#ST#

Schweizerisches

B u nd e s b l a t t.

Band III.

Nro.

54.

Mittwoch, den 17. Oktober 1849.

#ST#

Expertenbericht und Entwurf eines

Gesetzesvorschlags über das Münzwesen, mit einem Vorworte in Form eines Begleitschreibens von

Herrn Bankdirektor Speiser in Basel , an den

Bundesrath der schweizerischen Eidgenossenschaft.

Tit. l Der Unterzeichnete ist von Ihrer .hohen Behörde mit dem Ruf eines Crperten in Münzfachen beehrt worden.

Er hat die Ehre gehabt, mit dem hochgeachteten Vorstand Ihres Finanzdepartementes über jenen Gegenstand in's Vernehmensichzu setzen, und legt Ihnen nunmehr das Ergebniß der Arbeiten vor, welche er zur Erfüllung seiner Aufgabe und in Uebereinstimmung mit den erhaltenen Weifungen, unternommen .hat.

Bundesblatt I. Bd. III.

1

Die beiliegende Arbeit besteht aus einem einläßlichen

Berichte über die schweizerische Münzfrage im Allgemei-

nen und im Besondern, und aus einem Entwurfe zu Gesetzesvorschlägen.

Der Bericht zerfällt in drei Theile.

Der erste Theil enthält eine historisch-kritische Darstellung der, während der letzten drei Dezennien, in der Schweiz stattgefundenen Bestrebungen zu Verbesserungen und Reformen im Münzwesen.

Der z w e i t e Theil versucht die Entwicklung der Grundsätze, die bei einer schweizerischen Münzreform leitend sein sollen, und stellt, nach dem gefundenen Maßstabe, eine Vergleichung an, zwischen den verschiedenen Vorschlägen und den konkurrirenden Münzsystemen , welche in der neuesten Zeit der Schweiz empfohlen worden find.

Das Ergebniß dieser Untersuchungen führt zu dem Schluß der Vorzüglichkeit des französischen Münzsystems, dessen Annahme für die Schweiz vorgeschlagen wird.

Der dritte Theil des Berichtes erstreckt fich über das Materielle der dermaligen schweizerischen Münzzustände, und es find demselben Tabellen beigelegt, welche das Ergebniß der aus diesem Gebiet vorgenommenen Forschungen enthalten. Hierauf wird übergegangen zu Berechnungen über die muthmaßlichen finanziellen Resultate vorzunehmender Einschmelzungeu und Prägungen, sowie über den Münzbedarf der Schweiz. Endlich wird die bei der Ausführung einer Münzreform einzufchlagende Methode besprochen.

Aus diesen Bericht stützt fich, der nachfolgende Entwurf zu Vorschlägen für eidgenössische Münzgesetzgebung. Derselbe zerfällt in zwei Theile :

1. Der Entwurf zu einem organischen Gesetze, das ein Münzsystem für die Schweiz aufstellt , und diejenigen Bestimmungen enthält, welche den fortbestand und die Erhaltung desselben erzwecken sollen.

. 2. Der Entwurf zu einem Uebergangs- und Einführungsgese^, dessen Bestimmungen die zu befolgende Methode und die zu ergreifenden Maßregeln für die Verwirklichung der vorzunehmenden Münzreform feststellen.

Diese Trennung des Gesetzesentwurfs in zwei Theile wird dadurch begründet, daß der erstere Theil das dauernd in Krast bleibende Münzgesetz bilden soll, während der Inhalt des letztern Theiles nur von einer vorübergehenden Bedeutung sein kann.

Indem der Unterzeichnete den Wunsch ausdrückt, seine Bestrebungen mögen dazu beitragen, ein .für das Vaterland höchst wichtiges Unternehmen zu einem guten Ziele zu führen , hat er die Ehre , Tit. , Ihnen den Ausdruck seiner vollkommensten Hochachtung und Ergebenheit darzubringen.

Basel, den 6. Oktober 1849.

(Sign.) Speiser.

Bericht.

I.

Der Zweck, welcher den Bundesbehördeu vorliegt, ift die Reform des schweizerischen Münzwefens und die .Organisation desselben nach den Grundsätzen, welche im Art. 36 der Bundesverfassung ausgesprochen find.

