zu 05.470 Parlamentarische Initiative Teilrevision des Betäubungsmittelgesetzes Bericht vom 4. Mai 2006 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates Stellungnahme des Bundesrates vom 29. September 2006

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Erlassentwurf und Bericht vom 4. Mai 2006 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates betreffend Teilrevision des Betäubungsmittelgesetzes nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes (ParlG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

29. September 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2006-1746

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Am 4. Mai 2006 verabschiedete die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) ihren Bericht zur Parlamentarischen Initiative zur Teilrevision des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG) sowie den Entwurf zur Änderung des BetmG1. Gleichzeitig wurde der Bundesrat zur Stellungnahme eingeladen.

Ziel der vorgeschlagenen Änderungen des BetmG ist es, die mehrheitsfähigen Elemente des am 14. Juni 2004 im Nationalrat durch Nichteintreten gescheiterten bundesrätlichen Revisionsentwurfes zu verankern. Das Vier-Säulen-Modell sowie die heroingestützte Behandlung sollen definitiv im BetmG verankert werden. Die Vorlage will insbesondere den Jugendschutz, die Prävention und die Koordinationsrolle des Bundes stärken. Zudem werden die strengen Auflagen für die heute nicht zulässige medizinische Anwendung von Cannabis und Cannabisprodukten gelockert.

Die restlichen Cannabisfragen werden ausgeklammert und sollen gemäss der Parlamentarischen Initiative in einer zweiten Etappe angegangen werden.

2

Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Grundsätzliche Zustimmung zum Entwurf der Kommission

Der Bundesrat begrüsst die Vorlage, da sie die Grundsätze der seit Anfang der Neunzigerjahre breit akzeptierten und grösstenteils bereits umgesetzten schweizerischen Drogenpolitik gesetzlich verankern will. Die vorliegende Teilrevision übernimmt weitgehend die Vorschläge der bundesrätlichen Botschaft vom 9. März 20012 über die Änderung des BetmG.

Was die Trennung der mit Cannabis zusammenhängenden Fragen betrifft, so teilt der Bundesrat die politische Einschätzung, dass zuerst die im Grundsatz unumstrittenen Aspekte im BetmG verankert werden sollen, obschon betreffend des Umganges mit Cannabis und seinen Produkten nach wie vor Handlungsbedarf besteht.

2.2

Änderungsanträge

2.2.1

Artikel 1: Zweck und Gegenstand

Gesetzesentwurf der SGK-N: Im ersten Buchstaben von Absatz 1 des Zweckartikels wird festgehalten, dass das Gesetz dem Konsum von Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen durch Förderung der Abstinenz vorbeugen soll.

Antrag des Bundesrates und Gründe: Der Bundesrat unterstützt die Meinung, dass Betäubungsmittel und psychotrope Stoffe aus gesundheitlichen Gründen grundsätz1 2

SR 812.121 BBl 2001 3715

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lich nicht konsumiert werden sollten. Er beantragt jedoch aus folgenden Gründen die Anpassung des Buchstabens a von Absatz 1: ­

Die Abstinenz stellt vor allem ein Ziel der Primärprävention (gar kein Einstieg) und teilweise der Therapie dar. So wird beispielsweise in Artikel 3d Absatz 2 des Erlassentwurfes explizit festgehalten, dass das Ziel der Behandlung sein soll, die Bedingungen zu schaffen, die ein drogenfreies Leben ermöglichen. Drogenabhängigkeit stellt für einen Teil der Betroffenen, meist junge Menschen, eine schwierige Lebensphase dar. Für andere hingegen ist sie eine Krankheit, deren Behandlung viele Jahre dauern kann.

Die Schadenminderung hat deshalb nicht ausschliesslich die unmittelbare Abstinenz zum Ziel, sondern die Reduktion der gesundheitlichen und sozialen Risiken und Schäden während der Abhängigkeitsphase.

Im Zweckartikel geht es jedoch darum, generell die Ziele des Gesetzes darzulegen; sie sollen den Rahmen für alle nachfolgenden Bestimmungen geben und Geltung für das ganze Gesetz haben. So erwähnt der Zweckartikel als Ziele des Gesetzes die Reduktion der sozialen und gesundheitlichen Folgen des Konsums von Suchtmitteln und den Schutz der öffentlichen Ordnung.

