zu 04.438/04.449 Parlamentarische Initiative Legislaturplanung Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 3. November 2005 Stellungnahme des Bundesrates vom 1. Februar 2006

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 3. November 2005 über die Änderung des Parlamentsgesetzes (ParlG) und des Geschäftsreglements des Nationalrats nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des ParlG nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

1. Februar 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2005-3261

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Mit Schreiben vom 3. November 2005 stellte die Staatspolitische Kommission des Nationalrates dem Bundesrat eine Änderung des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (ParlG) und des Geschäftsreglements des Nationalrats vom 3. Oktober 2003 zu, mit der die Behandlung der Legislaturplanung im Parlament angepasst werden soll. Hintergrund dafür waren die Erfahrungen mit der Beratung der Legislaturplanung 2003­2007 in der Sommersession 2004 (vgl. 04.012), welche zum ersten Mal gemäss ParlG erfolgte und aus verschiedenen Gründen nicht zu befriedigen vermochte.

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Allgemeine Bemerkungen

Der Bundesrat hat bereits in seiner Stellungnahme vom 22. August 2001 zum Parlamentsgesetz (BBL 2001 5429­5431) dargelegt, dass der Staat seine politische Führungsrolle wahrnehmen und vorausschauend planen und handeln soll. Gefragt ist eine wirksame und effiziente Staatsleitung, die sowohl den nationalen wie den internationalen Herausforderungen gewachsen ist.

Die Notwendigkeit einer wirksamen und effizienten Staatsleitung setzt der Kooperation zwischen den Gewalten ­ oder dem gegenseitigen «Einwirken» ­ insofern Grenzen, als Entscheidungen rechtzeitig zu erfolgen haben und Verantwortlichkeiten klar zugewiesen werden müssen. Der Bundesrat begrüsst in diesem Sinne nach wie vor, dass das Parlament an der Planung der staatlichen Tätigkeiten mitwirkt und dem Bundesrat Aufträge erteilt. Er teilt auch die Auffassung, dass Artikel 180 BV dem Bundesrat die Aufgabe einer kohärenten Gesamtplanung zuweist und dass das Parlament punktuell, bei wichtigen Planungen, die Schwerpunkte anders setzen können soll, wo es dies für notwendig erachtet (Art. 173 Abs. 1 Bst. g BV); dies wurde denn auch bereits im Zusatzbericht der SPK zur Verfassungsreform so festgehalten (BBl 1997 III 288).

Der Bundesrat ist aber nach wie vor nicht von der Zweckmässigkeit der neuen Beschlussform für die Legislaturplanung (einfacher Bundesbeschluss) überzeugt. Er zweifelt daran, dass die Änderungen, die jetzt vorgeschlagen werden, die Schwierigkeiten, die in der Sommersession 2004 festgestellt wurden, beheben werden. Er sieht die Gründe für das Scheitern nicht nur im Instrumentarium und in den Verfahren, sondern vor allem auch in der politischen Entscheidfindung. Ein Beschluss über eine Legislaturplanung, die den ganzen Bereich der Bundespolitik abdeckt, setzt den Willen aller Beteiligten zur Konkordanz und zur Prioritätensetzung voraus. Der Bundesrat befürchtet namentlich, dass eine solche Prioritätensetzung wegen der zu erwartenden Fülle von Anträgen schwer zu erreichen ist.

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Anträge zu einzelnen Vorschlägen der Kommission

Der Bundesrat stellt im Einzelnen folgende Änderungsanträge: Art. 144

Geschäftsbericht des Bundesrats

Die vorgeschlagenen Änderungen sind geringfügig und passen die gesetzlichen Vorgaben an die heutige Praxis an. Der Bundesrat ist mit dieser Aktualisierung grundsätzlich einverstanden, schlägt aber folgende Anpassungen vor: Art. 144 Abs. 3 Der Geschäftsbericht des Bundesrates orientiert über die Schwerpunkte seiner Tätigkeit im Geschäftsjahr. Er informiert über die Erreichung der im Geschäftsjahr massgeblichen Jahresziele, über die Umsetzung der Legislaturplanung und des Gesetzgebungsprogramms sowie über den Stand der übergeordneten für die generelle Lagebeurteilung und die Überprüfung der Zielerreichung relevanten Indikatoren. Abweichungen sowie ungeplante Vorhaben sind zu begründen.

