06.081 Botschaft zum Bundesgesetz über das Eidgenössische Nuklear-Sicherheitsinspektorat vom 18. Oktober 2006

Sehr geehrte Herren Präsidenten Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen den Entwurf für ein Bundesgesetz über das Eidgenössische Nuklear-Sicherheitsinspektorat mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

18. Oktober 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2006-1644

8831

Übersicht Es besteht ein grundsätzlicher Interessenkonflikt zwischen dem Wunsch, technische Anlagen möglichst wirtschaftlich errichten und betreiben zu können, und dem Anliegen, die Risiken solcher Anlagen für Mensch und Umwelt möglichst gering zu halten. Daraus resultiert das Postulat, Nutzungs- und Wirtschaftsaspekte einerseits und Schutz- und Sicherheitsaspekte andererseits institutionell voneinander zu trennen. Dies gilt angesichts des grossen Gefährdungspotentials insbesondere für den Bereich der Kernenergie.

Nach dem internationalen Übereinkommen vom 17. Juni 19941 über nukleare Sicherheit hat jede Vertragspartei die geeigneten Massnahmen zu treffen, um eine wirksame Trennung der Aufgaben der nuklearen Sicherheitsbehörden von denjenigen anderer Stellen oder Organisationen, die mit der Förderung oder Nutzung von Kernenergie befasst sind, zu gewährleisten. Das Kernenergiegesetz vom 21. März 20032 (KEG), welches am 1. Februar 2005 in Kraft getreten ist, sieht vor, dass die Aufsichtsbehörden in fachlicher Hinsicht nicht weisungsgebunden und formell von den Bewilligungsbehörden zu trennen sind (Art. 70 Abs. 2).

Die Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK) ist die Aufsichtsbehörde des Bundes im Bereich der nuklearen Sicherheit. Organisatorisch ist die HSK heute Teil des Bundesamtes für Energie (BFE). Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf über das Eidgenössische Nuklear-Sicherheitsinspektorat (ENSI) sollen die Vorgaben des Übereinkommens über die nukleare Sicherheit sowie des KEG umgesetzt, d.h. die HSK rechtlich verselbständigt werden. Die Aufgaben in den Bereichen Sabotageschutz von Kernanlagen (Sicherung) und Safeguards (Nichtverbreitung von Kernmaterial) sollen weiterhin durch das BFE wahrgenommen werden.

Das ENSI soll als öffentlich-rechtliche Anstalt ausgestaltet werden, die über funktionelle, institutionelle und finanzielle Unabhängigkeit sowie über eine zeitgemässe Führungsstruktur verfügt. Vorgesehen ist ein Organ mit Leitungs- und Steuerungsfunktion analog einem Verwaltungsrat (ENSI-Rat), eine Geschäftsleitung und eine Revisionsstelle. Die Unabhängigkeit des ENSI verlangt im Gegenzug nach einer Rechenschaftspflicht und der politischen Oberaufsicht durch den Bund.

Mit dem ENSI-Rat verfügt das ENSI über ein fachkundiges, strategisches Steuerungsgremium. Damit erübrigt sich
ein zweites ständiges Gremium, welches sich mit grundsätzlichen Fragen der Kernenergie beschäftigt. Die bisherige Eidgenössische Kommission für die Sicherheit von Kernanlagen (KSA) soll deshalb aufgelöst werden.

1 2

SR 0.732.020 SR 732.1

8832

Abkürzungsverzeichnis Aves Axpo BFE BKW BPG BV CVP ENSI ETH-Rat FDP FHG FLAG FME HSK IAEA IGE KEG KHG KNS KSA KV Nagra OECD OR PKB PVB SATW SBV SES SGB SGK SGV

Aktion für eine vernünftige Energiepolitik Schweiz Axpo Holding AG Bundesamt für Energie BKW FMB Energie AG Bundespersonalgesetz vom 24. März 2000 (SR 172.220.1) Bundesverfassung vom 18. April 1999 (SR 101) Christlichdemokratische Volkspartei der Schweiz Eidgenössisches Nuklear-Sicherheitsinspektorat Rat der Eidgenössischen Technischen Hochschulen Freisinnig-Demokratische Partei der Schweiz Finanzhaushaltsgesetz vom 7. Oktober 2005 (SR 611.0) Führung mit Leistungsauftrag und Globalbudget Forum Medizin und Energie Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen Internationale Atomenergieagentur Institut für Geistiges Eigentum Kernenergiegesetz vom 21. März 2003 (SR 732.1) Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 18. März 1983 (SR 732.44) Kommission für die nukleare Sicherheit Eidg. Kommission für die Sicherheit von Kernanlagen Kaufmännischer Verband Schweiz Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Obligationenrecht (SR 220) Pensionskasse des Bundes Personalverband des Bundes Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften Schweizerischer Bauernverband Schweizerische Energiestiftung Schweizerischer Gewerkschaftsbund Schweizerische Gesellschaft der Kernfachleute Schweizerischer Gewerbeverband, Dachorganisation der kleinen und mittleren Unternehmen KMU SPS Sozialdemokratische Partei der Schweiz SVP Schweizerische Volkspartei SVTI Schweizerischer Verein für technische Inspektionen Swissmedic Heilmittelinstitut UVEK Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation VKB Vereinigung der Kader des Bundes VPE Verband der Personalvertretungen der Schweizerischen VSE Verband Schweiz. Elektrizitätswerke ZWILAG ZWILAG Zwischenlager Würenlingen AG

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Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

Die Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK) ist die Aufsichtsbehörde des Bundes im Bereich der nuklearen Sicherheit. Organisatorisch ist die HSK heute Teil des Bundesamtes für Energie (BFE).

Im Jahr 1998 beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), die Aufsicht über die technische Sicherheit in einem Bundesgesetz über die Kontrolle der technischen Sicherheit (neuer Name: Bundesgesetz über die Prüfung und Kontrolle der technischen Sicherheit; Botschaft dazu vom Bundesrat verabschiedet am 9. Juni 20063) zu vereinheitlichen und alle beteiligten Stellen, insbesondere auch die HSK, in einer unabhängigen Sicherheitsagentur zusammenzufassen. Die Vernehmlassung zum ausgearbeiteten Gesetzesentwurf fand 2001 statt. Gestützt auf deren Ergebnisse hat der Bundesrat am 26. September 2003 beschlossen, das Projekt weiterzuverfolgen, aber auf die Schaffung einer Sicherheitsagentur zu verzichten und die HSK nicht in dieses Projekt mit einzubeziehen. Gleichzeitig hat er das UVEK beauftragt, ein Bundesgesetz über die Verselbständigung der HSK vorzubereiten.

Um die Autonomie der HSK zu stärken, hat sie der Bundesrat am 5. Dezember 2003 dem FLAG-Status (Führung mit Leistungsauftrag und Globalbudget) unterstellt und ihr einen Leistungsauftrag für den Zeitraum 2004­2007 erteilt. Die HSK ist damit, wie eine Reihe anderer Verwaltungseinheiten, mit einer grösseren Autonomie bei ihrer Aufgabenerfüllung ausgestattet, ist aber weiterhin administrativ dem BFE unterstellt und schliesst mit diesem eine jährliche Leistungsvereinbarung ab. Mit dem ENSI-Gesetz soll der FLAG-Status abgelöst und die HSK als öffentlichrechtliche Anstalt des Bundes mit eigener Rechtspersönlichkeit formell vom BFE getrennt und in den 3. Kreis überführt werden.

Das ENSI-Gesetz ist ein Organisationserlass, mit welchem die Vorgaben des Übereinkommens über die nukleare Sicherheit und des KEG umgesetzt werden. Es regelt die organisatorischen und finanziellen Aspekte der neu zu schaffenden öffentlichrechtlichen Anstalt. Die inhaltlichen Anforderungen an die Aufsicht befinden sich in den anwendbaren Spezialgesetzen, insbesondere im KEG und im Strahlenschutzgesetz vom 22. März 19914, und in den dazugehörigen Verordnungen und Richtlinien.

3 4

BBl 2006 5925 ff.

