Beilage zu Nr. 37 des schweizerischen Bundesblattes.

Mittwoch. den 18. Juli 1849.

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Aus den Verhandlungen des Bundesrathes.

Angelegenheit der dentschen Flüchtlinge.

Kreisschreiben.

Der schweizerische Bundesrath an sämmtliche eidgenossische Stände.

Bern, den 15. Juli 1849.

Getreue, liebe Eidgenossen!

Dem Vernehmen nach sollen auch einzelne solcher Fluchtlinge wieder in die Schweiz sich erschleichen, welche entweder von der Bundesbehörde ausgewiesen worden sind, wie z. B. Heinzen, oder die wegen Theilnahme an der

zweiten badischen Erhebung im September 1848 das Asyl-

recht verwirkt haben, wie Struve und Mithafte.

Der Bundesrath sieht sich daher veranlaßt, die hohen Kantonsregierungen einzuladen , aus solche Individuen Bnndesblatt I. Bd. II.

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achten zu lassen und denfelben in ihrem resp. Gebiet keine Aufnahme oder Duldung zu gewähren.

Dabei bringt der Bundsrath annoch in Erinnerung,

daß .die Flüchtlinge Neff, Thielmann und Löwenfels am 8. Dezember v. J., Heinzen und Lommel hinwieder am 28. März abbin aus der Eidgenossenschaft weggewiesen

worden sind. (Vergleiche Bundesblatt S. 240 und zweite Beilage zu Nr. 13 desselben.)

Uebrigens benutzen wir diesen Anlaß, Euch, getreue, liebe Eidgenossen, sammt uns in Gottes Machtschutz zu empsehlen.

(Folgen die Unterschristen.)

Beschluß.

Der schweizerische Bundesrath, Jn Betracht der sehr beträchtlichen Anzahl von militärischen und andern politischen Flüchtlingen , die ans dem Großherzogthum Baden, sowie aus Rheinbaiern, infolge des Bürgerkrieges, dessen Schauplatz jene Länder gewesen, aus schweizerisches Gebiet übergetreten sind; Jn Betracht, daß aus Ersahrung erhellet, daß die Anwesenheit einer beträchtlichen Anzahl von Flüchtlingen in der Schweiz, sowie auch die Unternehmungen, denen sie sich hingegeben, sowohl der Eidgenossenschaft als den Kantonen und Bürgern sehr schwere Lasten verursacht haben ; Jn^ Erwägung, daß, wenn die Häupter des letzten

255 Aufstandes im Großherzogthum Baden und Rheinbaiern im Lande geduldet würden, die Schweiz der Fortdauer jener Lasten sich ausgefetzt sehen müßte; Jn Betracht der gerechten Mißstimmung, welche diefe Lage der Dinge bei der fchweizerifchen Bevölkernng erwecken dürfte;

Jn Betracht, daß die Schweiz nicht gewillt ist, ihren Boden als Herd der Propoganda herzugeben, und zu Umtrieben mißbrauchen zu lassen, welche die benachbarten Staaten beunruhigen und die Eidgenossenschaft in große Verlegenheiten verwickeln könnten; Jn der Absicht, felbst der Möglichkeit von Projekten und Versuchen , welche die völkerrechtlichen Verhältnisse der Eidgenossenschaft gefährden könnten, zuvorzukommen; Jn Erwägung, daß der Begriff des Asylrechtes nicht so weit ausgedehnt werden darf, daß dadurch die innere oder äußere Sicherheit der Schweiz in Frage gestellt werden könnte; Jn Betracht, daß, da die Häupter des Aufstandes eine Zuflucht in Frankreich oder in andern Ländern finden können, das Asyl aus dem Boden der Eidgenossenschaft sur sie kein unumgängliches Bedürsniß ist;

Jn Erwägung, daß ein Mittel znr Beschleunigung des Abzuges jener Massen von Flüchtlingen, wie zugleich auch zur Auswirkung e.iner Amnestie für diefe Unglücklichen,

geradehin der Ausweisung der politischen und militärischen Chefs des Aufstandes gegeben fein dürfte; Jn Erwägung, daß die Schweiz die Pflichten, welche

ihr die Humanität gegenüber dem Unglück auferlegt, hinlänglich erfüllt hat, indem sie den dnrch eine zahlreiche Armee verfolgten Flüchtlingen auf ihrem Boden Schutz und gastliche Aufnahme so lange gewährte, bis es

256 denselben möglich wird , entweder in ihre Heilnach , zurückzukehren oder anderswo eine sichere Zufluchtsstätte zu finden ;

Gestützt aus Art 57 und 90, Ziffer 8, 9 und 10 der Bundesverfassung; befchließt: Art. 1. Die politischen und militärischen Chefs, sowie auch die andern Hauptsührer, welche sich bei dem neuerlichen Aufstande in Rheinbaiern und im Großherzogthum Baden betheiligt haben, und die fo eben in der Schweiz angekommen sind, werden fofort ans dem Gebiete der Eidgenossenschaft ausgewiesen.

