Verwendung der überschüssigen Goldreserven der Schweizerischen Nationalbank: Rechtliche und politische Feststellungen aus der Perspektive der Oberaufsicht Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 7. Februar 2006

2006-0526

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Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis

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1 Einleitung 1.1 Ausgangslage 1.2 Auftrag und Ziel der Inspektion 1.3 Vorgehen

6254 6254 6256 6257

2 Rechtliche Würdigung der Ausschüttung gemäss der regulären Verteilregel von Artikel 31 Nationalbankgesetz

6257

3 Rechtliche Würdigung der Verstetigungsregel gemäss Artikel 31 Absatz 2 Nationalbankgesetz und der Verteilung im Jahr 2005 3.1 Nicht erfolgte Verstetigung der Gewinnausschüttung 3.2 Verteilung der 21,1 Mrd. Franken im Jahr 2005

6258 6258 6260

4 Richtungswechsel des Bundesrates: Politische und rechtliche Würdigung 4.1 Gewährleistung der Partizipationsrechte von Parlament und Stimmvolk 4.2 Informationspolitik des Bundesrates 4.3 Weitere rechtliche Überlegungen

6261 6261 6262 6264

5 Schlussfolgerungen

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6 Weiteres Vorgehen

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Anhänge: 1 Angehörte und befragte Personen 2 Gutachtlicher Bericht zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates über Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Verwendung des Erlöses aus dem Verkauf des überschüssigen Nationalbankgolds Ergänzung vom 4. Oktober 2005 3 Motion der GPK-N

6252

6267

6268 6287 6291

Abkürzungsverzeichnis Abs.

AHV Art.

BBl BV bzw.

Dr.

EFD EVD GPK-N Mio.

Mrd.

ParlG Prof.

S.

SNB SPS SR SVP u.a.

vgl.

WAK-S z.B.

Absatz Alters- und Hinterlassenenversicherung Artikel Bundesblatt Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18.

April 1999 (SR 101) beziehungsweise Doktor Eidgenössisches Finanzdepartement Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Millionen Milliarden Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz, ParlG; SR 171.10) Professor Seite(n) Schweizerische Nationalbank Sozialdemokratische Partei der Schweiz Systematische Rechtssammlung Schweizerische Volkspartei unter anderem vergleiche Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates zum Beispiel

6253

Bericht 1

Einleitung

1.1

Ausgangslage

Durch die Aufhebung der Goldbindung des Schweizerfrankens am 1. Mai 2000 besass die schweizerische Nationalbank (SNB) Goldreserven, welche für ihre Aufgabenwahrnehmung nicht mehr benötigt wurden. Dieses Gold war über Jahre hinweg mit einem Wert von rund 4596 Franken pro Kilogramm verbucht worden, während der Marktwert des Goldes stetig zunahm. Durch die Abkehr von der Goldbindung des Schweizerfrankens konnte die Unterbewertung des Nationalbankgoldes beendet werden und das Gold zu Marktpreisen verbucht werden. Diese beiden Elemente führten zu 1300 Tonnen für die Währungsreserven überschüssigem Gold mit einem Marktwert von 21,1 Milliarden Franken.

Mit der Loslösung des Schweizerfrankens von der Goldbindung stellte sich die Frage, was nun mit diesem durch die SNB nicht mehr benötigten Gold unternommen werden sollte. Der Bundesrat schlug in seiner Botschaft vom 27. Mai 1998 über einen neuen Geld- und Währungsartikel in der Bundesverfassung1 vor, mit sieben Milliarden des Vermögens eine Stiftung solidarische Schweiz zu gründen und den Rest des Vermögens zu erhalten sowie die Erträge darauf gemäss regulärem Verteilschlüssel an Bund und Kantone zu verteilen. Dieser Vorschlag wurde durch die Bundesversammlung am 18. Juni 1999 abgelehnt.

Einen anderen Verwendungszweck befürwortete die von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) Ende Oktober 2000 eingereichte Volksinitiative «Überschüssige Goldreserven in den AHV-Fonds (Goldinitiative)»2, die ihrerseits am 22. September 2002 von Volk und Ständen abgelehnt wurde. Der Gegenvorschlag der Bundesversammlung auf Verfassungsstufe zur Volksinitiative sollte eine Übergangsbestimmung in der Bundesverfassung schaffen, die dem Bundesgesetzgeber erweiterten Handlungsspielraum bei der Bestimmung des Verwendungszwecks verliehen hätte.

Der gleichzeitig der Volksabstimmung unterbreitete Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe nahm die Idee der Solidaritätsstiftung wieder auf. Ihr sollte ein Teil des Vermögens zugewiesen werden. Die Gegenvorschläge zur Goldinitiative der SVP wurden ebenfalls am 22. September 2002 in der Volksabstimmung verworfen.

Mit seiner Botschaft vom 20. August 2003 zur Verwendung von 1300 Tonnen Nationalbankgold und zur Volksinitiative «Nationalbankgewinne für die AHV»3 unterbreitete der Bundesrat einen neuen Vorschlag für die Verwendung des überschüssigen
Goldes. Durch eine neue Übergangsbestimmung in der Bundesverfassung sollte der Erlös aus dem überschüssigen Gold in seiner Substanz erhalten und die Erträge zu einem Drittel an den Bund und zu zwei Dritteln an die Kantone ausgeschüttet werden. Der Ständerat beschloss am 16. Dezember 2004 zum zweiten Mal, nicht auf die Vorlage einzutreten, womit die Vorlage gescheitert war.

1 2 3

BBl 1998 IV 4007 BBl 2001 1423 BBl 2003 6133

6254

Der Bundesrat entschied daraufhin am 2. Februar 2005, den Erlös aus den überschüssigen Goldreserven basierend auf Artikel 99 Absatz 4 Bundesverfassung4 und Artikel 31 Absatz 2 Nationalbankgesetz5 zu einem Drittel an den Bund und zu zwei Dritteln an die Kantone auszubezahlen. Der Bundesrat sah nach dem Scheitern seiner letzten Goldvorlage im Ständerat keine rechtliche Möglichkeit mehr, das Goldvermögen noch länger bei der SNB zu blockieren.

Die Höhe der jährlichen Gewinnausschüttung an Bund und Kantone wird seit dem Geschäftsjahr 2003 von zwei Vereinbarungen zwischen der SNB und dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) bestimmt. In der am 5. April 2002 abgeschlossenen Hauptvereinbarung über die Gewinnausschüttung wurden die Ausschüttungen an den Bund und die Kantone ­ zwecks mittelfristiger Glättung ­ für die zehn Geschäftsjahre 2003 bis 2012 aufgrund einer Ertragsprognose zum Voraus auf 2,5 Milliarden Franken pro Jahr festgelegt. Diese Vereinbarung hat die laufenden Nationalbankgewinne auf den monetären Aktiven und den Abbau überschüssiger Rückstellungen zum Inhalt.

Die am 12. Juni 2003 abgeschlossene Zusatzvereinbarung bezieht sich auf die Erträge, die auf den Freien Aktiven der SNB anfallen. Danach schüttet die SNB diese Erträge seit Frühjahr 2004 bis zum Inkrafttreten einer anders lautenden Rechtsgrundlage zu einem Drittel an den Bund und zu zwei Dritteln an die Kantone aus.

Der jährliche Ausschüttungsbetrag steigt mit fortschreitenden Goldverkäufen von 300 Millionen Franken im Frühjahr 2004 auf 400 Millionen Franken im Frühjahr 2005 an. Mit dem Entscheid des Ständesrates am 16. Dezember 2004 und des Bundesrates am 2. Februar 2005 wurde diese Zusatzvereinbarung obsolet. Der Bundesrat veranlasste deshalb eine Vereinbarung zwischen dem EFD und der SNB betreffend die Ausschüttung des Gegenwertes der für die Geldpolitik nicht mehr benötigten 1300 Tonnen Gold, die am 25. Februar 2005 abgeschlossen wurde.

Obwohl die überschüssigen Goldreserven beziehungsweise der aus deren Verkauf erzielte Erlös in den am 28. Januar 2005 publizierten Eckwerten der Jahresrechnung noch nicht als Gewinn enthalten waren, konnte die Jahresrechnung aufgrund des Beschlusses des Ständerates vom 16. Dezember 2004 noch angepasst werden, so dass die Generalversammlung der SNB am 29. April 2005 Bilanz/Erfolgsrechnung und
somit auch die Ausschüttung des Erlöses aus dem Verkauf der überschüssigen Goldreserven genehmigen konnte. Dadurch wurde die Auszahlung der 21,1 Milliarden Franken im Jahr 2005 ermöglicht. Mitte Juli 2005 war die vollständige Auszahlung der 21,1 Milliarden Franken an Bund und Kantone abgeschlossen6. Die Verteilung des Erlöses gemäss dem erwähnten Verteilschlüssel wie auch das durch den Bundesrat gewählte Vorgehen werden teilweise (insbesondere von der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz) kritisiert und deren Rechtmässigkeit bezweifelt.

4 5 6

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV), SR 101.

Bundesgesetz vom 3. Oktober 2003 über die Schweizerische Nationalbank (Nationalbankgesetz, NBG), SR 951.11.

Ende 2004 waren 64 Tonnen der überschüssigen Reserven noch nicht veräussert. Sie wurden mit ihrem Marktwert Ende 2004 bilanziert. Die 64 Tonnen Gold wurden in den ersten drei Monaten des Jahres 2005 zu einem leicht höheren Preis veräussert. Die Differenz wird Bund und Kantonen als Bestandteil des Jahresgewinns 2005 im Jahr 2006 überwiesen.

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Eine weitere Vorlage, die manchmal im Zusammenhang mit dem Erlös der überschüssigen Goldreserven genannt wird, ist die sogenannte KOSA-Initiative. Die vom Komitee sichere AHV (KOSA) am 9. Oktober 2002 eingereichte Volksinitiative «Nationalbankgewinne für die AHV»7 weist nach Abzug einer Milliarde Franken zugunsten der Kantone den verbleibenden Reingewinn der Nationalbank dem Ausgleichsfonds der Alters- und Hinterlassenenversicherung zu. Diese neue Verfassungsbestimmung wäre zwei Jahre nach ihrer Annahme durch Volk und Stände in Kraft zu setzen. Ihr Zusammenhang mit dem Erlös aus den überschüssigen Goldreserven von 1300 Tonnen ist umstritten. Da eine Volksinitiative grundsätzlich keine Rechtswirkung vor ihrer Annahme durch Volk und Stände entfalten kann, ist somit der Zeitpunkt der Annahme in der Volksabstimmung massgebend.

1.2

Auftrag und Ziel der Inspektion

Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SPS) reichte mit ihrem Schreiben vom 7. Februar 2005 eine Aufsichtseingabe bei der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) ein. Sie vertritt darin die Auffassung, dass der erwähnte Bundesratsentscheid vom 2. Februar 2005 über die Verteilung des Erlöses nicht rechtmässig sei. Im Weitern zweifelt sie die Gesetzmässigkeit der Ausschüttung der 21,1 Milliarden Franken im Jahr 2005 sowie die nicht erfolgte Verstetigung der Gewinnausschüttung an8. Die Kritik der SPS an der Rechtmässigkeit des Bundesratsbeschlusses vom 2. Februar 2005 stützt sich insbesondere auf ein Rechtsgutachten, das Prof. Philippe Mastronardi von der Universität St. Gallen im Auftrag der SPS Anfang 2005 erstellt hat und das der GPK-N zur Verfügung gestellt wurde.

Gemäss Artikel 26 und Artikel 52 Parlamentsgesetz (ParlG)9 üben die Geschäftsprüfungskommissionen die Oberaufsicht über die Geschäftsführung des Bundesrates aus. Die Oberaufsicht umfasst aber aufgrund der Gewaltenteilung nicht die Befugnis, Entscheide des Bundesrates aufzuheben oder zu ändern (Art. 26 Abs. 4 ParlG).

Die von der SPS kritisierten Beschlüsse des Bundesrates sind Teil seiner Geschäftsführung und fallen somit in den Kompetenzbereich der Geschäftsprüfungskommissionen. Die GPK-N hat deshalb beschlossen, auf die Aufsichtseingabe der SPS einzutreten.

Die GPK-N fokussierte ihre Untersuchung auf die Rechtmässigkeit des Bundesratsbeschlusses und des gewählten Vorgehens im Sinne der Aufsichtseingabe. Das Verhältnis des Bundesratsbeschlusses über die Verteilung des Erlöses aus dem Verkauf der überschüssigen Goldreserven zur Volksinitiative «Nationalbankgewinne für die AHV» wurde nicht untersucht. Die GPK-N stellte sich allerdings auch Fragen zur Angemessenheit des Vorgehens. Sie beauftragte ihre Subkommission EFD/EVD mit der Durchführung der Untersuchung.

7 8

9

BBl 2003 6176 Eine solche Verstetigung ist im Artikel 31 Absatz 2 Nationalbankgesetz vorgesehen: «Das Departement und die Nationalbank vereinbaren für einen bestimmten Zeitraum die Höhe der jährlichen Gewinnausschüttungen an Bund und Kantone mit dem Ziel, diese mittelfristig zu verstetigen.» Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz, ParlG), SR 171.10.

6256

1.3

Vorgehen

Die Subkommission EFD/EVD führte im Rahmen dieser Untersuchung zwischen März 2005 und Februar 2006 sechs Sitzungen durch. Sie hörte Vertreter des EFD, des Bundesamtes für Justiz, der SNB, Prof. Paul Richli und auch Prof. Philippe Mastronardi an. Im Rahmen einer Sitzung mit Vertretern der SNB im Frühjahr 2005 diskutierte sie verschiedene Fragen im Zusammenhang mit der Verteilung des Erlöses aus den Verkäufen der überschüssigen Goldreserven. Die GPK-N legte bei ihrer Untersuchung ebenfalls einen Schwerpunkt auf die Konsistenz und Transparenz der bundesrätlichen Kommunikation in diesem Dossier und liess deshalb über ihr Sekretariat Äusserungen des Bundesrates beziehungsweise der Bundesräte gegenüber den Räten, den parlamentarischen Kommissionen und den Medien vertieft untersuchen. Für die rechtlichen Abklärungen beauftragte sie Prof. Paul Richli von der Universität Luzern mit einem Rechtsgutachten. Er klärte darin folgende Punkte ab: ­

Auslegung der rechtlichen Situation zur Verteilungsregel;

­

Vereinbarkeit des gewählten Vorgehens bei der Anwendung der Verteilungsregel mit dem geltenden Recht;

­

Wahrung der Partizipationsrechte von Parlament und Stimmvolk.

Auftragsgemäss würdigte Prof. Paul Richli beim ersten Punkt die unterschiedlichen Rechtspositionen des Bundesrates und von Prof. Philippe Mastronardi.

Die nachfolgenden Ausführungen zur Rechtmässigkeit stützen sich zu einem wesentlichen Teil auf das Gutachten von Prof. Paul Richli. Dabei werden in diesem Bericht nur die wichtigsten Erkenntnisse des Gutachters wiedergegeben. Sein Gutachten findet sich im Anhang zu diesem Bericht und bildet einen integralen Teil desselben.

