06.054 Bericht 2006 über das Verhältnis der Schweiz zur UNO und zu den internationalen Organisationen mit Sitz in der Schweiz vom 31. Mai 2006

Sehr geehrte Herren Präsidenten Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen den Bericht 2006 über das Verhältnis der Schweiz zur Organisation der Vereinten Nationen und zu den internationalen Organisationen mit Sitz in der Schweiz.

Im Mittelpunkt des vorliegenden Berichts stehen eine Bilanz des Millennium+5Gipfels, die aktuellen Reformprozesse der UNO sowie ein Überblick über die Anliegen und Herausforderungen der Schweizer Gaststaatpolitik. Des Weiteren geht der Bericht auf die Situation im Hinblick auf Schweizer Kandidaturen und Personal im UNO-System ein.

Der Bericht soll auch die UNO-spezifischen Prioritäten und Ziele unseres Landes im Hinblick auf die 61. Generalversammlung aufzeigen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

31. Mai 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2006-0509

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Übersicht Im Mittelpunkt des vorliegenden Berichts stehen eine Bilanz des Millennium+5Gipfels und der Folgemassnahmen seit September 2005 sowie ein Überblick über die Anliegen und Herausforderungen der Schweizer Gaststaatpolitik. Des Weiteren geht der Bericht auf die Situation im Hinblick auf Schweizer Kandidaturen und Personal im UNO-System ein und erläutert in grossen Zügen die Prioritäten der Schweiz für die im September 2006 beginnende 61. Generalversammlung der Vereinten Nationen.

Der Millennium+5-Gipfel bekräftigte das Bekenntnis der Staatengemeinschaft zur multilateralen Zusammenarbeit und zu dem in der UNO-Charta verankerten System der kollektiven Sicherheit. Anlässlich des Gipfels trafen die Staats- und Regierungschefs mit der Schaffung neuer Organe wie der Kommission für Friedenskonsolidierung und dem Menschenrechtsrat wichtige Entscheidungen zur Reform der UNO.

Unter aktiver Beteiligung der Schweiz werden die Beschlüsse des Gipfels entschlossen umgesetzt und die Reformbemühungen weitergeführt.

Der Menschenrechtsrat, der auf eine diplomatische Initiative der Schweiz zurückgeht, wurde am 15. März 2006 durch eine Resolution der Generalversammlung formell eingesetzt. Dieses wichtige neue Organ wird seinen Sitz in Genf haben. Nach einer sehr aktiven Kampagne wurde unser Land am 9. Mai 2006 von der UNOGeneralversammlung für drei Jahre in den Menschenrechtsrat gewählt. Dies stellt den wichtigsten Erfolg einer Kandidatur der Schweiz seit unserem UNO-Beitritt dar.

Die Schweiz kann nun zur Definition der Arbeitsmethoden und des Programms des Menschenrechtsrates beitragen. Der Bundesrat wird ausserdem Sorge dafür tragen, dass dem Rat im Sinne der Gaststaatpolitik unseres Landes angemessene Arbeitsbedingungen geboten werden.

Angesichts der Mängel, die im Zusammenhang mit der Affäre um das Programm «Öl für Lebensmittel» aufgedeckt wurden, erweist sich die Verbesserung der Verwaltung und der internen Aufsicht der UNO immer deutlicher als eine der Prioritäten unseres Landes. Die Schweiz ist traditionell sehr engagiert in diesem Bereich und wird sich dafür einsetzen, dass die beschlossenen Massnahmen konkrete Ergebnisse mit spürbaren Auswirkungen zeitigen.

Im Rahmen der zur Stärkung der Organisation beschlossenen Massnahmen gilt die besondere Aufmerksamkeit nunmehr der Verbesserung der operationellen
Aktivitäten der UNO im Feld sowie der institutionellen Kohärenz in den Bereichen Entwicklung, Umwelt und humanitäre Fragen. Die Schweiz wird aktiv an den Arbeiten zu diesen Themen teilnehmen und sie auch weiterhin durch konkrete Massnahmen unterstützen.

Zudem wird die Schweiz zur Umsetzung der internationalen Agenda im Bereich nachhaltige Entwicklung beitragen. Vom 31. Mai bis 2. Juni 2006 nimmt sie am hochrangigen Treffen zur weltweiten und umfassenden Bekämpfung von HIV/Aids in New York teil. Sie wird ferner auch an den hochrangigen Gesprächen teilnehmen,

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die sich am Rande der Eröffnung der 61. Generalversammlung am 14./15. September 2006 mit Migrationsfragen befassen.

Das vom Bundesrat zur Vernehmlassung unterbreitete Gaststaatgesetz soll die Schweiz mit einem Instrumentarium ausstatten, das sie in die Lage versetzt, den Herausforderungen zu begegnen, die mit der Präsenz der internationalen Organisationen auf unserem Territorium verbunden sind. Der Bundesrat ist entschlossen, in Zusammenarbeit mit seinen einschlägigen Partnern eine Politik zu verfolgen, die es der Schweiz erlaubt, ihren Status als Gaststaat internationaler Organisationen in dynamischer und glaubwürdiger Weise zu wahren, denn dieser Status fördert das positive Image der Schweiz in aller Welt.

Seit ihrem Beitritt zu den Vereinten Nationen hat sich die Schweiz im Sinne ihrer Interessenwahrung aktiv für den Erfolg von Schweizer Kandidaturen für die Leitungsorgane des UNO-Systems sowie für die personelle Präsenz der Schweiz in den internationalen Organisationen eingesetzt. Der Bundesrat wird diese gezielte Förderung fortsetzen und sich insbesondere bemühen, eingehender darüber zu informieren, welche Karrieremöglichkeiten bestehen und wie die Erfolgschancen gesteigert werden können.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Einleitung

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2 Der Millennium+5-Gipfel: Bilanz und Folgemassnahmen 2.1 Etappen der Gipfelvorbereitungen 2.1.1 Der Gipfel und seine wichtigsten Ergebnisse 2.1.2 Die Gipfelergebnisse als Spiegel der internationalen Beziehungen 2.2 Die Umsetzung der Gipfelbeschlüsse und die Weiterführung der UNO-Reformen 2.2.1 Frieden und kollektive Sicherheit 2.2.1.1 Bekräftigung der Grundsätze der kollektiven Sicherheit 2.2.1.2 Die Schutzverpflichtung 2.2.1.3 Friedensoperationen der UNO 2.2.1.4 Kommission für Friedenskonsolidierung 2.2.1.5 Abrüstung 2.2.1.6 Bekämpfung des Terrorismus 2.2.2 Entwicklungszusammenarbeit, Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und humanitäre Hilfe 2.2.2.1 Initiativen und Instrumente im Dienst der Entwicklung 2.2.2.2 Reformen des operationellen Systems der UNO im entwicklungspolitischen Bereich 2.2.2.3 Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen 2.2.2.4 Reformen im humanitären Bereich 2.2.3 Förderung der Menschenrechte 2.2.3.1 Die Menschenrechte als einer der drei Hauptpfeiler des UNO-Systems 2.2.3.2 Der Menschenrechtsrat 2.2.4 Stärkung der Vereinten Nationen 2.2.4.1 Generalversammlung 2.2.4.2 Sicherheitsrat 2.2.4.3 Wirtschafts- und Sozialrat 2.2.4.4 Sekretariats- und Verwaltungsreform 2.3 Die Schweiz und die Ergebnisse des Gipfels

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3 Schwerpunkte und Herausforderungen der Gaststaatpolitik der Schweiz 3.1 Materielle Rahmenbedingungen 3.1.1 Infrastruktur 3.1.1.1 Immobilienprojekte 3.1.1.2 Innovative Lösungen 3.1.1.3 Regionale Perspektive 3.1.2 Sicherheit 3.2 Attraktivität des internationalen Genf 3.2.1 Akademischer Schwerpunkt für internationale Beziehungen 3.2.2 Die Genfer Zentren und ihre Zusammenarbeit mit der UNO 3.2.2.1 Das Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik 5638

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3.2.2.2 Das internationale Zentrum für humanitäre Minenräumung in Genf 3.2.2.3 Das Genfer Zentrum für die demokratische Kontrolle der Streitkräfte 3.2.2.4 Das Henri-Dunant-Zentrum für den humanitären Dialog in Genf 4 Schweizer Kandidaturen und Förderung von Schweizerinnen und Schweizern in der UNO und anderen internationalen Organisationen 4.1 Schweizer Kandidaturen im System der Vereinten Nationen 4.1.1 Planung und Verwaltung der Kandidaturen 4.1.2 Ergebnisse 4.2 Schweizerinnen und Schweizer im UNO-System 4.2.1 Neue Ausgangslage 4.2.2 Allgemeiner Kontext 4.2.3 Erhöhung der Anzahl Bewerbungen aus der Schweiz 4.2.4 Erleichterung des Zugangs zu Stellen der internationalen Organisationen für Schweizerinnen und Schweizer 5 Schlussbemerkungen und Prioritäten der Schweiz für die 61. Tagung der UNO-Generalversammlung 5.1 Schlussbemerkungen 5.2 Prioritäten der Schweiz für die 61. Tagung der UNO-Generalversammlung Anhang 1 Entwicklung des Pflichtbeitrags der Schweiz an die UNO 2004­2006 2 Die internationalen Organisationen in der Schweiz in Zahlen

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Bericht 1

Einleitung

Seit dem Beitritt der Schweiz zu den Vereinten Nationen am 10. September 2002 gilt die besondere Aufmerksamkeit des Bundesrats unserer aktiven Mitarbeit in der UNO. Damit soll sichergestellt werden, dass die Interessen und Positionen der Schweiz in diesem globalen Forum für multilaterale Beratungen und multilaterale Zusammenarbeit angemessen vertreten und wirksam gefördert werden. Aus diesem Grund setzt sich der Bundesrat für eine Reform der Organisation ein.

Der Bundesrat erläuterte in seinem Bericht vom 18. Mai 2005 über das Verhältnis zur UNO und zu den internationalen Organisationen mit Sitz in der Schweiz1 die wichtigsten Positionen unseres Landes bezüglich der UNO-Reform. Zugleich legte er die Positionen der Schweiz für die Plenartagung auf hoher Ebene im Vorfeld der 60. Tagung der Generalversammlung in New York2 in den Bereichen menschliche Sicherheit, Förderung von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte, Armutsbekämpfung, Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und Umsetzung der UNO-Reformen fest. Der Bundesrat unterstrich seine Entschlossenheit, im Interesse unseres Landes die internationale Rolle der Stadt Genf auch weiterhin zu fördern, da sie zur internationalen Profilierung der Schweiz beiträgt.

Die Vorbereitung und Durchführung des M+5-Gipfels mobilisierte zahlreiche Akteure, die alle in ihrem jeweiligen Bereich zu den Arbeiten beitrugen. Die Aussenpolitischen Kommissionen der eidgenössischen Räte prüften den Stand der Gipfelvorbereitungen an ihren Sitzungen vom 22. August 2005 in Schaffhausen und vom 29. August 2005 in Freiburg. Sodann befassten sich die eidgenössischen Räte mit diesem Thema: Der Ständerat erörterte es am 26. September 2005, der Nationalrat am 29. September 2005. Vom 7. bis 9. September 2005 nahmen die Präsidentin des Nationalrats, Thérèse Meyer, und der Vizepräsident des Ständerats, Peter Bieri, an der zweiten Weltkonferenz der Parlamentspräsidenten teil, welche die Interparlamentarische Union (IPU) am New Yorker Sitz der UNO organisierte und an der rund 150 Präsidentinnen und Präsidenten nationaler Parlamente teilnahmen.

Vertreterinnen und Vertreter des Bundesrats3 und des Parlaments4 zogen am 7. Oktober 2005 anlässlich eines offiziellen Arbeitsbesuchs des UNO-Generalsekretärs in Bern gemeinsam mit Kofi Annan nach den Ergebnissen des Gipfels erstmals Bilanz und erörterten die nächsten Etappen der Umsetzung seiner Beschlüsse.

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BBl 2005 3903 Da dieses Treffen fünf Jahre nach dem Millenniumsgipfel vom September 2000 stattfand, wird in diesem Bericht die übliche Bezeichnung «Millennium+5-Gipfel» oder «M+5-Gipfel» verwendet.

Der Bundesrat wurde bei diesen Gesprächen durch Bundespräsident Samuel Schmid und die Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten, Micheline Calmy-Rey, sowie beim Arbeitsessen durch den Vorsteher des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements, Joseph Deiss, vertreten.

Das Parlament wurde beim Arbeitsessen durch Erwin Jutzet, den Präsidenten der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats, vertreten. Peter Briner, Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Ständerats, liess sich entschuldigen.

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Was die Zivilgesellschaft anbetrifft, so organisierte die Gesellschaft Schweiz-UNO am 30. Juni 2005 die schweizerische Konferenz der Nichtregierungsorganisationen (NGO) für die Vereinten Nationen. Hierbei handelt es sich um eine Plattform, die einen Gedankenaustausch mit Vertreterinnen und Vertretern der Bundesverwaltung über die Beziehungen der Schweiz zu den Vereinten Nationen erlaubt. Ausserdem bietet sie den NGOs Gelegenheit, dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) ihre Ansichten bezüglich der nächsten Tagung der Generalversammlung darzulegen. Ein weiteres Beispiel für das Engagement der Zivilgesellschaft ist die Veröffentlichung einer Broschüre des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes mit Vorschlägen, wie der UNO-Reformprozess gestärkt werden kann5. Auf Initiative des Präsidenten der Generalversammlung fand am 23./24. Juni 2005 in New York eine interaktive Anhörung statt, die den geladenen NGOs Gelegenheit bot, sich zu den vier Hauptkapiteln des Berichts «In grösserer Freiheit» des Generalsekretärs zu äussern6.

Angesichts der seither erfolgten Entwicklungen sowie der Bedeutung des Themas konzentriert sich der Bundesrat im vorliegenden Bericht auf die Bilanz des M+5Gipfels und seit September 2005 ergriffene Folgemassnahmen. Weitere Schwerpunkte des Berichts sind eine aktualisierte Darstellung der Anliegen und Herausforderungen der schweizerischen Gaststaatpolitik, die Situation im Hinblick auf Schweizer Kandidaturen und Schweizer Personal im UNO-System, die Grundzüge der Positionen, welche die Schweiz bei der Weiterarbeit der 60. Generalversammlung der UNO vertreten wird, und schliesslich die Prioritäten der Schweiz an der im September 2006 beginnenden 61. Generalversammlung.

2

Der Millennium+5-Gipfel: Bilanz und Folgemassnahmen

Fünf Jahre nach dem Millenniumsgipfel 2000 kamen die UNO-Mitgliedstaaten überein, eine erste Bilanz der Umsetzung der Millenniumsentwicklungsziele zu ziehen und anlässlich einer hochrangigen Plenartagung vom 14. bis 16. September 2005 in New York wichtige Entscheidungen zur UNO-Reform zu treffen. Die Staats- und Regierungschefs verabschiedeten an dieser Tagung ein Schlussdokument, das den Stand der derzeitigen internationalen Zusammenarbeit dokumentiert und die nächsten Schritte im UNO-Reformprozess festlegt.

In seinem Bericht 2005 erläuterte der Bundesrat den Stand der Gipfelvorbereitungen zum Zeitpunkt der Annahme des Berichts am 18. Mai 2005. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die wichtigsten Entwicklungen seit diesem Datum.

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6

Hella Hoppe und Christoph Stückelberger (2005), «Die UNO mit Reformen stärken; Orientierungen und Vorschläge des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes», April 2005, ISBN 3-7229-6014-2.

Bericht des UNO-Generalsekretärs vom 21. März 2005, «In grösserer Freiheit: Auf dem Weg zu Entwicklung, Sicherheit und Menschenrechten für alle» (A/59/2005).

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2.1

Etappen der Gipfelvorbereitungen

Das Jahr 2005 stand ganz im Zeichen der UNO-Reform. Im selben Jahr und anlässlich des M+5-Gipfels feierte die UNO ihr 60-jähriges Bestehen. Der Reformprozess war mit dem am 2. Dezember 2004 veröffentlichten Bericht der «Hochrangigen Gruppe für Bedrohungen, Herausforderungen und Wandel»7 eingeleitet und mit dem im Januar 2005 veröffentlichten «Sachs-Bericht»8 zur Umsetzung der Millenniumsentwicklungsziele fortgesetzt worden. Die nächste wichtige Etappe begann mit der Veröffentlichung des Berichts des Generalsekretärs «In grösserer Freiheit».

Zwischen der Vorlage des Berichts des Generalsekretärs und dem M+5-Gipfel fanden intensive Konsultationen statt. Sie wurden unter der Schirmherrschaft von Jean Ping, dem Präsidenten der 59. UNO-Generalversammlung und Aussenminister Gabun und von einer Reihe von Moderatoren geführt, die Jean Ping beauftragt hatte, einen Konsens der Mitgliedstaaten in den vier Bereichen zu fördern, die der Generalsekretär in seinem Bericht angesprochen hatte: Entwicklung (Freiheit von Not), Frieden und Sicherheit (Freiheit von Furcht), Menschenrechte (Freiheit, in Würde zu leben) und Stärkung der Vereinten Nationen (institutionelle Reformen).

In dieser Phase, in der unter hohem Zeitdruck gearbeitet werden musste, unterbreiteten die Staaten im Rahmen der von den Moderatoren geleiteten Konsultationen Vorschläge und Stellungnahmen. Im Sommer 2005 legte der Präsident der Generalversammlung einen ersten Entwurf des Schlussdokuments vor, das den Staats- und Regierungschefs am Gipfel zur Annahme unterbreitet werden sollte.

Im Laufe des Sommers nahm der Reformprozess die traditionellere Form von zwischenstaatlichen Beratungen an, in deren Rahmen die Staaten formell erklärten, ob sie dem vorgeschlagenen Wortlaut zustimmten oder ihn ablehnten. Während in der vorangegangenen Phase vor allem diejenigen Staaten tonangebend gewesen waren, die Veränderungen befürwortet und sich für eine grundlegende Reform ausgesprochen hatten, traten nun die Staaten in den Vordergrund, die den Reformen skeptischer gegenüberstanden.

Diese Phase war ferner geprägt von einem entschiedeneren Auftreten der Grossmächte, namentlich der USA und Chinas. Die USA legten anlässlich des Amtsantritts ihres neuen ständigen Vertreters bei den Vereinten Nationen in New York eine lange Liste von Änderungsvorschlägen zum
Schlussdokument vor; China lancierte eine sehr aktive Kampagne, mit der es insbesondere seine Ablehnung des von Japan, Deutschland, Indien und Brasilien eingebrachten Vorschlags zur Erweiterung des Sicherheitsrats zum Ausdruck brachte.

2.1.1

Der Gipfel und seine wichtigsten Ergebnisse

Am Millennium+5-Gipfel, der vom 14. bis 16. September 2005 in New York stattfand, nahmen mehr als 170 Staats- und Regierungschefs teil. Die Schweiz wurde durch Bundespräsident Samuel Schmid vertreten. Neben der Plenartagung fanden ein hochrangiges Treffen zum Thema Entwicklungsfinanzierung sowie die feierliche 7 8

A/59/565.

Dieser Bericht ist kein amtliches Dokument der UNO: UN Millennium Project. 2005.

Investing in Development: A Practical Plan to Achieve the Millennium Development Goals. New York.

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Unterzeichnung internationaler Verträge statt, bei welcher der Bundespräsident das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung nuklearterroristischer Handlungen unterzeichnete. Am gleichen Tag trat der Sicherheitsrat auf Antrag des Vereinigten Königreichs und Russlands zu einer Sondersitzung zur Frage des Terrorismus zusammen.

Das wichtigste Ergebnis des Gipfels war die formelle Annahme eines Schlussdokuments9 durch die Staats- und Regierungschefs am 16. September 2005. Sie kam nach einem Verhandlungsmarathon durch einen Kompromiss zwischen den Mitgliedstaaten zustande und ist das Resultat der gemeinsamen Bemühungen um einen Wortlaut, der eine möglichst breite Übereinstimmung sowohl zur internationalen Entwicklungszusammenarbeit als auch zur UNO-Reform spiegelt.

Das Schlussdokument lässt den Willen der Staaten erkennen, im Rahmen der UNO zusammenzuarbeiten, und es bekräftigt die Rolle der UNO und das Bekenntnis der Staatengemeinschaft zum Multilateralismus und zum Völkerrecht. Im Einklang mit dem Vorschlag des Generalsekretärs unterstrichen die Staaten die Interdependenz von Entwicklung, Sicherheit und Achtung der Menschenrechte und räumten letzteren damit hohe Priorität unter den Zielen der multilateralen Zusammenarbeit ein.

Zugleich lässt dieses Dokument aber auch erkennen, dass es den Mitgliedstaaten nicht leicht fällt, das durch die Differenzen anlässlich der Irak-Krise von 2003 entstandene Misstrauen zu überwinden. Dies gilt insbesondere für den Abschnitt über Frieden und kollektive Sicherheit. Der Abschnitt über Abrüstung und Nichtweiterverbreitung wurde ersatzlos gestrichen, weil darüber keine Einigung erzielt werden konnte. In der Struktur des Schlussdokuments des Weltgipfels ist das Ziel der Nachhaltigkeit dem Ziel der Entwicklung untergeordnet, was als Rückschritt gegenüber den Ergebnissen der UNO-Nachhaltigkeitsgipfel von 1992 und 2002 gewertet werden kann.

Dennoch betrachtet die Schweiz das Dokument als im Grossen und Ganzen zufriedenstellend, denn es enthält mehrere Beschlüsse und Bestimmungen, die ihren Erwartungen weitgehend entsprechen. Es legt namentlich einen Rahmen für die im Grundsatz beschlossene Schaffung neuer Organe wie dem Menschenrechtsrat ­ der auf eine diplomatische Initiative der Schweiz zurückgeht ­ und der Kommission für Friedenskonsolidierung fest. Zugleich sieht
die Vereinbarung auch eine Intensivierung der Beratungen vor, die für die Konkretisierung dieser Organe notwendig sind.

Im Übrigen enthält das Dokument keine Punkte, die für unser Land wirklich problematisch wären.

Zufriedenstellend ist das Dokument auch im Hinblick auf Anliegen, für die sich die Schweiz im Vorfeld des Gipfels eingesetzt hatte und für die das Schlussdokument ­ wie zum Beispiel im Fall der Anpassung der Arbeitsmethoden des Sicherheitsrats ­ Methoden der Weiterarbeit nach dem Gipfel definiert.

In mehreren Punkten geht das Schlussdokument weniger weit, als es sich die Schweiz erhofft hatte. Dennoch zeichnet es sich durch erhebliche Fortschritte sowie den Willen aus, die Gespräche und Beratungen fortzusetzen. Es sieht hierfür in vielen Fällen Zeitpläne und Fristen vor. In diesem Sinne entspricht das Ergebnis des Gipfels den Erwartungen der Schweiz, wie sie der Bundesrat in seinem UNOBericht 2005 formuliert hatte. In diesem Bericht erklärte er, er sei sich des ungewissen Ausgangs der derzeitigen Beratungen bewusst. Er unterstrich ferner, die 9

A/RES/60/1.