Die Bestimmungen dieses Artikels schreiben v or :Zentralisation des Münzwesens; sie legen in die Befugnisse der Bundesgesetzgebung die Festsetzung des schweizerischen Münzfußes , sowie Maßnahmen für Tarifirung , Einschmelzung oder Umprägung der vorhandenen Münzsorten.

Es ist hindurch der gesetzgebenden Bundesbehörde freier Spielraum eröffnet , zu einer vollständigen Reorganifirung unserer verwahrlosten Münzverhältnisse. Und daß die Herstellung eines, seit Iahrhunderten auf diesem Gebiete vergebens angestrebten, geordneten Zustandes auf keinem andern Wege möglich ist, als auf demjenigen durchgreifender Maßnahmen und vollständiger Neugestaltung, davon ist die Ueberzeugung schon längst in alle Gemüther gedrungen. Von diesem Stadium der .Frage geht daher auch die nachstehende Darstellung aus, und der Verfasser wird ebenfowenig das Gemälde der .Unordnung und Zerrissenheit unserer gegenwärtigen Münzzustände zu entwerfen fuchen, als darauf ausgehen, Beweise beizubringen der vielen daraus erwachsenden .Nachtheile für das Verkehrsleben, felbst in dessen geringsten Zweigen. Ienes Gemälde und diese Beweise stehen .täglich vor Aller Augen.

Obgleich hienach die historische Aufzählung der Thatsachen, welche die schweizerische Münzgeschichte bilden,

nicht hieher gehört, weil dieselben rückwärts des Sta.diums liegen, welches der Ausgangspunkt der gegen-

wärtigen Arbeit sein soll, so ist es doch ein Anderes in Beziehung auf die während der letzten drei Jahrzehnte stattgefundenen Versuche zur Reform des schweizerischen Münzwesens. Die Herzählung derjenigen vergangenen .......hatsachen, welche den gegenwärtigen Zustand herbeigeführt haben, kann insofern überflüssig heißen, als es nur darum sich handelt, das Materielle dieses Zu-

standes, und die Mittel, desselben sich zu entledigen, zu erforfchen. In münzwissenschaftlicher Beziehung enthält auch die schweizerische Vergangenheit weder Belehrendes noch Erbauliches. Aber das seiner Befriedigung entgegendrängende Bedürfniß nach einer Hebung der drückenden Mißstande, die Ueberzeugung daß solches nur ans dem Wege der Zentralisation möglich sei, bestehen eben-

falls nicht erst seit gestern ; sie sind verknüpft mit den

Gedanken, welche bei der bevorstehenden Reform leitend sein sollen, und diese Gedanken müssen, damit sie sich klar machen, bei ihrem Ursprung erfaßt und in ihrer Entwicklung verfolgt werden. Ebenso die Gegensätze, deren Streit die wohlmeinendsten Anstrengungen lähmte und jedes tatsächliche Vorwärtsschreiten verhinderte, auch diese bedürfen eines historischen Rückblicks zu ihrer allseitigen Würdigung, denn sie werden bei dem bevorstehenden Anlaß wieder einander gegenübertreten und.

nach Geltung ringen. .

Jn dieser doppelten Beziehung wird es passend sein, dem materiellen Eingehen in die Frage, eine Uebersicht der, zur Verwirklichung des jetzt wieder vorliegenden Zwecks , stattgesundenen Versuche und Bestrebungen der .letzten dreißig Jahre vorauszuschicken.

Nachdem unter dem helvetischen Regimente das Münz.^ wesen einige Jahre lang zentralifirt gewesen war - nicht

zum Nutzen des Landes - gerielh es , durch die Mediationsverfassung, wieder in den Bereich der Kantonalfou.veränetät. Der Tagfatzuug wurde bloß die Befugniß der Feftfetzung des Münzfußes vorbehalten. Auch diefes .Letztere fiel indessen weg , bei dem Bund von 1815 , und die Kantone gelangten neuerdings in den Befitz ihrer srühern unbefchränkten Münzherrlichkeit.

Die helvetische Regierung hatte das Münzrecht nur ausgeübt, um sich durch Ausprägen von ungefähr einer

halben Million geringhaltiger Scheidemünze Gewinn zu verschaffen. Einen ähnlichen Gebrauch machten von jenem Rechte die Kantone während der Mediationsverfassung.

