch das Übereinkommen berufenen Wertpapierstatut und dem anwendbaren Insolvenzrecht (lex fori concursus). Artikel 8 Absatz 1 stellt sicher, dass Rechte, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäss den Vorschriften der in den Artikeln 4 f. berufenen Rechtsordnung wirksam begründet wurden, im Insolvenzverfahren anerkannt werden. Die lex fori concursus darf also keine weitergehenden Voraussetzungen für die Entstehung solcher Rechte aufstellen oder deren Rangfolgeordnung unter Gläubigerinnen und Gläubigern ändern.

Nicht nach dem Übereinkommen, sondern nach der lex fori concursus bestimmt sich, welches das anwendbare Insolvenzrecht ist (Art. 8 Abs. 2). Dazu zählt Artikel 8 Absatz 2 auch die Rangordnung von Anspruchskategorien, die paulianische Anfechtung und die Frage der verfahrensrechtlichen Durchsetzbarkeit von Ansprüchen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Begriff der «Rangordnung von Anspruchskategorien» meint, dass sich die Priorität unter verschiedenen Sicherungsgläubigerinnen und Sicherungsgläubigern nach der in den Artikeln 4 f. berufenen Rechtsordnung beurteilt, die Rangordnung der Gläubigerinnen und Gläubiger der Sicherungsgeberin oder des Sicherungsgebers hingegen nach der lex fori concursus.

Art. 10

Ausschluss der Weiterverweisung

Artikel 10 stellt klar, dass die Artikel 4 f. auf das Sachrecht des betreffenden Staates verweisen und nicht auf das dort geltende IPR (sog. Sachnormverweisung).

Beschränkte Ausnahmen gelten für Mehrrechtsstaaten. Verweist das interlokale Kollisionsrecht eines Teilstaates auf das Recht eines anderen Teilstaates, so ist diese Weiterverweisung für die in Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe b und Absatz 3 genannten Fragen und unter den dort festgelegten Voraussetzungen zu beachten.

Art. 11

Ordre public und international zwingende Vorschriften

Wie andere Haager Konventionen sieht auch das Übereinkommen einen Vorbehalt des Ordre public vor. Die Anwendung des nach den Artikeln 4 f. berufenen Rechts kann allerdings nur bei einem offensichtlichen Verstoss gegen den Ordre public verweigert werden; zu berücksichtigen ist zudem nur der Ordre public des Staates des angerufenen Gerichts (Art. 11 Abs. 1). Damit soll der im Kapitalmarktrecht besonders wichtige Aspekt der Rechtssicherheit verstärkt werden. Berücksichtigt werden können ferner international zwingende Normen, allerdings ebenfalls nur jene des Forumstaates (Art. 11 Abs. 2). Artikel 11 Absatz 3 schliesst sodann den Vorbehalt sowohl des Ordre public als auch die Anwendung international zwingender 9407

Normen des Forumstaates aus, soweit Voraussetzungen der Drittwirkungen und die Rangfolgeordnung in Frage stehen.

Art. 15 und 16

Übergangsbestimmungen

Bei den Artikeln 15 und 16 handelt es sich um Übergangsbestimmungen, welche vorsehen, dass sich das HWpÜ auch auf Rechte oder Verfügungen bezieht, die vor dem Inkrafttreten des Übereinkommens entstanden sind. Diese Übergangsbestimmungen gehen von der Überlegung aus, dass die heute in vielen Staaten geltenden Kollisionsnormen nicht geeignet sind, das auf Verfügungen über mediatisiert verwahrte Wertpapiere anwendbare Recht verlässlich festzustellen.186 Demgegenüber schafft das Übereinkommen weitgehend Rechtssicherheit. Deshalb besteht ein Interesse daran, es nach seinem Inkrafttreten möglichst umfassend anwenden zu können.

Artikel 15 bestimmt deshalb, dass die nach den Artikeln 4 f. berufene Rechtsordnung darüber entscheidet, ob ein vor dem Inkrafttreten des Übereinkommens entstandenes Recht an mediatisiert verwahrten Wertpapieren durch ein nach Inkrafttreten des Übereinkommens entstandenes konkurrierendes Recht zum Erlöschen gebracht wird oder ihm gegenüber Vorrang hat.

