zu 03.411 Parlamentarische Initiative Wiederzulassung von Formel-1-Rennen Bericht vom 22. November 2005 der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates Stellungnahme des Bundesrates vom 1. Februar 2006

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht vom 22. November 2005 der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates zur parlamentarischen Initiative 03.411 «Wiederzulassung von Formel-1-Rennen» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes (ParlG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

1. Februar 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Die Vorlage der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates vom 22. November 2005 verfolgt den Zweck, Rundstreckenrennen wie zum Beispiel Formel-1-Rennen wieder zuzulassen. Aus diesem Grund soll das im Strassenverkehrsgesetz verankerte Verbot von öffentlichen Rundstreckenrennen aufgehoben werden. Das damals beschlossene Verbot war eine Folge des schweren Unglücks auf der Rennstrecke von Le Mans im Jahre 1955. Aus der Sicht der Kommissionsmehrheit ist dieses generelle Verbot als nicht mehr zeitgemäss zu betrachten, da sich die Sicherheit für die Zuschauerinnen und Zuschauer auf den modernen Rennstrecken erheblich verbessert hat. Es ist deshalb im Gesetzesentwurf geplant, die Rundstreckenrennen, wie andere motor- und radsportliche Veranstaltungen, einer generellen Bewilligungspflicht zu unterstellen. Die Bewilligung wird von den Kantonen erteilt, deren Gebiet befahren wird.

Für alle Rennen sollen grundsätzlich dieselben Bewilligungsvoraussetzungen gelten.

Können Veranstalter nicht gewährleisten, dass die erforderlichen Kriterien bezüglich Organisation, Verkehrssicherheit und Umweltschutz erfüllt sind, wird ihnen keine Bewilligung erteilt. Neu ist auf Gesetzesstufe als Bedingung formuliert, dass bei der Durchführung der Veranstaltungen keine wesentlichen schädlichen Auswirkungen auf die Bevölkerung und die Umwelt zu erwarten sind. Es besteht auch weiterhin kein Anspruch auf die Erteilung einer Bewilligung. Die Kantone haben somit einen Ermessensspielraum, um den örtlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Auch an der Kompetenz des Bundesrates, bestimmte Arten von motorsportlichen Veranstaltungen aus Gründen der Verkehrssicherheit und des Umweltschutzes zu verbieten, ändert sich nichts.

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Stellungnahme des Bundesrates

Die Vorlage zielt darauf ab, das seit 50 Jahren bestehende Verbot von öffentlichen Rundstreckenrennen in der Schweiz aufzuheben. Mit dem Vorstoss sollen die Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit insbesondere ein Formel-1-Rennen in der Schweiz durchgeführt und die für die Durchführung eines solchen Grossanlasses notwendige Infrastruktur bereitgestellt werden können. Angesichts der kleinräumigen Verhältnisse wie auch der wirtschaftlichen Voraussetzungen erachtet der Bundesrat dieses Vorhaben als kaum realisierbar. Der Bau einer modernen, für Formel1-Rennen geeigneten Rundstrecke in der Schweiz würde ein Investitionsvolumen von mehreren hundert Millionen Franken bedingen, deren Finanzierbarkeit in Frage gestellt werden muss. Auch die mit dem Betrieb und dem Unterhalt einer Rennstrecke verbundenen Kosten können die Wirtschaftlichkeit eines derartigen Projektes gefährden, wie neuere Beispiele im benachbarten Ausland zeigen. Des Weiteren sind in Anbetracht der neueren Entwicklungen in der Formel 1 und der geografischen Expansion auf aussereuropäische Märkte die Chancen der Schweiz eher als gering einzustufen, jemals den Zuschlag für die Durchführung eines solchen Rennens zu bekommen. Auch unter dem Aspekt der Verkehrssicherheit und der Ver1874