.Von 1803 bis 1811 wurde für mehr als zwei Millionen Scheidemünze ausgeprägt, ohne Rückficht auf die Vorschriften der Tagfatzung, welche dem übermäßigen Ausmünzen geringhaltiger Sorten Einhalt zu thun vergebens bestrebt war. Der Druck dieser, außer allem Verhältniß zum Bedarf, in die Zirkulation geworfenen Scheidemünze .machte fich indessen fühlbar, und von 1809 an erhoben sich jährliche Klagen darüber an der Tagfaizung. Diese .Behörde war jedoch , nach ihrer politischen Bedeutung, gänzlich außer Stande dem Uebel zu steuern; nur aus dem Wege freiwilliger Vereinbarung zwifchen den Kantonen wäre Abhülfe möglich gewesen. .Hiegegen erhoben sich aber, bei jedem Versuch, unzählige Hindernisse; namentlich waren es die östlichen Kantone, die zu keinem gemeinschaftlichen Münzsystem, nicht einmal zu einem .Uebereinkommeu für das Einstellen der ScheidemünzPrägungen , die Hand bieten wollten. Das Uebel nahm daher zu, und man darf annehmen, daß Ansangs der Zwanziger -Iahre bei 81/2 Millionen Schweizerfranken Scheidemünze, - fremde nicht gerechnet, - in der .Schweiz zirkulirten,. wovon zwei Drittheile aus den ge-

ringhaltigften Sorten bestunden. Keine Tagsatzung ging vorüber, ohne daß die Münzübelstände einen hauptsächlichen, obgleich unerquicklichen und stets erfolglofen Gegenstand der Beratungen ausmachten.

Jm Iahr 1819 ward eine Kommission aufgestellt, deren Bericht die zunächst liegenden Mißstände nachwies, und klar machte daß das Uebel alle Grenzen überschreiten müsse, wofern es nicht gelinge, der verwerflichen, stets noch fortdauernden Scheidemünzfabrikation Einhalt zu thun. Es wurden nun keine Anstrengungen gescheut zu diesem Zwecke ; aber alle Schritte scheiterten, und am .). Iuli 1824 befchloß die entmuthigte Tagfatzung einstimmig : "weitere Versuche zur Erzielung eines allgemeinen Münzvertrages für einmal aufzugeben und diesen Artikel aus Abschied und Traktanden fallen zu lassen; dagegen aber den hohen Ständen angelegentlich zu empfehlen, durch Unterhandlungen einzelner Konkordate unter sich, dem Uebel wenigstens theilweife entgegenzuarbeiten." Jn demfelben Iahr (1824) gelang es auch, ein solches Verkommniß zwischen sechszehn Ständen zu

Stande zu bringen. Zürich, Bern, Lnzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug, Freiburg, Solothurn, Basel, Schaffhausen, Appenzell, Aargau, Waadt, Wallis und Neuenburg verpflichteten sich, auf zwanzig Iahre, zur Einftellung des Prägens von Scheidemünze. Und dieß war - wie ein schweizerischer Münzfchriststeller sagt - der erste Schritt zum Bessern. Thurgau trat jenem Vertrag nachträglich bei; Glarus, Graubünden, Tessin, Gens und St. Gallen beharrten bei ihrer Weigerung. Letzteres glaubte sogar behaupten zu dürfen, es sei ein wirklicher Mangel an Scheidemünze eingetreten.")

*) S. Snell, Handbuch.

^ . Das llebel hatte indessen ein zu hohes Maß erreicht, als daß bloß negative Maßnahmen, wie die vorerwähnte, hinreichend gewefen wären zu dessen Hebung. Die Kautone suchten durch gegenseitige Verrufe die Scheidemünze.

von sich ab- und den Rachbarn zuzutreiben. Namentlich war es die helvetische Scheidemünze, welche verwaist dastand, die man ans einem Kantone nach dem andern verjagt sah. Die .^.agsat'.ung hatte zwar am 14. Juli 1819 erklärt, jene Münzen seien eine gemeinsame Last aller derjenigen Kantone , die in der helvetischen Republik inbegriffen gewesen waren, und lud die Stände, welche diesem Grundsatze zuwiderlausende Verordnungen erlassen hatten, ein, solche zurückzunehmen. Diese Einladung blieb unbeachtet. Zugleich hatte aber jener Beschluß eine

zukünftige Einziehung der helvetischen Scheidemünzen in

Ausficht gestellt. Allein die Ausführung diefer Maßregel schien in weite Ferne gerückt, so daß diejenigen Kantone, welche entschlossen waren , auf dem Weg der That vorwärts zu fchreiten, zur Abhülfe eines nachgerade nnerträglich gewordenen Zustandes, nicht abwarten mochten.

