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Ans den Verhandlungen des Bundesrathes.

Bildung der Geschwornenlisten.

Kreisschreiben des schweizerischen Bundesrathes an fämmtliche eidgenössische Stände.

Bern, den31. Juli 1849.

Getreue, liebe Eidgenossen..

Da durch Art. 22 und solgende des Gesetzes über die

schweizerische Bundesrechtspflege vom 5. Juni 1849, in Gemäßheit des Art. 94 der schweizerischen Bundesverfaffung die Organifation des Schwurgerichtes zum Zwecke der Strafrechtspflege festgestellt wird, so wird es nunmehr die Ausgabe der Kantone sein, nach Vorschrift des Gefetzes ihre Geschwornenlisten zu bilden.

Die Geschwornenlisten werden innerhalb der Schranken des Gesetzes in den Kantonen durch direkte V o l k s -

wahlen gebildet. (Art. 28 des Gesetzes). Soferne die Geschwornen unmittelbar durch das Volk erwählt werden, so steht es den Kantonen frei, bei diesen Wahlen nach ihrem eigenen Ermessen zu verfahren. Sie können daher die Geschwornen nach Gutsinden durch eigene Wahlkreise, Gemeinden, Kirchgemeinden, Bezirke oder Gebietseintheilungen irgend einer Art wählen lassen; sie können dieselben auch an Landsgemeinden ernennen.

Da das Gesetz weder über den Wahlmodus noch über die ersorderliche Mehrheit irgend etwas vorschreibt, so sallen diese sowie alle übrigen sich daran knüpfenden Fragen in

344 die Kompetenz der Kantone, welche dießfalls das Nöthige vorzukehren haben werden. Es können demnach diese Wahlen vermittelst Handausheben, Einzelnabstimmung oder Wahllisten, nach dem absoluten oder relativen Mehr, vorgenommen werden.

Art. 24, zweites Lemma, stellt fest, daß in den vier ersten Assifenbezirken (Art. 22) aus je 1000 Einwohner, im fünften Bezirke auf je 500 Einwohner, welche der betreffende Kanton oder Kantonstheil enthält, ein Geschworner in die Verzeichnisse eingetragen werde. Da das Gefetz in Betreff diefer zwei Punkte keine andern Beschränkungen vorschreibt, so ist, nach dem Sinne der Bundesverfassung (Art. 61), dieser eine von taufend oder fünfhundert Einwohnern von der Gesammtbevölkerung des Kantons zu berechnen.

Nach Analogie der allgemeinen Uebnng und im Sinne des nämlichen Art. 61 der Bundesverfassung, zählen die Bruchtheile von fünfhundert Seelen und darüber, in denjenigen Kantonen, welche die vier ersten Afsifenbezirke bilden, für tausend Einwohner, und im fünften Bezirk die Bruchtheile von zweihundertfünfzig Seelen und darüber, für fünfhundert Einwohner. Es versteht sich dabei von

selbst, daß die Bruchzahl für die runde Zahl im nämlichen Kanton nur einmal zählt, den Fall vorbehalten, welcher weiter unten erwähnt werden wird. Es wird daher jeder Kanton . feine Maßnahmen so zu tressen haben , daß als Endrefultat das Verhältniß von einem Gefchwornen auf taufend, beziehungsweise fünfhundert Einwohner für den ganzen Kanton erzielt werde.

In den Kantonen Bern, Freiburg, .Graubünden und Wallis, welche zu zwei Bezirken gehören, ist darauf Bedacht zu nehmen, daß die Vertheilung je des einen Geschwornen. auf tausend oder sünshundert Einwohner in der

345 Weife zu berechnen ist, daß jeder Sprache ihre Anzahl von Geschwornen, nach Verhältniß, so genau wie möglich, zukomme. Zu diesem Zwecke und zu leichterer Hebung allsälliger Schwierigkeiten kann, in Abänderung der oben erwähnten Bestimmung, in den betreffenden vier Kantonen eine Bruchzahl von sünfhundert Seelen und darüber auf tausend Einwohner oder von zweihundertundfünfzig Seelen und darüber auf fünfhundert Einwohner, zweimal gezählt werden, d. h. einmal für die Bevölkerung deutscher und einmal für die Bevölkerung französischer oder italienischer Zunge.

