04.438/04.449 Parlamentarische Initiative Legislaturplanung Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 3. November 2005

Sehr geehrte Frau Präsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen die Entwürfe zu einer Änderung des Parlamentsgesetzes und des Geschäftsreglements des Nationalrates. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, den beiliegenden Entwürfen zuzustimmen.

3. November 2005

Im Namen der Kommission Der Präsident: Herman Weyeneth

2005-2918

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Übersicht Die Beratungen des Parlamentes über den «Bundesbeschluss über die Ziele der Legislaturplanung 2003­2007» im Sommer 2004 befriedigten in verschiedener Hinsicht nicht: ­

Der Aufwand für diese Beratungen schien mit ihrem Ertrag in keinem vernünftigen Verhältnis zu stehen. Nach ausufernden Debatten scheiterte der Entwurf in der Gesamtabstimmung des Nationalrates.

­

Der Entwurf des Bundesrates enthielt bloss sehr allgemeine und vage Ziele.

Die Beschlussfassung darüber erschien daher unverbindlich.

Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates will aber trotz der missglückten Beschlussfassung über die Legislaturplanung 2003­2007 an der parlamentarischen Mitwirkung in Form der Beratung eines einfachen Bundesbeschlusses festhalten. Die Bundesverfassung verlangt die Mitwirkung des Parlamentes an den wichtigen Planungen, weil bei diesen Planungen wichtige Vorentscheide für die Gesetzgebung ­ klassische Aufgabe des Parlamentes ­ gefällt werden. Ein einfacher Bundesbeschluss schafft die erwünschte politische Verbindlichkeit der Planungsentscheide des Parlamentes gegenüber dem Bundesrat. Das Verfahren der Beratung eines Erlassentwurfs erlaubt einen geordneteren und transparenteren Entscheidungsprozess als das frühere unbefriedigende Verfahren der Behandlung von zahlreichen «Richtlinienmotionen».

Die bei den Beratungen im Sommer 2004 aufgetretenen Mängel sollen wie folgt behoben werden: ­

Auf eine Gesamtabstimmung ist zu verzichten. Im schweizerischen politischen System kann nicht erwartet werden, dass sich eine Parlamentsmehrheit auf ein gemeinsames Programm einigt. In der Konkordanzdemokratie ergeben sich von Thema zu Thema wechselnde Mehrheiten ­ auch bei der Legislaturplanung. Die Funktion der parlamentarischen Beschlussfassung über die Legislaturplanung besteht darin, dass die je nach Thema wechselnde Parlamentsmehrheit dem Bundesrat verbindliche Vorgaben machen kann, welche gesetzgeberischen Ziele anzustreben sind und welche Gesetzesentwürfe vorbereitet werden müssen.

­

Das Parlament soll nicht nur über allgemeine Zielsetzungen, sondern auch über die zur Zielerreichung nötigen konkreten Massnahmen entscheiden können. Indem die Liste der Richtliniengeschäfte zum Gegenstand des Bundesbeschlusses gemacht wird, kann das Parlament bestimmen, welche Botschaften es vom Bundesrat erwartet und welche es nicht zu erhalten wünscht.

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­

Weil die Legislaturplanung die Bundespolitik in ihrer Gesamtheit betrifft und eine Debatte darüber daher ohne besondere Vorkehren fast unumgänglich auszuufern droht, soll der Entscheidungsprozess im Nationalrat besser strukturiert und eine Konzentration auf das Wesentliche herbeigeführt werden. Die Fraktionen und die vorberatende Kommission werden durch geeignete Massnahmen veranlasst, eine Auswahl von prioritären Diskussionsgegenständen zu bestimmen, die in einer von vorne herein beschränkten Gesamtredezeit im Plenum des Nationalrates behandelt werden können.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Änderung des Verfahrens der Legislaturplanung mit dem Parlamentsgesetz vom 13. Dezember 2002

Gemäss dem Parlamentsgesetz vom 13. Dezember 2002 unterbreitet der Bundesrat zu Beginn der Legislaturperiode der Bundesversammlung «einen Bericht über die Legislaturplanung und den Entwurf zu einem einfachen Bundesbeschluss über die Ziele der Legislaturplanung» (Art. 146 ParlG). Die parlamentarische Beratung dieses Erlassentwurfs erlaubt eine Stellungnahme zu allen vom Bundesrat vorgeschlagenen Zielen, deren Abänderung und Ergänzung.

Gemäss dem früheren Recht unterbreitete der Bundesrat der Bundesversammlung «einen Bericht über die Richtlinien der Regierungspolitik zur Kenntnisnahme» (Art. 45bis GVG). Die Bundesversammlung konnte dem Bundesrat mit Motionen zu diesem Bericht Aufträge erteilen, welche seine Planung abänderten oder ergänzten.

Dieses frühere Recht wurde letztmals im Jahre 2000 bei der Beratung der Legislaturplanung 1999­2003 angewendet. Die dabei gemachten Erfahrungen konnten unmittelbar in die zeitlich parallele Ausarbeitung des Parlamentsgesetzes durch die SPK des Nationalrates einfliessen. Das frühere Recht wurde als sehr unbefriedigend empfunden. Sowohl die SPK als auch die für die Legislaturplanung zuständige Spezialkommission des Nationalrates sprachen sich nach eingehender Diskussion einstimmig für die Einführung eines einfachen Bundesbeschlusses über die Legislaturplanung aus (siehe den Bericht der SPK des Nationalrates vom 1. März 2001, BBl 2001 3489­3498). Ein Antrag des Bundesrates, die «Grundsatz- und Planungsbeschlüsse» in Artikel 28 ParlG zu streichen (BBl 2001 5440 ff.), wurde vom Nationalrat am 28. Oktober 2001 mit 85:10 Stimmen abgelehnt und in der Folge im Ständerat nicht mehr aufrecht erhalten. Die wesentlichen Gründe, die für die Einführung des einfachen Bundesbeschlusses über die Legislaturplanung geltend gemacht wurden, werden unten in Ziffer 2.2 dargestellt.