1825 ward ein Münzkonkordat errichtet zwischen den Kantonen Bern, Freiburg, Solothurn, Basel, Aargau und Waadt. Diese Stände verpflichteten sich gemeinschaftlich zur Einziehung des einen Jeden unter ihnen betreffenden skalamäßigen Antheils der helvetischen und überdieß einer halben Million eigener Scheidemünze.

D^er normale Scheidemünzbedarf wurde zu 5 Fr. aus den Kopf der Bevölkerung angenommen; nach den Angaben jener Kantone betrug aber ihr Bestand ungefähr .^r. 1,600,000 mehr als der Bedarf nach jenem Maßstab, und von diesem Uebermaß sollte ein Betrag von .^r. 494,000 eingezogen werden , was auch geschah. Für

die in Zirkulation bleibenden Scheidemünzen der konkordirenden Kantone war festgesetzt, daß solche auf dem Wege kalter Umprägung mit dem gemeinschaftlichen Konkordatsftempel zu versehen seien. Es fand dieß jedoch nur für einen Theil davon statt; die Maßregel ward nicht vollständig durchgeführt. Eine übereinstimmende Werthung der fremden Sorten, über die man sich auch im Konkordat verständigt hatte , trat gar nie in Kraft.

Jm Jahr 1828 nahm die Tagsatzung die Angelegenheit der helvetischen Scheidemünze wieder auf und faßte den Beschluß, daß die bereits im Jahr 1819 grundsätzlich beschlossene Einziehung und Vernichtung dieser Münzen nunmehr stattfinden solle. Es mangelte nicht an Widerspenstigkeit von Seiten der Kantone, diesem Beschluß ^olge zu leisten. Die Tagsatzung blieb aber fest und im folgenden Jahr ward mit Mehrheit der Auftrag an den Vorort erlassen : "dem Beschluß vom 24. Juli 1828 weitere Vollziehung zu geben und die Liquidation der helvetischen Münzen zum Ziele zu führen." Es gelang dieß endlich, und der Tagsatzung von 1830 wurde die Liquidationsrechnung vorgelegt; diese letztere aber erst 1833 genehmigt. Appenzell Innerrhoden hatte seine

Nichtanerkennung des Beschlusses zur Einziehung bis an^s Ende durchgeführt ; und es behielt Recht. Denn um den Gegenstand endlich aus Abschied und Traktanden fallen lassen zu können, mußte die eidgenösfische Eentralkasse das Verlustbetressniß jenes Kantons mit Fr. 557. 79 auf sich nehmen. Die Einschmelzung der helvetischen Scheidemünzen lieferte folgendes Ergebniß :

10 Die Ausprägung hatte Fr. 470,000 betragen. Eingelöst wurden für einen Nennwerth von Fr. 464,758. 50 Der realifirte Metallwerth nach der

Einschmelzung betrug

. . . " 328,770. 45

Verlust, der nach der Geldseala unter die Kantone repartirt wurde .

. Fr. 135,988. 05 Auf den Silbermünzen betrug der Verlust . 111/2 Prozent, auf der Billonmünze (Batzen und Halbbatzen) 46 Prozent des Nennwerts.

Es läßt sich nicht läugnen, daß die Fassung und

Durchführung des Beschlusses zur Einschmelzung der helvetischen Münzen, bei dem geringen Maß von Machtbefugniß welches der damaligen Tagsatzung zu Gebote stand, ein sehr schwieriges Werk war. Der Aufwand von Energie nnd Beharrlichkeit, welcher dafür gemacht werden mußte, beweist aber auch den Druck des Uebels, von dem man sich zu befreien suchte.

Bis dahin hatten sich indessen alle Bestrebungen nach Verbesserungen im schweizerischen Münzwesen darauf beschränkt, die Last des Scheidemünzübermaßes zu mindern.

Und in der That war dieß der zunächst liegende, fühlbarste Uebelstand. Es ist anzunehmen, daß die Summe zirkulirender Kupfer- oder Billonfcheidemünzen fchweizerifchen Gepräges in den Iahren 1820 bis 1825 mindestens sünf Millionen Schweizerfranken betrug. Rechnet man hiezu die fremden, namentlich die in den nördlichen und östlichen Kantonen umlaufenden deutschen Scheidemünzen geringen Gehalts, so wird die Schätzung von sechs Millionen oder drei Schweizersranken per Kopf der damaligen Bevölkerung gewiß nicht übertrieben fein.

