06.010 Botschaft zur Genehmigung und Umsetzung des Dritten Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen von 1949 über die Annahme eines zusätzlichen Schutzzeichens und zu den entsprechenden Gesetzesänderungen vom 25. Januar 2006

Sehr geehrte Herren Präsidenten Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung und Umsetzung des Dritten Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen von 1949 über die Annahme eines zusätzlichen Schutzzeichens und über die entsprechenden Gesetzesänderungen mit dem Antrag auf Genehmigung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

25. Januar 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2006-0065

1929

Übersicht Mit der vorliegenden Botschaft unterbreitet der Bundesrat den eidgenössischen Räten das Dritte Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen von 1949 über die Annahme eines zusätzlichen Schutzzeichens zur Genehmigung.

Mit dem Zusatzprotokoll wird ein zusätzliches Schutzzeichen geschaffen, das die drei bestehenden Schutzzeichen, das rote Kreuz, den roten Halbmond und den roten Löwen mit roter Sonne, ergänzt. Das zusätzliche Schutzzeichen besteht aus einem roten Rahmen in der Form eines auf der Spitze stehenden Quadrats auf weissem Grund. Es wird im Vertragstext als Schutzzeichen des dritten Protokolls bezeichnet.

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird es auch <> genannt. Es soll insbesondere jenen Vertragsparteien zur Verfügung stehen, welche keines der bestehenden Schutzzeichen verwenden möchten, weil diese aus ihrer Sicht religiöse Assoziationen wecken oder aus anderen Überlegungen vor dem Hintergrund nationaler Besonderheiten nicht akzeptabel erscheinen. In aussergewöhnlichen Situationen soll es auch von medizinischen Einheiten und Personal oder von nationalen Hilfsgesellschaften verwendet werden können, in denen die bestehenden Schutzzeichen aufgrund mangelnder Akzeptanz seitens lokaler Akteure nicht genügend Schutz gewähren. Neben den Bestimmungen über die Verwendung des zusätzlichen Schutzzeichens enthält das Zusatzprotokoll noch Bestimmungen zur Verhinderung und Verfolgung von Missbräuchen.

Nur wenige Bestimmungen des Schweizer Rechts nehmen auf die Schutzzeichen der Genfer Abkommen Bezug. Das Bundesgesetz betreffend den Schutz des Zeichens und des Namens des Roten Kreuzes regelt die Verwendung des roten Kreuzes auf weissem Grund und der Worte <> und stellt deren Missbrauch unter Strafe.

Das Militärstrafgesetz stellt den Missbrauch internationaler Schutzzeichen, insbesondere des roten Kreuzes, des roten Halbmondes und des roten Löwen mit roter Sonn, sowie Feindseligkeiten gegen Personen und die Zerstörung von Material, die unter dem Schutz der Schutzzeichen stehen, unter Strafe. Die Umsetzung des Zusatzprotokolls macht die Anpassung dieser beiden Bundesgesetze notwendig, indem auch das zusätzliche Schutzzeichen erwähnt werden muss und die Möglichkeit vorgesehen werden soll, dass das zusätzliche Schutzzeichen unter aussergewöhnlichen Voraussetzungen vorübergehend
verwendet werden kann.

Die Schweiz, die an der Ausarbeitung des Zusatzprotokolls beteiligt war und massgeblich zu dessen Annahme beigetragen hat, hat das Zusatzprotokoll am 8. Dezember 2005, dem Tag seiner Annahme durch die Diplomatische Konferenz der Vertragsparteien der Genfer Abkommen von 1949, unterzeichnet. Die rasche Ratifikation des Zusatzprotokolls ist ein vordringliches Anliegen der schweizerischen Politik zur Stärkung und Förderung des humanitären Völkerrechts.

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Botschaft 1

Hintergründe der Vorlage

1.1

Diplomatische Konferenz vom 5. bis 8. Dezember 2005

Am 8. Dezember 2005 verabschiedete die unter Schweizer Vorsitz tagende Diplomatische Konferenz der Vertragsparteien der Genfer Abkommen per Abstimmung das Dritte Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen von 1949 über die Annahme eines zusätzlichen Schutzzeichens (nachfolgend Zusatzprotokoll III genannt).

Am 5. Dezember begann die Konferenz in der allgemeinen Erwartung, dass das Zusatzprotokoll III per Konsens angenommen würde. Das von der Schweiz vermittelte, am 28. November 2005 in Genf unterzeichnete Übereinkommen zwischen den nationalen israelischen und palästinensischen Hilfsgesellschaften, Magen David Adom bzw. Palestine Red Crescent Society, hatte, neben den intensiven, durch die Schweiz im Vorfeld der Konferenz geführten Konsultationen, zu einem konzilianten und harmonischen Konferenzbeginn beigetragen. In der Folge war es aber trotz intensiver Bemühungen nicht möglich, einen Kompromiss zwischen Syrien und Israel zustande zu bringen, der zu einem ähnlichen Übereinkommen zwischen Magen David Adom in Israel und dem syrischen Roten Halbmond betreffend humanitäre Hilfeleistungen durch den Syrischen Roten Halbmond auf dem israelisch besetzten Teil der Golanhöhen hätte führen sollen. Die Abstimmung wurde unausweichlich, nachdem ein von Chile am Nachmittag des dritten Konferenztages eingereichter Kompromissvorschlag, der sich auf intensive durch die Schweiz geführte Konsultationen stützte, von der Organisation der islamischen Länder (OIC) abgelehnt bzw. mit einem nicht akzeptablen Gegenvorschlag beantwortet worden war.

Das Zusatzprotokoll III wurde schliesslich mit 98:27 Stimmen bei 10 Enthaltungen und somit mit deutlich mehr als der erforderlichen Zweidrittelsmehrheit angenommen, nachdem zuvor die von Pakistan und Jemen im Namen der OIC eingereichten Änderungsanträge mit Zweidrittelmehrheit abgelehnt worden waren. Gemäss seinen Bestimmungen wurde das Zusatzprotokoll III noch am gleichen Tag zur Unterschrift aufgelegt und von 27 Staaten unterzeichnet, darunter der Schweiz. Inzwischen wurde es von ein paar weiteren Staaten unterzeichnet. Das Zusatzprotokoll III tritt sechs Monate nach der zweiten Ratifikation in Kraft.