SR 814.50

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1.2

Rechtliche Verselbständigung der Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen

1.2.1

Unabhängigkeit

Es besteht ein grundsätzlicher Interessenkonflikt zwischen dem Wunsch, technische Anlagen möglichst wirtschaftlich errichten und betreiben zu können, und dem Anliegen, die Risiken, die aus diesen Anlagen für Mensch und Umwelt resultieren, möglichst gering zu halten. Es ist daher ein prinzipielles Postulat, Nutzungs- und Wirtschaftsaspekte einerseits und Schutz- und Sicherheitsaspekte andererseits institutionell voneinander zu trennen. Eine solche Trennung betont die Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden und stärkt deren Glaubwürdigkeit, was die Effektivität der Aufgabenerfüllung erhöht.

Dies gilt insbesondere für den Bereich der Kernenergie, da hier das Gefährdungspotential sehr gross ist. Eine Katastrophe kann viele Menschenleben fordern und den Verlust von Tausenden von Quadratkilometern Land während mehrerer Generationen zur Folge haben. Dieser Umstand stellt sehr hohe Anforderungen an die nukleare Sicherheit.

Hinzu kommt, dass die Auswirkungen einer Kernkraftwerk-Katastrophe auch andere Länder in Mitleidenschaft ziehen können. Es besteht daher ein vitales Interesse der Staatengemeinschaft, dafür zu sorgen, dass die nuklearen Sicherheitsbehörden aller Länder, welche die Kernenergie nutzen, effektiv von wirtschaftlichen Interessen unbeeinflusst bleiben. Diese Überlegungen führten zur Ausarbeitung des Übereinkommens über die nukleare Sicherheit vom 17. Juni 19945, welches eine wirksame Trennung der Aufgaben der nuklearen Sicherheitsbehörden von denjenigen anderer Stellen oder Organisationen, die mit der Förderung oder Nutzung von Kernenergie befasst sind, verlangt. Auf nationaler Ebene wurde dies bei der Totalrevision der Kernenergiegesetzgebung berücksichtigt, indem Artikel 70 KEG fordert, dass die nuklearen Aufsichtsbehörden in technischen Fragen nicht weisungsgebunden und formell von den Bewilligungsbehörden zu trennen sind.

1.2.2

Rechtsform

Die Aufsicht über die nukleare Sicherheit ist eine hoheitliche Aufgabe, welche in den gesetzlichen Grundlagen (s. Ziff. 2.1.2) detailliert umschrieben ist. Als Organisationsformen kommen für eine nukleare Aufsichtsbehörde insbesondere das Bundesamt, die öffentlich-rechtliche Anstalt oder eine privatrechtliche Gesellschaft in Frage: ­

5

Ein Bundesamt untersteht als Teil der zentralen Bundesverwaltung vollumfänglich der Finanzhaushaltsgesetzgebung und hat keine eigene Rechtspersönlichkeit. Es ist gegenüber übergeordneten Stellen weisungsgebunden.

Selbst wenn die HSK in einem anderen Departement angesiedelt wäre als die Bewilligungsbehörden, kann eine politische Einflussnahme nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Aufgrund der grossen Bedeutung der Unabhängigkeit soll der über die Gesetzgebung hinausgehende politische Steuerungsspielraum aber gering gehalten werden (s. Ziff. 1.2.3). Die OrgaSR 0.732.020

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nisationsform des Bundesamtes entspricht heute nicht mehr internationalen Standards.

­

Die öffentlich-rechtliche Anstalt ist eine dezentralisierte Einheit der Bundesverwaltung mit eigener Rechtspersönlichkeit, die sachlich unabhängig ist und auch bezüglich der Ressourcen Autonomie geniesst. Als staatliches Unternehmen geniesst sie hinsichtlich der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben eine breitere Akzeptanz als ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen.

­

Privatrechtliche Organisationsformen stossen dort an ihre Grenzen, wo, wie im Bereich der Kernenergie, komplexe hoheitliche Aufgaben anfallen, deren Erfüllung gesellschaftlich in hohem Masse kontrovers ist. Für eine privatrechtliche Organisationsform wie z.B. eine Aktiengesellschaft würde insbesondere eine Tätigkeit auf dem Markt oder ein grosser Kapitalbedarf sprechen. Beide Gründe treffen vorliegend nicht zu. Eine privatrechtliche Organisationsform ist deshalb abzulehnen.

Insgesamt erfüllt die Rechtsform der selbstständigen öffentlich-rechtlichen Anstalt die Voraussetzungen zur Ausübung der Aufgabe der nuklearen Sicherheitsaufsicht am besten. Diese Organisationsform bietet aus Sicht des Bundesrates optimale Voraussetzungen für eine unabhängige und effiziente Aufsichtstätigkeit, da die Kriterien der funktionellen, institutionellen und ressourcenmässigen Unabhängigkeit erfüllt sind.

1.2.3

Steuerung durch den Bund

Die Unabhängigkeit des ENSI verlangt im Gegenzug nach einer Rechenschaftspflicht und einer politischen Oberaufsicht bzw. Steuerung durch den Bund. Der Gang der nuklearen Aufsichtsbehörde in die rechtliche Unabhängigkeit bedeutet nicht, dass der Bundesrat oder die eidgenössischen Räte sämtliche Steuerungs- und Einflussmöglichkeiten aus der Hand geben. Gerade bei einer solchen Organisation ist es wichtig, dass sie in die rechtstaatlichen Strukturen eingebunden bleibt und die Steuerungs- und Kontrollinstrumente gesetzlich klar festgelegt werden.

Die Steuerung des ENSI erfolgt in erster Linie über die Vorgaben in den Gesetzen und Verordnungen. Sie geben den Rahmen vor, in dem sich die Aufsichtsbehörde bewegen darf, und definieren die Aufgaben und Kompetenzen. Die Überprüfung von Einzelentscheiden durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde stellt ein wichtiges Kontrollinstrument dar.

Mit der Wahl des ENSI-Rates entscheidet der Bundesrat über die Zusammensetzung des obersten strategischen Organs. Sind die Wahlvoraussetzungen eines der Mitglieder dieses Gremiums nicht mehr erfüllt, kann der Bundesrat dessen Abwahl beschliessen.

Ferner genehmigt der Bundesrat die Gebührenordnung und das Personalreglement.

Gegenüber dem Bundesrat besteht eine Rechenschaftspflicht der Aufsichtsbehörde im Rahmen des jährlichen Tätigkeits- und Geschäftsberichts. Die Aufsicht der eidgenössischen Räte wird im Rahmen der parlamentarischen Oberaufsicht ausge-

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übt. Diese ergibt sich aus der Bundesverfassung vom 18. April 19996 (BV) sowie aus den Bestimmungen des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20027. Bei den Anstalten des Bundes geht es in erster Linie darum zu prüfen, ob der Bundesrat seine Interessen als Eigner bzw. die ihm zugewiesenen Aufgaben und Funktionen korrekt wahrgenommen hat.

1.2.4

Kosten der Behörde und Finanzierung

Die budgetierten Kosten der HSK belaufen sich im Jahr 2006 auf 37,0 Millionen Franken. Davon entfallen 15,2 Millionen Franken auf Personalkosten, 8,0 auf Dienstleistungen Dritter, 4,2 auf Forschungsaufträge, 2,5 auf Investitionen, 2,6 auf Sachausgaben, 2,5 auf bundesinterne Leistungsbezüge sowie 2,0 auf kalkulatorische Kosten und Abschreibungen.

Die Tätigkeit des ENSI-Rates wird Kosten verursachen. Da die Mitglieder des ENSI-Rats jedoch nicht vollamtlich tätig sind und die Kommission für die Sicherheit von Kernanlagen aufgelöst werden soll (s. Ziff. 2.6.5), werden die Aufwendungen für die Aufsicht im Kernenergiebereich aus heutiger Sicht etwas geringer sein als bisher Die Kosten der HSK sind heute zu über 98 Prozent durch Gebühren und Aufsichtsabgaben gedeckt. Der ungedeckte Rest entfällt auf Tätigkeiten, welche die HSK für den Bund erfüllt (z.B. Vorbereitung der Gesetzgebung, Beantwortung parlamentarischer Vorstösse, allgemeine Informationstätigkeit).

Der derzeitige Finanzierungsmodus soll beibehalten werden. Das ENSI soll durch die Erhebung von Gebühren und Aufsichtsabgaben sowie über die Abgeltungen der für den Bund erbrachten Leistungen finanziert werden.

1.2.5

Personal

Das Personal des ENSI wird öffentlich-rechtlich angestellt. Dies entspricht der Regelung des Heilmittelinstituts (Swissmedic) und des Instituts für Geistiges Eigentum (IGE).