Die GPK-N beriet den Berichtsentwurf der Subkommission EFD/EVD am 7. Februar 2006 und verabschiedete den Bericht an derselben Sitzung.

2

Rechtliche Würdigung der Ausschüttung gemäss der regulären Verteilregel von Artikel 31 Nationalbankgesetz

Von zentraler Bedeutung ist die Rechtsfrage, ob die Gewinnverteilungsregel des Artikels 31 Absatz 2 Nationalbankgesetz, der den Gewinn der SNB zu einem Drittel an den Bund und zu zwei Dritteln an die Kantone zuweist10, anwendbar ist (Rechtsauffassung des Bundesrates) oder ob das Nationalbankgesetz eine gesetzliche Lücke aufweist und somit nicht anwendbar ist (Rechtsauffassung von Prof.

Philippe Mastronardi).

Prof. Paul Richli gelangt gleich wie der Bundesrat zum Schluss, dass es sich beim Erlös aus dem Verkauf der überschüssigen Goldreserven letztlich um Aufwertungsgewinne handelt, die seit dem Übergang zu flexiblen Wechselkursen im Jahr 1973 nach und nach entstanden sind, die aber aufgrund der Goldbindung des Schweizer10

Es handelt sich um den Anteil des Bilanzgewinns, der die Dividendenausschüttung übersteigt. Siehe Art. 31 Abs. 2 Nationalbankgesetz.

6257

frankens an eine nicht mehr marktnahe Goldparität bis zum 1. Mai 2000 nicht realisiert werden konnten. Wenn die Rechtslage es der SNB schon früher erlaubt hätte, die Bewertung ihrer Goldbestände zu Marktpreisen vorzunehmen, so wären diese Aufwertungsgewinne schrittweise entstanden, verbucht und gemäss der Verteilregel ein Drittel für den Bund und zwei Drittel für die Kantone ausgeschüttet worden. Es ist also nicht ersichtlich, wieso der über die Jahre angesammelte Aufwertungsgewinn des Goldes anders verteilt werden soll, als es bei einer kontinuierlichen Auflösung der Fall gewesen wäre. Dementsprechend gelangt Prof. Paul Richli zum Schluss, dass nicht von einer Gesetzeslücke im Nationalbankgesetz ausgegangen werden muss und dass die Anwendung der Verteilregel des Artikels 31 Absatz 2 Nationalbankgesetz rechtlich überzeugt.

Prof. Paul Richli verneint ebenfalls die Frage, ob die Aufwertungsgewinne wie Paritätsänderungen zu behandeln sind, die allenfalls die Zuständigkeit der Bundesversammlung für die Verwendung des Erlöses begründet hätten. Der Gewinn entstand durch höhere Marktpreise des Goldes und nicht durch Paritätsänderungen.

Als weiteres Argument gegen das Vorgehen des Bundesrates führt Prof. Philippe Mastronardi an, dass es sich bei der Auflösung der Aufwertungsgewinne um eine Umwandlung von Verwaltungsvermögen in Finanzvermögen handle und sie deshalb wegen ihrer politischen Bedeutung eine formelle gesetzliche Grundlage benötige.

Die nähere Analyse durch Prof. Paul Richli verwirft die Anwendbarkeit dieses Arguments aus zwei Gründen: Es handle sich bei der Auflösung der Aufwertungsgewinne nur um eine Sichtbarmachung derselben, so dass sich die Frage der Vermögensumwandlung gar nicht stelle. Im Weitern sei die Frage der Vermögensumwandlung vorwiegend im Zusammenhang mit dem Finanzreferendum von Bedeutung, das auf Bundesstufe nicht existiert.

Das Gutachten gelangt zum Schluss, dass die Verteilregel des Artikels 31 Absatz 2 Nationalbankgesetz auf den Erlös aus dem Verkauf der überschüssigen Goldreserven anwendbar ist. Die GPK-N erachtet diese von Bundesrat und von Prof. Paul Richli eingenommene Rechtsauffassung als vertretbar.

3

Rechtliche Würdigung der Verstetigungsregel gemäss Artikel 31 Absatz 2 Nationalbankgesetz und der Verteilung im Jahr 2005

3.1

Nicht erfolgte Verstetigung der Gewinnausschüttung

Die 21,1 Milliarden Franken wurden innerhalb von zehn Wochen (Mai bis Juli 2005) in zehn wöchentlichen Tranchen an Bund und Kantone verteilt. Die Aufsichtseingabe der SPS wirft in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob der Erlös aus dem Verkauf des überschüssigen Nationalbankgoldes gemäss der Vorschrift des Artikels 31 Absatz 2 zweiter Satz Nationalbankgesetz nicht über einen längeren

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Zeitraum in Raten an den Bund und die Kantone hätte ausbezahlt werden müssen11.

Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut: «Das Departement [EFD] und die Nationalbank vereinbaren für einen bestimmten Zeitraum die Höhe der jährlichen Gewinnausschüttungen an Bund und Kantone mit dem Ziel, diese mittelfristig zu verstetigen.» In der Tat liegt diese Frage nahe, da dieser Erlös als Aufwertungsgewinn behandelt und dementsprechend gemäss der Verteilregel des Artikels 31 Absatz 2 erster Satz verteilt wurde. Mit anderen Worten, weshalb wird die Bestimmung des ersten Satzes dieses Gesetzesabsatzes angewandt, jedoch nicht der zweite Satz?

Im Verlauf der Untersuchung wurde diese Frage mehrfach in der Subkommission EFD/EVD, auch mit den angehörten Experten, diskutiert. Prof. Paul Richli hat das Thema in einem Anhang zu seinem Gutachten eingehend erörtert.

Die Mehrheit der GPK-N teilt die Auffassung des Rechtsgutachters bezüglich der Verstetigung nicht. Sie ist der Ansicht, dass die Verteilung der 21,1 Milliarden Franken innerhalb von drei Monaten rechtlich fragwürdig ist. Aus ihrer Sicht hätte die Ausschüttung des Golderlöses ähnlich wie beim ordentlichen Gewinn mittelfristig, also über eine Zeitspanne von zehn Jahren, erfolgen müssen12. Es ist für sie nicht nachvollziehbar, wieso die Gewinnverteilungsregel ein Drittel Bund und zwei Drittel Kantone des Artikels 31 Absatz 2 erster Satz Nationalbankgesetz anwendbar sein soll, während der Verstetigungsgrundsatz des zweiten Satzes desselben Absatzes im vorliegenden Fall keine Anwendung findet. Das gewählte Vorgehen des Bundesrates und der Nationalbank hätte in der Einschätzung der Mehrheit einer besonderen Rechtsgrundlage bedurft.

Eine Minderheit der GPK-N hingegen erachtet das Vorgehen des Bundesrates und der Nationalbank als richtig und mit dem Nationalbankgesetz vereinbar. Sie geht mit der Mehrheit der befragten Experten einig, dass es nicht dem Zweck des Artikels 31 Absatz 2 zweiter Satz Nationalbankgesetz entspreche, wenn die Verteilung des einmalig anfallenden Aufwertungsgewinns verstetigt würde. Die Planungssicherheit der Empfänger würde dadurch nicht erhöht. Ein wichtiges Element ist gemäss dieser Minderheit, dass die Kantone bei den vorgängigen Überlegungen zur einmaligen Ausschüttung miteinbezogen wurden und letztlich alle Kantone das durch den Bundesrat
gewählte Vorgehen begrüssten und im Januar 2005 einen raschen Vollzug des geltenden Rechts sogar forderten13. Dies sei gerade darum relevant, weil die Kantone als Mehrheitsaktionäre der SNB an deren Generalversammlung über die Ausschüttungen verfügen.

11

12 13

Eine technische Arbeitsgruppe der SNB, der Konferenz der Kantonsregierungen, der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren und der Eidgenössischen Finanzverwaltung beschäftigte sich im Jahr 2004 mit den technischen Aspekten einer allfälligen Vermögensübertragung im Wert von 1300 Tonnen Gold von der SNB an Bund und Kantone. In ihrem Schlussbericht vom 22. Dezember 2004 ging sie vor allem zwei Ausschüttungsvarianten nach, nämlich der raschen Ausschüttung einerseits und der Ausschüttung über einen langen Zeitraum. Die Arbeitsgruppe untersuchte vor allem die makroökonomischen und finanziellen Auswirkungen der beiden Varianten und die technischen Aspekte einer allfälligen Substanzausschüttung des Goldvermögens. Sie äusserte sich nicht zur politischen Frage der Verwendung des Goldvermögens.

So wie in der Hauptvereinbarung zwischen EFD und SNB vom 5.4.2002 vereinbart; Vgl. S. 91 Geschäftsbericht 1994 der SNB.

Vgl. Medienmitteilung der Konferenz der Kantonsregierungen vom 20. Januar 2005.

6259

3.2

Verteilung der 21,1 Milliarden Franken im Jahr 2005

Am 28. Januar 2005 publizierte die SNB die Eckwerte des Jahresabschlusses 2004.

Darin war der Erlös aus dem Verkauf der überschüssigen Goldreserven noch nicht im Gewinn der SNB ausgewiesen. Nachdem der Bundesrat am 2. Februar 2005 den Entscheid fällte, keine weiteren Vorlagen für die Verwendung dieses Erlöses zu unterbreiten und den Erlös gemäss der geltenden Verteilregel des Artikels 31 Absatz 2 Nationalbankgesetz zu verteilen, änderte die SNB die schon veröffentlichten Eckwerte der Jahresrechnung 2004 und verbuchte diesen Erlös in ihrer Jahresrechnung 2004 als Gewinn. Die Jahresrechnung wurde durch die Generalversammlung am 29. April 2005 genehmigt. Wäre die Jahresrechnung nicht entsprechend angepasst worden, so hätten die 21 Milliarden Franken erst über die Jahresrechnung 2005 der SNB, also im Jahr 2006, verteilt werden können. Der Bundesrat ging am 2. Februar 2005 noch davon aus, dass die Ausschüttung der 21,1 Milliarden Franken erst im 2006 erfolgen könne14.

Artikel 29 Nationalbankgesetz verweist für die Erstellung der Jahresrechnung der SNB auf die Vorschriften des Aktienrechts sowie auf die allgemein anerkannten Grundsätze der Rechnungslegung. Die Vertreter des EFD führten aus, dass die SNB als börsenkotierte Aktiengesellschaft sich an die Rechnungslegungsvorschriften der Swiss GAAP FER zu halten habe. Gründliche Abklärungen hätten ergeben, dass aufgrund von Swiss GAAP FER (insbesondere Empfehlungen 23 Ziff. 9) die Aufwertungsgewinne beziehungsweise die Auflösung der aus dem Aufwertungsgewinn gebildeten Rückstellungen in der Erfolgsrechnung 2004 auszuweisen waren. Im Weitern verlange das Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung, dass Ereignisse, die zwar nach dem Bilanzstichtag (hier der 31.12.2004) eingetreten sind, aber vor dem Bilanzstichtag verursacht worden sind, noch bis zur Aufstellung der Jahresrechnung berücksichtigt werden müssen. Im konkreten Fall wird seitens des EFD das zweite Nichteintreten des Ständerates auf die Vorlage des Bundesrates zur Verwendung von 1300 Tonnen Nationalbankgold am 16. Dezember 2004 als das relevante Ereignis betrachtet, das letztlich zur Gewinnausschüttung führte.

Diese Argumentation ist aus Sicht der GPK-N grundsätzlich nachvollziehbar und rechtlich auch vertretbar15. Auch Prof. Paul Richli stellte in diesem Zusammenhang keine Verletzung einer
Rechtspflicht fest. Die Kommission ist jedoch der Meinung, dass ein anderes Vorgehen ebenfalls möglich gewesen wäre, wenn man beispielsweise das Datum des Bundesratsentscheids vom 2. Februar 2005 als das relevante Ereignis herangezogen hätte. Auch ein solches Vorgehen hätte vertreten werden können. Es muss hier jedoch ebenfalls berücksichtigt werden, dass die Empfänger dieses Nationalbankgewinns, Bund und Kantone, die Auszahlung im Jahr 2005 vorzogen.

14

15

Er stützte seine Aussage auf die Resultate des im Dezember 2004 publizierten Berichts einer technischen Arbeitsgruppe mit Mitgliedern aus der Eidgenössischen Finanzverwaltung, der SNB und Vertretern der Konferenz der Kantonsregierungen und der Finanzdirektorenkonferenz über die Umsetzung einer allfälligen Goldausschüttung; vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 2. Februar 2005.

Gemäss dem EFD haben sowohl die gesetzliche Revisionsstelle der SNB, die Firma PricewaterhouseCoopers, wie auch die Schweizer Börse SWX die nachträgliche Korrektur der Eckwerte gutgeheissen.

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4

Richtungswechsel des Bundesrates: Politische und rechtliche Würdigung

Die Ausschüttung des Erlöses aus dem Verkauf der überschüssigen Goldreserven erfolgte aufgrund des Bundesratsentscheids vom 2. Februar 2005. Der Bundesrat begründete seinen Entscheid damit, dass über mehrere Jahre verschiedenste Anläufe zur Schaffung von Rechtsgrundlagen für eine besondere Verwendung dieses Erlöses fehlschlugen16. Nach dem Scheitern seiner letzten Vorlage im Parlament am 16. Dezember 2004 evaluierte der Bundesrat erneut die politische Lage und kam zum Schluss, dass keine politische Mehrheit im Parlament für eine neue Vorlage gefunden werden könne. Die Meinungen im Parlament lägen teilweise sehr weit auseinander, sowohl bezüglich des Verwendungszwecks des Erlöses wie auch bezüglich der Frage, ob die Substanz des Erlöses zu erhalten sei. Die Suche nach einem parlamentarischen Kompromiss könne aber angesichts der geltenden Rechtslage nicht ewig weitergeführt werden, so dass die Anwendung des geltenden Rechts ­ die Ausschüttung des Erlöses zu einem Drittel an den Bund und zu zwei Dritteln an die Kantone ­ die logische Konsequenz darstelle17.

Aus der Perspektive der GPK-N stellten sich in diesem Zusammenhang hauptsächlich zwei Fragen: 1.

Wurden Partizipationsrechte des Parlaments oder des Stimmvolks durch diese Abkehr des Bundesrates von der Suche nach einem politisch getragenen, neuen Verwendungszweck verletzt?

2.

Hat der Bundesrat eine kohärente und transparente Informationspolitik verfolgt, welche auch die Möglichkeit der Auszahlung nach dem Verteilschlüssel des Artikels 31 Absatz 2 Nationalbankgesetz gebührend berücksichtigte?

4.1

Gewährleistung der Partizipationsrechte von Parlament und Stimmvolk

Die Beantwortung der Frage, ob die Partizipationsrechte von Parlament und Stimmvolk verletzt wurden, muss aufgrund der bisherigen Feststellungen von der geltenden Rechtslage ausgehen, nämlich, dass für die Ausschüttung des Erlöses aus dem Verkauf der überschüssigen Goldreserven der Verteilschlüssel des Artikels 31 Absatz 2 Nationalbankgesetz gilt.

