06.043 Botschaft über ein Protokoll zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Republik Österreich vom 24. Mai 2006

Sehr geehrte Herren Präsidenten Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit dem Antrag auf Zustimmung den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung des am 21. März 2006 unterzeichneten Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

24. Mai 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2005-3003

5155

Übersicht Mit der Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens mit Österreich durch das vorliegende Protokoll werden Grenzgänger nicht mehr gesondert besteuert, sondern unterliegen generell im Arbeitsortsstaat der vollen Quellensteuer. Das revidierte Abkommen bringt ausserdem eine Senkung der Quellensteuer bei Lizenzgebühren von 5 auf 0 Prozent, einen Aufschub der Besteuerung von nicht realisierten Kapitalgewinnen beim Wegzug aus Österreich, eine Klarstellung bei der Besteuerung von Künstlern, eine erweiterte Amtshilfe bei Steuerbetrug und im Zusammenhang mit Holdinggesellschaften sowie eine begrenzte Vollstreckungshilfe für Steuern auf Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit in der Schweiz.

5156

Botschaft 1

Grundzüge des Protokolls

1.1

Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Die geltende Grenzgängerregelung im schweizerisch-österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen vom 30. Januar 1974 (AS 1974 2105, nachfolgend als Abkommen bezeichnet) sieht vor, dass Grenzgänger am Ort ihrer Ansässigkeit besteuert werden können. Der Arbeitsortsstaat kann auf solchen Löhnen eine Steuer von 3 Prozent erheben, die im Ansässigkeitsstaat angerechnet wird. Als Grenzgänger im Sinne des Abkommens gelten Personen, die in der Regel täglich von ihrem grenznahen Arbeitsort an ihren ebenfalls in der Nähe der Grenze liegenden Wohnort zurückkehren. Entfällt die Grenzgängereigenschaft, so können die Löhne nur im Arbeitsortsstaat besteuert werden und der Ansässigkeitsstaat muss eine Befreiung gewähren. Keine besondere Regelung für Grenzgänger besteht demgegenüber bei Erwerbseinkünften von Angestellten im öffentlichen Dienst. Solche Löhne können in beiden Staaten besteuert werden, wobei Österreich die Doppelbesteuerung durch Anrechnung der schweizerischen Steuer beseitigt. Im Dezember 2004 waren rund 7 000 österreichische Grenzgänger in der Schweiz tätig, während umgekehrt nur gut hundert schweizerische Grenzgänger in Österreich arbeiteten.

Im Herbst 2003 stellte die österreichische Regierung das Begehren, Verhandlungen über eine Neuregelung der Grenzgängerbesteuerung aufzunehmen. Anlass des Revisionsbegehrens gab die durch das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU (SR 0.142.112.681) veränderte Situation. Im Unterschied zur Regelung im Abkommen gelten nach dem Freizügigkeitsabkommen, das seit dem 1. Juni 2002 Anwendung findet, nämlich auch solche Personen als Grenzgänger, die nur einmal pro Woche an ihren Wohnort zurückkehren (sog. Wochenaufenthalter). Von österreichischer Seite wurde nun geltend gemacht, die im Abkommen festgelegte Grenzgängerbesteuerung würde von österreichischen Grenzgängern aufgrund des Freizügigkeitsabkommens in grösserem Stil dadurch umgangen, dass sie eine zweite Ansässigkeit in der Schweiz begründen, um damit die nicht tägliche Rückkehr glaubhaft zu machen und die Befreiung von der in der Regel höheren österreichischen Besteuerung zu erwirken. Es seien in diesem Zusammenhang Fälle bekannt geworden, in denen versucht worden sei, diese Zweitunterkunft mittels Gefälligkeitsbescheinigungen von in der Schweiz lebenden Bekannten nachzuweisen. Mit einer Neuregelung
der Grenzgängerbesteuerung soll solchen durch das Freizügigkeitsabkommen möglich gewordenen Gestaltungsmöglichkeiten entgegengetreten werden.