Das ENSI als öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit und zu 100 Prozent im Besitz der öffentlichen Hand hat hoheitliche Aufgaben zu erfüllen.

Mit der Wahl des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses wird diesem Umstand Rechnung getragen (s. Ziff. 2.3.1).

Gleichzeitig garantiert das öffentliche Dienstrecht die Unabhängigkeit des ENSIPersonals und auch einen entsprechenden sozialen Schutz mit eigenen Verfahrensregelungen und verwaltungsgerichtlicher Zuständigkeit in personalrechtlichen Streitfällen.

6 7

SR 101 SR 171.10

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1.2.6

Übergang der HSK zum ENSI

Die HSK hat im Rahmen der FLAG-Umstellung eine Reihe von Vorleistungen erbracht, die auch dem ENSI zugute kommen. Damit das ENSI seine operative Tätigkeit aufnehmen kann, sind jedoch weitere Vorbereitungsarbeiten nötig.

Als erstes wird der Bundesrat den ENSI-Rat wählen. Der ENSI-Rat seinerseits wird die Geschäftsleitung bestimmen. Er wird zudem die strategischen Ziele definieren sowie die Gebührenordnung und das Personalreglement, welche vom Bundesrat zu genehmigen sind, ausarbeiten. Schliesslich wird der ENSI-Rat die Organisation des ENSI im Organisationsreglement festlegen.

Die HSK betreibt heute ihre Informatik-Infrastruktur selber. Die EDV-Änderungen werden sich deshalb auf die zentral betriebenen Anwendungen in den Bereichen Personal- und Rechnungswesen beschränken (SAP, BVPlus). Zudem sind verschiedene Anpassungen administrativer Art vorzunehmen.

Das UVEK wird eine Projektorganisation unter der Leitung des HSK-Direktors einsetzen und diese damit beauftragen, die Errichtung des ENSI vorzubereiten. Das Projekt wird vom UVEK begleitet. In erster Linie wird es von der HSK getragen, welche die nötigen Ressourcen für die Projektarbeit freizustellen hat.

Aufgrund der Erfahrungen mit ähnlichen Projekten ist sicherzustellen, dass die organisatorische Vorbereitung vor der operativen Startphase vollständig abgeschlossen ist. Konkret heisst das, dass Ausführungsbestimmungen und Reglemente vor der operativen Startphase zu verabschieden sind. Diese Phase wird aufgrund der Erfahrung etwa ein Jahr dauern. Das Bundesgesetz über das Eidgenössische Nuklearsicherheits-Inspektorat (ENSIG) muss deshalb gestaffelt in Kraft gesetzt und der bestehende Leistungsauftrag der HSK voraussichtlich eine gewisse Zeit über den 31. Dezember 2007 hinaus verlängert werden.

1.3

Vernehmlassungsverfahren

Mit Beschluss vom 21. Dezember 2005 ermächtigte der Bundesrat das UVEK, den Entwurf zum Bundesgesetz über das Eidgenössische Nuklear-Sicherheitsinspektorat und den Erläuternden Bericht bei den Kantonen, politischen Parteien und interessierten Organisationen in die Vernehmlassung zu geben. Die Vernehmlassungsfrist dauerte bis am 31. März 2006.

1.3.1

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Insgesamt wurden während des Vernehmlassungsverfahrens 72 Stellungnahmen eingereicht. Von den 64 eingeladenen Stellen gingen 44 Antworten ein. Ausserdem verfassten 28 Nichteingeladene eine Stellungnahme.

Die rechtliche Verselbständigung der HSK wird von den meisten Vernehmlassungsteilnehmern begrüsst. Viele von Ihnen verlangen, dass das ENSI nicht nur die Aufsicht über die nukleare Sicherheit, sondern auch über die nukleare Sicherung (Schutz gegen Sabotage und Entwendung von Kernmaterial) ausübt. Kontrovers beurteilt wird vor allem die im Vernehmlassungsentwurf vorgeschlagene Auflösung der KSA.

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25 Kantone stimmen der Überführung der HSK in das ENSI zu. Ein Grossteil von ihnen beantragt jedoch eine Reihe von Änderungen der Gesetzesvorlage. Für die meisten Kantone kann damit eine institutionelle Unabhängigkeit des ENSI von wirtschaftlichen Interessen und vom politischen Prozess erreicht werden. Im Weiteren halten sie fest, dass das Hauptziel des ENSI nach wie vor die Sicherstellung der nuklearen Sicherheit sein müsse. Dafür müsse das ENSI finanziell unabhängig sein.

Von den in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien begrüssen CVP, FDP und SVP den Gesetzesentwurf. Mit dem ENSIG werde eine unabhängige und internationalen Standards entsprechende Aufsichtsbehörde geschaffen. Die SVP unterstützt zudem die Auflösung der KSA. Für die SPS hat die nukleare Sicherheit Vorrang vor allen Effizienzüberlegungen oder betriebswirtschaftlichen Kriterien.

Die Aufsicht gemäss Kernenergiegesetzgebung müsse durch eine fachkundige amtliche Behörde wahrgenommen werden. Aus Sicht der SPS ist die Zweitmeinung der KSA unerlässlich.

Die Elektrizitätswirtschaft (swisselectric, swissnuclear, VSE, Kernkraftwerke Gösgen und Leibstadt, BKW, AXPO, ZWILAG und Nagra) begrüsst die Bestrebungen des Bundes, die Autonomie der HSK zu stärken, und beurteilt den Vernehmlassungsentwurf als gute Ausgangsbasis. Konsequent und richtig ist nach ihrer Auffassung die Auflösung der KSA. Es bedürfe jedoch noch einiger Korrekturen, damit die Elektrizitätswirtschaft dem Gesetzesvorschlag zustimmen könne.

Die energiepolitischen Organisationen (Energieforum Schweiz, Energieforum Nordwestschweiz, Nuklearforum Schweiz, aves, SES, sortir du nucléaire) begrüssen die beabsichtigte Schaffung einer unabhängigen Aufsichtsbehörde. Sie verlangen jedoch in verschiedenen Punkten eine Anpassung des Gesetzesentwurfs. Für die SES ist es fraglich, ob die Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörde mit der im ENSIGEntwurf vorgesehenen Struktur gewährleistet werden könne, zumal die Funktionsentflechtung nicht vollständig sei und gleichzeitig die heutige KSA aufgelöst werden soll.

Nach Meinung der Umweltschutzorganisationen (Greenpeace, écologie libérale) wird mit dem vorgesehenen Gesetzesentwurf die Aufsicht im Bereich der Kernenergie eingeengt, von jeglicher öffentlicher Kontrolle abgeschottet und noch mehr als heute der Nuklearindustrie und den
ihr nahe stehenden Fachleuten überlassen. Die Umweltschutzorganisationen fordern daher, den Gesetzesentwurf zurückzuziehen oder grundlegend zu überarbeiten.

Eine Mehrheit der Spitzenverbände der Wirtschaft, der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen sowie der weiteren Vernehmlassungsteilnehmer begrüsst die Bestrebungen, die HSK rechtlich zu verselbständigen. Der andere Teil hat keine grundsätzlichen Einwände. Die Arbeitnehmerverbände und das Personal der HSK fordern insbesondere, dass für das Personal des ENSI das Bundespersonalgesetz vom 24. März 20008 (BPG) Geltung haben soll. Zwei ehemalige KSA-Präsidenten und zwei Fachorganisationen (SATW und SVTI) beantragen, die KSA nicht aufzulösen.

Nach Auffassung der KSA muss der nuklearen Sicherheit und dem Strahlenschutz oberste Priorität zukommen. Die nukleare Aufsicht sei für die Schweiz auf Grund des grossen Gefährdungspotenzials von Kernanlagen von vitalem Interesse. Zur

8

SR 172.220.1

8839

Wahrnehmung der Aufsicht über das ENSI und als Bewilligungsbehörden bräuchten der Bundesrat und das UVEK deshalb weiterhin ein unabhängiges Fachgremium.

1.3.2

Überarbeitung des Vernehmlassungsentwurfs

Gestützt auf die Vernehmlassung wurden folgende wesentliche Änderungen und Ergänzungen vorgenommen: ­

Es wird explizit festgehalten, dass bei der Aufgabenerfüllung der nuklearen Sicherheit gegenüber finanziellen Aspekten Vorrang einzuräumen ist (Art. 1 Abs. 3).