Die Anwendung dieser Verteilregel wurde hinausgeschoben, weil während mehrerer Jahre eine weitgehende politische Einigkeit bestand, den Erlös aus den Goldverkäufen einem besonderen Zweck zuzuführen und dazu Rechtsgrundlagen erarbeitet wurden. Auch die Kantone waren grundsätzlich bereit, eine andere Mittelverwendung politisch mitzutragen. Es lag dementsprechend im Ermessen des Bundesrates mit der Verteilung des Erlöses zuzuwarten und selbst Vorlagen für eine andere Mittelverwendung auszuarbeiten und zu unterbreiten.

Prof. Paul Richli unterteilt in seinem Gutachten diese Zeit in vier Phasen: In einer ersten Phase wollte der Bundesrat einen Teil des Aufwertungsgewinns für andere öffentliche Zwecke einsetzen und hielt dazu die Schaffung einer neuen Rechtsgrund16 17

Vgl. Kapitel 1.1 Ausgangslage.

Vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 2. Februar 2005.

6261

lage auf der Gesetzesstufe für ausreichend. In einer zweiten Phase gelangte der Bundesrat zur Auffassung, dass dafür eine Verfassungsgrundlage zu schaffen wäre.

Die dritte Phase zeichnet sich dadurch aus, dass der Bundesrat aus politischen Gründen die Verteilung des Aufwertungsgewinns nach der bisherigen Regel nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Verankerung für opportun hielt. In der vierten Phase war der Bundesrat überzeugt, dass die Verteilregel nach dem geltenden Recht anzuwenden sei.

Aus rechtlicher Sicht ist gemäss Prof. Paul Richli nur die erste Phase zu kritisieren. Die Verwendung eines Teils des Aufwertungsgewinns für andere öffentliche Zwecke bedurfte seiner Meinung nach einer Verfassungsänderung. Durch die Abstützung auf eine Rechtsgrundlage, die sich nur auf Gesetzesstufe befunden hätte, wären die Rechte des Verfassungsgebers verletzt worden. Nachdem in dieser Phase von verschiedener Seite her ein solches Vorgehen kritisiert wurde, revidierte der Bundesrat seine Auffassung (zweite Phase gemäss Prof. Paul Richli)18. In allen anderen Phasen ging der Bundesrat rechtlich korrekt vor. Insbesondere vertritt Prof. Paul Richli die Auffassung, dass der Richtungswechsel zwischen der dritten und vierten Phase unter den Aspekten von allgemeinen Verfassungs- und Verwaltungsgrundsätzen sowie der Regelung im Nationalbankgesetz und in der Bundesverfassung nicht als unrechtmässig betrachtet werden kann.

Es bleibt anzumerken, dass das Parlament, teilweise aber auch das Stimmvolk, verschiedenste Male die Möglichkeit hatten, sich zu Vorschlägen über den Verwendungszweck des Erlöses zu äussern. Auch die Behandlung der letzten Vorlage des Bundesrates wahrte die Rechte des Parlaments. Der vorgelegte Entwurf zu einem Bundesbeschluss zur Verwendung von 1300 Tonnen Nationalbankgold wurde gemäss dem Parlamentsgesetz im National- und Ständerat beraten. Der zweite Nichteintretensentscheid des Ständerates am 16. Dezember 2005, der mit 32 zu 11 Stimmen gefällt wurde, beendigte seine rechtliche Existenz, so dass weder das Stimmvolk noch die Kantone im Rahmen einer Volksabstimmung konsultiert werden konnten.

Das gewählte Vorgehen ist gemäss der Mehrheit der GPK-N zu kritisieren. Es führte letztlich dazu, dass sich weder das Parlament noch das Volk zur Ausschüttung der 21,1 Milliarden Franken äussern konnte und dadurch politischer Schaden entstand.

4.2

Informationspolitik des Bundesrates

Die GPK-N überprüfte die Informationspolitik des Bundesrates in Bezug auf die Verteilung der überschüssigen Goldreserven und wollte in Erfahrung bringen, ob der Bundesrat je angedeutet hatte, dass er die reguläre Gewinnverteilung anwenden würde, falls die vorgeschlagenen Sonderfallregelungen nicht angenommen würden.

Es galt folglich Anhaltspunkte in den bundesrätlichen Stellungnahmen zu finden, die Aufschluss darüber geben, welche Konsequenzen der Bundesrat aus einem Scheitern sämtlicher Goldverteilungsvorlagen ziehen würde.

18

Insbesondere wäre auch für die Substanzerhaltung des überschüssigen Goldvermögens eine Verfassungsänderung notwendig gewesen (vgl. z.B. Botschaft des Bundesrates vom 20. August 2003 zur Verwendung von 1300 Tonnen Nationalbankgold und zur Volksinitiative «Nationalbankgewinne für die AHV», BBl 2003 6150).

6262

Die Frage nach den Folgen eines Nichtzustandekommens politischer Lösungen wurde zum ersten Mal im Vorfeld der Volksabstimmung zu den zwei Vorlagen der Goldinitiative und dem Gegenvorschlag Solidaritätsstiftung im Herbst 2002 politisch relevant. Die folgenden Informationsquellen wurden deshalb für die Jahre 2002 bis 2005 untersucht: ­

Botschaft des Bundesrates zur Verwendung von 1300 Tonnen Nationalbankgold und zur Volksinitiative «Nationalbankgewinne für die AHV» vom 20. August 2003

­

Debatte im Nationalrat und Ständerat zu diesen Vorlagen

­

Stellungnahmen des Bundesrates in den Räten (Auszüge aus dem Amtlichen Bulletin) zu parlamentarischen Vorstössen zur Verteilung des überschüssigen Nationalbankgoldes

­

Medienmitteilungen, Rohstoffe und Sprechnotizen des EFD zur Verteilung des überschüssigen Nationalbankgoldes

­

Abstimmungserläuterungen des Bundesrates zur Volksabstimmung vom 22. September 2002 über die «Goldinitiative» und den Gegenvorschlag «Gold für AHV, Kantone und Stiftung»

­

Referate von Bundesrat Kaspar Villiger im Vorfeld der Volksabstimmung über die Goldvorlagen

­

Wortprotokolle der Sitzungen der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) und der Finanzkommission (FK) zu den Vorlagen über die Verwendung der Goldreserven (mit Bundesratspräsenz)

Die Aufarbeitung der verschiedenen Dokumente zeigte, dass der Bundesrat eine Verteilung der überschüssigen Goldreserven nach dem regulären Gewinnverteilschlüssel (Art. 99 Abs. 4 BV) im Falle eines Scheiterns sämtlicher Goldvorlagen nie vollständig ausschloss. Bereits im Januar 2003 erklärte er in Kommissionssitzungen, dass ein solches Vorgehen theoretisch möglich wäre. Der Bundesrat rechnete jedoch damals noch mit dem Zustandekommen einer neuen Verfassungs- bzw. Gesetzesvorlage und liess deshalb in der Öffentlichkeit nicht den Eindruck entstehen, er würde die Verteilung nach dem regulären Schlüssel ernsthaft in Betracht ziehen.

Den Abstimmungserläuterungen des Bundesrates vom 22. September 2002 war nicht eindeutig zu entnehmen, dass eine Ablehnung der beiden Vorlagen möglicherweise zur Anwendung des regulären Verteilschlüssels führt und dass die Stimmberechtigten kein zweites Mal die Möglichkeit haben werden, über die Verwendung des Goldes zu entscheiden. Im Gegenteil, der Bundesrat gab unmittelbar nach der Abstimmung in seiner Medienmitteilung bekannt, dass man die Frage der Verwendung der überschüssigen Goldreserven den Stimmberechtigten nicht entziehen wolle. Er setzte sich schliesslich auch bis zum zweiten Nichteintreten des Ständerates am 16. Dezember 2004 auf den Vorschlag des Bundesrates zur Verwendung von 1300 Tonnen Nationalbankgold für die Substanzerhaltung ein und bekräftigte, dass er eine schlüsselgemässe Verteilung für politisch undenkbar halte.

In einer Sitzung der WAK-S vom 31. August 2004 liess Bundesrat Hans-Rudolf Merz erstmals deutlich verlauten, dass er die Ausschüttung nach dem regulären Verteilschlüssel ernsthaft in Betracht ziehe. Am 28. September 2004 erklärte er schliesslich auch im Ständerat, dass ein Scheitern der Goldverteilungsvorlage möglicherweise die Verteilung nach dem regulären Schlüssel zur Folge hätte.

6263

Während der Wintersession 2004 erfuhr die Öffentlichkeit durch die Medien über die womöglich bevorstehende Ausschüttung. Verschiedene Medien berichteten in diesen Wochen über die Gold-Frage. Am 16. Dezember 2004 beschloss der Ständerat zum zweiten Mal Nichteintreten auf die Vorlage des Bundesrates und legte so den Grundstein für die folgenden Entscheide. In einer Medienmitteilung vom 22. Dezember 2004 legte sich der Bundesrat aber bezüglich der Verteilung des Erlöses aus den überschüssigen Goldreserven noch nicht fest, sondern gab bekannt, er wolle das weitere Vorgehen in aller Sorgfalt analysieren. Mit dem Bundesratsentscheid vom 2. Februar 2005 wurde dann endgültig beschlossen, dass die überschüssigen Goldreserven nun zu zwei Dritteln an die Kantone und zu einem Drittel an den Bund ausgeschüttet werden sollen.

Mit dem Bundesratsentscheid vom 2. Februar 2005 hatte es der Bundesrat nun plötzlich eilig, die Gewinne so schnell wie möglich auszuschütten. Aus rechtlicher Sicht hätte er diese Haltung schon früher einnehmen können. In seiner Argumentation war er jedoch nicht durchwegs konsistent. Zuerst vertrat der Bundesrat die Meinung, eine solche Ausschüttung könne erst im Jahr 2006 vorgenommen werden.

Kurze Zeit später gab er bekannt, dass die Eckwerte des Jahresabschlusses 2004 der SNB nachträglich durch diese geändert worden seien und damit die Aufwertungsgewinne nun aufgrund fehlender anderer Rechtsgrundlagen doch schon im Jahr 2005 ausgeschüttet werden. Der Bundesrat begründete seinen Meinungswechsel und die grosse Eile in dieser Sache gegenüber dem Parlament und der Bevölkerung eher vage.

Der Bundesrat hat das Recht, seine Haltung jederzeit den politischen Gegebenheiten anzupassen. Er war gewillt, eine Vorlage im Parlament durchzubringen, musste aber nach deren Scheitern im Ständerat in der Wintersession 2004 die Lage neu überdenken. Sein Entscheid, die Erlöse aus den überschüssigen Goldreserven nach dem regulären Verteilschlüssel auszuschütten, ist rechtlich vertretbar. Die Kommission stellt jedoch fest, dass das Auftreten des Bundesrates und sein Umgang mit der Öffentlichkeit und dem Parlament in mehreren Punkten nicht konsistent und transparent waren. Die GPK-N ist der Ansicht, dass der Bundesrat sein Vorgehen und seine Beweggründe dem Parlament und der Bevölkerung früher, deutlicher und
ausführlicher hätte kommunizieren müssen. Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist die vom Bundesrat nicht begründete plötzliche Eile, mit der der Gewinn aus der Realisierung des Aufwertungsgewinns verteilt wurde. Die Art und Weise des bundesrätlichen Vorgehens gereicht ihm nicht zum Vorteil.

4.3

Weitere rechtliche Überlegungen

In den Abstimmungserläuterungen des Bundesrates zur Volksabstimmung vom 22. September 2002 über die Goldinitiative und den Gegenentwurf «Gold für AHV, Kantone und Stiftung» führte der Bundesrat aus: «Finden weder Goldinitiative noch Gegenentwurf eine Mehrheit, so kann das Goldvermögen vorerst nicht für einen neuen Zweck verwendet werden. Für jede neue Zweckbestimmung braucht es nach Ansicht des Bundesrates eine neue Verfassungsoder Gesetzesgrundlage.19»

19

Vgl. Volksabstimmung vom 22. September 2002, Erläuterungen des Bundesrates, S. 9.

6264

Daraus wurde verschiedentlich abgeleitet, dass das Stimmvolk sich auch bei einer Ablehnung der beiden Vorlagen in der Abstimmung auf jeden Fall zur späteren Verwendung des Erlöses aus den Goldverkäufen werde äussern können. Gemäss dem Gutachten von Prof. Paul Richli bringen aber die Abstimmungserläuterungen auch zum Ausdruck, dass dies nur zutrifft, wenn der Erlös einer neuen Zweckbestimmung zugeführt wird. Die Erläuterungen verweisen auf das geltende Recht, das einen Anspruch der Kantone auf zwei Drittel des Goldvermögens statuiert. Der Bundesrat hat den politischen Willen gehabt und mit seiner Botschaft vom 20. August 2003 zur Verwendung von 1300 Tonnen Nationalbankgold eine neue Vorlage dem Parlament unterbreitet. Prof. Paul Richli führt zutreffend aus, dass dem Bundesrat aus rechtlicher Sicht aufgrund der Entwicklung und seiner daraus resultierenden Neueinschätzung der Lage kein Vorwurf gemacht werden kann, wenn er keine neue Vorlage ausarbeitet, sondern das geltende Recht zur Anwendung bringt.

Der Grundsatz von Treu und Glauben wurde durch dieses Vorgehen nicht verletzt.

Die GPK-N stellt jedoch fest, dass die erwähnten Abstimmungserläuterungen nicht die notwendige Klarheit und Transparenz aufwiesen. Gemäss Artikel 11 Absatz 2 Bundesgesetz vom 17. Dezember 1976 über die politischen Rechte (SR 161.1) haben Abstimmungserläuterungen sachlich zu sein. Diese Regelung bezweckt die freie Willensbildung der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger. Eine verbesserte Transparenz in den Abstimmungserläuterungen wäre im Sinne der freien Willensbildung gewesen und hätte auch politischen Missverständnissen vorgebeugt. Es wäre dementsprechend wünschenswert gewesen, wenn die Möglichkeit einer Verteilung des Golderlöses auf der Basis des geltenden Rechts klarer hervorgehoben worden wäre. Darauf ist in Zukunft bei ähnlichen Fällen zu achten.

5

Schlussfolgerungen

Die GPK-N kommt zum Schluss, dass der Bundesrat mit der Behandlung der überschüssigen Goldreserven als Aufwertungsgewinne kein Recht verletzt hat. Hingegen gilt diese Feststellung ­ gemäss der Mehrheit der GPK-N ­ nicht unbedingt für die Ausschüttung der 21,1 Milliarden Franken innerhalb von drei Monaten, welche ohne Anpassung des Artikels 31 Absatz 2 zweiter Satz Nationalbankgesetz erfolgte, weil dies der Verstetigungsregel widerspricht. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen und Klarheit zu schaffen, reicht die GPK-N eine entsprechende Motion ein20. Eine Minderheit der GPK-N hingegen erachtet die Ausschüttung innerhalb von drei Monaten als rechtskonform und folgt damit der Auffassung von Prof. Paul Richli.