Artikel 16 Absatz 1 stellt weiter klar, dass auch vor dem Inkrafttreten des Übereinkommens abgeschlossene Rechtswahlklauseln und Kontovereinbarungen zur Anknüpfung in den Artikeln 4 f. heranzuziehen sind. Ohne diese Erleichterung müssten bestehende Kontovereinbarungen im Hinblick auf das Inkrafttreten der Konvention durch die Parteien ergänzt werden.

Artikel 16 Absätze 3 und 4 sehen verschiedene Anwendungs- und Auslegungsregeln vor, die vom Bestreben getragen sind, die Anwendung von Artikel 4 Absatz 1 auf altrechtliche Kontovereinbarungen so weitgehend als möglich zu erleichtern (Art. 16 Abs. 2). Wurde eine Kontovereinbarung vor Inkrafttreten des Übereinkommens abgeschlossen, so unterscheidet Artikel 16 vier Konstellationen:

186

­

In der Kontovereinbarung wird im Rahmen einer Rechtswahlklausel ausdrücklich auf das Übereinkommen Bezug genommen. In diesem Fall bestimmt sich das anwendbare Recht direkt nach den Artikeln 4 f. (Art. 16 Abs. 2).

­

In der Kontovereinbarung findet sich eine ausdrückliche Bestimmung, welche zur Folge hat, dass ein bestimmtes Recht auf einzelne der in Artikel 2 Absatz 1 genannten Fragen Anwendung findet (z.B. eine Rechtswahl im Sinne von Art. 105 Abs. 1 IPRG, sofern die Parteien der Konto- und der Sicherungsvereinbarung identisch sind). Eine solche Klausel hat zur Folge, dass diese Rechtsordnung auf alle Fragen gemäss Artikel 2 Absatz 1 anwendbar ist (Art. 16 Abs. 3). Voraussetzung ist, dass der Intermediär bei Abschluss der Kontovereinbarung eine Geschäftsstelle in diesem Staat hatte.

­

In der Kontovereinbarung haben die Parteien vereinbart, dass das Depotkonto in einem bestimmten Staat geführt wird. In diesem Fall wird dessen Rechtsordnung herangezogen (Art. 16 Abs. 4). Zu beachten ist, dass die Vereinbarung über die Führung des Depotkontos in einem bestimmten Staat keine ausdrückliche sein muss, vielmehr kann sie sich aus der Gesamtheit Vgl. vorne Ziff. 1.2.7.2.

9408

der Vertragsbestimmungen oder aus den Begleitumständen ergeben. Diese Voraussetzung dürfte in der Praxis häufig erfüllt sein, weil Kontovereinbarungen regelmässig Korrespondenzadressen oder Bestimmungen über die für eine Kundenbeziehung zuständige Niederlassung enthalten. Voraussetzung ist wiederum, dass der Intermediär bei Abschluss der Kontovereinbarung eine Geschäftsstelle in diesem Staat hatte.

­

Findet sich in einer altrechtlichen Kontovereinbarung weder eine ausdrückliche Bezugnahme auf das Übereinkommen noch Indizien, welche auf den mutmasslichen Parteiwillen schliessen lassen, so bestimmt sich das anwendbare Recht direkt in Anwendung der Artikel 4 ff. Dabei steht die objektive Anknüpfung nach Artikel 5 ohne Frage im Vordergrund.

Nach Artikel 16 Absatz 2 und 3 besteht die Möglichkeit, hinsichtlich der Anwendbarkeit von Artikel 16 Erklärungen abzugeben. Die Abgabe solcher Erklärungen durch die Schweiz ist nicht geplant.

2.2.2.2

Schlussbestimmungen

Die Artikel 17­24 enthalten die in den Übereinkommen der Haager Konferenz üblichen Schlussbestimmungen. Neu ist Artikel 18, der Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration die Aufnahme als Vertragsstaat öffnet. Die Bestimmung wurde von der Europäischen Gemeinschaft angeregt, um der Gemeinschaft als solcher die Möglichkeit eines Beitritts zu eröffnen.

2.2.3

Kommentar zu den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen

2.2.3.1

Begriff der intermediärverwahrten Wertpapiere (neuer Art. 108a IPRG)

Das HWpÜ definiert den zentralen Systembegriff des «Intermediär-verwahrten Wertpapiers» (in Englisch: «securities held by an intermediary», in Französisch: «titres intermédiés»). Das IPRG spricht demgegenüber von «beweglichen Sachen», «Forderungen», «Wertpapieren» und «anderen Rechten» (vgl. Art. 100, 105 und 145 IPRG). Das BEG verwendet den Begriff der «Bucheffekten» und definiert ihn als vertretbare Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte gegenüber der Emittentin, welche einem Effektenkonto gutgeschrieben sind und über welche die Kontoinhaberin oder der Kontoinhaber nach den Vorschriften des Gesetzes verfügen kann. Die Bucheffekte ist der Verwahrungsstelle und jedem Dritten gegenüber wirksam (Art. 3 BEG).