­

Das operative Organ ist die Geschäftsleitung und nicht allein der Direktor bzw. die Direktorin (Art. 4 Bst. b).

­

Die Anzahl der Mitglieder des ENSI-Rats beträgt neu 5 bis 7 statt 5 (Art. 5 Abs. 2).

­

Die Anforderungen an die Unabhängigkeit werden auf alle Mitglieder des ENSI-Rats ausgedehnt. Danach soll kein Mitglied eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben oder ein eidgenössisches oder kantonales Amt bekleiden, welche geeignet sind, seine Unabhängigkeit zu beeinträchtigen (Art. 5 Abs. 3).

­

Die Festlegung der strategischen Ziele erfolgt durch den ENSI-Rat ohne Genehmigung durch den Bundesrat (Art. 5 Abs. 6 Bst. a).

­

Die Wahl des Direktors bzw. der Direktorin erfolgt durch den ENSI-Rat ohne Genehmigung durch den Bundesrat (Art. 5 Abs. 6 Bst. g).

­

Zusätzlich zum Geschäftsbericht ist neu ein Tätigkeitsbericht vorgesehen.

(Art. 5 Abs. 6 Bst. l).

­

Eine Festlegung von Sicherheitszielen durch den ENSI-Rat ist nicht mehr vorgesehen (Art. 5 Abs. 6 Bst. b Vernehmlassungsentwurf).

­

Die Bestimmung, wonach der ENSI-Rat bezüglich der Behandlung sicherheitstechnischer Sachfragen nicht weisungsbefugt ist, wird gestrichen (Art. 5 Abs. 7 Vernehmlassungsentwurf). Im Gegenzug wird in Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a explizit festgehalten, dass die Geschäftsleitung Verfügungen erlässt und für die sicherheitstechnischen Gutachten des ENSI verantwortlich ist.

­

Der Artikel betreffend das Dotationskapital wird gestrichen, da ein solches nicht nötig ist (Art. 10 Vernehmlassungsentwurf).

­

Die Höhe der Reserven beträgt neu mindestens ein Drittel eines Jahresbudgets. Sie dürfen ein Jahresbudget nicht übersteigen (Art. 13).

­

Neu wird die Übernahme der Rentenbezügerinnen und -bezüger geregelt (Art. 21).

­

Die Bereiche, in denen dem ENSI-Rat Gesetzgebungskompetenzen zukommen sollen, werden im Gesetz festgelegt (Art. 22).

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1.3.2.1

Sabotageschutz von Kernanlagen und Safeguards

Die Sektion Kernenergie des BFE hat folgende drei Aufgabenbereiche; Sabotageschutz von Kernanlagen (Sicherung), Safeguards (Nichtverbreitung von Kernmaterial) und Entsorgung radioaktiver Abfälle. Wegen der zunehmenden Bedeutung der einzelnen Bereiche wurde diese Sektion auf den 1. September 2006 in die Sektionen «Sabotageschutz von Kernanlagen und Safeguards» und «Entsorgung radioaktive Abfälle» aufgeteilt.

Die Aufgaben in den Bereichen Sabotageschutz und Safeguards basieren auf internationalen Verpflichtungen aus dem Vertrag vom 1. Juli 19689 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen, dem Übereinkommen vom 3. März 198010 über den physischen Schutz von Kernmaterial, dem Abkommen vom 6. September 197811 über die Anwendung von Sicherungsmassnahmen im Rahmen des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Safeguards-Abkommen) und dessen Zusatzprotokoll vom 16. Juni 200012. Diesen Verpflichtungen kommt zunehmende Bedeutung zu. Sie erfordern eine verstärkte nachrichtendienstliche und politische Zusammenarbeit mit der Direktion für Strategischen Nachrichtendienst, dem Bundesamt für Polizei (Dienst für Analyse und Prävention), dem Zentrum für internationale Sicherheitspolitik und dem SECO. Daher soll das BFE weiterhin einerseits die damit verbundenen Aufsichtsfunktionen wahrnehmen und anderseits Bewilligungen für den Umgang mit Kernmaterialien und entsprechender Technologie erteilen.

Im Oktober 2005 fand eine Überprüfung der Tätigkeit der Sektion Kernenergie des BFE durch eine Expertengruppe der IAEA statt. Diese erachtete die Wahrnehmung der Aufsicht über Sabotageschutz und Safeguards durch die Sektion Kernenergie als gute Praxis.

Im Weiteren ist das BFE Fachstelle in den Bereichen Stauanlagen, Erdgas- und Erdölhochdruckleitungen und Stromleitungen, in denen künftig Fragen des Sabotageschutzes an Bedeutung gewinnen. Es erscheint deshalb auch unter diesem Gesichtspunkt sinnvoll, den Sabotageschutz von Kernanlagen im BFE zu belassen.

1.3.2.2

Übereinstimmung mit dem Bericht des Bundesrats zur Auslagerung und Steuerung von Bundesaufgaben

Am 13. September 2006 hat der Bundesrat den Bericht zur Auslagerung und Steuerung von Bundesaufgaben (Corporate-Governance-Bericht)13 verabschiedet und den eidgenössischen Räten zur Kenntnis gebracht. Die vorliegende Botschaft stimmt mit den Vorgaben aus diesem Bericht überein.

9 10 11 12 13

SR 0.515.03 SR 0.732.031 SR 0.515.031 SR 0.515.031.1 BBl 2006 8233 ff.

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2

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

2.1

Organisation und Aufgaben

2.1.1

Organisation (Art. 1)

Das ENSI gehört als selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts zur dezentralen Bundesverwaltung (3. Kreis) wie beispielsweise das IGE oder Swissmedic. Als öffentlich-rechtliche Anstalt ist das ENSI sowohl in der Organisation als auch in der Betriebsführung unabhängig. Es kann Rechte und Pflichten begründen (z.B. Eigentum erwerben oder sich vertraglich gegenüber Dritten verpflichten).

Das ENSI führt eine eigene Rechnung. Diese soll in die konsolidierte Rechnung des Bundes einbezogen werden (s. Art. 55 Abs. 1 Bst. c des Finanzhaushaltgesetzes vom 7. Oktober 200514; FHG). Auf diese Weise wird eine möglichst umfassende Übersicht über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Bundes gewährleistet.

Das ENSI wird nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt. Damit wird sichergestellt, dass die Mittel sparsam eingesetzt werden und Kosten und Nutzen in einem angemessenen Verhältnis stehen. Bei der Aufgabenerfüllung ist jedoch der nuklearen Sicherheit gegenüber finanziellen Aspekten immer und zwingend Vorrang einzuräumen.

Der Standort des ENSI ist aus Praktikabilitätsgründen in der Nähe der Kernanlagen zu wählen. Als Sitz soll der heutige Standort der HSK in Würenlingen beibehalten werden. Damit sich die Standortwahl flexibel gestalten kann, soll der Sitz jedoch durch den Bundesrat und nicht auf Gesetzesstufe festgelegt werden.

2.1.2

Aufgaben (Art. 2)

Das ENSI soll die Aufgaben, welche heute die HSK gestützt auf die Kernenergie-, die Strahlenschutz-, die Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzgebung sowie die Vorschriften betreffend die Beförderung von gefährlichen Gütern wahrnimmt, übernehmen. Die detaillierte Beschreibung dieser Aufgaben befindet sich in den Verordnungen zu den betreffenden Gesetzen.

Das ENSI beaufsichtigt und beurteilt die schweizerischen Kernanlagen in Bezug auf die nukleare Sicherheit und den Strahlenschutz von der Projektierung über den Bau und Betrieb bis zur Stilllegung und Entsorgung. Neben den Kernanlagen beaufsichtigt es die Transporte radioaktiver Stoffe von und zu den Kernanlagen. Vorbereitende Handlungen zur Realisierung von geologischen Tiefenlagern für radioaktive Abfälle gehören ebenfalls zum Aufsichtsbereich des ENSI.

Zudem ist das ENSI in der Einsatzorganisation bei erhöhter Radioaktivität vertreten, und es unterstützt die Kantone und Gemeinden bei der Planung und Vorbereitung ihrer Aufgaben im Bereich des Notfallschutzes. Bei einem Unfall in einer Kernanlage sorgt das ENSI für eine rasche Orientierung der Nationalen Alarmzentrale und berät diese bei der Anordnung von Schutzmassnahmen.

