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Extrabeilage

zum schweizerischen Bundesblatt.

Mittwoch, den 8. August 1849.

Ans den Verhandlungen des Bundesrathes.

Fluchtlingsangelegenheit.

Bericht des

schweizerischen Bundesrathes an die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft (Betheiligung der Eidgenossenschast an den Kosten.)

Bern, den 4. August 1849.

Tit..

Die Anwesenheit einer so großen Anzahl fremder

Flüchtlinge in der Schweiz muß notwendig überall die Frage zur Sprache bringen, wie es mit den Verpflegungsund Transportkosten derselben gehalten werde. Die Kantone haben unzweifelhaft ein großes Interesse dieses zu wissen, da die Ungewißheit darüber Bennrnhigung verursacht und B..ndesblatt I. Bd. II.

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.360 nicht wenig dazu beitragen dürfte, in die einheitliche Lei..

tung der Flüchtlingsangelegenheit Störungen zu bringen.

Wir erachten es daher für angemessen, daß die hohe Bun.^ desversammlung sich hierüber ausspreche und geben uns anmit die Ehre, Jhnen unsre Anficht hierüber vorzulegen.

Schon im vorigen Jahre sah die Tagsatzung sich veranlaßt, grundsätzlich die Betheiligung der Eidgenossenschast an den Kosten zu erklären, welche durch die Verpflegung der italienischen Flüchtlinge, besonders sür einige Kantone, entstanden sind. In diese Ansicht eingehend, haben wir Jhnen schon früher einen Bericht und Antrag vorgelegt.

Obwohl derselbe seine Erledigung noch nicht gefunden hat und wir daher nicht im Falle sind , uns auf ein eigentliches Präcedens berufen zu können, so halten wir gleichwohl dafür, daß die Verhältnisse des jetzigen Falles in noch höherm Maße dazu auffordern, in Bezug auf die fraglichen Kosten

grundsätzlich die Betheiligung der Eidgenossenschast auszusprechen. Wenn auch nach der Verfassung da, wo nicht ausnahmsweise die B^desbehörde beschränkend einschreitet, die Ausnahme von Flüchtlingen vom sreien Willen der Kantone abhängt, mithin auch die Folgen davon in der Regel auf sie fallen müssen, so treten hier Gründe ein, welche eine Ausnahme erforderlich machen. Die betreffenden Grenzkantone mußten nicht nur einer moralischen Nothwendigkeit weichen, sondern sie handelten insofern auch im Interesse der Eidgenossenschaft, als sie durch die Aufnahme

der Flüchtlinge Kollisionen zuvorkamen, welche für diefelbe möglicherweife von den gefährlichsten Folgen hätten sein können. Sodann hat die Bundesbehörde, sobald einmal die Grenze überschritten war, verfügen müssen, indem es ans politischen und andern Gründen unmöglich war, die Flüchtlinge in den Grenzkantonen zu belassen., durch Maßregeln der Bundesbehörde wurden also auch andere Kan-

361 tone , welche zu Ertheilung des Asyls vielleicht nicht geneigt waren, dazu genöthigt, und es ist die Angelegenheit daher auch von dieser Seite eine eidgenössische. Endlich mußte eine Anzahl von Kantonen aus politischen Rücksichten ganz oder großenteils von der Beibehaltung der Fluchtlinge besreit werden, wodurch die andern Kantone ebenfalls im Interesse der Eidgenossenschaft eine verhältnißmäßig größere Last übernehmen mußten. Diese Motive scheinen uns daher schon vom rechtlichen Standpunkt aus den Antrag zu begründen, daß die Eidgenossenschaft grund-

sätzlich ihre Betheiligung an den Verpflegungs- und Transportkosten der Flüchtlinge ausspreche. Allein wir verstehen diesen Antrag nur in dem Sinn, daß er sich beziehe aus die Flüchtlinge, welche in Folge der neusten Kriegsereignisse in größern oder kleinern Abtheilungen durch eidgenössifche Behörden oder mit nachheriger Genehmigung derselben unter die Kantone vertheilt wurden, keineswegs aber aus solche, welche einzeln oder in kleinern Abtheilungen aus verschiedenen Ländern mögen aufgenommen worden fein , ohne daß sie durch jene Kriegsereignisse aus das schweizerische Gebiet gedrängt wurden. Jm Fernern setzen wir die Beschränkung voraus, daß die Kantone keine Kosten anrechnen werden für solche Flüchtlinge, die durch Arbeit ihren Unterhalt sanden , oder deren Verpflegung von Gemeinden oder Privaten freiwillig übernommen wurdet Dagegen halten wir es nicht für angemessen und zweckmäßig , daß die h. Bundesversammlung sich jetzt schon über den Umfang der Betheiligung an den Kosten ausspreche.

Sollte ihr Entscheid dahin ausfallen, daß alle oder beinahe alle Kosten auf die Bundeskasse übernommen werden, so müßte dieses nach nnserm Dafürhalten von den nachtheiligsten Folgen fein. Das Interesse, die Flüchtlinge allmälig zu entfernen, würde großenteils schwinden, ebenso

362 das Bestreben, denselben Arbeit zu verschaffen; Gemeinden, Vereine und Privaten würden ihre Hand znrückziehn; die schweizerische Bevölkerung würde gewiß nicht ohne Beunruhigung in einer solchen Schlußnahme eine Art von Garantie erblicken, welche den Flüchtlingen eine längere und sorgenfreie Existenz in Aussicht stelle. Auch ist es nicht rathfam, eine umfassende Verpflichtung zu übernehmen, ehe man im Stande ist, deren Tragweite näher zu beurtheilen. Dieses kann aber nur gefchehen, wenn die erforderlichen Materialien alle gefammelt, die Rechnungen eingegangen und eensirt sind und man dadurch in den Stand gesetzt ist, den Gegenstand in seiner Gesammtheit auszufassen und mit den finanziellen Verhältnissen zu kombiniren. Jn diefer Weise ist auch in der italienischen Flüchtlingssache bisanhin verfahren worden, und obwohl die betreffenden Kantone schon längst und wiederholt dringliche Reklamationen gemacht haben, so hat sich doch die h. Bundesversammlung nicht bestimmen lassen, ohne vollständige Kenntniß der Rechnungen und übrigen Akten den Umsang der Betheiligung an den Kosten festzustellen.

Aus diesen Gründen tragen wir darauf an, daß Sie nur den Grundsatz der Betheiligung der Eidgenossenschaft an den Flüchtlingskosten ansfprechen und die Bestimmung des Umfangs einer spätern Sitznng vorbehalten, den Bundesrath mit den erforderlichen Vorarbeiten beauftragend.

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Jahr

1849

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

41

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04.08.1849

Date Data Seite

359-362

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