Die Diplomatische Konferenz war für die Schweiz als Gastland und Vertragspartei eine bedeutende Konferenz. Die Schweiz hat sich seit Beginn der Arbeiten am Zusatzprotokoll III aktiv für dessen Ausarbeitung wie auch anschliessend für dessen Annahme eingesetzt, um endlich eine umfassende und dauerhafte Lösung der Emblemfrage zu erreichen.

1.2

Geschichte und Zweck der Schutzzeichen der Genfer Abkommen von 1949 und ihrer Zusatzprotokolle

Die Kriegserfahrung im 19. Jahrhundert lehrte, dass die Feldlazarette, Verbandsplätze und Krankenposten vor Angriffen ungenügend geschützt waren. Deshalb einigten sich die Vertragsstaaten im Jahre 1864 in Genf erstmals darauf, solche Einrichtun1931

gen samt zugehörigem Personal zu neutralisieren und zu schonen und ­ zu Ehren der Schweiz ­ mit einem roten Kreuz auf weissem Grund kenntlich zu machen.

Im Jahre 1876 erklärte die Türkei, dass sie fortan einen «roten Halbmond» als Zeichen verwenden werde. Im Jahre 1924 folgte Iran und erklärte, dass es fortan den «roten Löwen mit roter Sonne» verwenden werde. Diese zwei Zeichen wurden schliesslich, zusätzlich zum roten Kreuz, in den Abkommen von 1929 als Schutzzeichen anerkannt. Die vier Genfer Abkommen von 1949 sowie die Zusatzprotokolle von 1977 wiederholen die Anerkennung dieser Zeichen. Im Jahre 1980 verzichtete Iran freiwillig auf den Gebrauch des roten Löwen mit roter Sonne, behielt sich aber das Recht vor, dieses Zeichen unter bestimmten Umständen wieder zu gebrauchen.

Weitere nationale Hilfsgesellschaften ­ von Afghanistan, Zypern, Indien, Japan, Libanon, Sudan, Sri Lanka, Syrien, Thailand, der früheren Sowjetunion und Zaire (heute Demokratische Republik Kongo) ­ machten ihre Wünsche nach Anerkennung weiterer Zeichen im Laufe der Geschichte anhängig. Sie alle aber gelangten zur Überzeugung, dass eine Proliferation der Schutzzeichen zu einer unerwünschten Schwächung derselben führen könnte, und entschieden sich für die Beschränkung auf das rote Kreuz und den roten Halbmond.

Die wichtigsten Bestimmungen über die Verwendung der Schutzzeichen sind im ersten Genfer Abkommen von 1949 enthalten. Die Schutzzeichen dienen, wie der Name es bereits andeutet, vor allem dem Schutze der militärischen und zivilen Sanitätsformationen, der Sanitätsanstalten, von Gebäuden, aber auch Personal von nationalen Hilfsgesellschaften, welche dieselben Aufgaben wie das Sanitätspersonal erfüllen, vor jeder Angriffshandlung in bewaffneten Konflikten (Schutzfunktion).

Durch die Schutzzeichen wird für den Konfliktgegner erkennbar gemacht, welche Personen, Gebäude und Güter in den Genuss des Schutzes der Genfer Abkommen kommen sollen. Der Schutz vor Angriffshandlungen wird aber direkt durch das Völkerrecht gewährt und ist unabhängig von der Verwendung der Schutzzeichen. In Friedenszeiten dürfen die nationalen Gesellschaften des Roten Kreuzes ausserdem die Schutzzeichen für ihre den Grundsätzen der Internationalen Konferenz des Roten Kreuzes und Roten Halbmondes entsprechenden Tätigkeiten verwenden (Erkennungsfunktion). Werden
diese Tätigkeiten in Zeiten eines bewaffneten Konflikts fortgeführt, so muss das Schutzzeichen so verwendet werden, dass es nicht den Anschein erweckt, als ob dadurch der Schutz der Genfer Abkommen gewährt würde.

Das Zeichen muss entsprechend kleiner sein und darf weder auf Armbinden noch auf Dächern angebracht werden. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (nachfolgend IKRK) und die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (nachfolgend Föderation) dürfen das Schutzzeichen überall und jederzeit verwenden.

1.3

Die Schaffung eines zusätzlichen Schutzzeichens

Für einige nationale Hilfsgesellschaften bestanden aber weiterhin fundamentale, unüberwindbare Probleme. In Kasachstan wollte man lange Zeit aus Rücksicht auf das sensitive Religionsempfinden im Land beide Zeichen gleichzeitig benützen. In Eritrea ist dies immer noch der Fall. In Israel benutzte man den roten Davidstern bereits vor der Staatsgründung. Die israelische Hilfsgesellschaft ist seit 70 Jahren tätig.

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Hinzu kam, dass man auf bestimmten Kriegsschauplätzen feststellte, dass dem roten Kreuz und dem roten Halbmond ein konfessioneller und kultureller Hintersinn verliehen und somit die Neutralität der bestehenden Schutzzeichen in Frage gestellt wurde. Ausserdem schreibt das Statut der Internationalen Bewegung des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes (nachfolgend Rotkreuzbewegung) als Aufnahmebedingung vor, dass nationale Hilfsgesellschaften ausschliesslich den Namen und das Zeichen des roten Kreuzes oder des roten Halbmondes benützen dürfen. Ein anderes Zeichen, wie es beispielsweise die israelische Hilfsgesellschaft (roter Davidstern) verwendet, oder eine Kombination von Kreuz und Halbmond, wie sie von Eritrea gebraucht wird, sind formale Hinderungsgründe für eine Aufnahme in die Rotkreuzbewegung.

Die geltenden Aufnahmebedingungen wurden zunehmend als diskriminierend und im Widerspruch zu den Grundsätzen der Rotkreuzbewegung, wie z.B. der Universalität, stehend empfunden. Einige Staaten und Mitglieder der Föderation sahen sich deshalb veranlasst, ihre Unterstützung und sogar Mitgliedschaft in der Rotkreuzbewegung zu sistieren, falls keine Lösung für dieses Problem gefunden werden könne.