14

SR 611.0

8842

Im Weiteren wirkt das ENSI in seinem Aufgabenbereich bei der Vorbereitung der Gesetzgebung mit und vertritt die Schweiz in internationalen Gremien (z.B. in der Nuklearenergieagentur der OECD oder in der IAEA). Die Wahrnehmung der energiepolitischen Interessen verbleibt wie bis anhin beim BFE.

Nach Artikel 86 KEG kann der Bund die angewandte Forschung über die friedliche Nutzung der Kernenergie, insbesondere über die Sicherheit der Kernanlagen und die nukleare Entsorgung, fördern. Da das ENSI (wie bis anhin die HSK) Kompetenzzentrum in diesem Bereich sein soll, muss es nicht nur selber Forschung betreiben, sondern auch die Forschung Dritter gezielt unterstützen können. Eine entsprechende Rechtsgrundlage wird daher mit der vorliegenden Bestimmung geschaffen.

Das ENSI kann einzelne Aufgaben Dritten übertragen. So wird u.a. die Überwachung von Druckgeräten in Kernanlagen bisher im Auftrag der HSK durch den Schweizerischen Verein für technische Inspektionen (SVTI) wahrgenommen. Die Übertragung von solchen Aufgaben soll auch in Zukunft möglich sein.

2.1.3

Dienstleistungen (Art. 3)

Das ENSI soll grundsätzlich keine kommerziellen Tätigkeiten erbringen. Wegen potenzieller Interessenskonflikte sind insbesondere Dienstleistungen für Betreiber oder Hersteller von Kernanlagen ausgeschlossen.

Eine Ausnahme sieht der Gesetzesentwurf einzig für Dienstleistungen für ausländische Behörden vor. Diese Dienstleistungen sind zu mindestens kostendeckenden und marktüblichen Preisen zu erbringen; sie dürfen die Erfüllung der hoheitlichen Aufgaben des ENSI in keiner Weise beeinträchtigen.

2.2

Organe

2.2.1

Organe (Art. 4)

Als Organe der Aufsichtsbehörde sind der ENSI-Rat, die Geschäftsleitung und die Revisionsstelle vorgesehen. Die Organisation des ENSI entspricht damit derjenigen von diversen vergleichbaren Institutionen (z.B. IGE, Swissmedic).

2.2.2

ENSI-Rat (Art. 5)

Der ENSI-Rat ist für die strategische Führung des ENSI verantwortlich; das Tagesgeschäft ist Sache der Geschäftsleitung.

Der ENSI-Rat besteht aus fünf bis sieben Mitgliedern und wird vom Bundesrat gewählt. Bei dieser Grösse ist gewährleistet, dass der ENSI-Rat seine Geschäfte effizient wahrnehmen kann. Auf die Bildung von Ausschüssen kann verzichtet werden, was bei einer grösseren Zahl von Mitgliedern wahrscheinlich nötig wäre.

Bei der Wahl wird zu beachten sein, dass im ENSI-Rat ein genügend breites Spektrum an Know-How vorhanden ist.

8843

Nicht nur der Präsident und der Vizepräsident bzw. die Präsidentin und die Vizepräsidentin, sondern auch die anderen Mitglieder des ENSI-Rates müssen wirtschaftlich unabhängig sein. Sie dürfen weder ein eidgenössisches noch ein kantonales Amt ausüben, welches ihre Unabhängigkeit beeinträchtigen könnte. Die Mitglieder des ENSI-Rates dürfen insbesondere keine Organe bzw. Angestellte einer beaufsichtigten Gesellschaft sein. Nicht unabhängig wäre beispielsweise auch eine Person, die im Auftragsverhältnis als Beraterin oder Berater für einen Betreiber oder Hersteller von Kernanlagen tätig ist.

Die Entschädigung für die Mitglieder des ENSI-Rats wird vom Bundesrat geregelt.

Dabei kommen Artikel 6a Absätze 1­5 BPG sowie die Verordnung vom 19. Dezember 200315 über die Entlöhnung und weitere Vertragsbedingungen der obersten Kader und Leitungsorgane von Unternehmen und Anstalten des Bundes (Kaderlohnverordnung) zur Anwendung. Danach sind bei der Festlegung der Anstellungsbedingungen insbesondere das unternehmerische Risiko, die Unternehmensgrösse sowie die Entlöhnung und die weiteren Vertragsbedingungen in der betreffenden Branche und beim Bund zu berücksichtigen.

Im Absatz 6 werden die Aufgaben des ENSI-Rates aufgeführt. Der ENSI-Rat legt die strategischen Ziele fest. Zu den strategischen Zielen gehören namentlich die zukünftigen Tätigkeitsschwerpunkte, die Personal- und Ressourcenplanung sowie die Entwicklung der Verwaltungsführung des ENSI. Der ENSI-Rat kann jedoch keine Verfügungen erlassen und ist auch nicht für die sicherheitstechnischen Gutachten verantwortlich.

Dem ENSI-Rat obliegt die Wahl der Mitglieder der Geschäftsleitung, und er regelt zudem die weiteren organisatorischen Aspekte des ENSI. Er erlässt das Organisationsreglement und, unter Vorbehalt der Genehmigung durch den Bundesrat, das Personalreglement und die Gebührenordnung. Auch für den Erlass der weiteren ihm vom Bundesrat übertragenen Ausführungsbestimmungen (s. Ziff. 2.6.4) ist der ENSI-Rat zuständig. Die weit gehende Autonomie der Aufsichtsbehörde wird dadurch bekräftigt, dass nicht der Bundesrat, sondern der ENSI-Rat die Geschäftsleitung wählt.

Der ENSI-Rat übt insbesondere auch Kontrollfunktionen aus. Als Gegengewicht zur starken Stellung der Geschäftsleitung bei der Geschäftsführung überwacht der ENSI-Rat die Tätigkeit der
Geschäftsleitung, und er ist zuständig für das betriebliche Risikomanagement. Erkennt der ENSI-Rat Probleme in der Organisation oder Führung, muss er einschreiten.

Der ENSI-Rat erarbeitet den Tätigkeits- und den Geschäftsbericht. Der Tätigkeitsbericht enthält Angaben zur Aufsicht und zum Zustand der Kernanlagen im abgelaufenen Geschäftsjahr. Der Inhalt des Geschäftsberichtes richtet sich sinngemäss nach dem Obligationenrecht16 (s. Art. 662 OR).

15 16

SR 172.220.12 SR 220

8844

2.2.3

Geschäftsleitung (Art. 6)

Die Geschäftsleitung ist das operative Organ und für die Geschäftsführung verantwortlich. Sie steht unter der Leitung einer Direktorin oder eines Direktors und erfüllt alle Aufgaben, welche gemäss Gesetz nicht dem ENSI-Rat vorbehalten sind.

Die Geschäftsleitung ist insbesondere für den Erlass der für die Aufsichtstätigkeit des ENSI notwendigen Verfügungen zuständig und verabschiedet die im Rahmen der Bewilligungsverfahren vom ENSI zu erstellenden Gutachten.

Überdies ist die Geschäftsleitung verpflichtet, die Entscheidgrundlagen des ENSIRats vorzubereiten und ihm regelmässig oder bei besonderen Ereignissen von sich aus Bericht zu erstatten.

2.2.4

Revisionsstelle (Art. 7)

Die Überprüfung der Buchführung samt Erfolgsrechnung und Bilanz erfolgt durch eine vom Bundesrat gewählte Revisionsstelle. Im Unterschied zu den gegenwärtig im Parlament behandelten Entwürfen aus dem Finanzbereich (Entwurf zum Revisionsaufsichtsgesetz17 und Entwurf zum Finanzmarktaufsichtsgesetz18) bestehen bei der Revision einer Sicherheitsbehörde keine potentiellen Interessenskonflikte mit Privatunternehmen aus der Revisionsbranche. Die Einsetzung einer Revisionsstelle aus der Privatwirtschaft ist im vorliegenden Fall daher möglich.

Die Revisionsstelle erstattet dem ENSI-Rat Bericht. Ihr Prüfungsauftrag richtet sich nach den Grundsätzen des Aktienrechts.

