Die Verteidigungsattachés Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 23. Mai 2006

Vorbemerkung: Die in diesem Bericht verwendeten Funktionsbezeichnungen (Verteidigungsattaché, Missionschef usw.) beziehen sich auf beide Geschlechter.

2006-1686

8683

Zusammenfassung Die Eidgenossenschaft verfügt seit dem Zweiten Weltkrieg über Verteidigungsattachés im Ausland. Sie sind im Netz der diplomatischen Vertretungen der Schweiz integriert und vertreten die sicherheitspolitischen und militärischen Interessen der Schweiz nach aussen.

Gegenwärtig unterhält die Schweiz weltweit siebzehn Verteidigungsattachéposten, nämlich in Ankara, Belgrad, Berlin, Islamabad, Kairo, Kiew, London, Madrid, Moskau, Neu Delhi, Paris, Peking, Rom, Stockholm, Washington und Wien. Das Netz der Verteidigungsattachés verursacht jährliche Ausgaben in der Grössenordnung von 10 Millionen Franken (2005).

Eine Inspektion der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) zeigte, dass das Aufgabenspektrum der Verteidigungsattachés sehr breit ist. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges kann im Grossen und Ganzen zwischen zwei Arten von Verteidigungsattachés unterschieden werden: ­

Attachés, deren Aufgabe im Wesentlichen im Nachrichtenbereich liegt: Ihre Mission besteht darin, im Auftrag der politischen Behörden oder der Armeeführung mit allen legalen Mitteln Informationen zu beschaffen, die in den Bereich der Sicherheitspolitik fallen.

­

Attachés, deren Funktion auf die bilaterale Zusammenarbeit zwischen der Schweizer Armee und den Streitkräften in ihren Akkreditierungsländern ausgerichtet ist: Diese Zusammenarbeit umfasst den Informationsaustausch, die Fachausbildung, gemeinsame Übungen sowie die Zusammenarbeit in anderen Bereichen, z.B. in der Katastrophenhilfe und in der Sicherung des Luftraums.

Während die von den Attachés wahrgenommenen Funktionen relativ klar sind, war es für die Kommission schwieriger, den konkreten Mehrwert der Tätigkeit der Attachés gegenüber anderen Informationsquellen zu eruieren. Die Mehrheit der angehörten Personen, darunter der Vorsteher des VBS und der Armeechef, hielten zwar fest, dass die Leistungen der Verteidigungsattachés nützlich seien und allgemein geschätzt würden, doch bekundeten sie Mühe, zu erklären, inwiefern das System für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben von wesentlicher Bedeutung sei.

In den Augen der Kommission konnte das VBS die Notwendigkeit des Systems der Verteidigungsattachés nicht überzeugend aufzeigen. Vor allem wurde nicht dargelegt, inwiefern diese Attachés für die Führung der Armee oder des Landes notwendig sind. In Frage gestellt werden nicht die Qualitäten der Verteidigungsattachés ­ die meisten wurden in einem strengen Verfahren ausgewählt ­ sondern die Verwendung ihrer Kompetenzen und die ihnen übertragenen Aufgaben.

Damit stellt sich unweigerlich die Frage über die Art und Weise, wie die Verteidigungsattachés geführt werden. Die Kompetenzen und Verantwortungen scheinen heute sehr verzettelt; sie verteilen sich auf verschiedene Dienste, d.h. auf den Chef Internationale Beziehungen, den Missionsschef und den Strategischen Nachrichtendienst. Das System ist schwerfällig und unklar, was zur Folge hat, dass die Verteidi-

8684

gungsattachés kaum in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden und dass wichtige Informationen nicht immer zu den richtigen Adressaten gelangen. Die Kommission konnte feststellen, dass die Verteidigungsattachés, vor allem in entlegenen Hauptstädten, oft selbstverwalterisch agieren müssen. In Ermangelung eines geeigneten Gesprächspartners in der Zentrale, der für die Gesamtheit des Systems bürgt, fühlen sie sich zuweilen auf sich selbst gestellt, was ebenfalls Schwierigkeiten bereiten kann.

Mit seinen 17 Posten ist das Netz der Schweiz mit den Netzen gleich grosser Länder vergleichbar. Es übertrifft jene von Finnland und Norwegen, ist aber kleiner als jene Belgiens, der Niederlande, Österreichs, Portugals, Schwedens und Spaniens. Zieht man die Anzahl Länder in Betracht, bei denen die Schweiz einen ­ residierenden oder nicht residierenden ­ Verteidigungsattaché akkreditiert hat, liegt die Schweiz weit vor der Niederlande, Österreich, Portugal, Norwegen, Schweden und Finnland.

Bemerkenswert ist, dass ein Land wie Irland über keine Verteidigungsattachés verfügt.

Die Kommission ist der Meinung, dass das heutige Netz mit seinen zahlreichen Akkreditierungen nicht im Verhältnis zu dem Gewicht unseres Landes im Bereich der Sicherheitspolitik steht. Zudem fehlen weitgehend die Mittel für die Gewährleistung einer wirkungsvollen und nachhaltigen Präsenz. Wie ist es beispielsweise einem in Moskau residierenden Verteidigungsattaché möglich, gleichzeitig die Situation in Russland und die Ereignisse in Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan zu verfolgen?

Nach Auffassung der Kommission müsste das Netz auf das wirklich Notwendige beschränkt werden; dabei könnten gewisse Länder direkt von der Schweiz aus mit Reiseattachés abgedeckt werden. Wichtig in ihren Augen ist auch, dass die Synergien zwischen den Aufgaben der Verteidigungsattachés und den Tätigkeiten von Bundesbediensteten, die im Ausland in anderen Sicherheitsbereichen tätig sind (Polizeiattachés, Attachés für Migrationsfragen usw.), besser genutzt werden.

Für die Kommission beschränkt die Sicherheitspolitik sich nicht mehr nur auf militärische Belange. Das Spektrum der sicherheitspolitischen Herausforderungen ist weit über die rein militärische Dimension hinausgewachsen und umfasst heute auch Fragen im Zusammenhang mit der
Migration, dem Terrorismus, dem organisierten Verbrechen, dem Menschenhandel, den zunehmenden zwischenstaatlichen Konflikten, den Technologierisiken, den Umweltgefährdungen, der Ressourcenverknappung usw.

Die GPK-N ist der Meinung, dass das System der Verteidigungsattachés in der heutigen Form den Herausforderungen, denen die Schweiz auf sicherheitspolitischen Gebiet gegenübersteht, nicht gerecht wird. Deshalb empfiehlt die Kommission dem Bundesrat, das heutige System der Verteidigungsattachés hinsichtlich Aufgaben, Organisation, Effizienz, Zweckmässigkeit und sicherheitspolitischem zu überprüfen und darüber Bericht zu erstatten. Dabei sind sämtliche Bereiche der Sicherheitspolitik einzubeziehen und die Tätigkeiten und Mittel im In- und Ausland darzustellen, ausserdem soll eine zweckmässige Organisation vorgeschlagen und das Berufsbild gestärkt werden.

8685

Abkürzungen BBl

Bundesblatt

DRA

Direktion für Ressourcen und Aussennetz des EDA

DSP

Direktion für Sicherheitspolitik des VBS

EDA

Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten

EJPD

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement

EU

Europäische Union

EVD

Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement

GPK-N

Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates

KMV

Verordnung vom 25.2.1998 über das Kriegsmaterial (SR 514.511)

LWND

Luftwaffennachrichtendienst

MND

Militärischer Nachrichtendienst

NATO

Nordatlantikpakt-Organisation

OSZE

Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

SECO

Staatssekretariat für Wirtschaft

SND

Strategischer Nachrichtendienst

SR

Systematische Sammlung des Bundesrechts

UNO

Organisation der Vereinten Nationen

VAE

Vereinigte Arabische Emirate

VBS

Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport

8686

Bericht 1

Einleitung

1.1

Kontext und Auftrag

Anfang 2004 beauftragte die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) ihre Subkommission EDA/VBS mit der Durchführung einer Inspektion über die Verteidigungsattachés. Diese Inspektion bildet die Fortsetzung der Arbeit der GPK-N auf dem Gebiet der diplomatischen Vertretungen der Schweiz im Ausland1. Sie bezweckt eine Beurteilung des Nutzens des Systems der Verteidigungsattachés für die Sicherheitspolitik der Schweiz sowie eine Evaluation der Kohärenz des Netzwerks im Verhältnis mit den Interessen der Schweiz im Ausland.

Die Subkommission hat ihre Arbeit folgenden Themen gewidmet: ­

Rolle und Funktion der Verteidigungsattachés;

­

Auswahl, Einsatz und Führung der Verteidigungsattachés;

­

Netz der Verteidigungsattachéposten.

Die Subkommission setzte sich aus folgenden Mitgliedern zusammen: Nationalrat Jean-Paul Glasson (Präsident), Nationalrätinnen Josy Gyr-Steiner und Lucrezia Meier-Schatz sowie Nationalräte Serge Beck, André Daguet, Hans Ulrich Mathys, Geri Müller, Fritz Abraham Oehrli, Stéphane Rossini, Pierre-François Veillon und Christian Waber.