1.2

Erfahrungen mit der Legislaturplanung 2003­2007

Am 25. Februar 2004 unterbreitete der Bundesrat seinen ersten Bericht über die Legislaturplanung nach neuem Recht (04.012; BBl 2004 1149). Bei der parlamentarischen Beratung traten zwei grössere Probleme zu Tage: ­

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Nach Abschluss der Beratungen in der Sommersession 2004 herrschte der Eindruck vor, dass der Aufwand und der Ertrag in keinem vernünftigen Verhältnis stehen. Im Nationalrat wurden 83 Minderheits- und 10 Einzelanträge gestellt. Für die erste Beratung waren in der Sessionsplanung maximal 13 Stunden vorgesehen; sie dauerte aber ca. 16 Stunden, obwohl mitten in der Detailberatung die Behandlungskategorie in der Weise geändert wurde, dass die Fraktionen zu den Mehrheits- und Minderheitsanträgen der Kommission kein Rederecht mehr hatten (Kat. IV statt III). Dieser Zeitaufwand wurde als unverhältnismässig gross empfunden; eine Kritik, die durch die Ablehnung des Bundesbeschlusses in der Gesamtabstimmung noch verstärkt

wurde. Der Ständerat konnte zwar seine Beratung erfolgreich abschliessen.

Nachdem aber der Nationalrat in seiner zweiten Beratung auf den Erlassentwurf nicht eingetreten war, war das Geschäft erledigt und damit die Mitwirkung des Parlamentes an der Legislaturplanung 2003­2007 überhaupt gescheitert.

­

Das Abstraktionsniveau des Entwurfes des Bundesrates gab zu weit verbreiteter, teils vehementer Kritik Anlass. Bereits die SPK hatte in ihrem Bericht zum Parlamentsgesetz ausgeführt: «Die Wahl des richtigen Konkretisierungsgrades ist von grosser Bedeutung. Wenn die Ziele zu allgemein und zu vage formuliert sind, dann wird die Beschlussfassung darüber nichtssagend» (BBl 2001 3493). Die in den Kommissionen und Räten gestellten Abänderungsanträge mussten sich notwendigerweise auf den bundesrätlichen Entwurf beziehen und blieben in der Folge weitgehend auf einem ähnlichen Abstraktionsniveau. Es bestand Unsicherheit darüber, ob Anträge zu konkreten Gesetzgebungsprojekten überhaupt erwünscht sind und wie solche Anträge gegebenenfalls in den Beschlussentwurf eingebaut werden können.

Der von der Kommission des Ständerates eingefügte Artikel 11a (AB 2004 SR 301 f.) zeigte immerhin eine mögliche Lösung dieses methodischen Problems auf.

Nach diesen negativen Erfahrungen stellte sich die Frage, ob zum früheren Recht zurückgekehrt werden sollte oder ob das neue Verfahren beibehalten, gegebenenfalls verbessert werden sollte. Diese Fragen wurden auch durch die in der Sommersession 2004 eingereichten parlamentarischen Vorstösse (04.438 Pa.Iv. Lustenberger. Legislaturplanung; 04.449 Pa.Iv. Rey. Legislaturplanung; 04.3389 Mo. Fraktion V. Legislaturplanung. Rückkehr zum alten Recht) aufgeworfen.

Die Spezialkommission Legislaturplanung des Nationalrates hat an ihrer Sitzung vom 8. September 2004 eine Auswertung der bei der parlamentarischen Behandlung der Legislaturplanung 2003­2007 gemachten Erfahrungen vorgenommen und Empfehlungen beschlossen, welche sie der SPK im Hinblick auf deren weitere Arbeiten unterbreitete: 1.

Grundsatzfrage: Es soll die parlamentarische Beschlussfassung in der Form eines einfachen Bundesbeschlusses mit Verbesserungen beibehalten, also nicht zum früheren Verfahren zurückgekehrt werden (10:5 Stimmen bei 2 Enthaltungen).

2.

Es sollen folgende Verbesserungen vorgenommen werden: a. Organisierte Debatte, d.h. Beschränkung der Gesamtredezeit für die gesamte Beratung (inkl. Detailberatung) im Nationalrat (..., 11:7 Stimmen).

b. Beschränkung des Antragsrechts im Nationalrat (inkl. vorberatende Kommission) auf die Fraktionen (..., 11:6 Stimmen bei einer Enthaltung).

c. Zusätzlich zu den Zielen der Legislaturplanung soll auch das Gesetzgebungsprogramm Gegenstand des Bundesbeschlusses werden (..., 10:6 Stimmen bei 2 Enthaltungen).

d. Es soll eine rechtzeitige Vorbereitung der parlamentarischen Legislaturplanung ermöglicht werden. Eine parlamentarische Kommission soll zu diesem Zweck in der zweiten Legislaturhälfte die Erarbeitung der 1841

nächsten Legislaturziele begleiten. Dabei sind die zur Erreichung der Legislaturziele festgelegten Indikatoren bzw. die Analyse der Zielerreichung aufgrund dieser Indikatoren zu berücksichtigen (10:9 Stimmen).

Die Begründung dieser Empfehlungen, soweit ihnen die SPK entsprochen hat (1, 2a, 2b in modifizierter Form, 2c, teilweise ­ betreffend den Einbezug von Indikatoren ­ 2d), wird unter Ziffer 2 und 3 des vorliegenden Berichtes wiedergegeben.

1.3

Arbeiten der Kommission

Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates hat an ihrer Sitzung vom 11. November 2004 den beiden parlamentarischen Initiativen Folge gegeben und damit den «Regelungsbedarf im Grundsatz bejaht» (Art. 110 Abs. 1 ParlG). Dieser Beschluss bedurfte der Zustimmung der SPK des Ständerates (Art. 109 Abs. 3 ParlG), welche am 14. Januar 2005 erfolgt ist. Die SPK des Nationalrates hatte damit den Auftrag, innert zwei Jahren eine Vorlage auszuarbeiten (Art. 111 Abs. 1 ParlG).