Dieser Berechnungsmodus .wird nothwendig gemacht, vorerst durch die Bestimmungen des Art. 22 des Gesetzes, durch welchen die Assisenbezirke in Beziehung auf die Sprache homogen zusammengesetzt werden, sodann durch das erste Lemma des Art. 24 des Gesetzes , welches bestimmt, daß "die Geschwornenliste eines jeden Bezirkes aus den Verzeichnissen der demselben einverleibten K a ntone oder Kantonstheile besteht."

Die Art. 25, 26 und 27 des Gesetzes, welche von der Wählbarkeit der Geschwornen handeln, scheinen keiner Erklärungen zu bedürfen.

Gemäß Art. 29 des Gesetzes ,,werden die Kantonalgefchwornenlisten , sobald dieselben entworfen worden sind, durch die Kantonsregierungen dem Bundesrathe eingefendet, welcher daraus die. Bezirkslisten zufammenfetzt und veröffentlicht/^ Die Regierungen der Kantone Bern und Wallis werden eingeladen, uns diejenigen Gefchwornen bezeichnen zu wollen, welche in solchen Gemeinden, wo die sranzösische Sprache die vorherrschende ist, gewählt worden sind; die Regierung des Kantons Freiburg hingegen diejenigen, welche in Gemeinden, wo die deutsche Sprache die vorherrschende ist; und die Regierung von

346 Graubünden endlich die in den Hochgerichten Misor und Calanea Gewählten.

Gemäß Art. 30 in Verbindung mit Art. 2 und andern Bestimmungen, verbleiben die im laufenden Jahre erwählten Gefchwornen auf den Listen bis und mit dem 31. Dezem-

ber 1851.

Um den Kantonalbehörden zu Feststellung der Bestimmungen, welche die in gegenwärtigem Kreisschreiben erwähnten Artikel des Gesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege erfordern, fowie auch zur Vornahme der Gefchwornenwahlen die nöthige Zeit zu geben, bestimmt der fchweizerifche Bundesrath den 31. Oktober als Termin zur Eingabe der Gefchwornenlisten von Seite der Kantone, gemäß Art. 29 des Gesetzes. Den Kantonen steht es zu, nach Belieben früher zur Vornahme jener Wahlen zu schreiten.

Wir benutzen diesen Anlaß, Euch, getreue, liebe Eidgenossen, nebst uns in den Machtschutz des Allerhöchsten zu empfehlen.

(Folgen die Unterfchriften).

Tagesbesehl von

General Düsour an die eidgenössische Armee.

Eidgenöfsifche Wehrmännner !

Die hohe Bundesversammlung hat die vorläufig getroffene Wahl des Oberbefehlshabers heute bestätigt. Ich bin stolz darauf, zur Bekleidung dieser hohen Würde bezeichnet worden zu sein, und reihe mich mit um so freu-

347 digerem Gefühl unter das eidgenössische Panner, weil ich dort von unsern Tapsern aus allen Theilen des Vaterlandes treffe.

Keine Zwietracht mehr herrscht unter uns, ein einiger Gedanke, das gleiche Gefühl vereinigt uns; nur im Eifer und in der Hingebung für unser liebes gemeinsames Vaterland wollen wir weiteifern.

Wehrmänner! Für die Bereitwilligkeit, mit welcher Ihr dem Ruf der obersten Behörde entgegengekommen feid, habe ich Euch mein Lob auszufprechen ; durch gute Mannszucht, durch ein würdiges Betragen unter Euch felbst und gegen die Einwohner werdet Jhr Euch dieses Lobes noch würdiger machen.