Um klarzustellen, dass das neue Kapitel 7a des IPRG sich auf intermediärverwahrte Wertpapiere im Sinne des HWpÜ bezieht, muss sein Anwendungsbereich mit einem Hinweis auf dieses Übereinkommen präzisiert werden. Das HWpÜ ist in Bezug auf alle bei einem Intermediär verwahrten Titel anwendbar, ungeachtet der Qualifikation, welche die einzelnen Rechtsordnungen Rechten zukommen lassen, die sich aus der Eintragung von Titeln in ein Wertpapierkonto ergeben.187 Das Übereinkommen 187

Goode/Kanda/Kreuzer, Int-24.

9409

operiert dementsprechend mit einem autonomen Begriff des intermediärverwahrten Wertpapiers. Liegt ein solcher Titel vor, kommt das neue Kapitel 7a IPRG und damit, was das anwendbare Recht betrifft, auch das HWpÜ zur Anwendung. Die Aufnahme einer Definition mediatisiert verwahrter Wertpapiere im IPRG mit einer direkten Verweisung auf das HWpÜ erlaubt es, der Tatsache Rechnung zu tragen, dass der im internationalen Privatrecht verwendete Begriff der mediatisiert verwahrten Wertpapiere unabhängig und potenziell weiter gefasst ist als derjenige im schweizerischen materiellen Recht. Bucheffekten im Sinne des BEG sind also vom IPRG abgedeckt.

2.2.3.2

Auf intermediärverwahrte Wertpapiere anwendbares Recht (neuer Art. 108c IPRG)

Das HWpÜ ist self executing und damit Bestandteil des internen Rechts, ohne dass es des Erlasses von internationalprivatrechtlichen Bestimmungen im betroffenen Bereich bedarf. Es ist in seiner Eigenschaft als Rechtsvereinheitlichungsakt auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts erga omnes anwendbar (Art. 9 HWpÜ). Die Anpassung des IPRG an das HWpÜ kann daher mit einer einfachen Bestimmung bewerkstelligt werden, welche auf das HWpÜ verweist, soweit es um Fragen geht, die in seinen Anwendungsbereich fallen. Im vorliegenden Fall ist die Verweisung allerdings so lange konstitutiv, als das HWpÜ noch nicht in Kraft ist. Anders ausgedrückt, werden die Bestimmungen des Übereinkommens durch die Verweisung zu Bestimmungen des internen Rechts, welche das IPRG ergänzen. Erst mit dem Inkrafttreten des Übereinkommens wird die Wirkung der Verweisung rein deklaratorischer Natur sein (Art. 19 HWpÜ).

Der Anwendungsbereich des HWpÜ ist beschränkt auf die sachenrechtlichen Aspekte von Wertpapiertransaktionen. Sämtliche vertraglichen Aspekte solcher Transaktionen sind vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeschlossen (Art. 2 Abs. 3 HWpÜ). Für diejenigen Pflichten zwischen den Parteien einer Kontovereinbarung, die rein vertraglicher oder persönlicher Natur sind, wird das anwendbare Recht daher durch die Regeln des internationalen Privatrechts des Forumstaates bestimmt.188 Die vertraglichen Aspekte der Hinterlegung, Übertragung oder Verpfändung eines Wertpapiers unterstehen in der Mehrheit der Fälle dem von den Parteien gewählten Recht (Art. 116 IPRG). Dies ist in der Regel das in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der schweizerischen Finanzintermediäre bezeichnete Recht, welches im Allgemeinen das schweizerische ist. Die Parteien können sich dafür entscheiden, ihre vertraglichen Beziehungen demjenigen Recht, das die dinglichen Aspekte ihres Rechtsverhältnisses regelt, oder einem anderen Recht zu unterstellen. Artikel 4 HWpÜ schreibt in keiner Weise vor, dass die Parteien in ihrer Kontovereinbarung nur ein einziges Recht wählen können.189 In den eher seltenen Fällen, in denen die Parteien für ihre vertraglichen Beziehungen keine Rechtswahl getroffen haben (oder in denen die Rechtswahl ungültig oder für eine der Parteien unwirksam ist), gelangt das Recht desjenigen Staats zur Anwendung, mit dem das Vertragsverhältnis am engsten zusammenhängt (Art. 117 Abs. 1 IPRG). Für die Hinterlegung oder Über188 189

Goode/Kanda/Kreuzer, 2­33.