1.4

Internationale Bemühungen zur Schaffung eines zusätzlichen Schutzzeichens

In einem Grundsatzartikel im Jahre 1992 versuchte der damalige IKRK-Präsident, die erwähnten Probleme einer nachhaltigen Lösung zuzuführen. In der Folge wurde eine Arbeitsgruppe der Rotkreuzbewegung eingesetzt, die verschiedene Lösungsmodelle erarbeitete. Die Arbeitsgruppe, in der die Schweiz vertreten war, erreichte trotz schwieriger Ausgangslage am 14. April 2000 in Genf einen bedeutenden, unvorhergesehenen diplomatischen Durchbruch. Das IKRK unterbreitete der Arbeitsgruppe einen Vorschlag, das Problem des Schutzzeichens mit einem Dritten Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen zu lösen. Nach Annahme des Zusatzprotokolls III durch die Diplomatische Konferenz der Vertragsstaaten der Genfer Abkommen von 1949 sollten anschliessend im Rahmen einer Internationalen Konferenz der Rotkreuzbewegung deren Statuten geändert werden. Dieser Lösungsansatz fand Zustimmung und wurde an die Ständige Kommission der Rotkreuzbewegung weitergeleitet.

Am 12. Mai 2000 stimmte die Ständige Kommission den Vorschlägen der Arbeitsgruppe zu und lud alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Internationalen Konferenz zur zeitlich vorgezogenen 28. Internationalen Konferenz am 14. November 2000 in Genf ein. Mit Brief vom 17. Mai 2000 teilte die Vorsitzende der Ständigen Kommission dem damaligen Vorsteher des EDA die Entscheidung der Ständigen Kommission mit.

Mit Brief vom 24. Mai 2000 gelangte der Präsident des IKRK an den Vorsteher des EDA, um die Schweiz in ihrer Eigenschaft als Depositar der Genfer Abkommen von 1949 einzuladen, eine Diplomatische Konferenz zur Annahme eines Dritten Zusatzprotokolls der Genfer Abkommen in Betracht zu ziehen. In ihrer Funktion als Depositar führte die Schweiz entsprechende Konsultationen durch und liess im Juli 2000 allen Vertragsparteien der Genfer Abkommen den Entwurf des Zusatzprotokolls III zukommen. Eine Lösung schien in Reichweite, als im September 2000 im besetzten palästinensischen Gebiet die zweite Intifada ausbrach und den gefundenen Kompromiss in Frage stellte. Da die unerlässlichen politischen Voraussetzungen für die 1933

Annahme des Zusatzprotokolls III nicht mehr gegeben waren, wurde entschieden, die diplomatische Konferenz, welche die Schweiz für Oktober 2000 einberufen hatte, zu verschieben.

Vor dem Hintergrund der positiven Entwicklung im Nahen Osten sahen verschiedene Staaten sowie das IKRK und die Föderation zu Beginn des Jahres 2005 den Zeitpunkt für die Wiederaufnahme der Konsultationen gekommen und wandten sich mit diesem Anliegen an die Schweiz.

Am 23. März 2005 ernannte der Bundesrat einen Sonderbotschafter und beauftragte ihn mit der Führung der Konsultationen im Hinblick auf die Einberufung einer diplomatischen Konferenz. Gleichzeitig nahm er Kenntnis davon, dass der Sonderbotschafter die Rolle des Generalsekretärs dieser Konferenz übernehmen würde.

Der Sonderbotschafter nahm unmittelbar nach seiner Ernennung intensive Konsultationen mit einer grossen Zahl von Vertragsstaaten in Genf und in wichtigen Hauptstädten auf. Die Konsultationen wurden in enger Zusammenarbeit mit dem IKRK, der Föderation und der Ständigen Kommission geführt.

Die Konsultationen zeigten, dass weitgehender Konsens darüber bestand, dass der im Jahre 2000 ausgearbeitete Entwurf für ein Drittes Zusatzprotokoll eine geeignete Grundlage für die Lösung der Problematik der Schutzzeichen der Genfer Abkommen darstellt und dass ein konsensorientiertes Vorgehen anzustreben ist. Hingegen bestand einstweilen keine Einigkeit bezüglich des geeigneten Zeitpunkts für die Verabschiedung des Zusatzprotokolls III durch eine diplomatische Konferenz.

Ende Mai 2005 informierte die Schweiz als Depositar der Genfer Abkommen sämtliche Vertragsstaaten schriftlich über die Wiederaufnahme und das bisherige Ergebnis der Konsultationen. Zusammen mit der Note wurden der Entwurf für das Zusatzprotokoll III und ein Entwurf für Verfahrensregeln der Konferenz versandt. Die Vertragsstaaten wurden aufgefordert, bis zum 17. Juni 2005 zu den Verfahrensregeln Stellung zu nehmen und auch allfällige weitere Anmerkungen zum weiteren Vorgehen des Depositars in dieser Angelegenheit zu machen. Da auch nach dieser formellen Konsultation weiterhin unterschiedliche Auffassungen über den geeigneten Zeitpunkt für die Abhaltung der Diplomatischen Konferenz bestanden, lud der Depositar Ende Juli 2005 mittels diplomatischer Note alle Vertragsstaaten für den 12./13. September 2005
zu informellen Diskussionen über die Modalitäten der Konferenz nach Genf ein.

Am genannten Treffen fasste der schweizerische Tagungspräsident in seiner Schlusserklärung die vorherrschende Meinung zusammen, wonach die Diplomatische Konferenz möglichst bald stattfinden solle. Er hielt in diesem Sinne fest, dass der Depositarstaat gedenke, diese vor Ende 2005 einzuberufen. Gleichzeitig sicherte er zu, dass die Schweiz ihre Konsultationen fortsetzen und sich dabei auf die Vorbehalte einer Gruppe von Vertragsstaaten konzentrieren werde. Diese betrafen die territoriale Verwendung des Schutzzeichens und die geografische Zuständigkeit der nationalen Hilfsgesellschaften, d.h. die Frage, ob und unter welchen Bedingungen die israelische Hilfsgesellschaft in den besetzten palästinensischen und syrischen Gebieten tätig sein könne. Schliesslich erklärte der Tagungspräsident, der Depositar werde alle notwendigen Vorbereitungsmassnahmen für eine erfolgreiche Konferenz in die Wege leiten und dabei engen Kontakt mit den Vertragsstaaten pflegen.