An ihrer Sitzung vom 17. Februar 2005 hat die SPK auf der Grundlage der Empfehlungen der Spezialkommission (siehe Ziff. 1.2) Grundsatzentscheide über die Ausgestaltung der Vorlage getroffen. Am 9. September 2005 hat die Kommission auf der Grundlage eines Vorentwurfes ihres Sekretariates die Detailberatung vorgenommen und am 3. November 2005 die Vorlage definitiv zuhanden des Rates verabschiedet.

2

Grundzüge der Vorlage

2.1

Verfassungsrechtliche Verpflichtung der Bundesversammlung zur Mitwirkung an der Legislaturplanung

Von verschiedener Seite ist während der letzten Legislaturplanungsdebatte die Meinung geäussert worden, die politische Planung sei Sache der Regierung. Es sei nicht richtig, dass sich das Parlament in diese Kompetenz der Regierung einmische.

Die SPK stellt fest, dass diese Auffassung dem Gewaltenteilungskonzept der schweizerischen Bundesverfassung widerspricht.

Die Bundesverfassung vom 18. April 1999 weist die Planungskompetenz Regierung und Parlament gemeinsam zu: Art. 180 Abs. 1 BV Der Bundesrat bestimmt die Ziele und die Mittel seiner Regierungspolitik. Er plant und koordiniert die staatlichen Tätigkeiten.

Art. 173 Abs. 1 Bst. g BV Die Bundesversammlung hat zudem folgende Aufgaben und Befugnisse: g.

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Sie wirkt bei den wichtigen Planungen der Staatstätigkeit mit.

Abgesehen von Artikel 173 Absatz 1 Buchstabe g ergibt sich die Planungskompetenz der Bundesversammlung insbesondere auch aus ihrer «Stammfunktion» der Gesetzgebung: Die Gesetzgebung durch das Parlament steht am Ende eines längeren Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesses. Dieser Prozess wird gesteuert durch Weichenstellungen und Vorentscheidungen, welche von erheblicher Bedeutung sind, weil sie das spätere Endresultat massgeblich vorbestimmen. Als gesetzgebendes Organ hat das Parlament ein legitimes Interesse daran, auf die vorparlamentarische Phase des Gesetzgebungsverfahrens wirksam Einfluss zu nehmen.

Während Artikel 180 BV dem Bundesrat die Aufgabe einer kohärenten Gesamtplanung der Bundespolitik zuweist, soll das Parlament «punktuell bei wichtigen Planungen die Schwerpunkte anders setzen, wo es dies für notwendig erachtet» (Zusatzbericht der SPK vom 6. März 1997 zur Verfassungsreform, BBl 1997 III 288).

Die Form der parlamentarischen «Mitwirkung» bei wichtigen Planungen wird in der Bundesverfassung nicht näher festgelegt. Es stellt sich die Frage, wie die Mindestanforderung definiert werden muss, damit die parlamentarische Behandlung der Legislaturplanung noch als «Mitwirkung» betrachtet werden kann. Die Beschränkung auf eine blosse Kenntnisnahme einer Regierungsplanung durch das Parlament dürfte den Anforderungen der BV nicht genügen. Es genügt wohl aber, wenn das Parlament Gelegenheit erhält, anlässlich der Behandlung der Regierungsplanung mit Motionen in verbindlicher Weise punktuell auf die Planung Einfluss zu nehmen.

2.2

Der einfache Bundesbeschluss als geeignete Form der parlamentarischen Mitwirkung an der Legislaturplanung

Bei der Beratung des Parlamentsgesetzes wurde der Wechsel von der formellen Kenntnisnahme mit Richtlinienmotionen zur Beschlussfassung in der Form eines einfachen Bundesbeschlusses wie folgt begründet: a.

Die formelle Kenntnisnahme verbleibt in jeder Hinsicht unverbindlich. Der Stellenwert der Debatte über den Bericht ist dementsprechend gering; der damit verbundene Zeitaufwand (im Nationalrat im Juni 2000: ca 7 Std.)

erscheint ungerechtfertigt. Der Stellenwert der parlamentarischen Debatte über die Legislaturplanung wird durch die Beschlussfassung über einen Bundesbeschluss erhöht. Die Beschlüsse sind politisch verbindlich und verpflichten den Bundesrat. Je konkreter die Beschlüsse sind, desto verbindlicher sind sie.

b.

Die Auswahl der Richtlinienmotionen erfolgt weniger aufgrund einer gezielten Prioritätensetzung und einer gesamthaften Prüfung der Planung als aufgrund recht zufälliger Präferenzen der einzelnen Kommissionsmitglieder.

Das Verfahren der Behandlung eines Bundesbeschlusses führt demgegenüber dazu, dass die gesamte Planung in ihren Zusammenhängen geprüft und dazu Stellung genommen wird. Dieses Verfahren ist Voraussetzung dafür, dass Prioritäten gesetzt werden können.

c.

Das Verfahren der Behandlung der Richtlinienmotionen ist schwerfällig und unübersichtlich: dies gilt sowohl für das verwaltungsinterne Verfahren (zur Erarbeitung der Stellungnahmen des Bundesrates zu den Motionen) als auch 1843

für das parlamentarische Verfahren in und zwischen den Räten (bei der letzten Legislaturplanung nach altem Recht wurden 41 Richtlinienmotionen eingereicht). Demgegenüber erfolgt die Beratung des Bundesbeschlusses im gewohnten Verfahren der Behandlung eines Erlassentwurfs. Das normale Verfahren der Detailberatung erlaubt einen geordneten und transparenten Entscheidungsprozess.