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Begründung: Der Begriff «übergeordnet» ist ohne weitere Erklärungen unklar und kann zu Missverständnissen führen. Bei ausschliesslicher Lektüre des Gesetzestextes könnte der Eindruck entstehen, dass die Indikatoren den Zielen übergeordnet seien, was nicht die Absicht der Kommission ist, wie auch aus dem erläuternden Bericht S. 12 hervorgeht. Der Begriff «übergeordnete Indikatoren» ist im Bericht des Bundesrates «Indikatoren als strategische Führungsgrössen für die Politik» vom 25. Februar 2004 definiert1. Auf den Seiten 19­25 dieses Berichts hat der Bundesrat das zweistufige System der Führungsindikatoren beschrieben: Von insgesamt 100 Indikatoren hat er 15 als «übergeordnete Indikatoren» bezeichnet; diese betrachtet er als besonders relevant in Bezug auf ­ erstens ­ die jährliche Lagebeurteilung und ­ zweitens ­ die Überprüfung der Zielerreichung, und zwar in Bereichen, in denen quantifizierte politische Ziele vorliegen. Die beantragte Neuformulierung beschreibt diese Zusammenhänge präzis und unmissverständlich.

Art. 146

Legislaturplanung

Der Bundesrat beantragt die folgenden Änderungen in Absatz 3: Art. 146 Abs. 3 In der Botschaft über die Legislaturplanung werden den Zielen nach Möglichkeit die übergeordneten Indikatoren zugeordnet, mit denen die Zielerreichung überprüft werden kann. Zudem gibt die Botschaft einen Überblick 3

1

Vgl. Bericht des Bundesrates vom 25. Februar 2004 «Indikatoren als strategische Führungsgrössen für die Politik», in Erfüllung des Postulats «Erarbeitung eines Indikatorensystems als Führungsinstrument» (00.3225) der nationalrätlichen Legislaturplanungskommission (00.016 NR). Herausgegeben von der Bundeskanzlei und dem Bundesamt für Statistik, Bern und Neuenburg 2004.

http://www.admin.ch/ch/d/cf/rg/indikatoren04/Indikatoren_04.pdf Auf Wunsch der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats hat der Bundesrat in seinem Geschäftsbericht 2004 auf den S. 9­11 über den Stand der übergeordneten Indikatoren informiert und seine daraus folgende politische Beurteilung dargelegt.

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über alle Erlassentwürfe, die der Bundesrat während der Legislaturperiode der Bundesversammlung vorzulegen plant (Gesetzgebungsprogramm).

Begründung: Die Neuformulierung umschreibt zum einen klarer, was mit den Indikatoren bezweckt wird (vgl. Ausführungen zu Art. 144). Zum anderen hält man sich mit dem Zusatz «nach Möglichkeit» die Option offen, dort auf Indikatoren zu verzichten, wo es sie nicht gibt.

Art. 147

Behandlung der Legislaturplanung

Der Bundesrat ist mit der Neufassung nur teilweise einverstanden. Er beantragt, bei Absatz 2 materiell an der heutigen Regelung festzuhalten und die Formulierung wie folgt anzupassen: Art. 147 Abs. 2 Die Bundespräsidentin oder der Bundespräsident vertritt die Ziele und Massnahmen sowie das Gesetzgebungsprogramm der Legislaturplanung in den Räten. Die Vorsteherin oder der Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements vertritt den Legislaturfinanzplan in den Räten.

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Begründung: Die Diskussion über diese Bestimmung wurde bereits bei der Beratung des Parlamentsgesetzes geführt. Für den Bundesrat ist klar, dass der Finanzminister oder die Finanzministerin den Legislaturfinanzplan im Parlament vertreten soll. Auch der jährliche Finanzplan wird durch ihn oder sie und nicht durch den Bundespräsidenten oder die Bundespräsidentin präsentiert. Er möchte daher an der bisherigen klaren Regelung festhalten.

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