Dementsprechend lehnt sie die Motion ab.

Im Weiteren muss auch festgehalten werden, dass der Bundesrat Parlament und Öffentlichkeit missverständlich und nicht immer konsistent informierte. Das Hauptproblem in der Kommunikation des Bundesrates war die oft fehlende Trennung zwischen seiner politischen Beurteilung der Lage einerseits und seiner Einschätzung der Rechtslage andererseits. Die Information des Bundesrates war lange Zeit durch seinen Wunsch, eine Rechtsgrundlage für einen neuen Verwendungszweck des überschüssigen Goldes zu schaffen, geprägt. Diese Sichtweise wurde ebenfalls durch das damalige politische Umfeld gestützt. Der Bundesrat hat jedoch die Pflicht, sachlich und umfassend zu informieren. In Zukunft ist bei ähnlichen Fällen klar 20

Vgl. Anhang 3.

6265

zwischen den politisch wünschbaren und den rechtlich zwingenden Aspekten zu unterscheiden.

Empfehlung 1 Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, in Zukunft bei seinen Stellungnahmen klar zwischen seiner politischen und seiner rechtlichen Beurteilung einer Situation zu unterscheiden und seine Entscheidgründe klar darzulegen. Dies gilt ganz besonders für Abstimmungserläuterungen. In den Stellungnahmen ist insbesondere auch das Weiterbestehen des geltenden Rechts als Variante mit einzubeziehen. Sowohl das Parlament wie auch die Öffentlichkeit müssen frühzeitig informiert werden, falls der Bundesrat in einem politisch bedeutenden Geschäft einen Richtungswechsel vornehmen will.

Die Information zum plötzlichen Richtungswechsel des Bundesrates betreffend die Auszahlung des Golderlöses im Jahr 2005 vermag nicht zu befriedigen. Hier besteht nach wie vor nicht nur bei der GPK-N sondern auch seitens des Parlaments wie der Öffentlichkeit ein Informationsbedürfnis. Die GPK-N fordert den Bundesrat deshalb auf, in seiner Stellungnahme zum Bericht der GPK-N diesem Bedürfnis zu entsprechen.

6

Weiteres Vorgehen

Die GPK-N bittet den Bundesrat, bis Ende August 2006 zu ihren in diesem Bericht vorgelegten Feststellungen und ihrer Empfehlung Stellung zu nehmen und sie über getroffene Massnahmen zu informieren.

7. Februar 2006

Im Namen der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Der Präsident: Kurt Wasserfallen Der Sekretär: Philippe Schwab Die Präsidentin der Subkommission EFD/EVD: Brigitta M. Gadient Der Sekretär der Subkommission EFD/EVD: Christoph Albrecht

6266

Anhang 1

Angehörte und befragte Personen ­

Braunschweig Thomas, Abteilung Begleitende Rechtssetzung II, Bundesamt für Justiz, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement

­

Karrer Alexander, Leiter internationale Finanzfragen und Währungspolitik, EFD

­

Kilchenmann Jakob, stellvertretender Leiter Rechtsdienst EFD

­

Klauser Peter, Leiter Recht und Dienste der SNB

­

Mastronardi Philippe, Prof. Dr. iur., Universität St. Gallen

­

Projer Erich, Wirtschafts- und Geldpolitik, Eidgenössische Finanzverwaltung, EFD

­

Richli Paul, Prof. Dr. iur., Universität Luzern

­

Roth Jean-Pierre, Präsident des Direktoriums der SNB

6267

Anhang 2

Gutachtlicher Bericht zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates über Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Verwendung des Erlöses aus dem Verkauf des überschüssigen Nationalbankgolds Von Prof. Dr. iur. Paul Richli, Gründungsdekan und Ordinarius für öffentliches Recht, Agrarrecht und Rechtsetzungslehre an der Universität Luzern vom 28. Juli 2005

6268

Bericht 1

Auftrag

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates beauftragt den Gutachter, in einem gutachtlichen Bericht zu den folgenden Fragen Stellung zu nehmen: ­

Rechtsgrundlage: Verhältnis allgemeine Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Grundsätze und Nationalbankgesetz (bzw. gesellschaftsrechtliche Aspekte) im Hinblick auf die Verwendung des Erlöses aus dem Verkauf des überschüssigen Nationalbankgoldes (Verhältnis Gutachten von Prof. Philippe Mastronardi ­ Rechtsauffassung Bundesrat)

­

Partizipationsrechte Parlament und Stimmvolk: Der Bundesrat forderte im Verlauf der letzten Jahre für die Verwendung des Erlöses aus den überschüssigen Goldreserven eine neue Rechtsgrundlage, sofern dieser Erlös nicht gemäss regulärem Verteilschlüssel zur Auszahlung gelange. War er in seiner Argumentation über die Zeit hinweg konsequent und transparent? Wurden Partizipationsrechte des Parlaments oder des Stimmvolks durch das am Schluss vom Bundesrat gewählte Vorgehen verletzt?

­

Nationalbankgesetz und gewähltes Vorgehen: Wie ist der durch den Verkauf des überschüssigen Goldes anfallende Erlös gemäss Nationalbankgesetz zu behandeln (Erfassung im Jahresbericht, Auszahlungszeitpunkt, Verstetigung)?

2 2.1

Stellungnahme Aufbau der Ausführungen

Für die rechtliche Beurteilung der gestellten Fragen ist es unerlässlich, vorweg die Entstehung der überschüssigen Goldreserven aufzuzeigen (Ziff. 2.2). Anschliessend kann auf die Frage nach dem Verhältnis allgemeiner verfassungs- und verwaltungsrechtlicher Grundsätze zum Nationalbankgesetz und zu gesellschaftsrechtlichen Aspekten im Hinblick auf die Verwendung des Erlöses aus dem Verkauf des überschüssigen Nationalbankgoldes eingegangen werden. Dabei ist auch die Frage nach der Zuständigkeit für den Entscheid über die Verwendung des Erlöses zu behandeln (Ziff. 2.3). In einem nächsten Schritt soll dargestellt werden, welche Haltung der Bundesrat im Verlaufe der letzten Jahre mit Bezug auf die Verwendung des Erlöses aus den überschüssigen Goldreserven eingenommen hat. Dabei ist zu beantworten, ob er darin konsequent und transparent gewesen sei und ob Partizipationsrechte des Parlaments oder des Stimmvolks verletzt worden seien (Ziff. 2.4). Schliesslich ist zu prüfen, wie der durch den Verkauf des überschüssigen Goldes anfallende Erlös gemäss Nationalbankgesetz zu behandeln ist, insbesondere mit Bezug auf den Jahresbericht, den Auszahlungszeitpunkt und die Verstetigung (Ziff. 2.5). Eine abschliessende Würdigung soll die Überlegungen abrunden (Ziff. 3).

6269

2.2

Zur Entstehung der überschüssigen Goldreserven der Nationalbank

Die schweizerische Währungsordnung war nach dem früheren Recht an das Gold gebunden. Es galt das Regime der Goldkernwährung. Damit ist gemeint, dass das Gold nicht ­ wie bei einer Goldumlaufwährung ­ in Form von Münzen in Umlauf war, sondern zentral als Deckung für den Münz- und Banknotenumlauf gehalten wurde21. Dieses Regime war unter dem System fixer Wechselkurse funktionsfähig, das unter der Führung der Vereinigten Staaten im Jahre 1944 im amerikanischen Bretton Woods geschaffen worden war. Das damit verfolgte Stabilitätsziel sollte durch die Bindung der nationalen Währungen an das Gold erreicht werden. Alle Mitgliedstaaten waren verpflichtet, mit dem Fonds einen direkt oder indirekt über den amerikanischen Dollar in Goldgewicht und in der Feinheit vom 1. Juli 1944 ausgedrückten Goldwert ihrer Währung zu vereinbaren. Flexible Wechselkurse waren nicht zulässig22.

Während mehr als 20 Jahren funktionierte dieses Währungssystem in befriedigender Weise. Dennoch verdrängte die amerikanische Währung als Reservewährung par excellence mehr und mehr das Hauptreservemittel Gold. Zufolge verschiedener Faktoren büsste der Dollar sein Vertrauen zusehends ein, sodass Präsident Nixon am 15. August 1971 gezwungen war, die Konvertibilität der amerikanischen Währung gegen Gold aufzuheben. Damit war das Signal für den Zusammenbruch des damaligen Weltwährungssystems von Bretton Woods gegeben23. Mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung sah sich auch die Schweiz verpflichtet, zu flexiblen Wechselkursen überzugehen, was am 23. Januar 1973 geschah. Im Gefolge erlebte der Schweizerfranken eine kontinuierliche Aufwertung gegenüber dem Dollar24.

Die Schweizerische Nationalbank (nachfolgend SNB) geriet mit dieser ­ faktisch unvermeidlichen ­ Massnahme in einen dauernden Konflikt mit Artikel 22 des Nationalbankgesetzes vom 23. Dezember 195325 (nachfolgend aNBG), der sie verpflichtete, den Kurs des Schweizerfrankens mangels Konvertibilität der Währung gegen Gold auf der gesetzlich festgesetzten Goldparität zu halten26. In der Folge verursachte die Diskrepanz zwischen gesetzter und gelebter Währungsordnung einiges Kopfzerbrechen. Anlass dazu war Artikel 19 Absatz 4 aNBG, der bestimmte, die SNB müsse den Notenumlauf zu wenigstens 40 Prozent mit Gold decken. Dieser Goldbestand, der nach damaligem Recht bewertet Ende der
siebziger Jahre zur Notendeckung bald einmal nicht mehr auszureichen drohte, nährte die Frage, wie eine solche Entwicklung abgewendet werden könnte. Erörtert wurden die Festsetzung einer neuen Goldparität (die auch wieder nur irreal hätte sein können), die Befreiung der SNB von der Goldparität bei der Bilanzierung des Goldbestandes und eine reine Bilanzmassnahme. Ein endgültiger Entscheid war indessen entbehrlich, weil sich die Lage wieder entspannte und damit die Gefahr des Deckungsdefizits schwand27.

21

22 23 24 25 26 27

Botschaft des Bundesrates zum Entwurf eines Bundesgesetzes über das Münzwesen, BBl 1970 II 110 ff.; Paul Richli, Zur internationalen Verflechtung der schweizerischen Währungsordnung, in: Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1988, Bern 1988, S. 342.

Vgl. Richli, Fn. 1, S. 343.

Richli, Fn. 1, S. 344.

Vgl. Richli, Fn. 1, S. 345.

AS 1954 599 Richli, Fn. 1, S. 349 f.

Richli, Fn. 1, S. 350.

6270

Das formale und vor allem für die Bilanzierung relevante Festhalten28 an der Goldparität von rund 4596 Franken ­ eine monetäre Bedeutung war damit nicht mehr verbunden ­ führte indessen zu einer erheblichen Unterbewertung der Goldbestände, weil diese nicht entsprechend dem viel höheren Marktwert bilanziert werden konnten29. Der Marktwert des Goldes hatte sich seit der Aufhebung der Goldkonvertibilität des Dollars durch die Vereinigten Staaten am 15. August 1971 nachhaltig von der Parität entfernt und ein Eigenleben entfaltet. Bis dahin konnte die SNB einen Überschuss in Dollars beim amerikanischen Schatzamt zu 35 Dollars/Unze in Gold umwandeln. Die Entfaltung des Eigenlebens des Marktwerts des Goldes war die Folge davon, dass die Notenbanken nach dem Übergang zu flexiblen Wechselkursen den Goldkurs nicht mehr auf der Wechselkursparität verteidigten30. Mit dem Übergang zu flexiblen Wechselkursen entwickelten sich einerseits die Währungsrelationen unterschiedlich und anderseits auch der Goldpreis. So galt eine Unze Feingold im Jahr 1971 35 Dollar, während der Marktpreis des Goldes heute bei 420 Dollar/Unze liegt. Was den Schweizerfranken betrifft, so lag die Goldparität bei rund 4596 Franken/kg, während der Marktpreis des Goldes heute gegen 17 700 Franken/kg tendiert31. Das formale Festhalten an der Parität verunmöglichte es der SNB, noch weiter Gold gegen Franken zu kaufen. Die SNB griff zu einer Ausweichstrategie: sie erwarb Gold gegen Devisen, schrieb den Goldwert gleich auf die Parität ab und bilanzierte die Bestände entsprechend32.

Mit der Einführung von Artikel 99 BV über die Geld- und Währungspolitik ist der Schweizerfranken auf Verfassungsstufe von der Bindung an das Gold gelöst worden.

Das neue Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel vom 22. Dezember 1999 (nachfolgend WZG)33 hat diese Loslösung auf Gesetzesstufe umgesetzt, womit eine Höherbewertung sowie der Verkauf und die Umschichtung eines Teils der Goldbestände der SNB in Ertrag bringende Aktiven möglich geworden sind34.

28 29 30

31 32 33 34

Vgl. dazu vor allem auch die Stellungnahme der Justizabteilung vom 5. November 1978, Verwaltungspraxis der Bundesbehörden (VPB), 43 (1979) Nr. 42.

Vgl. René Rhinow/Gerhard Schmid/Giovanni Biaggini, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Basel 1998, S. 489.

Siehe dazu bes. 75 Jahre Schweizerische Nationalbank. Die Zeit von 1957 bis 1982, Jubiläumsschrift, hrsg. von der Schweizerischen Nationalbank, Zürich 1981, S. 236 f.; siehe zur ganzen Thematik auch Leo Schürmann, Nationalbankgesetz und Ausführungserlasse, Kommentar und Textausgabe, Bern 1980, Art. 22, Rz. 10 ff.

Siehe etwa Neue Zürcher Zeitung vom 19. Juli 2005, S. 30.

Siehe Schürmann, Fn. 10, Art. 22, Rz. 14.

SR 941.10 Botschaft zu einem Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel (BBl 1999 7265).

6271

2.3 2.3.1

Rechtsgrundlage für die Verwendung des Erlöses aus dem Verkauf des überschüssigen Nationalbankgoldes Verhältnis allgemeiner verfassungs- und verwaltungsrechtlicher Grundsätze zum Nationalbankgesetz und zum Obligationenrecht

Zu den allgemeinen verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Grundsätzen gehören, soweit hier allenfalls von Bedeutung, insbesondere das Gebot der Verhältnismässigkeit, das Gebot des Vertrauensschutzes bzw. von Treu und Glauben sowie nicht zuletzt das Legalitätsprinzip35.