Für den Augenblick befchränkt sich unfere Aufgabe auf die Beobachtung unserer Grenzen; es bedarf hauptsächlich Wachsamkeit und Genauigkeit im Dienst. Jhr werdet beides zeigen. Sollten aber die Verhältnisse ernster werden, follte das Ausland feindlich gegen uns auftreten und unser Gebiet verletzen, dann werdet Jhr Euern Muth und Euere Kraft für die Verteidigung unfers Landes entfalten, nichts wird Euch zu viel fein, um der Heimath Glück und Unabhängigst zu bewahren. Jhr werdet mit einem Wort Euch in Allem möglichst beeifern, damit man von Euch sagen könne: ,,die Nachkommen der freien Eidgenofsen sind ihrer Vorsahren würdigt Hauptquartier Bern, den 2. August 1849.

DerOber-Befehlshaber:

W. H. Düfour.

348 ^ur Auswauderuugsfrage.

Ein Bericht des schweizerischen Konsuls in Mexiko

spricht sich über die Zustände und Verhältnisse in Kalifornien in einer Weise aus , Welche jeden Auswanderung^ lustigen abhalten sollte , seine Blicke nach diesem traurigen Lande zu wenden, das keine andere Aussicht als die auf großes Elend eröffnet.

Ein glaubwürdiger Reisender, welcher die Goldgruben

(Placeros) den 25. April und St. Franziseo den 1. Mai dieses Jahres verlassen hatte, sagt aus, daß Oberkalifornien keineswegs das fruchtbare Land sei, für das man es ausgegeben habe, sondern im Gegentheil von der äußersten Unfruchtbarkeit und nur Entbehrungen und Leiden darbietend. Die Arbeit in den Goldminen sei eine wahre Galeerenarbeit, welche auch den kräftigsten Mann in einem Monat zu Grunde richte. Weit entfernt, daß man das Gold gleichsam nur mit einem Messer aus der Erde graben könne, müssen im Bett oder an den Borden von Bächen Anshölungen von einigen Ellen Durchmesser und Tiefe gegraben werden , bis man auf goldhaltigen Grund komme. Diese Gruben füllen sich stets mit Wasser und der Goldfucher muß so immer bis an die Knie im Wasser stehen und dieses in einer glühenden Sonnenhitze, auf

welche dann bei Nacht eine empfindliche Kälte folge, gegen welche man keinen Schutz finde, denn nur Wenige feien so glücklich ein Zelt zu besitzen , die Meisten müssen unter freiem Himmel bleiben. Das Schlemmen der mühfam und unter Zerrüttung der Gefundheit ausgegrabenen Erde, um das Gold daraus abzuscheiden, sei sehr schwierig und Viele können damit gar nicht zu Stande kommen.

349 Andere Berichte, sowie die in Kalifornien erscheinende Zeitung ...1h e Alta-Callfornia,^ bestätigen diese Berichte und fügen hinzu, daß viele Einwanderer gerne das Land wieder verließen, wenn sie könnten; aber die Reisemittel seien so thener, daß Wenige so glücklich seien, ihren Vorsatz ausführen zu können. Auf den Goldwerken (Placeros) arbeiten etwa 8000 Seelen, wovon die Hälfte Amerikaner und nnr ungefähr ein Achttheil Landeseingeborne. Diese verfolgen die Fremden und fchon wiederholt fielen blutige Kämpfe vor. Die reiche Ausbeute der Goldsucher wird in Abrede gestellt, keiner foll über 5 Piaster Werth des Tags Gold finden. Dazu ist, abgesehen von der Zerstörung der Gesundheit, der Aufenthalt in der Nähe der Goldwerke fehr theuer, und besonders sind Dienstleistungen anderer Personen fast nicht zu bezahlen. Goldreiche Leute müssen selbst ihr Wasser tragen, ihren Brei kochen, ihre Kleidungsstücke ausbessern, ihre Waaren besorgen. Was überhaupt am theuersten ist, das ist Handarbeit, Schieß.pnlver, Schießgewehr, Wein und Branntwein, woraus man fchon auf den Charakter des Landes und der Einwohner fchließen kann.