Goode/Kanda/Kreuzer, 2­33.

9410

tragung eines Wertpapiers ist dies grundsätzlich das Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung des Intermediärs befindet, während für die Verpfändung eines Wertpapiers die Niederlassung oder der gewöhnliche Aufenthalt des Verpfänders massgebend ist (Art. 117 Abs. 2 und 3 IPRG).

Das Bundesgericht hat bis jetzt die Frage noch nicht entschieden, ob ein Anleger als Konsument im Sinne von Artikel 120 IPRG qualifiziert werden kann. Falls dem so wäre, könnte der Anleger sich für die vertraglichen Aspekte seiner Beziehung zum Intermediär auf das Recht des Staates seines gewöhnlichen Aufenthalts berufen, selbst wenn die Kontovereinbarung eine anderslautende Rechtswahl enthielte. Eine solche Qualifikation dürfte hauptsächlich vom Umfang der vom Anleger getätigten Transaktionen abhängen, von welchem auf die Gewerbsmässigkeit seiner Tätigkeit geschlossen werden könnte. Da Artikel 120 IPRG für sachenrechtliche Fragen nicht anwendbar ist, kommt er für die sachenrechtlichen Aspekte des Rechtsverhältnisses zwischen Anleger und Intermediär von vornherein nicht in Betracht. Für diese bleibt das HWpÜ massgebend.

2.2.3.3

Zuständigkeitsregelung (neue Art. 108b und 108d IPRG)

Vom HWpÜ nicht geregelt ist die Frage der direkten und indirekten Zuständigkeit.

Hier gelten folglich die Regeln des internationalen Privatrechts des Forumstaates.

Hinsichtlich der direkten Zuständigkeit können die Parteien nach den Regeln des Artikels 5 IPRG in der ihrem Rechtsverhältnis zugrunde liegenden Vereinbarung einen Gerichtsstand wählen. In den seltenen Fällen, wo eine Gerichtsstandswahl ungültig oder für eine Partei unwirksam und damit ohne Wirkungen ist, gelangen die objektiven Anknüpfungsregeln des IPRG zur Anwendung.

Die Einfügung einer Spezialbestimmung zur Frage der Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte ist notwendig, um die gegebenen Unsicherheiten bezüglich der Qualifikation von intermediärverwahrten Wertpapieren zu beseitigen und um Gerichtsstände auszuschliessen, die mit dem Geist des HWpÜ in Widerspruch stünden (insbesondere einen allfälligen Gerichtsstand am Lageort des Wertpapiers).

Es drängen sich hier die Gerichtsstände des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts des Beklagten auf. Ebenso der Gerichtsstand der Niederlassung des Beklagten, für Klagen betreffend eine Verpflichtung aus dem Betrieb dieser Niederlassung. Dieser Gerichtsstand ist relevant für Transaktionen in Zusammenhang mit intermediärverwahrten Wertpapieren. Er ist gar der passendste, entspricht er doch genau dem Verhältnis zwischen dem Anleger und seinem direkten Intermediär.

Diese beiden Bestimmungen zur direkten Zuständigkeit befinden sich auch in Übereinstimmung mit den Regeln des Übereinkommens vom 16. September 1988 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (SR 0.275.11; Lugano-Übereinkommen), welches zur Anwendung gelangt, sobald der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Vertragsstaat hat (vgl. Art. 2 und 5 Ziff. 5 Lugano-Übereinkommen).

Ausländische Entscheidungen betreffend Ansprüche aus Handlungen in Zusammenhang mit intermediärverwahrten Wertpapieren sind in der Schweiz zu anerkennen, wenn sie von einem nach den für die direkte Zuständigkeit geltenden Kriterien zuständigen Gericht stammen.

9411

Eine ausländische Entscheidung ist insbesondere auch dann zu anerkennen, wenn die Parteien sich durch eine gültige Gerichtsstandsvereinbarung der Zuständigkeit des betreffenden Gerichts unterworfen haben. Die Massgeblichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung ergibt sich, wie schon bei der direkten Zuständigkeit, aus dem allgemeinen Teil des IPRG, in diesem Fall aus Artikel 26 Buchstabe b (bei der direkten Zuständigkeit wie gesagt aus Art. 5). Eine Sondernorm für Streitigkeiten in Zusammenhang mit intermediärverwahrten Wertpapieren ist nicht erforderlich.