Ob und wie weit diese Grundsätze relevant sind, ergibt sich allerdings erst bei der Interpretation der einschlägigen Bestimmungen des geltenden Nationalbankgesetzes vom 3. Oktober 200336 (nachfolgend NBG). Mit den Erläuterungen ist dementsprechend beim NBG einzusetzen. In den Fokus geraten im vorliegenden Zusammenhang namentlich die Artikel 29 über die Jahresrechnung, Artikel 30 über die Gewinnermittlung sowie Artikel 31 über die Gewinnverteilung.

2.3.2

Massgebliche Rechtsgrundlagen

Artikel 29 NBG bestimmt, dass der Rechnungsabschluss der SNB nach den Grundsätzen des schweizerischen Obligationenrechtes (nachfolgend OR) zu erfolgen habe. Für die SNB sind neben den Bestimmungen über die kaufmännische Buchführung (Art. 957 ff. OR) insbesondere jene des Aktienrechts (Art. 662 ff.) massgebend.

Nach Artikel 29 NBG wird die Jahresrechnung der SNB, bestehend aus der Erfolgsrechnung, der Bilanz und dem Anhang, nach den Vorschriften des Aktienrechts sowie nach allgemein anerkannten Grundsätzen der Rechnungslegung erstellt.

Artikel 30 bestimmt, dass die SNB Rückstellungen bildet, die es erlauben, die Währungsreserven auf der geld- und währungspolitisch erforderlichen Höhe zu halten.

Sie orientiert sich dabei an der Entwicklung der schweizerischen Volkswirtschaft (Abs. 1). Der verbleibende Ertrag ist ausschüttbarer Gewinn (Abs. 2).

Nach Artikel 31 wird vom Bilanzgewinn eine Dividende von höchstens 6 % des Aktienkapitals ausgerichtet (Abs. 1). Der Ertrag des Bilanzgewinns, der die Dividendenausschüttung übersteigt, fällt zu einem Drittel an den Bund und zu zwei Dritteln an die Kantone. Das Departement und die SNB vereinbaren für einen bestimmten Zeitraum die Höhe der jährlichen Gewinnausschüttungen an Bund und Kantone mit dem Ziel, diese mittelfristig zu verstetigen. Die Kantone werden vorgängig informiert (Abs. 2). Der den Kantonen zufallende Anteil wird zu fünf Achteln unter Berücksichtigung ihrer Wohnbevölkerung und zu drei Achteln unter Berücksichtigung ihrer Finanzkraft verteilt. Der Bundesrat regelt die Einzelheiten nach Anhörung der Kantone (Abs. 3).

35

36

Siehe zu diesen Prinzipien allgemein etwa Ulrich Häfelin/Georg Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., Zürich 2002, Rz. 363 ff.; Pierre Moor, Droit administratif, Volume I: Les fondements généraux, 2e éd., Berne 1994, p. 309 ss.; Andreas Auer/GiorgIo Malinverni/Michel Hottelier, Droit constitutionnel suisse, Volume II: les droit fondamentaux, Berne 2000, p. 475 ss.

SR 951.11

6272

2.3.3

Gewinnermittlung und Gewinnauflösung ­ Gesetzliche Lücke?

Da die Goldbestände unter der Herrschaft der früheren Währungsordnung auf der Höhe der Goldparität bewertet werden mussten, entstand im Verlaufe der Jahre eine erhebliche stille Reserve. Diese kann nach der Aufhebung der Goldbindung des Schweizerfrankens ganz oder teilweise aufgelöst werden, was dazu führt, dass ein ausschüttbarer Gewinn entsteht.

Die von Prof. Philippe Mastronardi formulierte Hauptfrage lautet dahin, ob das NBG für die Gewinnermittlung und Gewinnverwendung eine staatsrechtlich tragfähige Antwort enthalte oder ob es eine Lücke aufweise, die nach einer Füllung auf der Ebene der Gesetzgebung rufe37. Mastronardi gelangt zur Auffassung, dass eine Lücke bestehe. Der Bundesrat vertritt in seiner Stellungnahme vom 2. Februar 2005 zum Gutachten Mastronardi die Gegenthese.

Für die Beurteilung der Streitfrage ist folgendes zu veranschlagen: Die stillen Reserven auf den Goldbeständen sind durch das Auseinanderklaffen von Währungsrecht und Währungswirklichkeit entstanden. Hätte das Gold zu einem höheren Betrag als zur Goldparität bewertet werden können, wären die Aufwertungsgewinne ­ entsprechend der Entwicklung des Goldpreises in Schweizerfranken ­ allmählich entstanden und hätten auch allmählich als ausschüttbarer Gewinn verteilt werden können. Dabei wäre auch nach früherem Recht die Gewinnverteilung nach dem Schlüssel zwei Drittel Kantone und ein Drittel Bund aktuell geworden.

Die Folgerung ist unter diesen Umständen keineswegs zwingend, das NBG enthalte für die Verteilung des Aufwertungsgewinnes eine Lücke, die nur auf Gesetzesstufe gefüllt werden könne. Vielmehr lässt sich die Auffassung des Bundesrates überzeugend vertreten, dass der seit dem Übergang zu flexiblen Wechselkursen im Jahre 1973 entstandene Aufwertungsgewinn erst aufgrund der neuen Rechtslage deblockiert und damit zu ausschüttbarem Gewinn geworden ist. Der akkumulierte Aufwertungsgewinn wird im Ergebnis in gleicher Weise verteilt, wie dies beim kontinuierlichen Anfall und bei der kontinuierlichen Auflösung der Fall gewesen wäre.

Man mag sich mit Prof. Mastronardi weiter fragen38, ob der Aufwertungsgewinn nach altem Recht wie eine Paritätsänderung zu behandeln gewesen wäre, sodass gemäss dem früheren Recht (Art. 3 des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1970 über das Münzwesen39) die Zuständigkeit der Bundesversammlung
begründet worden wäre, die ohne Ansehung der normalen Gewinnverteilungsregel hätte entscheiden können. Die Antwort auf diese Frage muss negativ ausfallen, weil die Aufwertungsgewinne nicht durch Paritätsänderungen entstanden sind, sondern durch die Veränderung der flexiblen Wechselkurse einerseits und durch die Veränderung des Goldpreises anderseits. Es gab für den Bundesrat seit der Freigabe des Wechselkurses im Jahr 1973 keine Möglichkeit mehr, eine Paritätsänderung mit der Konsequenz zu beschliessen, dass die Bundesversammlung über einen Aufwertungsgewinn hätte entscheiden können40.

37 38 39 40

Gutachten Mastronardi, S. 5.

Gutachten Mastronardi, S. 14.

AS 1971 360.

Im Ergebnis übereinstimmend Bericht der Expertengruppe «Reform der Währungsordnung», Der neue Geld- und Währungsartikel in der Bundesverfassung, Bern, 24. Oktober 1997, S. 74 f.

6273

Es ist erwogen worden, die Neubewertung der Goldreserven führe zu einem einmaligen hohen Sondergewinn, für dessen Verwendung sich die allgemeine Gewinnverteilungsregel nicht eigne41. Auch diese Überlegung ist nicht schlüssig: Bei einer früheren Anpassung des Währungsrechts an die Währungswirklichkeit wäre der Aufwertungsgewinn kontinuierlich angefallen und hätte alsdann nach der allgemeinen Regel kontinuierlich verteilt werden müssen, Änderung dieser Regel vorbehalten.

2.3.4

Auflösung der stillen Reserve auf den Goldbeständen ­ Umwandlung von Verwaltungsvermögen in Finanzvermögen?

Ein Hauptargument des Gutachtens Mastronardi lautet, die Auflösung der stillen Reserve auf den Goldbeständen führe zur Umwandlung von Verwaltungsvermögen in Finanzvermögen. Es gehe um eine Entscheidung, die wegen ihrer politischen Bedeutung einer formellen gesetzlichen Grundlage bedürfe42. Der Bundesrat bestreitet diese Sichtweise in seiner Stellungnahme vom 2. Februar 2005 zum Gutachten Mastronardi.

Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Argumentation des Gutachtens Mastronardi nicht schlüssig. Es ist zu veranschlagen, dass die Auflösung der stillen Reserve auf den Goldbeständen lediglich zur Sichtbarmachung des höheren tatsächlichen Wertes und damit zur Gewinnrealisierung führt. solcher Gewinn ist daher aufgrund der Regelung im NBG auszuschütten (Art. 30 Abs. 2). Die Frage nach der Umwandlung von Verwaltungsvermögen in Finanzvermögen stellt sich unter diesen Umständen gar nicht. Selbst wenn man sie stellen wollte, ergäbe sich nicht die Unzuständigkeit der SNB zur Gewinnverteilung. Die Unterscheidung zwischen Verwaltungs- und Finanzvermögen wird nämlich in erster Linie im Hinblick auf die Frage aktuell, ob die Beschaffung von Vermögenswerten auf Kantons- und Gemeindeebene dem Finanzreferendum unterliege oder nicht. Im Bund stellt sich diese Frage nicht, weil es kein Finanzreferendum gibt. Die Umwidmung von Verwaltungsvermögen kann im Bund daher per se nicht in einen referendumspflichtigen Erlass gekleidet werden.

Selbst wenn der These des Gutachtens Mastronardi gefolgt würde, spräche somit nichts gegen die Zulässigkeit, den hier fraglichen Anteil am Goldgewinn nach den Regeln über die Gewinnverteilung allgemein zu verteilen und diese Verteilung zum Gegenstand einer Vereinbarung zwischen SNB und Eidgenössischem Finanzdepartement (nachfolgend EFD) zu machen (Art. 31 Abs. 2 NBG).

2.3.5

Keine Divergenzen in der obligationenrechtlichen bzw. betriebswirtschaftlichen Beurteilung

Was die obligationenrechtlichen bzw. betriebswirtschaftlichen Aspekte betrifft, so gibt es im vorliegenden Zusammenhang keine Meinungsverschiedenheiten. Das Gutachten Mastronardi kommt diesbezüglich unzweideutig zum Schluss, dass der 41 42

In diesem Sinn der Bericht der Expertengruppe, Fn. 20, S. 75.

Gutachten Mastronardi, S. 7 ff.

6274

Aufwertungsgewinn aus der Aufhebung der Bindung des Schweizerfrankens einen ausserordentlichen Ertrag darstelle, der in der Rechnungsperiode, in welcher er anfalle, nach Artikel 30 Absatz 2 NBG als ausschüttbarer Gewinn behandelt werden dürfe und nach Artikel 99 Absatz 4 BV (bzw. Art. 31 NBG) verteilt werden dürfe43.

2.3.6

Bisheriges Fazit: Genügen allgemeiner Auslegungsregeln

Nach dem bisherigen Gang der Überlegungen genügte es, die allgemeinen Auslegungsregeln anzuwenden. Der Rückgriff auf Verfassungs- und Verwaltungsgrundsätze, wie namentlich das Verhältnismässigkeitsprinzip, das Vertrauensprinzip und das Legalitätsprinzip, drängte sich nicht auf. Es erübrigt sich unter diesen Umständen, diese Grundsätze hier näher zu skizzieren.

2.4 2.4.1

Partizipationsrechte Parlament und Stimmvolk Bundesrätliche Aussagen im zeitlichen Ablauf

Im Folgenden werden die wesentlichen bundesrätlichen Aussagen zur Frage aufgeführt, ob die Entnahme eines Teils der Goldreserven aus der SNB und deren Verteilung nach dem bisherigen Schlüssel für die Gewinnverteilung einer besonderen rechtlichen Grundlage bedürfe oder nicht.

Die Hervorhebungen in Kursivschrift stammen vom Gutachter.

2.4.2

Botschaft über einen neuen Geld- und Währungsartikel in der Bundesverfassung

In seiner Botschaft vom 27. Mai 1998 über einen neuen Geld- und Währungsartikel in der Bundesverfassung44 fragte sich der Bundesrat, ob Gold ohne besondere Verfassungsgrundlage für die Äufnung der Stiftung Solidarische Schweiz aus der Bilanz der SNB ausgegliedert werden könnte, ob also eine Lösung auf Gesetzesstufe ausreichen würde45. Er beantwortete sie dahin gehend, dass für die Schaffung einer Solidaritätsstiftung, die nur mit Erträgen aus Vermögenswerten und nicht mit dem Vermögen selber gearbeitet hätte, ein Gesetz eine ausreichende Rechtsgrundlage liefern würde46.

Was die Aufhebung der verfassungsrechtlichen Bindung des Frankens an das Gold betraf, meinte der Bundesrat, mit den vorgesehenen Rechtsänderungen werde das Gold innerstaatlich «demonetisiert», d.h. rechtlich zu einem gewöhnlichen Notenbankaktivum gemacht47.

43 44 45 46 47

Gutachten Mastronardi, S. 6 f.

BBl 1998 4007 ff.

BBl 1998 4021 BBl 1998 4067 BBl 1998 4025

6275

2.4.3

Botschaft zu einem Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel

In seiner Botschaft vom 26. Mai 1999 zu einem Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel (nachfolgend WZG)48 hielt der Bundesrat fest, als Grundlage für die Schaffung gesetzlicher Regelungen, um die nicht mehr benötigten Währungsreserven in Abweichung vom geltenden verfassungsrechtlichen Gewinnverteilungsschlüssel aus der SNB auszugliedern und für andere öffentliche Zwecke einzusetzen, genüge der nachgeführte Artikel 99 BV in Verbindung mit dem WZG nicht. Diese Auffassung habe das Parlament bei der Beratung der separaten Reform der Geldund Währungsverfassung gemäss Botschaft des Bundesrates vom 27. Mai 1998 vertreten. In Artikel 99 Absatz 4 der nachgeführten Bundesverfassung werde nämlich weiterhin festgehalten, dass mindestens zwei Drittel des Reingewinns der SNB an die Kantone gingen. Nationalrat und Ständerat hätten deshalb beschlossen, im Verfassungstext der separaten Reform einen Vorbehalt zur Gewinnausschüttungsregel anzubringen und in einem zusätzlichen Absatz bzw. einer Übergangsbestimmung festzuhalten, dass die Gesetzgebung die Verwendung der nicht mehr benötigten Währungsreserven und ihrer Erträge regle. Für die Zuweisung der überschüssigen 1300 Tonnen Gold an andere öffentliche Zwecke (z.B. mit dem Stiftungsgesetz) schafft daher erst die Annahme der separaten Reform der Währungsverfassung durch Volk und Stände (voraussichtlich im Frühjahr 2000) die notwendige Verfassungsgrundlage49.

2.4.4

Botschaft betreffend die Verwendung von Goldreserven und ein Bundesgesetz über die Stiftung solidarische Schweiz

In seiner Botschaft vom 17. Mai 2000 betreffend die Verwendung von Goldreserven und ein Bundesgesetz über die Stiftung solidarische Schweiz anerkennt der Bundesrat die Auffassung des Parlaments, wonach es für eine andere Verteilung der überschüssigen Goldreserven als nach der bisherigen Regel ( Kantone, Bund) einer verfassungsrechtlichen Grundlage bedürfe50. Weiter hinten bekräftigt der Bundesrat diese Beurteilung nochmals und verstärkt sie sogar dahin gehend, es sei heute wohl unbestritten, dass der Erlös aus der Veräusserung des überschüssigen Goldes nach dem bisherigen Schlüssel zu erfolgen habe. Der Bundesrat sei aber der Meinung, dass das keine sachgerechte Lösung wäre. Durch eine Übergangsbestimmung in der Bundesverfassung sei ein grösserer Handlungsspielraum zu schaffen. Der Gesetzgeber müsse ermächtigt werden, über die Verwendung zu bestimmen51.

