zu 06.023 Stellungnahme des Bundesgerichts zum Entwurf für die Botschaft und ein Bundesgesetz über die Bereinigung und Aktualisierung der Totalrevision der Bundesrechtspflege vom 10. Februar 2006

Sehr geehrter Herr Bundesrat Sie haben das Bundesgericht eingeladen, zum Entwurf für die Botschaft und ein Bundesgesetz über die Bereinigung und Aktualisierung der Totalrevision der Bundesrechtspflege Stellung zu nehmen (BBl 2006 3067). Wir danken Ihnen dafür bestens und benützen die Gelegenheit zur Stellungnahme gerne.

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Vereinheitlichung der Amtsdauern der ordentlichen und nebenamtlichen Mitglieder des Bundesgerichts und des EVGs

Mit der Vorlage soll das Ende der laufenden Amtsdauern der Mitglieder des Eidgenössischen Versicherungsgerichts und aller nebenamtlichen Bundesrichter und Bundesrichterinnen auf Ende 2008 festgelegt werden. Die Angleichung der Amtsdauern aller ordentlichen und nebenamtlichen Mitglieder des fusionierten Bundesgerichts entspricht dem Wunsch und den Interessen des Bundesgerichts. Der vorgesehenen Übergangsbestimmung zu Artikel 9 Absatz 1 BGG stimmt das Bundesgericht daher zu.

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Die neue Bestimmung zur Infrastruktur (Art. 25a BGG)

2.1

Grundsätzliches

Mit der Überschrift «Infrastruktur» soll ein neuer Artikel 25a ins Bundesgerichtsgesetz eingefügt werden. Absatz 1 Satz 1 bestimmt: «Für die Bereitstellung, die Bewirtschaftung und den Unterhalt der vom Bundesgericht benutzten Gebäude ist das Eidgenössische Finanzdepartement zuständig. Dieses hat die Bedürfnisse des Bundesgerichts angemessen zu berücksichtigen». Gemäss Absatz 2 deckt das Bundesgericht seinen Bedarf an Gütern und Dienstleistungen im Bereich der Logistik selbständig. Absatz 3 sieht schliesslich vor, dass das Bundesgericht und der Bundesrat die Einzelheiten in einem Vertrag regeln, wobei in einzelnen Punkten von den Zuständigkeiten gemäss den beiden ersten Absätzen abgewichen werden kann.

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Diese Ergänzung des Bundesgerichtsgesetzes ist sachlich nicht nötig. Das Bundesgericht ist in der Lage, mit der ihm von der Verfassung und dem geltenden BGGText eingeräumten Verwaltungsautonomie vernünftig umzugehen. Für die Bereitstellung und den Unterhalt der vom Bundesgericht benutzten Gebäude ist das BBL der natürliche und bewährte Partner. Der Vertrag über die Zusammenarbeit in Baufragen (Besorgung durch das BBL) und im Logistikbereich (Besorgung durch das Bundesgericht ausser bei aufwändigen Beschaffungen, die besondere Fachkenntnisse erfordern und bei umfassenden Neumöblierungen im Rahmen von Neu- und Teilausstattungen) ist auf Sachbearbeitungsebene fertig ausgehandelt und unterschriftsreif. Für einen solchen Vertrag genügen die heutigen gesetzlichen Grundlagen voll: Das Bundesgericht verwaltet sich gemäss Artikel 188 Absatz 3 BV in der Fassung vom 8. Oktober 1999 selbst1. Diese Bestimmung wird in Artikel 25 BGG wiederholt und in der geltenden Fassung zu Recht nicht eingeschränkt. Das Bundesgericht kann diesen Bereich daher schon heute vertraglich regeln. Für das BBL sieht Artikel 8 Absatz 2 und 3 VILB ausdrücklich die Möglichkeit von vertraglichen Leistungen zugunsten von «weiteren öffentlichen Verwaltungen» vor, wozu auch das Bundesgericht zählt. A fortiori muss der Vertragsschluss auch mit dem Bundesrat als vorgesetzter Behörde des BBL möglich sein, was das Bundesgericht für grundsätzliche Fragen über die Beziehungen zwischen den Staatsgewalten bevorzugt. Gegen allfällige Anpassungen der VILB im Sinne dieser Grundsätze ist zudem nichts einzuwenden.

Überdies bestehen für das Bundesgericht gegen eine gesetzliche Einschränkung seiner Verwaltungsautonomie verfassungsrechtliche Bedenken. Wortlaut und Sinn von Artikel 188 Absatz 3 BV sind klar und eindeutig; die Verfassung sieht keine Einschränkung der Verwaltungsautonomie des Bundesgerichts vor. Für das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesstrafgericht gelten diese Bedenken nicht in gleicher Weise, da ihre Autonomie nur vom Gesetz garantiert wird.

2.2

Detailfragen

Der Entwurf weist in Absatz 1 neben der Bereitstellung und dem Unterhalt auch die «Bewirtschaftung» der vom Bundesgericht benutzten Bauten der Bundesverwaltung zu. Dieser Begriff ist auslegungsbedürftig. Der Botschaftsentwurf erwähnt denn auch zu Recht einzelne Bewirtschaftungsbereiche, die dem Bundesgericht im Sinne der bisherigen Aufgabenteilung belassen werden sollen (Gebäudereinigung, Sicherheit, Cafétéria). Diese Fragen werden im bereits vorliegenden Zusammenarbeitsvertrag klar und für beide Seiten zufriedenstellend geregelt. Nach unserer Auffassung könnte in Absatz 1 der Begriff «Bewirtschaftung» daher ersatzlos gestrichen werden. Unter dieser Voraussetzung könnte auch der zweite Satz von Absatz 3 gestrichen werden, welcher vertragliche Abweichungen von der gesetzlichen Regelung vorbehält.

Im Zusammenhang mit der Verwaltungsautonomie des Bundesgerichts wird unseres Erachtens zu Unrecht das Bundespersonalgesetz zitiert (Botschaftsentwurf Ziff. 2.3).

Dass Bundesgesetze auch für das Bundesgericht gelten, ist selbstverständlich. Das BPG behält in Bezug auf das Bundesgericht - im Unterschied zu den unteren Bun-

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Vgl. dazu auch die Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4288.

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desgerichten - keine Kompetenzen der Exekutive vor. Das Bundesgericht ist nach diesem Gesetz vielmehr selbständiger und autonomer Arbeitgeber.

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Übergangsbestimmungen

Die Vorlage sieht ferner vor, die Übergangsfrist für die Kantone zur Anpassung des kantonalen Prozessrechts im Hinblick auf die anstehenden Änderungen durch die Schweizerische Strafprozessordnung sowie die Schweizerische Zivilprozessordnung neu zu regeln. Das Bundesgericht verzichtet dazu auf eine Stellungnahme.

Wir hoffen, Ihnen mit dieser Stellungnahme dienen zu können.

Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr Bundesrat, den Ausdruck unserer ausgezeichneten Hochschätzung.

10. Februar 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesgerichts Der Präsident: Giusep Nay Der Generalsekretär: Paul Tschümperlin

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