Von österreichischer Seite wurde zudem vorgetragen, dass sich mangels einer Vollstreckungshilfe für Steuerforderungen Probleme ergäben. Nicht wenige österreichische Grenzgänger, die über genügend Mittel verfügen, um ihre Steuern zu zahlen, sollen sich der Besteuerung in Österreich bewusst dadurch entziehen, dass sie gegenüber den Steuerbehörden kein Vermögens- und Einkommenssubstrat ausweisen. Da sie kein österreichisches Erwerbseinkommen erzielen, könne auch nicht ­ wie dies bei Personen mit österreichischem Arbeitgeber möglich ist ­ auf den Lohn zugegriffen werden. Auch Ehegatten von Grenzgängern könnten sich auf diese Art vor einer Besteuerung schützen. Verheiratete werden in Österreich nach dem System 5157

der Individualbesteuerung veranlagt. Danach wird nicht das Haushaltseinkommen der Einkommensteuer unterworfen, sondern das Einkommen der einzelnen Person veranlagt. Aus diesem Grunde und weil das österreichische Recht keine gegenseitige Haftung vorsieht, besteht in solchen Fällen keine Zugriffsmöglichkeit auf das Einkommen und Vermögen des allenfalls in Österreich erwerbstätigen bzw. über Vermögen oder Vermögensertrag verfügenden Ehegatten. Um solchen Machenschaften entgegenzutreten, verlangt die österreichische Seite eine neue Bestimmung, die es ihr ermöglicht, Steueransprüche gegen in Österreich ansässige Personen, die in der Schweiz eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausüben, aus ihren in der Schweiz erzielten Löhnen zu befriedigen.

In den Gesprächen vom 19./20. Februar 2004 signalisierte die Schweiz Bereitschaft, dem österreichischen Anliegen Rechnung zu tragen. Dabei machte sie von Anfang an klar, dass eine allfällige Aufhebung des steuerlichen Grenzgängerbegriffs im Abkommen durch ein umfassenderes Besteuerungsrecht des Arbeitsortsstaates auszugleichen wäre.

In der letzten Verhandlungsrunde vom 28. April 2005 einigten sich beide Seiten darauf, den Begriff des Grenzgängers aufzuheben und dem Arbeitsortsstaat für Vergütungen aus unselbständiger Arbeit im Sinne von Artikel 15 Absatz 1 das volle Besteuerungsrecht zuzuweisen. Wegen der sich aus dem Systemwechsel für Österreich ergebenden Mindereinnahmen leistet die Schweiz einen Fiskalausgleich in der Höhe von 12,5 Prozent ihres Steueraufkommens aus den Vergütungen für unselbständige Arbeit von in Österreich ansässigen Personen. Bei der Vollstreckungshilfe erklärte sich die Schweiz bereit, dem österreichischen Anliegen Rechnung zu tragen, wobei der Anwendungsbereich auf missbräuchliche Gestaltungen bei Vergütungen aus unselbständiger Arbeit beschränkt wird. Als weitere Neuerungen zu erwähnen sind der Nullsatz bei Lizenzzahlungen, eine Regelung zur Vermeidung von Härten bei der österreichischen Wegzugsbesteuerung, eine Ergänzung der Bestimmung über die Besteuerung von Künstlern und eine neue Amtshilfeklausel.

Die Kantone und die am Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen interessierten Kreise haben der Neuregelung zugestimmt. Die Bestimmung über eine begrenzte Vollstreckungshilfe wurde vereinzelt mit Skepsis aufgenommen.

1.2

Würdigung

Das vorliegende Protokoll bringt gegenüber der heutigen Regelung eine deutliche Besserstellung des Arbeitsortsstaates und trägt auch in den übrigen Punkten den in den Verhandlungen vorgebrachten schweizerischen Wünschen Rechnung.

5158

2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln des Protokolls

Art. I Entsprechend der von der Schweiz mit Industriestaaten verfolgten Abkommenspolitik wurde die Quellensteuer bei Lizenzgebühren von 5 auf 0 Prozent herabgesetzt.

Der Begriff der Lizenzgebühren wurde demjenigen des OECD-Musterabkommens angepasst. Zahlungen für Leasing fallen demnach nicht mehr unter den Begriff der Lizenzgebühren.

Art. II Nach österreichischem Recht werden Gewinne aus der Veräusserung einer mindestens 1-prozentigen Beteiligung an einer Körperschaft grundsätzlich auch dann besteuert, wenn eine tatsächliche Veräusserung zwar nicht stattgefunden hat, die steuerpflichtige Person aber Massnahmen getroffen hat, die im Verhältnis zu anderen Staaten zum Verlust des österreichischen Besteuerungsrechts führen. In diesem Fall sind die in den Anteilen enthaltenen, nicht realisierten Gewinne unabhängig von einem Zufluss zu versteuern. Um sicherzustellen, dass die Wegzugsbesteuerung nicht ausschliesslich aufgrund des Ansässigkeitswechsels in die Schweiz erfolgt, wurde in Artikel 13 Absatz 4 des Abkommens eine entsprechende Regelung getroffen.

