Verwendung der überschüssigen Goldreserven der Schweizerischen Nationalbank: Rechtliche und politische Feststellungen aus der Perspektive der Oberaufsicht Bericht vom 7. Februar 2006 der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Stellungnahme des Bundesrates vom 28. Juni 2006

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Am 7. Februar 2006 hat die GPK-N dem Bundesrat ihren Bericht «Verwendung der überschüssigen Goldreserven der Schweizerischen Nationalbank: Rechtliche und politische Feststellungen aus der Perspektive der Oberaufsicht» vorgelegt. Der Bundesrat nimmt mit Befriedigung davon Kenntnis, dass er ­ auch nach Auffassung Ihrer Kommission ­ mit der Behandlung der überschüssigen Goldreserven als Aufwertungsgewinn und deren Ausschüttung rechtmässig gehandelt hat.

Zu den im Bericht der GPK-N gemachten Feststellungen sowie zur Empfehlung nimmt der Bundesrat wie folgt Stellung: Feststellung 1: Nicht erfolgte Verstetigung der Gewinnausschüttung Die Mehrheit der GPK-N ist der Ansicht, dass die Verteilung der 21,1 Milliarden Franken innerhalb von drei Monaten rechtlich fragwürdig ist. Aus ihrer Sicht hätte die Ausschüttung des Golderlöses ähnlich wie beim ordentlichen Gewinn mittelfristig, also über eine Zeitspanne von zehn Jahren, erfolgen müssen. Es ist für sie nicht nachvollziehbar, wieso die Gewinnverteilungsregel ein Drittel Bund und zwei Drittel Kantone des Artikels 31 Absatz 2 erster Satz NBG anwendbar sein soll, während der Verstetigungsgrundsatz des zweiten Satzes desselben Absatzes im vorliegenden Fall keine Anwendung findet. Das gewählte Vorgehen des Bundesrates und der Nationalbank hätte in der Einschätzung der Mehrheit einer besonderen Rechtsgrundlage bedurft.

Der Bundesrat teilt die Meinung der Mehrheit der GPK-N nicht. Er ist überzeugt, dass die Ausschüttung der 21,1 Milliarden Franken innerhalb von drei Monaten rechtens war.

Artikel 31 Absatz 2 Nationalbankgesetz vom 3. Oktober 2003 (NBG)1 verlangt, dass EFD und SNB für einen bestimmten Zeitraum die Höhe der jährlichen Gewinnausschüttungen an Bund und Kantone vereinbaren «mit dem Ziel, diese mittelfristig zu 1

SR 951.11

2006-1233

6293

verstetigen». Die mehrjährige Glättung wurde auf Wunsch der Kantone eingeführt und soll für sie sowie für den Bund die Planungssicherheit erhöhen. Die SNBGewinne können infolge der Goldpreis- und Wechselkursentwicklung von Jahr zu Jahr äusserst stark schwanken. Ohne Verstetigung hätten Bund und Kantone keinerlei Anhaltspunkte über die Höhe der zu erwartenden Ausschüttung der SNB. Die Verstetigung erleichtert ihnen die Finanzplanung.

Beim Golderlös handelte es sich um ein Sondervermögen, das durch die Auflösung stiller Reserven auf dem Gold entstand. Entsprechend wurde es in der Bilanz der SNB separat ausgewiesen. Die Höhe dieses Vermögens (21,1 Mrd. Fr.) war bekannt.

Die Planungssicherheit war in diesem Fall für die Kantone gegeben. Eine Verstetigung zwecks Reduktion von Unsicherheit war somit nicht nötig. Es war aber diese Unsicherheit, die der Gesetzgeber im Auge hatte, als er in Artikel 31 Absatz 2 die Glättung der Ausschüttung festschrieb. Die Ausschüttung des Sondervermögens beeinträchtigte die ordentliche, verstetigte Gewinnausschüttung in der Höhe von 2,5 Milliarden Franken pro Jahr nicht.