Die Förderung der Abstinenz stellt in diesem Rahmen nur einen Teilaspekt dar und gehört somit nicht in einen Zweckartikel.

­

Zudem erscheint die im Artikel gewählte Formulierung (das Gesetz solle dem Konsum von Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen durch Förderung der Abstinenz vorbeugen) als missverständlich und zu absolut.

Der Konsum von Betäubungsmitteln ist bereits heute in bestimmten Fällen durchaus zulässig, z.B. bei Betäubungsmitteln, die als Arzneimittel verwendet werden. Daran sollte auch in Zukunft nichts geändert werden. Deshalb sollte klargestellt werden, dass dem unbefugten Konsum von Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen vorzubeugen ist, die Verwendung von Betäubungsmitteln als Arzneimittel in der Medizin jedoch weiterhin zulässig ist.

Der Bundesrat beantragt daher für Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a BetmG folgende Formulierung: «dem unbefugten Konsum von Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen vorbeugen.»

2.2.2

Artikel 1a Absatz 1 Buchstabe a und Absatz 2: Vier-Säulen- Prinzip

Gesetzesentwurf der SGK-N: In Absatz 1 wird die Prävention als einer der vier Bereiche erwähnt, in welchem Bund und Kantone Massnahmen zu treffen haben.

Nach Absatz 2 des Artikels sollen beim Treffen dieser Massnahmen insbesondere die Anliegen wiederum der Prävention berücksichtigt werden.

Antrag des Bundesrates und Gründe: Der Hinweis auf die zu berücksichtigenden Anliegen der Prävention in Absatz 2 ist überflüssig, da die Prävention gerade einen der Bereiche darstellt, in welchem Massnahmen zu treffen sind. Der Bundesrat beantragt daher, in Absatz 2 den Satzteil «sowie der Prävention» wegzulassen.

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2.2.3

Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben d und e: Begriff «Präparate»

Gesetzesentwurf der SGK-N: Präparate sind verwendungsfertige Betäubungsmittel und psychotrope Stoffe; Betäubungsmittel und psychotrope Stoffe sind definitionsgemäss abhängigkeitserzeugend. Es besteht somit ein Widerspruch zur Definition des Begriffs «Präparate» (vgl. nächsten Abschnitt).

Antrag des Bundesrates und Gründe: Die Umschreibung des Begriffs der Präparate steht im Widerspruch zur Umschreibung der Vorläuferstoffe in Buchstabe e («Stoffe und Präparate, die keine Abhängigkeit erzeugen ...»): Die Präparate sind per definitionem verwendungsfertige Betäubungsmittel und psychotrope Stoffe; diese beiden wiederum sind «abhängigkeitserzeugend» (Bst. a und b). Nach Buchstabe e soll es nun offenbar aber auch Präparate geben, die nicht abhängigkeitserzeugend sind. Der Bundesrat beantragt daher, in Buchstabe e den Ausdruck «Präparate» zu streichen.

Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe e lautet dann wie folgt: «e. Vorläuferstoffe: Stoffe, die keine Abhängigkeit erzeugen, die aber in Betäubungsmittel oder psychotrope Stoffe überführt werden können;»

2.2.4

Artikel 3d Absatz 3, 3e Absatz 2 und 3i Absatz 3: Anhörungsrecht der Kantone

Gesetzesentwurf der SGK-N: Der Bundesrat erhält die Kompetenz - jeweils mit der ausdrücklichen Verpflichtung, vorher die Kantone anzuhören -, Empfehlungen über die Grundsätze zur Finanzierung von Suchttherapien und Wiedereingliederungsmassnahmen zu erlassen, bezüglich der betäubungsmittelgestützten Behandlung Rahmenbedingungen festzulegen sowie selbst ergänzende Massnahmen zur Verminderung der Suchtprobleme zu treffen.