2.3

Personal

2.3.1

Anstellungsverhältnisse (Art. 8)

In den letzten Jahren gestaltete sich die Rekrutierung von qualifiziertem Personal im Kernenergiebereich immer schwieriger. Um für qualifizierte Fachleute im Bereich der nuklearen Sicherheit als Arbeitgeber attraktiv zu sein, ist es deshalb nötig, dass das ENSI sein Personal zu branchenüblichen Bedingungen anstellen kann.

Das Personal des ENSI wird öffentlich-rechtlich angestellt (s. Ziff. 1.2.5). Um dem ENSI einen grösseren Handlungsspielraum in Personalangelegenheiten zu gewähren, soll jedoch nicht das BPG zur Anwendung kommen. Entsprechend dem Bericht des Bundesrates zur Auslagerung und Steuerung von Bundesaufgaben (CorporateGovernance-Bericht) vom 13. September 200619 wird der ENSI-Rat unter Vorbehalt der Genehmigung durch den Bundesrat ein eigenes Personalreglement erlassen.

Bei der Festlegung der Entlöhnung und der weiteren Vertragsbedingungen des ENSI-Rats und der Mitglieder der Geschäftsleitung sollen wie beim ENSI-Rat Artikel 6 Absätze 1­5 BPG und die Kaderlohnverordnung anwendbar sein (s. Ziff.

2.2.2).

17 18 19

BBl 2004 4139 ff.

BBl 2006 2829 ff.

BBl 2006 8233 ff.

8845

2.3.2

Pensionskasse (Art. 9)

Die berufliche Vorsorge des Personals richtet sich nach der Gesetzgebung über die Pensionskasse des Bundes. Nach Artikel 9 des Bundesgesetzes vom 23. Juni 200020 über die Pensionskasse des Bundes (PKB-Gesetz) steht die Option offen, dass das ENSI sein Personal gemäss der für die PUBLICA geltenden Gesetzgebung später allenfalls auch bei einer anderen Vorsorgeeinrichtung versichern kann, allerdings nur, sofern der Bundesrat dem Austritt aus der PUBLICA zustimmt. Das ENSI wird kassenrechtlicher Arbeitgeber (Art. 3 Bst. c PKB-Gesetz).

Diese Regelung entspricht auch dem Entwurf zu einem neuen PUBLICA-Gesetz21, welches sich zurzeit in parlamentarischer Beratung befindet.

2.4

Finanzierung und Finanzhaushalt

2.4.1

Gebühren und Aufsichtsabgaben (Art. 10)

Gestützt auf das Kernenergiegesetz und das Strahlenschutzgesetz erhebt das ENSI (wie bis anhin die HSK) von den Inhabern der Kernanlagen Gebühren und eine jährliche Aufsichtsabgabe. Die Höhe der Aufsichtsabgabe richtet sich nach dem Durchschnitt der Kosten der letzten fünf Jahre; sie wird auf die einzelnen Kernanlagen im Verhältnis der gegenüber diesen Anlagen erbrachten gebührenpflichtigen Leistungen verteilt (s. Art. 83 Abs. 2 KEG). Mit Gebühren und Aufsichtsabgaben sind mehr als 98 Prozent der Aufwendungen der HSK bzw. des ENSI gedeckt; dies wird auch in Zukunft der Fall sein.

Die Gebührenordnung wird durch den ENSI-Rat festgelegt und vom Bundesrat genehmigt (s. Ziff. 2.2.2). Bei der Festlegung der Gebühren muss das Äquivalenzund Kostendeckungsprinzip berücksichtigt werden.

2.4.2

Abgeltungen (Art. 11)

Der Bund weist dem ENSI verschiedene Aufgaben zu, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, deren Kosten aber nicht auf die vom ENSI beaufsichtigten Betriebe überwälzt werden können. Dies betrifft beispielsweise die Beantwortung parlamentarischer Anfragen, die Mitwirkung bei der Gesetzgebung und die allgemeine Informationstätigkeit des ENSI. Diese Aufwendungen gehen zu Lasten des Bundes.

Zudem fördert der Bund die angewandte Forschung über die Sicherheit der Kernanlagen und die nukleare Entsorgung. Die Kosten von im Rahmen der Aufsicht durchgeführten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten können den Beaufsichtigten auferlegt werden. Hingegen gehen vom ENSI veranlasste, nicht den Kernanlagenbetreibern zurechenbare Forschungsaufträge zu Sicherheitsfragen ebenfalls zu Lasten des Bundes. Insgesamt belaufen sich die Abgeltungen des Bundes heute auf 3,5 Millionen Franken pro Jahr.

20 21

SR 172.222.0 BBl 2005 5921 ff.

8846

2.4.3

Tresorerie (Art. 12)

Das ENSI schliesst sich für die Verwaltung ihrer liquiden Mittel der zentralen Tresorerie des Bundes an. Zur Gewährleistung der Zahlungsbereitschaft des ENSI wird die Möglichkeit der Unterstützung mit Fremdkapital seitens des Bundes vorgesehen.

Die Finanzverwaltung kann im Rahmen der Tresorerie Vorschüsse und Darlehen gewähren. Grundsätzlich sichert sie die ständige Zahlungsbereitschaft des ENSI (Art. 60 Abs. 1 FHG).

Abgewickelt werden solche Darlehen über ein Kontokorrent des ENSI beim Bund.

Das ENSI hat für das Darlehen marktgerechte Zinsen zu entrichten. Im Gegenzug wird das ENSI seine überschüssigen Gelder beim Bund zu Marktzinsen anlegen.

Das ENSI wird mit der Eidgenössischen Finanzverwaltung diesbezüglich eine Vereinbarung abschliessen.

2.4.4

Reserven (Art. 13)

Die Höhe der Gebühren und Aufsichtsabgaben soll so festgelegt werden, dass mit den Einnahmen die Ausgaben gedeckt sind und Reserven in angemessener Höhe gebildet werden können. Die Reserven werden für den Ausgleich von Einnahmeschwankungen und zur Deckung von unvorhersehbaren Ereignissen wie beispielsweise Haftungsfällen benötigt. Sie betragen mindestens einen Drittel des Jahresbudgets Im Falle des ENSI sind bei der Reservenbildung in erster Linie unvorhersehbare, nicht versicherte Ereignisse zu betrachten. Die Festlegung der Reserven erfolgt durch den ENSI-Rat unter Berücksichtigung des betrieblichen Risikomanagements des ENSI. Aufgrund des heutigen Budgets der HSK beträgt die Reservenhöhe etwa 12 bis 36 Millionen Franken. Die Reserven sollen jedoch die Höhe eines Jahresbudgets nicht überschreiten. Übersteigen oder unterschreiten die Reserven die festgelegte Höhe, so sind die Gebühren und die Aufsichtsabgaben zu senken oder zu erhöhen.

Die Reservenbildung wird über einen Zeitraum von mehreren Jahren erfolgen. Die sich daraus ergebende Belastung für die Beaufsichtigten wird somit wirtschaftlich tragbar sein.

2.4.5

Rechnungslegung (Art. 14)

Das ENSI wird seine Rechnungslegung mit den üblichen vier Basiselementen Mittelflussrechnung, Erfolgsrechnung, Bilanz und Anhang ausgestalten. Dabei folgt es den allgemeinen Grundsätzen der Wesentlichkeit, Verständlichkeit, Stetigkeit sowie Bruttodarstellung und orientiert sich an allgemein anerkannten Standards.

Damit die Rechnungslegung des ENSI für alle Anspruchsgruppen einfach nachvollziehbar ist, wird das ENSI zu einer umfassenden Offenlegung der aus den allgemeinen Grundsätzen der Rechnungslegung abgeleiteten Regeln verpflichtet.

8847

2.4.6

Verantwortlichkeit (Art. 15)

Der Bewilligungsinhaber einer Kernanlage ist gemäss Artikel 22 Absatz 1 des KEG für die Sicherheit der Anlage und des Betriebs verantwortlich. Gemäss Artikel 3 des Kernenergiehaftpflichtgesetzes vom 18. März 198322 (KHG) haftet der Bewilligungsinhaber unbeschränkt für die Nuklearschäden, die durch Kernmaterialien in seiner Anlage verursacht werden. Er haftet insbesondere auch für Schäden, die als Folge behördlich angeordneter oder empfohlener Massnahmen zur Abwehr oder Verminderung einer unmittelbar drohenden nuklearen Gefährdung eintreten (Art. 2 Abs. 1 Bst. c KHG). Eine Haftung des ENSI gegenüber Dritten ist somit in diesem Fall ausgeschlossen. Ein Rückgriffsrecht der Bewilligungsinhaber auf das ENSI besteht nur, falls der Schaden von ENSI-Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern absichtlich verursacht wurde (Art. 6 Bst. a KHG).