Art. III Die in Artikel 15 Absatz 4 des Abkommens enthaltene Sonderbestimmung für Grenzgänger wird aufgehoben. Damit kommt das Besteuerungsrecht für Löhne grundsätzlich dem Arbeitsortsstaat zu. Die Frage, wie der Ansässigkeitsstaat die Doppelbesteuerung vermeidet, ist in Artikel V des Protokolls geregelt.

Art. IV Nach Artikel 17 des Abkommens kommt das Besteuerungsrecht für Einkünfte von Künstlern und Sportlern dem Auftrittsstaat zu. Dieser Staat kann die Einkünfte auch dann besteuern, wenn sie nicht den Künstlern und Sportlern selbst, sondern einer anderen Person, z.B. einer Gesellschaft, zufliessen. Dies gilt nach der Bestimmung von Absatz 2 allerdings nicht, wenn weder der Künstler oder Sportler noch mit ihm verbundene Personen ein wirtschaftliches Interesse an den Gewinnen dieser anderen Person hat oder wenn diese andere Person nicht unmittelbaren Einfluss auf die Tätigkeit des Künstlers oder Sportlers im Auftrittsstaat nimmt. Ausdrücklich festgehalten wird, dass Artikel 17 auf die Gewinne von Personen, die Künstler oder Sportler lediglich vermitteln oder vermarkten, nicht anwendbar ist.

Absatz 3 schliesst Veranstaltungen, die aus öffentlichen Mitteln des Ansässigkeitsstaats des Künstlers oder Sportlers unterstützt werden, vom Anwendungsbereich
des Artikels 17 aus. In diesem Fall können solche Einkünfte nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden. Ebenfalls keine Anwendung findet Artikel 17 auf Orchester, Theater, Ballette und dergleichen, sofern sie auf Dauer ohne Gewinnerzielung tätig sind.

5159

Art. V Artikel 23 legt fest, welche Methode der Ansässigkeitsstaat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anwendet. Nach dem bisherigen Artikel 15 Absatz 4 wenden beide Staaten auf Löhne von Grenzgängern die Anrechnungsmethode an. Dagegen werden die Löhne von Personen, die nicht Grenzgänger sind, bisher von der Steuer befreit. Weil nun die in Artikel 15 Absatz 4 festgelegte Grenzgängerbestimmung durch das Protokoll aufgehoben wird, legt Artikel 23 neu fest, dass Österreich auf Löhne aus unselbständiger Arbeit nach Artikel 15 Absatz 1 generell die Anrechnungsmethode anwendet. Da infolge der vollen (statt im Falle von Grenzgängern nur auf 3 Prozent begrenzten) Arbeitsortsbesteuerung Mindereinnahmen für Österreich zu erwarten sind, leistet die Schweiz an das Bundesministerium für Finanzen eine Vergütung in der Höhe von 12,5 Prozent ihrer Steuereinnahmen aus Vergütungen für unselbständige Arbeit nach Artikel 15 Absatz 1. Die Schweiz als Ansässigkeitsstaat vermeidet die Doppelbesteuerung durch Befreiung der österreichischen Erwerbseinkünfte. Ein von Österreich zu leistender Fiskalausgleich ist aufgrund der geringen Anzahl schweizerischer Arbeitnehmer in Österreich nicht vorgesehen.

Sollte sich das Verhältnis der Arbeitnehmerbewegungen zwischen beiden Staaten indessen wesentlich ändern, so wird im Protokoll zu Artikel 23 Absatz 2 festgehalten, dass die Frage eines bilateralen Steuerausgleichs zu verhandeln sein wird.