Es beträgt dieß das Fünffache fast, der Eirknlation ähn-

licher Sorten in Frankreich oder in Preußen.

11 Eine kaum geringere Last für den Verkehr und zu-

gleich ein drückendes Gefühl für den Nationalen lag in der Verschiedenheit der Währungen der Kantone, in ^ihren gegenseitigen Reibungen durch Münzverbote und ungleiche Werthungen. Und man sah wohl ein, daß für diesen Mißstand kein anderes Hülfsmittel sei als die Centralisation; ja, daß die Centralisation auch allein werde Abhülfe gewähren können gegen die verwerflichen Mißbräuche des Münzregals, deren einzelne Kantone, zum Schaden der Andern, fortfuhren fich schuldig zu machen.

Die damalige politische Gestaltung der Schweiz mußte aber deu Gedanken der Centralisation des Münzwesens als eine Utopie erscheinen lassen, und die vereinzelten

Anträge, welche 1816 von Bern, 1821 von Freiburg gebracht wurden, erlangten kaum die Chre einer Diskussion.

.Fortwährend waren es die östlichen Kantone, für welche St. Gallen als Vorkämpfer fich aufwarf, die sich allen Vorschlägen gemeinschaftlicher Maßnahmen auf's Entschiedenste widersetzten. Das Bedurfniß der Gemeinsamkeit war aber zu tief begründet und zu dringend, es machte auf zu mancherlei Gebieten fich geltend, als daß es nicht bei jeder Gelegenheit zum Durchbruch gekommen wäre.

Daher konnte es nicht fehlen, das Prinzip der Centralisation des Münzwesens in den Entwurf der neuen Bun^desverfassung vom Iahr 1832 aufnehmen zu fehen. Allein bei der Festsetzung der Form, in welcher es verwirklicht werden sollte, traten die Gegensätze wieder hervor. Die Verfassungskommiffion hatte die einfache Annahme des sranzöfischen Münzsystemes beantragt. Ein Gutachten des zürcherischen Münzdepartements , dessen Schlüsse der Große Rath dieses Kantons zu seiner Instruktion erhoben hatte, stieß jenen Antrag wieder um. Das fragliche Gutachten - die Notwendigkeit einer Reform des

12 schweizerifchen Münzwesens, auf dem Wege der Centralifation, anerkennend - gieng von dem Grundsätze aus, daß die Schweiz, da sie selbst keine groben Münzsorten präge, die Wahl haben müsse, das Geld aller benachbarten Staaten zu gebrauchen, indem ihr einzig auf diesem Wege die benöthigten Verkehrsmittel stets

zuflößen. Die eigentümlichen Verhältnisse der Schweiz - wurde behauptet - erlaubten es daher nicht, daß sie für die Einheit ihres Münzwefens einem benachbarten System unbedingt sich anschließe, sondern das schweizerische System müsse einen Uebergang zwischen den betreffenden fremden Münzfüßen bilden. Diefen Uebergang glaubte man gefunden zu haben in der Aufstellung eines Schweizerfrankens zu 121 franz. Gran fein Silber.

Die Tagsatzung gieng auf diese Vorschläge vollständig ein, und in den .^. 21 der neuen Bundesurkunde ward ein damit übereinstimmendes förmliches Münzgefetz aufgenommen. Die Grundbeftimmungen desfelben waren, wie erwähnt, Centralisation des schweizerischen Münzwesens; Errichtung eines eigenen Münzsystems mit dem Schweizerfranken zu 121 Gran fein Silber als Einheit; Einlösung fämmtlicher damaligen schweizerischen Münzsorten unter dem Schweizerfranken; allgemein verbindlicher Tarif für die Werthung grober Sorten in- und ausländifchen Gepräges. Der Drang nach Einheit war damals so überwiegend, daß selbst der Gesandte von St. Gallen diefem Münzgesetzartikel beistimmen zu dürfen glaubte.