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Schweiz werde sich für ein positives Ergebnis des Prozesses einsetzen und dafür Sorge tragen, dass für die Bereiche, in denen nicht mit einer baldigen Einigung zu rechnen sei, ein Zeitplan aufgestellt wird.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Schlussdokument deutlich macht, wie schwierig es für die internationale Gemeinschaft ist, zu einem wirklichen Konsens über gemeinsames Handeln zu gelangen. Die Mitgliedstaaten sind weit davon entfernt, ihre Partikularinteressen einem gemeinsamen Ideal unterzuordnen ­ selbst wenn der Wunsch, sich gemeinsam für Verbesserungen einzusetzen, durchaus vorhanden ist. Im September 2005 gelang es zwar, wichtige Schritte zu unternehmen. Die Meinungsverschiedenheiten unter den Mitgliedstaaten bewirkten jedoch, dass der Weltgipfel schlussendlich nur eine Etappe in einem langwierigen Prozess ist, der seitdem anhält und auch 2006 weitergeht. Viele der am Gipfel skizzierten Entscheide bedurften einer anschliessenden Konkretisierung im Rahmen von Beratungen, die bislang zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt haben.

2.1.2

Die Gipfelergebnisse als Spiegel der internationalen Beziehungen

Die Debatten in der UNO geben Aufschluss über den Stand der internationalen Beziehungen. Anscheinend haben die Mitgliedstaaten zwar die durch die Militärintervention in Irak verursachte Krise überwunden, doch haben sie Mühe, wieder zu einer wirklichen Verständigung zu gelangen. Die Arbeiten in New York sind vor allem von folgenden Faktoren geprägt: den Forderungen und einer gewissen Skepsis der USA gegenüber der UNO, der wachsenden Rivalität zwischen Washington und einem zunehmend selbstbewussten China, dem Auftritt neuer Grossmächte wie Japan oder Indien, die der Auffassung sind, sie verfügten nicht über genügend Mitspracherechte, der zunehmenden Profilierung der EU und schliesslich den Positionen von Staaten wie Ägypten, Pakistan oder Kuba, die häufig als sehr markante Sprecher der Dritten Welt auftreten.

In einem so komplexen Umfeld innerhalb einer Organisation, die den Konsens kultiviert, ist es keineswegs überraschend, dass selbst geringfügige Entscheidungen langwierig und schwierig sind. Die Tatsache, dass eine Erweiterung des Sicherheitsrats ­ das Kernstück einer tiefgreifenden UNO-Reform ­ nicht gelang, belastete den gesamten Reformprozess. Die Ende 2005 erzielten Resultate kamen nur zustande, weil in einigen Fällen wenig überzeugende Kompromisse geschlossen wurden, so etwa die Vorrangstellung des Sicherheitsrats in der Kommission für Friedenskonsolidierung. Vor allem die Länder des Südens hatten den Eindruck, dass die grossen Geldgeber die Organisation dominieren, während die Mehrheit der Staaten das Verhalten der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats zeitweise als arrogant empfand. Dies hatte zunehmende Frustration zur Folge.

Zu den zwischenstaatlichen Spannungen kommen die immer deutlicher werdenden Spannungen innerhalb der Organisation: ein Generalsekretär, der bald aus dem Amt scheidet und durch die Affäre um das Programm «Öl für Lebensmittel» geschwächt ist, ein starkes Präsidium der Generalversammlung, das ein gewisses Machtvakuum so gut wie möglich zu kompensieren sucht, und eine quasi konstitutionelle Krise zwischen Generalversammlung und Sicherheitsrat.

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Selbst wenn es nach wie vor Anlass zur Hoffnung gibt, dass im Reformprozess noch einige Fortschritte möglich sind, können Krisen nicht ausgeschlossen werden, und Kompromisse werden immer schwieriger. Daher werden der Auswahlprozess und die Wahl eines neuen Generalsekretärs an der 61. Generalversammlung einen wichtigen Test für die Organisation darstellen.

Der Bundesrat wird die Entwicklung der Lage aufmerksam verfolgen, um sicherzustellen, dass das Engagement der Mitgliedstaaten für die operationelle Dimension der UNO nicht langfristig mit einer Schwächung der Rolle der UNO als Forum für Verhandlungen und die Weiterentwicklung des Völkerrechts verbunden ist ­ einer Funktion, die von Seiten der Staaten Kompromissbereitschaft erfordert. Für die Schweiz steht hier einiges auf dem Spiel.

2.2

Die Umsetzung der Gipfelbeschlüsse und die Weiterführung der UNO-Reformen

Der Präsident der 60. Generalversammlung, Jan Eliasson, lancierte bereits im Herbst 2005 ehrgeizige Folgemassnahmen zum Gipfel, die alle diejenigen Themen betreffen, die vor dem Gipfel diskutiert, im Schlussdokument jedoch nicht abschliessend geregelt wurden, und für die das Dokument daher eine Weiterverfolgung vorsieht. In diesem Abschnitt werden die wichtigsten Entwicklungen erläutert, die sich bei diesen Themen während der 60. Generalversammlung ergeben haben.

Bei der Mitwirkung an den Arbeiten in dieser Phase orientierte sich die Schweiz an den Prioritäten, die der Bundesrat für die 60. Generalversammlung vorgegeben hatte. So galt die Aufmerksamkeit in erster Linie den Menschenrechten und der Schaffung des Menschenrechtsrats, der Verbesserung der Arbeitsmethoden des Sicherheitsrats, der Einsetzung der Kommission für Friedenskonsolidierung und der Verbesserung von Verwaltung und interner Führung des UNO-Sekretariats. Besondere Aufmerksamkeit wurde der Rationalisierung der operationellen Kapazitäten der UNO sowie einer Verstärkung der institutionellen Kohärenz in den Bereichen Entwicklung, Umwelt und humanitäre Fragen gewidmet.

2.2.1

Frieden und kollektive Sicherheit

2.2.1.1

Bekräftigung der Grundsätze der kollektiven Sicherheit

Angesichts der zunehmenden Bedrohung durch den Terrorismus und die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen debattiert die internationale Gemeinschaft seit einigen Jahren über die Frage, ob das in der UNO-Charta verankerte System der kollektiven Sicherheit noch zweckmässig ist.

Der UNO-Generalsekretär empfahl den Mitgliedstaaten in seinem Bericht «In grösserer Freiheit» vom 21. März 2005 ein umfassenderes Konzept der internationalen Sicherheit, das alle Arten von Bedrohungen und auch ihre Verflechtung berücksichtigt. Ein solches Sicherheitskonzept deckt nicht nur bewaffnete Konflikte, Terrorismus und die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen ab, sondern auch andere weltweite Probleme wie Armut, HIV/Aids und Umweltzerstörung, insbeson-

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dere durch Klimawandel. Der Generalsekretär legte eine Reihe von Vorschlägen zur Stärkung des gemeinsamen Handelns vor.

Anlässlich des Millennium+5-Gipfels Mitte September 2005 stimmten die Staatsund Regierungschefs der UNO-Mitgliedstaaten diesem umfassenderen Sicherheitskonzept des Generalsekretärs zu und bekräftigten die Bedeutung multilateralen Handelns. Im Schlussdokument des Gipfels bekannten sie sich zu dem in der UNOCharta verankerten System der kollektiven Sicherheit und erklärten, dieses sei ausreichend und genügend flexibel, um auf das gesamte Spektrum der gegenwärtigen Bedrohungen und Herausforderungen zu reagieren. Die Mitgliedstaaten bekräftigten daher das Verbot der Gewaltanwendung (mit Ausnahme von Fällen der Selbstverteidigung), die Hauptverantwortung des Sicherheitsrats für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit sowie seine Befugnis, Zwangsmassnahmen zu verfügen. Der Bundesrat misst der Tatsache, dass die Mitgliedstaaten die Notwendigkeit der Einhaltung des Völkerrechts unterstrichen und es weder für nötig noch für sinnvoll hielten, die Bestimmung zur Anwendung von Gewalt im Fall der Selbstverteidigung abzuändern, ganz besondere Bedeutung bei. Damit haben es die UNO-Mitgliedstaaten abgelehnt, einen Weg einzuschlagen, der zu einer Zunahme einseitiger militärischer Präventivschläge führen und das in der UNOCharta verankerte System der kollektiven Sicherheit destabilisieren würde.

2.2.1.2

Die Schutzverpflichtung

Die internationale Gemeinschaft diskutiert seit mehreren Jahren über die Frage, wie in Fällen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schweren Verstössen gegen das humanitäre Völkerrecht vorzugehen ist. Ihre Untätigkeit angesichts der im ehemaligen Jugoslawien und in Ruanda begangenen Verbrechen wurde vielfach kritisiert10. Ein Konsens besteht jedoch weder über die Mittel, die gegen solche Verbrechen eingesetzt werden können, noch über die Zeckmässigkeit und die Rechtmässigkeit einer ausländischen Militärintervention.

Anlässlich des M+5-Gipfels billigten die UNO-Mitgliedstaaten den Grundsatz der «Schutzverpflichtung»11 und definierten die wichtigsten Elemente eines Mindestkonsenses in dieser Frage. Sie unterstrichen zunächst die Pflicht jedes Staates, seine Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen. Zugleich hoben sie hervor, dass in Fällen, in denen ein Staat dieser Pflicht nicht nachkommt, die internationale Gemeinschaft im Rahmen der UNO und unter Einsatz aller geeigneten Mittel ­ einschliesslich einer kollektiven Militäraktion als ultima ratio ­ tätig werden muss.

10

11

Mit den Ursachen dieses Versagens der internationalen Gemeinschaft befassten sich zwei Berichte unabhängiger Untersuchungsausschüsse, die der UNO-Generalsekretär eingesetzt hatte, um die Vorgänge in Srebrenica und in Ruanda aufzuklären (A/54/594 und S/1999/1257).

Der Begriff der «Schutzverpflichtung» wird seit mehreren Jahren heftig diskutiert. Siehe hierzu insbesondere den im Dezember 2001 vorgelegten Bericht der Internationalen Kommission über Intervention und staatliche Souveränität. Dieser von Kanada ins Leben gerufenen Kommission gehörte namentlich der frühere Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Cornelio Sommaruga, an.

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Die Anerkennung des Begriffs der «Schutzverpflichtung» durch die Gesamtheit der UNO-Mitgliedstaaten stellt ganz zweifellos einen Fortschritt für das Völkerrecht und den Schutz der Menschenrechte dar. Dieses Konzept darf jedoch keinesfalls als Vorwand für einseitige Militärinterventionen dienen. Wenn ein Mitgliedstaat seine Schutzverpflichtung nicht erfüllt, dann muss die internationale Gemeinschaft eingreifen. Dies muss jedoch in einem ganz bestimmten Rahmen geschehen, und zwar im Rahmen der UNO-Charta. Wichtig ist ferner, dass Kriterien festgelegt werden, anhand deren bestimmt werden kann, in welchen Fällen und in welcher Form das Eingreifen der internationalen Gemeinschaft erforderlich ist.

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die Schweiz und einige Partnerländer in ihrer Initiative bezüglich der Arbeitsmethoden des Sicherheitsrats die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats dazu aufriefen, bei Beschlüssen über kollektives Vorgehen im Fall von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schweren Verstössen gegen das humanitäre Völkerrecht nicht von ihrem Vetorecht Gebrauch zu machen12.

2.2.1.3

Friedensoperationen der UNO

Friedensoperationen der UNO sind in der heutigen Risiko- und Bedrohungslage ein zentrales Instrument der internationalen Konfliktlösung und Krisenbewältigung. Sie bilden häufig eine grundlegende Voraussetzung für den Wiederaufbau einer Konfliktregion. Im Vergleich zu den friedenserhaltenden Operationen während des Kalten Krieges erfüllen die Friedensoperationen heute ein breiteres Aufgabenspektrum mit militärischen wie auch zivilen Elementen, legen ein grösseres Gewicht auf die Konfliktlösung und -Prävention, verfügen häufig über ein robusteres Mandat (d.h. der Einsatz von Waffengewalt zur Durchsetzung des Auftrags ist erlaubt) und sind in verschiedenen Phasen der Konfliktbewältigung aktiv. Zudem wird heute zunehmend mit sogenannten integrierten Missionen versucht, zivile und militärische Ressourcen und Aktivitäten zu bündeln und in einer kohärenteren Art im politischen, militärischen, humanitären und entwicklungsrelevanten Bereich einzusetzen.

Die UNO betreibt und verwaltet gegenwärtig 9 länderspezifische Sanktionsregimes und weltweit 15 friedenserhaltende Operationen sowie 11 politische bzw. friedenskonsolidierende Missionen. Derzeit sind über 85 000 Personen in Missionen im Einsatz, die vom Sicherheitsrat mit zum Teil sehr unterschiedlichen Mandaten ausgestattet wurden. Vermehrt werden alle Aspekte der Friedenssuche berücksichtigt, womit nicht nur klassische Friedenssicherung mit militärischen und polizeilichen Mitteln, sondern auch Konfliktprävention und immer mehr Friedenskonsolidierung Gegenstand der Mandate sind. Die als komplexe oder multidimensionale Missionen bekannten Operationen sind unter anderem in den Bereichen der Menschenrechtsförderung, der Demobilisierung, Entwaffnung und Reintegration früherer Kämpfer, der Reform des Sicherheitssektors, der Förderung der Rechtsstaatlichkeit oder der Organisation von Wahlen aktiv.

Die gesamte Bandbreite und Komplexität dieser Unternehmen kommt darin zum Ausdruck, dass die UNO heute ihre Tätigkeit vermehrt unter der Bezeichnung «Friedensoperationen» zusammenfasst. Darüber hinaus hat sich in den letzten Jahren der Begriff der «integrierten» Missionen etabliert. Dieses Konzept wurde in einigen 12

Zu dieser Initiative siehe Ziff. 2.2.4.2.

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Fällen schon umgesetzt. Dieses Modell beschreibt die Art und Weise, wie die UNO diese komplexen Operationen führt und verwaltet, indem sie die qualitativen Aspekte der verbesserten Zusammenarbeit und Koordination aller beteiligten Akteure definiert.

Die UNO verfügt mehr als jede andere Organisation über eine langjährige Erfahrung im Bereich der komplexen Missionen und gehört deshalb zweifellos zu den zentralen Akteuren auf diesem Gebiet. Auch hat sie in den vergangenen Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um ihr Instrumentarium für die internationale Friedensbildung den neuen Herausforderungen anzupassen und sich vermehrt und kohärenter mit regionalen Organisationen zu koordinieren, um die enormen Herausforderungen gemeinsam mit anderen Akteuren anzugehen.

Die Staats- und Regierungschefs anerkannten anlässlich des Millennium+5-Gipfels, dass die UNO angesichts der Entsendung komplexer Missionen über die nötigen Mittel und Fähigkeiten verfügen muss, um die ihr übertragenen Mandate wirksam zu erfüllen. Auch muss sich die Sicherheit ihres Personals und ihrer Truppen im Feld gewährleisten können. Daher wurde beschlossen, die Etablierung von schnell verlegbaren Kapazitäten voranzutreiben, die im Krisenfall das vor Ort stationierte UNO-Personal unterstützen können. Ausserdem wird eine stehende Polizeieinheit geschaffen, die eine reaktionsfähige Anfangskapazität für die Polizeikomponente der Friedensoperationen bereitstellen soll. Diese Vorschläge werden im Sonderausschuss für friedenserhaltende Operationen, in dem auch die Schweiz Einsitz hat, im Detail ausgehandelt. Die Schweiz unterstützt die Schaffung einer solchen Polizeieinheit und wird dafür nach Möglichkeit qualifizierte Schweizer Kandidatinnen und Kandidaten vorschlagen.

Disziplinarische Verfehlungen, namentlich Fälle von sexueller Nötigung und Ausbeutung von Frauen und Kindern durch Angehörige von UNO-Missionen, müssen weiterhin mit allen Mitteln verfolgt und geahndet werden. Im vergangenen Jahr wurden dazu zahlreiche Empfehlungen verabschiedet. Insbesondere wurden mit der Ausarbeitung eines Verhaltenskodexes und der Standardisierung der Ausbildung des UNO-Personals im Feld wichtige Massnahmen getroffen, um die Ursachen der Verfehlungen zu bekämpfen. Zudem wird die Zusammenarbeit mit den Herkunftsstaaten der verdächtigten Missionsangehörigen
verbessert.

Unser Land zählt zu den wichtigsten Beitragszahlern für die Friedensoperationen der UNO. Die Höhe des Pflichtbeitrags zum Budget der Friedenssicherungseinsätze hängt in erster Linie von der Zahl und der Personalstärke der UNO-Friedensoperationen ab, die erheblichen Schwankungen unterworfen sind. Sodann hängt sie auch ab von dem in der UNO üblichen Berechnungsverfahren, das innerhalb eines 3-Jahres-Zyklus zu unterschiedlich hohen Beträgen im Budget führt. Während des ersten vollständigen Zyklus seit dem Beitritt der Schweiz (2004­2006) belief sich der Gesamtbeitrag für die Friedenssicherungseinsätze auf 187 Millionen Franken13, also auf durchschnittlich 62,3 Millionen Franken jährlich.

Der schweizerische Expertenpool hatte im Jahre 2005 42 Personen für Friedensoperationen im Einsatz, darunter 11 Polizeiexperten, vor allem im Balkan, sowie Experten in den Bereichen Menschenrechte, transitionelle Justiz und politische Analyse.

Sie arbeiten in Missionen im Feld oder in UNO-Agenturen, welche Friedensoperationen unterstützen. Der Pool bietet für Personal, das im Ausland eingesetzt wird, 13

Für die Einzelheiten siehe Anhang 1.

5648

Weiterbildungen zum Thema zivile Friedensförderung an. Ausserdem sind zurzeit 17 schweizerische Militärbeobachter in UNO-Missionen tätig.

2.2.1.4

Kommission für Friedenskonsolidierung

Die Schaffung einer Kommission für Friedenskonsolidierung am 20. Dezember 2005 zählt zu den ersten konkreten Resultaten des Millennium+5-Gipfels. Die Kommission ist Teil einer neuen Peacebuilding-Architektur, die auch ein Büro zur Unterstützung der Friedenskonsolidierung (Peacebuilding Support Office) und einen Fonds umfasst (Peacebuilding Support Fund). Die Kommission ist ein Unterorgan des Sicherheitsrats und der Generalversammlung, während das Büro und der Fonds dem Generalsekretär unterstellt sind.

Die Kommission für Friedenskonsolidierung ist ein beratendes Organ und hat zur Aufgabe, alle massgeblichen Akteure zusammenzubringen, um integrierte Strategien für die Friedenskonsolidierung und den Wiederaufbau eines Landes nach einem Konflikt zu fördern. Diese Strategien sollen in erster Linie dabei helfen, die Zusammenarbeit und Koordination aller beteiligten Akteure innerhalb wie ausserhalb der UNO zu verbessern. Die Schweiz hat sich in den Verhandlungen vor allem dafür eingesetzt, dass die Kommission nicht ausschliesslich dem Sicherheitsrat unterstellt wird, sondern breiter abgestützt ist und sowohl dem Sicherheitsrat wie auch dem Wirtschafts- und Sozialrat beratend zur Seite steht. Ausserdem war es ihr wichtig, dass alle relevanten Organisationen, Fonds und Programme an der Ausarbeitung der Strategien beteiligt werden. Hierzu gehört der Einbezug von nichtstaatlichen Organisationen und akademischen Institutionen. Ferner sprachen sich die informelle Gruppe der Aussenministerinnen in einem Schreiben an den Präsidenten der Generalversammlung nachdrücklich dafür aus, dass der Einbezug der Geschlechterperspektive und die Konsultation von Frauenorganisationen in der Resolution ausdrücklich erwähnt werden. Auch Bundesrätin Micheline Calmy-Rey unterzeichnete dieses Schreiben.

Nach langen und schwierigen Verhandlungen verabschiedete die Generalversammlung am 20. Dezember 2005 eine Resolution, mit der die Modalitäten der Zusammensetzung und die Aufgaben der Kommission festgelegt wurden. Die Schweiz begrüsste das Zustandekommen der Resolution. Die Einsetzung der Kommission für Friedenskonsolidierung war ein wichtiger Meilenstein und verlieh der Umsetzung weiterer Reformbeschlüsse einen neuen Impetus. Gleichwohl gaben die Schweiz und zahlreiche andere Staaten eine Erklärung ab, in der sie die wenig
repräsentative Zusammensetzung der Kommission und das zu hohe Gewicht des Sicherheitsrats bemängelten. Die Resolution stellt die Kommission nämlich in erster Linie in den Dienst des Sicherheitsrats, den sie über Situationen beraten soll, mit denen er befasst ist.

Der Organisationsausschuss der Kommission umfasst insgesamt 31 Mitglieder. Er setzt sich aus 7 Mitgliedern des Sicherheitsrats sowie 7 Mitgliedern des Wirtschaftsund Sozialrats zusammen. Dazu kommen jeweils 5 der zehn wichtigsten Truppensteller und 5 der zehn wichtigsten Beitragszahler der UNO. Als letzte Kategorie wählt die Generalversammlung 7 Mitglieder aus ihren Reihen. Je nach Beratungsgegenstand werden der Kommission Vertreter der betroffenen Staaten und Regionen ebenso angehören wie Repräsentanten des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. Der Sicherheitsrat beschloss in einer separaten Resolution, dass seine 5649

ständigen Mitglieder auch permanenten Einsitz in der Kommission für Friedenskonsolidierung haben werden.

Im Mai 2006 konnten sich die Mitglieder der Generalversammlung und des ECOSOC auf die Sitzverteilung im Organisationskomitee der Kommission in ihren jeweiligen Kategorien einigen. Aufgrund der festgelegten Kriterien hat die Schweiz im Jahr 2006 keine Möglichkeit, Mitglied der Kommission zu werden. Unser Land gehört zwar zu den grössten Beitragszahlern an die Aktivitäten der UNO, zählt jedoch nicht zu den ersten zehn. Umso mehr wird sich unser Land dafür einsetzen, dass die Arbeitsmethoden der Kommission derart etabliert werden, dass auch jene Länder, die zwar nicht Mitglied der Kommission sind, jedoch wichtige Beiträge im Bereich der internationalen Friedenskonsolidierung leisten, die Arbeit der Kommission für Friedenskonsolidierung mitgestalten können. Aus diesem Grund begrüsst die Schweiz, dass sich die Kommission nun bald konstituieren und ihre Arbeit aufnehmen wird.

2.2.1.5

Abrüstung

Im Abrüstungsbereich waren im vergangenen Jahr kaum Erfolge, sondern eine Verhärtung der Fronten zu verzeichnen. Konstruktive multilaterale Bemühungen wurden durch prädominante nationale Interessen erschwert, wenn nicht gar verhindert. Die NPT-Überprüfungskonferenz (Non-Proliferation Treaty ­ Atomwaffensperrvertrag) im Mai 2005 in New York endete ohne substanzielle Resultate. Ausgerechnet in einer Zeit, in der das nukleare Nichtverbreitungsregime vor grossen Herausforderungen steht, blieb die Vertragsgemeinschaft bis zuletzt zerstritten, so dass die Konferenz ohne Einigung zu Ende ging. Da die Differenzen im September 2005 immer noch unüberbrückbar waren, wurde das Abrüstungskapitel schliesslich aus dem Schlussdokument des Millennium+5-Gipfels gestrichen.

Trotz dieser negativen Entwicklungen konnte die Schweiz in einem für sie wichtigen Bereich Erfolge erzielen. Unter Schweizer Führung einigte sich eine repräsentative Gruppe von Staaten im Juni 2005 nach zweijährigen Verhandlungen auf ein internationales Instrument zur Identifizierung und Rückverfolgung von illegalen Kleinwaffen und leichten Waffen. Neben einer breiten Definition für diese Waffenkategorien wurde auch ein Katalog internationaler Standards zu deren Markierung und Registrierung verabschiedet. Das Instrument regelt ferner die internationale Zusammenarbeit zwischen Staaten und mit der UNO sowie Interpol. Der Bundesrat hat eine interdepartementale Arbeitsgruppe eingesetzt und damit beauftragt, die nötigen Anpassungen des Schweizer Rechts abzuklären sowie Vorschläge zum weiteren Vorgehen auszuarbeiten.