kehrserziehung wirft die generelle Zulassung von Rundstreckenrennen Fragen auf: Gegenwärtig unternehmen der Bund und die Kantone grosse Anstrengungen, um die Sicherheit im Strassenverkehr zu verbessern und die Zahl der Verletzten und Toten auf unseren Strassen erheblich zu verringern. So sind im Rahmen des Verkehrssicherheitsprogramms des Bundes, «Via sicura», Massnahmen geplant, welche die Verkehrssicherheit erhöhen und insbesondere Geschwindigkeitsüberschreitungen als eine der häufigsten Unfallursachen verhindern sollen. Angesichts dieses prioritären Ziels erscheint die Stossrichtung des Vorschlages als ungeeignet und unpassend. Die Wiederzulassung von Formel-1-Rennen und anderen Rundstreckenrennen, welche auf die Erreichung von Höchstgeschwindigkeiten ausgerichtet und mit einer erhöhten Risikobereitschaft verbunden sind, könnte nicht zuletzt wegen des so genannten Nachahmungseffektes bei gewissen Lenkerinnen und Lenkern - insbesondere bei der Anreise und Wegfahrt von solchen Veranstaltungen - den Zielen und den unternommenen Anstrengungen in diesem Bereich zuwiderlaufen. Auch wenn sich die Sicherheit der Zuschauerinnen und Zuschauer auf den modernen Rennstrecken in den letzten Jahren merklich verbessert hat, ist eine motorsportliche Veranstaltung immer mit einem beträchtlichen Risiko verbunden; dies belegen nicht zuletzt einige schwere Unfälle, welche sich anlässlich der Durchführung von Rallyes und Bergrennen in der Schweiz ereignet haben. So kann trotz strenger und umfassender Sicherheitsmassnahmen bei solchen Rennen ein Gefährdungspotential auch für die Zuschauerinnen und Zuschauer nicht ganz ausgeschlossen werden.

Aus Sicht des Umweltschutzes ist die Wiederzulassung von Formel-1-Rennen und anderen Rennen nicht zielführend, weil deren Durchführung einen erhöhten Schadstoffausstoss und Energieverbrauch zur Folge haben wird. Die Bevölkerung in der näheren Umgebung der Rennstrecke wird bei den motorsportlichen Veranstaltungen auch mit einer hohen Lärmbelastung rechnen müssen, was sich nachteilig auf ihre Lebensqualität auswirken kann. Diese negativen Folgen einer Aufhebung des Verbotes sind unvermeidlich, selbst wenn die Umweltvorschriften des Bundes vollständig eingehalten werden.

Demgegenüber ist der wirtschaftliche Nutzen solcher Veranstaltungen als eher gering und wenig nachhaltig
einzustufen. Gewiss können bei Grossveranstaltungen wie zum Beispiel Formel-1-Rennen Einnahmen in der Höhe von einigen Millionen Franken für den Tourismus und das lokale Gewerbe generiert werden. Diese Mehreinnahmen beschränken sich jedoch auf ein oder einige wenige Wochenenden im Jahr und können damit die Wertschöpfung in der Volkswirtschaft nicht signifikant steigern. Der Schweizer Tourismus setzt in seiner konzeptionellen Ausrichtung und Werbung mehr auf intakte Landschaften und Naturerlebnisse als auf Grossanlässe, um international als touristische Destination Erfolg zu haben. Die wirtschaftlichen und technologischen Impulse im Bereich der eigentlichen Zulieferbetriebe für die Automobilwirtschaft sind schwer abzuschätzen.

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In Relation zu diesen wirtschaftlichen und sportlichen Aspekten sind die erwähnten Probleme bezüglich der Verkehrssicherheit und des Umweltschutzes zu stellen. Der Gesetzgeber muss hier eine Abwägung der verschiedenen Interessen vornehmen. In Anbetracht der möglichen und tatsächlichen Folgen, welche mit der Wiederzulassung von Formel-1-Rennen verbunden sind, kann der Bundesrat die Schlussfolgerungen zugunsten dieses Vorhabens im Bericht der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates vom 22. November 2005 nicht teilen und lehnt die im Erlassentwurf vorgeschlagene Aufhebung des Verbots öffentlicher Rundstreckenrennen ab.

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