Art. VI Wie im revidierten Abkommen mit der Bundesrepublik Deutschland enthält Artikel 26 neu eine Bestimmung, die den Austausch von Informationen nicht nur für die richtige Anwendung des Abkommens, sondern auch für die Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts bei Betrugsdelikten ermöglicht. Die Schweiz gewährt aufgrund des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 1981 (SR 351.1) bei Vorliegen von Abgabebetrug auch Österreich Rechtshilfe. Materiell ergibt sich somit durch die Neufassung von Artikel 26 keine Ausdehnung der Verpflichtung zur internationalen Zusammenarbeit in Steuersachen. Neu kann jedoch von beiden Vertragsstaaten auch der Amtshilfeweg beschritten werden. Im Unterschied zur Regelung im Abkommen mit der Bundesrepublik Deutschland wird allerdings vorausgesetzt, dass vorgängig das zur Ahndung des Betrugsdelikts vorgesehene strafrechtliche Verfahren eingeleitet wurde. Nach dem Protokoll
gilt als Betrugsdelikt ein betrügerisches Verhalten, welches nach dem Recht beider Staaten als Steuervergehen gilt und mit Freiheitsstrafe bedroht ist. Aufgrund des Grundsatzes der beidseitigen Strafbarkeit kommt Amtshilfe demzufolge nur in Betracht, wenn eine Tat, wäre sie in der Schweiz begangen worden, einen Steuerbetrug nach schweizerischem Recht darstellen würde. Im Protokoll wird klargestellt, dass zwischen dem betrügerischen Verhalten und der gewünschten Amtshilfemassnahme ein direkter Zusammenhang bestehen muss.

Schliesslich werden sogenannte «Fishing expeditions» ausdrücklich ausgeschlossen.

Entsprechend ihrer im Rahmen der OECD-Arbeiten über schädliche Steuerpraktiken vertretenen Haltung wird die Schweiz wie im Doppelbesteuerungsabkommen mit Norwegen auf reziproker Grundlage zudem auch Amtshilfe für die Zwecke des innerstaatlichen österreichischen Rechts leisten, sofern es sich um Auskünfte betreffend eine Holdinggesellschaft im Sinne von Artikel 28 Absatz 2 des Steuerharmonisierungsgesetzes handelt. Im Protokoll zu Artikel 26 wird klargestellt, dass nur Informationen ausgetauscht werden, die im Besitz der Steuerbehörden sind. Eine Verpflichtung zur Durchführung von besonderen Untersuchungsmassnahmen

5160

besteht nicht. Das Bankgeheimnis ist von der Amtshilfe im Zusammenhang mit Holdinggesellschaften nicht betroffen.

Art. VII Das revidierte Abkommen enthält in Artikel 26a neu eine Bestimmung über eine begrenzte Vollstreckungshilfe bei Steuerforderungen gegen österreichische Arbeitnehmer. Die Schweiz ist bereit, Österreich Vollstreckungshilfe in der Form einer Lohnpfändung zu gewähren, wenn es sich um rechtskräftig festgesetzte Steuern auf Vergütungen handelt, die eine in Österreich ansässige Person aus ihrer in der Schweiz ausgeübten unselbständigen Arbeit bezogen hat. Vorausgesetzt wird allerdings, dass diese Person Massnahmen getroffen hat, um die Einforderung dieser Steuern zu vereiteln. Dies wäre etwa der Fall, wenn sie verfügbares Vermögen ausserhalb Österreichs besitzt und daher wirtschaftlich in der Lage wäre, die festgesetzten Steuern zu zahlen. Die Amtshilfe setzt allerdings voraus, dass Österreich selbst alle Vollstreckungs- oder Sicherungsmassnahmen, die ihm nach seinen Gesetzen oder seiner Verwaltungspraxis zur Verfügung stehen, ausgeschöpft hat.

In der Vergangenheit hat es die Schweiz stets abgelehnt, Bestimmungen über die Vollstreckung ausländischer Steuerforderungen in ihre Abkommen aufzunehmen.

Eine Öffnung zeichnet sich allerdings im Rahmen der Bilateralen Verträge II mit der EU ab, indem die Schweiz unter dem Betrugsbekämpfungsabkommen bereit ist, für Forderungen, die in den Anwendungsbereich des Abkommens fallen, d.h. für indirekte Steuern gemäss EU-Terminologie, Vollstreckungshilfe zu leisten (Art. 24). Die erheblichen Vorteile einer Revision des Abkommens mit Österreich wiegen die Nachteile der Vollstreckungshilfe bei weitem auf. Die Auswirkung einer solchen Bestimmung über das schweizerisch-österreichische Verhältnis hinaus dürfte gering sein. Denn die vorgesehene Bestimmung einer Vollstreckungshilfe steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Neuregelung der Besteuerung von Vergütungen aus unselbständiger Arbeit, und ihr Anwendungsbereich ist sehr begrenzt. Vollstreckungshilfe wird nur geleistet für Steuern auf Löhnen von österreichischen Arbeitnehmern, welche die Vollstreckung der österreichischen Steuern vereitelt haben.