Dank den Bemühungen der Schweiz, die das Geschäft in der Generalversammlung vertrat, wurde das Instrument zur Identifizierung und Rückverfolgung von Kleinwaffen und leichten Waffen im Dezember 2005 von der Generalversammlung verabschiedet. Insbesondere ist es zum ersten Mal gelungen, eine für alle Mitgliedstaaten der UNO akzeptable Definition des Begriffs «Kleinwaffen und leichte Waffen» zu verabschieden.

Die Schweiz wird sich an der Überprüfungskonferenz zum UNO-Aktionsplan gegen den illegalen Handel mit Kleinwaffen und leichten Waffen, die vom 26. Juni bis 7. Juli 2006 in New York stattfindet, dafür einsetzen, dass das Aktionsprogramm 5650

gestärkt und erweitert wird. Dazu gehören die Verabschiedung von international verbindlichen Kriterien für den Export und die Vermittlung von Kleinwaffen und leichten Waffen, die Thematisierung des Missbrauchs von Schusswaffen und die Verankerung von Projekten zur Kleinwaffenkontrolle in Entwicklungsprogrammen.

Ferner konnte die Schweiz während des zweiten Jahrs ihres Vorsitzes der «Mine Action Support Group» die 2004 begonnene Arbeit intensivieren. Mit ihrem Ansatz, die Missionen in New York für die verschiedenen Dimensionen der Minenproblematik zu sensibilisieren, hatte die Schweiz ein interessantes und erfolgreiches Programm. Insbesondere der Zusammenhang zwischen Minenproblematik und Entwicklungszusammenarbeit sowie Friedensprozessen stiess auf grosses Interesse. Mit den USA übernimmt nun der grösste Geldgeber der Gruppe den Vorsitz.

Die Schweiz wird sich während der sechsten Konferenz zur Überprüfung des Übereinkommens über biologische Waffen und Toxinwaffen (BWÜ), die vom 20. November bis 8. Dezember 2006 in Genf stattfinden wird, für eine Stärkung des Übereinkommens einsetzen. Sie wird insbesondere für jährliche Treffen plädieren, die es erlauben würden, die Umsetzung des Übereinkommens zu überprüfen und Entwicklungen in diesem Bereich von nahem zu verfolgen. In Ermangelung eines juristisch bindenden Verifikationsinstrumentes wird die Schweiz auf freiwillige vertrauensbildende Massnahmen und auf eine nationale Umsetzung des Übereinkommens setzen. Sie wird zu diesem Zweck die Schaffung eines Sekretariats unterstützen, das den Vertragsstaaten bei der Umsetzung der sich aus dem Übereinkommen ergebenden Verpflichtungen behilflich sein, und die weitere Verbreitung des Übereinkommens fördern sowie dieses insgesamt stärken kann.

2.2.1.6

Bekämpfung des Terrorismus

Die Bekämpfung des Terrorismus ist ­ in verstärktem Masse seit den Anschlägen vom 11. September 2001 ­ ein wichtiger Tätigkeitsbereich der UNO. Der Sicherheitsrat hat durch die Annahme von Resolutionen und die Einsetzung von Ausschüssen ein politisches und rechtliches Instrumentarium geschaffen, das die Mitgliedstaaten verpflichtet, sich aktiv an der Bekämpfung des Terrorismus zu beteiligen.

Seit 1963 wurden insgesamt 13 sektorielle Anti-Terrorismus-Übereinkommen ausgearbeitet. Das letzte, das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung nuklearterroristischer Handlungen, wurde von der Schweiz am 14. September 2005 am Rande des M+5-Gipfels unterzeichnet.

Eine der Fragen, die sich im Rahmen der Terrorismusbekämpfung der UNO als höchst schwierig erwiesen haben, bleibt nach wie vor die Ausarbeitung eines allgemeinen Übereinkommens zum internationalen Terrorismus, welches das rechtliche Instrumentarium der 13 Übereinkommen ergänzt und eine von allen akzeptierte Definition des Terrorismus enthält. Das Schlussdokument des M+5-Gipfels ruft die Mitgliedstaaten auf, sich vor dem Ende der 60. Generalversammlung auf einen Kompromiss zu einigen. Die Schweiz unterstützt aktiv die angelaufenen Gespräche, die einen solchen Kompromiss ermöglichen sollen.

Im Übrigen stellt sich die Frage, ob die Hauptverantwortung für die Terrorismusbekämpfung auch weiterhin bei einem Nebenorgan des Sicherheitsrats, dem Ausschuss zur Bekämpfung des Terrorismus, liegen soll. In diesem Zusammenhang begrüsst es 5651

die Schweiz, dass die Mitgliedstaaten die Generalversammlung im Schlussdokument des Gipfels beauftragt haben, eine Gesamtstrategie für die Terrorismusbekämpfung auszuarbeiten. Sie sieht der Debatte in der Generalversammlung, die sich auf Vorschläge des Generalsekretärs stützen wird, mit Interesse entgegen. Diese Debatte dürfte allen Staaten Gelegenheit bieten, aktiver an der Bekämpfung des Terrorismus mitzuwirken. Die Schweiz hat sich wiederholt für die Schaffung einer dem Generalsekretär unterstellten zentralen Behörde zur Bekämpfung des Terrorismus ausgesprochen, die mittelfristig die Hauptverantwortung für die Terrorismusbekämpfung im Rahmen der UNO übernehmen könnte14.

2.2.2

Entwicklungszusammenarbeit, Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und humanitäre Hilfe

Dem Weltgipfel vom September 2005 kam auch in entwicklungspolitischer Hinsicht eine besondere Bedeutung zu: Es handelte sich um die erste Gelegenheit, um auf höchster Ebene die bisherigen Anstrengungen zur Erreichung der Millenniumsziele Revue passieren zu lassen und allfällige Kurskorrekturen zu beschliessen. Auch die Schweiz informierte ausführlich über ihren Beitrag zur Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele (siehe den Bericht des Bundesrates «Millenniumsentwicklungsziele ­ Zwischenbericht der Schweiz 2005»). In seinem zusammenfassenden Bericht zum Stand der Umsetzung der Millenniumsentwicklungsziele zeigte Kofi Annan auf, dass die Welt zwar seit dem Beginn der Neunzigerjahre bei der Armutsbekämpfung beachtliche Fortschritte erzielt hat, diese aber sowohl regional wie auch thematisch ­ in Bezug auf die verschiedenen Ziele ­ sehr ungleich verteilt sind. Sollten sich die gegenwärtigen Trends bis 2015 fortsetzen, so wird die Welt die Millenniumsziele nur teilweise erreichen.

Diese Schlussfolgerung weckte hohe Erwartungen an den Weltgipfel. Angesichts der anhaltenden grossen Armut in der Welt wurde vielfach gehofft, dass die Mitgliedstaaten sich am Gipfeltreffen auf mutige und neue Verpflichtungen im Kampf gegen die Not einigen würden. Andere, nicht zuletzt UNO-Generalsekretär Kofi Annan, betonten hingegen die Notwendigkeit, die schon eingegangenen Verpflichtungen zuerst in die Tat umzusetzen. Viele der vom Generalsekretär in seinem Bericht «In grösserer Freiheit» vorgeschlagenen Massnahmen zielten auf eine effizientere und raschere Umsetzung der sowohl von Entwicklungs- wie auch von Industrieländern schon vorgängig eingegangenen Verpflichtungen ab.

Vor diesem Hintergrund, und wohl auch dank der weltweiten, mit grossem medialem Echo von entwicklungspolitisch engagierten Nichtregierungsorganisationen geführten Kampagne «Make Poverty History», wurde der Weltgipfel von einem Teil des Publikums fast ausschliesslich unter dem entwicklungspolitischen Aspekt wahrgenommen.

14

Im Rahmen der Generalversammlung und der Menschenrechtskommission hat die Schweiz Resolutionen unterstützt, die im Kampf gegen den Terrorismus den Schutz der Menschenrechte fordern. Weiter hat sie sich für die Ernennung eines Sonderberichterstatters in diesem Bereich eingesetzt (Menschenrechtskommission, Resolution 2005/80).

5652

Mit besonders hohen Erwartungen waren die am Gipfeltreffen versammelten Staatsund Regierungschefs der Industrieländer im Bereich der Entwicklungsfinanzierung konfrontiert, ein Bereich, in dem die Staaten des Nordens im Rahmen der Entwicklungspartnerschaft zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern an der Konferenz für Entwicklungsfinanzierung in Monterrey (2002) gewisse Verpflichtungen eingegangen sind. Diese Erwartung führte im Vorfeld des Gipfeltreffens zu verschiedenen Initiativen der Geberländer, die auch im Schlussdokument einen Niederschlag fanden. Dazu gehören Ankündigungen verschiedener Staaten, die eigene Entwicklungshilfe substantiell zu erhöhen, unterschiedliche Initiativen zur Erschliessung sogenannter innovativer Finanzierungsquellen ebenso wie die am Gipfel von Gleneagles vom 6. bis 8. Juli 2005 lancierte Initiative der G8-Staaten zu einer weiteren multilateralen Entschuldung der Entwicklungsländer.

Der Bundesrat begrüsst es, dass im Schlussdokument des Gipfels die an der UNOKonferenz über Entwicklungsfinanzierung von 2002 im mexikanischen Monterrey zwischen den Ländern des Nordens und des Südens etablierten Grundsätze (sog.

«Konsens von Monterrey») bekräftigt wurden. In seiner Ansprache am Gipfel unterstrich der Bundespräsident, dass die Hilfe, welche die Schweiz den Entwicklungsländern ­ und vorwiegend den ärmsten Ländern insbesondere in Afrika ­ seit bald 30 Jahren zur Verfügung stellt, eine qualitativ hochstehende Hilfe ist, die in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Empfängern durchgeführt wird. Der Bundespräsident rief ferner zu einer verstärkten Koordination der Akteure der internationalen Hilfe auf und wies darauf hin, dass die öffentliche Hilfe der Schweiz seit der Konferenz von Monterrey kontinuierlich gestiegen ist und mittlerweile das Niveau erreicht hat, das die Schweiz damals zugesagt hatte. Er berichtete des Weiteren, dass unser Land mit einer öffentlichen Entwicklungshilfe von 0,44 Prozent des Bruttonationaleinkommens15 auf Platz 11 von 22 Geberländern der OECD rangiert und dass die Entwicklungshilfe einer der wenigen Haushaltsposten ist, die in den kommenden Jahren wachsen werden: Für den Zeitraum 2005­2008 ist eine Erhöhung um insgesamt 8 Prozent geplant. Des Weiteren bekräftigte der Bundespräsident, die Schweiz werde die öffentliche Entwicklungshilfe
auch nach 2008 weiter steigern, um ihren Beitrag zu den internationalen Entwicklungsbemühungen zu erhöhen. Abschliessend brachte er die Bereitschaft der Schweiz zum Ausdruck, die verschiedenen Initiativen zur Erschliessung innovativer Quellen der Entwicklungsfinanzierung eingehender zu prüfen.

Als Beitrag zur Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele haben sich die G8-Staaten im Juli 2005 auf eine Initiative zur weiteren multilateralen Entschuldung der Entwicklungsländer geeinigt. Diese wurde später unter dem Namen «International Debt Relief Initiative (IDRI)» von allen Mitgliedern der Bretton-WoodsInstitutionen beschlossen. Die Ausstände der berechtigten Länder sollen bei Weltbank, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Afrikanischer Entwicklungsbank zu 100 Prozent gestrichen werden. Die Finanzierung der multilateralen Entschuldungsinitiative konnte beim Internationalen Währungsfonds an seiner Sitzung vom 23. November 2005 geregelt werden und ist für die Schweiz vorerst nicht mit neuen Zahlungen verbunden.

15

Zahlen für 2005 nach der neuen Berechnungsmethode für die öffentliche Entwicklungshilfe (APD). In seiner Ansprache hatte der Bundespräsident die Zahlen für 2004 verwendet (0,41 % des BNE für die APD, Schweiz unter den 10 grössten Geldgebern der OECD).

5653

Im Gegensatz zum IWF wird auf Seiten der Weltbank und der Afrikanischen Entwicklungsbank die Entschuldung ausschliesslich durch Zuwendungen der Mitgliedstaaten finanziert. Die Schweiz hat ihre finanzielle Beteiligung noch nicht festgelegt.

Die laufende Welthandelsrunde im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) konnte nicht wie geplant an der siebten Welthandelskonferenz in Hongkong Mitte Dezember 2005 abgeschlossen werden. Entgegen den im Vorfeld der Konferenz gehegten Befürchtungen kam es jedoch auch nicht zu einem Abbruch der Verhandlungen. Entwicklungspolitisch bedeutsam ist der in Hongkong gefallene Beschluss der Industriestaaten, den ärmsten Entwicklungsländern ab 2008 ihre Märkte in 97 % der Zolltariflinien zoll- und kontingentfrei zu öffnen.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass sowohl die bescheidenen, aber dennoch realen Fortschritte in der Doha-Welthandelsrunde wie auch die neue multilaterale Entschuldungsinitiative willkommene Fortschritte darstellen. Sie zeugen von der Ernsthaftigkeit, mit der die internationale Gemeinschaft um Mittel und Wege ringt, um die Millenniumsentwicklungsziele zu erreichen. Die Schweiz schloss sich dem Konsens bei der Annahme des Schlussdokuments des M+5-Gipfels an und hat damit ihre Bereitschaft bekräftigt, sich für die Verwirklichung der Millenniumsentwicklungsziele einzusetzen.

2.2.2.1

Initiativen und Instrumente im Dienst der Entwicklung

Am M+5-Gipfel wurde, wie oben erwähnt, kein normativer oder programmatischer Fortschritt in thematischen Bereichen angestrebt oder erzielt. Das entwicklungspolitische Kapitel des Schlussdokuments fasst vorwiegend früher vereinbarte Ziele zusammen. Die Schweiz begrüsst die ausdrückliche und universelle Anerkennung der Millenniumsentwicklungsziele und den Beschluss, Strategien und Ressourcen so einzusetzen, dass diese Ziele bis 2015 erreicht werden. Sie würdigt des Weiteren die positiven Verweise auf reproduktive Gesundheit, auf die Gleichstellung der Geschlechter, die Ermächtigung der Frau sowie auf den zunehmend beachteten Zusammenhang zwischen Migration und Entwicklung. Sie begrüsst die unverzügliche Unterstützung, welche die Mitgliedstaaten für die Initiativen zur Bekämpfung von Malaria sowie zur Förderung von Bildung und Gesundheit zugesagt haben. Die Hervorhebung der Bedeutung verantwortlicher Unternehmenspraktiken, wie sie vom Globalen Pakt («Global Compact») befürwortet werden, sowie auch der Bedeutung der Rolle von Informations- und Kommunikationstechnologien für die Entwicklung sind ebenfalls positive Elemente.

Manche der im Schlussdokument enthaltenen Beschlüsse des Gipfeltreffens können von den Mitgliedstaaten direkt umgesetzt werden. So sind beispielsweise die Entwicklungsländer aufgefordert, bis Ende 2006 nationale Entwicklungsstrategien zu entwickeln, mit denen die Millenniumsentwicklungsziele erreicht werden können.

Die Geberländer haben sich unter anderem dazu verpflichtet, sogenannte «quick-win actions» ­ zum Beispiel die Verteilung von mit Inzektiziden behandelten Moskitonetzen zur Bekämpfung der Malaria ­ zu unterstützen. In beiden Fällen hängt die Umsetzung in erster Linie vom politischen Willen einzelner Mitgliedstaaten ab.

5654

Viele Beschlüsse im Kapitel zur Armutsbekämpfung und zur nachhaltigen Entwicklung des Schlussdokuments sind eher allgemein gehalten. Form und Zeitpunkt der Umsetzung werden im Rahmen der operationellen Tätigkeiten der UNO oder der themenspezifischen Verhandlungen im Rahmen laufender Prozesse zu bestimmen sein. Zu diesen Beschlüssen gehört beispielsweise die Selbstverpflichtung der Mitgliedstaaten, das Ziel «der produktiven Vollbeschäftigung und einer menschenwürdigen Arbeit für alle, namentlich für Frauen und junge Menschen, zu einem zentralen Ziel unserer einschlägigen nationalen und internationalen Politiken sowie nationalen Entwicklungsstrategien, namentlich der Armutsbekämpfungsstrategien, zu machen.» Die Autorität des Schlussdokuments verleiht auch solchen eher generell gehaltenen Formulierungen ein gewisses moralisches Gewicht. Sie wurden bei themenspezifischen Verhandlungen im Rahmen der 60. Generalversammlung als allgemein akzeptierte Grundlage für die Formulierung der Resolutionen herangezogen. Die Umsetzung weiterer Vorschläge und Empfehlungen des Kapitels zur Entwicklungspolitik obliegen schliesslich in erster Linie Institutionen ausserhalb des UN-Systems, wie der WTO oder den Bretton-Woods-Institutionen.

Im Rahmen der entwicklungsrelevanten Arbeiten der UNO gibt es fünf Themen, die für die Schweiz in diesem Jahr von besonderer Bedeutung sind: die Bekämpfung der HIV/Aids-Pandemie, das Thema Migration und Entwicklung, der Weltinformationsgipfel und dessen Folgearbeiten, das Internationale Jahr des Sports sowie die Initiative «Globaler Pakt».

HIV/Aids-Pandemie: Die HIV/Aids-Pandemie wurde während des 2005-Gipfels durch politischere Fragen wie Sicherheitsratsreform, Menschenrechtsrat und Entwicklungszusammenarbeit in den Hintergrund gedrängt. Diese «Nebenrolle» hat jedoch eine relativ gute Formulierung zu integrierter Prävention, Behandlung und Pflege im Schlussdokument erlaubt. Vom 31. Mai bis 2. Juni 2006 findet in New York die Tagung zur Überprüfung der Fortschritte bei der Umsetzung der in der Verpflichtungserklärung zu HIV/Aids von 2001 statt. Es soll Bilanz gezogen werden, und die Verpflichtungen, die vor fünf Jahren eingegangen wurden, sollen bekräftigt und möglicherweise ergänzt werden. Verschiedene vorbereitende Prozesse und Konsultationen sind bereits im Gang. Es wird wichtig
sein, der HIV/Aids-Pandemie dieses Jahr die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die ihr gebührt.

Global Commission on International Migration: Ein wichtiger Schritt in der internationalen Migrationsdebatte stellt die Initiative der Schweiz und Schwedens zur Gründung der Global Commission on International Migration (GCIM) dar. Im Beisein von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey und der schwedischen Migrationsministerin Barbro Holmberg hatte Kofi Annan am 9. Dezember 2003 die GCIM ins Leben gerufen. Die Kommission hatte die Aufgabe, weltweit die positiven Aspekte der internationalen Migration hervorzuheben, Konsens bzw. Lücken in der internationalen Migrationsdebatte aufzuzeigen und konkrete Handlungsanweisungen zu formulieren. Die unterstützende Core-Group mit Vertretern aus 33 Ländern traf sich regelmässig unter der Leitung Schwedens und der Schweiz mit der Kommission zum Meinungsaustausch. Die Leitung des Genfer Sekretariats wurde mit Rolf Jenny als Exekutivdirektor von einem Schweizer übernommen. Am 5. Oktober 2005 wurde der Bericht der Kommission in New York präsentiert und UNOGeneralsekretär Kofi Annan übergeben.

Im Zentrum des Berichts steht der Zusammenhang zwischen internationaler Migrationspolitik und Globalisierung. Die Autoren fordern eine grössere Kohärenz zwi5655

schen Entwicklung, Handel, Hilfe, Sicherheit und Menschenrechten. In der Formulierung ihrer Migrationspolitik bleiben die Staaten die Hauptakteure und sind für deren Umsetzung verantwortlich. Es gilt, die nationalen Strukturen zu verbessern und in Übereinstimmung mit den internationalen Verpflichtungen zu gestalten.

Der Bericht der GCIM bildet eine Grundlage des am 14./15. September 2006 in New York stattfindenden Hochrangigen Dialogs zum Thema Internationale Migration und Entwicklung. Die Schweiz wird an dieser Veranstaltung auf hohem Niveau vertreten sein.

Internationales Jahr für Sport und Sporterziehung 2005: Im Dezember 2005 ging das «Internationale Jahr für Sport und Sporterziehung 2005» zu Ende. Die Schweiz hatte sich aktiv dafür eingesetzt, dass das Jahr 2005 diesem Thema gewidmet wurde.

Das «Internationale Jahr für Sport und Sporterziehung» hat zum Bewusstsein beigetragen, dass Sport neben der Gesundheit auch in weiteren politischen Feldern wie Entwicklung und Frieden eine wichtige Rolle spielen kann. Viel zu dieser Bewusstseinsbildung haben die vier Hauptkonferenzen zu Gesundheit (Tunis), Frieden (Moskau), Erziehung (Bangkok) und Entwicklung (Magglingen) beigetragen, die vom UNO-Büro für Sport initiiert wurden. Dieses steht unter der Leitung von alt Bundesrat Adolf Ogi, den UNO-Generalsekretär Kofi Annan 2001 zu seinem Sonderberater für Sport im Dienste von Entwicklung und Frieden berief. Der Bundesrat unterstützt das Mandat von alt Bundesrat Ogi mit 410 000 Franken pro Jahr. Diese Mittel dienen zur Deckung der Auslagen für die Ausübung des Mandats (Reisekosten, Personalkosten der Mitarbeiter, Betriebskosten)16. In New York wurde die Arbeit des UNO-Büros für Sport von der «Group of Friends for Sport for Development and Peace» politisch unterstützt, die von der Schweiz ins Leben gerufen wurde und heute ein knappes Dutzend Länder aus dem Norden und Süden umfasst. Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) engagierte sich im Internationalen Jahr des Sports und der Sporterziehung 2005 mit einer Vielzahl von Aktivitäten. Zusätzlich zu ihren laufenden Projekten führte sie ein breit gefächertes Spezialprogramm durch mit dem Ziel, die Entwicklungs- und Friedensdimension sowohl auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene zu stärken.

Der Globale Pakt (Global Compact) wurde
1999 in Davos vom UNO-Generalsekretär vorgestellt und soll Firmen durch zehn Leitsätze motivieren, freiwillig verantwortungsbewusste Geschäftspraktiken im sozialen Bereich anzuwenden. Seit mehreren Jahren hat die Schweiz den Vorsitz der Gebergruppe im Globalen Pakt inne. Da einige Staaten Vorbehalte hatten, war der Globale Pakt von der Generalversammlung zunächst nicht offiziell gebilligt worden. Der Gipfel vom September 2005 hat den Globalen Pakt jedoch auf Anregung der Schweiz und mit aktiver Unterstützung anderer Mitgliedstaaten ausdrücklich erwähnt und verantwortungsbewusste Geschäftspraktiken befürwortet. Diese Position wurde noch bekräftigt durch die 60. Generalversammlung, die unterstrich, dass das Büro des Globalen Paktes einen Beitrag zu einer effizienteren internen Verwaltung der UNO leisten kann. Im November 2005 ernannte der Generalsekretär Prof. Klaus Leisinger (Novartis Stiftung) zum Sonderberater für den Globalen Pakt. Die Schweiz wird den Globalen Pakt auch 2006 unterstützen und sich dafür einsetzen, dass der neue Generalsekretär ihm ebenso wohlwollende Aufmerksamkeit entgegenbringt, wie dies Kofi Annan getan hat.