Die SPK ist der Empfehlung der Spezialkommission Legislaturplanung (siehe Ziff. 2.1) gefolgt und hat mit 17:6 Stimmen den Grundsatzentscheid gefällt, dass an der Beschlussfassung in der Form eines einfachen Bundesbeschlusses festzuhalten und also nicht zum früheren Recht zurückzukehren sei. Die oben angeführten wichtigen Gründe, die zu Beginn der vorangehenden Legislaturperiode das Parlament zu einem Systemwechsel bewogen haben, gelten nach wie vor. Bei der ersten Anwendung des neuen Verfahrens sind zwar Probleme aufgetreten. Nun gleich wieder zum alten, vor kurzem einhellig für unbefriedigend befundenen Verfahren zurückzukehren, würde aber bedeuten, «das Kind mit dem Bade auszuschütten». Vielmehr sollen die «Kinderkrankheiten» geheilt, d.h. die Ursachen der aufgetretenen Probleme sorgfältig analysiert und durch gezielte Verbesserungen des Verfahrens behoben werden.

2.3

Eine Gesamtabstimmung über die Legislaturplanung passt nicht ins politische System der Schweiz

Die parlamentarische Mitwirkung an der Legislaturplanung 2003­2007 ist gescheitert, weil der entsprechende Bundesbeschluss im Nationalrat am 7. Juni 2004 in der Gesamtabstimmung mit 87:64 Stimmen abgelehnt wurde. Dieses Resultat ist insbesondere auf das Stimmverhalten der Fraktionen der SP und der SVP zurückzuführen.

Eine Gesamtabstimmung über die Legislaturplanung kann die Erwartung wecken, dass sich damit eine Parlamentsmehrheit auf ein gemeinsames Programm für die ganze Legislaturperiode einigen sollte. Diese Erwartung lässt sich im schweizerischen politischen System notwendigerweise nicht erfüllen. Anders als in einer «parlamentarischen Demokratie» (Konkurrenzsystem) erfolgt nach der Wahl des Parlaments nicht die Bildung einer parlamentarischen Mehrheit auf der Grundlage eines Regierungsprogramms, welche die Regierung stellt und in weitgehend konstanter Zusammensetzung während einer ganzen Amtsperiode die Politik bestimmt.

In der Konkordanzdemokratie schweizerischer Prägung ergeben sich demgegenüber von Thema zu Thema wechselnde Mehrheiten, z.B. «Mitte-Rechts»-Mehrheiten und «Mitte-Links»-Mehrheiten (im ersten Jahr der Legislaturperiode 2003­2007 setzte sich bei den 277 namentlichen Abstimmungen im Nationalrat in rund 48 Prozent der Fälle eine Mitte-Rechts- und in knapp 40 Prozent der Fälle eine Mitte-LinksKoalition durch; vgl. NZZ 27./28.11.2004). Diese wechselnden Mehrheiten ergeben sich auch bei der Detailberatung des Bundesbeschlusses über die Legislaturplanung. Bei der Gesamtabstimmung können sich die Linke und/oder die Rechte veranlasst sehen, das Gesamtresultat der Beratungen demonstrativ abzulehnen, weil das eine und/oder das andere Lager in für sie wichtigen Fragen überstimmt worden sind.

Dieses Risiko steigt bei einer stärkeren Polarisierung. Eine derartige Ablehnung in der Gesamtabstimmung ist allerdings wenig aussagekräftig und macht daher auch wenig Sinn. Die Ablehnung hat ja keine Konsequenzen in dem Sinne, dass das betreffende Lager von der Politikgestaltung in der laufenden Legislaturperiode 1844

weitgehend ausgeschlossen ist, wie dies für die Opposition in einem Konkurrenzsystem der Fall ist. Die ablehnenden Fraktionen werden bei den wechselnden Mehrheitsbildungen nach wie vor beteiligt sein. Ihre Ablehnung hat rein demonstrative Bedeutung, vereitelt aber die tatsächlich erwünschten konkreten Wirkungen der parlamentarischen Legislaturplanung.

Während die Gesamtabstimmung über die Legislaturplanung im schweizerischen politischen System effektiv keine grosse Bedeutung haben kann, können die einzelnen thematisch-sektoriellen Mehrheitsbildungen nämlich sehr wohl eine praktische Bedeutung haben. Die Funktion der parlamentarischen Beschlussfassung über die Legislaturplanung besteht darin, dass die je nach Thema wechselnde Parlamentsmehrheit dem Bundesrat verbindliche Vorgaben machen kann, welche gesetzgeberischen Ziele anzustreben sind und welche Gesetzesentwürfe vorbereitet werden müssen. Eine Gesamtabstimmung macht so betrachtet wenig Sinn. Sie hat auch im früheren System der Richtlinienmotionen nicht stattgefunden. Der Bundesbeschluss über die Legislaturplanung hat im Grunde dieselbe Funktion wie eine Sammlung von Richtlinienmotionen, die im Gegensatz zu den früheren Richtlinienmotionen systematisch besser geordnet ist und in einem befriedigenderen Verfahren beschlossen wird.

Für den Verzicht auf die Gesamtabstimmung können auch verfassungsrechtliche Überlegungen angeführt werden. Die Bundesverfassung verpflichtet die Bundesversammlung zur Mitwirkung bei den wichtigen Planungen der Staatstätigkeit (Art. 173 Abs. 1 Bst. g). Die Bundesversammlung hat nicht die Wahl, ob sie mitwirken will oder nicht. In ähnlichen anderen Fällen erklärt das Parlamentsgesetz das Eintreten ebenfalls für obligatorisch (Art. 74 Abs. 3).

2.4

Konkretes Gesetzgebungsprogramm als Gegenstand der Legislaturplanung

Der Entwurf des Bundesrates für einen «Bundesbeschluss über die Ziele der Legislaturplanung 2003­2007» blieb auf einer sehr allgemeinen Ebene. Als Beispiel sei Artikel 7 aufgeführt: Art. 7

Ziel 6: Den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken

Zur Erreichung des Ziels 6 wird folgendes Teilziel angestrebt: a.

kinderbetreuende und ältere berufstätige Menschen besser integrieren.

(Die mit Bst. a eingeleitete Aufzählung wird nicht fortgesetzt).