Bekanntlich trat die Bundesverfassung von 1832 nie in's Leben. Das Bedürfniß nach einer Münzreform blieb aberfortbestehn; nur war dasfelbe genöthigt, wie früher, wieder auf dem Wege befonderer, freiwilliger Vereinbarung seiner Befriedigung nachzustreben. Es fanden

13 Verfuche statt, das Projekt von 1832 auf diesem Wege durchzuführen. Im Iahr 1834 stellte die Tagsaiznng eine Komnrisfion auf, zur Begutachtung der Münzfrage und der Einführung des im Jahr 1832 entworfenen Vorschlags. Allein dieser .Letztere fand nicht mehr so günstige Aufnahme; es wurden die Mängel und Unvollkommenheiten desselben hervorgehoben; man bewies, daß die nach demselben geprägten Münzen sich nicht im Umlauf erhalten würden, und die Mehrheit beantragte dessen Verwerfung, indem fie zugleich die Vorzüge des franzöfifchen Münzfußes hervorhob, ohne jedoch dessen Einführung anders als für die eidgenössischen Kassen zu beantragen. Die Minderheit der Kommisfion hingegen vertheidigte die entgegengesetzte Anficht, empfahl die Annahme jenes Entwurfs und behauptete: "Nicht in der Unvollkommenheit

des Vorschlags liege das Hinderniß gegen dessen Aussührung, sondern in der Hinneigung der westlichen Kantone zu dem französischen Münzfuß. Es stehe indeß nicht zu erwarten, daß die östlichen Kantone das ihnen in Werthung und Benennung fremde, den Verkehr mit Deutschland erschwerende französische System annehmen werden. Eher möchte ein Doppeltstem sich ausbilden, wenn nicht das überwiegende Gefühl der Nationalität alle Kantone in dem empfohlenen Frankensystem vereinige."

Mit diesen letztern Worten war allerdings die Lage karakterifirt und die wirklichen Gegensätze fanden fich einander gegenüber gestellt. In der That ist es höchst wahrscheinlich, daß wenn das mehrerwähnte Projekt von 1832 untadelhaft gewesen wäre - was es bei Weitem nicht heißen konnte - so würde dasselbe dennoch bei den immer mehr zu dem französischen System hinneigenden Kantonen der westlichen Schweiz keinen Anklang

14 gefunden haben. Man fühlte aber überdieß wohl, daß ein folches Uebergangs- oder Vermittlungssystem etwas Falsches, Unwahres in sich trage; daß es keine richtige Mitte, sondern ein unpraktisches Schaukelwesen sein würde, unter dessen Herrschaft die fremden Münzfüße einander hin- und hergetrieben hätten auf dem neutralen Boden der Schweiz. Die oben berührte Einwendung, daß die nach dem projektierten Fuß geschlagenen Münzen - weil um 1/4 % gehaltreicher als die sranzösischen und um 1/2 %gehaltreicher als die deutschen entsprechenden Sorten - sich nicht im Umlauf erhalten würden, widerlegte zwar die Minderheit der Kommission mit der Bemerkung, daß die Schweiz niemals grobe Geldsorten schlagen und der beantragte schweizerische Münzfuß daher nur zum Maßstab dienen werde für die Werthung der kursierenden fremden Sorten. Allein hiemit war nicht bewiefen, daß der vorgeschlagene Maßstab ein richtiger, brauchbarer fei, und noch viel weniger war dargethan, daß zweierlei konkurrirende und mit einander durchaus unverträgliche Münzfysteme in einem dritten,

idealen, ihre praktische Versöhnung, ihre Synthesis finden könnten. Abgesehen von der absoluten Unmöglichkeit, eine gegenseitige Werthung deutfcher und franzöfischer Münzsorten aufzustellen, welche ganz genau richtig und zugleich im Verkehr brauchbar wäre, hatte man nicht berücksichtigt, daß der Werth einer Münze ans dem allgemeinen Geldmarkt auch durch das Gepräge bestimmt wird, welches dieselbe trägt. Oder was möchte die Ursache sein, warum in der Schweiz der süddeutsche Gulden gegen franzöfifches Geld seit längerer Zeit 1/2% ungefähr unter seinem effektiven Werth zu kaufen ist, und warum feit vielen Monaten der Brabanterthaler um 1 bis 11/4 % unter dem Kurfe steht, den er frü-