1.2

Vorgehen

Die Subkommission nahm ihre Arbeit im Frühling 2004 auf, hielt zehn Sitzungen ab und hörte dabei die folgenden Personen an, die in der Reihenfolge ihrer Anhörung aufgeführt sind:

1

­

Divisionär Josef Schärli, Chef Internationale Beziehungen im Stab Chef der Armee (bis zum 31.12.2005), Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS);

­

Bruno Russi, Chef Einsatz Verteidigungsattachés, Bereich Internationale Beziehungen im Stab Chef der Armee, VBS;

­

Hans Wegmüller, Direktor des Strategischen Nachrichtendienstes (SND), VBS;

­

Jean-Denis Geinoz, Chef Internationale Beziehungen im Heeresstab, VBS;

Siehe Bericht der GPK-N über die Personalpolitik in den Karrierediensten und Organisation des Aussendienstes im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten vom 22.8.2002 (BBl 2003 2995). In diesem Bericht hält die Kommission fest: «Die Kommission ist generell der Ansicht, dass die Funktion und die Zweckmässigkeit der Verteidigungsattachés einer besonderen Würdigung bedürfen, die aber in diesem Rahmen nicht möglich ist. Sie wird sich mit diesen Fragen in einem nächsten Bericht befassen.» (BBl 2003 3065).

8687

­

Oberst im Generalstab Bruno Capelli, Verteidigungsattaché in der Türkei, in Syrien, im Libanon und im Iran (bis zum 31.12.2005), Schweizer Botschaft in Ankara, VBS;

­

Oberst im Generalstab Beat Eberle, Verteidigungsattaché in Schweden, Finnland, Estland, Lettland und Litauen (bis Anfang 2006), Schweizer Botschaft in Stockholm, VBS;

­

Jacques Pitteloud, Nachrichtenkoordinator (bis zum 1.10.2005), Generalsekretariat VBS;

­

Korpskommandant Christophe Keckeis, Chef der Armee, VBS;

­

Raimund Kunz, Direktor der Direktion für Sicherheitspolitik (DSP), VBS, ehemaliger Schweizer Botschafter in Ägypten, Eritrea und Sudan;

­

Bundesrat Samuel Schmid, Vorsteher des VBS.

Der Präsident der Subkommission führte zudem informelle Gespräche mit Korpskommandant Jacques Dousse, Verteidigungsattaché in Frankreich, Belgien, Luxemburg, den Niederlanden und Portugal, sowie mit Oberst im Generalstab Daniel Bader, Verteidigungsattaché in Deutschland und Polen.

Nebst diesen Gesprächen stützte sich die Subkommission bei ihrer Arbeit auf verschiedene Unterlagen, insbesondere auf ­

die Pflichtenhefte der Verteidigungsattachés,

­

die Regelung der Zusammenarbeit zwischen dem Büro Verteidigungsattachés und den Nachrichtendiensten vom 20. März 2001,

­

die Richtlinien vom 5. April 2001 für die nachrichtendienstliche Führung der Verteidigungsattachés und ihrer Stellvertreter,

­

den Bericht des VBS vom 28. Oktober 2002 über das Dispositiv der Verteidigungsattachés,

­

die Richtlinien vom 1. Oktober 2003 für den Verteidigungsattachéposten in Berlin,

­

die Richtlinien vom 1. Oktober 2003 für den Verteidigungsattachéposten in Peking,

­

die Vereinbarung vom 4. Juni 2004 zwischen der Direktion für Ressourcen und Aussennetz (DRA) des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und dem Bereich Internationale Beziehungen Verteidigung im Stab Chef der Armee betreffend die administrative und personelle Eingliederung von schweizerischen Verteidigungsattachés und deren Mitarbeiter/Innen an schweizerischen Vertretungen im Ausland,

­

die Zielvereinbarung 2005 für den Posten des Verteidigungsattachés in Berlin,

­

die Zielvereinbarung 2005 für den Posten des Verteidigungsattachés in Peking.

Die Subkommission befasste sich auch mit einem auf ihr Ersuchen vom VBS erstellten Bericht über die von anderen, mit der Schweiz vergleichbaren europäischen Ländern unterhaltenen Netzwerke von Verteidigungsattachés. Dieser Bericht vermittelt Einblicke in die Situation in Österreich, Belgien, Spanien, Finnland, Irland, Norwegen, den Niederlanden, Portugal und Schweden.

8688

Die Subkommission setzte sich ausserdem über die Gründe ins Bild, die den Bundesrat im August 2004 dazu bewogen, den Posten des Verteidigungsattachés in Indien (mit zusätzlicher Akkreditierung in Nepal und Sri Lanka) wieder zu eröffnen und einen neuen Posten in Pakistan (mit zusätzlicher Akkreditierung in Afghanistan und im Iran) zu besetzen. Diese Posten werden im Laufe des Jahres 2006 operationell sein.

Schliesslich stellte die Subkommission dem VBS und dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement (EVD) schriftliche Fragen zur Rolle der Verteidigungsattachés auf dem Gebiet der Kriegsmaterialausfuhr.

Die Subkommission schloss ihre Arbeiten am 27. März 2006 ab. Sie unterbreitete ihren Berichtsentwurf zur Stellungnahme den Vorstehern des VBS und des EVD.

Der Vorsteher VBS hat seine Bemerkungen mit Schreiben vom 7. April 2006 mitgeteilt. Seine Anregungen wurden von der Subkommission teilweise berücksichtigt.

Der Vorsteher EVD hat am 6. April 2006 Stellung genommen und keine besonderen Bemerkungen zum Inhalt des Berichts geäussert.

Der Schlussbericht der Subkommission wurde der GPK-N am 23. Mai 2006 vorgelegt, die diesen mitsamt seinen Schlussfolgerungen und Empfehlung guthiess. Die Kommission beschloss des Weiteren, den Bericht an den Bundesrat weiterzuleiten und ihn zu veröffentlichen.

2

Rolle und Funktion der Verteidigungsattachés

2.1

Allgemeines

Die Schweiz verfügt erst seit 1937 über Verteidigungsattachés im Ausland. Zu jenem Zeitpunkt ermächtigte der Bundesrat das Eidgenössische Militärdepartement (EMD, heute VBS) zur Schaffung von Militärattachéposten bei den schweizerischen Gesandtschaften2 in Berlin, Paris und Rom. Während des Zweiten Weltkriegs folgten weitere Posten: London (1941), Ankara (1942), Helsinki, Stockholm und Washington (1943) sowie Budapest (1944). Das Dispositiv wurde nach dem Krieg bis heute fortlaufend auf weitere Hauptstädte erweitert (Tokio 1971, Kiew 1996, Peking 1998 usw.).

Gegenwärtig stehen Verteidigungsattachés in 17 diplomatischen Vertretungen der Schweiz im Ausland im Einsatz, die bei den Behörden von insgesamt 74 Ländern akkreditiert sind (s. Ziff. 3.1).

Die Hauptaufgabe der Verteidigungsattachés besteht darin, das VBS und die Armee bei den Verteidigungsministerien und den Streitkräften ihrer Akkreditierungsländer zu vertreten. Somit bilden sie das diplomatische Instrument des Vorstehers des VBS und des Chefs der Armee.

Die Verteidigungsattachés erfüllen namentlich folgende Aufgaben: ­

2

Sie beraten die Missionschefs bei sämtlichen Fragen der Sicherheitspolitik und in sämtlichen militärischen Belangen; Bis in die fünfziger Jahre hinein verfügte die Schweiz nicht über Botschaften im Ausland, sondern lediglich über Gesandtschaften. Siehe dazu die Botschaft des Bundesrates vom 5.12.1955 betreffend die Umwandlung schweizerischer Gesandtschaften in Botschaften (BBl 1955 II 1335).

8689

­

sie beschaffen, analysieren und erstatten Bericht an die Zentrale über sicherheitspolitische und militärische Entwicklungen in den Akkreditierungsstaaten;

­

sie üben die Funktion eines Verbindungsoffiziers mit den Verteidigungsministerien und Streitkräften aus und fördern die bilateralen Beziehungen und die bilaterale Zusammenarbeit im militärischen Bereich;

­

sie dienen als Ansprechstelle für sämtliche militärischen und sicherheitspolitischen Fragen und knüpfen Kontakte für die armasuisse3 sowie für schweizerische Anbieter auf dem Rüstungsmarkt;

­

sie organisieren und betreuen die offiziellen Besuche hochrangiger Persönlichkeiten und Militärs aus der Schweiz.

Auf völkerrechtlicher Ebene sind die Verteidigungsattachés Teil des Personals der diplomatischen Vertretungen der Schweiz im Ausland; ihre Rechte und Pflichten werden durch das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen geregelt4. Kraft dieses Übereinkommens sind die Verteidigungsattachés berechtigt, «sich mit allen rechtmässigen Mitteln über Verhältnisse und Entwicklungen im Empfangsstaat zu unterrichten und darüber an die Regierung des Entsendestaats zu berichten» (Art. 3 Abs. 1 Bst. d). Mit anderen Worten: Die Verteidigungsattachés haben das Recht, über sämtliche frei zugängliche oder ihnen offiziell mitgeteilte Informationen Bericht zu erstatten. Sie sind jedoch nicht berechtigt, Spionage zu betreiben oder Informantennetze zu unterhalten.

Auf protokollarischer Ebene rangieren die Verteidigungsattachés unmittelbar hinter dem ersten Mitarbeiter der Botschaft.

2.2

Auswahl und Einsatz der Verteidigungsattachés

Die Verteidigungsattachés und ihre Stellvertreter rekrutieren sich zwingend aus dem Offizierskorps der Armee. Dabei handelt es sich entweder um Berufsoffiziere, um zivile Mitarbeiter der Bundesverwaltung im Offiziersrang oder um andere Milizoffiziere. Das Korps der Verteidigungsattachés und Stellvertreter setzt sich zur Zeit (Stand am 1. Januar 2006) wie folgt zusammen: fünf Berufsoffiziere (22 %), vierzehn Milizoffiziere aus der Bundesverwaltung (64 %) und drei Milizoffiziere von ausserhalb der Bundesverwaltung (14 %). Die Funktion des Verteidigungsattachés steht sowohl Frauen als auch Männern offen.