Aus denselben Überlegungen wird im vorliegenden Entwurf der im Mobiliarsachenrecht geltende Artikel 108 Absatz 2 Buchstabe c des aktuellen IPRG gestrichen.

Auch in diesem Bereich ergibt sich die indirekte Zuständigkeit des vereinbarten Gerichts bereits aus Artikel 26 Buchstabe b IPRG, genauso wie die direkte Zuständigkeit des Letzteren allein aus Artikel 5 IPRG abgeleitet werden kann. Bei der direkten Zuständigkeit wird der vereinbarte Gerichtsstand nicht erwähnt. In den übrigen Bereichen des IPRG, in welchen es um vermögensrechtliche Streitigkeiten geht, findet sich denn auch weder bei der indirekten noch der direkten Zuständigkeit eine Bestimmung.

Vor allem erscheint die Streichung dieser Bestimmung im Rahmen des vorliegenden Entwurfs insofern angezeigt, als aus der ausdrücklichen Nennung des vereinbarten Gerichts in Zusammenhang mit dinglichen Rechten an beweglichen Sachen geschlossen werden könnte, dass der betreffende Gerichtsstand im Kapitel über intermediärverwahrte Wertpapiere bei Nichterwähnung keine Geltung hat, umso mehr, als Wertpapiere je nach Kontext wie bewegliche Sachen behandelt werden.

3

Auswirkungen

3.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Vorlage hat keine finanziellen und personellen Auswirkungen auf den Bundeshaushalt, da sie eine rein privatrechtliche Materie regelt.

3.2

Auswirkungen auf die Informatik

Die Vorlage hat keine Auswirkungen auf die Informatikstrategie des Bundes.

3.3

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

3.3.1

Bucheffektengesetz

Das BEG ist keine klassische Finanzmarktregulierung, sondern in erster Linie ein privatrechtlicher Erlass. Es schafft die zivilrechtlichen Rahmenbedingungen für das Vermögensverwaltungsgeschäft, das für die Schweiz von grösster wirtschaftlicher Bedeutung ist. Das Gesetz wird auf Vermögenswerte Anwendung finden, welche ein Mehrfaches des schweizerischen Bruttoinlandprodukts ausmachen.190

190

Vgl. Ziff. 1.1.1.

9412

Zur Abschätzung der volkswirtschaftlichen Auswirkungen ist zunächst davon auszugehen, dass während der ganzen Gesetzgebungsarbeiten die Idee wegleitend war, in bewährte Praktiken und Systeme nur dann einzugreifen, wenn dies zwingend notwendig ist.191 Damit werden unnötige Kosten vermieden, denn die Systeme für die Verwahrung von Wertpapieren bestehen zu einem grossen Teil aus komplexen IT-Einrichtungen. Eingriffe in diese Systeme können rasch bedeutsame Kostenfolgen nach sich ziehen.

Die Vorlage bringt darüber hinaus durch die klare und transparente Regelung der Wertpapierverwahrung und -verwaltung Rechtssicherheit. Dadurch können Transaktionskosten, beispielsweise für Rechtsgutachten, vermieden und rechtliche Risiken minimiert werden. Schliesslich wird durch den Entwurf auch die Durchführung von Geschäften ermöglicht, die heute aus institutionellen oder rechtlichen Gründen nicht oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand betrieben werden können.

3.3.2

Haager Wertpapierübereinkommen

Die Ratifikation des HWpÜ trägt zur Schaffung eines modernen und sicheren Finanzplatzes bei. Das unter Mitwirkung der Schweiz erarbeitete Übereinkommen ist das bedeutendste Projekt zur Vereinheitlichung des internationalen Privatrechts im Bereich der mediatisiert verwahrten Wertpapiere. Es enthält Regeln, die es ermöglichen, das bei grenzüberschreitenden Wertpapiergeschäften anzuwendende Recht zu bestimmen. Diesem so genannten Kollisionsrecht kommt entscheidende Bedeutung zu, weil der Anteil der grenzüberschreitenden Wertpapiergeschäfte besonders hoch ist und gleichzeitig grosse Rechtsunsicherheit herrscht. Das HWpÜ schafft hier Klarheit. Es lässt eine begrenzte Rechtswahl durch die Parteien zu und gewährleistet eine einheitliche Rechtsanwendung.