48 49 50 51

BBl 1999 7258 ff.

BBl 1999 7265 Botschaft, BBl 2000 3987 BBl 2000 4010

6276

2.4.5

Botschaft zur Volksinitiative «Überschüssige Goldreserven in den AHV-Fonds»

In seiner Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Volksinitiative «Überschüssige Goldreserven in den AHV-Fonds» (Goldinitiative)52 äusserte sich der Bundesrat im Rahmen seiner Ausführungen zur Ausgangslage zunächst über die Notwendigkeit, die Währungsrealität mit der währungsrechtlichen Situation wieder in Übereinstimmung zu bringen. In der Realität habe die Goldbindung schon seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr existiert. Aufgrund der rechtlichen Bestimmungen über Goldparität, Goldeinlöse- und Golddeckungspflicht habe die SNB ihre Goldbestände zu einem Preis bilanziert, der weit unter dem Marktpreis liege. Mit der Aufhebung der Goldbindung sei der SNB nun eine marktnahe Bewertung ihrer Goldreserven ermöglicht worden53. Der damit generierte Aufwertungsgewinn dränge eine Überprüfung des notwendigen Bestandes an Währungsreserven auf, welche die SNB zur Führung ihrer geld- und währungspolitischen Aufgaben benötige54.

Weiter führte der Bundesrat aus, der zweite Vorschlag im Rahmen der genannten Botschaft sehe vor, das Sondervermögen für einen Abbau der Schulden bei Bund und Kantonen einzusetzen. Dabei würden die Mittel zwischen Bund und Kantonen gemäss dem geltenden verfassungsrechtlichen Verteilschlüssel für Notenbankgewinne aufgeteilt, d.h. dem Bund würde ein Drittel und den Kantonen würden zwei Drittel des Sondervermögens zustehen55. Dazu bemerkt der Bundesrat, die Kantone hätten einstimmig betont, dass ihnen gemäss dem geltenden verfassungsrechtlichen Gewinnverteilschlüssel für Nationalbankgewinne zwei Drittel des Erlöses aus dem Verkauf der 800 Tonnen Gold ohne jegliche Zweckbindung durch den Bundesgesetzgeber zustehe56.

In einer weiteren Passage erklärt der Bundesrat, der von der SNB jährlich ausgewiesene Reingewinn hänge direkt vom Bestand an Währungsreserven ab. Beschränke sich die Initiative auf die für die Geld- und Währungspolitik nicht mehr benötigten 1300 Tonnen Gold, so wäre in der Zuweisung an den AHV-Ausgleichsfonds eine einmalige Sonderregelung zu erblicken, die der allgemeinen Gewinnverteilungsregelung nach Artikel 99 Absatz 4 BV vorgehen würde57.

Schliesslich ist die Aussage bemerkenswert, die für geld- und währungspolitische Zwecke nicht mehr benötigten Währungsreserven stellten Sondervermögen dar, über dessen Verwendung Volk und Stände zu entscheiden hätten. Es handle sich um Volksvermögen, das frühere Generationen erarbeitet hätten und das nun für andere öffentliche Zwecke zur Verfügung stehe58.

52 53 54 55 56 57 58

BBl 2001 1403 ff.

BBl 2001 1407 BBl 2001 1407 BBl 2001 1410 BBl 2001 1410 und 1412 BBl 2001 1415 BBl 2001 1422

6277

2.4.6

Bundesrat zu offenen Fragen betreffend Goldinitiative und Gegenvorschlag «Gold für AHV, Kantone und Stiftung»

In der Pressemitteilung vom 22. Mai 2002 «Bundesrat zu offenen Fragen betreffend Goldinitiative und Gegenvorschlag » im Vorfeld der Volksabstimmung über die Goldinitiative und den Gegenvorschlag führte der Bundesrat aus, auch im Fall eines doppelten Neins stellten sich Auslegungsfragen. Diesbezüglich sei Transparenz zu schaffen. Der Bundesrat habe daher seine Position festgelegt. Nach Auffassung des Bundesrates würden die Überschussreserven im Falle des doppelten Neins zunächst bei der SNB bleiben. Für die Ausgliederung der Überschussreserven wäre die Schaffung einer entsprechenden Rechtsgrundlage nötig. Jede vom verfassungsmässigen Verteilschlüssel (Art. 99 BV: mindestens an die Kantone) abweichende Verteilung der Überschussreserven und deren Erträge bedürfe einer besonderen Bestimmung in der Bundesverfassung.

Nach den jahrelangen Diskussionen über die Verwendung der Überschussreserven würde auch die Verteilung nach dem bisherigen Schlüssel ohne Einbezug vom Parlament bzw. Volk aus politischen Gründen undenkbar. Eine Verteilung der Wertsubstanz ohne zusätzliche Rechtsgrundlage, lediglich aufgrund einer Anpassung der Gewinnausschüttungsvereinbarung zwischen dem EFD und der SNB komme für den Bundesrat auch deshalb nicht in Frage, weil bei einem doppelten Nein politische Vorstösse mit neuen Verwendungsvorschlägen zu erwarten seien. So liege bereits ein Beschluss des Nationalrates vor, die Verwendung der überschüssigen Goldreserven im Rahmen der 11. AHV-Revision auf dem Gesetzesweg zu regeln.

2.4.7

Interpellation Merz Hans-Rudolf. Verwendung der Goldreserven nach dem 22. September 2002

In seiner Antwort vom 29. Mai 2002 auf die Interpellation 02.3089 Merz HansRudolf betr. Verwendung der Goldreserven nach dem 22. September 200259 erklärte der Bundesrat, dass das Vermögen aus dem Verkauf von überschüssigen Währungsreserven im Wert von 1300 Tonnen Gold (überschüssige Währungsreserven) im Falle eines doppelten Neins vorläufig bei der SNB verbleiben würde. Eine vorzeitige Anpassung der Gewinnausschüttungsvereinbarung lediglich zum Zweck der Verteilung der überschüssigen Währungsreserven erachte der Bundesrat aus politischen Gründen nicht als opportun. Seiner Ansicht nach müsste die Diskussion erneut geführt werden. Im Interesse einer breiten politischen Legitimation müsste eine neue Rechtsgrundlage geschaffen werden, sei dies ein Gesetz, falls der heute geltende Verteilschlüssel beibehalten werde, sei dies eine neue Verfassungsbestimmung, falls der Verteilschlüssel geändert werden solle.

59

AB S 2002 112

6278

2.4.8

Erläuterungen des Bundesrates zur Volksabstimmung vom 22. September 2002

In seinen Erläuterungen zur Volksabstimmung vom 22. September 2002 betreffend «Goldinitiative»/«Gold für AHV, Kantone und Stiftung» führte der Bundesrat einerseits aus, die Kantone hätten einen verfassungsmässigen Anspruch auf zwei Drittel der Gewinne der SNB. Deshalb stehe ihnen auch ein Anteil am Goldvermögen zu. Ihren Anteil erhielten sie zur freien Verfügung60. Anderseits meinte er, ein doppeltes Nein sei keine Lösung. Falls weder Goldinitiative noch Gegenentwurf eine Mehrheit auf sich vereinige, könne das Goldvermögen vorerst nicht für einen neuen Zweck verwendet werden. Für jede neue Zweckbestimmung brauche es nach Ansicht des Bundesrates eine neue Verfassungs- oder Gesetzesgrundlage. Die politische Auseinandersetzung würde in diesem Fall wieder neu beginnen61.

2.4.9

Botschaft über die Revision des Nationalbankgesetzes

In seiner Botschaft vom 26. Juni 2002 über die Revision des Nationalbankgesetzes finden sich für die hier erörterte Thematik keine neuen besonderen Hinweise62.

2.4.10

Botschaft zur Verwendung von 1300 Tonnen Nationalbankgold und zur Volksinitiative «Nationalbankgewinne für die AHV»

In der Botschaft vom 20. August 2003 zur Verwendung von 1300 Tonnen Nationalbankgold und zur Volksinitiative «Nationalbankgewinne für die AHV»63 äusserte der Bundesrat die Auffassung, die Anpassung des Währungsrechts an die Währungswirklichkeit habe dazu geführt, dass die SNB mehr Währungsreserven halte, als sie für die Führung der Geld- und Währungspolitik effektiv benötige. Erst die auf den 1. Mai 2000 erfolgte Aufhebung der Goldbindung habe der SNB eine marktnahe Bewertung und einen flexibleren Einsatz ihrer Goldreserven ermöglicht. Dadurch erhielten die Goldbestände der SNB ihre Funktion als «normal verwendbare» Währungsreserven zurück64. Im Rahmen der parlamentarischen Behandlung der Volksinitiative hätten National- und Ständerat die Auffassung vertreten, dass eine vom geltenden Verteilschlüssel abweichende Regelung der Verwendung der nicht mehr benötigten Goldreserven einer expliziten Verfassungsgrundlage bedürfe65.

Weder die Goldinitiative noch der Gegenvorschlag erzielten in der Volksabstimmung das erforderliche Mehr an Standes- und Volksstimmen66.

Nach dem doppelten Nein in der Volksabstimmung vom 22. September 2002 sollten die freien Aktiven nach Meinung des Bundesrates vorläufig bei der SNB bleiben.

60 61 62 63 64 65 66

Erläuterungen des Bundesrates, S. 8 f.

Erläuterungen des Bundesrates, S. 9.

BBl 2002 6097 ff.

BBl 2003 6133 ff.

BBl 2003 6137 BBl 2003 6138 BBl 2003 6139

6279

Der Bundesrat habe eine Verteilung des Vermögens nach dem geltenden Schlüssel für die Reingewinne der SNB und lediglich gestützt auf eine Gewinnausschüttungsvereinbarung von SNB und EFD ohne Einbezug von Parlament oder Volk und Ständen bereits im Vorfeld der Volksabstimmung aufgrund der fehlenden demokratischen Legitimation ausgeschlossen67. Der geltende Artikel 99 Absatz 4 BV sehe die Ausschüttung von mindestens zwei Dritteln der Nationalbankgewinne an die Kantone vor. Mit einer solchen Ausschüttung sei naturgemäss verbunden, dass die Empfänger über die Mittel uneingeschränkt verfügen könnten. Trete nun die Auflage der Substanzerhaltung hinzu, so sei diese umfassende Dispositionsmöglichkeit nicht mehr gegeben. Die Auflage der Substanzerhaltung stelle auch dann eine Abweichung vom geltenden Artikel 99 Absatz 4 BV dar, wenn die Erträge wie vom Bundesrat vorgeschlagen nach dem in dieser Bestimmung festgelegten Schlüssel verteilt würden. Entsprechend sei dafür eine Verfassungsänderung erforderlich68.

2.4.11

Pressemitteilung des EFD betreffend Verteilung des überschüssigen Goldvermögens der Nationalbank

In seiner Pressemitteilung vom 2. Februar 2005 betreffend Verteilung des überschüssigen Goldvermögens der Nationalbank hielt das EFD fest, der Bundesrat habe im Vorfeld der Volksabstimmung von 22. September 2002 über zwei Goldvorlagen eine Verteilung des Goldvermögens ohne den Einbezug von Parlament und eventuell auch des Volkes ausgeschlossen. Für den Fall eines doppelten Neins habe er damals versprochen, dem Parlament eine neue Rechtsgrundlage zur Goldverwendung zu unterbreiten. Dieses Versprechen habe er eingelöst, doch sei die Vorlage im Parlament in der Wintersession 2004 gescheitert. Der Bundesrat sei der Auffassung, dass die Suche nach einem parlamentarischen Kompromiss nicht ewig weitergeführt werden könne, zumal die Meinungen im Parlament weit auseinander gingen, sowohl zur Frage des konkreten Verwendungszweckes als auch darüber, ob bloss die Erträge des Vermögens oder dessen Substanz für einen neuen Zweck verwendet werden sollten.

Nach Auffassung des Bundesrates stelle die Anwendung des bestehenden Rechtes und damit die Ausschüttung des Goldvermögens zu einem Drittel an den Bund und zu zwei Dritteln an die Kantone die logische Konsequenz der bisherigen Entwicklungen und Entscheide dar. Der Bundesrat sehe nach dem Scheitern zweier Vorlagen insbesondere keine rechtliche Legitimation mehr dafür, dass die SNB das Goldvermögen weiter zurückbehalte. Er teile insbesondere die Ausführungen des von der SP Schweiz in Auftrag gegebenen Gutachtens von Prof. Philippe Mastronardi nicht, wonach die Ausschüttung des Goldvermögens eine Umwidmung von Notenbankvermögen, verbunden mit einem Substanzverzicht, darstelle und deshalb eine spezielle Rechtsgrundlage benötige. Jede Gewinnausschüttung der SNB sei mit einem Substanzverzicht bzw. mit einer «Umwidmung» von Währungsreserven verbunden.

In allen Fällen handelte es sich um zurückbehaltene Notenbankgewinne, unabhängig davon, ob der Grund für das Zurückbehalten in den veränderten geldpolitischen Rahmenbedingungen, gesetzlichen Vorschriften oder der Glättung der jährlichen Ausschüttung gelegen habe.

67 68

BBl 2003 6140 BBl 2003 6150

6280

2.4.12

Sprechnotiz von Bundesrat Hans-Rudolf Merz an der Bundesratspressekonferenz vom 2. Februar 2005

Einer Sprechnotiz von Bundesrat Hans-Rudolf Merz an der Bundesratspressekonferenz vom 2. Februar 2005 ist zu entnehmen, dass der Bundesrat unter dem Eindruck des zweimaligen Nicht-Eintretens des Ständerates eine neue Lage diagnostiziert. Die Landesregierung sei der Ansicht, dass die Suche nach einem parlamentarischen Kompromiss nicht ewig weitergeführt werden könne. Man sei sich uneins in der Frage des konkreten Verwendungszwecks aber auch in der Frage, ob die Erträge des Vermögens oder ob die Substanz für einen neuen Zweck verwendet werden solle. Der Bundesrat sehe nach all den bisherigen gescheiterten Vorlagen keine rechtliche Legitimation mehr dafür, dass die SNB das Goldvermögen weiter zurückbehalte. Für den Bundesrat komme daher nur noch die Anwendung des bestehenden Rechts in Frage, was zur Ausschüttung des Goldvermögens zu zwei Dritteln an die Kantone und zu einem Drittel an den Bund führe. Dies entspreche der geltenden, in BV und NBG festgehaltenen und demokratisch legitimierten Verteilregel für Gewinne der SNB.