Grundsätzlich bekleiden die Verteidigungsattachés den Rang eines Obersten, für die Posten von Paris und Washington sowie in bestimmten Sonderfällen jenen eines höheren Stabsoffiziers (Brigadier, Divisionär und seltener Korpskommandant). Die Stellvertreter der Verteidigungsattachés stehen üblicherweise im Rang eines Oberstleutnants oder Majors.

Die Zulassung zum Posten des Verteidigungsattachés und seines Stellvertreters stehen jedem Offizier der Armee offen. Sie fusst auf einem ähnlichen Selektionsprozess, wie es das EDA für künftige Diplomaten verwendet. Das Selektionsverfahren 3

4

Die armasuisse-Gruppe stellt die Versorgung der Armee und des VBS mit Produkten und Dienstleistungen auf dem Gebiet der Waffensysteme, Informatiksysteme, Material und Bauten sicher.

Wiener Übereinkommen vom 18.4.1961 über diplomatische Beziehungen (SR 0.191.01).

8690

wurde in den 50er Jahren eingeführt. Im Jahr 2003 wurde es überarbeitet, dabei wurden die Zulassungsanforderungen erhöht.

Eine erste Auswahl erfolgt aufgrund der Bewerbungsdossiers; die berücksichtigten Anwärter werden danach einer Reihe von Prüfungen unterzogen, wobei Sprachkenntnisse, Allgemeinbildung sowie Sozialkompetenz beurteilt werden. Dazu absolvieren sie ein individuelles Assessment, an dem auch der Ehepartner teilnimmt.

Die in dieser Auswahlrunde erfolgreichen Anwärter werden sodann von einer Zulassungskommission angehört. Diese steht unter dem Vorsitz des Chefs Internationale Beziehungen im Stab Chef der Armee und setzt sich aus dem Direktor des SND, dem Direktor der DSP, einem Vertreter der Personalentwicklung und -organisation des VBS, dem Personalchef des Bereichs Verteidigung, einem Vertreter der Personalentwicklung und -organisation des Bereichs Verteidigung, einem Missionschef und dem Chef Büro Verteidigungsattachés zusammen. Diese Kommission schlägt die besten Anwärter dem Chef Internationale Beziehungen vor, der den endgültigen Entscheid trifft.

Mitunter werden Verteidigungsattachés aufgrund eines politischen Entscheides des Departementsvorstehers direkt ernannt, ohne dass dieses Verfahren angewandt wird.

Die mit diesem regulären Auswahlverfahren bestimmten Personen werden für eine Ausbildungsperiode von elf Monaten aufgeboten. Die Ausbildung umfasst mehrere Module, die es den künftigen Verteidigungsattachés und ihren Stellvertretern ermöglichen, sich auf ihren Einsatz vorzubereiten. Der Hauptakzent der Ausbildung liegt auf dem Erwerb allgemeinen Wissens über die Sicherheitspolitik der Schweiz, die Armee und die Bundesverwaltung. Die künftigen Attachés erhalten auch ausführliche Informationen über ihre künftigen Akkreditierungsländer und über die Probleme, die sie dort antreffen werden. Im Ausbildungsgang werden auch Verhandlungs- und Kommunikationsfähigkeiten sowie Redaktion von Berichten unterrichtet; daneben werden Sprachkurse angeboten.

Nach dieser Ausbildung und vor Aufnahme ihrer Tätigkeit auf dem Posten besuchen die Verteidigungsattachés und ihre Stellvertreter den dreimonatigen European Security Policy Training Course des Zentrums für Internationale Sicherheitspolitik in Genf. Die Teilnahme an diesem Kurs ermöglicht es ihnen, ihre sicherheitspolitischen Kenntnisse
zu vertiefen und verschafft ihnen auch die Möglichkeit, für die Ausübung ihrer zukünftigen Tätigkeit nützliche internationale Kontakte zu knüpfen.

Gegenwärtig befinden sich ein angehender Verteidigungsattaché und ein angehender Stellvertreter in Ausbildung.

Im Gegensatz zum Auswahlverfahren des EDA, das die Türe zu einer längeren Laufbahn im diplomatischen Dienst öffnet, werden die Verteidigungsattachés für einen zeitlich befristeten Einsatz rekrutiert. Dieser dauert im Allgemeinen vier Jahre und kann um vier weitere Jahre verlängert werden. Nach Vertragsablauf kehren die Verteidigungsattachés in der Regel zu ihrem angestammten Verwaltungszweig zurück ­ dies ist bei allen Berufsoffizieren und bei einem Teil der zivilen Angestellten des VBS der Fall ­ oder verlassen die Bundesverwaltung definitiv. Abgesehen von den Berufsoffizieren, die automatisch wieder eingegliedert werden, besteht nach Vertragsablauf keine Garantie für eine erneute Einstellung in der Verwaltung. Dementsprechend liegt es an den Attachés, sich um den beruflichen Wiedereinstieg nach ihrem Auslandeinsatz zu kümmern.

8691

2.3

Unterstellung der Verteidigungsattachés

Bis 1999 waren die Verteidigungsattachés der Untergruppe Nachrichtendienst des Generalstabs angegliedert. Nach der Neuausrichtung der Nachrichtendienste kamen die Verteidigungsattachés in den Verantwortungsbereich des Stellvertreters des Generalstabschefs. Seit 2002 unterstehen sie auf hierarchischer Ebene ­ mit den damit einhergehenden administrativen und rechtlichen Prärogativen ­ dem Chef Internationale Beziehungen im Stab Chef der Armee. Dieser ist für die Auswahl und Beförderung der Verteidigungsattachés, ihre Zuweisung an einen Posten im Ausland, die Personalplanung, die Organisation der Versetzung und Ablösung sowie andere Verwaltungs- und Fachfragen (z.B. Mietverträge, Anstellung örtlichen Personals, Organisation von Dienstreisen usw.) verantwortlich. Zur Regelung dieser Fragen und anderer laufender Angelegenheiten steht ihm ein besonderer Dienst zur Verfügung: das Büro Verteidigungsattachés.

Im Ausland sind die Verteidigungsattachés dem Chef der diplomatischen Mission, der sie angehören, unterstellt.. Die Zusammenarbeit zwischen den Verteidigungsattachés und den Missionschefs bildet Gegenstand einer Vereinbarung zwischen dem VBS (Bereich Internationale Beziehungen im Stab Chef der Armee) und dem EDA (DRA). Dieses Übereinkommen regelt sämtliche Fragen bezüglich der Integration der Verteidigungsattachés in den diplomatischen Missionen5. Wenn zwischen einem Missionschef und einem Verteidigungsattaché eine Meinungsverschiedenheit besteht, wird diese dem Chef der DRA und des Bereichs Internationale Beziehungen im Stab Chef der Armee zur Behebung unterbreitet.

Einmal pro Jahr beurteilt der Chef Internationale Beziehungen in Zusammenarbeit mit den betreffenden Diensten (Missionschef, DSP, SND, militärischer Nachrichtendienst (MND), Luftwaffennachrichtendienst (LWND), Heer, Luftwaffe) die Qualität der Arbeit der Verteidigungsattachés. Die Personalbeurteilung dient als Grundlage für die Lohnentwicklung, die in Abhängigkeit der festgelegten Ziele gehandhabt wird.

In gewissen Fällen kann der Chef Internationale Beziehungen zur Beurteilung der von einem Verteidigungsattaché geleisteten Arbeit oder zur Behebung allfälliger Störungen an Ort und Stelle Inspektionen durchführen.

Die Verteidigungsattachés erhalten den Grossteil ihrer Aufträge direkt vom VBS: vom Vorsteher des VBS, vom Chef der Armee,
vom SND, vom MND, vom LWND, von der DSP, vom Bereich Internationale Beziehungen usw. Die Führung der Verteidigungsattachés in nachrichtendienstlichen Angelegenheiten ist ausschliesslich Sache des SND, der auch die Koordination der Bedürfnisse der Nachrichtendienste gewährleistet. Die Verteidigungsattachés sind grundsätzlich verpflichtet, die Missionschefs über die erhaltenen Aufträge und die dafür ergriffenen Massnahmen zu orientieren.

5

Vereinbarung zwischen der Direktion für Ressourcen und Aussennetz (DRA) des Eidg.

Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und dem Bereich Internationale Beziehungen (IB V) im Stab Chef der Armee des Eidg. Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) betreffend die administrative und personelle Eingliederung von schweizerischen Verteidigungsattachés (VA) und deren Mitarbeiter/Innen an schweizerischen Vertretungen im Ausland, in Kraft seit dem 1.6.2004.

8692

3

Netz der Verteidigungsattachés: das gegenwärtige Dispositiv

Gegenwärtig unterhält die Schweiz weltweit siebzehn Verteidigungsattachéposten, und zwar in Ankara, Belgrad, Berlin, Islamabad, Kairo, Kiew, London, Madrid, Moskau, Neu Delhi, Paris, Peking, Rom, Stockholm, Washington und Wien. Die Verteidigungsattachés sind bei den Behörden ihres Aufenthaltslandes sowie bei Behörden anderer Länder der Region akkreditiert (Zusatzakkreditierungen). Zur Zeit sind die Verteidigungsattachés bei den Behörden von 74 Ländern akkreditiert; dabei handelt es sich um 17 Haupt- und 57 Zusatzakkreditierungen (s. untenstehende Tabelle 1).

Zu dieser Liste gesellen sich die Vertreter der Schweiz bei internationalen Organisationen: ein Vertreter des VBS bei der Mission der Schweiz bei der Organisation der Vereinten Nationen (UNO) in New York, ein militärischer Berater in der Schweizer Delegation bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Wien und sechs VBS-Mitarbeiter bei der Schweizer Mission bei der Nordatlantikpakt-Organisation (NATO). Diese Mitarbeiter stehen nicht im Rang eines Verteidigungsattachés und sind nicht Gegenstand der Inspektion.