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Die Vorsteherin des EDA führte anlässlich der Eröffnung der 60. Generalversammlung der UNO umfassende Konsultationen zur Frage des Zusatzprotokolls III. Ende September 2005 hielt der Vorsitzende der israelischen Hilfsgesellschaft Magen David Adom in einer schriftlichen Erklärung u.a. die Bereitschaft fest, mit den Hilfsgesellschaften der Nachbarländer Vereinbarungen abzuschliessen. Die Schweiz setzte in der Folge alles daran, ein solches Abkommen zwischen der israelischen und der palästinensischen bzw. der syrischen Hilfsgesellschaft zu vermitteln. Die Übereinkunft zwischen der israelischen und der palästinensischen Hilfsgesellschaft, die Bestimmungen über die territoriale Verwendung der Schutzzeichen und über die jeweilige geografische Zuständigkeit der beiden Hilfsgesellschaften enthält, wurde schliesslich am 28. November 2005 in Genf unterzeichnet. Der Abschluss einer ähnlichen Vereinbarung zwischen der israelischen und der syrischen Hilfsgesellschaft kam aber aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen und nicht erfüllbarer Vorbedingungen nicht zustande. Auf der Basis der Ergebnisse der Reise der Vorsteherin des EDA in den Nahen Osten Ende Oktober 2005 wurde schliesslich entschieden, die Diplomatische Konferenz zur Annahme eines Dritten Zusatzprotokolls für den 5. Dezember 2005 in Genf einzuberufen. Die Schweizer Auslandvertretungen wurden am 3. November schriftlich instruiert, die Vertragsstaaten der Genfer Abkommen von 1949 am 7. November mittels diplomatischer Note zu dieser Konferenz einzuladen.

2

Inhalt und Anwendungsbereich des Zusatzprotokolls III

2.1

Einleitung

Das Zusatzprotokoll III bleibt in seinem Anwendungsbereich auf die Frage der Annahme eines zusätzlichen Schutzzeichens und dessen Verwendung begrenzt. Mit dem Dritten Zusatzprotokoll und der Schaffung eines zusätzlichen Schutzzeichens, das die drei bestehenden Schutzzeichen (rotes Kreuz, roter Halbmond, roter Löwe mit roter Sonne, letzteres seit 1980 nicht mehr verwendet) ergänzt, sollen drei Ziele erreicht werden. Erstens soll es der Rotkreuzbewegung ermöglicht werden, ihr Ziel der Universalität erreichen zu können, indem ein zusätzliches Schutzzeichen für jene geschaffen wird, welche keines der bestehenden Schutzzeichen verwenden möchten, weil diese aus ihrer Sicht religiöse Assoziationen wecken oder aus anderen Überlegungen vor dem Hintergrund nationaler Besonderheiten nicht akzeptabel erscheinen.

Zweitens soll die seit 130 Jahren bestehende Gefahr der Proliferation der Schutzzeichen beseitigt werden, indem ein letztes zusätzliches Schutzzeichen geschaffen wird, das weder religiöse noch nationale, politische oder ethnische Assoziationen weckt. Und drittens soll das zusätzliche Schutzzeichen in aussergewöhnlichen Situationen von medizinischen Einheiten und Personal verwendet werden können, in denen die bestehenden Schutzzeichen aufgrund mangelnder Akzeptanz seitens lokaler Akteure nicht genügend Schutz gewähren. In den Jahren 2000 und 2001 hat das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport zugunsten des IKRK Feldversuche über die Sichtbarkeit des geplanten neuen Schutzzeichens mit positiven Ergebnissen durchgeführt. Das neue Schutzzeichen erfüllt somit die Anforderungen an eine gute Sichtbarkeit im Einsatzgebiet.

1935

2.2

Präambel

Die Präambel ist eine rechtlich unverbindliche Einleitung zu den nachfolgenden Bestimmungen. Sie stellt das Zusatzprotokoll III in sein internationales normatives Umfeld, indem sie auf die für das Protokoll zentralen Bestimmungen der Genfer Abkommen und der Zusatzprotokolle von 1977 verweist. Sie ordnet die nachfolgenden Bestimmungen aber auch inhaltlich ein. Sie verweist auf den Wunsch, den Schutzwert und den universellen Charakter der Schutzzeichen zu stärken, und hält fest, dass das Zusatzprotokoll III das Recht der Vertragsstaaten nicht schmälert, ein bereits verwendetes Schutzzeichen der Genfer Abkommen weiter zu verwenden. Es wird daran erinnert, dass sich die Verpflichtungen zur Achtung und zum Schutz der Personen und Güter, die unter dem Schutz der Genfer Abkommen und ihrer Zusatzprotokolle stehen, direkt aus dem Völkerrecht ergeben und unabhängig von der Verwendung von Schutzzeichen bestehen. In der Präambel wird ausdrücklich betont, dass den Schutzzeichen keine religiöse, ethnische, rassische, regionale oder politische Bedeutung zukommen soll, und daran erinnert, dass das erste Genfer Abkommen eine Unterscheidung zwischen der Verwendung der Schutzzeichen zum Schutz und zur Kennzeichnung macht. Im Weiteren wird auf das wichtige Prinzip der Rotkreuzbewegung hingewiesen, dass nationale Gesellschaften ein bestimmtes Schutzzeichen nur mit Genehmigung eines anderen Staates auf dessen Territorium verwenden dürfen. Die Präambel erwähnt auch den Beweggrund für die Schaffung eines zusätzlichen Schutzzeichens, nämlich den Umstand, dass die Verwendung der bestehenden Schutzzeichen bestimmten Staaten und bestimmten nationalen Gesellschaften Schwierigkeiten bereiten kann. Schliesslich wird darin auch die Entschlossenheit des IKRK, der Föderation und der Rotkreuzbewegung festgehalten, ihre Bezeichnung und ihre gegenwärtigen Schutzzeichen zu bewahren.

2.3

Einhaltung und Geltungsbereich des Zusatzprotokolls III (Art. 1)

Wie die Genfer Abkommen und die beiden Zusatzprotokolle von 1977 hält auch das Zusatzprotokoll III fest, dass die Vertragsparteien verpflichtet sind, dieses Protokoll unter allen Umständen einzuhalten und seine Einhaltung durchzusetzen. Weiter wird festgehalten, dass das Protokoll die Bestimmungen der vier Genfer Abkommen und der beiden Zusatzprotokolle von 1977 über die Schutzzeichen bekräftigt und ergänzt. Es ist unter denselben Umständen anwendbar, auf die auch in diesen Bestimmungen Bezug genommen wird, d.h. in Zeiten eines bewaffneten Konfliktes oder in Friedenszeiten.