Ein Brief aus San Francisco vom 17. April gibt folgende Preise an, wie sie damals gestellt waren: Fleisch, ein Real das Psund (ungefähr 7 Kreuzer

Schweizergeld) , Zwieback 10 Piaster (1 Piaster ungefähr 36 Batzen) der Zentner; farbige Hemden, 4 Realen; weiße Hemden, 1 Piaster; Paletots von Tuch, 4 Piaster; feine Hüte, 3 Piaster; wollene Strümpfe, 4 Realen; feines

Schießpulver, 8 Piaster das Pfund ; Pistolen, 100 Piaster das Paar; Brennholz, 3 Realen die halbe Manlthierlast ; Eifenstangen, 1^ Piaster; Körbe, 1 Piaster; ein Stoßkarren, 12 Piaster ein Gewehrladstock, 6 Piaster; Häute

^ ohne Werth . eiserne Küchengeräthschaften verkaufen sich, der großen Zufuhr wegen, zu den europäischen Preifen, so wie eine Menge anderer Dinge.

Ein Expresser, welcher San Franeiseo am 18. Mai verlassen hatte, berichtete, daß die größte Unordnung in Kalifornien ausgebrochen und der Gouverneur genöthigt worden sei, sich mit seinen Truppen an jenem Tag aus amerikanische Schiffe zu flüchten, welche eben im Hafen lagen. Man proklamirte das Recht des Stärkern, und in St. Franeiseo selbst soll ein Individuum durch einen Bösewicht getödtet worden sein, nur um ihm das Stück Brod zu nehmen, das er in der Hand trug.

Beilage zu Nr.^ desschweizerischen Bundesblattes.

Bericht des Bundesrathes an die schweizerische Bundes.versammlung.

(Der Bundesversammlung erstattet den 4. August 1849).

Tit.!

Nach der in unserm B.erichte vom 29. Jnli enthaltenen Andeutung geben wir uns die Ehre, Ihnen über das von den deutschen Flüchtlingen über die Grenze gebrachte Kriegsmaterial und die hierauf bezüglichen Begehren einen befondern Bericht zu erstatten; wir glauben, Jhnen diesen Fall um so eher vorlegen zu sollen, als Sie bereits einen ähnlichen, betreffend die Herausgabe der sardinischen Wasfen, an Hand genommen haben und als der Gegenstand mit den allgemeinen Maßregeln, welche Sie im Jnteresse des Vaterlandes bei diesen außerordentlichen Verhältnissen treffen werden, im Zusammenhang steht.

Es ist eine bekannte Thatsache, daß von den Fluchtlingen eine bedeutende Menge Kriegsmaterial aller Art, Pferde nnd andere Gegenstände an die Schweizergrenze gebracht und denfelben dort abgenommen wurden. Ueber den Umfang desselben sind wir nicht im Stande, Jhnen B^desblatt I. Bd. II.

30

352 einen Bericht vorzulegen, weil uns noch keine Inventare eingegangen sind ; es dürfte indeß dieser Punkt von untergeordneter Bedeutung sein, indem es sich mehr um die Grundsätze handeln wird, nach welchen in dieser Sache verfahren werden soll. Die Eigentümer dieses Kriegsmaterials fetzen dessen Herausgabe als etwas sich von selbst verstehendes voraus und bereits sind verschiedene Reklamationen darüber eingegangen, nämlich von der königlich baierschen und großherzoglich badischen Gesandtschaft, von einem befondern Abgeordneten des deutschen Reichsministeriums, Herrn Generalmajor Eberle, ferner von einem mecklenburgischen Truppenkommando und endlich von der Stadt Hanau. Von großherzoglich badischer Seite war wiederholt der Wunsch ausgesprochen worden, daß alles Kriegsmaterial ohne Unterschied der badischen Behörde möchte übergeben und ihr überlassen werden, die Ausscheiduug des Eigenthums vorznnehmen. Aus dießseits erhobene Bedenken und nach Eingang der verschiedenen Reklamationen wird jedoch, nach den neuesten Eröffnungen von der großherzoglich badischen Regierung auf diesem Begehren nicht beharrt.

Wir haben nunmehr die Jnventarisirung des fämmtlichen Materials augeordnet und auf dießfälliges Gesuch keinen Anstand genommen, einem großherzoglich badifchen Beamteten Einsicht in dessen Bestand zu gestatten.

