Untersuchung zu den Entscheiden des Bundesrates vom 23. November 2005 betreffend das Unternehmen Swisscom AG Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 28. März 2006 Stellungnahme des Bundesrates vom 3. Mai 2006

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Nationalräte Wir danken Ihnen für Ihr Schreiben vom 28. März 2006. Damit überweisen Sie dem Bundesrat obgenannten Bericht und geben ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis am 17. Juli 2006. Weiter wünschen Sie über die aufgrund des Berichts getroffenen und eingeleiteten Massnahmen orientiert zu werden.

Der Bericht der GPK-N unterstellt, der Bundesrat habe seinen Entscheid vom 23. November 2005 unzureichend vorbereitet und auf unzureichende Grundlagen abgestützt. Der Bundesrat teilt diese Beurteilung nicht. Die Einschätzung der GPK-N verkennt, dass sich der Bundesrat bereits vor dem 23. November acht Mal in anderthalb Jahren mit der Frage der Bundesbeteiligung an Swisscom und ihren Auslandinvestitionen befasst hat. Aus der Tatsache, dass die massgeblichen Papiere erst kurz vor der Bundesratssitzung verteilt wurden, darf nicht geschlossen werden, der Bundesrat habe sich erst zwei Tage vorher mit diesen Fragen zu befassen begonnen.

Im Bericht konzentriert sich die GPK-N im Wesentlichen auf den Entscheid des Bundesrats zu den Auslandsengagements. Aus Sicht des Bundesrats steht bei den Entscheiden vom 23. November jedoch der Grundsatzbeschluss zur Ausarbeitung einer Privatisierungsvorlage im Vordergrund. Mit einer Abgabe der Bundesbeteiligung können die Interessenkonflikte zwischen den Rollen des Bundes als Gesetzgeber, Regulator, Grosskunde und Mehrheitsaktionär beseitigt und der Swisscom die nötigen unternehmerischen Freiheiten zugestanden werden. Die Entscheide zur Ausschüttungspolitik und zu den Auslandengagements folgten diesem Dachentscheid. Der Bundesrat hat sich dabei vom Grundsatz der Risikominimierung für den Bund leiten lassen.

Im Einzelnen nimmt der Bundesrat zur Motion und den drei Empfehlungen aus den Schlussfolgerungen des Berichts wie folgt Stellung:

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1. Motion GPK-N Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, die Rolle als Eigner und die Vertretung des Bundes in Unternehmen, an welchen der Bund massgebend beteiligt ist, klar zu definieren. Der Bundesrat trifft die notwendigen Massnahmen zur Sicherstellung der Verlässlichkeit seiner strategischen Führung und legt die geeigneten Instrumente fest, um seine Einflussnahme in den Organen der Unternehmen auszuüben.

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Steuerung und Kontrolle der bundeseigenen Aktiengesellschaften professionell, transparent und nach einheitlichen Kriterien erfolgt. Verschiedene parlamentarische Vorstösse und Empfehlungen weisen indessen insbesondere im Bereich der Anstalten auf Harmonisierungsbedarf hin. In den Zielen des Bundesrates 2006 ist daher unter Ziel 4 folgendes festgehalten: «In der ersten Jahreshälfte wird der Bundesrat zudem einen Bericht über die Wahrnehmung der Eignerinteressen bei den Anstalten und Unternehmen des Bundes verabschieden» (Bundesratsbeschluss vom 23. November 2005).

Dieser Bericht zur Auslagerung und Steuerung von Bundesaufgaben (Corporate Governance-Bericht) ist in Ausarbeitung und wird vom Bundesrat noch vor den Sommerferien 2006 verabschiedet. Der Bericht verfolgt zwei Ziele: Erstens sollen künftige Auslagerungen systematisch und nach einheitlichen Kriterien beurteilt werden können. Zweitens soll ein Steuerungsmodell mit Referenzcharakter zu einer Harmonisierung und Optimierung der organisationsrechtlichen Konzeption verselbständigter Einheiten beitragen. Dabei steht die Frage im Vordergrund, wie der Bund in seiner Rolle als Eigner auf diese Einheiten einwirkt.

Der Bericht trägt den Anliegen der GPK-N Rechnung. Entsprechend beantragt der Bundesrat Annahme der Motion.