Tabelle 1 Netz der schweizerischen Verteidigungsattachés im Ausland (Sollzustand Ende 2006) Ansässig in

Hauptakkreditierung

Zusatzakkreditierungen

Ankara Belgrad Berlin Islamabad (seit 2006) Kiew

Türkei* Serbien-Montenegro Deutschland* Pakistan Ukraine*

Kairo

Ägypten**

London Madrid Moskau

Grossbritannien* Spanien** Russland*

Irak, Jordanien, Libanon, Syrien Bulgarien**, Mazedonien, Rumänien Polen Afghanistan, Iran* Armenien, Aserbaidschan, Weissrussland, Georgien, Moldawien Saudi-Arabien**, Vereinigte Arabische Emirate, Libyen Dänemark, Irland, Norwegen** Algerien, Marokko, Tunesien Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan, Tadschikistan, Turkmenistan Nepal, Sri Lanka Belgien, Luxemburg, Niederlande*, Portugal Nordkorea, Mongolei, Singapur, Vietnam Albanien**, Bosnien-Herzegowina, Griechenland**, Israel* Estland, Finnland**, Lettland**, Litauen Südkorea*, Indonesien, Thailand**

Neu Delhi (seit 2006) Indien** Paris Frankreich* Peking

China*

Rom

Italien*

Stockholm

Schweden*

Tokio

Japan

8693

Ansässig in

Hauptakkreditierung

Zusatzakkreditierungen

Washington Wien

Vereinigte Staaten* Österreich*

Kanada** Kroatien, Slowenien**, Slowakei**, Tschechien**, Ungarn**

17 Posten

17 Hauptakkreditierungen

57 Zusatzakkreditierungen

* Verfügt über einen in der Schweiz residierenden Verteidigungsattaché.

** Verfügt über einen in der Schweiz akkreditierten Verteidigungsattaché, jedoch mit Sitz im Ausland.

Die Schaffung von Verteidigungsattachéposten liegt in der Zuständigkeit des Bundesrates (Art. 184 Abs. 1 Bundesverfassung)6, allerdings unter Vorbehalt der Budgetkompetenzen des Parlaments. Auf Antrag des VBS und in Zusammenarbeit mit dem EDA legt der Bundesrat auch das Dispositiv der Verteidigungsattachéposten und die daran anzubringenden Änderungen fest.

Das Netz der Verteidigungsattachés ist nicht in Stein gemeisselt, sondern entwickelt sich je nach den Umständen und wird regelmässig überprüft, um den Prioritäten der Schweiz auf dem Gebiet der Sicherheits- und Verteidigungspolitik angepasst werden zu können. Seit dem Fall der Berliner Mauer und des Zusammenbruchs der UdSSR wurden am Netz gewisse Umstrukturierungen vorgenommen: Neue Posten wurden 1996 in Kiew, 1998 in China und 2005 in Belgrad eröffnet. In dieser Periode wurden die Posten Warschau, Budapest und Brüssel geschlossen. 2006 wird je ein neuer Posten in Neu Delhi und Islamabad eröffnet.

Die letzte Gesamtüberprüfung erfolgte im Oktober 2002 im Rahmen der Umsetzung der Armeereform. Gegenwärtig ist keine weitere Umstrukturierung vorgesehen.

Da die finanziellen und personellen Mittel begrenzt sind, basiert die Schaffung neuer Posten im Allgemeinen auf Rationalisierungsmassnahmen oder auf der Schliessung anderer Posten. Der Posten von Neu Delhi wurde 1996 zu Gunsten der Schaffung eines neuen Postens in Kiew geschlossen. Der Posten von Budapest wurde 2004 geschlossen, und im gleichen Jahr wurde ein neuer Posten in Belgrad eröffnet.

Insgesamt hat sich das Netz in den letzten Jahren vor allem in Richtung zahlreicher Zusatzakkreditierungen entwickelt. Zwischen 1990 und 2006 erhöhte sich die Anzahl der Verteidigungsattachéposten von 13 auf 17 (+30 %), während die Anzahl der Zusatzakkreditierungen von 29 auf 57 stieg, was einer Zunahme von 97 % entspricht (s. untenstehende Tabelle 2).

6

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18.4.1999 (BV; SR 101).

8694

Tabelle 2 Entwicklung des Netzes zwischen 1990 und 2006 Jahr

Anzahl Posten und Hauptakkreditierungen

Zusatzakkreditierungen

Total Akkreditierungen

19907

13

29

42

19988

16

50

66

2006

17

57

74

Die Schaffung eines Verteidigungsattachépostens zwischen den betreffenden Staaten fusst unter anderen Kriterien auf dem Grundsatz der Gegenseitigkeit. Es sind jedoch Ausnahmen zu verzeichnen. So verfügt der Bund beispielsweise über einen Verteidigungsattaché an der Schweizer Botschaft in Madrid, während der in der Schweiz akkreditierte spanische Verteidigungsattaché seinen Wohnsitz in Berlin hat. Dasselbe gilt für die Republik Indien. Umgekehrt verfügt die Schweiz über einen Verteidigungsattachéposten in Serbien-Montenegro, während dieses Land bei unseren Behörden keinen Verteidigungsattaché akkreditiert hat. Das trifft auch auf Pakistan und Japan zu.

Das Netz der Verteidigungsattachés verursacht jährliche Ausgaben in der Grössenordnung von 10 Millionen Franken (2005), wobei die Personalkosten bei weitem den Hauptanteil bilden. In diesem Betrag sind die in der Schweiz entstehenden Kosten und die Ausbildungskosten der Verteidigungsattachés und ihrer Stellvertreter nicht mit inbegriffen.

4

Erwägungen und Beurteilungen

Auf der Grundlage der Anhörungen und der ihr zur Verfügung stehenden Informationen kommt die Kommission zu folgenden Erwägungen und Beurteilungen:

4.1

Zur Rolle und Funktion der Verteidigungsattachés

Die Sicherheitspolitik der Schweiz macht seit einigen Jahren einen tief greifenden Wandlungsprozess durchlaufen, der namentlich durch eine grössere Zusammenarbeit mit den internationalen Sicherheitsorganisationen9 und eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Streitkräften befreundeter Länder auf dem Gebiet der Ausbildung, Instruktion und Friedensförderung geprägt ist.

Die Entwicklung der internationalen Tätigkeiten der Armee hat deutliche Auswirkungen auf das Metier des Verteidigungsattachés gezeitigt. Der «legale Spion» von ehedem, dessen Aufgabe im Wesentlichen darin bestand, Informationen über die ausländischen Streitkräfte und ihre Mittel zu beschaffen, hat sich zum Verbindungs7 8 9

Die Informationen basieren auf der Antwort des Bundesrats vom 28.2.1990 auf die einfache Anfrage 89.1172 vom 14.12.1989 (AB 1990 N II 773).

Die Informationen fussen auf der Pressemitteilung des VBS vom 5.10.1998.

Zum Beispiel die UNO, die OSZE, die Europäische Union, die NATO-Partnerschaft für den Frieden usw.

8695

offizier, Beobachter und Berater in Sicherheitsfragen entwickelt: Der Militär im Tarnanzug des Diplomaten ist zum Diplomaten in militärischer Uniform geworden.

Trotzdem ist der Verteidigungsattaché nach wie vor Teil der Armee. Seine Rolle und seine Existenz beruhen auf dem von der Mehrheit der Staaten geteilten Grundsatz, wonach die spezifische militärische Besonderheit im Bereich der Sicherheitspolitik das Hilfsmittel eines entsprechenden diplomatischen Apparats erfordert, will heissen: Wenn ein Attaché bei den Streitkräften eines anderen Landes zugelassen werden soll, muss er selbst ebenfalls Militär sein, so dass er von Militär zu Militär mit seinen ausländischen Kollegen sprechen kann. Laut VBS findet eine Zivilperson nicht gleich leicht Zugang zu Militärkreisen wie ein Militär.

Die Kommission hat festgestellt, dass die Verteidigungsattachés je nach Standort Aufgaben zu erfüllen haben, die sich von einem Posten zum anderen stark unterscheiden: Während sich der Verteidigungsattaché in Paris hauptsächlich mit bilateralen Fragen und Belangen der militärischen Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Frankreich befasst, beschäftigt sich sein Kollege in Ankara vor allem mit sicherheitspolitischen und nachrichtendienstlichen Fragen.

Da das Spektrum der Themen und Materien äusserst breit ist, ist es schwierig, eine Typologie eines Verteidigungsattachés zu zeichnen. Grosso modo kann zwischen zwei Kategorien unterschieden werden: ­

Attachés, deren Aufgabe im Wesentlichen im Nachrichtendienstbereich liegt: Ihre Mission besteht darin, im Auftrag der politischen Behörden oder der Armeeführung Informationen zu beschaffen, die in den Bereich der Sicherheitspolitik fallen; Attachés dieser Art finden sich hauptsächlich in den Ländern des südlichen Mittelmeers, im Nahen und Mittleren Osten sowie in Asien;

­

Attachés, deren Funktion auf die bilaterale Zusammenarbeit zwischen der Schweizer Armee und den Streitkräften in den Akkreditierungsländern ausgerichtet ist: Diese Zusammenarbeit umfasst den Informationsaustausch, die Fachausbildung, gemeinsame Übungen sowie die Zusammenarbeit in anderen Bereichen, z.B. in der Katastrophenhilfe und in der Sicherung des Luftraums; diese Attachés finden sich hauptsächlich in Europa und Nordamerika.

Die von den Attachés wahrgenommenen Funktionen sind verhältnismässig klar, jedoch stiess die Kommission auf grosse Schwierigkeiten, als es darum ging, den konkreten Mehrwert der Arbeit der Attachés zuhanden der politischen und militärischen Behörden zu eruieren. Es kommt vor, dass die Verteidigungsattachés über nützliche Informationen verfügen, diese jedoch nicht immer berücksichtigt oder von den verantwortlichen Diensten sogar gänzlich ignoriert werden. Die Kommission stellte fest, dass der Wert der Leistungen stark von dem ihnen entgegengebrachten Interesse und von den Aufträgen abhängt, mit denen sie von der Zentrale betraut werden.