Anderes Einkommen oder Vermögenswerte sind von der Vollstreckungshilfe ausgeschlossen.

Art. IX Dieser Artikel regelt das Inkrafttreten. Das Protokoll
tritt mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft und ist anwendbar ab 1. Januar 2006. Mit der rückwirkenden Anwendung wird sichergestellt, dass die mit der Neuregelung verbundenen Mehreinnahmen bereits im Jahre 2006 anfallen. In den Fällen, in denen sich für die Steuerpflichtigen insgesamt eine höhere Gesamtsteuerbelastung als nach dem bisherigen Stand des Abkommens ergeben würde, findet die Neuregelung erst auf den 1. Januar 2007 Anwendung.

Die in Artikel II des Protokolls vorgesehene Regelung zur Vermeidung von Härten bei der Wegzugsbesteuerung findet rückwirkend auf Ansässigkeitswechsel statt, die seit dem 1. Januar 2004 stattgefunden haben. Auskunftsersuchen können für Betrugsdelikte, die in den Jahren nach dem Inkrafttreten begangen wurden, gestellt werden.

5161

3

Finanzielle Auswirkungen

Die Neuregelung der Besteuerung von Einkünften aus unselbständiger Arbeit bringt der Schweiz Mehreinnahmen. Während die Schweiz bisher die Löhne von in Österreich ansässigen Personen, die in der Schweiz eine unselbständige Arbeit ausüben, weitestgehend nur mit 3 Prozent besteuern kann (Grenzgänger), unterliegen solche Vergütungen neu der vollen schweizerischen Besteuerung. Auch unter Berücksichtigung der Ausgleichszahlung von 12,5 Prozent dieses Steueraufkommens an den österreichischen Staat verbleiben Bund, Kantonen und Gemeinden wesentlich mehr Steuern als unter der bestehenden Regelung. Auch die Befreiung der Lizenzzahlungen von der österreichischen Besteuerung wirkt sich positiv aus, weil die von der Schweiz bisher gewährte pauschale Steueranrechnung entfällt. Zwar wird die Quellensteuer auf Lizenzzahlungen auch nach dem Zinsbesteuerungsabkommen mit der EG auf Null abgesenkt, doch ist der Anwendungsbereich insbesondere dadurch begrenzt, dass nur verbundene Unternehmen darunter fallen. Hinzu kommt, dass die EU-Lösung nur so lange gilt, als das Zinsbesteuerungsabkommen in Kraft ist. Aus diesem Grund ist es ein Ziel der schweizerischen Abkommenspolitik, die im Zinsbesteuerungsabkommen vereinbarten Nullsätze für Dividenden aus wesentlichen Beteiligungen sowie für Zinsen und Lizenzgebühren in ihre Abkommen mit den EU-Staaten aufzunehmen.

4

Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage für dieses Protokoll ist Artikel 54 der Bundesverfassung (BV), der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV zuständig für die Genehmigung des Protokolls. Das zur Genehmigung unterbreitete Protokoll wird einen integrierenden Bestandteil des Abkommens von 1974 bilden; dieses ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Es sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstehen seit dem 1. August 2003 die Staatsverträge, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesbesetzen erfordert. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (SR 171.10) gilt eine Bestimmung eines Staatsvertrages dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt.

Im Sinne der Entwicklung einer gangbaren Praxis zur neuen Ziffer 3 von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV und um die wiederholte Unterstellung gleichartiger Abkommen unter das Referendum zu vermeiden, hat der Bundesrat in seiner Botschaft vom 19. September 2003 zum Doppelbesteuerungsabkommen mit Israel festgehalten, dass er dem Parlament Staatsverträge, die im Vergleich zu früher abgeschlossenen Abkommen keine wichtigen zusätzlichen Verpflichtungen für die Schweiz beinhalten, auch in Zukunft mit dem Vorschlag unterbreiten werde, diese

5162

dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nicht zu unterstellen. Im Einklang mit dieser Praxis unterliegt das vorliegende Protokoll dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV, enthält es doch eine Bestimmung über die Vollstreckungshilfe für ausländische Steuerforderungen, deren Anwendungsbereich zwar sehr begrenzt ist, mit der die Schweiz aber eine neue Art der Amtshilfe gewährt, wie sie in dieser Form noch mit keinem Vertragsstaat vereinbart wurde.

5163

5164