Der abstrakte und damit unverbindliche Inhalt des Bundesbeschlusses steht im Widerspruch zur Absicht des Gesetzgebers: Aus den Materialien geht hervor, dass die parlamentarische Beschlussfassung über die Legislaturplanung vor allem ermöglichen soll, dass das Parlament bei konkreten Gesetzgebungsprojekten gegenüber dem Bundesrat andere Planungsakzente setzt. Diese Möglichkeit hatte ja auch bereits früher mit dem Instrument der Richtlinienmotion bestanden; darauf wollte gewiss niemand verzichten. Indem der Wortlaut des Parlamentsgesetzes nun aber «die Ziele der Legislaturplanung» zum Inhalt des Bundesbeschlusses macht, bietet er Anlass zu einer Auslegung, die mit den tatsächlichen Absichten des Gesetzgebers nicht in Einklang steht. Zwar wird insb. auch im Gefolge des sog. «New Public 1845

Management» gerne unterschieden zwischen «strategischer Zielsetzung» durch das Parlament und «operativer Umsetzung» durch Regierung und Verwaltung. Diese Unterscheidung ist aber praxisfremd und politikfern, wie gerade auch die Erfahrung mit der Legislaturplanung 2003­2007 zeigt: Von politischem Interesse ist nicht die von allen geteilte Zielsetzung, z.B. «den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken», sondern die umstrittene Massnahme, zur Erreichung dieses Zieles ohne weitere Verzögerung z.B. ein Sprachengesetz auszuarbeiten.

Neben den Zielen der Legislaturplanung soll die Liste der Richtliniengeschäfte (= prioritäre Geschäfte) explizit zum Gegenstand des Bundesbeschlusses gemacht werden. Das Parlament kann damit bestimmen, welche Botschaften es während der Legislaturperiode vom Bundesrat erwartet und welche es nicht zu erhalten wünscht.

Diese Liste enthielt im Falle der Legislaturplanung 2003­2007 57 Richtliniengeschäfte. Sie kann durch das Parlament mit weiteren prioritären Geschäften ergänzt werden oder es können Geschäfte gestrichen werden. Die Zuständigkeit des Parlamentes zu dieser Form eines Planungsbeschlusses ist über jeden Zweifel erhaben: Mit dem traditionellen Instrument der Motion nimmt es diese Zuständigkeit selbstverständlich seit jeher war. Während entsprechende Motionen nur punktuelle Gesetzgebungsaufträge erteilen, erlaubt die Form des Bundesbeschlusses, alle vier Jahre ein kohärentes Gesamtprogramm aufzustellen und in diesem Rahmen auch Prioritäten zu setzen.

2.5

Massnahmen für eine Konzentration auf das Wesentliche (nur im Nationalrat)

Die Legislaturplanung betrifft die Bundespolitik in ihrer Gesamtheit. Wenn bei der Beratung der Legislaturplanung im Nationalrat jede Fraktion das gesamte Programm ihrer Partei in die parlamentarische Beratung einbringen will und zudem auch jedes einzelne Ratsmitglied seine persönlichen Anträge stellen kann, so sprengt die Debatte über die Legislaturplanung zwangsläufig den zeitlichen Rahmen, der vernünftigerweise dafür zur Verfügung gestellt werden kann.

Es braucht daher besondere Massnahmen, die im Nationalrat zu einer Konzentration auf das Wesentliche führen und die den Entscheidungsprozess bei der Legislaturplanung besser strukturieren. Wer soll bestimmen dürfen, was wesentlich genug ist, um Gegenstand einer zeitlich limitierten Beratung und Beschlussfassung im Plenum des Nationalrates zu werden?

­

Zuerst hat der Bundesrat das Recht und die Pflicht, mit seinem Entwurf des Bundesbeschlusses die aus seiner Sicht wichtigen Ziele und Massnahmen dem Parlament zu unterbreiten.

­

Anschliessend sollen ­ in stärkerem Ausmass, als dies bisher der Fall ist ­ die Fraktionen vor Beginn der Kommissionsberatungen ihre Prioritäten setzen. Dieses Ziel wird dadurch erreicht, dass Anträge vor Beginn der Kommissionsberatungen eingereicht werden müssen und dass ebenfalls bereits zu diesem Zeitpunkt die jeder Fraktion zur Verfügung stehende Redezeit im Ratsplenum festgelegt wird.

­

Die Arbeit der vorberatenden Kommission wird aufgewertet, indem die Fraktionen die Kommissionsberatung besser vorbereiten und indem kein Weg neben der Kommission vorbei ins Ratsplenum führt: Der Rat

1846

beschliesst nur über die Mehrheits- und Minderheitsanträge aus der Kommission. Weil die Kommissionsfraktionen zum voraus wissen, wieviel Redezeit den einzelnen Fraktionen im Rat zur Verfügung stehen wird, können sie bei der Einreichung von Minderheitsanträgen gezielt Prioritäten setzen: Es macht wenig Sinn, jeden in der Kommission abgelehnten Antrag als Minderheitsantrag einzureichen, wenn von vorneherein klar ist, dass viele Anträge im Plenum gar nicht begründet werden können.

Am Ende dieses besser strukturierten Meinungsbildungsprozessess in den Fraktionen und in der Kommission steht eine Ratsdebatte, deren Dauer von vorneherein feststeht (angemessen dürften etwa 9 Sitzungsstunden sein) und die sich auf die politisch zentralen Fragen konzentriert.

Rechtliche Überlegungen zur Kompetenzdelegation an eine Kommission und technische Einzelheiten zur organisierten Debatte werden unter Ziffer 3 (Erläuterungen zu Art. 147 Abs. 3 ParlG bzw. Art. 33c GRN) dargelegt.

3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

3.1

Parlamentsgesetz (ParlG)

Art. 74 Abs. 3 Ist Eintreten obligatorisch, so wird keine Gesamtabstimmung durchgeführt (vgl.

Art. 74 Abs. 4).

Der Verzicht auf die Gesamtabstimmung bei der Legislaturplanung wird oben unter Ziffer 2.3 erläutert.