Die Gesprächspartner haben Mühe bekundet, die Kommission von der Unverzichtbarkeit der Verteidigungsattachés zu überzeugen. Zwar stellte die Mehrheit der angehörten Personen fest, dass die von den Verteidigungsattachés erbrachten Leistungen gewiss nützlich seien und allgemein geschätzt werden. Jedoch legte niemand dar, dass diese Leistungen für die Erfüllung der eigenen Aufgaben notwendig seien.

Auch die Folgen einer möglichen Abschaffung des Systems der Verteidigungsatta8696

chés konnten durch die angehörten Personen nicht dargelegt werden. Während der Anhörungen konnte niemand konkrete Beispiele zitieren, die aufgezeigt oder zumindest wahrscheinlich gemacht hätten, dass die von den Verteidigungsattachés beschafften Informationen für die militärische oder politische Entscheidungsfindung absolut notwendig seien.

Mit diesen Feststellung konfrontiert, verteidigte der Vorsteher des VBS die Institution der Verteidigungsattachés vehement und gab der Meinung Ausdruck, dass die Arbeit des Attachés ungerechtfertigterweise in Frage gestellt werde. Für ihn besteht einer der Vorteile des Systems darin, dassVerteidigungsattachés an Ort und Stelle Kontakte mit hochrangigen Amtspersonen knüpfen können. Von diesen Kontakten wird für die Schweiz ein Nutzen erwartet, weil so Informationen eingeholt werden können, die sonst nicht verfügbar wären. Die Verteidigungsattachés hätten auch die Möglichkeit, Informationen zu sammeln und deren Richtigkeit zu prüfen sowie Analysen von Situationen zu präsentieren, die in der Zentrale in Bern nur sehr schwierig erstellt werden können. Die von den Attachés gelieferten Synthesen seien ebenfalls notwendig, weil sie eine vor Ort gemachte Wahrnehmung wiedergeben, eine Rekonstruktion des politischen Klimas ermöglichen und Informationen über die Absichten eines fremden Landes vermitteln. Für den Vorsteher des VBS rechtfertigt sich das Netz umso mehr, als die Schweiz infolge ihrer Nichtzugehörigkeit zur EU und zur NATO verhältnismässig isoliert ist und nur über wenige Informationskanäle verfügt.

Nach Auffassung der Kommission steht die Argumentation des Vorstehers des VBS in erstaunlichem Gegensatz zu den von den anderen angehörten Personen vertretenen Meinungen und konnte nicht sämtliche Ungewissheiten ausräumen.

Für die Kommission wurde die Notwendigkeit von Verteidigungsattachés nicht überzeugend dargelegt; insbesondere wurde nicht aufgezeigt, inwiefern diese Attachés für die Führung der Armee oder des Landes unverzichtbar seien. In einem Zeitalter, in dem eine Vielfalt von Informationen dank neuer Technologien in Echtzeit zugänglich sind, fragt sich die Kommission, ob es absolut notwendig sei, in gewissen Ländern über Verteidigungsattachés zu verfügen, um Informationen zu beschaffen und zu analysieren, die auch von Bern aus verfügbar sind.

Allerdings
griffe es zu kurz, die Fragen auf diesen Punkt allein zurückführen zu wollen. Nach Ansicht der Kommission sollte sich die Notwendigkeit von Verteidigungsattachés weniger auf ihre Leistungsfähigkeit als auf die von den Behörden in sie gesetzten Erwartungen und auf festgeschriebene Bedürfnisse beziehen: Man kann sich wirklich fragen, worin der direkte Nutzen der Berichte über die Sicherheitssituation in der Mongolei10 oder den Erwerb russischen Militärmaterials durch China für die Schweizer Sicherheitspolitik liegt ­ einmal angenommen, dass diese Berichte überhaupt gelesen werden.

Die Kommission hält deshalb dafür, dass der Bundesrat grundsätzliche Überlegungen über die qualitative und quantitative Nützlichkeit des Systems der Verteidigungsattachés im Vergleich mit anderen Instrumenten der Informationsbeschaffung und Interessenvertretung anstellt. Diese Überlegungen müssen global gestaltet werden und von der Wirklichkeit der zu befriedigenden Bedürfnisse ausgehen, 10

Es ist festzustellen, dass unter den von der Kommission untersuchten Ländern die Schweiz und Belgien die einzigen sind, welche über einen in der Mongolei akkreditierten Verteidigungsattaché verfügen. Dies ist nicht der Fall für Österreich, Spanien, Finnland, Irland, Norwegen, die Niederlande, Portugal und Schweden.

8697

anstatt die bestehenden Kapazitäten zu rechtfertigen, indem dafür entsprechende Bedürfnisse geschaffen werden.

Für die Kommission sind die Mittel aufgrund der Bedürfnisse zu bestimmen und nicht umgekehrt.

Die Kommission versuchte auch, die Rolle der Verteidigungsattachés im Rüstungsbereich zu erfassen. Prinzipiell haben die Verteidigungsattachés auf dem Gebiet der Rüstungskooperation keine Rolle zu spielen, und zwar weder bei der Förderung der schweizerischen Rüstungswirtschaft noch beim Kauf ausländischen Materials für die Schweizer Armee noch im Rahmen der industriellen Zusammenarbeit, namentlich mit der Ruag. Ein Auftrag dieser Art ist in ihrem Pflichtenheft nicht aufgeführt.

Bestimmte angehörte Personen ­ namentlich auch der Präsident der Generaldirektion der Ruag anlässlich der Prüfung des Geschäftsberichts 2004 ­ wiesen trotzdem darauf hin, dass die Ruag mit den diplomatischen Missionen der Schweiz im Ausland und insbesondere mit ihren Verteidigungsattachés enge Kontakte unterhalte.

Überdies sind gewisse Verteidigungsattachés bei ausländischen Behörden akkreditiert, die sich mit der Rüstung befassen, so der Verteidigungsattaché der Schweiz in Paris, der bei der Délégation générale pour l'armement akkreditiert ist, die wiederum dem französischen Verteidigungsministerium unterstellt ist.

Für die Kommission ist die Rolle der Verteidigungsattachés im Rüstungsbereich nicht klar und deshalb zu präzisieren.

Im Rahmen ihrer Arbeiten hat sich die Kommission auch für die Rolle interessiert, welche die Verteidigungsattachés bei der Kriegsmaterialausfuhr der Schweiz und den entsprechenden Kontrollen spielen11.

Die Kommission untersuchte drei bestimmte Fälle und ersuchte das VBS und das EVD um Erklärungen: ­

Der erste Fall, der sich 2005 ereignete, betraf ein Vermittlungsgesuch für den Verkauf von 736 Schützenpanzern M-113 aus Überbeständen der Schweizer Armee an Pakistan. Pakistan beabsichtigte, die Fahrzeuge im Rahmen von UNO-Einsätzen in Sierra Leone, in Liberia, im Kongo, in Burundi und später im Sudan zu verwenden. Der Vertrag wurde letztlich nicht abgeschlossen.

­

Der zweite Fall betraf ein Ausfuhrgesuch für 180 Schützenpanzer M-113 an die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE); die Fahrzeuge wären für polizeiliche Aufgaben im Irak bestimmt gewesen. Diesem Gesuch wurde vom Bundesrat im Juni 2005 entsprochen. Inzwischen haben jedoch die VAE auf das Projekt verzichtet.

­

Der dritte Fall bezieht sich auf den Verkauf von 40 Panzerhaubitzen M-109 aus den Überbeständen der Schweizer Armee an die VAE. Die Haubitzen wurden den VAE 2004 ausgeliefert.

Im ersten Fall haben die Untersuchungen der Kommission ergeben, dass der auch für Pakistan zuständige Verteidigungsattaché in Kairo keine direkte oder indirekte Rolle spielte. Er wurde weder von schweizerischer Seite (VBS, EDA, seco, Ruag) noch von den pakistanischen Behörden darüber informiert und erfuhr davon erst durch die Medien. Der Verteidigungsattaché nutzte danach eine Dienstreise nach 11

S. auch Ziff. 3.4.3 des Jahresberichts 2005 der GPKs und der GPDel der eidgenössischen Räte vom 20.1.2006 (BBl 2006 4337 f.).

8698

Pakistan, um sich beim Hauptquartier der pakistanischen Armee über die vorgesehene Verwendung der M-113 zu informieren. Er handelte aus eigener Initiative und erhielt von den Schweizer Behörden in Bern keinerlei Mandat.

Im zweiten Fall übte der auch in den VAE akkreditierte Verteidigungsattaché in Kairo keinerlei Funktion aus und erhielt von den zuständigen Diensten in Bern weder Informationen noch ein Mandat. Der Verteidigungsattaché wurde über dieses Geschäft anlässlich einer Dienstreise in die VAE informiert, zu einem Zeitpunkt, als der erste Vertrag über die Lieferung der 180 Fahrzeuge bereits unterzeichnet worden war und ein zweiter Vertrag in der Verhandlungsphase stand.