Weil bei dem im Betrag feststehenden Sondervermögen eine Glättung der Gewinnausschüttung, wie sie Artikel 31 Absatz 2 NBG vorsieht, nicht zielführend gewesen wäre, bestand keine Rechtsgrundlage, dieses bei der SNB zurückzubehalten. Im Gegensatz dazu dient die Ausschüttungsreserve zur Verstetigung der Gewinnausschüttung, insbesondere in Jahren mit einem negativen Ergebnis der SNB.

Die Frage, wie die 21,1 Milliarden Franken ausgeschüttet werden sollen, wurde zudem in einer technischen Arbeitsgruppe2 diskutiert. Dieser Arbeitsgruppe gehörten die Schweizerische Nationalbank, das Eidgenössische Finanzdepartement und insbesondere die Hauptbegünstigten, sprich die Kantone, vertreten durch die KdK und die FDK, an. Diese Arbeitsgruppe empfahl eine rasche Substanzausschüttung des Sondervermögens. Die Kantone ihrerseits befürworteten ausdrücklich diese Vorgehensweise.

Prof. Paul Richli kommt denn auch in der Ergänzung vom 4. Oktober 2005 (Ziff. 4; BBl 2006 6287) zu seinem gutachtlichen Bericht vom 28. Juli 2005 zum eindeutigen Schluss, dass Bund und SNB Artikel 31 Absatz 2 NBG nicht verletzten, indem sie den einmalig hohen Betrag der Realisierung der stillen Reserven nicht in die Verstetigung der Gewinnausschüttung
einbezogen haben.

Feststellung 2: Verteilung der 21,1 Milliarden Franken im Jahr 2005 Seitens des Bundesrates wurde das zweite Nichteintreten des Ständerates auf die Vorlage des Bundesrates zur Verwendung von 1300 Tonnen Nationalbankgold am 16. Dezember 2004 als das relevante Ereignis betrachtet, das letztlich zur Gewinnausschüttung führte. Auch Prof. Paul Richli stellte in diesem Zusammenhang keine Verletzung einer Rechtspflicht fest. Die Kommission ist jedoch der Meinung, dass ein anderes Vorgehen ebenfalls möglich gewesen wäre, wenn man beispielsweise das Datum des Bundesratsentscheids vom 2. Februar 2005 als das relevante Ereignis herangezogen hätte.

2

Technische Aspekte einer allfälligen Vermögensübertragung im Wert von 1300 Tonnen Gold von der Schweizerischen Nationalbank an Bund und Kantone, 22. Dez. 2004 http://www.efd.admin.ch/dokumentation/zahlen/00578/00894/index.html?lang=de

6294

Bei der Veröffentlichung der Eckwerte des Jahresergebnisses 2004 am 27. Januar 2005 wies die SNB den Verkaufserlös der 1300 Tonnen Gold noch nicht als Gewinn aus. Am Bilanzstichtag des 31. Dezember 2004 war noch offen, wie der Bundesrat in der Frage der Verwendung des Golderlöses verfahren würde. Allerdings stellte sich schon zu diesem Zeitpunkt die Frage, ob die Weiterführung der Rückstellung für die Abtretung der freien Aktiven in der Bilanz der SNB noch gerechtfertigt war, nachdem der Ständerat am 16. Dezember 2004 zum zweiten Mal Nichteintreten auf die Goldverwendungsvorlage des Bundesrates beschlossen hatte.

Nach dem Entscheid des Bundesrates vom 2. Februar 2005, das Goldvermögen sei zu einem Drittel an den Bund und zu zwei Dritteln an die Kantone auszuschütten, beschloss der Bankrat am 25. Februar 2005, den Goldverkaufserlös im Jahresabschluss 2004 der SNB erfolgswirksam zu verbuchen. Bei der SNB handelt es sich um eine börsenkotierte Aktiengesellschaft, sie hat sich entsprechend an die Rechnungslegungsvorschriften gemäss Swiss GAAP FER zu halten. Die nachträgliche Korrektur der bereits publizierten Eckdaten des Jahresabschlusses 2004 durch die SNB stand damit im Einklang. Dies wird von Prof. Paul Richli in seinem Gutachten vom 28. Juli 2005 (Ziff. 3; BBl 2006 6268) bestätigt.