16

Alt Bundesrat Ogi erhält für seine Tätigkeit für die UNO kein Honorar vom Bund; die UNO zahlt ihm eine symbolische Entschädigung von einem Dollar.

5656

World Summit for Information Society (WSIS): Der zweite Teil des Weltgipfels zur Informationsgesellschaft fand vom 16. bis 18. November 2005 in Tunis statt. Nachdem sie Gastgeberin des ersten Teils des Gipfels im Dezember 2003 in Genf gewesen war, hatte sich die Schweiz besonders engagiert dafür eingesetzt, dass der Gipfel zu einem Erfolg wurde, und zwar sowohl inhaltlich als auch im Hinblick auf die Achtung der Menschenrechte in Tunesien. Die Frage der Menschenrechte spielte bei der Vorbereitung und der Durchführung des zweiten Teils des Gipfels eine grosse Rolle.

Inhaltlich verfolgte die Schweiz am WSIS Tunis 2005 dasselbe Hauptziel wie bei der ersten Phase des WSIS: die Schaffung einer Informationsgesellschaft, die alle einschliesst, auch die weniger Privilegierten, die älteren und behinderten Menschen sowie Menschen, die noch keinen Zugang zu den Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) haben. Dabei dürfen diese Technologien nie Selbstzweck, sondern können jeweils nur Werkzeug sein. Die Schweiz betonte zudem die Bedeutung der Information selbst und in diesem Zusammenhang auch die Rolle der Menschenrechte, insbesondere der Informations- und Meinungsfreiheit, sowie die Bedeutung der unabhängigen und pluralistischen Medien in einer freien Gesellschaft.

Das inhaltliche Resultat des WSIS Tunis 2005 entspricht den Erwartungen der Schweiz und kann als befriedigend bezeichnet werden. Nach langen und harten Verhandlungen wurde schliesslich in allen Punkten des politischen und operationellen Dokumentes («Tunis Commitment», «Tunis Agenda for Implementation») eine Einigung erzielt. Damit konnte das Ergebnis des WSIS Genf 2003 bestätigt und in den noch offenen Fragen ­ Finanzierungsmechanismen für ICT for Development, Internet Governance, Implementierung und Follow-up-Mechanismus ­ weiterentwickelt und konkretisiert werden. Der Schweiz gelang es, das Sekretariat des neu geschaffenen Internet Governance Forum (IGF) in Genf anzusiedeln. Das IGF soll den Dialog unter Einbezug aller staatlichen und nicht-staatlichen Partner zu Fragen der Gouvernanz des Internets fördern, verfügt aber über keine Entscheidungsgewalt.

Damit die Zielvorgaben des Genfer Aktionsplans erreicht und die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien für die Verwirklichung der Millenniumsentwicklungsziele genutzt werden
können, schlägt das Dokument von Tunis eine Reihe konkreter Massnahmen auf nationaler wie auf internationaler Ebene vor. Für die globale Koordination ihrer Umsetzung ist die UNO zuständig: Der Generalsekretär wird im Rahmen des Koordinierungsrates der Leiter der UNO-Sekretariate eine Gruppe zur Informationsgesellschaft einsetzen, deren Aufgabe es ist, die Umsetzung der Beschlüsse des Informationsgipfels zu fördern. Bis Juni 2006 wird der Generalsekretär dem ECOSOC und der Generalversammlung über die Modalitäten dieser interinstitutionellen Koordination Bericht erstatten. Ansonsten hat der Gipfel sich erneut dafür ausgesprochen, dass die Umsetzung auf internationaler Ebene unter Einbezug aller Akteure vonstatten geht. Er wies den ECOSOC an, die Folgemassnahmen zum Informationsgipfel innerhalb des UNO-Systems zu überwachen und an seiner Tagung 2006 Mandat, Aufgaben und Zusammensetzung seiner in Genf ansässigen Kommission für Wissenschaft und Technologie im Dienste der Entwicklung zu überprüfen, die mit dieser Aufgabe betraut wird. Die Schweiz kandidierte für einen Sitz in diesem Organ, um vollumfänglich an dieser Debatte teilnehmen zu können, und wurde am 7. Februar 2006 in die Kommission gewählt.

5657

2.2.2.2

Reformen des operationellen Systems der UNO im entwicklungspolitischen Bereich

Da im entwicklungspolitischen Teil des Schlussdokuments nicht neue inhaltliche Beschlüsse, sondern die beschleunigte Implementierung der bestehenden Ziele und Verpflichtungen im Vordergrund standen, gehören die institutionellen Reformen der für diese Aufgaben zuständigen Organen zu den wichtigsten Empfehlungen des M+5-Gipfels. Der Bundesrat begrüsst insbesondere die am Gipfel befürworteten Reformen des operationellen Systems der UNO im Bereich Entwicklung. Mit dem «operationellen System» ist der Apparat der UNO in den einzelnen Mitgliedsstaaten gemeint: Reformen desselben zielen auf eine effizientere und koordiniertere Leistungserbringung der grossen Familie der Fonds, Programme und Sonderorganisationen der Vereinten Nationen.

Für die Folgemassnahmen zu den Beschlüssen des Gipfels ist in erster Linie der Generalsekretär zuständig. Am 17. Februar 2006 gab er die Einsetzung einer Gruppe hochrangiger Persönlichkeiten bekannt, die zuhanden der 61. Generalversammlung Vorschläge zu der Frage ausarbeiten soll, «wie eine effizientere und besser koordinierte Verwaltung der operationellen Tätigkeiten der UNO sichergestellt werden kann (...) und wie Einrichtungen geschaffen werden können, die in den Bereichen Entwicklung, humanitäre Hilfe und Umwelt besser geleitet und beaufsichtigt werden». Die Schweiz ist in der Lage, in diesen drei Bereichen einen qualifizierten Beitrag zu leisten. Sie spielt eine wichtige Rolle in Fragen im Zusammenhang mit der Kohärenz und der Koordinierung der operationellen Aktivitäten der UNO, und zwar insbesondere in den Bereichen Entwicklung und humanitäre Hilfe. Die Schweiz wird die Arbeit der Gruppe mit konkreten Beiträgen unterstützen. So lud sie am 16./17. Februar 2006 zwölf gleichgesinnte Staaten, mit denen eine langjährige Zusammenarbeit in diesen Fragen besteht, zu einem Brainstorming in die Schweiz ein und liess der Gruppe das Resultat dieses Seminars zukommen.

2.2.2.3

Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen

Der Bundesrat misst der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und dem Schutz der Umwelt einen hohen Stellenwert bei. Er stellt fest, dass es gelungen ist, die in den verschiedenen globalen Umweltprozessen erreichten Ergebnisse im Schlussdokument des Weltgipfels zu bestätigen. Zudem wurden die 1992 in Rio beschlossene Agenda 21 sowie die Ergebnisse des Weltnachhaltigkeitsgipfels von 2002 ausdrücklich bestätigt. Aus schweizerischer Sicht ist insbesondere zu begrüssen, dass es gelungen ist, die Bereiche Chemikalien und Wald in das Schlussdokument einzubringen. Im Klimabereich ist die Tatsache zu begrüssen, dass die Staaten sich dazu bereit erklärt haben, weitere Gespräche zur langfristigen internationalen Zusammenarbeit im Rahmen der UNO-Klimakonvention zu führen. Es ist hingegen nicht gelungen, alle wichtigsten Treibhausgasemittenten zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen und zur Mitarbeit im Rahmen der UNO- Klimakonvention zu verpflichten.

Das Schlussdokument erkennt die Notwendigkeit an, die Kohärenz und die Koordinierung der UNO-Umweltaktivitäten zu fördern, um die Umweltarchitektur der UNO zu stärken. Die Gestaltung einer solchen Struktur, die den zunehmenden Herausforderungen besser gewachsen ist, wird im Frühjahr 2006 von der General5658

versammlung diskutiert. Als Ko-Präsidenten dieser Debatte hat der Präsident der Generalversammlung, Jan Eliasson, die ständigen Vertreter der Schweiz und Mexikos bei den Vereinten Nationen vorgeschlagen. Dieser Vorschlag wurde angenommen, und die Ernennung der beiden Ko-Präsidenten trat am 26. März 2006 in Kraft.

Mit der Ernennung eines Schweizers wurde die Anerkennung der zukunftweisenden Politik unseres Landes in diesem Bereich zum Ausdruck gebracht. Erste informelle Konsultationen der Generalversammlung fanden am 19. und 25. April 2006 in New York statt. Der Bundesrat hofft, dass die Staaten den Prozess für eine gründliche Untersuchung und Stärkung der internationalen Umweltgouvernanz nutzen werden.

Gegenstand der Debatten wird unter anderem die Zukunft des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) sein, das gewisse Staaten mittelfristig in eine rechtlich selbständige internationale Organisation umwandeln möchten. Weiter zur Debatte steht das Zusammenspiel der vielen themenspezifischen Umweltübereinkommen, das Quelle von Inkonsistenzen, Doppelspurigkeiten und zusätzlichen Kosten sein kann.

2.2.2.4

Reformen im humanitären Bereich

Das Schlussdokument des Weltgipfels enthält zwei bedeutende Entwicklungen für die Stärkung der humanitären Aktion der Vereinten Nationen, die von der Generalversammlung weiter konkretisiert wurden.

Zum ersten Mal wird die «Unabhängigkeit» der humanitären Hilfe im Rahmen der UNO als ein Prinzip deklariert, das gleichwertig ist mit den Prinzipien der «Menschlichkeit», «Neutralität» und «Unparteilichkeit». Damit vollzieht die UNO nach, was die humanitäre Gemeinschaft und insbesondere das IKRK schon lange als Grundvoraussetzung der humanitären Aktion propagieren. Die Anerkennung dieses Prinzips durch die Mitgliedsstaaten im Rahmen der UNO trägt entscheidend dazu bei, dass die Unabhängigkeit der humanitären Hilfe nicht immer wieder in Frage gestellt werden kann.

Zweitens wurde ein neuer Nothilfefonds, der «Central Emergency Response Fund» (CERF), mit einer Fazilität von angestrebten 500 Millionen US-Dollar (450 Mio.

USD als Zuschuss und 50 Mio. USD als Darlehen) errichtet. Dieser Fonds soll es der UNO erlauben, bei humanitären Situationen, Krisen, Konflikten sowie Katastrophen schneller, gezielter und wirksamer eingreifen zu können. Die Schweiz unterstützt diesen Fonds 2006 mit einem Beitrag von 5 Millionen Franken.

Durch die zunehmende Zahl und Tragweite von Naturkatastrophen in allen Teilen der Welt und insbesondere durch den südostasiatischen Tsunami vom 26. Dezember 2004 ist sich die Öffentlichkeit bewusst geworden, dass präventives Handeln erforderlich ist, wenn die Auswirkungen solcher Katastrophen auf verletzliche Bevölkerungsgruppen, auf die Infrastruktur und die Versorgung verringert werden sollen.

Die Weltkonferenz für Katastrophenprävention, die im Januar 2005 in Kobe (Japan) stattfand, hat den Hyogo-Rahmenaktionsplan 2005­2015 ausgearbeitet und verabschiedet. Unter dem Titel «Stärkung der Widerstandskraft von Nationen und Gemeinwesen gegen Katastrophen» stellt dieser Plan konkrete Massnahmen vor, deren Ziel es ist, in Industrie- wie Entwicklungs- und Transitionsländern eine Kultur der Prävention zu fördern.

5659

Die Schweiz gehört seit vielen Jahren zu den Vorreitern der Katastrophenprävention.

Sie stützt sich dabei auf eigene Erfahrungen im In- und Ausland. Unser Land wird sich auf internationaler Ebene auch weiterhin aktiv für eine angemessene institutionelle Architektur und für eine internationale Strategie einsetzen, die es erlauben, Staaten und Gemeinwesen bei ihren Bemühungen um Katastrophenprävention wirksam zu unterstützen.

2.2.3

Förderung der Menschenrechte

2.2.3.1

Die Menschenrechte als einer der drei Hauptpfeiler des UNO-Systems

Die Förderung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit gehört zu den drei Grundpfeilern der Reformbemühungen im UNO-System. Die Schweiz ist erfreut über den Stellenwert, den Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit im Grundlagendokument des Gipfels vom September 2005 einnehmen und begrüsst das klare Bekenntnis zum Völkerrecht und zur Rechtsstaatlichkeit als Basis für eine friedliche internationale Ordnung.

Die Bemühungen um ein «Mainstreaming» der Menschenrechte, bei dem der Menschenrechtsaspekt systematisch in die verschiedenen Bereiche und Ebenen des UNO-Systems integriert wird, sowie das Konzept der menschlichen Sicherheit werden im Schlussdokument des M+5-Gipfels explizit erwähnt und stellen Tätigkeitsfelder dar, in denen die Schweiz seit längerer Zeit aktiv ist. Die Schweiz begrüsst zudem den klaren Willen der Staaten, den Rechten der Frau und des Kindes besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Weil es immer mehr Bürgerkriege gibt, gewinnt der Schutz der intern Vertriebenen, d.h. der Flüchtlinge im eigenen Land, an Bedeutung. Die Menschenrechte von intern Vertriebenen sind in den «Leitprinzipien betreffend Binnenvertreibung» zusammengefasst. Der Schweiz ist es insbesondere ein Anliegen, dass diese Leitprinzipien auf nationaler und lokaler Ebene möglichst gut umgesetzt werden, sei es in der Gesetzgebung oder in nationalen Strategien für intern Vertriebene. Die Schweiz unterstützt das Mandat des Schweizer Professors Walter Kälin als Vertreter des Generalsekretärs für die Menschenrechte intern vertriebener Personen. Im Dialog mit den Regierungen, mit den multilateralen Akteuren und der Zivilgesellschaft, aber auch mit Regionalorganisationen wie der Afrikanischen Union oder dem Europarat bemüht sich der Vertreter des Generalsekretärs, konkrete Wege der Umsetzung dieser Leitprinzipien aufzuzeigen.

Ein weiteres für die Schweiz besonders wichtiges Thema ist die Verantwortung des Privatsektors im Bereich der Menschenrechte. Die Bemühungen, den Privatsektor für Menschenrechtsanliegen zu sensibilisieren, stellen inzwischen einen integralen Bestandteil der schweizerischen Menschenrechtsaussenpolitik dar und bergen grosses Entwicklungspotential.

Eine der bedeutendsten institutionellen Neuerungen, die im Schlussdokument enthalten sind, betrifft den Entscheid, das Budget des Hochkommissariats für
Menschenrechte in Genf zu erhöhen: Die Generalversammlung bekräftigt den Wunsch, das Hochkommissariat für Menschenrechte zu stärken, indem unter anderem die Ressourcen aus dem regulären Budget innerhalb von 5 Jahren verdoppelt werden

5660

sollen. Den mit Abstand wichtigsten im Dokument verankerten Reformschritt stellt jedoch der Beschluss zur Schaffung eines Menschenrechtsrats dar.

2.2.3.2

Der Menschenrechtsrat

Der Beschluss zur Schaffung eines Menschenrechtsrats, der die Menschenrechtskommission ersetzt, ist die bedeutsamste UNO-Reform im Menschenrechtsbereich.

Nach rund sechzigjährigem Bestehen der Menschenrechtskommission war es zweifellos Zeit für eine Erneuerung. Angesichts der Anstrengungen der UNO in jüngster Zeit, die Förderung und den Schutz der Menschenrechte zu verbessern, mussten sowohl die institutionelle Stellung der Kommission als auch ihre Funktionsweise und ihre Fähigkeit überprüft werden, wirksamer und mit Objektivität gegen schwere Menschenrechtsverletzungen vorzugehen. Deshalb hatte die Schweiz die Schaffung eines Menschenrechtsrats angeregt, der die Mängel der Kommission beheben sollte.

Die Vorsteherin des EDA hatte bereits im März 2004 vor der Kommission eine solche tiefgreifende Reform vorgeschlagen. Im Vorfeld der Gründung des Menschenrechtsrats hat sich die Schweiz stark engagiert. Sie nutzte alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel der bilateralen und multilateralen Diplomatie, um umfangreiche Überzeugungsarbeit für diese Idee zu leisten. Insbesondere organisierte sie mehrere Seminare, an denen Vertreterinnen und Vertreter zahlreicher Staaten teilnahmen und deren Ziel es war, zu einem Konsens über die Arbeitsweise und die Modalitäten des künftigen Rates zu gelangen. Zudem hat sich die Schweiz während der Verhandlungen aktiv für das Zustandekommen von allseits akzeptierten Lösungen eingesetzt. Sowohl der Bundespräsident als auch die Vorsteherin des EDA machten die UNO-Reformen und insbesondere die Schaffung des Menschenrechtsrats in ihren Ansprachen und in ihren Gesprächen mit Amtskollegen anlässlich des M+5-Gipfels und der allgemeinen Debatte der 60. Generalversammlung zu einer Priorität.

Nachdem sich die Staats- und Regierungschefs am M+5-Gipfel im September 2005 grundsätzlich auf die Schaffung eines Menschenrechtsrates geeinigt hatten, war es Aufgabe der Generalversammlung, diesen Rat durch Annahme einer Resolution formell einzusetzen und seinen institutionellen Rahmen konkret festzulegen. Nach mehrmonatigen Debatten sowie langwierigen und eingehenden Verhandlungen nahmen die Mitgliedstaaten am 15. März 2006 mit 170 Ja-Stimmen, 4 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen die Resolution A/RES/60/251 an, mit der ein Menschenrechtsrat mit Sitz in Genf geschaffen wurde. Diesem Rat gehören
47 Mitglieder an, die erstmals im Mai 2006 für drei Jahre gewählt wurden und sich einmal zur Wiederwahl stellen dürfen. Der Rat wird mindestens zehn Wochen pro Jahr tagen und hat die Aufgabe, die Förderung und den Schutz der Menschenrechte zu verbessern.

Er bietet auch ein Forum für Gespräche, die zum Ausbau der internationalen Zusammenarbeit beitragen sollen. Er kann jederzeit schwere Menschenrechtsverletzungen behandeln und erforderlichenfalls auch zu Sondertagungen zusammentreten.

Der Rat verfügt zudem über einen innovativen Mechanismus zur regelmässigen universellen Überprüfung der UNO-Mitgliedstaaten. Er wird alle Aufgaben und Funktionen der Menschenrechtskommission übernehmen. Im ersten Jahr seines Bestehens wird er, nach einer Überprüfung aller Mandate und Funktionen der ehemaligen Menschenrechtskommission, seine Verfahrensregeln und Arbeitsmethoden festlegen.

5661

Der Bundesrat begrüsst die Schaffung dieses neuen Organs der UNO. Er stellt mit Befriedigung fest, dass für die Förderung der Menschenrechte nunmehr ein starkes Instrument zur Verfügung steht, das Ausdruck des Willens der Staaten ist, die Grundrechte zu gewährleisten, zu deren Achtung sie sich verpflichtet haben. Der Bundesrat begrüsst des Weiteren, dass Genf als Sitz des Menschenrechtsrats bestätigt wurde. Dies fördert den Ruf der Stadt als internationales Zentrum der Menschenrechte und setzt die Dynamik fort, die seit 1947 von der Menschenrechtskommission entwickelt worden war. Als Gaststaat wird die Schweiz alles in ihren Kräften Stehende tun, um dem neuen und für die UNO höchst wichtigen Organ den Start und die Arbeit zu erleichtern.

Die Schweiz hat als logische Konsequenz ihrer vorherigen Kandidatur für die Menschenrechtskommission und im Willen, das Engagement, das sie während der Entstehungsphase des Rates gezeigt hatte, fortzusetzen, ihre Kandidatur für den Menschenrechtsrat eingereicht. Nach einer sehr aktiven Kampagne wurde die Schweiz am 9. Mai 2006 für drei Jahre in den neuen Rat gewählt17. Dies gibt unserem Land die Möglichkeit, sein Engagement bei der Einrichtung dieses neuen Organs fortzuführen. Die ersten Sitzungen des Menschenrechtsrates werden entscheidend dafür sein, sein effizientes Funktionieren zu sichern, seine Arbeitsmethoden, einschliesslich der Frage des Einbezugs der NGOs, zu definieren, und vor allem die Themen auf seiner Agenda und sein Arbeitsprogramm festzulegen.

Die Schaffung des Menschenrechtsrates mit Sitz in Genf und die Wahl der Schweiz in dieses neue Organ ist einer der wichtigsten Erfolge unseres Landes seit dem Beitritt zur UNO.

2.2.4

Stärkung der Vereinten Nationen

Der fünfte Teil des Schlussdokuments des M+5-Gipfels befasst sich mit der institutionellen Stärkung der UNO. Die Mitgliedstaaten werden aufgerufen, die Strukturen und die Funktionsweise der Organisation den neuen Gegebenheiten anzupassen. Das Dokument unterstreicht auch die Notwendigkeit eines effizienten und verantwortungsbewussten Sekretariats. In diesem Abschnitt wird ein Überblick über die aktuellen Entwicklungen in diesem Bereich gegeben.

2.2.4.1

Generalversammlung

Die Generalversammlung steht in ihrer Eigenschaft als wichtigstes und weltweit repräsentatives Organ der UNO seit mehreren Jahren im Zentrum eines Revitalisierungsprozesses. Durch die Vereinfachung ihrer Arbeit und die konsequentere Umsetzung ihrer Resolutionen soll ihre Effizienz erhöht und damit ihre Rolle gestärkt werden. Im September 2005 nahm die Generalversammlung eine entsprechende Resolution an. Die Beziehungen zu den anderen Organen der UNO und vor allem zum Sicherheitsrat sollen ausgebaut werden. Die Befugnisse und der Ermes17

Um eine Erneuerung en bloc aller Ratsmitglieder in drei Jahren zu verhindern, hat eine Auslosung unter den gewählten Mitgliedern entschieden, welche Länder für ein, zwei oder für die gesamten drei Jahre im Rat Einsitz nehmen können. Die Mitglieder des Rates wurden so jeweils zu einem Drittel auf die entsprechenden Kategorien aufgeteilt.

5662

senspielraum des Versammlungspräsidenten bei der Organisation der Beratungen sollen künftig erweitert werden. Des Weiteren wurde eine allen Mitgliedstaaten offen stehende Arbeitsgruppe eingesetzt, die Verbesserungen bei der Tagesordnung und den Arbeitsmethoden der Generalversammlung vorschlagen soll. Es bleibt zu hoffen, dass es aufgrund der allgemeinen Reform der UNO künftig einfacher sein wird, die in den letzten Jahren nur schleppend vorankommende Revitalisierung dieses Organs zu beschleunigen. Im Schlussdokument des M+5-Gipfels wird das Engagement der Mitgliedstaaten für eine rasche Revitalisierung bekräftigt.