Der Verteidigungsattaché in Kairo war auch nicht in die Transaktion involviert, die zur Lieferung der 40 Panzerhaubitzen M-109 an die VAE führte. Die Arbeiten der Kommission haben ergeben, dass der Verteidigungsattaché in Kairo bereits im Dezember 2003 ­ also mehrere Monate vor der Lieferung der Haubitzen ­ verschiedene Informationen erhielt, laut denen sich die VAE mit der Absicht trugen, die M-109 allenfalls der marokkanischen Armee zu Ausbildungszwecken zur Verfügung zu stellen (was dann auch geschah). Der Verteidigungsattaché übermittelte diese Informationen im Januar 2004 von sich aus den zuständigen Diensten des VBS, die sie darnach an die mit dem Verkauf betraute Ruag weiterleiteten. Aufgrund dieser Informationen intervenierte die Ruag bei den Behörden der VAE, um sie auf die Bestimmung aufmerksam zu machen, wonach die Wiederausfuhr der M-109 an Drittländern ohne Einverständnis der Schweiz untersagt sei. Diese Mahnung war umso mehr gerechtfertigt, als dass die VAE die Ruag bereits im Juni 2003 ersuchten, die M-109 direkt nach Marokko zu transportieren, was negativ beantwortet wurde. Das für die Bewilligung des Haubitzenverkaufs zuständige EVD erhielt die diesbezüglichen Informationen erst Ende März 2005, d.h. mehr als ein Jahr nachdem sie der Verteidigungsattaché an das VBS übermitteltt hatte. Infolge dieser Informationspanne zwischen VBS und EVD konnte das EVD nicht rechtzeitig eingreifen, worauf die M-109 letztlich in Marokko ankamen, einem Land also, für welches das EVD keine Ausfuhrbewilligung erteilt hatte.

Diese Beispiele zeigen auf, dass die Verteidigungsattachés nicht adäquat in die Bewilligungsverfahren
für vorgesehene Rüstungsgeschäfte mit den entsprechenden Akkreditierungsländern eingebunden sind. Diese Sachlage erklärt sich aus der Kompetenzverteilung zwischen dem VBS und dem EVD. Gemäss Artikel 14 der Kriegsmaterialverordnung12 ist es Sache des Staatssekretariats für Wirtschaft (seco), im Einvernehmen mit den zuständigen Diensten des EDA, über Bewilligungsgesuche für Auslandgeschäfte im Rüstungsbereich zu befinden. Die Dienste des VBS werden lediglich konsultiert, wenn sicherheits- oder rüstungspolitische Interessen auf dem Spiel stehen. Falls es das VBS als nützlich erachtet, kann es auf die Dienste des im Destinationsland akkreditierten Verteidigungsattachés zurückgreifen.

Mit anderen Worten: Das SECO ist weder verpflichtet, die Verteidigungsattachés bei den Bewilligungsverfahren für Kriegsmaterialausfuhrgeschäfte ins Ausland zu Rate zu ziehen, noch befugt, den Verteidigungsattachés spezifische Mandate zu übertragen.

Für die Kommission ist die gegenwärtige Situation nicht befriedigend. Tatsächlich verfügen die Verteidigungsattachés dank ihrer Stellung und ihren Beziehungen bei den Verteidigungsministerien und den militärischen Stäben ihrer Akkreditierungsländer über Informationen, die der Arbeit des SECO von direktem Nutzen sein 12

Verordnung vom 25.2.1998 über das Kriegsmaterial (KMV; SR 514.511).

8699

könnten, aber zur Zeit in ungenügendem Masse eingesetzt werden. Die Verteidigungsattachés könnten z.B. bei der Einschätzung der Konsequenzen und Risiken von Waffenlieferungen an bestimmte Länder einen Beitrag leisten. Sie könnten vom EVD auch beauftragt werden, die Verlässlichkeit der von den Importeuren abgegebenen Erklärungen zu überprüfen oder nachträgliche Inspektionen (PostShipment Inspections) durchzuführen. Unter allen Umständen sollten die virtuellen Trennwände zwischen den Diensten verschiedener Departemente abgebaut und die Zusammenarbeit zwischen den Verteidigungsattachés und dem SECO verbessert werden, um Verzögerungen bei der Übermittlung von Informationen zwischen VBS und EVD zu vermeiden, wie sie beim Geschäft mit den Panzerhaubitzen M-109 auftraten.

Die Kommission ist der Meinung, dass die Verteidigungsattachés in die Prüfverfahren bei der Kriegsmaterialausfuhr besser eingebunden und bei der Suche nach nützlichen Informationen für das SECO und deren Anwendung systematisch eingesetzt werden müssten.

Das EVD und das VBS teilen diese Ansicht. Diese Departemente und auch das EDA studieren zur Zeit Möglichkeiten, um die Botschaften im Allgemeinen und die Verteidigungsattachés im Besonderen bei Angelegenheiten, die von der Schweiz ins Ausland exportiertes Kriegsmaterial betreffen13, vermehrt zu berücksichtigen.

4.2

Über die Auswahl der Verteidigungsattachés

Die Kommission ist der Meinung, dass das Rekrutierungs- und Ausbildungssystem der Verteidigungsattachés von sehr guter Qualität ist. Die Anforderungsprofile sind klar festgelegt und die Auswahl erfolgt systematisch. Dank dem Eintrittswettbewerb und der Ausbildung ist es heute möglich, die begabtesten Anwärter auszuwählen, zu prüfen und bestens auf die Ausübung ihrer Funktion vorzubereiten. Die Kommission ist der Meinung, dass diese Instrumente die Professionalisierung der Funktion des Verteidigungsattachés und eine Verbesserung der Qualität und Wirkung der von ihnen geleisteten Arbeit ermöglicht haben. Ein weiterer positiver Effekt des Systems besteht darin, dass sich das Korps verjüngt hat: Das Alter der Verteidigungsattachés und ihrer Stellvertreter bewegt sich zwischen 40 und 55 Jahren. Darüber hinaus ist das System offen, indem es auch Personen ausserhalb des Berufskaders der Armee die Möglichkeit bietet, sich zu bewerben ­ gegenwärtig stellen die Berufsoffiziere lediglich ein Viertel der sich im Amt befindlichen Verteidigungsattachés.

Der Grundsatz der wettbewerbsmässigen Zulassung hat es auch ermöglicht ­ und dies ist höchst positiv ­, dem zuvor bei der Postenzuteilung grassierenden System der Vetternwirtschaft ein Ende zu setzen. Noch vor einigen Jahren wurden Verteidigungsattachéposten häufig Berufsoffizieren zuerkannt, die am Ende ihrer Laufbahn standen und für die man keinen anderen Einsatz fand, oder weil man ihnen für geleistete Dienste danken wollte. Diese Politik der «Abstellgleise erster Klasse» ­ ein Anzeichen für ein gewisses Standesdenken ­ ist dem Ruf der Verteidigungsattachés lange Zeit abträglich gewesen und lebt in der öffentlichen Wahrnehmung nach wie vor weiter.

13

Siehe Bericht der Interdepartementalen Arbeitsgruppe vom 22.12.2005 über die Zuständigkeiten und Verfahren bei der Behandlung von Kriegsmaterialexporten. Siehe auch Anwort des Bundesrates vom 10.3.2006 auf das Postulat 05.3536 vom 4.10.2005.

8700

Ohne die seit kurzem eingeschlagene Kursänderung in Richtung ausschliesslicher Auswahl der Verteidigungsattachés aufgrund ihrer Kompetenzen verkennen zu wollen, stellt die Kommission doch fest, dass noch immer Anwandlungen bestehen, die Verteidigungsattachéposten zur Lösung gewisser Personalführungsprobleme zu nutzen. Dies ist insbesondere bei gewissen höheren Stabsoffizieren der Fall. So wurde der ehemalige Kommandant des Heeres zum Verteidigungsattaché in Paris ernannt, der ehemalige Unterstabschef Logistik wurde nach Rom abkommandiert, und der ehemalige Unterstabschef Planung erhielt den Posten in Washington.

Diese Art der Ernennung kommt in der öffentlichen Meinung ungeachtet der Qualitäten der betroffenen Personen nicht gut an. Sie vermitteln den Eindruck, dass den höheren Stabsoffizieren eine Vorzugsbehandlung angediehen wird, was keinen Beitrag zum Ansehen der Verteidigungsattachés leistet, deren Nutzen immer wieder hinterfragt wird. Laut VBS handelt es sich um ein vorübergehendes Problem im Zusammenhang mit der Reduktion der Posten von höheren Stabsoffizieren als Folge der Reform Armee XXI, das sich künftig nicht mehr stellen werde.

4.3

Über die Wiedereingliederung der Verteidigungsattachés nach ihrem Einsatz

Im Gegensatz zum Beruf des Diplomaten hat die Funktion des Verteidigungsattachés keine Karriere zur Folge. Dies heisst, dass sich die Verteidigungsattachés nach Ablauf eines oder zweier Einsätze im Ausland in der Regel wieder ins Zivilleben eingliedern müssen. Zum heutigen Zeitpunkt besteht weder eine Karriereplanung noch ein Verfahren dafür, wie sich Verteidigungsattachés nach dem Ende ihres Auslandeinsatzes in die Verwaltung eingliedern könnten. Einige ­ und zwar insbesondere die Berufsmilitärs ­ treten wieder dem VBS bei, andere verlassen den Bund, um sich anderen Funktionen zuzuwenden. Die berufliche Wiedereingliederung nach einem Einsatz im Ausland wird somit der persönlichen Initiative der Verteidigungsattachés überlassen.

Die Kommission ist der Meinung, dass die Wiedereingliederung der Verteidigungsattachés verbessert und der Auslandeinsatz als Verteidigungsattaché aufgewertet werden müsste, und zwar namentlich in der Planung der Karrieren von Berufsoffizieren14.

Gegenwärtig wird die Ausübung einer Funktion im Ausland beim VBS nicht aus der Perspektive einer Beförderung gewertet. Dies erklärt auch, weshalb sich die Anzahl der sich um einen Auslandposten bewerbenden Berufsoffiziere in Grenzen hält.