2.4

Schutzzeichen (Art. 2)

Mit dem Zusatzprotokoll III wird neben den bestehenden Schutzzeichen ein zusätzliches Schutzzeichen geschaffen. Es dient denselben Zwecken wie die bestehenden Schutzzeichen und geniesst denselben Status. Das zusätzliche Schutzzeichen besteht aus einem roten Rahmen in der Form eines auf der Spitze stehenden Quadrats auf weissem Grund. Das Protokoll verleiht dem Schutzzeichen keinen besonderen Namen. Es wird im Vertragstext als Schutzzeichen des dritten Protokolls bezeichnet.

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird es auch «Roter Kristall» genannt. Es wird 1936

festgehalten, dass das zusätzliche Schutzzeichen unter denselben Bedingungen, wie sie in den Genfer Abkommen und den beiden Zusatzprotokollen von 1977 festgehalten sind, verwendet werden kann und dass alle für die bestehenden Schutzzeichen in diesen Abkommen und Protokollen enthaltenen Vorschriften auch für das neue Schutzzeichen gelten (z. B. betreffend Missbrauch). Das Protokoll sieht vor, dass die Sanitäts- und Seelsorgedienste der Streitkräfte der Vertragsparteien jedes der Schutzzeichen ohne Präjudiz für ihre gegenwärtigen Schutzzeichen vorübergehend verwenden können, falls dies dazu beitragen kann, ihren Schutz zu erhöhen.

2.5

Verwendung des Schutzzeichens zur Kennzeichnung (Art. 3)

Die Nationalen Gesellschaften der Vertragsparteien, die sich dafür entscheiden, das neue Schutzzeichen zu verwenden, können entweder eines der bestehenden Schutzzeichen oder eine Kombination dieser darin integrieren (Abs. 1 Bst. a). Sie können aber auch ein anderes Schutzzeichen einfügen, das von einer Vertragspartei bereits effektiv verwendet wurde und vor Verabschiedung dieses Protokolls Gegenstand einer Mitteilung war, die vom Depositar an die anderen Vertragsparteien und das IKRK weitergeleitet wurde (Abs. 1 Bst. b). In der Praxis erfüllt nur der rote Davidstern diese Bedingung. Israel hatte anlässlich der Ratifikation der Genfer Abkommen 1951 den Vorbehalt angebracht, dass es die Unverletzlichkeit der Schutzzeichen der Abkommen anerkenne, aber weiterhin den roten Davidstern als Schutzzeichen verwenden werde. Nationale Gesellschaften, die in Anwendung dieser Bestimmung ein anderes Schutzzeichen in das zusätzliche Schutzzeichen einfügen, können dieses andere Schutzzeichen innerhalb ihres nationalen Territoriums verwenden (Abs. 2). Diese Bestimmung wird es z.B. der israelischen nationalen Gesellschaft Magen David Adom erlauben, in Israel weiterhin allein den Roten Davidstern zu verwenden. Das Protokoll sieht auch vor, dass nationale Gesellschaften, unter Berücksichtigung der nationalen Gesetzgebung, unter aussergewöhnlichen Umständen und vorübergehend das zusätzliche Schutzzeichen zur Erleichterung ihrer Arbeit verwenden können (Abs. 3). Eine solche Situation könnte sich z.B. beim freiwilligen Einsatz einer nationalen Hilfsgesellschaft in einem Konfliktgebiet ergeben, in dem die nationale Gesellschaft durch die Verwendung ihres bestehenden Schutzzeichens etwa leichter Opfer eines terroristischen Anschlags werden könnte.

Die Möglichkeit, das neue Schutzzeichen mit den bestehenden Schutzzeichen der Genfer Abkommen oder einem anderen Schutzzeichen zu kombinieren, hat keine Auswirkungen auf die Rechtsstellung dieser Schutzzeichen (Abs. 4).

2.6

Verwendung des Schutzzeichens durch das IKRK oder die Föderation (Art. 4)

Das Protokoll sieht vor, dass das IKRK und die Föderation sowie ihre entsprechend befugten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das zusätzliche Schutzzeichen unter aussergewöhnlichen Umständen und zur Erleichterung ihrer Arbeit verwenden können. Zwar könnten beide gemäss Artikel 2 und in Verbindung mit Artikel 44 des ersten Genfer Abkommens das zusätzliche Schutzzeichen jederzeit verwenden. Mit dieser Bestimmung sollte aber ausdrücklich den Bedenken gewisser Vertragsparteien Rechnung getragen werden, die befürchteten, das IKRK oder die Föderation 1937

würden künftig nur noch das zusätzliche Emblem verwenden. Dass aber diese Absicht bei beiden nicht besteht, wurde in der Präambel ausdrücklich festgehalten (vgl. oben Ziff. 2.2).

2.7

Missionen unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen (Art. 5)

Das Protokoll ermöglicht es dem Sanitäts- und Seelsorgepersonal, das an Operationen unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen beteiligt ist, sowohl das rote Kreuz als auch den roten Halbmond oder das zusätzliche Schutzzeichen zu verwenden, dies allerdings nur mit dem Einverständnis der an der Operation beteiligten Staaten. Es handelt sich hier um eine Möglichkeit, die in den Genfer Abkommen und den beiden Zusatzprotokollen von 1977 nicht vorgesehen ist. Aufgrund der seither zunehmenden Bedeutung, die den Vereinten Nationen z.B. bei friedenserzwingenden oder friedenserhaltenden Einsätzen zukommt, war der Zeitpunkt gekommen, diese Möglichkeit vorzusehen und so zum erhöhten Schutz des betroffenen Personals beizutragen.

2.8

Verhinderung und Verfolgung von Missbräuchen (Art. 6)

Bereits aufgrund der Genfer Abkommen und der beiden Zusatzprotokolle von 1977 sind die Vertragsparteien verpflichtet, jeglichen Missbrauch der Schutzzeichen zu verhindern und zu verfolgen. Diese Bestimmungen gelten nun gleichermassen für das zusätzliche Schutzzeichen. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, Massnahmen zur Verhinderung und Verfolgung jeglichen Missbrauchs der Schutzzeichen, einschliesslich des heimtückischen Gebrauchs oder der Nachahmung, zu ergreifen (Abs. 1). Die Vertragsstaaten können aber die bisherigen Benutzer des zusätzlichen Schutzzeichens oder eines Zeichens, das eine Nachahmung davon darstellt, zur weiteren Verwendung dieser Zeichen ermächtigen. Dies aber nur, solange diese Verwendung während eines bewaffneten Konflikts nicht den Anschein erweckt, dass damit der Schutz der Genfer Abkommen oder ihrer Zusatzprotokolle erwirkt werden soll. Zudem müssen die Rechte zur Verwendung dieser Zeichen bereits vor der Annahme dieses Protokolls erworben worden sein.