Jm Fernern haben wir eine besondere Verfügung getroffen in Bezug auf badische Eisenbahnobligationen. Herr Kommissär Stehlin meldete unterm 25. v. M., daß ihm Apotheker Rehmann von Offenburg sechsunddreißig Stück Obligationen des badischen Eisenbahnanleihens übergeben, mit dem Versprechen, die noch mangelnden vier Stücke

gleichfalls beizubringen. Diese Obligationen nebst dem gedachten Versprechen, worüber ein Notariatsakt aufge-

353 nommen worden, habe er bei der Staatskassaverwaltung in Bafel deponirt. Nun aber verlange der großherzoglich badifche Ministerresident, Herr von Marschall, die Herausgabe jener Deposition. Der Herr Kommissär übermachte daher das betreffende Schreiben des Herrn von Marschall und wünschte einen dießfallsigen Entfcheid des Bundesrathes.

Mit Rücksicht darauf, daß jene Obligationen dem Kommissariat als eine Deposition zu Handen der badifchen Regierung übergeben worden sind, wurde befchlossen, dem Anfuchen des Herrn von Marschall zu entsprechen und

behuss der Aushinsolgung auf geeignetem Wege die Staatskassaverwaltung von Basel zu ersuchen, die fraglichen Obligationen mit dem beigelegten Aktenstücke anherznfenden.

Im Weitern wurde beschlossen, dem Herrn Kommissär Stehlin von diesem Beschluß Kenntniß zu geben, mit der Einladung, dem Herrn von Marschall direkte Mittheilung hievon zu machen. .

Was nun die Frage der Herausgabe des Kriegsmaterials betrifft, so halten wir vor allem aus dasür, daß die Eidgenossenschaft erklären soll, keine Eigentumsansprache geltend zu machen, und daß sie grundsätzlich die Bereitwilligkeit zur Aushingabe ausfprechen soll. Dieser rechtliche Standpunkt muß die Grundlage der Entfchließungen bilden und erfcheint auch bei den Beratungen der

Tagsatzung vom 11. September 1848 über das sardinische Kriegsmaterial vorgewaltet zu haben. Hievon ausgegangen, fragt sich im Weitern, ob die Eidgenossenschaft aus

zulässigen rechtlichen oder politischen Gründen dieses Kriegsmaterial zurückbehalten könne.

Es ist die Ansicht vielfach vernommen worden, dass man dasselbe zur Deckung der großen Kosten, welche der Schweiz durch die Flüchtlinge erwachsen, in Anspruch neh-

354 men sollte. Allein diese Ansicht dürfte weder mit dem Rechte, noch mit der Ehre der Schweiz vereinbar sein.

Wenn diese den Flüchtlingen aus Rücksicht der Humanität ein Asyl gewährt und Unterstützung verabreicht, so kann

sie sich unmöglich durch fremdes Eigenthnm eigenmächtig bezahlt machen; sie kann nicht auf fremde Rechnung, und

zwar gegen den Willen der Eigentümer, Wohlthätigkeit ausüben; sie würde dem letztern rechtlich verantwortlich und gäbe zudem die ganze moralische Bedeutung des Afyles preis. Der Bundesrath kann daher nicht beantragen, daß wegen der durch die Ausnahme der Flüchtlinge für die fchweizerifche Bevölkerung entstehenden Lasten irgend eine Ansprache an das fremde Kriegsmaterial gemacht, oder deßhalb eine Retention ausgeübt werde.

Mehr getheilt werden die Ansichten darüber sein, ob die Eidgenossenschaft gegen Auslieferung des Kriegsmaterials die Abnahme der Flüchtlinge verlangen, oder mit andern Worten, ob sie die ungefährdete Rückkehr, die Amnestirnng derfelben, als förmliche Bedingung jener Auslieferung erklären könne. Man kann einen gewissen innern Zusammenhang beider Momente nicht in Abrede stellen.

Die Flüchtlinge haben das Kriegsmaterial herübergebracht.