Obwohl jeder Berufsoffizier zum Dienst im Ausland gezwungen werden kann (Art. 16, Abs. 1 der Verordnung des VBS über das militärische Personal15), herrscht kein Andrang dafür, da die Offiziere wissen, dass dies ihrer Laufbahn keinen unmittelbaren Nutzen bringt. Die Entscheidung, sich als Verteidigungsattaché ins Ausland zu begeben, bildet nach wie vor ein bedeutsames berufliches Risiko.

14

15

Anlässlich eines Besuchs bei Swissint, dem Kompetenzzentrum für friedensfördernde Auslandeinsätze der Schweizer Armee, hat die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates unterstrichen, dass es von wesentlicher Bedeutung sei, «Strategien zu entwickeln, damit die in Auslandeinsätzen gesammelten Erfahrungen in der Armee selbst aufgewertet werden.» (vgl. Ziff. 3.4.3 des Jahresberichts 2005 der GPKs und der GPDel der eidgenössischen Räte vom 20.1.2006 [BBl 2006 4337 f.]).

Verordnung des VBS vom 9.12.2003 über das militärische Personal (V Pers Mil; SR 172.220.111.310.2).

8701

Die Kommission erachtet es als angebracht, die Attraktivität der Auslandeinsätze zu erhöhen. In einer Zeit, in der die internationale Dimension in unserer Sicherheitspolitik einen immer bedeutenderen Platz einnimmt, ist die Kommission der Meinung, dass diesem Kriterium bei der Bestellung höherer Posten in der Armee grösseres Gewicht beigemessen werden sollte. Man könnte sich vorstellen, dass ein Einsatz im Ausland als Verteidigungsattaché oder in einer Kommandofunktion ­ z.B. bei der KFOR, der EUFOR, als militärischer Beobachter oder als Stabsoffizier ­ zur Bedingung für jegliche wichtige Beförderung eines Berufsoffiziers gemacht wird. Die Kommission stellt überdies fest, dass heute lediglich eine kleine Minderheit der höheren Stabsoffiziere über Erfahrungen im internationalen Rahmen verfügt.

Die Kommission erachtet es ebenfalls als angezeigt, dass die personelle Rotation zwischen den Verteidigungsattachéposten im Ausland und den verschiedenen sicherheitspolitischen Funktionen in der Zentrale in Bern verbessert wird, bestehen doch beim VBS wie beim EDA zahlreiche Dienste, die von der Erfahrung eines Verteidigungsattachés profitieren könnten. Dies gilt insbesondere für den SND, die DSP, den Bereich Internationale Beziehungen Verteidigung sowie das Zentrum für Internationale Sicherheitspolitik des EDA. Gegenwärtig besteht kein Konzept für die aktive Förderung des Personalaustausches zwischen den Einsätzen im Ausland und in der Zentrale. Die beiden Systeme liegen zwar eng beieinander, wollen jedoch nichts voneinander wissen: Einerseits erfüllen die Mitarbeitenden der Zentrale Aufgaben im Zusammenhang mit dem Ausland, ohne jemals mit den dort herrschenden Gegebenheiten vor Ort konfrontiert worden zu sein, und andererseits vertreten die Verteidigungsattachés im Ausland die Interessen der Zentrale, ohne dort jemals eine Funktion ausgeübt zu haben. Es wird nichts unternommen, um die Mitarbeitenden der Zentrale zur Arbeit im Ausland zu ermutigen, und es wird nichts unternommen, um den Verteidigungsattachés zu ermöglichen, nach ihrem Auslandeinsatz in der Zentrale tätig zu sein. Das heutige System folgt der Logik, wonach ein Angestellter rekrutiert wird, um eine genau definierte Funktion auszuüben, die er dann grundsätzlich so lange ausübt, bis sein Vertrag abläuft.

Die Kommission schlägt vor, dass beim
VBS eine Fachkarriere einzurichten sei, die auf die internationale Kompetenz der Departementsmitarbeiter ausgerichtet ist.

Diese Mitarbeiter könnten nach Absolvierung der entsprechenden Prüfungen und Ausbildung abwechslungsweise als Verteidigungsattachés, als militärische Berater bei den ständigen Delegationen der Schweiz bei der UNO, der NATO und der OSZE oder in mit der Sicherheitspolitik im Zusammenhang stehenden Posten bei der Zentralverwaltung eingesetzt werden.

Die GPK-N hält dafür, dass die Mobilität der im internationalen Bereich tätigen Angestellten vermittels Karriere- und Weiterbildungsplänen zu fördern sei. Damit würde es auch möglich, Mitarbeitende mit einem interessanten Entfaltungspotenzial zu identifizieren und zu fördern.

Eine solche Lösung wäre sowohl für den Bund als auch für die Angestellten von Nutzen: Sie würde es dem Bund gestatten, vom Wissen zu profitieren, das die Angestellten in zahlreichen Funktionen in der Schweiz und im Ausland erworben haben, und sie wäre dem Informationsaustausch zuträglich. Gegenwärtig geht die von einem Verteidigungsattaché im Ausland erworbene Erfahrung nach Ablauf seines Vertrags häufig definitiv verloren.

Den Angestellten ihrerseits stünden Karriereaussichten offen, die ihnen ermöglichten, ihre Kenntnisse zur Geltung zu bringen und ihre Fähigkeiten und Vielseitigkeit 8702

im internationalen Bereich zu entwickeln. Gleichzeitig würden damit zahlreiche ernsthafte Enttäuschungen vermieden, die bestimmte Verteidigungsattachés nach Ablauf ihres Auslandeinsatzes erleben.

Schliesslich würde die Einrichtung einer Fachkarriere eine Ausweitung des Rekrutierungspools für Verteidigungsattachés ermöglichen. Es scheint denn auch, dass das Risiko, nach Ablauf eines Auslandeinsatzes keine Stelle zu finden, eine ganze Reihe sehr geeigneter Personen davon abhält, sich für solche Posten zu bewerben.

4.4

Über die Führung und Unterstellung der Verteidigungsattachés

Die Führung der Verteidigungsattachés erweist sich als besonders komplex, da diese drei vorgesetzten Stellen unterstellt sind: dem Missionschef auf der Ebene der administrativen Eingliederung, dem Chef Internationale Beziehungen im Stab Chef der Armee bei Anstellungs- und Ressourcenproblemem und dem SND hinsichtlich der nachrichtendienstlichen Aufgaben.

Aus diesem Grunde haben die Verteidigungsattachés mehrere organisatorische und hierarchische «Heimatländer»: Sie arbeiten nach Anordnung eines Missionschefs, erhalten jedoch den Grossteil ihrer Anweisungen von verschiedenen Diensten des VBS.

In der Realität entbehrt das Führungssystem jeglicher Struktur, und die Befehlskette ist nicht sehr klar. Zwar wird die Arbeit der Verteidigungsattachés durch zahlreiche Weisungen umschrieben, jedoch war die Kommission verblüfft über die Schwierigkeit der angehörten Personen, darzulegen, wer letztlich die Verantwortung für die Verteidigungsattachés trägt. Die Kompetenzen scheinen sehr verzettelt zu sein: Einerseits trifft der Chef Internationale Beziehungen die für die Laufbahn des Verteidigungsattachés wichtigsten Entscheidungen, trägt jedoch dafür und für das gute Funktionieren der Dienste keine operationelle Verantwortung; anderseits sind die operationellen Verantwortlichen (Missionschef, SND usw.) mit dem Einsatz der Verteidigungsattachés betraut, haben jedoch auf deren Laufbahn lediglich einen indirekten und oftmals eher geringen Einfluss.

Die Kommission konnte feststellen, dass sich die Verteidigungsattachés namentlich auf geographisch weiter entfernten Posten häufig in einer Situation eines «freien Elektrons» befinden: In Ermangelung eines geeigneten Gesprächspartners in der Zentrale, der für die Gesamtheit des Systems bürgt, fühlen sie sich manchmal auf sich selbst gestellt, was Schwierigkeiten bereiten kann.

Angesichts dieser Sachlage hat die GPK-N die Notwendigkeit einer Neugestaltung und Vereinfachung der Führungsstrukturen des Verteidigungsattachés erkannt. Nach Ansicht der Kommission muss die Führung der Verteidigungsattachés jenen Stellen obliegen, die für das operationelle Funktionieren der Dienste verantwortlich sind, denen die Attachés zugeteilt sind.

8703

4.5

Über das Postennetz

Das Netz der Verteidigungsattachés ist eines der Mittel, das es der Schweiz ermöglicht, ihre sicherheitspolitischen Zielsetzungen zu verfolgen, wie sie sich aus dem Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz (SIPOL B 2000)16 ergeben. Dieser postuliert die Bedeutsamkeit einer verstärkten internationalen Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik mit den internationalen Sicherheitsorganisationen und befreundeten Staaten.

Mit 17 Verteidigungsattachéposten ist unser Netz vergleichbar mit jenem von Staaten gleicher Grösse. Es übertrifft jenes von Finnland und Norwegen, ist jedoch kleiner als jenes Belgiens, der Niederlande, Österreichs, Portugals, Schwedens und Spaniens (s. Tabelle 2).

Bei bestimmten Ländern erklärt sich die Bedeutung, die sie anderen Ländern oder Regionen der Welt beimessen, aus geschichtlichen oder kolonialen Banden. So ist Belgien in Schwarzafrika gut vertreten, während die Niederlande in Südafrika und Indonesien präsent ist; Portugal wiederum unterhält Attachéposten in Angola, Brasilien, Guinea-Bissau, Kapverden, Mosambik, Osttimor sowie Sao Tome und Principe. Spaniens Verteidigungsattachés ihrerseits sind vorwiegend in Lateinamerika vertreten, und zwar mit Akkreditierungen in Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Kuba, Nicaragua und Venezuela.

Hinsichtlich der Zusatzakkreditierungen steht die Schweiz an der Spitze sämtlicher untersuchter Länder.