2.9

Verbreitung (Art. 7)

Die Vertragsparteien werden verpflichtet, dieses Protokoll sowohl in Friedenszeiten als auch in Zeiten eines bewaffneten Konflikts so weit als möglich zu verbreiten. Es handelt sich dabei um eine bereits in den Genfer Abkommen und den Zusatzprotokollen von 1977 enthaltene Bestimmung. Die Vertragsparteien müssen dafür sorgen, dass die Regeln des Zusatzprotokolls III der Zivilbevölkerung und den Streitkräften bekannt sind. Zu diesem Zweck müssen sie das Zusatzprotokoll III in ihre militärischen Ausbildungsprogramme integrieren. Die Verbreitung bei der Zivilbevölkerung kann z.B. durch Kurse und Seminare oder einschlägige Veröffentlichungen erfolgen, wobei dies in Zusammenarbeit mit der zuständigen nationalen Hilfsgesellschaft und dem IKRK geschehen kann.

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2.10

Schlussbestimmungen (Art. 8­17)

Die Schlussbestimmungen des Zusatzprotokolls III entsprechen im Wesentlichen denjenigen des ersten Zusatzprotokolls von 1977. Der Schweizerische Bundesrat, Depositar der Genfer Abkommen von 1949 und der Zusatzprotokolle von 1977, wird konsequenterweise neu auch Depositar des Zusatzprotokolls III. Dieses wird am Tag seiner Verabschiedung zur Unterzeichung aufgelegt und kann anschliessend noch während zwölf Monaten von den Vertragsparteien der Genfer Abkommen unterzeichnet werden (Art. 8). Vertragsparteien, die es nicht unterzeichen, können dem Protokoll beitreten. Die Beitrittsurkunden werden, wie die Ratifikationsurkunden, beim Schweizerischen Bundesrat, dem Depositar der Genfer Abkommen und ihrer Zusatzprotokolle, hinterlegt (Art. 9 und 10). Das Zusatzprotokoll III tritt sechs Monate nach Hinterlegung von zwei Ratifikations- oder Beitrittsurkunden in Kraft (Art. 11 Abs. 1). Für jede Vertragspartei, die das Protokoll zu einem späteren Zeitpunkt ratifiziert oder ihm beitritt, tritt es sechs Monate nach der Hinterlegung der Ratifikations- oder Beitrittsurkunde in Kraft (Art. 11 Abs. 2).

Für die Staaten, die durch die Genfer Abkommen und dieses Zusatzprotokoll gebunden sind, bilden diese Instrumente ein einziges System mit Grundnormen und ergänzenden Vorschriften (Art. 12 Abs. 1). Artikel 12 Absatz 2 stimmt mit dem gemeinsamen Artikel 2 Absatz 3 der Genfer Abkommen und Artikel 96 des ersten Zusatzprotokolls überein. Der erste Satz wiederholt die Abschaffung der si-omnesKlausel, auch Allbeteiligungsklausel genannt, die sich in der Petersburger Erklärung und in den meisten Haager Abkommen von 1899 und 1907 findet. Es handelt sich dabei um eine Bestimmung, wonach ein Vertrag, der diese Klausel enthält, in einem bestimmten Konflikt nur anwendbar ist, wenn alle Konfliktparteien auch Vertragsparteien sind und nur solange sich der bewaffnete Konflikt nicht auf einen Staat ausdehnt, der nicht Vertragspartei ist. Aufgrund des zweiten Satzes von Absatz 2 sind die Vertragsparteien verpflichtet, das Zusatzprotokoll III ebenfalls gegenüber einer Konfliktpartei einzuhalten, die zwar nicht durch das Zusatzprotokoll III gebunden ist, aber dessen Bestimmungen annimmt und anwendet. Diesem Grundsatz kommt deshalb Bedeutung zu, weil das Zusatzprotokoll III auch auf Konflikte anwendbar ist, in denen Staaten nichtstaatlichen
Gebilden gegenüberstehen, die nicht Vertragspartei werden können.

Jede Vertragspartei kann zu jedem Zeitpunkt dem Depositar Änderungsvorschläge mitteilen. Dieser konsultiert die anderen Vertragsparteien und das IKRK zur Frage, ob er eine Konferenz einberufen soll. Ist dies der Fall, so lädt der Depositar alle Vertragsparteien der Genfer Abkommen ein, nicht nur die durch das Zusatzprotokoll III gebundenen (Art. 13). Für die Annahme von Änderungen gelten die üblichen Bestimmungen des völkerrechtlichen Vertragsrechts.

Für die Kündigung des Zusatzprotokolls III (Art. 14) gelten dieselben Modalitäten wie für die Kündigung der Genfer Abkommen und der beiden Zusatzprotokolle von 1977. Dadurch, dass die Kündigung erst nach einem Jahr wirksam wird bzw. bis zum Ende eines allfälligen bewaffneten Konflikts oder einer Besetzung unwirksam bleibt, werden die Vertragsparteien daran gehindert, sich von ihren Verpflichtungen in Fällen zu lösen, die gerade eine konkrete Anwendung der Vertragsbestimmungen erfordern bzw. erfordern werden.

Artikel 15 enthält eine Liste der Notifikationen, die der Depositar auszuführen hat, wie z.B. die Benachrichtigung der Vertragsparteien über die Hinterlegung von Ratifikations- und Beitrittsurkunden oder Kündigungen.

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Der Depositar übermittelt das Zusatzprotokoll III nach dessen Inkrafttreten dem Sekretariat der Vereinten Nationen zur Registrierung und Veröffentlichung und informiert es über alle Ratifikationen, Beitritte und Kündigungen (Art. 16).

Der Depositar übermittelt den Vertragsparteien der Genfer Abkommen beglaubigte Abschriften der authentischen Texte des Zusatzprotokolls III, dessen arabischer, chinesischer, englischer, französischer, russischer und spanischer Wortlaut gleichermassen verbindlich ist (Art. 17).