Art. 2. Jm vorstehenden ersten Artikel sind inbegriffen : a. Alle diejenigen, welche Mitglieder einer provisorischen Regierung oder anderer derartiger Behörden gewesen sind, als: Ziz, Brentano, Struve, Gögg, Werner, Fickler; . b. die militärischen Chefs, als: Louis Mieroslawsky

(Pole), Sigel, Doll, Merfy, Blenker, Willich, Germain Metternich; c. andere Männer, welche eine höhere oder einflußreichere Stellung bei der Regierung oder bei der Armee der Aufständischen eingenommen haben, und deren Namen der fchweizerifche Bnndesrath fpäter bekannt machen wird.

Art. 3. Ferner follen ans dem schweizerischen Gebiete ausgewiesen werden, die in dem Kreisschreiben vom 15.

d.M. erwähnten Jndividuen, als: K.Heinzen, Fr. Neff, Löwenfels, G. Thielmann und alle Diejenigen, welche an dem Einfall in das Großherzogthum Baden im September

1848 Theil genommen haben.

257 . Art. 4. Die Kantonalbehördensindeingeladen, unver-

züglich für Vollziehung des gegenwärtigen Befchlnsses zu sorgen. Dieselben haben sich, um diejenigen Nachweisungen, deren sie bedürsen sollten, zu erhalten, an das schweizerische Justiz- und Polizeidepartement zu wenden.

Sie werden den in Art. 2 und 3 oben erwähnten Jndividuen die ersorderlichen Pässe ausstellen, um sich damit nach Frankreich oder nach einem andern Staate , in welchem sie Sicherheit zu gewärtigen haben, begeben zu können.

Die Kantonalbehörden sind eingeladen, dem schwei-

zerischen Bundesrath über die Vollziehung dieses Beschlnsses Bericht zu erstatten.

Gegeben in Bern, den 16. Juli 1849.

(Folgen die Unterschristen).

Kreisschreiben.

Bern, den 17. Juli 1849. .

Der schweizerische Bundesrath an die Regierungen sämmtlicher eidgenössischen Stände.

Getrene, liebe Eidgenossen!

Wir

übermachen Euch beiliegend

den von uns in

gestriger Sitzung gefaßten Beschluß, demzufolge aus der Schweiz ausgewiefen werden sollen: 1) die bei dem jüngsten Anfstand in Rheinbaiern und im Großherzogthum Baden

betheiligten politischen und militärischen Ehess, sowie die andern Hanptagenten, welche so eben in der Schweiz an-

258 gekommen sind; 2) die in unserm Kreisschreiben vom 15.

d. M. näher bezeichneten Individuen.

Die Motive unseres Beschlusses sind so umständlich

entwickelt und sprechen so hinlänglich für sich selbst, daß wir nicht nöthig haben, uns in eine weitere Begründung einer eben so dringlichen als im höchsten Jnteresse des Vaterlandes liegenden Maßregel einzulassen.

Sobald wir im Besitze des Namensverzeichnisses der

in der Schweiz befindlichen geflüchteten Militärs und anderer Jndividuen sein werden, werden wir Euch die Namen derjenigen zur Kenntniß bringen, welche unter Art. 1 und 2 des Beschlusses fallen und die noch nicht haben bezeichnet werden können.

Wir zweifeln nicht daran, getreue, liebe Eidgenossen.

daß Jhr, von der Notwendigkeit unferer Schlußnahme überzeugt, Alles thun werdet, was in Euern Kräften liegt, um derfelben eine genaue und beförderliche Vollziehung zu verschaffen. Jhr werdet nns gefälligst fo bald als möglich Bericht und Anzeige zugehen lassen, welche Fluchtlinge in Folge diefes Beschlusses Euern Kanton verlassen haben, an welchem Tag sie abgereist sind, wohin sie sich begeben und ob sie mit einem Passe versehen worden seien.

Wir unserseits werden, im Gefühle der ganzen Verantwortlichkeit, welche auf uns wie auf Euch ruht, nichts verabfänmen, was geeignet fein dürfte, die Abreise der Masse dieser Flüchtlinge zn beschleunigen. Zu diesem Zwecke hat unser Präsident bei dem großherzoglich badischen Gesandten die erforderlichen Schritte bereits gethan; dasselbe ist auch von unseren diplomatischen Agenten im Auslande geschehen und die dießfälligen Unterhandlungen dauern stets fort; endlich haben wir uns im nämlichen Sinne direkt und auf eindringliche Weife an die Regierungen

259 der Staaten, denen diese deutschen Flüchtlinge angehören, namentlich an Sachsen, Baiern, Wurtemberg, Baden, Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel gewendet, um zu dem so wünschenswerten Ziele zu gelangen.

Bis jedoch unsere ebenso gerechten als im wohlverstandenen Interesse jener Staaten liegenden Verwendungen einen günstigen Erfolg erreicht haben werden, laden wir Euch ein, der unentwegten Vollziehung unserer Kreisschreiben und Beschlüsse jene thätige und aufrichtige Unterstützung angedeihen zu lassen, welche Euch anmit zu verdanken, uns zu hoher Befriedigung gereicht.

Wir ergreisen diesen Anlaß u. s. w.

(Folgen die Unterschriften.)

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18.07.1849

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