2.2.4.2

Sicherheitsrat

Die Aufmerksamkeit der Mitgliedstaaten und der Medien gilt in erster Linie der Erweiterung des Sicherheitsrats. Es besteht allseits Übereinstimmung darüber, dass die Zusammensetzung des Sicherheitsrats den gegenwärtigen geopolitischen Realitäten nicht mehr entspricht. Eine Reform wird jedoch schwierig sein, da sie eine Änderung der Charta erfordert und diese der Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der Mitgliedstaaten sowie aller ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats bedarf. Mehrere Modelle stehen zur Diskussion: Deutschland, Brasilien, Indien, Japan und eine Reihe afrikanischer Staaten wünschen eine Erweiterung der beiden bestehenden Kategorien, also die Schaffung neuer ständiger und nichtständiger Sitze. Andere Länder fordern, dass neu geschaffene Sitze durch Wahlen besetzt und mit einer längeren Amtszeit ausgestattet werden und dass die betreffenden Länder sich unmittelbar nach Ablauf der Amtszeit zur Wiederwahl stellen können. Vor, während und nach dem M+5-Gipfel gab es intensive Bemühungen um einen Konsens oder zumindest eine deutliche Unterstützung für eine der vorgeschlagenen Optionen. Der Generalversammlung liegen Resolutionsentwürfe zu den verschiedenen Modellen vor, doch bislang kam es nicht zu einer Abstimmung. Da die Mitgliedschaft im Sicherheitsrat mit hohem Prestige verbunden ist und da sich in den vergangenen Monaten ausgeprägte regionale Rivalitäten entwickelt haben, ist kaum zu erwarten, dass in der Frage der Erweiterung des Sicherheitsrats bald eine Einigung erzielt wird.

Besonders engagiert setzte sich die Schweiz für einen anderen Aspekt der Reform des Sicherheitsrats ein, nämlich für die Anpassung seiner Arbeitsmethoden. Im Schlussdokument des M+5-Gipfels anerkannten die Mitgliedstaaten diesen Aspekt der Reform des Sicherheitsrats18 ausdrücklich. Tatsächlich bietet sich den meisten Mitgliedstaaten höchst selten die Möglichkeit, einen Sitz im Sicherheitsrat einzunehmen, nämlich nur dann, wenn sie für eine zweijährige Amtszeit zum nichtständigen Mitglied gewählt werden. Es ist jedoch Aufgabe aller UNO-Mitglieder, an der Umsetzung der Beschlüsse des Sicherheitsrats, namentlich im Bereich der Sanktionen und der Friedenseinsätze, teilzunehmen. Eine grosse Anzahl von Staaten möchten darum die Zusammenarbeit zwischen dem Sicherheitsrat und der Gesamtheit der UNO-Mitgliedsstaaten verbessern.

18

Absatz 154 des Schlussdokuments des M+5-Gipfels 2005.

5663

Die Schweiz hat zusammen mit mehreren Partnern eine Reihe konkreter Vorschläge zur Lösung einiger seit Jahren anerkannter Probleme ausgearbeitet. Am 17. März 2006 wurde der Generalversammlung ein Resolutionsentwurf unterbreitet, der diese Vorschläge aufgreift19. Sie zielen im Wesentlichen darauf ab, ­

Entscheidungsprozesse transparenter zu machen;

­

Mitgliedstaaten, die nicht im Sicherheitsrat vertreten sind, mehr Möglichkeiten zu bieten, im Sicherheitsrat mitzuarbeiten;

­

die Konsultationen zwischen dem Sicherheitsrat, den truppenstellenden Mitgliedstaaten, den interessierten Nachbarstaaten und den regionalen Organisationen zu intensivieren;

­

die bei der Umsetzung der Beschlüsse des Sicherheitsrats gewonnenen Erfahrungen besser zu nutzen;

­

den Gebrauch des Vetorechts in Fällen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schweren Verstössen gegen das humanitäre Völkerrecht für unzulässig zu erklären;

­

einen geeigneten Mechanismus zu schaffen, damit Personen, die ihrer Meinung nach zu Unrecht mit Sanktionen belegt wurden, ihren Standpunkt darlegen und ihre Rechte besser wahrnehmen können.

Was den letzten Aspekt betrifft, so arbeiten Schweden, Deutschland und die Schweiz seit mehreren Jahren bei der Feinabstimmung von Sanktionen partnerschaftlich zusammen (Prozesse von Interlaken, Bonn-Berlin und Stockholm). In diesem Rahmen lancierten sie eine Dreiländerinitiative zur Verbesserung der bestehenden Verfahren für die Aufnahme bzw. Streichung von Namen auf Listen von Personen und Einrichtungen, gegen die Sanktionen verhängt wurden. Ein weiteres Ziel dieser Initiative ist es, den betroffenen Einzelpersonen und Einrichtungen direkteren Zugang zu den vom Sicherheitsrat eingesetzten Sanktionsausschüssen zu verschaffen20.

2.2.4.3

Wirtschafts- und Sozialrat

Der Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) ist das Hauptorgan für die Koordinierung der wirtschaftlichen und sozialen Aktivitäten der UNO. In dieser Eigenschaft stellt er ein hochrangiges Forum dar, das für die Umsetzung und Begleitung der Beschlüsse der grossen Konferenzen und Gipfeltreffen zuständig ist. Im Laufe der Zeit setzten sich mehrere ECOSOC-Präsidenten für Reformen ein, die bestimmte Schwächen des Organs beheben sollten. Darunter etwa die Tatsache, dass der ECOSOC aufgrund der grossen Zahl seiner Mitglieder und ihrer Heterogenität Schwierigkeiten hat, wirksame Massnahmen zu ergreifen, und dass er für seine Beratungen nicht genügend hochrangige Persönlichkeiten mobilisieren kann. Deshalb beschlossen die Mitgliedstaaten anlässlich des M+5-Gipfels eine Reihe von Reformen, welche die Wirksamkeit des ECOSOC als Organ für die Koordination der Politiküberprüfung, des Politikdialogs und der Ausarbeitung von Empfehlungen 19 20

UNO, Dok. A/60/L.49.

Siehe Antwort des Bundesrats auf die Interpellation von Nationalrat Dick Marty vom 7. Oktober 2005 (05.3697).

5664

zu Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung sowie für die Umsetzung der internationalen Entwicklungsziele fördern sollen.

Der Präsident der Generalversammlung beschloss im Rahmen der Umsetzung der Gipfelempfehlungen, die ECOSOC-Reform mit den thematischen Beschlüssen im Bereich der Entwicklung zu kombinieren. Dazu liegen zwei Resolutionsentwürfe vor. Die Resolution zum ECOSOC regt eine Neugestaltung des internen Dialogs über die Aufgaben des ECOSOC an und schlägt Folgendes vor: Förderung eines hochrangigen globalen Dialogs; alle zwei Jahre Durchführung eines hochrangigen Entwicklungsforums; jährliche Überprüfung der Umsetzung der internationalen Entwicklungsziele auf Ministerebene; Ad-hoc-Tagungen in Krisensituationen. Diese Resolution zum ECOSOC ist in der Generalversammlung noch immer im Beratungsstadium. Die Schweiz wird insbesondere dafür Sorge tragen, dass die Arbeitstagung des ECOSOC im Juli jeden Jahres auch weiterhin abwechslungsweise in New York und Genf stattfindet und dass sich die Rollen der Generalversammlung, der ECOSOC und der Exekutivräte und Verwaltungsräte der UNO-Fonds und -Programme auch künftig gegenseitig ergänzen.

2.2.4.4

Sekretariats- und Verwaltungsreform

Ein leistungsfähiges und wirksames Sekretariat ist für die Tätigkeit der UNO unabdingbar und zugleich Voraussetzung, um Reformbemühungen zielgerichtet und erfolgreich durchzusetzen. So wie sich die operativen Bedürfnisse der UNO in den letzten Jahren stark gewandelt haben, muss sich auch das Sekretariat mit seinen Managementstrukturen und -prozessen den neuen Gegebenheiten anpassen. Zum einen sollen die Mitgliedstaaten den Generalsekretär und seine Führungskräfte mit dem notwendigen Handlungsspielraum in Form finanzieller Mittel und Befugnisse ausstatten, damit diese die Organisation flexibler lenken können. Zum andern sollen die Mitgliedstaaten über effiziente Aufsichtsinstrumente verfügen, die es ihnen ermöglichen, den Generalsekretär und sein Management für die gewählte Strategie und Führung wirksam zur Verantwortung zu ziehen.

Die Affäre um das Programm «Öl für Lebensmittel» hat deutlich gemacht, dass die UNO und ihre internen Aufsichtsmechanismen reformiert werden müssen. Der vom Generalsekretär eingesetzte unabhängige Untersuchungsausschuss, der seine Arbeit im Herbst 2005 abschloss, deckte gravierende Mängel in der Verwaltung des Programms «Öl für Lebensmittel» sowie einige Korruptionsfälle auf. Der Ausschuss betonte jedoch, dass die Verantwortung für diese Affäre auf viele Akteure verteilt sei. Er kritisierte den Generalsekretär, der die Verwaltung des Programms nicht genügend kontrolliert habe, den Sicherheitsrat, der bei der Definition und der Beaufsichtigung des Programms seiner Verantwortung nicht gerecht geworden sei, und schliesslich einzelne Personen und Privatfirmen, die rechtswidrig Provisionen angenommen hätten. In diesem Zusammenhang sei allerdings auch an die humanitären Ziele des Programms, an seinen Umfang (103 Mrd. USD) und an die Tatsache erinnert, dass mit dem Programm die Abrüstungskontrolle in Irak finanziert werden konnte.

Die Ermittlungen in Sachen «Öl für Lebensmittel» haben den Umfang interner Missstände aufgedeckt und damit die Bemühungen der UNO-Mitgliedstaaten erleichtert, Massnahmen für eine effizientere Verwaltung der Organisation und zur Stärkung der internen Aufsichtsorgane zu beschliessen. Im Dezember 2005 gelang 5665

es der Generalversammlung, ein erstes Paket der von den Staats- und Regierungschefs in der Gipfelerklärung angekündigten Reformmassnahmen zu verabschieden.

Dieses umfasst die Schaffung eines Ethikbüros sowie die Stärkung des gesamten Aufsichtswesens mittels einer unabhängigen externen Überprüfung der bestehenden Aufsichtsdienste. Weiter soll ein neu geschaffenes Expertengremium die Aktivitäten im Aufsichtswesen fachlich überwachen und gegebenenfalls dem Generalsekretär und den Mitgliedstaaten beratend zur Seite stehen. Damit wurde dem Ruf nach effizienteren Aufsichtsinstrumenten weitgehend gefolgt.

Verschiedene wichtige Beitragszahler, allen voran die USA und Japan, haben Fortschritte bei der Umsetzung der Reformmassnahmen zur Bedingung für die Verabschiedung des UNO-Budgets 2006/2007 gemacht. Diese bewusste Verknüpfung führte die Organisation an den Rand einer Finanzkrise. Schliesslich liess sich nach langwierigen Verhandlungen in letzter Minute ein Kompromiss finden, der die Verabschiedung eines kombinierten Budget-/Reformpakets ermöglichte: Das beschlossene Zweijahresbudget in Höhe von 3,8 Milliarden US-Dollar wird an einen Ausgabenplafond von 950 Millionen US-Dollar gekoppelt, was in etwa den Ausgaben der UNO für 6 Monate entspricht. Für die Freigabe des restlichen Budgets bedarf es eines erneuten Entscheids der Generalversammlung. Bis dahin sollten die Verhandlungen zum zweiten, weit kontroverseren Reformpaket vor dem Abschluss stehen; namentlich sind dies die Überprüfung obsoleter Mandate sowie die Reform aller Haushalts- und Personalvorschriften, nach denen die Organisation operiert.

Die Schweiz misst der Sekretariats- und Managementreform der UNO eine grosse Bedeutung zu. Sie wird sich weiterhin aktiv dafür einsetzen, dass Effizienz, Wirksamkeit, Verantwortlichkeit und Rechenschaftspflicht des UNO-Sekretariats mittels einer zügigen Umsetzung der im Rahmen des Weltgipfels skizzierten Reformmassnahmen verbessert werden. Dabei gilt es, ein Gleichgewicht zu finden zwischen ihrer Rolle als bedeutendes Geberland einerseits, das sich aktiv für eine effizientere und revitalisierte UNO einsetzt und dabei auch einen vernünftigen Finanzdruck ausübt, sowie den Sensibilitäten der Mehrheit der Staaten und unseren spezifischen Interessen als Gaststaat andererseits.

Als wichtige Beitragszahlerin und
Gaststaat engagiert sich die Schweiz bereits seit Jahren aktiv für eine Stärkung der Prüfungs- und Aufsichtsdienste. Im Rahmen der Genfer Gruppe, welche die 15 grössten Beitragszahler des UNO-Systems umfasst, trug die Schweiz wesentlich dazu bei, dass die UNO-Sonderorganisationen neben den bereits bewährten externen Aufsichtsbehörden (Rechnungsprüfer) interne Aufsichtsdienste aufbauten. Diese unterstützen sowohl das Management in seiner Führungsfunktion wie auch die Mitgliedstaaten in ihrer Überwachungsfunktion, so dass die der Organisation zur Verfügung stehenden finanziellen und personellen Ressourcen effizienter genutzt und damit Ziele und Grundsätze besser eingehalten werden können. Hierzu bedarf es eines Fachwissens, das einigen Sonderorganisationen fehlt. Die Schweiz lancierte daher zusammen mit Deutschland den Vorschlag, die Prüfungs- und Aufsichtsdienste kleinerer Sonderorganisationen dem Büro für interne Kontrollen der UNO anzuvertrauen. Im Rahmen der zurzeit laufenden unabhängigen Überprüfung der bestehenden internen und externen Aufsichtsdienste wird die Machbarkeit dieses Vorschlags eingehender untersucht.

In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) seit vielen Jahren bei einer Reihe vorwiegend in der Schweiz ansässiger internationaler Organisationen das Amt der externen Rechnungsprüferin ausübt. Die 5666

kompetente Arbeit der EFK wird von den internationalen Organisationen und ihren Mitgliedstaaten geschätzt, und dies wirkt sich ­ trotz des besonderen Status der EFK als bundesunabhängiges Organ für Finanzaufsicht ­ positiv auf das Image der Schweiz und ihres Engagements in den betreffenden Organisationen aus.

2.3

Die Schweiz und die Ergebnisse des Gipfels

Nach bald vier Jahren UNO-Mitgliedschaft hat sich die Schweiz als Akteurin etabliert, die sich engagiert und konstruktiv für den Multilateralismus und die Suche nach konkreten Lösungen im Rahmen der UNO einsetzt. Bei seinem offiziellen Arbeitsbesuch am 7. Oktober 2005 in Bern betonte UNO-Generalsekretär Kofi Annan die Bedeutung des Schweizer Engagements in der UNO und sagte, unser Land spiele in der Organisation eine wichtigere Rolle, als es seine Grösse vermuten lasse. Die Ideen und Initiativen der Schweiz werden im Allgemeinen begrüsst. In der Reformdebatte ist die Schweiz vor allem in den Bereichen tätig, denen der Bundesrat Priorität beimisst ­ Menschenrechte, Arbeitsmethoden des Sicherheitsrats, Friedenssicherung, Verwaltung der Organisation, Entwicklung und Kohärenz des operationellen Systems ­, und zählt zu den aktivsten und profiliertesten Mitgliedstaaten.

So war unser Land beispielsweise eine der treibenden Kräfte im Prozess, der zur Schaffung des Menschenrechtsrates mit Sitz in Genf führte. In Bereichen wie der nachhaltigen Entwicklung versteht sich die Schweiz als Brückenbauerin zwischen Nord und Süd, und dies fand konkreten Niederschlag darin, dass sie mit dem Mandat eines Moderators der UNO-Umweltaktivitäten betraut wurde. Als einer der grossen Beitragszahler setzt sich die Schweiz an der Seite anderer wichtiger Geberländer dafür ein, dass die Organisation verantwortungsbewusst und effizient geführt wird.

Mit ihrer Initiative zur Verbesserung der Arbeitsmethoden des Sicherheitsrats beteiligte sich die Schweiz aktiv an einem Prozess, der umfangreiche Überzeugungsarbeit erforderlich machte. Es ist der Schweiz gelungen, ihre Beweggründe mehreren wichtigen Ländern ­ u.a. den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats und Staaten, die im Rahmen der Erweiterung des Sicherheitsrats einen ständigen Sitz anstreben ­ verständlich zu machen.

Unser Land hat im Rahmen der UNO eine Art «Schweizer Modell» für Initiativen entwickelt, das darin besteht, konkrete Lösungsansätze vorzuschlagen, sie innerhalb einer Staatengruppe zu fördern und sie in die Arbeiten des zuständigen UNO-Organs einzubringen. Das Modell hat sich bewährt, doch es hat auch seine Grenzen. Die Reformdebatte zeigte, dass ein Staat von der Grösse der Schweiz, der weder einer wichtigen Gruppierung noch einem grossen Bündnis angehört,
in der kreativen Phase eines multilateralen Prozesses zwar über erheblichen Handlungsspielraum verfügt. In der Schlussphase des Prozesses, wenn die grossen Akteure in den Verhandlungen den Ton angeben, geht aber sein Einfluss deutlich zurück. Deshalb muss sich die Schweiz ständig anpassen und versuchen, in wechselnden Konstellationen gleichgesinnter Staaten (in der Regel sind dies Mitglieder der Europäischen Union, die Gruppe Kanada/Australien/Neuseeland oder gemässigte Länder Lateinamerikas, Asiens und Afrikas) Einfluss zu gewinnen, um Prozesse anzustossen und Ideen zu entwickeln.

5667

3

Schwerpunkte und Herausforderungen der Gaststaatpolitik der Schweiz

Die Gaststaatpolitik für internationale Organisationen und Konferenzen ist ein wichtiges Instrument der Schweizer Aussenpolitik und eines der charakteristischen Merkmale unseres Landes. Sie beruht auf einer langen Tradition und trägt zum Schutz und zur Förderung unserer Interessen bei.

In Genf, Basel und Bern haben zahlreiche internationale Organisationen ihren Sitz.

22 der insgesamt 25 internationalen Organisationen, mit denen die Schweiz ein Sitzabkommen geschlossen hat, sind in Genf ansässig, und mehr als 150 Staaten unterhalten hier eine Vertretung. Mit dem europäischen Hauptsitz der UNO ist Genf neben New York eines der beiden grossen Zentren der internationalen Zusammenarbeit. Aus diesem Grund spricht man vom «internationalen Genf».

Politisch gesehen bietet das internationale Genf der Schweiz Gelegenheit, in einem Umfang Einfluss zu nehmen, der in keinem Verhältnis zum objektiven Gewicht des Landes in den internationalen Beziehungen steht. Es trägt damit zur Verwirklichung der aussenpolitischen Ziele der Schweiz bei. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht hat die Präsenz zahlreicher zwischenstaatlicher und nichtstaatlicher Organisationen (NGO) positive Auswirkungen. Sowohl die politischen als auch die wirtschaftlichen Interessen der Schweiz rechtfertigen den Einsatz des Bundes für eine aktive Gaststaatpolitik im Dienste der internationalen Organisationen und Konferenzen.

Angesichts der starken internationalen Konkurrenz kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Rolle Genfs als Zentrum internationaler Zusammenarbeit ein für alle Mal gesichert ist. Deshalb spricht alles für ein anhaltendes Engagement der Behörden ­ insbesondere des Bundes ­ für diese wichtige Plattform der Schweizer Aussenpolitik.

Die Gaststaatpolitik unseres Landes in der vom Bundesrat beschlossenen Form konzentriert sich auf bestimmte Sachgebiete, in denen Synergien zwischen den betroffenen Akteuren gefördert werden mit dem Ziel, die Attraktivität des Standorts Schweiz weiter zu erhöhen. Genf bietet besonders gute Voraussetzungen in den folgenden Themenbereichen: Frieden, Sicherheit und Abrüstung; humanitäre Fragen und Menschenrechte; Gesundheit; Arbeit, Wirtschaft, Handel und Wissenschaft; nachhaltige Entwicklung und Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.

Beispielsweise verfügt Genf aus historischen Gründen, die
bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen, im Vergleich zu anderen Städten über einen Vorteil im humanitären Bereich, namentlich aufgrund seiner Rolle in der Entwicklung des humanitären Völkerrechts. In Genf haben das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) und das Amt des Hohen Kommissars für Menschenrechte (UNHCHR) ihren Sitz. Die Menschenrechtskommission tagte hier, und auch ihr Nachfolger, der Menschenrechtsrat, wird in Genf zusammentreten.

Der Erfolg einer Stadt im Konkurrenzkampf um die Gastgeberrolle für internationale Aktivitäten hängt von den Rahmenbedingungen ab, die sie anbieten kann. Diese Rahmenbedingungen sind sowohl materieller Art (Infrastruktur, Sicherheit) als auch immaterieller Art (unter anderem das akademische Umfeld).

5668

3.1

Materielle Rahmenbedingungen

Die Schweiz bemüht sich, den hier ansässigen internationalen Organisationen ein umfangreiches Angebot an Bürogebäuden zur Verfügung zu stellen und allenfalls auch innovative Lösungen zu finden. Im Grossraum Genf ist hierfür vor allem die Immobilienstiftung für die internationalen Organisationen (FIPOI) zuständig.

3.1.1

Infrastruktur

3.1.1.1

Immobilienprojekte

Zur Unterstützung bei der Beschaffung von Lokalitäten steht den internationalen Organisationen in Genf die Immobilienstiftung für die internationalen Organisationen zur Seite. Die FIPOI ist eine Stiftung des schweizerischen Privatrechts, die 1964 vom Bund und vom Kanton Genf gegründet wurde. Ihr Mandat besteht darin, internationalen Organisationen sowie ausnahmsweise auch NGOs ein attraktives Raumangebot zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zweck kann der Bund der FIPOI zinslose, innert 50 Jahren rückzahlbare Darlehen gewähren, womit die FIPOI ihrerseits den internationalen Organisationen den Kauf, den Bau oder die Umnutzung von Gebäuden ermöglicht.

Die Wiedereröffnung des Internationalen Konferenzzentrums Genf (CICG), das der FIPOI gehört, war das herausragende Ereignis des Jahres 2005. Nach einjähriger Schliessung wegen umfangreicher Renovierungsarbeiten wurde das Zentrum am 6. Oktober 2005 neu eröffnet. Es entspricht nun den neusten Anforderungen und kann seine Funktion als wichtiges Instrument der Schweizer Gaststaatpolitik wieder in vollem Umfang wahrnehmen.

Des Weiteren sei hingewiesen auf drei mit zinslosen FIPOI-Darlehen finanzierte Bauvorhaben, die in Kürze begonnen bzw. fertiggestellt werden sollen.

Erstens wird für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein neues Gebäude erstellt, das zusätzlichen Büroraum bietet und in dem das Gemeinsame Programm der Vereinten Nationen für HIV/Aids (UNAIDS) untergebracht werden soll. Dieses Projekt dient der Stärkung des Gesundheitsbereichs im internationalen Genf. Die Bauarbeiten werden mit einem zinslosen Darlehen von höchstens 59,8 Millionen Franken finanziert und sollen 2006 abgeschlossen werden.

Zweitens ist für die WTO ein zusätzliches Bürogebäude geplant. Im November 2005 verabschiedete der Bundesrat eine Botschaft, in der er den eidgenössischen Räten beantragte, der FIPOI für dieses Projekt ein zinsloses Darlehen in der Höhe von maximal 60 Millionen Franken zu gewähren. Das Parlament wird 2006 darüber entscheiden; es wird über die weiteren Entwicklungen in diesem Dossier laufend informiert.

Drittens ist eine bauliche Erweiterung des Sitzes der Internationalen Union zur Erhaltung der Natur und der natürlichen Lebensräume (UICN) in Gland VD vorgesehen. Die UICN ist eine quasi-zwischenstaatliche Organisation, in der die Schweiz Mitglied ist und
mit der sie ein Steuerabkommen abgeschlossen hat. Dieses Bauvorhaben ist das erste Projekt der FIPOI ausserhalb des Kantons Genf. Bislang wurde ein Darlehen von 2 Millionen Franken für die Finanzierung des Vorprojekts gewährt; das Projekt selbst ist noch in Vorbereitung.