15 her Iahre lang behauptetet Wie will man es erklären, daß der franzöfische Fünffrankenthaler in Deutschland 1/5 bis 2/5 % über seinen wirklichen Gehalt bezahlt wird, während der erwähnte süddeutsche Gulden in Frankreich 1 % verliert? Schwankungen im gegenseitigen Werth der verschiedenen Münzsorten treten überdieß öfter ein , und es ist klar , daß ein Land welches

alle verschiedenen Sorten als gleichberechtigt zuläßt,

stets mit der jeweilen am niedrigsten stehenden überschwemmt werden und nie zu .einem festen, zuverlässigen Stand seines Geldwesens gelangen wird. Jene Unficherheit ist es aber, welche dem großen, so wie dem

kleinen Verkehr so lästig und nachtheilig ist, welche Jedermann zwingt, dem unfruchtbaren Gewerbe des Geldwechsels und Agiotirens fortwährend Tribut zu bezahlen.

Und hierin lag die schwächste Seite jenes Vermittlungssystemes, das auf irrigen, unpraktischen Grundlagen beruhte.

Von sehr geringer Stichhaltigkeit war der Haupt-

grund, den man für das Prinzip gleichmäßiger Werthung deutscher und französischer Sorten geltend machte, daß

nämlich die Schweiz, welche keine eigenen Münzen präge, aller fremden

Sorten bedürfe.

Eine Münze nicht

werthen, d. h. sie nicht zum gesetzlichen Zahlungsmittel stempeln, heißt noch nicht dieselbe verbieten, und noch viel weniger fie ausschließen. In Deutschland kurfiren Fünffrankenstücke, in Frankreich kann man Gulden aubringen, ohne dafür bestraft zu werden, obgleich weder die eine noch die andere Münzsorte in den betreffenden Ländern gewerthet ist. Aber auch in dem Fall, daß die deutsche Münze z. B. von der Schweiz ausgeschlossen würde, so scheint es, dürfte man im Hinblick auf die

3 bis 4000 Millionen, welche in franzöfifchen Geldsorten

16 zirkuliren, sich vollkommen beruhigen; denn die Schweiz bedarf kaum des fünfzigsten Theils jenes Vorraths.

Merkwürdig bleibt es immerhin, wie von derfelben Seite, welche damals jenen Grund hervorhob, gegenwärtig

keine Besorgniß gefühlt wird , der Schweiz , als Ersatz für den faktisch auszuschließenden französischen Münzfuß, den süddeutschen zu empfehlen, in welchem kaum 3 bis

400 Millionen geprägter Münzen exiftiren mögen.

Die Meinungen waren sich bei der Konferenz von 1834 noch nicht näher gekommen , und die .^agsatzung gieng auseinander, ohne über die gestellten Anträge einen Beschluß gefaßt zu haben. Im November 1836 berief der Vorort Bern , welch er der Münzfrage stets am meisten Interesse gewidmet hatte, eine Expertenkvmmisfion ein. Von fieben eingeladenen Mitgliedern erschienen aber nur drei - ein Beweis, daß die Hoffnung auf erfolgreiche Resultate sehr gering war. Die beiden Systeme von 1834 - das französische und der von 1832 herstammende Münzfuß zu 121 Gran - standen einander wieder gegenüber und theilten die Kommission, welche zwei verschiedene, auf die Einführung der beiden Systeme bezügliche Konkordatsentwürfe als die ^rncht ihrer Arbeiten hinterließ.

Jm August 1837 trat in Luzern - ,,als Ergänzung der vorjährigen Konserenz" - eine zahlreicher befuchte Kommission zusammen. Das ausführliche und in mehrern Beziehungen werthvolle Gutachten derfelben bedauert im Eingang den gänzlichen Mangel an Angaben und Materialien, welche zu einer sachdienlichen Kenntniß der schweizerischen Münzverhältnisse verhelfen könnten.

Als Hauptübelstände des schweizerischen Münzwesens hob dasselbe hervor: Zuerst und vor Allem, das Uebermaß vorhandener geringhaltiger Scheidemünzen,

17 welches an und für sich schon lästig, ein stetes Streben nach erhöhten Abufivkursen sür die groben Sorten provozirt habe. Z w e i t e n s , die unrichtigen und nngleichsörmigen Werthungen der verschiedenen Gold- und Silbersorten, welche vielmehr nach Willkür und Bequemlichkeit, als nach genauer Berechnung des Gehalts der betreffenden Sorten festgesetzt worden seien. Drittens,

die Menge und Verschiedenheit der Münzsüße, die zahl-

reichen ideellen Und effektiven Münzarten der eidgenösfischen Stände. Auch von dieser Kommisfion empfahl ein Theil - dießmal die Mehrheit wieder - die Verwirklichung des Projektes von 1832, während der andere Theil an dem französischen Münzsystem festhielt. Cine Stimme brachte den neuen Vorschlag eines Schweizersrankenfußes auf der .Basis von 36 Batzen für den Fünffrankenthaler nebst Werthungen von 412/3 Batzen sür den Neuthaler und 411/8 Batzen für den Brabanterthaler. Für alle drei Vorschläge wurden Konkordatsprojekte ausgearbeitet und der Tagfaizung vorgelegt -

ohne thatfächlichen Erfolg.