Art. 94a

Differenzregelung bei der Legislaturplanung

Ausser beim Eintreten und in der Gesamtabstimmung kann ein Erlassentwurf auch scheitern, weil am Ende der Differenzbereinigung zwischen den Räten der Einigungsantrag, über den gemäss Artikel 93 ParlG gesamthaft abgestimmt werden muss, abgelehnt wird. Durch die vorgeschlagene Regelung wird erreicht, dass ein Bundesbeschluss über die Legislaturplanung zustande kommt, obwohl eine Einigung zwischen den Räten bei einer einzelnen Bestimmung scheitert.

Art. 144 Abs. 3 Artikel 144 ParlG ist die gesetzliche Grundlage für die Jahresziele des Bundesrates und für den jährlichen Geschäftsbericht. Der Bundesrat begrüsste in seiner Stellungnahme zum Parlamentsgesetz ausdrücklich die Verankerung der Jahresziele im Gesetz. Er führte aus, dass die Jahresziele ein wichtiges Planungsinstrument sind und der Umsetzung der übergeordneten strategischen Ziele im Rahmen der Legislaturplanung dienen (BBl 2001 5446). Während Absatz 1 daher bereits jetzt festlegt, dass die Jahresziele auf die Legislaturplanung abgestimmt sein müssen, fehlt bisher eine explizite gesetzliche Verankerung der Kontrolle des Vollzuges der Legislaturplanung im Rahmen der Behandlung des Geschäftsberichtes. Absatz 3 soll entsprechend ergänzt werden. Zugleich soll im Gesetz verankert werden, dass sowohl bei der Geschäftsberichterstattung als auch bei der Legislaturplanung (vgl. Art. 146 Abs. 3) statistische Indikatoren verwendet werden. Diese dienen bei der Legislatur1847

planung dazu, auf Handlungsbedarf hinzuweisen und die fundierte Formulierung neuer politischer Ziele zu unterstützen. Im Rahmen des Geschäftsberichtes lässt sich mit ihnen messen, ob bestehende quantitative Politikziele erreicht werden oder ob zusätzlicher Handlungsbedarf besteht. Bei der Beratung der Legislaturplanung 1999­2003 wurde die mangelnde statistische Fundierung und fehlende Präzision der Legislaturplanung kritisiert. Mit der Annahme eines Postulates (00.3225) wurde der Bundesrat beauftragt, die Erarbeitung eines Indikatorensystems als Führungsinstrument zu prüfen. Das Postulat wurde erfüllt durch den am 25. Februar 2004 vorgelegten Bericht «Indikatoren als strategische Führungsgrössen der Politik» (vgl.

http://www.admin.ch/ch/d/cf/rg/indikatoren04/Indikatoren_04.pdf). Die Legislaturplanungskommission des Nationalrates hat von diesem Bericht Kenntnis genommen und der Geschäftsprüfungskommission am 7. Oktober 2004 eine Empfehlung überwiesen, diese möge bei ihrer künftigen Arbeit diesem Indikatorensystem Rechnung tragen. In seinem Geschäftsbericht 2004 vom 16. Februar 2005 hat der Bundesrat seine Berichterstattung bereits entsprechend angepasst.

Art. 146

Legislaturplanung

Artikel 146 definiert den Gegenstand der Legislaturplanung, und zwar einerseits den Inhalt des Bundesbeschlusses (Abs. 2) und andererseits den Inhalt der Botschaft über die Legislaturplanung (Abs. 3 und 4).

Was den Bundesbeschluss betrifft, so wird ergänzt, dass nicht wie bisher nur die Ziele, sondern neu auch die zur Zielerreichung erforderlichen Massnahmen, insbesondere die Liste der geplanten Erlasse der Bundesversammlung Gegenstand des Bundesbeschlusses über die Legislaturplanung werden. Siehe dazu die allgemeinen Erläuterungen unter Ziffer 2.4.

Es ist zu unterscheiden zwischen denjenigen geplanten Erlassen der Bundesversammlung, welche zur Erreichung der Legislaturziele erforderlich sind, und den weiteren geplanten Erlassen, die keinen Bezug zu den Legislaturzielen haben. Die erstgenannten Erlasse sind im Bundesbeschluss aufzuführen, und zwar nicht nur dann, wenn der Erlassentwurf bereits während der Legislaturperiode unterbreitet werden soll, sondern auch dann, wenn erst das Vorverfahren der Gesetzgebung eröffnet werden soll. Geplante Erlassentwürfe, die keinen Bezug zu den vom Bundesrat vorgesehenen Legislaturzielen haben, sind in der Botschaft aufzuführen (2. Satz von Abs. 3, entspricht dem 1. Teil des bisherigen Abs. 4). Die Bundesversammlung kann einen derartigen Erlass in den Bundesbeschluss aufnehmen und ihn einem unter Umständen neu formulierten Ziel zuordnen.

Absatz 2 nennt ausser den geplanten Erlassen der Bundesversammlung auch «weitere Massnahmen, die zur Zielerreichung erforderlich sind». Unter diesem Titel sind insbesondere Massnahmen in Politikbereichen aufzuführen, welche nur beschränkt durch Erlasse der Bundesversammlung gestaltet werden können, insbesondere die Aussenpolitik. Denkbar ist aber auch, dass z.B. Programme oder Strategien zur Umsetzung einer Gesetzgebung aufgeführt werden.

Der bisher verwendete Begriff «Bericht über die Legislaturplanung» wird ersetzt durch «Botschaft über die Legislaturplanung». Damit kann die Quelle eines Missverständnisses beseitigt werden. Bei der Behandlung der Legislaturplanung 2003­2007 meinte der Bundesrat, er müsse in einem gesonderten Artikel des Bundesbeschlusses die Kenntnisnahme des Berichtes über die Legislaturplanung beantragen. Dieser Artikel gab Anlass zu längeren Diskussionen über die Rechtswirkung 1848

dieser Kenntnisnahme. Die vorberatende Kommission des Nationalrates strich diesen Artikel, weil er überflüssig ist. Die Bundesversammlung nimmt im Ingress des Bundesbeschlusses Einsicht in den erläuternden Bericht. Erläuternde Berichte zu Erlassentwürfen werden gemäss Artikel 141 Absatz 1 ParlG als «Botschaft» bezeichnet. Damit wird die Legislaturplanung abgegrenzt von anderen Planungen, welche der Bundesrat dem Parlament nach wie vor in Form eines Berichtes zur Kenntnisnahme unterbreitet (Finanzplan, weitere Planungen gemäss Art. 148 ParlG).