Antrag des Bundesrates und Gründe: Der Bundesrat beantragt die Streichung des Zusatzes «nach Anhörung der Kantone» in den Artikeln 3d Absatz 3, 3e Absatz 2 und 3i Absatz 3 des Erlassesentwurfes. Mit dem am 1. September 2005 in Kraft getretenen Bundesgesetz vom 18. März 20053 über das Vernehmlassungsverfahren (Vernehmlassungsgesetz) wird die Beteiligung verwaltungsexterner Kreise an der Meinungs- und Entscheidfindung des Bundes abschliessend geregelt. Der Bundesrat hat sich in seiner Botschaft vom 21. Januar 20044 zum Vernehmlassungsgesetz zur Frage der spezialgesetzlichen Anhörungsbestimmungen geäussert. Auf die gesetzliche Verankerung punktueller Anhörungsrechte ist nach dem klaren Willen des Bundesrates künftig zu verzichten5.

3 4 5

SR 172.061 BBl 2004 533 BBl 2004 543 f.

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2.2.5

Artikel 3f Absatz 1: Datenbearbeitung

Gesetzesentwurf der SGK-N: In Absatz 1 wird festgehalten, dass die Behörden und Institutionen, die betäubungsmittelabhängige Personen betreuen oder behandeln, berechtigt sind, im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben Personendaten, besonders schützenswerte Personendaten und Persönlichkeitsprofile zu bearbeiten.

Antrag des Bundesrates und Gründe: Der Bundesrat beantragt, den Zweck der Personendatenbearbeitung aus Gründen des Datenschutzes klarer zu umschreiben, und schlägt daher ­ in Anlehnung an den geltenden Artikel 8a BetmG ­ folgende Neuformulierung von Artikel 3f Absatz 1 vor: «Die für den Vollzug dieses Gesetzes zuständigen Behörden und Institutionen sind berechtigt, Personendaten, besonders schützenswerte Personendaten und Persönlichkeitsprofile zur Überprüfung der Voraussetzungen und des Verlaufs der Behandlung von betäubungsmittelabhängigen Personen zu bearbeiten.»

2.2.6

Artikel 3j: Forschungsförderung

Gesetzesentwurf der SGK-N: Dieser Artikel, der die Förderung der wissenschaftlichen Forschung im Zusammenhang mit den suchtbedingten Störungen als Ziel hat, stellt sicher, dass die wissenschaftlichen Grundlagen zur Erkennung von Trends, Ursachen und Wirkungen sowie zur Überprüfung der Wirksamkeit getroffener Massnahmen im bisherigen Rahmen erarbeitet werden können.

Antrag des Bundesrates und Gründe: der Bundesrat schlägt für den Artikel 3j folgende Formulierung vor: «Der Bund kann im Rahmen des Forschungsgesetzes vom 7. Oktober 19836 wissenschaftliche Forschung namentlich in folgenden Bereichen selbst durchführen, in Auftrag geben oder unmittelbar unterstützen: a.

Wirkungsweise abhängigkeitserzeugender Stoffe;

b.

Ursachen und Auswirkungen suchtbedingter Störungen;

c.

präventive und therapeutische Massnahmen;

d.

Verhinderung oder Verminderung suchtbedingter Störungen;

e.

Wirksamkeit von Wiedereingliederungsmassnahmen.»

Die vorgeschlagene Änderung bedeutet eine Anpassung an die Forschungspraxis im Bereich Betäubungsmittel und schafft Übereinstimmung mit dem Forschungsgesetz (FG). Das FG regelt die Forschungsförderung des Bundes umfassend und stellt damit eine koordinierte Forschungspolitik sicher. Die Bundesverwaltung tritt im BetmG als Forschungsorgan im Sinne von Artikel 5 Buchstabe c des Forschungsgesetzes auf; bei den für die erwähnte Forschung eingestellten Krediten handelt es sich nicht um Subventionen, sondern um Ressortforschungsmittel. Der Bundesrat schlägt deshalb eine mit FG Artikel 5 übereinstimmende Formulierung vor. Mit dem «namentlich» wird verdeutlicht, dass die Aufzählung keine abschliessende ist.

6

SR 420.1

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2.2.7

Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b: Streichen von Heroin aus der Liste der verbotenen Betäubungsmittel

Gesetzesentwurf der SGK-N: Die SGK-N will Diazetylmorphin und seine Salze (Heroin) in der Liste der verbotenen Stoffe gemäss Artikel 8 Absatz 1 belassen.