5669

3.1.1.2

Innovative Lösungen

Ebenso wie in vielen anderen Bereichen beschleunigt sich die Entwicklung auch im Bereich der internationalen Beziehungen. Wenn zusätzlicher Raumbedarf entsteht ­ etwa durch die Schaffung einer neuen internationalen Organisation ­, ist eine möglichst umgehende Reaktion erforderlich. Will die Schweiz angesichts der Konkurrenz ihre Wettbewerbsfähigkeit als Tagungsort für internationale Konferenzen erhalten, dann muss sie in der Lage sein, flexibel auf diesen Bedarf einzugehen.

Deutlich wird dies zum Beispiel am Fall des Menschenrechtsrats, dessen Schaffung am 15. März 2006 von der Generalversammlung beschlossen wurde. Der Bundesrat war sehr daran interessiert, diesen Rat nach Genf zu holen, wo bereits das Hochkommissariat für Menschenrechte seinen Sitz hat und die Menschenrechtskommission zu ihren Tagungen zusammentrat. Aus diesem Grund hat er dafür gesorgt, dass die Schweiz ein attraktives Immobilienangebot unterbreiten konnte. Hierbei berücksichtigte er, dass rund 35 UNO-Mitgliedstaaten, die zu den am wenigsten entwickelten Ländern gehören, in Genf nicht über eine Mission oder eine andere Art von ständiger Vertretung verfügen. Die Mitarbeit solcher Staaten im Menschenrechtsrat wäre für sie mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden. Um dieses Problem zu lösen, wird die Schweiz den betreffenden Staaten Büros zur Verfügung stellen, damit sie uneingeschränkt an den Arbeiten des künftigen Rates teilnehmen können.

3.1.1.3

Regionale Perspektive

Mit einer «internationalen Gemeinschaft» von mehr als 35 000 Personen hat das internationale Genf eine regionale Dimension, die über die Kantonsgrenzen hinausreicht.

Im Kanton Waadt befinden sich neben der UICN in Gland auch der Sitz des Internationalen Olympischen Komitees sowie die Zentralen von rund 30 weiteren internationalen Sportverbänden und anderen bedeutenden NGOs. Der Kanton Waadt sollte die Möglichkeit erhalten, über jene Einzelfälle hinaus, in denen die FIPOI sich schon jetzt an Projekten in der Waadt beteiligen kann, bei der weiteren Entwicklung des internationalen Genf mitzuwirken. Zurzeit laufen daher Abklärungen betreffend eine mögliche Einsitznahme des Kantons Waadt im Stiftungsrat der FIPOI, an der Seite der zwei ursprünglichen Partner: des Bundes und des Kantons Genf. Ein spezielles Augenmerk wird dabei unter anderem auf die finanziellen und institutionellen Auswirkungen eines solchen Schritts gerichtet.

Einige der Rahmenbedingungen für das internationale Genf ­ u.a. Verkehrs- und Wohnungsfragen ­ hängen im Übrigen auch von den benachbarten französischen Départements ab. Die entsprechenden Fragen werden regelmässig von verschiedenen Gremien auf bilateraler Ebene erörtert. Die Beziehungen zu Frankreich werden im Zuge der Weiterentwicklung des internationalen Genf weiter intensiviert.

5670

3.1.2

Sicherheit

Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA und dem Attentat auf das UNO-Hauptquartier in Bagdad im August 2003 stellen Sicherheitsfragen für alle internationalen Organisationen ein sehr wichtiges Thema dar. Der Bundesrat erinnerte in seinem UNO-Bericht 2005 daran, dass Staaten völkerrechtlich verpflichtet sind, den Schutz der auf ihrem Territorium niedergelassenen internationalen Organisationen zu gewährleisten.

Konkret hat die Schweiz im Fall der internationalen Organisationen die Pflicht, die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen, um die Umgebung der Gebäude dieser Organisationen zu schützen. Für die Sicherheit in den Gebäuden und auf den dazugehörigen Grundstücken hingegen haben die Organisationen selbst zu sorgen.

Im Laufe des vergangenen Jahres wurden die Massnahmen zum Schutz der Umgebung des Verwaltungsgebäudes Montbrillant (Sitz des UNHCR) und des Palais Wilson (Sitz des UNHCHR) verstärkt, die einer Analyse zufolge Priorität haben müssen. Das Bürogebäude Montbrillant ist Eigentum der FIPOI, das Palais Wilson gehört dem Bund.

Da die Massnahmen bei diesen beiden Gebäuden dringlich waren, wurden die damit verbundenen Kosten ad hoc auf den Bund und den Kanton Genf aufgeteilt. Die Kosten für das Verwaltungsgebäude Montbrillant wurden vom Kanton Genf übernommen, die Kosten für das Palais Wilson vom Bund als Eigentümer des Gebäudes.

Es ist davon auszugehen, dass Sicherheitsanliegen auch in den kommenden Jahren eine grosse Rolle spielen werden. Daher bedarf es einer dauerhaften Regelung für die Verteilung der Kosten von baulichen Sicherheitsmassnahmen, welche die Schweiz als Gaststaat internationaler Organisationen künftig zu leisten hat.

Gespräche zwischen dem Bund und dem Kanton Genf führten im Juni 2005 zu einer technischen Übereinkunft, die im August 2005 vom Genfer Staatsrat und im Januar 2006 vom Bundesrat gebilligt wurde. Sie sieht vor, dass der Bund 65 Prozent und der Kanton Genf 35 Prozent der Kosten der erforderlichen baulichen Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheit übernehmen.

Dieser Verteilschlüssel wird für die Finanzierung von Massnahmen zur Erhöhung des Aussenschutzes nicht nur derjenigen Gebäude gelten, die Eigentum der FIPOI sind, sondern auch der Gebäude, die im Besitz der internationalen Organisationen in Genf sind. Für das «Internationale Haus der Umwelt»
und das «Welthandelszentrum» der UNO-Handels- und Entwicklungskonferenz und der WTO, die beide der FIPOI gehören, hat die UNO bereits Sicherheitsmassnahmen vorgeschlagen. Was die anderen Gebäude betrifft, so prüfen derzeit mehrere internationale Organisationen Präventivmassnahmen zur Verbesserung der Sicherheit ihres Genfer Sitzes.

Einige unter ihnen haben sich informell bereits an die Schweiz gewandt und um die Unterstützung des Bundessicherheitsdienstes bei der Ermittlung ihres Sicherheitsbedarfs ersucht. Es handelt sich hierbei sowohl um Organisationen innerhalb des UNO-Systems als auch um Organisationen, die nicht zum UNO-System gehören, darunter die WTO, zu der die Schweiz in Sicherheitsfragen enge Kontakte unterhält.

5671

3.2

Attraktivität des internationalen Genf

Neben den materiellen Rahmenbedingungen wie Infrastruktur und Sicherheit von Personen und Gütern gibt es eine Reihe von anderen Faktoren, die die Attraktivität Genfs als Gaststadt von internationalen Organisationen und Konferenzen beeinflussen.

Wichtig ist insbesondere, dass der rechtliche Rahmen der Gaststaatpolitik es weiterhin ermöglicht, den verschiedenen Bedürfnissen gerecht zu werden. Im Moment sind die Grundlagen, auf denen die Tätigkeit des Bundes in diesem Bereich beruht, auf verschiedene Gesetze verteilt, was die Übersicht erschwert. Deshalb hat der Bundesrat am 11. Januar 2006 beschlossen, den Entwurf zu einem Gaststaatgesetz in die Vernehmlassung zu geben. Dieses Gesetz regelt die Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen sowie die finanziellen Beiträge, die den internationalen Organisationen und den ausländischen Vertretungen in der Schweiz gewährt werden. Damit kann der Bund eine transparentere, voraussehbare und besser auf die Interessen des Landes ausgerichtete Gaststaatpolitik verfolgen.

Die Erhaltung der hohen Lebensqualität in Genf für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von internationalen Organisationen und ständigen Vertretungen bleibt ebenfalls eine Priorität der Gaststaatpolitik. Bei Befragungen zeigen sich die Mitglieder des diplomatischen Korps im Allgemeinen zufrieden mit ihrem Umfeld in der Schweiz.

Ihre administrative, soziale und kulturelle Integration in Genf wird erleichtert durch Institutionen wie das «Centre d'accueil ­ Genève internationale» (CAGI), das 1996 vom Kanton Genf und vom Bund gemeinsam gegründet wurde. Trotzdem könnte die Situation in den Bereichen Wohnen, Hotel- und Konferenzinfrastruktur, Verkehr und Bildung sowie Förderung von rauchfreien öffentlichen Räumen noch verbessert werden. Die meisten dieser Punkte fallen in den Kompetenzbereich des Kantons oder der Gemeinde, was eine gute Zusammenarbeit zwischen Bund sowie Kanton und Stadt Genf unabdingbar macht. Die Ständige Mission der Schweiz bei den Vereinten Nationen in Genf und ihre Sitzstaatabteilung setzen sich aktiv für die Förderung des Dialogs ein.

Auf technischer Ebene finden täglich Kontakte zwischen den Bundesbehörden und den Genfer Kantonsbehörden statt, die das internationale Genf betreffen. Auf politischer Ebene ermöglichen verschiedene Gremien (insbesondere die Ständige gemischte
Arbeitsgruppe Bund-Kanton Genf über die Prioritäten des internationalen Genf sowie Ad-hoc-Treffen einen regelmässigen inhaltlichen Austausch zur Optimierung der Rahmenbedingungen von Genf als Gastort für internationale Organisationen und Konferenzen.

Für die Attraktivität unseres Landes als wichtiger Gaststaat für internationale Organisationen ist es wesentlich, dass Genf sich als Zentrum der Diplomatie und der Kultur positioniert, als dynamische Stadt, wo Verhandlungen und Ereignisse von grosser Tragweite stattfinden. Deshalb organisierten der Bund sowie der Kanton und die Stadt Genf im Herbst 2005 in Zusammenarbeit mit der UNO und privaten Partnern eine Reihe von Veranstaltungen zum 60-jährigen Bestehen der Vereinten Nationen. Unter anderem fand am 8. Oktober 2005 im Palexpo ein grosses Konzert mit dem Sänger Youssou N'dour und zahlreichen anderen international bekannten Sängerinnen und Sängern statt, an dem die Vorsteherin des EDA und als Überraschungsgast auch der UNO-Generalsekretär teilnahmen. Mit dem Erlös des Konzerts, das unter dem Motto «Gemeinsam gegen die Malaria» stand, konnten 50 000 mit Insektiziden behandelte Moskitonetze gekauft werden. Die Netze, ein 5672

neues Mittel zur Bekämpfung der Malaria, sind Teil der rasch wirksamen Massnahmen, die auf dem Millennium+5-Gipfel beschlossen wurden.

Auf Initiative der Schweiz fand zudem vom 5. bis 7. Dezember 2005 eine diplomatische Konferenz in Genf statt, an der das dritte Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen verabschiedet wurde. Damit sollen die Kontroverse über die anerkannten Schutzzeichen der Genfer Konventionen beendet und der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung die angestrebte Universalität ermöglicht werden.

3.2.1

Akademischer Schwerpunkt für internationale Beziehungen

Um weiterhin attraktiv zu bleiben, muss sich Genf auch als intellektuelles Zentrum behaupten, in dem die Universität einen fruchtbaren Austausch mit den internationalen Organisationen pflegt und so ein Forum für wichtige Debatten über die grossen Zeitfragen bietet. Dabei kommt dem Institut universitaire de hautes études internationales (HEI), dem Institut universitaire d'études du développement (IUED) und den so genannten Genfer Zentren21 eine besondere Rolle zu. Im Bewusstsein um die Stärken, aber auch um die Grenzen dieser wichtigen Partner hat der Bund der Stärkung dieses für den Standort Genf einzigartigen Potenzials zunehmend Aufmerksamkeit geschenkt.

Der Bundesrat ist überzeugt, dass die Präsenz eines erstklassigen akademischen Zentrums ­ insbesondere im Bereich der internationalen Beziehungen ­ ein wichtiges Kriterium für eine internationale Organisation sein kann, sich in Genf niederzulassen.

Um die Zusammenarbeit zwischen der Universität und den internationalen Organisationen auszubauen, haben die Behörden des Bundes und des Kantons Genf, vertreten durch den Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern, Bundesrat Pascal Couchepin, und den Präsidenten des Genfer Erziehungsdepartements, Staatsrat Charles Beer, am 7. April 2005 im Namen von drei eidgenössischen Departementen (EDI, EDA und VBS) und des Genfer Staatsrats eine Absichtserklärung unterzeichnet, laut der in Genf ein akademischer Schwerpunkt für internationale Beziehungen geschaffen werden soll, der seine Tätigkeit am 1. Januar 2008 aufnehmen soll.

Mit dieser Initiative wollen Kanton und Bund sowie die am Projekt beteiligten Partnerinstitutionen ­ Universität Genf, Institut universitaire de hautes études internationales (HEI), Institut universitaire d'études du développement (IUED) ­ ein weltweit führendes Kompetenzzentrum schaffen, das zur internationalen Profilierung Genfs und der Schweiz beitragen soll. Dabei sollen besondere Anstrengungen unternommen werden, um die Qualität von Lehre und Forschung sowie der Dienstleistungen zu fördern, die der akademische Schwerpunkt erbringen soll. Mit der Vernetzung von akademischen und nicht-akademischen Kreisen (in Genf, der Schweiz und weltweit) um dieses Zentrum sollen die Zusammenarbeit und die Qualität der Arbeiten in diesem Bereich gefördert werden.

21

Das internationale Zentrum für humanitäre Minenräumung in Genf (GICHD), das Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP) und das Genfer Zentrum für die demokratische Kontrolle der Streitkräfte (DCAF).

5673

Im Rahmen der Realisierung dieses akademischen Schwerpunkts unterzeichneten Bund, Kanton Genf, HEI, IUED und die Universität Genf am 7. Februar 2005 ein Protokoll zur Umsetzung der Absichtserklärung. Die Stiftungsräte des HEI und des IUED ratifizierten das Protokoll am 3. bzw. 6. März 2005. Gemäss dem Protokoll soll in Genf ein «Institut de hautes études internationales et du développement (HEID)» in Form einer privatrechtlichen Stiftung entstehen, die ihre Tätigkeit am 1. Januar 2008 aufnehmen soll. Das Institut ersetzt das HEI und das IUED, die zu diesem Zeitpunkt aufgelöst werden.

Die neue Institution soll zu einem national und international anerkannten bedeutenden Zentrum für universitäre Lehre und Forschung sowie im Bereich Know-how und Weiterbildung werden. Als treibende Kraft des akademischen Schwerpunkts für internationale Beziehungen muss das Institut über die erforderliche kritische Masse und über die entsprechenden Ressourcen verfügen.

An seiner Sitzung vom 17. Mai 2006 beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Departement des Innern (Federführung), das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten und das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport mit der Umsetzung der Projekte akademischer Schwerpunkt für internationale Beziehungen und Maison de la Paix (Haus für den Frieden) in Genf. Unter Vorbehalt einer definitiven Genehmigung des Projekts werden der für die Umsetzung notwendige Betrag sowie eine substanzielle Erhöhung der Garantiesumme zugunsten der neuen Institution im Rahmen der Botschaft über die Förderung von Bildung, Forschung und Innovation in den Jahren 2008­2011 bereitgestellt. Das neue Institut wird in der Maison de la Paix, die bis 2012 fertiggestellt werden soll, sowie in der Villa Barton und im jetzigen IUED (Rue Rothschild) untergebracht. In der geplanten Maison de la Paix werden übrigens auch die drei Genfer Zentren Platz finden. Die geografische Nähe wird Synergien und eine allgemeine Dynamisierung ermöglichen.

Ein ausgezeichnetes Beispiel für die fruchtbare Zusammenarbeit von Hochschule und internationalen Organisationen ist das Programm «Small Arms Survey». Dieses unabhängige Forschungsprojekt des Institut universitaire de hautes études internationales in Genf wurde 1999 mit der Unterstützung des Bundes und anderer
interessierter Regierungen lanciert.

Der Small Arms Survey veröffentlicht insbesondere ein Jahrbuch, das die weltweite Kleinwaffenproblematik analysiert. Die fünfte Ausgabe des Jahrbuchs «Small Arms Survey 2005: Weapons at War» wurde im Juli 2005 anlässlich der zweijährlichen Tagung der Vereinten Nationen über Kleinwaffen in New York vorgestellt.

Im Jahr 2005 führte der Small Arms Survey die Zusammenarbeit mit dem Institut der Vereinten Nationen für Abrüstungsforschung (UNIDIR) weiter. Er untersuchte die Auswirkungen des Hilfsprogramms der Europäischen Union zur Reduktion von Kleinwaffen in Kambodscha und Liberia. Die Ergebnisse werden im Small Arms Survey 2006 veröffentlicht. Daneben arbeitet er in weiteren Bereichen mit dem UNIDIR zusammen.

Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen beauftragte den Small Arms Survey 2005 mit mehreren Untersuchungen im Bereich der Verbreitung von Kleinwaffen und der bewaffneten Gewalt in verschiedenen Regionen der Welt.

5674

Des Weiteren wurden in Zusammenarbeit mit der Hauptabteilung Abrüstungsfragen Workshops und ein Projekt zur Umsetzung des Aktionsprogramms der Vereinten Nationen über Kleinwaffen und leichte Waffen durchgeführt. Damit führt der Small Arms Survey seine Aufgabe weiter, die Institutionen der UNO objektiv über die Problematik des unerlaubten und erlaubten Handels mit Kleinwaffen zu informieren und die Abrüstungsprogramme der Vereinten Nationen zu analysieren.

3.2.2

Die Genfer Zentren und ihre Zusammenarbeit mit der UNO

Die mit Unterstützung des Bundes eingerichteten drei Genfer Zentren bilden einen der Eckpfeiler des Schweizer Angebots im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden. Durch ihre Aufgaben, ihr Know-how und ihr Zielpublikum bilden sie einen Teil der Sicherheitspolitik der Schweiz. Die Qualität ihres Beitrags wird von zahlreichen Institutionen des internationalen Genf anerkannt, die die Dienste der Zentren regelmässig beanspruchen. Der folgende Überblick über die Zusammenarbeit der Zentren mit der UNO illustriert die durch die Gaststaatpolitik des Bundesrats ermöglichten Synergien.

3.2.2.1

Das Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik

Das Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP) ist eine internationale Stiftung, die 1995 vom Bundesrat errichtet wurde. Es bietet Ausbildungskurse im sicherheitspolitischen Bereich in und ausserhalb von Genf an. Zudem betreibt es Forschung und fördert die Vernetzung von Institutionen sowie Expertinnen und Experten im Bereich der Sicherheitspolitik. Als aktives Mitglied des internationalen Genf arbeitet das GCSP regelmässig mit den Vereinten Nationen zusammen. Das Zentrum ist aufgrund eines Kooperationsabkommens mit dem Büro der Vereinten Nationen in Genf (UNOG) verbunden und hat seine Beziehungen zu mehreren anderen UNOEinrichtungen auf eine formelle Grundlage gestellt.

2005 lancierte das GCSP die UN Dialogue Series, eine Reihe von Treffen, mit denen der Reformprozess der UNO unterstützt werden soll, indem die Arbeit der 2003 von Generalsekretär Kofi Annan gebildeten Hochrangigen Gruppe für Bedrohungen, Herausforderungen und Wandel besser sichtbar gemacht wird.

Mit der Unterstützung des EDA initiierte das GCSP Ende 2005 zudem ein Projekt in Bezug auf die Kommission für Friedenskonsolidierung und das Büro zur Unterstützung der Friedenskonsolidierung des UNO-Generalsekretariats. Damit konnte eine Diskussion über die Implikationen der Tätigkeit der Kommission für Friedenskonsolidierung und des Büros zur Unterstützung der Friedenskonsolidierung für die in diesem Bereich tätigen internationalen Organisationen und NGOs in Genf eröffnet werden.

Ausserdem arbeitet das GCSP im Bereich der Abrüstung und der Nichtweiterverbreitung eng mit dem Institut der Vereinten Nationen für Abrüstungsforschung (UNIDIR) zusammen. Die Mitarbeitenden des UNIDIR werden regelmässig für Kurse im Zentrum beigezogen, während die Dozenten des GCSP häufig zur Teilnahme an Projekten des UNIDIR eingeladen werden.

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Das Zentrum arbeitet zudem im Bereich der Ausbildung mit verschiedenen UNOInstitutionen zusammen, beispielsweise mit der Hauptabteilung Politische Angelegenheiten des Generalsekretariats, dem Ausbildungs- und Forschungsinstitut (UNITAR) oder dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA).

3.2.2.2

Das internationale Zentrum für humanitäre Minenräumung in Genf

Seit fast einem Jahrzehnt betrachtet die Schweiz die Bekämpfung von Personenminen als Priorität. Nach der Ratifizierung des Übereinkommens über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Anti-Personenminen und über deren Vernichtung (Ottawa-Übereinkommen) im Dezember 1997 gründete die Schweiz im April 1998 gemeinsam mit anderen Staaten das internationale Zentrum für humanitäre Minenräumung in Genf (GICHD).

Der Beitrag an das GICHD ist ein wichtiges Element der Strategie des Bundes 2004­2007 zum Personenminen-Engagement der Schweiz. Nachdem die Vertragsstaaten dem Zentrum im September 2001 einen Auftrag zur Umsetzung des OttawaÜbereinkommens erteilt hatten, unterzeichnete der Bundesrat im Februar 2003 zudem ein Sitzabkommen mit dem GICHD. Dieses Abkommen anerkennt das Zentrum als neutrale und unabhängige zwischenstaatliche Organisation, der 18 Regierungen angehören.

Das GICHD unterstützt die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, die Auswirkungen von Minen und Blindgängern zu vermindern. Dabei ist es besonders aktiv im Bereich der Forschung und der operationellen Unterstützung. In enger Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen entwickelt das Zentrum Instrumente wie das Datenbanksystem IMSMA (Information Management System for Mine Action) sowie internationale Normen zur Bekämpfung von Personenminen (International Mine Action Standards IMAS), die für die Menschen in minenverseuchten Ländern überlebenswichtig sind. Der Nutzen dieser Instrumente wurde an einem Treffen des UNO-Sicherheitsrats im November 2003 anerkannt. Andere Produkte ­ z.B. Schulungsunterlagen für Programme zur Aufklärung und Verhinderung von Minenunfällen, die gemeinsam mit dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) entwickelt wurden ­ werden in Zusammenarbeit mit der UNO verteilt.

Schliesslich wurde die Zusammenarbeit mit den verschiedenen UNO-Akteuren, die sich mit der Minenproblematik befassen, durch die Unterzeichnung eines Kooperationsabkommens mit dem UNO-Entwicklungsprogramm im Jahr 2002 und dem Dienst für Antiminenprogramme im Jahr 2004 institutionalisiert. In Genf pflegt das Zentrum insbesondere enge Beziehungen zum UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge, zu der Hauptabteilung Abrüstungsfragen des Generalsekretariats der Vereinten Nationen und zum Internationalen Komitee vom Roten Kreuz.

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3.2.2.3

Das Genfer Zentrum für die demokratische Kontrolle der Streitkräfte

Die UNO beschäftigt sich zunehmend mit der Reform und der guten Führung im Bereich der Sicherheitspolitik, einem Thema, mit dem sich das im Jahre 2000 gegründete Zentrum für die demokratische Kontrolle der Streitkräfte DCAF eingehend befasst.