Will man dieses zurück haben, so nehme man auch jene wieder in ihre Heimat aus, und zwar ohne die große Masse derselben Verfolgungen auszufetzen, welche die

össentliche Meinung als inhuman und zugleich als zweckwidrig verurtheilt. So spricht ein allgemeines Gefühl der Billigkeit und diefe Sprache wird dadurch noch viel populärer, daß der materielle Vortheil der Eidgenossen-

schaft damit einig geht. Man hegt nämlich die Besorgniß, daß die betreffenden Staaten noch lange zögern dürsten, eine umsassendere Amnestie zu ertheilen, und daß in-

zwischen die Schweiz in der Lage bleiben würde, wenig-

355 stens eine sehr bedeutende Anzahl der Flüchtlinge bei sich zubehalten. Diese Beforgniß beruht nun freilich auf keiner sichern Grundlage und es läßt sich dagegen die Vermuthung ausfprechen, die eben so viel für sich hat, daß jene Staaten, und namentlich das Großherzogthum Baden, ein hohes Interesse haben, ihre Zustände zu ordnen, was nur durch eine Beruhigung der Gemüther

möglich ist, daß viele hundert Familien an dem Schicksal der Flüchtlinge betheiligt sind, nnd daß eine Vollziehung irgend welcher schwerern Strafe gegen Tausende nicht gedenkbar ist. Vom eigenen Jnteresse dieser Staaten ausgehend, darf man daher annehmen, daß beförderlich eine Amnestie oder eine derfelben nahekommende Maßregel wenigstens in einem gewissen Umfang dekretirt werde, wenn auch vielleicht einstweilen noch eine bedeutende Anzahl von Personen davon ausgeschlossen wird.

Abgesehen von diesem Verhältniß entsteht nun aber die Frage: Jst die Schweiz berechtigt, eine bestimmte Amnestie zu fordern und, bis diese ertheilt ist, das sremde Eigenthum zurückzuhalten^ Wir müssen diese Frage verneinen.

Während auf der einen Seite klar ist, daß die Schweiz nicht Eigentümer jenes Kriegsmaterials ist, fo kann die Weigerung der Restitution nur auf Begehren beruhen, welche die Grenzen unfers Rechts nicht überschreiten. Nun beruht die Ertheilung einer Amnestie auf der Landeshoheit eines jeden Staates, sie ist ein freiwilliger Akt derselben und es dürste wohl kaum ein Land aufzufinden sein, in welchem diese Ansicht entschiedener und durchgreifender vertheidigt wurde, als in der Schweiz. Jeder einzelne Kanton erklärte diefes Recht als unantastbar und obwohl gewiß oft die Ertheilung einer Amnestie in einem Kantone im höchsten Jnteresse der ganzen Eidgenossenschaft lag, so gelangte man nur etwa dazu, demselben die Amnestie zu empsehlen. Was

356 vollends die jeweilige oberste. Bundesbehörde dazu gesagt hätte oder sagen würde, wenn ein auswärtiger Staat von der Schweiz eine Amnestie fordern wollte , kann wohl keinem Zweifel unterliegen. Wenn nnn die Eidgenossenschaft von jeher ein Prinzip des Staatsrechts anerkannt hat, so kann sie es einem andern Staate nicht bestreiten.

Eine Entfchließung in dieser Angelegenheit muß vor der öffentlichen Meinung Europas sich rechtfertigen und die

würdige Stellung der Schweiz besteht nicht darin, daß sie einen zufälligen günstigen Umstand benutzt, um eine schwierige Lage, welche die Folge einer großherzigen Gesinnung ist, möglichst zu ihrem Vortheil zu wenden, sondern sie besteht darin, daß die öffentliche Meinung das Zeugniß

ablegen muß : die Schweiz befindet sich vollständig in ihrem Recht. Das bildet ein wesentliches Moment ihrer moralischen Stärke. Wir nennen es einen zufälligen , günstigen

Umstand, daß die Flüchtlinge diefes Kriegsmaterial über die Grenze gebracht haben, und wir zweifeln keinen Augenblick, daß die Schweiz diefelben auch ohne jene Waffen aufgenommen hätte ; in diesem Fall wäre wohl niemanden eingefallen, die Ertheilung einer Amnestie von Rechtswegen zu fordern. Die rechtliche Bedeutung der Frage kann aber unmöglich durch jenen zufälligen Umstand verändert werden. Wir befinden uns nicht im Gebiete der Konzessionen.