Geltendes Gesetz: Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b BetmG verbietet grundsätzlich neben dem Anbau auch die Einfuhr, die Herstellung und das Inverkehrbringen von Heroin. Ein legaler Umgang mit Heroin in der Schweiz ist nur mit einer Ausnahmebewilligung des BAG und nur für die heroingestützte Behandlung oder aber für wissenschaftliche Forschung, Bekämpfungsmassnahmen oder eine beschränkte medizinische Anwendung möglich (Art. 8 Abs. 5­8 BetmG). Für die Einfuhr bedarf es einer zusätzlichen Bewilligung von Swissmedic (gestützt auf Art. 5 BetmG).

Diese Bewilligung bezweckt die genaue Kontrolle, wie viel Heroin für welche Verwendung in die Schweiz eingeführt wird. Die heroingestützte Behandlung ist eine Therapiemöglichkeit und ist ­ allerdings vorerst befristet ­ im BetmG geregelt.

Das BAG erteilt zudem die Institutions-, Arzt- und Patientenbewilligungen (vgl.

hierzu insbesondere Artikel 16 der Verordnung vom 8. März 19997 über die ärztliche Verschreibung von Heroin).

Antrag des Bundesrates und Gründe: Der Bundesrat beantragt, Heroin aus der Liste der verbotenen Stoffe zu streichen. Verbotene Stoffe sind grundsätzlich weder verschreibungs- noch verkehrsfähig. Dies trifft so auf Heroin nicht mehr zu. Heroin steht heute im Rahmen der heroingestützten Therapie als ärztlich verschreibbare Substanz mit regelmässiger Anwendung zur Verfügung. Heroin wurde als Arzneimittel registriert und wird von der Krankenversicherung8 übernommen. Internationalrechtlich ist eine medizinische Anwendung von Heroin möglich: Nach dem internationalen Einheits-Übereinkommen von 1961 über die Betäubungsmittel9 haben die Vertragsparteien zwar alle erforderlichen Kontrollmassnahmen im Hinblich auf die besonderen gefährlichen Eigenschaften von Betäubungsmitteln von Tabelle IV zu treffen. Sie können, müssen jedoch nicht, auch ein Verbot für diese Stoffe verfügen. Davon ausgenommen sollen aber die für die medizinische und wissenschaftliche Forschung benötigten Mengen sein (vgl. Art. 2 Abs. 5 Bst. a und b des Einheits-Übereinkommens).

Eine Umklassierung zu den verschreibbaren Betäubungsmitteln (wie Morphin, Methadon) ist daher angezeigt.

Die Rahmenbedingungen für die heroingestützte
Behandlung bleiben dieselben wie heute und sind in Artikel 3e Absätze 1­3 des Erlassentwurfes geregelt. Auch am System der Bewilligungen, wie in der Verordnung über die ärztliche Verschreibung von Heroin festgehalten, wird sich nichts ändern. Für die befugte Verwendung von Heroin würden die für Betäubungsmittel üblichen Bestimmungen gelten (vgl.

Art. 4 ff. BetmG). Der unbefugte Gebrauch von Heroin nach den Artikeln 19 ff.

BetmG bleibt verboten und strafbar. Daran würde sich bei einer Streichung aus Artikel 8 BetmG nichts ändern.

Fazit: Eine Streichung von Heroin aus der Liste der verbotenen Stoffe für eine medizinische Verwendung ist vor dem Hintergrund des internationalen Rechts 7 8 9

SR 812.121.6.

Vgl. SR 832.112.31, Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV), Anhang 1, Ziffer 8.

SR 0.812.121.0

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zulässig und macht Sinn, nachdem es in der Schweiz für eine genau definierte Indikation als Arzneimittel eingesetzt wird, gestützt auf wissenschaftliche Studien eine Zulassung von Swissmedic hat und von der Krankenversicherung bezahlt wird.

2.2.8

Artikel 19­22: Korrektur der Strafdrohungen

Gesetzesentwurf der SGK-N: In den Artikeln 19­22 sind vom geltenden Recht abweichende Strafdrohungen vorgesehen, welche insbesondere den am 1. Januar 2007 in Kraft tretenden Änderungen des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches (AT-StGB) Rechnung tragen sollen.

Antrag des Bundesrates und Gründe: Der Bundesrat beantragt, die Strafdrohungen wie folgt zu formulieren: a.

In den Artikeln 19 Absatz 1, 19a, 20 Absatz 1 und 21: «Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer ...».

b.