Es erstaunt deshalb nicht, dass das DCAF seit 2003 zunehmend engere Beziehungen zum Büro der Vereinten Nationen in Genf unterhält. Dieses wird von Generaldirektor Sergej Ordschonikidse geleitet, der auch Mitglied des internationalen Beirats des DCAF ist. Diese Zusammenarbeit äussert sich insbesondere in der alljährlichen Durchführung von hochrangigen Seminaren, an denen ständige Vertreter, Mitglieder des diplomatischen Korps, UNO-Funktionäre und Wissenschaftler teilnehmen, die auf dem Gebiet der Reform und guten Führung im Sicherheitsbereich Forschung betreiben, sowie in der Veröffentlichung der Tagungsbände dieser Seminare. Im Oktober 2005 fand eine wichtige Tagung zum Thema «Sicherheit beim Wiederaufbau nach Konflikten» statt, an der auch mehrere Untergeneralsekretäre der UNO teilnahmen.

Seit 2003 pflegt das DCAF auch einen regelmässigen Informations- und Wissensaustausch mit dem Büro für Krisenprävention und -nachsorge des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) zu Fragen im Bereich der Justiz und der Reform des Sicherheitssektors sowie mit dem Büro für Entwicklungspolitik zur Frage der Stärkung der Befugnisse von Parlamenten.

Im Rahmen dieses Austauschs finanzierte das Büro des UNDP 2005 in Bratislava das vom DCAF vorgeschlagene Projekt «parlamentarische Aufsicht über den Sicherheitssektor». Vom 24. bis 26. Oktober 2005 führte das DCAF in Prag einen dreitägigen Runden Tisch zur parlamentarischen Aufsicht über den Sicherheitssektor durch, an dem Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus der Gemeinschaft unabhängiger Staaten teilnahmen.

Das DCAF arbeitet im Rahmen eines Projekts zur Festlegung neuer Normen für vertrauensbildende Massnahmen auch mit der Hauptabteilung Abrüstungsfragen der UNO zusammen. Dieses Projekt wird vom DCAF im Auftrag der Niederlande, Schwedens und der Schweiz mit Unterstützung der Hauptabteilung Friedenssicherungseinsätze realisiert. Das DCAF hat zudem seine Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für die Frau (UNIFEM), dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) und der Abteilung Frauenförderung der Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten ausgebaut.

3.2.2.4

Das Henri-Dunant-Zentrum für den humanitären Dialog in Genf

Ein weiterer strategischer Partner für die Friedenspolitik der Schweiz ist das im Jahre 1999 gegründete Henri-Dunant-Zentrum für den humanitären Dialog in Genf, das ebenfalls zur Ausstrahlung des internationalen Genf beiträgt.

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Das Zentrum betätigt sich unter anderem in den Bereichen Friedenssicherung, humanitäre Hilfe und Menschenrechte und unterhält zu diesem Zweck regelmässige Kontakte zu den entsprechenden UNO-Institutionen. Das Zentrum unterstützt auch die Forschung in den Bereichen Kontrolle von Kleinwaffen, Schutz der Zivilbevölkerung und Rechtsstaatlichkeit. Neben diesen inhaltlichen Beiträgen stellt das Zentrum bei Bedarf verschiedenen UNO-Organisationen seine Räumlichkeiten zur Verfügung.

4

Schweizer Kandidaturen und Förderung von Schweizerinnen und Schweizern in der UNO und anderen internationalen Organisationen

Im Bericht 2003 über die Schweiz und die UNO hatte der Bundesrat festgehalten, dass der UNO-Beitritt der Schweiz die Möglichkeit eröffnet habe, sich in die Führungsorgane oder auf hochrangige Positionen der Organisation wählen zu lassen und selber zu wählen. Dies war ein wichtiger Schritt für die Förderung und Verteidigung unserer aussenpolitischen Interessen auf multilateraler Ebene. Ein weiterer wichtiger Aspekt für den Bundesrat ist die Unterstützung von Schweizer Staatsangehörigen, die sich um eine Stelle in einer multilateralen Organisation bewerben und so die Präsenz der Schweiz in den Organisationen verstärken.22 In seiner Antwort auf die Interpellation Kaufmann vom 17. Juni 2005 (05.3415) schrieb der Bundesrat, dass die Schweiz bei ihren Kandidaturen bemüht sei, die verfügbaren Instrumente zur Wahrung unserer Interessen und zur Umsetzung unserer aussenpolitischen Ziele optimal zu nutzen. Er erklärte sich weiter dazu bereit, die von ihm in den letzten Jahren verfolgte Politik im vorliegenden Bericht 2006 darzulegen.

4.1

Schweizer Kandidaturen im System der Vereinten Nationen

4.1.1

Planung und Verwaltung der Kandidaturen

Dank effizienter Planung und Verwaltung der Kandidaturen ist es der Schweiz gelungen, nach dem UNO-Beitritt in den Organen, Fonds und Programmen sowie Sonderorganisationen des UNO-Systems gut vertreten zu sein. Die Kandidaturen können aber nur geplant werden, wenn eine vollständige Übersicht über die frei werdenden Stellen besteht, die durch Wahlen besetzt werden. Zu diesem Zweck hat das EDA eine Datenbank namens «EDA-IO-Vote» erstellt. In dieser Datenbank werden alle frei werdenden Positionen, sämtliche Kandidaturen aller Mitgliedstaaten sowie die an die Schweiz von anderen Ländern gerichteten Unterstützungsgesuche erfasst. Sie ermöglicht zudem einen einfachen Überblick über alle bisherigen Kandi-

22

Hier muss unterschieden werden zwischen den unter Ziff. 4.1 behandelten Kandidaturen für Posten oder Führungsorgane der internationalen Organisationen, die Gegenstand eines Beschlusses der Mitgliedstaaten sind ­ Wahl oder Kooptation ­, und den unter Ziff. 4.2 erläuterten Kandidaturen von Schweizer Staatsangehörigen für Kaderpositionen innerhalb der internationalen Organisationen, die von der Personalabteilung oder der Direktion der Organisation ernannt werden.

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daturen, bei denen sich die Schweiz und andere Staaten gegenseitig unterstützt oder Stimmen ausgetauscht haben.

Die Schweiz muss jedes Jahr zu Hunderten von Kandidaturen und Unterstützungsgesuchen Stellung nehmen und Möglichkeiten zur Vereinbarung von Stimmentausch prüfen. Allein seit Juni 2004 wurden über 3000 wahl- und kandidaturrelevante Daten in die erwähnte Datenbank aufgenommen und evaluiert. Gestützt auf diese Daten gilt es bei frei werdenden, durch Wahl zu besetzenden Posten im UNOSystem je nach ihrer aussenpolitischen Bedeutung und den Erfolgsaussichten zu entscheiden, ob eine Schweizer Kandidatur angemeldet oder ob im konkreten Fall die Kandidatur eines anderen Mitgliedstaates unterstützt werden soll. So wurden in den vergangenen zwei Jahren rund 20 Kampagnen zur Unterstützung eigener Kandidaturen geführt und in über 500 Fällen ein Stimmentausch geprüft bzw. vereinbart.

Die grosse Anzahl von Mitgliedern der UNO-Organisationen, die zum Teil recht beschränkte Anzahl frei werdender, durch Wahl zu besetzender Sitze und der Anspruch vieler Mitgliedstaaten, in den Genuss einer geografisch ausgewogenen Vertretung zu kommen, haben gerade im UNO-System dazu geführt, dass in bestimmten Fällen die Besetzung der Stellen nach einem festgelegten Rotationssystem, das auf Quoten für bestimmte regionale Ländergruppen aufbaut, erfolgt.

Die Schweiz muss sich als neues UNO-Mitglied in bestehende Rotationssysteme integrieren, was nicht immer einfach ist. Innerhalb der Gruppe der westlichen und anderen Länder (WEOG) ist sie tendenziell isoliert, da sie weder Mitglied der Europäischen Union noch eines anderen subregionalen Staatenverbundes, wie beispielsweise die Benelux-Länder oder die nordischen Staaten, ist.

Wenn kein befriedigendes Rotationsschema besteht oder wenn ein solches durch die Mitgliedstaaten nicht vereinbart werden kann, muss die Schweiz ihre Vertretung in den durch Wahl zu besetzenden Posten durch die Anmeldung ihrer Kandidatur und die Durchführung einer Kampfwahl sicherstellen. Trotz der hohen Qualität und Motivation der Schweizer Kandidatinnen und Kandidaten müssen in den meisten Fällen lange und schwierige Kampagnen geführt werden. Jede Kandidatur muss mit einer stellen- und kandidatenspezifischen Kampagne unterstützt werden. Diplomatische Demarchen in den Hauptstädten der Mitgliedstaten
des Wahlorgans, Besuche des Schweizer Kandidaten sowie die Absprachen zum Stimmentausch sollen den Erfolg der Schweizer Kandidaturen sicherstellen.

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass diese Kampagnen nicht nur auf der Basis von wahlarithmetischen Überlegungen durchgeführt werden. Bei den Absprachen zum Stimmentausch werden andere Interessen unseres Landes voll und ganz berücksichtigt. Es geht insbesondere darum, sich bei der Unterstützung von Kandidaturen anderer Länder für solche Kandidatinnen und Kandidaten auszusprechen, welche die für die betreffende Position nötigen fachlichen und moralischen Eigenschaften mitbringen.

Jedes Jahr wendet sich eine grosse Anzahl von Ländern mit Unterstützungsgesuchen für Personen- oder Länderkandidaturen für eine Vielzahl zu besetzender Positionen im UNO-System an die Schweiz. In Absprache mit den zuständigen Fachämtern koordiniert das EDA das schweizerische Stimmverhalten und versucht eine möglichst grosse Anzahl von Wahlabsprachen zu Gunsten laufender Schweizer Kandidaturen zu vereinbaren. Dabei steht mit dem Vertretungsnetz im Ausland, den Missionen in Genf, New York und Wien sowie mit der erwähnten Datenbank

5679

«EDA-IO-Vote» ein unentbehrliches Instrument zur Umsetzung der Schweizer Kandidaturkampagnen zur Verfügung.

4.1.2

Ergebnisse

Die jüngsten Kampagnen waren einerseits darauf ausgerichtet, die Präsenz der Schweiz in den Hauptorganen der UNO zu verstärken. Sie zielten andererseits darauf ab, eine Einsitznahme in den Fonds, Programmen und Sonderorganisationen, die für die Schweiz aus sachpolitischen Gründen oder im Zusammenhang mit der Gaststaatpolitik eine prioritäre Bedeutung haben, sicherzustellen.

Generalversammlung: Die Generalversammlung ist das einzige Organ, das allen UNO-Mitgliedern offen steht, und die Schweiz hat sich dort sehr aktiv engagiert, auch mit Kandidaturen. Bereits dreimal (in der 57., 59. und 60. Session der GV) wurde ein Mitglied der Schweizer Delegation zum Vizepräsidenten eines der sechs Hauptausschüsse gewählt. Des Weiteren konnte im Oktober 2005 eine Schweizerin dem Stab des Vorsitzenden der Generalversammlung zur Verfügung gestellt werden, um den Präsidenten bei den Verhandlungen über den Menschenrechtsrat zu unterstützen.

Sicherheitsrat: Die Schweiz hat bis jetzt nicht für einen Sitz als nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrats kandidiert und sieht dies auch in nächster Zeit nicht vor.

Wie der Bundesrat 2001 im Rahmen der UNO-Beitrittskampagne zusicherte, werden die Aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments konsultiert, bevor eine solche Kandidatur eingereicht wird.

Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC): Der Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) ­ der alle zwei Jahre in Genf tagt und somit auch für das internationale Genf bedeutend ist ­ ist das Lenkungs- und Koordinationsorgan der wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und humanitären Tätigkeit der UNO. Eine aktive Teilnahme der Schweiz an den Arbeiten des ECOSOC rechtfertigt sich allein schon von der Tatsache her, dass sich dieses Organ mit für die Schweizer Aussenpolitik relevanten Themen befasst. Entsprechend werden seit dem UNO-Beitritt Verhandlungen mit den Mitgliedern der WEOG geführt, um den Einbezug der Schweiz ins Rotationssystem dieser Regionalgruppe durchzusetzen. Leider konnte dies in den vier Jahren seit unserem UNO-Beitritt nicht erreicht werden. Die Tatsache, dass die Schweiz bis jetzt nicht in das Rotationssystem der WEOG im ECOSOC integriert wurde, ist umso beunruhigender, als die Schweiz damit nicht als Vertreterin des ECOSOC Einsitz in der Kommission für Friedenskonsolidierung nehmen kann. Deshalb beabsichtigt der
Bundesrat, den Abschluss einer Vereinbarung über den Einbezug der Schweiz in das Rotationssystem des ECOSOC zur Priorität für das laufende Jahr zu erklären. Gegebenenfalls wird die Schweiz auch ausserhalb des Systems für einen Sitz im ECOSOC kandidieren.

Fachkommissionen des ECOSOC: Die Schweiz konnte ihre Vertretung in den funktionalen Kommissionen des ECOSOC ausbauen. Erfolgreich war die Schweizer Kandidatur für die Einsitznahme in der Bevölkerungs- und Entwicklungskommission des ECOSOC für die Periode 2005-2009. Nachdem der Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (SMSI) einen wichtigen Teil seines Follow-up der Kommission für Entwicklungswissenschaften und -technologie (CSTD) übertragen hat, hat die Schweiz für den noch freien WEOG-Sitz der Kommission, die ihren Sitz in Genf 5680

hat, ihre Kandidatur für die Amtsperiode bis 2008 eingereicht. Sie wurde im Februar 2006 gewählt. Seit 2003 ist die Schweiz auch im Programm- und Koordinierungsausschuss der UNO vertreten. Weiter zu erwähnen ist die Einsitznahme des Schweizers Robert Waldburger in der Sachverständigengruppe für internationale Zusammenarbeit in Steuerangelegenheiten des Wirtschafts- und Sozialrates.

Kommission für Friedenskonsolidierung: Da die Schweiz momentan weder als Mitglied des Sicherheitsrats noch als Mitglied des ECOSOC und auch nicht als wichtiges truppenstellendes Land oder als Hauptbeitragszahler für einen Sitz in der Kommission für Friedenskonsolidierung kandidieren kann, hat sie sich dafür eingesetzt, dass keine regionale Gruppe a priori von der Kategorie der von der Generalversammlung zu wählenden Mitgliedstaaten ausgeschlossen wird.

Menschenrechtsrat: Die Schweiz kündigte 2003 ihre Kandidatur für die Menschenrechtskommission 2007­2009 an und führte 2004 eine erste Kampagne. Nach der Schaffung des Menschenrechtsrats am 15. März 2006 lancierte die Schweiz am 27. März 2006 ihre Kandidatur für einen Sitz im neuen Gremium und führte damit ihre Bemühungen im Hinblick auf einen Sitz in dem für Menschenrechtsfragen zuständigen UNO-Organ weiter. Nach einer sehr aktiv geführten Kampagne, wurde die Schweiz am 9. Mai 2006 von der UNO-Generalversammlung für drei Jahre in den Menschenrechtsrat gewählt. Dies ist der wichtigste Erfolg unseres Landes seit dem UNO-Beitritt im Bereich Kandidaturen.

Vertragsorgane und internationale Gerichtshöfe: Die Schweiz konnte ihre Präsenz in den menschenrechtlichen Vertragsorganen mit der Wahl von Prof. Giorgio Malinverni in den Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie von Prof. Jean Zermatten in den Ausschuss für die Rechte des Kindes festigen. Im Oktober 2005 wurde Prof. Stefan Trechsel zum Ad-litem-Richter des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien gewählt. Im laufenden Jahr 2006 wird die Kandidatur für die Wiederwahl von Prof. Walter Kälin in den Menschenrechtsausschuss durchgeführt. In der zweiten Jahreshälfte 2006 wird die Kampagne für die Kandidatur von Prof. Luzius Caflisch in die UNO-Völkerrechtskommission eingeleitet.

Fonds und Programme der Vereinten Nationen: Die Kandidaturplanung umfasste, wie bereits erwähnt,
nicht nur die Hauptorgane der UNO, sondern richtete sich auch auf Fonds und Programme sowie Sonderorganisationen aus. Die noch bestehenden Absprachen für die Rotation innerhalb der WEOG für die Einsitznahme im Exekutivrat des Kinderhilfswerks (UNICEF) und im gemeinsamen Exekutivrat des UNOEntwicklungsprogramms (UNDP) und des UNO-Bevölkerungsfonds (UNFPA) laufen im Jahr 2006 aus. Auf ihrer Grundlage war die Schweiz 2005 im Exekutivrat von UNDP vertreten. Die Schweiz wurde von den anderen Mitgliedern des WEOG als sog. «Facilitator» mit der Aushandlung einer Verlängerung dieser Rotationssysteme betraut. Eine provisorische Lösung wurde gefunden, und die Schweiz wird im Jahr 2007 auf der Grundlage dieser Einigung Einsitz im UNICEF-Exekutivrat nehmen.

Spezialorganisationen: Anlässlich der Generalkonferenz der Mitgliedstaaten der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) im Oktober 2005 wurde die Schweiz in den Rechtsausschuss der Generalkonferenz, in den Exekutivausschuss der «Internationalen Kampagne für die Einrichtung eines nubischen Museums in Assuan und eines Nationalmuseums der ägyptischen Zivilisation in Kairo», in den Rat des «Internationalen hydrologischen 5681

Programms» und in den Ausschuss des «Zweiten Protokolls zur Haager Konvention von 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten» gewählt. 2004 wurde alt Bundesrätin Ruth Dreifuss zur Vorsitzenden der Kommission zu Immaterialgüterrechten, Innovation und öffentlicher Gesundheitspflege der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ernannt, die ein Jahr zuvor von der Weltgesundheitsversammlung geschaffen worden war. Die Kandidatur von Marc Furrer für die Stelle des Generalsekretärs der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) wurde im Hinblick auf die Wahlen, die im November 2006 anlässlich der Bevollmächtigtenkonferenz der ITU in Antalya stattfinden, Anfang 2006 eingereicht, Die Schweiz kandidiert auch für eine Erneuerung ihrer Einsitznahme im Rat der ITU. Trotz einer aktiven Kampagne und eines bestens qualifizierten Kandidaten in der Person von Philippe Rochat konnte die Schweiz sich bei der Wahl für die Ratspräsidentschaft der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) am 2. März 2006 nicht gegen den mexikanischen Gegenkandidaten durchsetzen.

4.2

Schweizerinnen und Schweizer im UNO-System

Neben ihren Bestrebungen, die Vertretung ihrer Interessen durch die Wahl in Führungsorgane der internationalen Organisationen zu sichern, bemüht sich die Schweiz auch, die Anstellung von qualifizierten Schweizer Bürgerinnen und Bürgern auf allen Hierarchieebenen in den Sekretariaten dieser Organisationen zu fördern. Mit der Präsenz in den internationalen Organisationen durch ihre Bürgerinnen und Bürger kommt der Schweiz auch das Know-how zugute, das diese dort erlangen, und aus dem, auch nachdem sie die betreffende Organisation wieder verlassen haben, Nutzen gezogen werden kann. Der Beitritt zur UNO hat der Schweiz neue Möglichkeiten eröffnet, ihre Präsenz in den Sekretariaten der Organisationen des UNO-Systems zu vergrössern.

4.2.1

Neue Ausgangslage

Nach dem Beitritt im September 2002 können Schweizer Staatsangehörige sich auf alle frei werdenden Stellen in den Vereinten Nationen bewerben. Die Schweiz konnte zudem seit dem Jahr 2003 jährlich den Zulassungswettbewerb für die Nachwuchsförderung für Staaten, die geografisch untervertreten waren, durchführen.

Trotz dieser Erleichterungen liess sich zwischen Juni 2000 und September 2004 keine markante Erhöhung des Schweizer Personalbestandes feststellen23. Dies bedeutet, dass auch nach dem Beitritt zur UNO die pensionierungs- und kündigungsbedingten Abgänge von Schweizer Personal nicht durch die Neuanstellungen kompensiert werden konnten. Die Förderung der Platzierung von Schweizerinnen und Schweizern im UNO-Sekretariat und in den Sekretariaten und internationalen 23

Der Personalbestand des UNO-Sekretariats im Jahre 2005 umfasst für alle Personalkategorien rund 8000 Stelleneinheiten (Bericht A/60/310). Der gesamte Schweizer Personalanteil betrug im Jahr 1999 172 Personen, im Jahr 2000 150 Personen, im Jahr 2001 164 Personen, im Jahr 2002 ebenfalls 164 Personen, im Jahr 2003 161 Personen und im Jahr 2004 169 Personen. Beim Fachpersonal mit Hochschulabschluss lässt sich eine ähnliche Entwicklung feststellen: Von den gesamthaft 3500 Professional-Stellen des Sekretariats wurden im Jahr 2000 11, im Jahr 2001 12, im Jahr 2003 10 und im Jahr 2004 12 mit Schweizer Hochschulabsolventinnen und -absolventen besetzt.

5682

Büros der Organisationen des UNO-Systems muss somit auch in den nächsten Jahren eine Priorität bleiben.

4.2.2

Allgemeiner Kontext

Zwei Faktoren haben in den letzten Jahren dazu beigetragen, dass ganz allgemein der Zugang zu internationalen Stellen für Schweizer Bewerberinnen und Bewerber schwieriger geworden ist, nämlich die härtere Konkurrenz aus den anderen Mitgliedstaaten einerseits und die Verschärfung der Selektionskriterien und der Auswahlverfahren durch die internationalen Organisationen andererseits. Die Globalisierung der Kommunikationsmittel ist eine der Ursachen für die beobachtete Zunahme der Anzahl Bewerbungen für die international ausgeschriebenen Stellen, auf die sich häufig Hunderte, wenn nicht gar Tausende von Personen anmelden.

Dank Internet können weltweit alle Ausschreibungen offener Stellen eingesehen und Bewerbungen fristgerecht eingereicht werden. Hinzu kommt die rasante Verbesserung des Ausbildungsniveaus auf Hochschulstufe in den Ländern der Dritten Welt oder in Osteuropa. Damit einhergegangen ist auch eine «qualitative» Verschärfung der Konkurrenz auf dem internationalen Arbeitsmarkt. In Ländern wie China, Indien, Ägypten, Mexiko, Brasilien oder Chile werden Hochschulabschlüsse vergeben, die nicht nur formell den nordamerikanischen und europäischen Diplomen gleichwertig sind (Doktorat, Master, Bachelor), sondern auch von der Substanz her keinen Vergleich zu scheuen brauchen. Zudem gibt es viele Bewerberinnen und Bewerber aus diesen Ländern, die dank der in den letzten Jahren gesteigerten Mobilität ihr Hochschulstudium mit Diplomen aus den renommiertesten Universitäten Europas und Nordamerikas abschliessen. Schliesslich kennen andere Staaten regelrechte Stellenvermittlungs- und Ausbildungsgänge, die darauf ausgerichtet sind, geeignete Bewerberinnen und Bewerber mit den gesuchten Anforderungsprofilen für die internationalen Organisationen heranzubilden.