2. Empfehlung 1 Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, die Instruktion als Instrument der Einflussnahme in den Kompetenzbereich des Verwaltungsrats der Swisscom zu überprüfen. Sollte er daran festhalten, sind die Voraussetzungen der Instruktion präzise und verbindlich zu regeln. Dabei sind die Interessen der Minderheitsaktionäre einzubeziehen.

Der Bericht zur Auslagerung und Steuerung von Bundesaufgaben wird sich auch zum Themenkreis der Steuerung verselbständigter Einheiten im Allgemeinen und zum Steuerungselement des Bundesvertreters im Besonderen äussern.

Der Bundesrat anerkennt,
dass sich die Stellung des Vertreters des Bundes im Verwaltungsrat fraglicher Unternehmen als schwierig erweisen kann, wenn die Interessen, welche er einerseits als Bundesvertreter, andererseits als Verwaltungsrat zu vertreten hat, divergieren. Ist der Bund hingegen wie im vorliegenden Fall Hauptoder Mehrheitsaktionär, ist der Staatsvertreter nach erfolgter Instruktion einzig den Bundesinteressen verpflichtet. Im Gegenzug übernimmt der Bund auch die Haftung für allfällige Folgen der Instruktion.

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3. Empfehlung 2 Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, sich vertieft der Verfahren und Mechanismen der Steuerungsprozesse zur Umsetzung der strategischen Ziele des Bundes anzunehmen und diese im Rahmen seiner politischen Entscheidfindung zu respektieren.

Der Bundesrat ist nicht der Meinung, dass mit seinem Beschluss die Verfahren und Mechanismen der Steuerungsprozesse verletzt wurden. So waren die strategischen Ziele des Bundesrates 2002 bis 2005 für Auslandakquisitionen streng und restriktiv formuliert. Auslandbeteiligungen sollten nur getätigt werden, wenn sie langfristig zur Steigerung des Unternehmenswertes beitragen. Der Bundesrat war der Meinung, dass dies bei den im Raum stehenden Auslandgeschäften ­ namentlich Eircom ­ nicht der Fall war. Mit seinen Beschlüssen hat der Bundesrat im Rahmen der strategischen Ziele somit lediglich eine Konkretisierung vorgenommen. Es ist nicht richtig, von einer Änderung der Strategie zu sprechen. Aus Sicht des Bundesrates hätten nicht seine Beschlüsse, sondern im Gegenteil der mögliche Kauf der Eircom, im Widerspruch zu den strategischen Zielen gestanden.

4. Empfehlung 3 Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, Massnahmen zur besseren Vorbereitung, Koordination und zum einheitlichen Vollzug seiner Kommunikation im Sinne der rechtlichen Vorgaben zu treffen. Der Bundesrat definiert, was er unter Informationslead versteht. Ausserdem legt er einheitliche Vorgaben für die Vorbeugung und Verfolgung von Indiskretionen fest.

Der Bundesrat anerkennt, dass die Kommunikation seines ersten Entscheids zur Swisscom nicht in allen Punkten optimal verlaufen ist. Er hat sich im ersten Quartal bereits über die Kommunikation ausgesprochen und Lehren für seine Information gezogen.

Der Bundesrat wird der Kommunikation im Kollegium selbst vermehrt die nötige Beachtung schenken und bei wichtigen Beschlüssen, die von den Anträgen der zuständigen Departemente abweichen, die Kommunikation und die Verantwortlichkeiten festlegen.

Der Bundesrat teilt die Ansicht der GPK-N, dass Indiskretionen für das Ansehen des Staates und für das Vertrauen in seine Institutionen schädlich sind. Indiskretionen beruhen in der Regel auf einer Amtsgeheimnisverletzung durch einen Bundesangestellten (Art. 320 StGB). Der Bundesrat wird sich in den nächsten Monaten vertieft mit der Problematik der
Amtsgeheimnisverletzung auseinandersetzen. In diesem Zusammenhang hat er auch beim Bundesamt für Justiz ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Konsequenzen einer allfälligen Aufhebung von Artikel 293 StGB (Tatbestand der Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen) prüft. Aus Sicht des Bundesrats wirkt neben einer strikten Regelung der Vertraulichkeit auch eine aktive und transparente Informationspolitik gegen Indiskretionen.

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Im Übrigen verweist der Bundesrat auf seine Stellungnahme vom 17. März 2006 zu Handen der Subkommission «Swisscom» der GPK-N, in der er sich zu weiteren Punkten des Berichts geäussert hat.

Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Nationalräte, den Ausdruck unserer ausgezeichneten Hochachtung.

3. Mai 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

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