Sowohl die gesetzliche Revisionsstelle der SNB, PricewaterhouseCoopers, als auch die Schweizer Börse SWX haben die nachträgliche Korrektur der Eckwerte gutgeheissen. Auch die Generalversammlung der SNB hat die entsprechende Verwendung des Bilanzgewinnes 2004 genehmigt.

Feststellung 3: Gewährleistung der Partizipationsrechte von Parlament und Stimmvolk Die Ausschüttung des Erlöses aus dem Verkauf der überschüssigen Goldreserven gemäss Artikel 31 Absatz 2 NBG ist nach Auffassung der Mehrheit der GPK-N zu kritisieren. Es führte letztlich dazu, dass sich weder das Parlament noch das Volk zur Ausschüttung der 21,1 Milliarden Franken äussern konnte und dadurch politischer Schaden entstand.

Der Bundesrat teilt diese Einschätzung nicht. Am 22. September 2002 lehnten Volk und Stände zwei Vorlagen über die Verwendung der von der SNB nicht mehr benötigten Aktiven im Gegenwert von 1300 Tonnen Gold ab, nämlich die «Goldinitiative» der SVP und den Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament «Gold für AHV, Kantone und Stiftung». Für
den Fall eines doppelten Neins versprach der Bundesrat, dem Parlament eine neue Vorlage zu unterbreiten. Dieses Versprechen löste der Bundesrat ein, doch scheiterte die Vorlage in der Wintersession 2004 im Parlament.

Der Bundesrat war der Ansicht, dass eine weitere Suche nach einem parlamentarischen Kompromiss nicht erfolgsversprechend gewesen wäre, zumal die Meinungen im Parlament weit auseinander lagen, sowohl zur Frage des konkreten Verwendungszweckes als auch darüber, ob bloss die Erträge des Vermögens oder dessen Substanz für einen neuen Zweck verwendet werden sollten. Der Verzicht auf die Suche nach einem neuen Zweck für das Goldvermögen und die Anwendung des bestehenden Rechts und damit die Ausschüttung des Goldvermögens zu einem Drittel an den Bund und zu zwei Dritteln an die Kantone stellte somit für den Bundesrat die logische Konsequenz dar. Gestützt wird dieses Handeln auch durch 6295

das Parlamentsgesetz. Artikel 95 Buchstabe a besagt, dass die zweite Ablehnung des Eintretens durch einen Rat endgültig ist, d.h. die Vorlage ist gescheitert. Es kommt also geltendes Recht zur Anwendung.

Feststellung 4: Informationspolitik des Bundesrates Laut GPK-N ist der Entscheid, die Erlöse aus den überschüssigen Goldreserven nach dem regulären Verteilschlüssel auszuschütten, rechtlich vertretbar.

Die GPK-N stellt jedoch fest, dass das Auftreten des Bundesrates und sein Umgang mit der Öffentlichkeit und dem Parlament in mehreren Punkten nicht konsistent und transparent waren. Die GPK-N ist der Ansicht, dass der Bundesrat sein Vorgehen und seine Beweggründe dem Parlament und der Bevölkerung früher, deutlicher und ausführlicher hätte kommunizieren müssen.

Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist die vom Bundesrat nicht begründete plötzliche Eile, mit der der Gewinn aus der Realisierung des Aufwertungsgewinns verteilt wurde.