In Artikel 19 Absatz 2: «Der Täter wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, womit eine Geldstrafe verbunden werden kann, bestraft, wenn er ...».

c.

In Artikel 20 Absatz 2, zweiter Satz: «... Die Freiheitsstrafe kann mit einer Geldstrafe verbunden werden.».

d.

In Artikel 21 Absatz 2: «Der Täter wird mit Busse bestraft, wenn er fahrlässig handelt.».

e.

In Artikel 22, erster Satz: «Mit Busse wird bestraft, wer ...».

Die von der SGK-N vorgeschlagenen Anpassungen der Strafdrohungen an den revidierten AT-StGB sind nicht korrekt. Werden die Strafdrohungen nicht entsprechend dem Antrag des Bundesrates geändert, führen sie in den meisten Fällen zu massiven Strafschärfungen gegenüber dem geltenden Recht. So würden beispielsweise die Straftaten nach den Artikeln 19 Absatz 1, 19a, 20 und 21 zu Verbrechen, die mit Freiheitsstrafe bis zu 20 Jahren bedroht wären, während es sich dabei nach geltendem Recht um Vergehen handelt, für die das Gesetz als Höchststrafe 3 Jahre Gefängnis vorsieht. Noch drastischer wäre die Strafschärfung bei den Taten nach den Artikeln 21 Absatz 2 und 22. Aus den bisherigen, mit Haft oder Busse bedrohten Übertretungen würden Verbrechen, die mit Freiheitsstrafen bis zu 20 Jahren bestraft werden könnten.

2.2.9

Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe d: Präzisieren der Ausbildungsstätte

Gesetzesentwurf der SGK-N: Als Qualifizierungstatbestand von Artikel 19 des BetmG-Entwurfes schlägt die SGK-N vor, strenger zu bestrafen, wer in einer Ausbildungsstätte oder ihrer unmittelbaren Umgebung gewerbsmässig Betäubungsmittel abgibt.

Antrag des Bundesrates und Gründe: Der Bundesrat beantragt, den Begriff der «Ausbildungsstätte» konkreter zu formulieren, da es sich um einen Qualifikationstatbestand handelt und dafür also ein höherer Strafrahmen gilt. Damit wird das Anliegen des Jugendschutzes verfolgt: Minderjährige Schülerinnen und Schüler sollen besser geschützt werden, indem der Täter mit einer höheren Strafe rechnen 8651

muss. Es sollte aber klargestellt werden, dass mit «Ausbildungsstätten» nicht beispielsweise Universitäten gemeint sind. Der Bundesrat beantragt daher, den Begriff wie folgt zu ergänzen: «Ausbildungsstätte vorwiegend für Jugendliche».

2.2.10

Artikel 28 Absatz 3: Pflicht zur Mitteilung kantonaler Strafentscheide statt an die Bundesanwaltschaft an das Bundesamt für Polizei

Gesetzesentwurf der SGK-N: In Absatz 3 wird die Pflicht kantonale Strafentscheide der Bundesanwaltschaft mitzuteilen auf die schweren Fälle nach Artikel 19 Absatz 2 beschränkt, sofern die Anklage eine unbedingte Freiheitsstrafe beantragt hat.

Antrag des Bundesrates und Gründe: Kantonale Strafentscheide zu schweren Fällen nach Artikel 19 Absatz 2 sollen nicht mehr der Bundesanwaltschaft, sondern dem Bundesamt für Polizei mitgeteilt werden.

Artikel 28 Absatz 3 BetmG: «3 Urteile, Strafbescheide und Einstellungsbeschlüsse in Fällen nach Artikel 19 Absatz 2 sind sofort nach ihrem Erlass in vollständiger Ausfertigung dem Bundesamt für Polizei mitzuteilen, sofern die Anklage eine unbedingte Freiheitsstrafe beantragt hat.» Artikel 19 Absatz 2 BetmG definiert die schweren Fälle. Die direkt betroffenen Einheiten im Bundesamt für Polizei ­ Dienst für Analyse und Prävention und die Bundeskriminalpolizei ­ sind daran interessiert, die im Artikel erwähnten Urteile zu erhalten, da sie für die Erledigung ihrer Arbeit von Bedeutung sind. Beide Stellen erhalten so wichtige Informationen, die ihnen ermöglichen, Kenntnisse und neue Tendenzen in ihren Tätigkeitsgebieten zu erweitern.