In allen anderen Fällen richtet sich die Verantwortlichkeit des ENSI, seiner Organe und seines Personals grundsätzlich nach dem Verantwortlichkeitsgesetz vom 14. März 195823 (VG). Soweit das ENSI einzelne Aufgaben Dritten überträgt (s. Ziff. 2.1.2 letzter Absatz), greift ebenfalls die Haftung nach Verantwortlichkeitsgesetz (Art. 1 Abs. 1 Bst. f).

Schäden, für welche eine Haftung des ENSI in Frage kommt (z.B. Betriebsausfall einer Kernanlage wegen einer verzögerten Erteilung einer Freigabe) können in die Millionen gehen. In Anlehnung an die Botschaft vom 1. Februar 200624 zum Finanzmarktaufsichtsgesetz (FINMAG) soll das ENSI nur bei der Verletzung wesentlicher Amtspflichten haftbar gemacht werden können. Das ENSI soll jedoch nicht für Schäden einstehen müssen, die auf Pflichtverletzungen der Beaufsichtigten zurückzuführen sind.

2.4.7

Steuerfreiheit (Art. 16)

Mit dieser Bestimmung wird die Steuerpflicht des ENSI geregelt. Es wird von sämtlichen direkten Steuern von Bund, Kantonen und Gemeinden befreit. Die Mittel der im öffentlichen Interesse tätigen Sicherheitsbehörde sollen nicht durch die Entrichtung von Steuern geschmälert werden. Das ENSI unterliegt aber folgenden indirekten Bundessteuern und -abgaben: der Mehrwertsteuer, der Verrechnungssteuer und der Stempelabgabe.

Da das ENSI in der Regel hoheitliche Tätigkeiten ausübt, sind die hierbei erhobenen Gebühren und Aufsichtsabgaben von der Mehrwertsteuer befreit. Eine Ausnahme bilden die Einnahmen aus Dienstleistungen gemäss Artikel 3 dieses Gesetzes.

2.4.8

Unabhängigkeit und Aufsicht (Art. 17)

Bereits Artikel 70 Absatz 2 KEG hält fest, dass die Aufsichtsbehörden in fachlicher Hinsicht nicht weisungsgebunden sind und formell von den Bewilligungsbehörden zu trennen sind. Übersichtshalber und wegen der Wichtigkeit dieses Grundsatzes 22 23 24

SR 732.44 SR 170.32 BBl 2006 2829

8848

(s. Ziff. 1.2.1) soll im vorliegenden Artikel wiederholt werden, dass das ENSI fachlich unabhängig ist.

Der Bundesrat übt die Aufsicht über die gesamte Tätigkeit des ENSI aus. Die Aufsichtskompetenz richtet sich nach dem Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 199725 (s. Art. 8 Abs. 4) und ist nicht so umfassend wie bei der zentralen Bundesverwaltung.

Die Aufsicht beschränkt sich auf die dem Bundesrat gesetzlich eingeräumten Befugnisse wie namentlich die Wahl des ENSI-Rates (s. Ziff. 2.2.2) sowie die Genehmigung des Personalreglements und der Gebührenordnung sowie der Abgeltungen des Bundes. Mit der Genehmigung des Tätigkeits- und des Geschäftsberichts soll der Bundesrat ebenfalls über die Entlastung des ENSI-Rats beschliessen. Damit wird ein aktienrechtliches Instrument sinngemäss auf das ENSI angewendet. Indem der Bundesrat die Entlastung erteilt, bestätigt er bezüglich der ihm bekannt gegebenen Tatsachen die Korrektheit der Geschäftführung des ENSI-Rats.

In der Praxis wird die Aufsicht vom Departement mit dem engsten Sachbezug wahrgenommen. Vorliegend ist dies das UVEK; dieses unterbreitet dem Bundesrat die das ENSI betreffenden Anträge.

2.5

Verfahren und Rechtsschutz (Art. 18)

Als Aufsichtsbehörde erlässt die HSK in den Bereichen Strahlenschutz und Kernenergie Verfügungen. Mit der Verselbständigung soll dem ENSI das Recht eingeräumt werden, in seinem Zuständigkeitsbereich Beschwerde an das Bundesgericht zu erheben. Dazu braucht es jedoch eine rechtliche Grundlage in einem Bundesgesetz (s. Art. 89 Abs. 2 Bst. d des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200526, i.K.

am 1. Januar 2007).

Das Verfahren für den Erlass und die Anfechtung von Verfügungen des ENSI richtet sich nach der Gesetzgebung über das Bundesverwaltungsverfahren und die Bundesrechtspflege.

2.6

Schlussbestimmungen

2.6.1

Übergang von Rechten und Pflichten (Art. 19)

Das ENSI erhält als Anstalt des öffentlichen Rechts eigene Rechtspersönlichkeit und kann sich damit künftig in eigenem Namen rechtsgeschäftlich verpflichten, klagen und verklagt werden. Der Bundesrat wird den Zeitpunkt der Inkraftsetzung des Gesetzes und der damit verbundenen Errichtung des ENSI sowie den Zeitpunkt der Übertragung der Aktiven und Passiven festlegen. Er hat das Übernahmeinventar sowie die Eröffnungsbilanz zu genehmigen. Dies geschieht mit Vorteil gleichzeitig.

Der Übergang der Aktiven und Passiven erfolgt im Rahmen einer Universalsukzession. Das Fusionsgesetz vom 3. Oktober 200327 ist nicht anwendbar. Die Erfahrungen aus anderen Projekten zeigen, dass in der Konkretisierungsphase der Errichtung 25 26 27

SR 172.010 BBl 2005 4045 SR 221.301

8849

von Unternehmen kurzfristig besonderer Regelungsbedarf entstehen kann. Aus diesem Grund wird dem Bundesrat die Kompetenz eingeräumt, die für den Übergang notwendigen Vorkehren zu treffen und entsprechende Bestimmungen zu erlassen.

Mit Absatz 3 wird sichergestellt, dass das ENSI auch während der Übergangsphase stets über die erforderlichen Mittel zur Aufrechterhaltung des Betriebs verfügt.

2.6.2

Übergang der Arbeitsverhältnisse (Art. 20)

Die heutigen Angestellten der HSK werden durch das ENSI übernommen. Die Arbeitsverhältnisse werden nicht beendet und wieder neu begründet, sondern übertragen und weitergeführt. Die vom Übergang betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben nach Artikel 333 Absatz 2 OR die Möglichkeit, den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses abzulehnen. Diesfalls endet das Arbeitsverhältnis auf Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist, welche sich nach dem BPG richtet. Nach Errichtung des ENSI werden die daraus entstehenden Lohnkosten bis zum Ablauf der entsprechenden Kündigungsfristen vom ENSI getragen (s. Art. 20 ENSIG).

Artikel 20 gilt nicht für die Geschäftsleitungsmitglieder. Ihre Wahl liegt in der Kompetenz des ENSI-Rates.

2.6.3

Zuständiger Arbeitgeber (Art. 21)

Diese Norm stellt klar, dass das ENSI für alle bisherigen Alters-, Hinterlassenenund Invalidenrentenbezügerinnen und -bezüger der HSK der zuständige Arbeitgeber ist und die entsprechenden Arbeitgeberpflichten übernehmen muss. Gleiches gilt hinsichtlich von Invalidisierungen, welche nach dem Inkrafttreten des ENSIG erfolgen. Dies entspricht auch der Regelung im Entwurf zu einem neuen Publica-Gesetz und zu einer Änderung des BPG, welche sich zurzeit in parlamentarischer Beratung befindet.