Im Bericht der GPK-N (Punkt 4.2) ist zu lesen: «Die Aufarbeitung der verschiedenen Dokumente zeigte, dass der Bundesrat eine Verteilung der überschüssigen Goldreserven nach dem regulären Gewinnverteilschlüssel (Art. 99 Abs. 4 BV) im Falle eines Scheiterns sämtlicher Goldvorlagen nie vollständig ausschloss.» Eine Ausschüttung der überschüssigen Goldreserven nach dem regulären Verteilschlüssel stand jedoch für den Bundesrat bis zum 16. Dezember 2004 nicht im Vordergrund.

Bis zu diesem Zeitpunkt strebte er eine andere Verteilung des Golderlöses an. Entsprechend nahm die Verteilung nach dem regulären Verteilschlüssel auch keinen prominenten Platz in der Kommunikation des Bundesrates ein. Als der Ständerat am 16. Dezember 2004 zum zweiten Mal Nichteintreten auf die Vorlage beschloss, fehlte jedoch die Rechtsgrundlage für das weitere Zurückbehalten des Erlöses aus dem Goldverkauf bei der SNB. Als einziger Ausweg blieb somit nur noch die Ausschüttung nach dem regulären Verteilschlüssel. Das EFD hat in den zuständigen Kommissionen verschiedentlich auf die Folgen eines Nichteintretens hingewiesen.

Der Entscheid, im Falle eines Nichteintretens die Ausschüttung nach dem regulären Verteilschlüssel vorzunehmen, kam somit nicht überraschend, sondern er war durchaus antizipierbar.

Der Vorwurf, der Bundesrat habe nicht immer konsistent und transparent kommuniziert, ist insofern nicht
berechtigt, als sich die Rahmenbedingungen im Verlauf der Golddebatte fundamental geändert haben. Der Entscheid des Ständerates hat dem Goldgeschäft eine neue Richtung gegeben. Die Variante, welche der Bundesrat zwar nicht ausgeschlossen, jedoch nie favorisiert hatte, stellte im veränderten Umfeld die einzig logische Konsequenz dar.

Empfehlung 1: Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, in Zukunft bei seinen Stellungnahmen klar zwischen seiner politischen uns seiner rechtlichen Beurteilung einer Situation zu unterscheiden und seine Entscheidgründe klar darzulegen. Dies gilt ganz besonders für Abstimmungserläuterungen. In den Stellungnahmen ist insbeson-

6296

dere auch das Weiterbestehen des geltenden Rechts als Variante mit einzubeziehen. Sowohl das Parlament wie auch die Öffentlichkeit müssen frühzeitig informiert werden, falls der Bundesrat in einem politisch bedeutenden Geschäft einen Richtungswechsel vornehmen will.

Der Bundesrat nimmt die Empfehlung zur Kenntnis. Er wird sich wie bisher auch in Zukunft bemühen, zwischen rechtlicher und politischer Beurteilung einer Situation zu unterscheiden. Er hält jedoch fest, dass auch bei der Behandlung der überschüssigen Goldreserven diese beiden Ebenen nicht vermengt wurden.

Geltendes Recht bleibt in Kraft, solange es nicht durch neues ersetzt wird. Scheitert eine Vorlage bei Volk oder Parlament, so bleibt das geltende Recht in Kraft und kommt zur Anwendung.

Der Bundesrat wird auch in Zukunft darauf achten, Parlament und Öffentlichkeit transparent und frühzeitig über Neueinschätzungen einer Situation zu informieren.

Er möchte jedoch betonen, dass es sich im Falle der Ausschüttung der 21,1 Milliarden Franken nicht um einen Richtungswechsel des Bundesrates handelte, sondern dass sich die Lage infolge des Parlamentsentscheides in der Wintersession 2004 neu präsentierte. Über den in der Folge gefassten Beschluss wurde am 2. Februar 2005 unmittelbar nach der Bundesratssitzung informiert.

Der Bundesrat erachtet keine Massnahmen als notwendig.

Mit freundlichen Grüssen

28. Juni 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

6297

6298