Es gebe auch keinen Grund, mit der Ausschüttung bis nach der Volksabstimmung über die KOSA-Initiative zuzuwarten. In unserer Rechtsordnung gebe es keine Vorwirkung möglichen künftigen Rechts. So wäre es z.B auch unmöglich, mit einem Volksbegehren für die Abschaffung der Mehrwertsteuer bis zur Abstimmung die Erhebung einer Mehrwertsteuer zu blockieren.

Mit der Ausschüttung des Gegenwerts des Goldvermögens könne erst begonnen werden, nachdem die so genannten freien Aktiven als Gewinn in der Jahresrechnung der SNB ausgewiesen seien und diese von der Generalversammlung der SNB genehmigt worden seien. Nach dieser Lesart könne frühestens im Frühling 2006 mit der Ausschüttung begonnen werden.

2.4.13

Medienmitteilung des EFD unter dem Titel «Nationalbank schüttet Erlös aus Goldverkäufen ab Mai 2005 aus»

Aus einer Medienmitteilung des EFD vom 25. Februar 2005 unter dem Titel «Nationalbank schüttet Erlös aus Goldverkäufen ab Mai 2005 aus» ist ersichtlich, dass die SNB unter dem Eindruck des bundesrätlichen Entscheides nachträglich die Rückstellung im Ausmass von 21,1 Milliarden Franken in der Erfolgsrechnung 2004 aufgelöst hat, damit die Ausschüttung doch bereits im Jahre 2005 erfolgen könne.

2.4.14 2.4.14.1

Rechtliche Würdigung der bundesrätlichen Äusserungen und Haltung Im Allgemeinen

Analysiert man die Äusserungen des Bundesrates unter dem Aspekt der Konsistenz, so wird man vier Phasen unterscheiden können und zugleich müssen, nämlich: ­

eine erste Phase, in welcher der Bundesrat einen Teil des Aufwertungsgewinns für andere öffentliche Zwecke einsetzen wollte und dafür eine gesetz-

6281

liche Grundlage für ausreichend hielt (Botschaft über einen neuen Geld- und Währungsartikel in der Bundesverfassung); ­

eine zweite Phase, in welcher der Bundesrat einen Teil des Aufwertungsgewinns für andere öffentliche Zwecke einsetzen wollte und dafür eine Verfassungsänderung für erforderlich hielt (Botschaft zu einem Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel; Botschaft zur Volksinitiative «Überschüssige Goldreserven in den AHV-Fonds»)

­

eine dritte Phase, in welcher der Bundesrat die Verteilung des Aufwertungsgewinns nach der bisherigen Regel aus politischen Gründen nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Verankerung für opportun betrachtete (Botschaft zur Verwendung von 1300 Tonnen Nationalbankgold und zur Volksinitiative «Nationalbankgewinne für die AHV»);

­

eine vierte Phase, in welcher der Bundesrat diesen Gewinn nach der bisherigen Regel verteilen wollte (Nachgang zum Scheitern der Vorlage zur Verwendung von 1300 Tonnen Nationalbankgold und zur Volksinitiative «Nationalbankgewinne für die AHV»).

Im Folgenden sollen diese vier Phasen noch etwas genauer dargestellt werden: Erste Phase: In der Botschaft über einen neuen Geld- und Währungsartikel in der Bundesverfassung wollte der Bundesrat noch eine gesetzliche Grundlage für die Zuführung von Goldvermögen zu anderen öffentlichen Zwecken als der Führung der Geld- und Währungspolitik genügen lassen. Damit stiess er aber namentlich auf den Widerstand der Kantone. Dieser Widerstand und möglicherweise auch Stimmen in der Rechtslehre veranlassten den Bundesrat, von dieser Auffassung abzurücken und fortan eine besondere verfassungsrechtliche Grundlage zu verlangen.

Zweite Phase: In seiner Botschaft zu einem Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel vertrat der Bundesrat klar die Meinung, dass man von der geltenden verfassungsrechtlichen Gewinnverteilungsregel nur dann abweichen und die Mittel für andere öffentliche Zwecke einsetzen dürfe, wenn eine besondere Verfassungsgrundlage dafür geschaffen werde. Diese Auffassung zieht sich auch durch die Botschaft zur Volksinitiative «Überschüssige Goldreserven in den AHV-Fonds».

Insbesondere bestreitet er die Auffassung der Kantone nicht, dass jenen gemäss dem geltenden verfassungsrechtlichen Gewinnverteilschlüssel für Nationalbankgewinne zwei Drittel des Erlöses aus dem Verkauf der 800 Tonnen Gold ohne jegliche Zweckbindung durch den Bundesgesetzgeber zustünden.

In der Botschaft zur Verwendung von 1300 Tonnen Nationalbankgold und zur Volksinitiative «Nationalbankgewinne für die AHV» liest man erneut, dass eine vom geltenden Verteilschlüssel abweichende Regelung der Verwendung der nicht mehr benötigten Goldreserven einer expliziten Verfassungsgrundlage bedürfe. Es kommt aber erneut zum Ausdruck, dass eine Verteilung aufgrund der geltenden Verfassungslage (Art. 99 Abs. 4 BV) rechtmässig wäre.

Dritte Phase: In den Erläuterungen zur Abstimmung vom 22. September 2002 über die vorerwähnte Volksinitiative blieb der Bundesrat prinzipiell abermals auf dieser Argumentationslinie, ergänzte sie aber mit einer Aussage, wonach ein zweimaliges Nein keine Lösung wäre, weshalb die politische Auseinandersetzung wieder neu beginnen würde. Aus dieser Argumentation geht hervor, dass der Bundesrat in jenem Zeitpunkt die normale Gewinnverteilung immer noch ausschloss, weil er auf eine neue Zweckbestimmung zusteuerte. Entsprechendes liest man in der Antwort 6282

auf die Interpellation Merz Hans-Rudolf, wobei der Bundesrat dort neu präzisierte, dass die Verteilung der überschüssigen Währungsreserven nach der bisherigen Verteilungsregel aus politischen Gründen nicht opportun wäre. Wollte man bei dieser Verteilung bleiben, so wäre aus politischen Gründen eine gesetzliche Grundlage zu schaffen.

Vierte Phase: Entscheidend ist im vorliegenden Zusammenhang die Pressemitteilung des EFD vom 2. Februar 2005, worin der Bundesrat begründet, weshalb er das Goldvermögen nun doch ohne neue Rechtsgrundlage nach der bisherigen Verteilregel verteilen wolle. Der Grund liege im Scheitern eines parlamentarischen Kompromisses, man könne nicht ewig nach einer Lösung suchen, sondern müsse nun eingestehen, dass innert nützlicher Frist keine Einigung über die Verwendung für andere öffentliche Zwecke zu erreichen sei. Gleiches liest man in der Sprechnotiz von Bundesrat Hans-Rudolf Merz an der Bundesratspressekonferenz vom 2. Februar 2005.

Es ergibt sich aus dieser Entwicklung klar, dass der Bundesrat nach dem Scheitern seiner Vorlage im Parlament in der Wintersession 2004 seine Haltung änderte und zu einer Ausschüttung entsprechend der bisherigen Verteilregel schreiten wollte.

Eine Zuführung von Mitteln zu einem anderen öffentlichen Zweck schien ihm nicht mehr realisierbar.

Unter Aspekten von allgemeinen Verfassungs- und Verwaltungsgrundsätzen sowie der Regelung im NBG und in der BV kann dieser Richtungswechsel nicht als unrechtmässig betrachtet werden, weil der Bundesrat nie die Meinung vertrat, es sei ein rechtliches Gebot, für die Ausschüttung gemäss geltender Regelung eine gesetzliche Grundlage zu schaffen. Er machte für eine solche Grundlage in der dritten Phase lediglich politische Opportunität geltend.

Keine Antwort findet man in den bundesrätlichen Verlautbarungen allerdings auf die Frage nach der Dringlichkeit der Ausschüttung. Stellte der Bundesrat in seinen Erläuterungen zur Volksabstimmung vom 22. September 2002 noch eine Vorlage in Aussicht, so machte er nach dem Scheitern seiner neuen Vorlage im Parlament geltend, das Goldvermögen müsse nun sofort verteilt werden.

Aus rechtlicher Sicht hätte der Bundesrat diese neue Haltung bereits in seinen Erläuterungen zur Volksabstimmung vom 22. September 2002 vertreten können. Es hätte keinen rechtlich zwingenden Grund gegeben,
eine neue Vorlage in Aussicht zu stellen. Der Bundesrat hätte schon damals sagen können, die einzige rechtlich überzeugende Lösung bestünde im Fall eines doppelten Neins in der Verteilung der Goldreserven. Wenn er dies nicht tat, so dürfte der Grund im Bestreben gelegen haben, nach Möglichkeit eben doch einer anderen als der normalen Verteilung bzw.

Verwendung den Weg zu ebnen.

Das Gutachten Mastronardi hält dem Bundesrat einen Vertrauensbruch vor. Dieser bestehe darin, dass der Bundesrat anlässlich der Verfassungsabstimmung vom 22. September 2002 in seinen Erläuterungen geschrieben habe, das Volk könne auch bei einem doppelten Nein später nochmals entscheiden, welches Versprechen er mit der nun rasch vollzogenen Teilung des Goldvermögens gebrochen habe69. Diese Auffassung ist nicht überzeugend:

69

Gutachten Mastronardi, S. 20 f.

6283

Der Bundesrat versprach in seinen Abstimmungserläuterungen eine neue Vorlage, aber keine zeitlich unbeschränkten Diskussionen und keine unbeschränkte Zahl neuer Vorlagen. Er brachte vielmehr zum Ausdruck, dass bei Anwendung des geltenden Rechts die Kantone Anspruch auf zwei Drittel des Goldvermögens hätten und dass im Falle einer neuen Zweckbestimmung eine neue Verfassungs- oder Gesetzesgrundlage zu schaffen wäre.

Angesichts des Scheiterns der den eidgenössischen Räten unterbreiteten Vorlage ist die Haltung aus rechtlicher Sicht vertretbar, man müsse jetzt zu einem Ende kommen und die bisherige Verteilungsregel anwenden. Ein rechtlicher Vorwurf ist unbegründet, weil der Bundesrat in seinen Abstimmungserläuterungen nicht auf spätere Volksinitiativen verwiesen hat und weil spätere Volksinitiativen auch keine Vorwirkung entfalten können. Andernfalls könnten Rechtsetzung und Rechtspraxis durch das Einreichen von Volksinitiativen in einem unerträglichen Masse blockiert werden70.

2.4.14.2

Abstimmungserläuterungen im Besonderen

Was speziell die Abstimmungserläuterungen des Bundesrates zur Volksabstimmung vom 22. September 2002 betrifft, ist folgendes festzuhalten: Abstimmungserläuterungen unterliegen nach Lehre und Rechtsprechung dem Sachlichkeitsgebot. Sie dürfen keinen Propagandacharakter haben71. Häufig drängen sich Prognosen über künftige Entwicklungen auf. Falls sich die Dinge nachträglich anders entwickeln, kann den Behörden keine Falschinformation vorgehalten werden72. Im vorliegenden Zusammenhang kann hierzu eine Parallele gezogen werden.

Es lässt sich die Auffassung vertreten, der Bundesrat könne aus rechtlicher Sicht nicht bei seiner Zusicherung behaftet werden, eine neue Vorlage vor das Volk zu bringen, nachdem eine in Ausführung des Versprechens unterbreitete Vorlage im Parlament gescheitert sei. Ob sich unter politischen Aspekten eine andere Folgerung aufdränge, ist eine andere, hier nicht zu erörternde Frage.

2.5

Nationalbankgesetz und gewähltes Vorgehen

Artikel 25 NBG bestimmt, dass der Rechnungsabschluss der SNB nach den Grundsätzen des OR zu erfolgen habe. Für die SNB sind neben den Bestimmungen über die kaufmännische Buchführung (Art. 957 ff. OR) insbesondere jene des Aktienrechts (Art. 662 ff.) massgebend.

Die SNB hat sich allerdings stets vorbehalten, die Vorschriften des OR im Licht der nationalbankspezifischen Gegebenheiten zu interpretieren und nötigenfalls davon abzuweichen. Auch der Bundesrat ist der Meinung, dass sich gewisse Abweichungen rechtfertigen lassen, weil die Rechnungslegung der SNB nicht in allen Teilen dieselben Ziele verfolge wie jene einer obligationenrechtlichen Aktiengesellschaft.

Namentlich habe der Aktionärsschutz eine geringere Bedeutung. Anderseits vermitt70 71 72

Vgl. in diesem Zusammenhang etwa Häfelin/Müller, Fn. 15, Rz. 350 ff.

Vgl. Yvo Hangartner/Andreas Kley, Die demokratischen Rechte in Bund und Kantonen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Zürich 2000, Rz. 1271 und 2580 ff.

Hangartner/Kley, Fn. 51, Rz 2589.

6284

le die Rechnungslegung der SNB einen Einblick in die Art und Weise, wie die Notenbank ihren geldpolitischen Auftrag erfülle73.

Diese eigentlich überraschende Distanzierung von den Bindungen des Aktienrechts hat damit zu tun, dass die SNB keine typische AG ist, sondern angesichts ihrer Aufgabe geradezu quasi-anstaltliche Charakteristika aufweist. Gegen die quasianstaltliche Natur spricht allerdings, dass das Kleid der Aktiengesellschaft die Unabhängigkeit der SNB von den politischen Behörden deutlicher markiert als eine rein öffentlich-rechtliche, quasi-anstaltliche Organisationsform74.

Die Rechnungslegungsvorschriften des OR bewegen sich auf einer relativ hohen Abstraktionsebene. Das NBG verweist daher auf allgemein anerkannte Grundsätze der Rechnungslegung (Art. 29). Damit berücksichtigt das Notenbankrecht namentlich die «Fachempfehlungen zur Rechnungslegung», welche die offen gehaltenen Bestimmungen des Aktienrechts im Lichte internationaler Standards konkretisieren.

Weiter sind aber auch die «international accounting standards» von Bedeutung, die zunehmende Beachtung finden.

Der offene Wortlaut der Regelung im NBG belässt der SNB die Freiheit, zwischen verschiedenen in Frage kommenden Regelwerken zu wählen. Soweit sie im Interesse der Besonderheiten der Notenbanktätigkeit von den Bestimmungen des OR und von den Regelwerken abweicht, trifft sie eine Erläuterungspflicht75.

Das Gutachten Mastronardi macht nicht geltend, dass die SNB von einschlägigen Regeln des NBG und der Regelwerke in unzulässiger Weise abgewichen sei oder abzuweichen gedenke. Die Kritik bezieht sich vielmehr auf die Haltung des Bundesrates. Auf eine nähere Analyse der relevanten Bestimmungen kann daher an dieser Stelle verzichtet werden.