Nach Artikel 23 des Entwurfs Publica-Gesetz soll der Bestand an Alters- und Hinterlassenenrentnerinnen und -rentnern von PUBLICA, deren Renten spätestens am Tag vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zu laufen begonnen haben, in ein geschlossenes Vorsorgewerk überführt werden, das der PUBLICA angeschlossen ist (geschlossenes Rentenvorsorgewerk der PUBLICA). Für den Fall, dass im Zeitpunkt des Personaltransfers von der HSK zum ENSI die Rentnerkasse gemäss Artikel 23 des PUBLICA-Gesetzes bereits besteht, werden die Alters- und Hinterlassenenrentnerinnen und -rentner der HSK innerhalb dieses geschlossenen Rentenvorsorgewerks der PUBLICA neu dem Arbeitgeber ENSI zugeordnet; das ENSI bezahlt die auf es entfallenden Verwaltungskosten und finanziert eine allfällige ausserordentliche Teuerungsanpassung. Die Invalidenrentenbezügerinnen und -bezüger der HSK folgen den aktiv Versicherten ins Vorsorgewerk des ENSI; dieses ist auch für alle Arten von Neurentnerinnen und -rentnern des ENSI zuständig. Ohne eine solche Rentnerkasse werden sämtliche bisherigen Rentenbezügerinnen und -bezüger (Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenrentnerinnen und -rentner) zusammen mit den aktiv Versicherten dem Vorsorgewerk des ENSI zugewiesen.

8850

2.6.4

Ausführungsbestimmungen (Art. 22)

Der Bundesrat erlässt die Ausführungsbestimmungen zu diesem Gesetz. Dabei kann er den ENSI-Rat ermächtigen, Bestimmungen von untergeordneter Bedeutung zu Organisation, Personal- und Rechnungswesen zu erlassen Die vorliegende Delegationsnorm ermöglicht es aber nicht, Bestimmungen zu erlassen, die von ihrer Bedeutung her auf Gesetzesstufe zu regeln wären (s. Art. 164 BV).

2.6.5

Änderung bisherigen Rechts (Art. 23)

Als Teil der allgemeinen Bundesverwaltung untersteht die HSK dem Bundesgesetz vom 16. Dezember 199428 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB, vgl.

dessen Art. 2 Abs. 1 Bst. a). Auch das ENSI soll diesem Gesetz unterstehen, denn es übernimmt die bisherige Funktion der HSK und erfüllt damit eine hoheitliche Aufgabe, die sonst eine Einheit der Bundesverwaltung wahrnehmen müsste. Deshalb ist das BöB entsprechend zu ergänzen.

Der Vernehmlassungsentwurf sah eine ersatzlose Auflösung der Eidgenössischen Kommission für die Sicherheit von Kernanlagen (KSA) vor. Dieser Punkt wurde in der Vernehmlassung kontrovers beurteilt. Mit dem ENSI-Rat verfügt das ENSI über ein fachkundiges, strategisches Steuerungsgremium. Damit erübrigt sich ein zweites ständiges Gremium, welches sich mit grundsätzlichen Fragen der Nutzung der Kernenergie beschäftigt.

Falls das Departement oder der ENSI-Rat bei speziellen Fragen eine Zweitmeinung als nötig erachtet, kann dafür ein ad-hoc Gremium mit unabhängigen Fachleuten eingesetzt werden. Im Vergleich zur Variante mit einer ständigen Kommission ergeben sich dadurch keine Nachteile für die nukleare Sicherheit.

Der Bundesrat hält aus diesen Gründen an der Auflösung der KSA fest. Artikel 71 KEG ist deshalb aufzuheben.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Die Kosten des ENSI werden wie bisher für die HSK durch Gebühreneinnahmen und Aufsichtsabgaben gedeckt. Netto verbleibt beim Bund ein Aufwand für ENSI in der Höhe von maximal 3,6 Millionen Franken pro Jahr, der schon heute vom Bund bezahlt wird. Dieser setzt sich aus den Abgeltungen für die Leistungen zugunsten des Bundes im Umfang von 1,5 Millionen Franken und dem Beitrag des Bundes zur regulatorischen Sicherheitsforschung von 2,1 Millionen Franken zusammen. Die Kosten des Systemwechsels werden über das ordentliche Budget der HSK finanziert.

28

SR 172.056.1

8851

3.2

Auswirkungen auf die Kantone

Die Aufsicht auf dem Gebiet der Kernenergie ist Sache des Bundes. Die Neuregelung hat deshalb auf die Kantone und Gemeinden keine Auswirkungen.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Notwendigkeit staatlichen Handelns im Bereich der nuklearen Sicherheit ergibt sich aus dem mit der Nutzung von Kernenergie zusammenhängenden Gefährdungspotential für Mensch und Umwelt. Die angestrebte institutionelle Unabhängigkeit soll sicherstellen, dass sich die nuklearen Sicherheitsbehörden möglichst unbeeinflusst von den wirtschaftlichen Interessen und vom politischen Prozess auf die Aspekte der Sicherheit konzentrieren können.

Regelungen im Bereich der Nuklearsicherheit verursachen unterschiedliche Kosten und Nutzen für die verschiedenen Akteure (Stromproduzenten, -konsumenten, Bevölkerung, öffentliche Hand). Die Kosten für die Nuklearsicherheit lassen sich unterteilen in die direkten Kosten für die nuklearen Sicherheitsbehörden sowie die indirekten Kosten für die Erfüllung der Sicherheitsstandards durch die Kernkraftwerkbetreiber. Die Kosten für die Umsetzung von Sicherheitsstandards sind schwer einzuschätzen, ändern sich aber durch den vorliegenden Gesetzesentwurf nicht. Die Kosten der gegenwärtigen HSK hingegen sind leicht quantifizierbar, relativ gering und werden nach dem Verursacherprinzip vorwiegend von den Produzenten (letztlich aber von den Konsumenten) getragen. Sie betrugen bisher etwa 0,13 Rappen pro Kilowattstunde Nuklearstrom. Ausser gewissen Umstellungskosten sind durch den Übergang von der im BFE integrierten HSK zum selbständigen Nuklear-Sicherheitsinspektorat keine permanenten Zusatzkosten zu erwarten.

Die nukleare Aufsicht, insbesondere die Prävention von nuklearen Störfällen, hat für die Bevölkerung einen sehr hohen potentiellen Nutzen. Dieser ist allerdings im Detail naturgemäss schwer zu quantifizieren. Dies liegt einerseits an der Schwierigkeit, das Risiko einer Kernanlage hinreichend zu quantifizieren. Andererseits ist es ebenso schwierig, die auf die staatliche Aufsicht zurückzuführende Risikoverminderung konkret zu umschreiben oder gar zahlenmässig zu beziffern.

Zusammenfassend erscheint es plausibel, dass die formelle Trennung der nuklearen Sicherheitsbehörden von den Bewilligungsbehörden die nukleare Sicherheit der Schweiz im Einklang mit internationalen Richtlinien eher verbessern wird, während die zusätzlichen Kosten dafür kaum ins Gewicht fallen.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Im Bericht über die Legislaturplanung wurde eine Botschaft zum Bundesgesetz über die technische Sicherheit angekündigt mit dem Ziel einer Reorganisation der Aufsicht über die technische Sicherheit29. Die rechtliche Verselbständigung der Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen war ursprünglich im Rahmen dieser Reorganisation vorgesehen, wurde jedoch in einer späteren Phase davon abgekoppelt.

29

BBl 2004 1196

8852

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 90 BV, der dem Bund im Bereich der Kernenergie eine ausschliessliche und umfassende Gesetzgebungskompetenz einräumt.

5.2

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Das ENSIG enthält verschiedene Delegationsnormen zum Erlass von Verordnungsrecht. Damit darf der Bundesrat als Verordnungsgeber innerhalb der vom Gesetz vorgegebenen Grenzen gesetzesergänzendes Verordnungsrecht erlassen. Verfassungsrechtlich müssen sich Delegationsermächtigungen auf einen bestimmten Regelungsgegenstand beschränken, dürfen also nicht unbegrenzt sein. Die Rechtsetzungsermächtigungen des ENSIG entsprechen dieser Anforderung und sind nach Inhalt, Zweck und Ausmass hinreichend konkretisiert. Die dem Bundesrat eingeräumte Verordnungskompetenz wird dem Bestimmtheitsgrundsatz gerecht und ist damit verfassungsrechtlich ausreichend.

Artikel 22 Absatz 2 ENSIG beinhaltet zusätzlich eine begrenzte Subdelegationsmöglichkeit in den Bereichen Organisation, Personal- und Rechnungswesen. Der Bundesrat kann in diesen Bereichen den Erlass von Vorschriften unter Berücksichtigung ihrer Tragweite an das ENSI übertragen.

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