2.2.11

Art. 29c: Pilotprojekte zur Drogen-Kontrolle bei öffentlichen Anlässen

Gesetzesentwurf der SGK-N: Die SGK-N möchte, dass das Referenzlabor Pilotprojekte zur Drogen-Kontrolle bei öffentlichen Anlässen lancieren soll. Gedacht wird dabei in erster Linie an die grossen, vor allem von Jugendlichen besuchten Veranstaltungen («Rave-Parties»), an welchen bekanntlich viele Ecstasypillen und Designerdrogen konsumiert werden. Im Sinne der Prävention soll ein Pillentesting vor Ort durchgeführt werden können, das einerseits über die in den Pillen enthaltenen Substanzen Auskunft gibt und andererseits die Gelegenheit bieten soll, die potenziellen Konsumierenden von Designerdrogen über die damit zusammenhängenden Gefahren aufzuklären.

Antrag des Bundesrates und Gründe: Gegen sogenannte Pillentests hat der Bundesrat grundsätzlich nichts einzuwenden, sofern bestimmte Rahmenbedingungen eingehalten werden (z.B. strikte Auflagen bezüglich Sicherheit und Information). Er beantragt jedoch gleichwohl die Ablehnung dieser Bestimmung: ­

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Der präventive Effekt des «Drug-Checking vor Ort» (Testen von illegalen Drogen an öffentlichen Anlässen in der Partyszene mittels eines mobilen Labors) ist umstritten und nicht ausreichend belegt. Es besteht die Gefahr,

dass solche Drogentests als «Gütesiegel» für verbotene Substanzen missverstanden werden könnten.

­

Bereits nach geltendem Recht ist es möglich, beim BAG eine Ausnahmebewilligung für die Durchführung von «Pillentests» vor Ort zu beantragen, sofern die damit verbundenen technischen Auflagen erfüllt sind und die Zustimmung der veranstaltenden Kantone vorliegt.

­

Artikel 3i des vorliegenden Erlassentwurfes räumt dem Bund die Möglichkeit ein, selbst die Initiative zu ergreifen, um z.B. Impulse für neue, innovative Projekte geben zu können (beispielsweise für die Umsetzung neuer, wissenschaftlicher Erkenntnisse, die Lancierung von Pilotprojekten etc.). Es ist nicht einzusehen, wieso nur für diese eine Massnahme eine Sonderregelung geschaffen werden und diese «Lancierungsrolle» dem Referenzlabor auferlegt werden soll. Dem Bund, welcher eine Koordinationsrolle in der Drogenpolitik innehat, sollte vorbehalten sein zu entscheiden, für welche Projekte er sich in welchem Rahmen einsetzen will. Dabei soll er sich bei seinen Entscheiden auf verschiedene Faktoren stützen können: z.B. auf die Dringlichkeit des Anliegens, eine Analyse der bestehenden Lücken im Angebot, die Anzahl der betroffenen Personen, die diesbezüglichen Anliegen der Kantone und nicht zuletzt auf die verfügbaren finanziellen Mittel.

Zudem fällt die operative Umsetzung der drogenspezfischen Präventionsmassnahmen in die Zuständigkeit der Kantone.

Fazit: Der Bundesrat beantragt aus den dargelegten Gründen die Streichung des letzten Satzes von Artikel 29c Absatz 1 des Erlassentwurfes.

2.3

Bemerkungen und Präzisierungen

2.3.1

Artikel 28a in Verbindung mit den Artikeln 20­22: Verwaltungsstrafverfahren

Gesetzesentwurf der SGK-N: Es wird festgehalten, dass Widerhandlungen nach den Artikeln 20­22, welche im Vollzugsbereich des Bundes von der zuständigen Bundesbehörde festgestellt werden, von dieser verfolgt und beurteilt werden.