Die Intensivierung des Wettbewerbs hat zu einer Verdrängung der Bewerbungen aus der Schweiz geführt: Während die Anzahl gut qualifizierter Bewerberinnen und Bewerber aus anderen Mitgliedstaaten exponentiell zunimmt, stellt man bei den Kandidaturen aus der Schweiz eine gewisse «Stagnation» fest24. Die Gründe hierfür sind eine verbreitete Unkenntnis über die internationalen Organisationen, über die Stellenangebote, über die Karrieremöglichkeiten sowie eine gewisse Zurückhaltung, insbesondere bei den jungen Hochschulabsolventen und -absolventinnen,
gegenüber den ungewohnten Rekrutierungs- und Selektionsverfahren, die dem internationalen Arbeitsmarkt eigen sind, wie beispielsweise Zulassungswettbewerbe und Nachwuchsprogramme. Hinzu kommt, dass zahlreiche junge Schweizerinnen und Schweizer zögern, eine Stelle an einem geografisch entlegenen Ort und in einem als fremd empfundenen internationalen Arbeitsumfeld anzutreten. Die Verschärfung des Wettbewerbs auf dem internationalen Arbeitsmarkt hat wiederum dazu geführt, dass die internationalen Organisationen, um die Flut von weltweit elektronisch eingereichten und von der Qualität her gesehen «nivellierten» Bewerbungen bearbeiten zu können, dazu übergegangen sind, langwierige, z. T. elektronisch unterstützte und 24

Zwischen 2003 und 2005 gingen rund 1,2 Millionen elektronische Bewerbungen beim UNO-Sekretariat für die in dieser Zeitspanne ausgeschriebenen Stellen ein. Davon stammten 4688 von Bewerberinnen und Bewerbern aus der Schweiz.

5683

intransparente Selektionsverfahren einzuführen. Hinzu kommt, dass ganz allgemein der Zugang zu den internationalen Organisationen, vor allem durch die Abnahme des Angebots an ausgeschriebenen Stellen, erschwert worden ist25.

Um dieser ungünstigen Entwicklung entgegenzuwirken, hat der Bundesrat seine Präsenzförderungsstrategie im Jahr 2005 verstärkt, mit dem Ziel, mittelfristig die Anzahl der im UNO-System tätigen Schweizerinnen und Schweizern auf die der geografischen Verteilung entsprechende Quote anzuheben. Dies soll mit einer Reihe von Massnahmen umgesetzt werden, die auf zwei Ebenen des internationalen Arbeitsmarkts einwirken: angebotsseitig mit Massnahmen, die zu einer Erhöhung der Anzahl guter Bewerbungen aus der Schweiz führen, und nachfrageseitig mit Massnahmen, die den Zugang zu den Stellen in den internationalen Organisationen für Schweizer Anwärterinnen und Anwärter erleichtern.

4.2.3

Erhöhung der Anzahl Bewerbungen aus der Schweiz

Wie bereits erwähnt, hat der Bundesrat festgestellt, dass die Öffentlichkeit und insbesondere der akademische Nachwuchs nur wenig über die internationalen Organisationen und über die Karrieremöglichkeiten in diesem internationalen Umfeld wissen. Aus diesem Grund wurde im Jahr 2005 eine auf diese Kreise zugeschnittene Kampagne mit Vorträgen und Workshops durchgeführt. Die für die Präsenzförderung der Schweiz in den internationalen Organisationen zuständige Dienststelle im EDA hielt im Jahr 2005 rund 20 Vorträge an Gymnasien und Universitäten, aber auch an auf Berufsberatung und Vermittlung von Stellen bei den internationalen Organisationen spezialisierten Stellen wie das Programm SYNI in Lausanne. Wie bereits im Vorjahr führte das EDA in Zusammenarbeit mit der Universität Lausanne im März 2005 einen sog. «International Career Day» durch, bei dem die Studierenden aller Schweizer Hochschulen Gelegenheit fanden, mit Vertreterinnen und Vertretern der Personaldienste von rund 25 Organisationen zusammenzukommen und Informationen über die Karrieremöglichkeiten im internationalen Arbeitsmarkt zu erhalten. Das EDA nimmt ebenfalls an der jährlichen Tagung «Connexion ­ le forum des professions HEI» des Institut universitaire des hautes études internationales teil. Bei diesem Anlass werden insbesondere die internationalen Organisationen und die Karriereeinstiegsmöglichkeiten im Raum Genf den Studierenden vorgestellt.

Das EDA führt eine Internetseite26, in der der Öffentlichkeit leicht zugängliche Informationen über die rund 120 Organisationen, bei denen die Schweiz Mitglied ist, zur Verfügung gestellt werden. Diese Internetseite, welche durchschnittlich 5000­ 6000-mal monatlich konsultiert wird, enthält auch Auskünfte über die von den Organisationen angebotenen offenen Stellen und über die besonderen Rekrutierungsprogramme und Zulassungswettbewerbe, die gerade von den internationalen

25

26

In den unteren Lohnklassen des akademisch ausgebildeten Fachpersonals wird im UNOSystem praktisch nur noch über spezielle Nachwuchsprogramme (Junior Professional Programme, Lead-Programme, Associated Experts) oder mittels Zulassungswettbewerben für die geografisch untervertretenen UNO-Mitglieder rekrutiert. Die Schweiz finanziert ein Junior-Programm (siehe Ziff. 4.2.4), das zum Ziel hat, den Einstieg in das UNOSystem zu erleichtern. Für die ausgeschriebenen Kaderpositionen besteht eine starke interne Konkurrenz.

http://www.eda.admin.ch/eda/e/home/foreign/intorg/iojobs.html.

5684

Organisationen für Anwärterinnen und Anwärter aus der Schweiz angeboten werden.

4.2.4

Erleichterung des Zugangs zu Stellen der internationalen Organisationen für Schweizerinnen und Schweizer

Nach dem UNO-Beitritt ist der Schweiz für die rund 2500 Stellen im Sekretariat, die nach geografischen Verteilungskriterien zugewiesen werden, die Möglichkeit eingeräumt worden, bis zur Erfüllung der Anspruchsquote jährlich einen Zulassungswettbewerb für die Besetzung von Nachwuchsstellen durchzuführen. Dieser Zulassungswettbewerb (National Competitive Recruitment Examination/NCRE) ist den Angehörigen derjenigen Länder vorbehalten, die im UNO-Sekretariat untervertreten sind27. In den Jahren 2003, 2004 und 2005 wurde der NCRE in der Schweiz durchgeführt. Von 800 Anmeldungen wurden rund 300 Bewerberinnen und Bewerber zu den Prüfungen zugelassen; 20 fanden eine Anstellung beim UNO-Sekretariat. Voraussichtlich wird dieser Zulassungswettbewerb 2006 für die Schweiz zum letzten Mal durchgeführt, da unser Land ab diesem Zeitpunkt bei den der geografischen Quotenregelung unterstehenden Stellen personell nicht mehr untervertreten sein wird28.

Eine weitere Massnahme, um den Zugang zu den Arbeitsplätzen in den Exekutivorganen der Sonderorganisationen des UNO-Systems und des UNO-Sekretariats für Schweizer Bewerberinnen und Bewerber zu fördern, besteht darin, solche Stellen ganz oder teilweise zu finanzieren. Der Bundesrat hat in seinem UNO-Bericht von 2003 die Finanzierung eines Programms zur Platzierung von Schweizer Nachwuchskräften in Aussicht gestellt. Ende 2004 waren rund 30 Schweizer Nachwuchskräfte (Junior Professional Officers/JPO) in verschiedenen Organen, Fonds, Programmen sowie im Sekretariat der Vereinten Nationen im Einsatz. Im Jahr 2005 gab es rund 360 Bewerbungen für die 14 Stellen des laufenden JPO-Programms des EDA. Für 2006 sollen zwei zusätzliche JPO-Stellen in der UNESCO, davon eine beim Welterbezentrum, geschaffen werden.

Mit den Platzierungsmassnahmen werden die Schweizer Bewerberinnen und Bewerber bei ihrer Bewerbung und im Verlauf des Selektionsverfahrens mit der angestrebten Position angepassten Mitteln (Bewerbungsberatung, Dialog mit den Personalverantwortlichen, diplomatische Intervention, Lobbying und Konsultationen) unterstützt. Einerseits zielen diese Massnahmen darauf ab, geeignete Bewerberinnen und Bewerber mit den gesuchten Profilen zu finden. Auf der anderen Seite gilt es, die Positionen zu identifizieren, bei denen ein Interesse für die Besetzung durch eine Schweizerin oder einen Schweizer besteht. Dabei geht es sowohl um Positionen auf mittlerer bis hochrangiger Ebene als auch um Nachwuchsstellen.

27

28

Die Schweizer Quote wurde vom UNO-Sekretariat auf 1 % berechnet. Dies ergibt einen Anspruch auf 19-28 Stellen. Im September 2004 waren 12 Schweizerinnen und Schweizer beim Sekretariat angestellt.

Im Laufe des Jahres 2005 sind auf Grund der Ergebnisse des NCRE der beiden Vorjahre schätzungsweise rund 9 neue Anstellungen von Schweizerinnen und Schweizern erfolgt.

Damit dürfte die Schweizer Präsenz im UNO-Sekretariat auf 21 Personen angestiegen sein und somit keine Untervertretung im Sinne der vom Sekretariat definierten geografischen Quote mehr gegeben sein.

5685

Besondere Anstrengungen werden seit vier Jahren unternommen, um Schweizerinnen und Schweizer in den Fonds und Programmen der UNO, den wichtigsten multilateralen Partnern der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit, zu platzieren.29 Dank gezielter Massnahmen konnte die Anzahl Schweizerinnen und Schweizer in diesen Organisationen erheblich gesteigert werden, beispielsweise im UNO-Entwicklungsprogramm (UNDP), das 2002 erst 6 Schweizerinnen und Schweizer zählte, während es heute bereits 16 sind. Bei hochrangigen Positionen, die nicht öffentlich ausgeschrieben werden, handelt es sich um politisch relevante Nominationen, bei denen es darum geht, mit der Platzierung von Schweizerinnen oder Schweizern unserem Land in einem für unsere multilaterale Zusammenarbeit wichtigen Bereich Visibilität zu verleihen. Die Schweiz bringt damit zum Ausdruck, dass sie nicht der UNO beigetreten ist, um eine passive Rolle einzunehmen, sondern bereit ist, sich u.a. im Bereich Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht mit Engagement und personeller Präsenz einzusetzen.

Die Schweiz konnte in den Jahren 2004 und 2005 die Bewerbungen von Schweizerinnen und Schweizern erfolgreich unterstützen und im UNO-Sekretariat wichtige Positionen besetzen. So seien in diesem Zusammenhang die Ernennungen von Prof.

Nicolas Michel zum Untergeneralsekretär für Rechtsangelegenheiten und Rechtsberater der UNO, von Prof. Walter Kälin zum Sonderbeauftragten für die Menschenrechte von intern Vertriebenen sowie von alt Bundesrat Adolf Ogi als UNOSonderberater für Sport, Entwicklung und Frieden erwähnt. Im Oktober 2005 hat der UNO-Generalsekretär einen weiteren Schweizer zu seinem Sonderberater für das Partnerschaftsprogramm mit Firmen und Unternehmen aus der Privatwirtschaft, «Global Compact», ernannt.

Wichtig für die multilaterale Interessenwahrung ist auch die Besetzung von Führungspositionen in den Fonds und Programmen sowie Sonderorganisationen des UNO-Systems. So konnten die Ernennungen einer Sonderbeauftragten des Generalsekretärs für Georgien und eines Direktors beim Welternährungsprogramm in Rom erfolgreich unterstützt werden. Bei der Platzierungsunterstützung für Bewerbungen auf mittlerer Ebene geht es weniger um die Besetzung von politisch interessanten Stellen, sondern ­ angesichts der Platzierungsdispositive anderer konkurrierender
Mitgliedstaaten ­ vielmehr darum, für die Schweizer Bewerberinnen und Bewerber gleiche Voraussetzungen zu schaffen.

In den vergangenen zwei Jahren sind im UNO-System zahlreiche Einzelbewerbungsdossiers aus der Zivilgesellschaft von den zuständigen Diensten beim EDA oder von den Missionen bei den internationalen Organisationen unterstützt worden.

Zudem wurde den Organisationen, Fonds und Programmen des UNO-Systems Fachpersonal aus der Bundesverwaltung vermittelt. Diese Form der Ausrichtung der Personalpolitik auf einen Einsatz in einer internationalen Organisation erfolgte im Rahmen einer Verordnung des EDA vom 8. März 2002, die die Beurlaubung, Entsendung, finanzielle Entschädigung und Rücknahme der Bundesangestellten regelt (SR 172.220.111.310.1).

29

Hierzu gehören: das UNO-Entwicklungsprogramm (UNDP), der UNO-Bevölkerungsfonds (UNFPA), das UNO-Kinderhilfswerk (UNICEF), das Welternährungsprogramm (WFP) und UN Volunteers (UNV).

5686

5

Schlussbemerkungen und Prioritäten der Schweiz für die 61. Tagung der UNO-Generalversammlung

5.1

Schlussbemerkungen

1. Der Millennium+5-Gipfel führte zwar nicht zu einer umfassenden Neugestaltung der UNO, doch bekräftigten die Mitgliedstaaten ihr Bekenntnis zur multilateralen Zusammenarbeit im Rahmen der UNO und zu dem in der UNO-Charta verankerten System der kollektiven Sicherheit auf höchster Ebene. Die Staats- und Regierungschefs fällten zudem wichtige Entscheide zur Reform der UNO: Sie beschlossen die Schaffung neuer Gremien wie der Kommission für Friedenskonsolidierung und des Menschenrechtsrats. Die Ziele, auf die sich die Mitgliedstaaten einigten, entsprechen den Prioritäten der Schweiz, die der Bundesrat vor dem Gipfel festgelegt hatte.

2. Die Umsetzung der am Gipfel gefällten Entscheide und die Reformbemühungen wurden seither entschlossen weitergeführt, und die Schweiz beteiligte sich aktiv an diesen Anstrengungen. Die Schaffung des Menschenrechtsrats ist ein historisches Ereignis, das der internationalen Gemeinschaft neue Perspektiven eröffnet. Wie 1946 bei der Gründung der Vereinten Nationen oder 1948 bei der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gelang es den Mitgliedstaaten, ihre Meinungsverschiedenheiten zu überwinden und das allgemeine Interesse über ihre Partikularinteressen zu stellen. Diese Reform ist auch ein Erfolg der Schweizer Diplomatie, da die ursprünglich von der Schweiz lancierte visionäre Initiative schliesslich die Zustimmung einer grossen Mehrheit der Mitgliedstaaten fand.

3. Mit dem in die Vernehmlassung gegebenen Gaststaatgesetz möchte der Bundesrat unserem Land geeignete Mittel zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen geben, die sich im Zusammenhang mit der Präsenz internationaler Organisationen auf unserem Hoheitsgebiet stellen. Der Bundesrat ist entschlossen, seine aktive Politik mit den übrigen betroffenen Partnern weiterzuführen, damit die Schweiz ihren Status als Gaststaat internationaler Organisationen, der zu unserem positiven Image in der Welt beiträgt, in dynamischer und glaubwürdiger Weise wahren kann.

4. Seit ihrem Beitritt zur UNO hat sich die Schweiz im Sinne ihrer Interessenwahrung aktiv für den Erfolg von Schweizer Kandidaturen für die durch Wahl besetzten Stellen und Direktorenposten sowie für die Präsenz von Schweizerinnen und Schweizern in den internationalen Organisationen eingesetzt. Trotz des grossen Interesses der stellensuchenden
Schweizerinnen und Schweizer konnte die Zahl der Schweizer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den internationalen Organisationen in diesen vier Jahren jedoch nicht markant erhöht werden. Der Bundesrat wird seine gezielte Förderpolitik fortsetzen und sich insbesondere bemühen, besser darüber zu informieren, welche Karrieremöglichkeiten bestehen und wie die Erfolgschancen erhöht werden können.

5.2

Prioritäten der Schweiz für die 61. Tagung der UNO-Generalversammlung

1. Menschenrechtsrat: Die Schweiz wird sich im Geist der Kooperation und des echten Dialogs aktiv an der Arbeit des Menschenrechtsrats beteiligen und sich der regelmässigen universellen Überprüfung unterziehen. Sie wird sich für eine neue Kultur zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte engagieren, indem sie 5687

auf Kooperation statt Konfrontation setzt. Der Bundesrat wird dafür sorgen, dass die neue Institution in Übereinstimmung mit der Gaststaatpolitik unseres Landes geeignete Arbeitsbedingungen erhält.

2. Sicherheitsrat: Nach der Einreichung des Resolutionsentwurfs zur Reform der Arbeitsmethoden des Sicherheitsrats am 17. März 2006 wird die Schweiz sich mit ihren Partnern dafür einsetzen, dass die vorgeschlagenen Massnahmen verwirklicht werden können. Mit der formellen Einreichung wurde der Resolutionsentwurf übrigens zu einem offiziellen Dokument der Vereinten Nationen und damit zu einem Referenzdokument für die weiteren Diskussionen.

3. ECOSOC: Die Schweiz wird ihr Engagement zur Reform des ECOSOC weiterführen, damit dieser wieder eine Hauptrolle bei der Förderung der nachhaltigen Entwicklung und der Koordination der UNO-Akteure in diesem Bereich spielen kann. Die Schweiz wird ihre Anstrengungen intensivieren, um möglichst bald in das Rotationssystem der westlichen Mitglieder des ECOSOC aufgenommen zu werden.

Sie wird sich auch dafür einsetzen, dass die Tagungen weiterhin abwechselnd in Genf und New York stattfinden.

4. Generalversammlung: Die Schweiz wird den Prozess zur Revitalisierung der Generalversammlung weiterhin unterstützen, damit dieses universelle Hauptorgan effizienter und leistungsfähiger wird. Sie wird sich dafür einsetzen, dass die Zusammenarbeit mit den anderen UNO-Organen, insbesondere dem Sicherheitsrat, verstärkt wird.

5. Management und interne Aufsicht der Vereinten Nationen: Als wichtige Geldgeberin hat die Schweiz ein grosses Interesse daran, dass die UNO die von den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel adäquat und transparent einsetzt. Sie wird ihr Engagement in diesem Bereich deshalb fortsetzen, und der Bundesrat wird darüber wachen, dass die beschlossenen oder geplanten Massnahmen zu konkreten Ergebnissen mit spürbaren Auswirkungen führen.

6. Operationelle Tätigkeit und institutionelle Kohärenz: Aufgrund der Beschlüsse des Millennium+5-Gipfels zur Stärkung der UNO wird die Schweiz dazu beitragen, dass der Stärkung der operationellen Tätigkeit der UNO und der institutionellen Kohärenz im Bereich Entwicklungszusammenarbeit, Umwelt und humanitäre Fragen auch weiterhin besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird.

7. Nachhaltige Entwicklung: Die Schweiz
wird ihr Engagement zugunsten der nachhaltigen Entwicklung in ihren wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Aspekten und zur Umsetzung der Millenniumsentwicklungsziele weiterführen. Die Schweiz wird sich dabei insbesondere für eine weitere Stärkung der internationalen Umweltgouvernanz einsetzen. Unser Land wird sich aktiv an der hochrangigen Überprüfungskonferenz vom 31. Mai bis 2. Juni 2006 in New York beteiligen, um das Engagement der Weltleader im weltweiten Kampf gegen HIV/Aids aufrechtzuerhalten. Die Schweiz wird auch am hochrangigen Dialog über internationale Migration und Entwicklung vertreten sein, der parallel zur 61. Tagung der Generalversammlung im September 2006 in New York stattfindet.

5688

Anhang 1

Entwicklung des Pflichtbeitrags der Schweiz an die UNO 2004­2006 (in CHF)

1. Reguläres Budget ­ Jahresbeitrag an den Fonds für den «Capital Master Plan» 2. UNO-Gerichtshöfe ­ Intern. Strafgericht für Ex-Jugoslawien ­ Intern. Strafgericht für Ruanda 3. Friedenserhaltende Operationen 4. Beiträge an Fonds für die zweijährige Budgetperiode: ­ Betriebsmittelfonds ­ Reservefonds für friedenserhaltende Operationen Total

2004

2005

23 205 540

26 625 903 266 362

26 556 374 2 391 695

2 498 882

2 432 929

2 165 390

1 868 347

1 920 927

1 794 187 54 137 240

2006

84 697 54030 48 100 00031

­103 950

81 531 899

115 891 081

81 134 386

Umrechnungskurse USD-CHF 2004 = 1,35 2005 = 1,25 2006 = 1,30

Der Beitragssatz der Schweiz für die Jahre 2001­2003 betrug 1,274 %. Für 2004­ 2006 wurde er laut Beschluss der UNO-Generalversammlung auf 1,197 % gesenkt.

30 31

Inklusive eines Zusatzkredits in der Höhe von 41,1 Millionen Franken.

Kostenvoranschlag 2006. Die genauen Ausgaben für die friedenserhaltenden Operationen werden erst Ende 2006 feststehen.

5689

Anhang 2

Die internationalen Organisationen in der Schweiz in Zahlen Internationale Organisationen in der Schweiz mit Sitzabkommen

25 (davon 22 in Genf)

Büro der Vereinten Nationen in Genf (UNOG)

1

UNO-Sonderorganisationen Beispiele: Weltgesundheitsorganisation (WHO), Internationale Arbeitsorganisation (ILO), Weltpostverein (UPU, Bern)

7

Internationale Organisationen ausserhalb des UNO-Systems Beispiele: Europäische Freihandelsassoziation (EFTA), Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ, Basel), Europäische Organisation für Kernforschung (CERN), Welthandelsorganisation (WTO) Internationale Organisationen quasi-zwischenstaatlichen Charakters in der Schweiz mit Steuerabkommen

17

5

Beispiele: Internationaler Luftverkehrsverband (IATA), Internationaler Flughafenrat (ACI), Weltunion für die Natur (IUCN, Gland/VD) Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mit zwischenstaatlichem Charakter NGOs mit Sitz in Genf mit beratendem Status bei den Vereinten Nationen Internationale Sportverbände und -organisationen

ca. 170 ca. 30

Ausländische Staaten und ständige Missionen und Vertretungen Vertretungen ausländischer Staaten UNOG, WTO oder Abrüstungskonferenz

155

Tagungen, Delegierte und offizielle Besuche Tagungen und Konferenzen internationaler Organisationen in der Schweiz

ca. 2 500

Teilnehmende Delegierte sowie Expertinnen und Experten

ca. 130 000

Teilnehmende Staats- und Regierungschefs sowie Minister

ca. 3 000

5690

Finanzielle Angaben (in CHF) Jährliches Gesamtbudget der internationalen Organisationen in Genf Schweizer Beitragszahlungen an internationale Organisationen mit Sitz in Genf Geschätzte Ausgaben der internationalen Organisationen mit Sitzabkommen in der Schweiz

ca. 8 Mia.

ca. 237 Mio.

ca. 5 Mia.

Internationale Gemeinschaft in der Schweiz (Zahlen gerundet) Arbeitsplätze in den internationalen Organisationen in der Schweiz

ca. 18 000

Arbeitsplätze in den internationalen Organisationen in Genf

ca. 16 000

Arbeitsplätze in den diplomatischen Vertretungen in Genf Arbeitsplätze in quasi-zwischenstaatlichen Organisationen in der Schweiz Arbeitsplätze in internationalen NGOs in Genf

ca. 3 600 ca. 900 ca. 2 400

Internationale Gemeinschaft (Angestellte und Familienangehörige)

ca. 35 000

Weitere Arbeitsplätze im Zusammenhang mit der internationalen Rolle von Genf

ca. 14 000

Weitere Informationen sind auf der Website der Ständigen Mission der Schweiz beim Büro der Vereinten Nationen und bei den anderen internationalen Organisationen in Genf (http://www.eda.admin.ch/geneva_miss/f/home/numbe.html) sowie auf der Website des Statistischen Amts des Kantons Genf (www.geneve.ch/statistique) abrufbar.

5691

5692