3

Das Zusatzprotokoll III und die schweizerische Rechtsordnung

3.1

Art der völkerrechtlichen Verpflichtung: direkt oder nicht direkt anwendbare Bestimmungen

Die Schweiz gehört zu den Staaten mit einer monistischen Tradition. Daher wird das Zusatzprotokoll III wie alle anderen völkerrechtlichen Verträge mit seinem Inkrafttreten automatisch Bestandteil der schweizerischen Rechtsordnung. Welche Wirkung die Bestimmungen im innerstaatlichen Verhältnis im Einzelnen entfalten, hängt jedoch vom Grad ihrer Bestimmtheit ab. Eine Bestimmung kann vor den Behörden direkt vorgebracht werden und von diesen unmittelbar angewandt werden, wenn sie inhaltlich hinreichend klar und bestimmt ist, um im Einzelfall Grundlage für einen Entscheid bilden zu können. Die Norm muss zudem den Einzelnen Rechte und Pflichten einräumen, somit ihre Rechtsstellung regeln. Hingegen ist eine völkerrechtliche Bestimmung nicht direkt anwendbar und damit nicht justiziabel, wenn sie bloss ein Programm umschreibt, Richtlinien für die Gesetzgebung der Vertragsstaaten aufstellt oder sich ausschliesslich an die politischen Behörden wendet. Allgemein kann gesagt werden, dass die Mehrheit der Bestimmungen des Zusatzprotokolls III sich ausschliesslich an die politischen Behörden, internationale Gremien und nationale Hilfsgesellschaften richten; dies schliesst deren Justiziabilität aus.

3.2

Verwendung und Schutz des Schutzzeichens im Schweizer Recht

Mit dem Zusatzprotokoll III wird ein zusätzliches Schutzzeichen zu den bereits bestehenden Schutzzeichen angenommen. Die für diese Schutzzeichen geltenden Bestimmungen der Genfer Abkommen und der beiden Zusatzprotokolle von 1977 gelten auch für das neue Schutzzeichen. Diese Bestimmungen stellen für die Schweiz bereits geltendes Recht dar. Das Zusatzprotokoll III führt somit materiell zu keinen neuen Verpflichtungen für die Schweiz. Das geltende Recht ist im Wesentlichen nur auf ein zusätzliches Schutzzeichen auszudehnen. Nur wenige Bestimmungen des Schweizer Rechts nehmen auf die Schutzzeichen der Genfer Abkommen Bezug. Das Bundesgesetz betreffend den Schutz des Zeichens und des Namens des Roten Kreuzes (SR 232.22) regelt die Verwendung des roten Kreuzes auf weissem Grund und der Worte «Rotes Kreuz» und stellt deren Missbrauch unter Strafe. Ein Teil der Bestimmungen ist auch auf die Schutzzeichen des roten Halbmonds und des roten Löwen mit roter Sonne anwendbar. Das Militärstrafgesetz (MStG; SR 321.0) stellt im 6. Abschnitt des 2. Titels die Verletzung des Völkerrechts im Falle bewaffneter Konflikte unter Strafe. Artikel 110 MStG regelt den Missbrauch internationaler 1940

Schutzzeichen, insbesondere des Roten Kreuzes, des Roten Halbmondes und des Roten Löwen mit roter Sonne. Artikel 111 MStG stellt Feindseligkeiten gegen Personen oder die Zerstörung von Material, welche unter dem Schutz der Schutzzeichen stehen, unter Strafe. Die Umsetzung des Zusatzprotokolls III macht die Anpassung dieser beiden Bundesgesetze notwendig, indem auch das zusätzliche Schutzzeichen erwähnt werden muss und die Möglichkeit vorgesehen werden soll, das zusätzliche Schutzzeichen unter aussergewöhnlichen Voraussetzungen vorübergehend verwenden zu können.

3.2.1

Strafbarkeit des Missbrauchs der Schutzzeichen und der Feindseligkeiten gegen geschützte Personen und Sachen

Artikel 110 MStG regelt den Missbrauch internationaler Schutzzeichen. Wer das Zeichen oder den Schutz des Roten Kreuzes, des Roten Halbmondes, des Roten Löwen mit der roten Sonne oder des Kulturgüterschildes zur Vorbereitung oder zur Ausführung von Feindseligkeiten missbraucht, wird mit Gefängnis, in schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft. Wer Feindseligkeiten gegen Personen, die unter dem Schutz der bestehenden Schutzzeichen stehen, verübt oder sie in der Ausübung ihrer Tätigkeit behindert oder wer Material, das unter dem Schutz der Schutzzeichen steht, zerstört oder beschädigt, wird nach Artikel 111 MStG mit Gefängnis, in schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft. In leichten Fällen kann eine disziplinarische Bestrafung erfolgen. In diesen Bestimmungen ist neu auch das Schutzzeichen des dritten Zusatzprotokolls aufzuführen. Das Schutzzeichen des dritten Zusatzprotokolls wird auch im Rahmen der geplanten Umsetzung des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes im Schweizer Strafrecht zu berücksichtigen sein. Artikel 8 des Bundesgesetzes betreffend den Schutz des Zeichens und des Namens des Roten Kreuzes stellt ebenfalls dessen Missbrauch unter Strafe. Die Bestimmungen des MStG bleiben vorbehalten. Artikel 9 regelt den Missbrauch durch juristische Personen. Die Verfolgung und Beurteilung der strafbaren Handlungen ist Sache der Kantone (Art. 10). Die entgegen diesem Gesetz bezeichneten Waren können beschlagnahmt werden. Der Richter verfügt die Beseitigung der gesetzeswidrigen Zeichen sowie die Einziehung, Verwertung oder Zerstörung der ausschliesslich zur Anbringung dieser Zeichen dienenden Werkzeuge und Vorrichtungen (Art. 11).

Gemäss Artikel 12 sind die Artikel 5 und 7­11 entsprechend anwendbar auf die Zeichen des roten Halbmondes und des roten Löwen mit roter Sonne sowie auf die Wörter «Roter Halbmond» und «Roter Löwe mit Roter Sonne». Auch hier wird neu das Schutzzeichen des dritten Zusatzprotokolls aufzuführen sein. Ebenfalls aufzuführen sind die Wörter «Roter Kristall», da die Rotkreuzbewegung beabsichtigt, das zusätzliche Schutzzeichen künftig so zu nennen. Gleichzeitig ist aufgrund von Artikel 6 Absatz 2 des Zusatzprotokolls III die Möglichkeit vorzusehen, bisherige Benutzerinnen und Benutzer des Schutzzeichens des Zusatzprotokolls III, sofern sie die Rechte zur Verwendung des Zeichens
vor Verabschiedung des Zusatzprotokolls erworben haben, zur weiteren Verwendung des Zeichens zu ermächtigen, solange damit nicht der Anschein erweckt werden soll, dass damit während eines bewaffneten Konflikts der völkerrechtliche Schutz erwirkt werden soll. Bei dieser Gelegenheit werden in Artikel 7 Absatz 2 die nicht mehr gebräuchlichen Bezeichnungen «Fabrik- und Handelsmarken» und «gewerbliche Muster und Modelle» durch die Bezeichnungen «Marken» bzw. «Designs» ersetzt.