Die Ratifikation des HWpÜ bringt durch die klare und damit transparente Regelung der internationalen Wertpapierverwahrung und -verwaltung Rechtssicherheit. Die Vorlage liegt so betrachtet auf der Linie der aktuellen Bestrebungen zur Stärkung des Finanzplatzes Schweiz und zur Steigerung des Wirtschaftswachstums.

3.4

Legislaturplanung

Die Vorlage ist im Bericht des Bundesrates vom 25. Februar 2004 über die Legislaturplanung 2003­2007 angekündigt (BBl 2004 1149, Beilage 1, Ziff. 1.2).

3.5

Verhältnis zum europäischen Recht

Die Vorlage ist so ausgestaltet, dass sie internationalen und insbesondere europäischen Mindeststandards entspricht.

191

Vgl. Bericht der technischen Arbeitsgruppe (dazu vorne Ziff. 1.4.1), Ziff. 1.4.3.2.

9413

3.6

Rechtliche Grundlagen

3.6.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 98 Absatz 1 und Artikel 122 Absatz 1 BV.

Weil die Vorlage die Rechtsstellung der Anlegerin oder des Anlegers nicht mehr als (Mit)eigentumsrecht, sondern als Recht sui generis umschreibt192, stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie nach Artikel 26 BV. Die Bestimmung schützt das Eigentum als fundamentales Institut der schweizerischen Rechtsordnung (Institutsgarantie).193 Dem Gesetzgeber steht es zwar grundsätzlich frei, wie er den konkreten Inhalt und Umfang des Eigentums festlegt. Es ist ihm jedoch untersagt, Regeln aufzustellen, die das Privateigentum beseitigen, aushöhlen oder seines Wesenskerns entleeren. Insbesondere hat er die wesentlichen aus dem Eigentum fliessenden Verfügungs- und Nutzungsrechte zu erhalten.194 Zudem hat der Gesetzgeber bei Ausgestaltung des Eigentums die Voraussetzungen für die Beschränkung der Grundrechte gemäss Artikel 36 BV zu beachten.195 Das Konzept der Bucheffekte, das den Kern des vorliegenden Entwurfs bildet, bringt einzig Beschränkungen von Anlegerrechten, die sich aus der Natur der Sache ergeben. Wer Wertpapiere bei einer Verwahrungsstelle verwahren lässt, ist notwendigerweise auf deren Mitwirkung angewiesen, wenn er das Wertpapier übertragen oder Rechte daraus geltend machen will. Diese Beschränkungen bestehen denn auch in gleicher oder ähnlicher Weise im geltenden Recht. Anders als im geltenden Recht regelt das BEG die Rechtsverhältnisse in den Verwahrungsketten jedoch klar und übersichtlich und schützt zudem die Anlegerin oder den Anleger effektiver gegen die mit der mediatisierten Wertpapierverwahrung verbundenen Risiken (vgl. insbesondere Art. 19 Abs. 1 BEG). Schliesslich lässt der Entwurf Anlegerinnen und Anlegern sowie Emittentinnen die Möglichkeit offen, ihre Wertpapiere in nichtmediatisierter Form zu verwahren; in diesem Fall findet das BEG keine Anwendung.196 Im Ergebnis steht deshalb ausser Frage, dass der Entwurf die dem Bundsgesetzgeber durch die Eigentumsgarantie gesetzten Schranken einhält.

3.6.2

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Eine Delegationsregelung enthält Artikel 8 PfG (vgl. vorne Ziff. 2.1.10).

192 193

Vgl. vorne Ziff. 2.1.1.1.

Vgl. die Botschaft des Bundesrates vom 20. November 1996 über eine neue Bundesverfassung, BBl 1997 I 172 ff.

194 Vgl. dazu statt vieler BGE 99 Ia 37; 03 Ia 418 f.; 105 Ia 336; 113 Ia 126; Müller, St. Galler Kommentar zu Art. 22ter BV, Rz. 1,, 12 ff.; Vallender, St. Galler Kommentar zu Art. 26 BV, Rz. 12 f., 29 f.

195 Vgl. Müller, St. Galler Kommentar zu Art. 22ter BV, Rz. 22 ff.; Vallender, St. Galler Kommentar zu Art. 26 BV, Rz. 35 ff.

196 Vgl. Art. 2 Abs. 1 und 8 BEG.

9414

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