Was die Frage nach der Verstetigung der Ausschüttung von SNB-Gewinnen betrifft, lässt sich folgendes sagen: Die Auflösung der stillen Reserven führt zu einer Reduktion der jährlichen Gewinnausschüttung der SNB. Die Zusatzvereinbarung über die Ausschüttung von Erträgen aus den Freien Aktiven vom 12. Juni 2003 wird hinfällig, weil diese Freien Aktiven nun nicht mehr bestehen. Massgebend ist demnach allein noch die Vereinbarung vom 5. April 2002, wonach die SNB jährlich Gewinne von 2,5 Milliarden Franken an Kantone und Bund ausschüttet. Diese Vereinbarung bezweckt und bewirkt für sich allein
schon die Verstetigung der Ausschüttungen. Diese Konsequenzen hat das EFD in seiner Pressemitteilung vom 25. Februar 2005 zutreffend dargestellt. Die Reduktion der kontinuierlichen Ausschüttung mag bedauerlich sein. Sie ist aber die rechtlich nicht anfechtbare Konsequenz der Auflösung der stillen Reserven und deren Ausschüttung an Kantone und Bund. Durch die sachdienliche Verwendung der Mittel in Kantonen und Bund kann eine Entlastung der Staatsfinanzen im Umfang des Ausschüttungsverlustes erreicht werden.

73 74 75

Botschaft über die Revision des Nationalbankgesetzes, BBl 2002 6115.

Botschaft über die Revision des Nationalbankgesetzes, BBl 2002 6125.

Botschaft über die Revision des Nationalbankgesetzes, BBl 2002 6234.

6285

3

Abschliessende Würdigung

Lässt man das bundesrätliche Handeln im hier fraglichen Zusammenhang Revue passieren, so werden zwar keine offensichtlichen Rechtswidrigkeiten sichtbar. Zu Beginn der Auseinandersetzung begab sich der Bundesrat aber insofern aufs Glatteis, als er meinte, dass das Goldvermögen auf Gesetzesstufe einer anderen Verteilung mit neuer Zwecksetzung als der verfassungsrechtlich und im NBG verankerten zugeführt werden könnte. Er liess von diesem fragwürdigen Weg unter dem Eindruck der Kritik aber rasch ab.

Nachher vertrat der Bundesrat im Prinzip konsequent die Auffassung, dass das Goldvermögen an sich nach der allgemeinen Gewinnverteilregel verteilt werden könnte. Dies sollte aber nicht geschehen. Vielmehr sollte ein Teil des Goldvermögens anderen öffentlichen Zwecken zugeführt und nicht als Gewinn ausgeschüttet werden. Diese Haltung vertrat der Bundesrat bis zur Volksinitiative «Überschüssige Goldreserven in den AHV-Fonds». Dort erklärte er, im Falle der Ablehnung beider Vorlagen müssten Volk und Stände erneut entscheiden können. Diese Haltung war aber nicht rechtlich, sondern politisch begründet. Zu bemängeln ist, dass die bundesrätliche Haltung zumal in den Abstimmungserläuterungen sehr rudimentär dargestellt wird und dass die Ausführungen wohl leicht missverstanden werden konnten. Dennoch ist die Auffassung des Bundesrates rechtlich vertretbar, er habe mit der Unterbreitung der neuen Vorlage an die eidgenössischen Räte, die dort scheiterte, alles getan, wozu er aufgrund seiner Zusicherungen im Umfeld der vorangegangenen Abstimmung über die Goldinitiative verpflichtet gewesen sei. Die Annahme ist berechtigt, der Ständerat als Hort der Wahrung der Interessen der Kantone hätte sich schwerlich von der Verteidigung des Gewinnanteils der Kantone nach bisherigem Recht abbringen lassen.

Nicht hinreichend transparent gemacht ist die Eile, die für die Verteilung des Gewinns aus der Realisierung des Aufwertungsgewinns gewählt worden ist. Es mutet merkwürdig an, dass der Jahresabschluss 2004 der SNB nachträglich geändert worden ist, um stille Reserven zu realisieren und diese als Gewinn des Vorjahres ausschütten zu können. In seiner Pressemitteilung vom 2. Februar 2005 hatte das EFD noch kundgetan, mit der Ausschüttung des Erlöses aus 1300 Tonnen Gold könne erst ab Frühling 2006 begonnen werden, weil das
Jahresergebnis der Nationalbank für 2004, das am 27. Januar 2005 veröffentlicht worden sei, diese Aktiven noch nicht als Gewinn ausweisen würde. Diese Auffassung hatte Bundesrat HansRudolf Merz aufgrund einer Sprechnotiz vom 2. Februar 2005 persönlich kundgetan.

Nur gerade drei Wochen später liest man dann in einer neuen Pressemitteilung vom 25. Februar 2005 des EFD, dieses Departement und der Bankrat Nationalbank hätten sich am 23. Februar 2005 auf eine Vereinbarung geeinigt, wonach die Nationalbank die Ausschüttung doch schon 2005 vornehme.

Diese Vorgehensweise ist angesichts der dünnen Pressemitteilung ohne Begründung für den Gesinnungswandel schwer verständlich. Es ist aber dennoch nicht ersichtlich, dass sie rechtliche Normen verletzen würde. Insbesondere wird dadurch niemand geschädigt. Mangels Vorwirkung von Volksinitiativen kann namentlich auch nicht geltend gemacht werden, der Bundesrat habe damit das Stimmrecht der Bürgerinnen und Bürger verletzt.

6286

Gutachtlicher Bericht zuhanden der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates über Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Verwendung des Erlöses aus dem Verkauf des überschüssigen Nationalbankgolds Von Prof. Dr. iur. Paul Richli, Gründungsdekan und Ordinarius für öffentliches Recht, Agrarrecht und Rechtsetzungslehre an der Universität Luzern

Ergänzung vom 4. Oktober 2005

6287

Bericht 1

Vorbemerkung

Am 7. September 2005 hatte der Gutachter Gelegenheit, den gutachtlichen Bericht vom 28. Juli 2005 vor der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission zu präsentieren und Fragen zu beantworten. Dabei zeigte sich, dass im Bericht ein Aspekt zu wenig ausgearbeitet ist, nämlich die Bedeutung des Gebots der Verstetigung der Gewinnausschüttung nach Artikel 31 Absatz 2 des Nationalbankgesetzes; NBG (Ziff. 2.5).

Ergänzend zum Bericht vom 28. Juli 2005 unterbreitet der Gutachter der Auftraggeberin die folgenden Überlegungen:

2

Zum Verstetigungsziel in Art. 31 Abs. 2 NBG

Artikel 31 Absatz 2 NBG hat den folgenden Wortlaut: Der Betrag des Bilanzgewinns, der die Dividendenausschüttung übersteigt, fällt zu einem Drittel an den Bund und zu zwei Dritteln an die Kantone. Das Departement und die Nationalbank vereinbaren für einen bestimmten Zeitraum die Höhe der jährlichen Gewinnausschüttungen an Bund und Kantone mit dem Ziel, diese mittelfristig zu verstetigen. Die Kantone werden vorgängig informiert.

Diese Bestimmung wiederholt zunächst lediglich die verfassungsrechtliche Regelung für die Gewinnverteilung, wonach der Reingewinn der Schweizerischen Nationalbank zu mindestens zwei Dritteln an die Kantone geht (Art. 99 Abs. 4 BV). Das zweite Element ist eine Vereinbarung zwischen dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) und der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Das dritte Element ist das Ziel, dass die Ausschüttung mittelfristig verstetigt wird. Das vierte Element ist die vorgängige Information der Kantone.

Für die Erschliessung von Sinn und Zweck dieser Norm ist vorab die Botschaft des Bundesrats über die Revision des Nationalbankgesetzes zu veranschlagen76.

Das Ziel der Verstetigung erklärt sich gemäss Botschaft daraus, dass die Gewinne der SNB jährlich stark schwanken können, dass die Kantone im Hinblick auf ihren Budgetprozess aber ein grosses Interesse an einer kontinuierlichen Ausschüttung haben. Die Verwaltungsvereinbarung zwischen EFD und SNB ist ein Instrument, das seit 1992 gehandhabt wird. Angemerkt sei, dass die Verwaltungsvereinbarung seinerzeit als Antwort auf Bedürfnisse der Praxis praeter legem eingeführt worden ist. Das alte NBG enthielt noch keine entsprechende Bestimmung (Art. 27 Abs. 3 aNBG)77.

Nach der bundesrätlichen Botschaft soll die vorgängige Information den Kantonen die Gelegenheit zur Stellungnahme eröffnen. Fruchtet diese nichts, so steht ihnen sogar der Gang ans Bundesgericht offen. Sie können mit verwaltungsrechtlicher

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BBl 2002 6240 AS 1954 599, 1993 399; vgl. auch Leo Schürmann, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 3.

Aufl., Bern 1994, S. 440.

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Klage geltend machen, die Vereinbarung widerspreche den gesetzlichen Vorgaben (Art. 53 Abs. 2 NBG).

Fragt man allgemein, unabhängig von der bundesrätlichen Botschaft, nach Sinn und Zweck dieser Norm, so soll sie verhindern, dass die Kantone im Zusammenhang mit der Gewinnausschüttung der SNB Wechselbädern ausgesetzt werden, die ihnen die Budgetierung erschweren. Dabei besteht ein besonderes Interesse, dass die Gewinnausschüttungen nicht tiefer als erwartet ausfallen, was den kantonalen Budgetprozess belasten könnte. Im vorliegenden Zusammenhang geht es um ein einmaliges Phänomen, die Auflösung einer über Jahrzehnte entstandenen stillen Reserve. Es macht hier nicht denselben Sinn, diesen einmalig hohen Betrag in die auf längere Frist angelegte Verstetigung einzubeziehen. Die These ist naheliegend, dass Artikel 31 Absatz 2 NBG den hier fraglichen Fall nicht erfasst, soweit es um die Zielsetzung der Verstetigung geht. In der juristischen Methodenlehre ist insofern von teleologischer Reduktion des Wortlauts einer Rechtsnorm die Rede78. Hingegen unterliegt dieser einmalig hohe Betrag selbstverständlich der üblichen Gewinnverteilungsregel in Artikel 31 Absatz 2 NBG und Artikel 99 Absatz 4 BV.

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Positive Haltung der Kantone zum Ausschüttungskonzept des Bundes und der SNB

Im vorliegenden Zusammenhang ist nicht bekannt geworden, dass ein Kanton mit der sofortigen Verteilung der aufgelösten Reserven nicht einverstanden gewesen wäre und verwaltungsrechtliche Klage angedroht oder erhoben hätte. Im Gegenteil haben sich die Kantone aktiv an der Vorbereitung der Gewinnausschüttung beteiligt.

Der Bericht einer technischen Arbeitsgruppe der Schweizerischen Nationalbank, der Konferenz der Kantonsregierungen, der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren und der Eidgenössischen Finanzverwaltung vom 22. Dezember 2004 setzt sich einlässlich mit den technischen Aspekten einer allfälligen Vermögensübertragung im Wert von 1300 Tonnen Gold von der Schweizerischen Nationalbank an Bund und Kantone auseinander. Es werden darin Für und Wider einer Verstetigung der Ausschüttung und einer sofortigen Ausschüttung erwogen. Am Ende kommt die Arbeitsgruppe zu den folgenden Empfehlungen79: «1. Eine Substanzausschüttung des Goldvermögens sollte rasch erfolgen und innerhalb einiger Monate abgewickelt werden.

78 79

2.

Auf die Möglichkeit, einen Teil des Vermögens in Form von Guthaben vorübergehend bei der SNB zu belassen, wird verzichtet.

3.

Der Bundesanteil an der Substanz des Goldvermögens ist als ausserordentliche Einnahme zu betrachten und für einen Schuldenabbau einzusetzen.

4.

Um volkswirtschaftlich und finanzpolitisch unerwünschte Auswirkungen möglichst zu vermeiden, empfiehlt die Arbeitsgruppe den Kantonen, ihren Anteil am Goldvermögen für einen nachhaltigen Schuldenabbau einzusetzen. Die Verbindlichkeit dieser Empfehlung liegt in der Entscheidung der

Das bedeutet, dass der überschiessende Wortlaut auf seinen engeren Normsinn zurückgeführt wird; vgl. Ernst Kramer, Juristische Methodenlehre, Bern 1998, S. 161 ff.

Ziff. 6.

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kantonalen Instanzen; die Kantone sind frei, über die Verwendung des Goldvermögens zu entscheiden.» Zu erwähnen ist im vorliegenden Zusammenhang im Weiteren eine Pressemitteilung der Konferenz der Kantonsregierungen vom 2. Februar 2005 unter dem Titel «Nationalbankgold: Kantone über Bundesratsentscheid erfreut. Ausschüttung an die Kantone kann nun vorbereitet werden». Darin geben die Kantonsregeirungen ihrer Genugtuung darüber Ausdruck, dass der Bundesrat beschlossen habe, die überschüssigen Goldreserven gemäss dem geltenden Verteilschlüssel zu an den Bund und zu an die Kantone auszuschütten. Der Bundesrat respektiere damit Artikel 99 Absatz 4 BV und ermögliche so die verfassungskonforme Verteilung der überschüssigen Goldreserven der Nationalbank. Um politisch und volkswirtschaftlich für eine Verteilung des Nationalbankgoldes optimale Voraussetzungen zu schaffen, hätten die Kantone gemeinsam mit dem EFD und der SNB Empfehlungen erarbeitet, wie unerwünschte Auswirkungen auf die Staatsquote, die Konjunkturentwicklung und die Geldpolitik zu vermeiden seien und wie die nachhaltige Verwendung dieser Werte gesichert werden könne.

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Fazit

Es ergibt sich demnach, dass Bund und SNB Artikel 31 Absatz 2 NBG nicht verletzt haben, indem sie den einmalig hohen Betrag der Realisierung der stillen Reserven nicht in die Verstetigung der Gewinnausschüttung einbezogen haben. Man kann sich hier nicht zuletzt auf den Grundsatz berufen: volenti not fit iniuria. Zu deutsch: Die Kantone haben dieser Verteilung zugestimmt; ihnen geschieht kein Unrecht durch die sofortige Ausschüttung.

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Anhang 3

Motion 06.3010 der GPK-N: Zukünftige Ausschüttungen aus ausserordentlichen Goldverkäufen Die Kommission beantragt Zustimmung zur folgenden Motion: Der Bundesrat wird beauftragt Artikel 31 Absatz 2 Nationalbankgesetz dahingehend zu ergänzen, dass das Parlament im Falle eines ausserordentlichen Goldverkaufs über die Ausschüttung entscheidet, ohne den verfassungsmässigen Verteilschlüssel anzutasten.

Begründung: Eine weitere Tranche überschüssige Goldreserven (möglicherweise 5 bis 10 Mrd.)

könnte in den nächsten Jahren ­ je nach Anpassung der Deckungsregeln bzw. Reservenpolitik der SNB ­ für eine weitere Verteilung zur Verfügung stehen.

Das Parlament muss sich dazu äussern können.

Minderheitsantrag: Eine Minderheit der Kommission beantragt, die Motion abzulehnen (Gadient, Beck, Cathomas, Glasson, Häberli-Koller, Meier-Schatz, Noser, Riklin, Wasserfallen).

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