Zu bemerken ist, dass Irland über keine Verteidigungsattachés verfügt, sondern lediglich über militärische Vertreter bei der UNO, der EU und NATO.

Zum Vergleich ist es von Interesse festzustellen, dass 43 ausländische Verteidigungsattachés in Bern akkreditiert sind.

Tabelle 3 Verteidigungsattaché-Dispositiv einiger Länder (2005)

Belgien Finnland Irland Niederlande Norwegen Österreich Portugal Schweden Spanien Schweiz17

16 17

Hauptakkreditierungen

Zusatzakkreditierungen

Total

30 11 0 26 14 20 19 20 34 17

48 16 0 38 23 26 25 14 45 57

78 27 0 64 37 46 44 34 79 74

Siehe Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz (SIPOL B 2000) vom 7.6.1999 (BBl 1999 7657).

Stand 2006.

8704

Das Schweizer Netz ist von einer Konzentration auf die europäischen Länder und Nordamerika geprägt. Gegenwärtig entfällt ein Grossteil des eingesetzten Personals (rund 70 % des Personals, ohne örtliches Personal) und der Akkreditierungen diese Länder. Die verbleibenden Mittel verteilen sich auf Asien und Südafrika.

Südamerika, Schwarzafrika, Australien und Ozeanien werden vom Verteidigungsattachénetz nicht abgedeckt.

Das Postennetz ist bedeutsam, wenn man die Anzahl Regierungen in Betracht zieht, bei denen die Schweiz akkreditiert ist; hinsichtlich der Mittel ist sein Umfang indes beschränkt.

Die Kommission hält dafür, dass das Netz gegenwärtig zu ausgedehnt ist. Die Anzahl der Länder mit akkreditierten Verteidigungsattachés entspricht überhaupt nicht dem Gewicht unseres Landes im Bereich der Sicherheitspolitik. Beispielsweise sieht die GPK-N nicht ein, weshalb die Präsenz eines Verteidigungsattachés in Japan für unsere militärischen Interessen notwendig ist. Im Übrigen ist festzustellen, dass von den acht zum Vergleich herangezogenen Ländern ­ Belgien, Finnland, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden und Spanien ­ keines über einen Verteidigungsattaché in Tokio verfügt.

Die Kommission ist der Meinung, dass das Netz auf das wirklich Notwendige zu beschränken und das nur Wünschbare auszuschliessen sei. Insbesondere besteht für die Kommission Anlass, die Anzahl der Zusatzakkreditierungen zu verringern. Die Schweiz ist zwar stolz darauf, in zahlreichen Ländern Verteidigungsattachés zu akkreditieren, jedoch fehlen oftmals die Mittel, um die Aufgabe seriös wahrnehmen zu können. Das gilt vorab für Posten mit zahlreichen Zusatzakkreditierungen in Ländern, die weit vom Sitz des Attachés entfernt sind und deren Sprache und Gepflogenheiten schwierig zu verstehen und zu meistern sind: Wie ist es beispielsweise einem in Moskau residierenden Verteidigungsattaché möglich, gleichzeitig die Situation in Russland und die Ereignisse in Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan zu verfolgen? Dieselbe Frage stellt sich für den Verteidigungsattaché in China, der die Lage in China zu beobachten und die Ereignisse in Nordkorea, in der Mongolei, in Singapur und Vietnam zu verfolgen hat.

Unter diesen Umständen scheint es schwierig, eine wirkungsvolle und nachhaltige Präsenz
zu gewährleisten.

Als es z.B. darum ging, sich für die Tsunamiopfer in Indonesien einzusetzen, war der in Tokio ansässige Verteidigungsattaché angesichts der Distanz von 7000 km zwischen den zwei Ländern nicht in der Lage, seiner Rolle gerecht zu werden.

Die Kommission ist überzeugt, dass die Verteidigungsattachés nicht in sämtlichen Bereichen und an sämtlichen Orten tätig sein können und dass eine Auswahl getroffen werden muss. Aufgrund ihres begrenzten Einflussbereichs und ihrer begrenzten Möglichkeiten müsste die Schweiz ausschliesslich mit jenen Ländern eine militärische Diplomatie unterhalten, mit denen sie gemeinsame Werte verbindet.

Die Kommission ist sich bewusst, dass eine Straffung des Dispositivs in bestimmten Regionen der Welt die Möglichkeiten zur Nachrichtenbeschaffung verringert. Nach Dafürhalten der Kommission ist diese Lücke in erster Linie durch eine Verstärkung anderer Beschaffungsmittel des SND und eine entsprechende Aufstockung zu füllen.

8705

Es geht der Kommission nicht darum, Einsparungen vorzunehmen, sondern um die Stärkung der wirklichen Auslandspräsenz der Schweiz im Bereich der Sicherheitspolitik und um eine überzeugendere Wahrnehmung des Dispositivs von aussen.

Die Kommission ist der Meinung, dass zusätzlich zu anderen Optionen die Möglichkeit geprüft werden sollte, so genannte Reiseattachés zu schaffen, wie dies Schweden in Brasilien, Dänemark, Griechenland, Kanada, Malaysia und den Niederlanden praktiziert. Reiseattachés würden in der Zentrale in Bern arbeiten und mehrmals pro Jahr in ihre Akkreditierungsländer reisen, um sich dort mit ihren Partnern zu treffen und die erforderlichen Kontakte zu knüpfen. Die Kommission erachtet einen in der Schweiz ansässigen und z.B. in Portugal oder den Niederlanden akkreditierten Verteidigungsattaché mit Gewissheit als effizienter als einen Attaché im heutigen System, der diese Aufgabe von Paris aus erfüllt. Dasselbe würde für Dänemark und Norwegen gelten, die mühelos von Bern aus betreut werden könnten anstatt von London aus, wie dies gegenwärtig der Fall ist.

Die Kommission untersuchte auch die Möglichkeit, Partnerschaften mit anderen neutralen Ländern wie Schweden oder Österreich einzugehen. Sie ist indes wieder davon abgekommen, da eine derartige Lösung ihres Erachtens nur schwer zu verwirklichen wäre und den Spielraum unserer Behörden unnötig einschränken würde.

Die GPK-N ist der Meinung, dass die Synergien zwischen den Funktionen der Verteidigungsattachés und anderer Bundesangestellten, die in verschiedenen Sicherheitsbereichen im Ausland tätig sind ­ Polizeiattachés, Attachés für Migrationsfragen usw. ­ besser zu nutzen sind. Nach Ansicht der Kommission hat das Spektrum der Herausforderungen im sicherheitspolitischen Bereich eine starke Entwicklung durchgemacht und geht bei weitem über die alleinige militärische Dimension hinaus.

Es umfasst sowohl militärische Fragen als auch Fragen der Migration, der Terrorismusbekämpfung, des organisierten Verbrechens, des Menschenhandels usw. Die entsprechenden Akteure sind zahlreich und die Kausalitäten und Interdependenzen komplex.

Angesichts der Verflechtung der Aufgaben und Zuständigkeiten beim Bund im Bereich der Sicherheits- und Aussenpolitik ist die Kommission der Meinung, dass die betreffenden Departemente ­ in erster Linie das VBS,
das EJPD und das EDA18 ­ ihre Mittel und Anstrengungen zusammenlegen sollen, um den Bezügen zwischen den verschiedenen sicherheitspolitischen Bereichen besser Rechnung zu tragen. Zu diesem Zweck wäre es nützlich, wenn diese Departemente ihre verschiedenen Aktivitäten im Ausland überdenken und im Sicherheitsbereich eine gemeinsame Handlungsstrategie erarbeiten würden, beispielsweise unter der Ägide des Sicherheitsausschusses des Bundesrates. Diese Strategie würde auf die Errichtung eines Fundaments für eine Sicherheitsdiplomatie (Security Diplomacy) abzielen und die Aspekte der militärischen Verteidigung und der neuen Bedrohungen (organisiertes Verbrechen, Terrorismus, Zunahme zwischenstaatlicher Konflikte, technologische und Umweltbedrohungen, Reduktion der natürlichen Ressourcen usw.) umfassen sowie die Postenpolitik und das Profil der Attachés bestimmen.

18

Es liegt in der Zuständigkeit des EDA, «in Zusammenarbeit mit den zuständigen Departementen Fragen der internationalen Sicherheitspolitik der Schweiz» zu bearbeiten (Art. 1 Abs. 3 Bst. d der Organisationsverordnung vom 29.3.2000 für das EDA [OV EDA; SR 172.211.1]).

8706

Das Ziel dieser Massnahme besteht darin, das verfügbare Instrumentarium zu verbessern und die Kohärenz und die Koordination der Sicherheitspolitik der Schweiz im Ausland zu stärken.

5

Empfehlung

Angesichts der obenstehenden Ausführungen empfiehlt die GPK-N dem Bundesrat, das heutige System der Verteidigungsattachés hinsichtlich Aufgaben, Organisation, Effizienz, Zweckmässigkeit und sicherheitspolitischem Nutzen der Schweiz auf internationaler Ebene zu überprüfen und darüber Bericht zu erstatten. Dabei sind sämtliche Bereiche der Sicherheitspolitik einzubeziehen, die Tätigkeiten und Mittel im In- und Ausland darzustellen, eine zweckmässige Organisation vorzuschlagen und das Berufsbild zu stärken.

6

Weiteres Vorgehen

Die GPK-N ersucht den Bundesrat, zum vorliegenden Bericht und zur darin enthaltenen Empfehlung bis Ende September 2006 Stellung zu nehmen.

23. Mai 2006

Für die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates: Der Präsident, Kurt Wasserfallen, Nationalrat Der Präsident der Subkommission EDA/VBS, Jean-Paul Glasson, Nationalrat Der Sekretär der Geschäftsprüfungskommissionen, Philippe Schwab

8707

8708