Bemerkung des Bundesrates: Der Bundesrat möchte eine Präzisierung zu den Ausführungen im Bericht der SGK-N zu Artikel 28a anbringen: Auf Bundesebene ist nicht ausschliesslich das Schweizerische Heilmittelinstitut zur Untersuchung und Beurteilung von Übertretungen und Vergehen im Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens zuständig. Die Zuständigkeit richtet sich vielmehr nach den einschlägigen Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen; diese ermächtigen auch andere Bundesstellen zur Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren. Bei dieser Gelegenheit möchte der Bundesrat zudem auf ein redaktionelles Versehen aufmerksam machen: In Artikel 21 Absatz 1 Buchstabe a ist der Verweis auf Artikel 17a zu streichen.

Dieser Verweis wurde aus der Botschaft des Bundesrates vom 9. März 2001 übernommen und betrifft die Cannabis-Thematik, die aber erst in einer zweiten Etappe angegangen werden soll.

8653

2.3.2

Artikel 30 Absatz 3: Ermächtigung des Bundesrates zum Erlass gesetzesderogierender Kontrollvorschriften

Gesetzesentwurf der SGK-N: In diesem Absatz, der auf bereits geltendem Recht beruht, wird festgehalten, dass der Bundesrat bei der Erteilung von Bewilligungen an Organisationen, Institutionen und Behörden im Sinne von Artikel 14a im Einzelfall die Befugnisse, die näheren Voraussetzungen ihrer Ausübung sowie die Art und Weise der durchzuführenden Kontrolle festlegt. Er kann bei der Regelung der Kontrolle nötigenfalls vom Gesetz abweichende Bestimmungen erlassen.

Bemerkung des Bundesrates: Der Bundesrat verweist darauf, dass diese Bestimmung, vor allem was die Möglichkeit des Erlasses abweichender Bestimmungen durch den Bundesrat angeht, restriktiv ausgelegt werden muss. Dies wird bereits in der Botschaft von 196810 dargelegt: «Dies wird unter Umständen notwendig sein, um die Anordnung und Durchführung der Kontrolle den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falles anzupassen und möglichst wirksam zu gestalten. (...) Allfällig vom Gesetz abweichende Bestimmungen sollen sich somit einzig auf die Kontrolle beziehen und nicht auf die den betreffenden Organisationen einzuräumenden besonderen Vergünstigungen und Kompetenzen. Es handelt sich also nicht darum, diesen Organisationen eine Vorzugsstellung einzuräumen, sondern vielmehr auch bei ihnen eine wirksame Kontrolle zu gewährleisten.»

2.3.3

Finanzielle und personelle Auswirkungen für den Bund

Bericht der SGK-N: In Ziffer 4 des Berichtes erwähnt die SGK-N, dass Mehrkosten als Folge der neuen Aufgaben entstehen. Total sind fünf neue Stellen vorgesehen, drei davon werden bereits heute durch den Sachkredit Drogenprävention finanziert.

Bemerkung des Bundesrates: Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass nach der Verabschiedung des revidierten BetmG Mehrkosten entstehen können, die heute noch nicht vollumfänglich bezifferbar sind. Im zurzeit in Erarbeitung stehenden Voranschlag 2007 und im Finanzplan 2008­2010 sind bereits gewisse Mittel für die Prävention eingestellt. Hingegen sind namentlich die zusätzlichen Aufwendungen für fünf neue Stellen im Personalkredit und weitere Sach- und Personalkosten von jährlich rund 1,2 Millionen bis 1,9 Millionen Franken (sofern die Schweiz der europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht beitreten möchte) noch nicht enthalten. Der Bundesrat muss sich - mit Rücksicht auf die haushaltpolitischen Notwendigkeiten (Einhaltung der Schuldenbremse) ­ vorbehalten, dass allfällige durch die vorgeschlagene Gesetzesrevision bedingte Mehrkosten durch entsprechende Priorisierungen (z.B. durch Mittelumschichtung bei den gesamten Präventionsausgaben) kompensiert werden müssten.

10

BBl 1968 I 737

8654

2.4

Minderheitsanträge

Im Bericht und Erlassentwurf der SGK-N finden sich acht Minderheitsanträge, auf die nicht im Einzelnen eingegangen wird. Der Bundesrat unterstützt bei allen bestrittenen Punkten die Kommissionsmehrheit.

3

Zusammenfassung

Der Bundesrat beantragt dem Nationalrat, auf die Vorlage einzutreten, seinen Änderungsanträgen zuzustimmen und die Anträge der Kommissionsminderheit abzulehnen.

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