Die Punkte gemäss Artikel 141 Absatz 2 ParlG müssen in der Botschaft zur Legislaturplanung ­ wie in anderen Botschaften auch ­ natürlich nur erläutert werden, «soweit substanzielle Angaben dazu möglich sind».

Zudem wird klargestellt, dass der Legislaturfinanzplan Teil der Botschaft über die Legislaturplanung ist und damit nicht Gegenstand einer gesonderten Beschlussfassung sein kann. Bei der Beratung der Legislaturplanung 2003­2007 zeigte sich eine Unsicherheit darüber, in welcher Form das Parlament zur Legislaturfinanzplanung Stellung nehmen kann. Es wurden Anträge gestellt, den Legislaturfinanzplan abzulehnen. Das Dokument «Legislaturfinanzplan» 2005­2007 gehörte als Beilage 2 des Berichtes des Bundesrates über die Legislaturplanung zu den erläuternden Unterlagen zum Entwurf des Bundesbeschlusses, in welche die Bundesversammlung gemäss Ingress des Bundesbeschlusses «Einsicht» nimmt. Ein Antrag oder Beschluss auf «Ablehnung» des Legislaturfinanzplans war folglich unzulässig; dieser Antrag wurde denn auch zurückgezogen. Zulässig war hingegen der Antrag auf Rückweisung des Entwurfes für einen Bundesbeschluss an den Bundesrat mit dem Auftrag, den Legislaturfinanzplan als einen Teil der Erläuterungen in einem bestimmten Sinn zu überarbeiten.

In Absatz 3 wird ­ aus den bei der Erläuterung zu Artikel 144 dargelegten Gründen ­ festgehalten, dass der Bundesrat den Zielen nicht nur die prioritären Massnahmen, sondern neu auch die übergeordneten Indikatoren zuzuteilen hat. Damit werden bessere Voraussetzungen für die spätere Erfolgskontrolle durch das Parlament geschaffen.

Art. 147

Behandlung der Legislaturplanung

Absatz 1 sieht bisher vor, dass beide Räte den Entwurf des Bundesbeschlusses «in der gleichen Session» beraten. Mit jeder Legislaturperiode wechselt der Erstrat.

Dieses Verfahren der Behandlung eines Erlassentwurfs in derselben Session durch beide Räte findet auch bei dringlichen Bundesgesetzen, beim Voranschlag sowie «ausnahmsweise» bei anderen Erlassentwürfen Anwendung (Art. 85 Abs. 2 ParlG).

Das Verfahren hat zur Folge, dass die Kommission des Zweitrates in einer ersten Phase ihre Vorberatung nicht auf der Grundlage der Beschlüsse des Erstrates durchführen kann. Üblich ist, dass sie auf der Grundlage der Anträge der Kommission des Erstrates ihrerseits provisorische Anträge beschliesst unter Vorbehalt der definitiven Beschlussfassung durch den Erstrat. Nach dieser Beschlussfassung durch den Erstrat steht für die Kommission des Zweitrates nur wenig Zeit für eine weitere Sitzung zur Verfügung, an welcher sie ihre definitiven Anträge an ihren Rat beschliesst.

Die Anwendung dieses Verfahrens auf die Legislaturplanung hat in der Kommission des Zweitrates zu Kritik Anlass gegeben. Eine seriöse Behandlung sei so nicht möglich. In Zukunft solle die Legislaturplanung daher an zwei aufeinander folgenden Sessionen behandelt werden.

1849

Daher soll auf die Vorschrift der Behandlung in derselben Session verzichtet werden. Als praktische Lösung steht im Vordergrund, dass die erste Beratung des Geschäftes im Erstrat in einer Sondersession anfangs Mai und im Zweitrat zu Beginn der Sommersession stattfindet. Dass der Erstrat das Geschäft bereits in der Frühjahrssession behandelt, ist nicht möglich, weil die Vorlage des Bundesrates erst im Februar erwartet werden kann. Der Bundesrat ist ja nach den Gesamterneuerungswahlen unter Umständen anders zusammen gesetzt und möchte daher die von seinen Vorgängern vorbereitete Legislaturplanung nicht ohne Änderungen übernehmen. Jedenfalls sollte aber die Beratung der Legislaturplanung möglichst in der Sommersession abgeschlossen werden können. Eine Planung, die erst nach Ablauf eines recht grossen Teils der zu planenden Periode wirksam wird, wäre wenig sinnvoll. Weil die Kommissionsminderheit eine derartige Verzögerung befürchtet, stellt sie zu Absatz 1 den Antrag, bei der geltenden Regelung zu bleiben.

Im Übrigen wird vorgeschlagen, auf die kaum gesetzeswürdige und unnötig starre Vorschrift im bisherigen 2. Satz von Artikel 147 Absatz 1 zu verzichten, wonach mit jeder Legislaturperiode der Erstrat wechselt. Die für die Bestimmung des Erstrates zuständigen Ratspräsidenten werden in der Regel auch ohne gesetzliche Vorschrift auf den Wechsel achten, sollten aber in Ausnahmefällen die Möglichkeit haben, von dieser Regel abzuweichen.

Die Vorschrift des zweiten Satzes von Absatz 2, wonach der Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) den Legislaturfinanzplan zu vertreten habe, hat in der Praxis zu Schwierigkeiten geführt. Da der Legislaturfinanzplan nicht Gegenstand der Beschlussfassung der Bundesversammlung ist (vgl. Erläuterungen zu Art. 146), war nicht klar, zu welchem Zeitpunkt der Vorsteher des EFD zu erscheinen hat. Es widerspricht zudem den Grundsätzen des Geschäftsverkehrs zwischen Bundesversammlung und Bundesrat, durch das Gesetz bestimmte Departementsvorsteher zu bezeichnen, welche bestimmte Vorlagen des Bundesrates zu vertreten haben. Die Bundesversammlung verkehrt mit dem Bundesrat als Kollegialorgan, für welches bei diesem Geschäft in erster Linie der Bundespräsident Sprecher ist, welcher sich bei Bedarf durch andere Departementsvorsteher vertreten lassen kann.