1941

3.2.2

Verwendung der Schutzzeichen

Das Bundesgesetz betreffend den Schutz des Zeichens und des Namens des Roten Kreuzes regelt die Verwendung des Zeichens und des Namens des «Roten Kreuzes» durch die Sanitätsdienste der Armee mit Einschluss der freiwilligen Sanitätshilfe des Schweizerischen Roten Kreuzes sowie durch die Feldprediger (Art. 1). Des Weiteren regelt es die Verwendung des roten Kreuzes in Kriegszeiten zur Kennzeichnung der Zivilspitäler oder Sanitätszonen, von Verwundeten- und Krankentransporten (Art. 2 und 3) sowie dessen Verwendung durch das Schweizerische Rote Kreuz in Kriegs- und in Friedenszeiten zu Erkennungszwecken (Art. 4). Das IKRK und die Föderation sowie ihr gehörig ausgewiesenes Personal sind berechtigt, das rote Kreuz jederzeit zu verwenden (Art. 5).

Laut dem Zusatzprotokoll III geniessen alle Schutzzeichen denselben Status. Wie unter Ziffer 2.4 ausgeführt, ermächtigt es die Sanitäts- und Seelsorgedienste der Streitkräfte der Vertragsparteien, alle Schutzzeichen ohne Präjudiz für ihre gegenwärtigen Schutzzeichen vorübergehend zu verwenden, wenn diese Verwendung der Verbesserung ihres Schutzes dient. Unter aussergewöhnlichen Umständen und zur Erleichterung ihrer Arbeit können die nationalen Hilfsgesellschaften das zusätzliche Schutzzeichen ebenfalls vorübergehend verwenden (vgl. Ziff. 2.5). Das IKRK und die Föderation sowie ihr Personal können das zusätzliche Schutzzeichen jederzeit verwenden. Während das Gesetz bereits heute die Verwendung des roten Halbmondes und des roten Löwen mit roter Sonne für das IKRK und die Föderation vorsieht, gestattet es den Sanitäts- und Seelsorgediensten der Schweizer Armee und dem Schweizerischen Roten Kreuz nur die Verwendung des roten Kreuzes. Weder die Schweizer Armee noch das Schweizerische Rote Kreuz beabsichtigen, ihr bestehendes Schutzzeichen zu ändern. Um die Gleichstellung der Schutzzeichen zu gewähren, ist diese Möglichkeit der vorübergehenden Verwendung der anderen Schutzzeichen durch die Streitkräfte bzw. des zusätzlichen Schutzzeichens durch das Schweizerische Rote Kreuz im Gesetz zu regeln. Es kann z.B. nicht ausgeschlossen werden, dass die vorübergehende Verwendung des zusätzlichen Schutzzeichens durch das Schweizerische Rote Kreuz oder durch Formationen und Personal des Armeesanitätsdienstes im Rahmen eines humanitären Einsatzes im Ausland erheblich zur
Verbesserung ihres Schutzes beitragen kann. Zur Herstellung der Gleichstellung der Schutzzeichen und der Möglichkeit der vorübergehenden Verwendung durch die Streitkräfte ist Artikel 1 entsprechend anzupassen. Die vorübergehende Verwendung des zusätzlichen Schutzzeichens durch das Schweizerische Rote Kreuz ist in Artikel 4 vorzusehen. Bei dieser Gelegenheit ist die in Artikel 5 verwendete, nicht mehr gebräuchliche Bezeichnung «Liga der Rotkreuzgesellschaften» durch die heutige Bezeichnung «Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften» zu ersetzen.

4

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf Bund und Kantone

Die Umsetzung des Zusatzprotokolls III wird eine Anpassung der Reglemente, Merkblätter und anderer Mittel zur Verbreitung des internationalen humanitären Völkerrechts an den neuen Stand notwendig machen. Diese beschränkt sich allerdings auf die Erwähnung und Darstellung des zusätzlichen Schutzzeichens. Das 1942

Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport wird die notwendigen Anpassungen im Rahmen der ordentlichen, vorgesehenen Anpassungen vornehmen.

Somit sollten sich keine direkten finanziellen oder personellen Folgen ergeben.

5

Verhältnis zur Legislaturplanung

Aufgrund der Unvorhersehbarkeit der Möglichkeit einer neuerlichen Einberufung der Diplomatischen Konferenz bzw. der Annahme des Zusatzprotokolls III konnte diese Vorlage in der Legislaturplanung 2003­2007 nicht berücksichtigt werden.

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit

Die Verfassungsmässigkeit des Bundesbeschlusses zur Genehmigung des Zusatzprotokolls III beruht auf Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV), der den Bund ermächtigt, völkerrechtliche Verträge abzuschliessen. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV zuständig, die Verträge zu genehmigen und den Bundesrat zur Ratifizierung zu ermächtigen.

Laut Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterstehen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2) oder wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3). Das Zusatzprotokoll III ist kündbar (Art. 14) und impliziert keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation. Es stellt sich somit einzig die Frage, wie es sich mit Ziffer 3 verhält.

Da die Umsetzung des Zusatzprotokolls III einige Gesetzesänderungen erforderlich macht, ist der Bundesbeschluss zur Genehmigung des Protokolls dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu unterstellen. Gemäss Artikel 141a Absatz 2 BV kann die Bundesversammlung die Gesetzesänderungen, die der Umsetzung des Zusatzprotokolls III dienen, in den Genehmigungsbeschluss aufnehmen.

6.2

Verhältnis zum europäischen Recht

Alle Mitglieder der Europäischen Union und des Europarates sind Vertragsparteien der Genfer Abkommen. Das Zusatzprotokoll III ergänzt die Genfer Abkommen, indem es ein zusätzliches Schutzzeichen schafft. Darüber hinaus enthält es aber kaum neues Recht. Mehr als zehn Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben das Zusatzprotokoll III bereits unterzeichnet. Die Vorlage ist somit mit dem europäischen Recht vereinbar.

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