Würde das Großherzogthnm Baden eine solche von der Schweiz fordern, dann dürfte und müßte diese ihre materiellen Interessen in Anschlag bringen und von Baden ebenfalls eine entsprechende Konzession verlangen. Allein wir können die Rückgabe des Eigenthnms nicht als eine Konzession betrachten, sondern wir halten sie für eine Rechtspflicht. - Aus allen diesen Gründen könnten wir nicht beantragen, daß das badische Kriegsmaterial bis zur Erlassung eines bestimmten Amnestiedekrets zurückbehalten

357 werde, indem wir überdieß sehr bezweifeln, daß diefe Maßregel den beabsichtigten Zweck sehr befördern würde.

Dagegen versteht sich von selbst, daß bei allfälliger Uebergabe neuerdings so viel möglich auf beruhigende Zusicherungen hingewirkt werde.

Hinwiederum stellt sich der sofortigen Herausgabe des Kriegsmaterials ein drittes Bedenken entgegen, das wir für begründeter halten müssen. Das Großherzogthum Baden richtet verschiedene Begehren an uns, über deren Begründetheit nus ein rechtlicher Entscheid zusteht ; auch wissen wir nicht, ob und welche weitere Begehren noch gestellt werden. Dazu kommt , daß die badifchen Interessen durch eine bedeutende deutfche Armee unterstützt werden, welche großenteils längs der Schweizergrenze aufgestellt wurde, ohne daß uns hierüber irgend welche Anzeige zukam. Unter solchen Umständen kann uns ^ wohl nicht zugemuthet werden, das Kriegsmaterial herauszugeben, ehe allfällige Anstände gelöst und Maßregeln getroffen werden, welche der Eidgenoffenschast genügende Beruhigung gewähren.

Wir beantragen daher: Es sei das von den Behörden abgenommene fremde Kriegsmaterial und die übrigen damit in Verbindung stehenden Gegenstände unter der obenerwähnten Bedingung nach vorgenommener Ausfcheidung und gegen Entrichtung der darauf verwendeten Kosten den betreffenden Staaten herauszugeben.

Noch müssen wir einen speziellen Gegenstand heransheben , welchen wir einer unverzüglichen Erledigung empfehlen. Außer dem Kriegsmaterial befindet sich nämlich eine große Zahl von Pferden auf schweizerischem Gebiet. Schon früher haben wir, wie im allgemeinen Berichte erwähnt wurde, einen kleinern Theil derselben zur Disposition der

.badischen Behörden gestellt, weil ihr Werth durch die Unterhaltungskosten abforbirt wurde. Jn seinem Berichte

358 vom 25. vorigen Monats verlangte Herr Oberst Stehelin aus dem nämlichen Grunde dringend, daß auch die bedeutende Anzahl der noch vorhandenen Pferde ebenfalls abgegeben werde und wir hätten unserseits nicht angestanden, diesem Begehren zu entsprechen; allein da die hohe Bundesversammlung mit der Angelegenheit im Ganzen eben beschäftigt ist, fo wollten wir ihrem Entscheid nicht vorgreifen.

Einen Verkanf erachten wir für unzulässig, weil dadurch zu tief in die Rechte der Eigentümer eingegriffen würde.

Es sind zwar in Bafel durch Herrn Oberst Kurz einige Pferde verkauft worden, die nicht zu den badifchen Dienstpferden gehörten , fondern vermutlich von den Freischaaren durch Requisition aufgetrieben wurden und deren Eigenthümer nicht leicht anszumitteln waren.

Wir fchließen diefen Bericht mit dem Antrag:

1) Sie möchten diesen letztern Gegenstand als dringlich sofort in Behandlung nehmen.

2) Die Aushingabe der Pferde gegen Bezahlung der erlaufenen Kosten verfügen.

Genehmigen Sie .c.

(Folgt die Unterschrift.)

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Aus den Verhandlungen des Bundesrathes.

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04.08.1849

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