Absatz 3
liefert die notwendige gesetzliche Grundlage für die besonderen Massnahmen, die der Nationalrat in seinem Geschäftsreglement neu vorsieht, um den Entscheidungsprozess bei der parlamentarischen Behandlung der Legislaturplanung besser zu strukturieren und eine Konzentration auf das Wesentliche zu erreichen.

Siehe dazu die Erläuterungen unter Ziffer 2.5.

In rechtlicher Hinsicht handelt es sich bei Absatz 3 um eine Kompetenzdelegation an eine Kommission, wie sie Artikel 153 Absatz 3 BV für Befugnisse nicht rechtsetzender Natur ermöglicht. Die Beratung und abschliessende Beschlussfassung über die Änderungsanträge zum Erlassentwurf ­ sonst eine Zuständigkeit des Rates ­ werden an die Kommission delegiert. Die Empfehlung der Legislaturplanungkommission wird damit leicht modifiziert. Diese hatte eine Einschränkung des Antragsrechts vorgeschlagen (siehe Ziff. 1.2), worauf angesichts des verfassungsmässigen Antragsrechtes der einzelnen Ratsmitglieder (Art. 160 Abs. 2 BV) verzichtet werden soll. Die vorgeschlagene Lösung erzielt annähernd denselben Effekt.

1850

3.2

Geschäftsreglement des Nationalrates (GRN)

Art. 33a

Stellungnahme der Fraktionen

Zur Rolle der Fraktionen im Meinungsbildungsprozess zur Legislaturplanung siehe die Erläuterungen unter Ziffer 2.5.

Art. 33b

Anträge

Zur Rolle der vorberatenden Kommission im Meinungsbildungsprozess zur Legislaturplanung siehe die Erläuterungen unter Ziffer 2.5, zur rechtlichen Grundlage dieser Kompetenzdelegation siehe die Erläuterungen zu Artikel 147 ParlG.

Art. 33c

Organisierte Debatte

Zur Bedeutung der organisierten Debatte für die Behandlung der Legislaturplanung siehe die Erläuterungen unter Ziffer 2.5.

Artikel 47 GRN regelt die organisierte Debatte wie folgt: 1

Die organisierte Debatte kann insbesondere durchgeführt werden: a. bei der Eintretensdebatte; b. bei der Beratung einer Interpellation oder eines Berichtes.

2

Die Gesamtredezeit ist beschränkt.

Die Präsidentin oder der Präsident teilt die Gesamtredezeit angemessen auf die Berichterstatterinnen und Berichterstatter, die Vertreterinnen und Vertreter des Bundesrates sowie auf die Fraktionen auf.

3

Die Fraktionen teilen rechtzeitig mit, wie die ihnen zustehende Redezeit unter den Fraktionsmitgliedern aufgeteilt wird.

4

Den Ratsmitgliedern, die keiner Fraktion angehören, wird ein angemessener Teil der Gesamtredezeit zur Verfügung gestellt.

5

Die Spezialregelung bei der Legislaturplanung weicht in folgenden Punkten von dieser allgemeinen Regelung und der darauf beruhenden Praxis ab: ­

In Abweichung von der üblichen Praxis erstreckt sich die organisierte Debatte über die ganze Beratung und nicht nur über die Eintretensdebatte: Damit wird es den Fraktionen überlassen, wie sie ihre Redezeit auf die Eintretensdebatte und die Detailberatung verteilen wollen.

­

Jeder Fraktion ist eine Mindestredezeit von 10 Minuten garantiert.

­

Die Gesamtredezeit wird durch das Büro nicht erst bei der Festlegung des Sessionsprogramms festgelegt. Damit die Fraktionen bereits während der Kommissionsberatung ihre Prioritäten festlegen können, muss die ihnen im Ratsplenum zur Verfügung stehende Behandlungszeit vom Beginn der Kommissionsberatungen an bekannt sein.

1851

Aufgrund dieser Regelung ergibt sich bei den zurzeit geltenden Fraktionsstärken folgende Verteilung einer Redezeit von einem Sitzungstag, d.h. 8½ Stunden festgelegte Gesamtredezeit + ½ Stunde Reserve (zum Vergleich: Legislaturplanung 2003­2007: 16 Std.; 1999­2003, unter altem Recht: 7 Std.): ­ Kommission 105 Minuten ­ Fraktion C 42 Minuten ­ Bundesrat 105 Minuten ­ Fraktion G 24 Minuten ­ Fraktion V 84 Minuten ­ Fraktion E 10 Minuten ­ Fraktion S 78 Minuten ­ Fraktionslose 5 Minuten ­ Fraktion RL 60 Minuten

4

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die vorgeschlagenen Änderungen des ParlG und des GRN haben keine finanziellen oder personellen Auswirkungen.

5

Rechtliche Grundlagen

5.1

Verfassungsmässigkeit

Nach Artikel 164 Absatz 1 Buchstabe g BV müssen die grundlegenden Bestimmungen über die Organisation und das Verfahren der Bundesbehörden in einem Bundesgesetz erlassen werden. Die Mitwirkung der Bundesversammlung «bei den wichtigen Planungen der Staatstätigkeit» erfolgt gestützt auf Artikel 173 Absatz 1 Buchstabe g BV.

5.2

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Der neue Artikel 147 Absatz 3 ParlG ermächtigt die Räte, in ihren Geschäftsreglementen, welche von ihrer Rechtsnatur her Verordnungen sind, eine Delegation der Beratung und Beschlussfassung über Änderungsanträge zur Legislaturplanung an die vorberatenden Kommissionen vorzusehen.

1852