Die Münzfrage verfchwand indessen nicht von den eidgenöffifchen Traktanden. Schon im folgenden Jahr (1838) fand in Luzern eine Konferenz von Standesabgeordneten statt. Der Gedanke der Einführung des sranzösifchen Münzfußes hatte in der Zwischenzeit die Zahl seiner Anhänger vermehrt, und in einer vorläufigen Zusammenkunft von Abgeordneten erklärten sich neun Stände mehr oder weniger bestimmt, und theilweise unter dem Vorbehalt daß eine Mehrheit sich ergebe, für denfelben. Es waren dieß: Bern, Luzern, Freiburg, Solothurn, Basel, Aargau, Waadt, Wallis und Genf. Jn Folge dieser Erklärungen konnte die Konferenz nicht mehr mit der Berathung des 1832er Bundesblatt I. Bb. III.

2

.18 Projektes sich befassen, was zuerst ihre Aufgabe zu fein schien; sie schritt vielmehr sosort zu einer Besprechung über ein Konkordat für Einführung des franzöfifchen Münzsystemes. Hiezu wurde das sranzöfische Münzgesetz als Grundlage angenommen. Selbst die bedeutungslose, unlogische Festsetzung des relativen Werths zwischen Gold und Silber - 151/2 zu 1 - entlehnte man demselben, obgleich seit Jahren in Frankreich selbst dieses

Verhältniß wie 153/4 zu 1 ungefähr steht. Die Abweichungen, welche man sich erlaubte, bestanden hauptsächlich in der Annahme von Billon-Münzen zu 20 und zu 4 Centimes, welche das franzöfische Gesetz nicht kennt, und serner in der Aufstellung eines Tarifs für die Werthung vorhandener in- und ausländifcher Sorten.

In Beziehung auf den letztern Punkt wurde jedoch von Bern und Genf der Antrag gestellt, diefe Tarifirung möge nicht obligatorisch sein für solche Sorten, die dem sranzöfischen Münzsystem nicht angehören. Waadt wünschte die obligatorische Tarifirung wenigstens auf einige der bessern groben Schweizersorten beschränkt. Diese Anträge thaten einen erfreulichen Fortschritt geläuterter Ansichten im Münzwesen kund; man sprach damit die Prinzipwidrigkeit der Zulassung solcher Geldsorten aus, die, dem angenommenen System fremd, mit demselben

unverträglich find. Der bis dahin, selbst bei den Anhängern des franzöfifchen Münzfußes, in allgemeinem Ansehen gestandene . Vermittlungsgedanken des Projekts von 1832 ward durch jene Anträge in seinen Grundlagen erschüttert. Ein förmliches Konkordatsprojekt stellte die Konferenz nicht auf; ihr einmüthiger Beschluß gieng bloß dahin, das Protokoll der Verhandlungen der Tagsaizung vorzulegen und diese letztere zu ersuchen, durch deu Vorort etne Konferenz von Abgeordneten der

19 zustimmenden Stände mit Beförderung einberufen zu lassen, um durch dieselbe die nähern Bestimmungen eines Konkordats definitiv festzustellen.

Diese Konferenz fand in Zürich statt, Und wurde am 5. Februar 1839 eröffnet. Die Abgeordneten von zwölf Ständen waren anwesend.. Von den nicht vertretenen Kantonen sprachen Uri, Schwhz, Unterwalden, Glarus, Zug, Schaffhausen und Appenzell die Erwartung aus, daß das Protokoll ihnen werde mitgetheilt werden. Von Neuenburg und Tesfin allein geschah keine Erwähnung. Die Abgesandten von Bern, .Luzern, Freiburg, Solothurn, Basel, Waadt und Wallis erklärten, sie seien bevollmächtigt, an den Verhandlungen zur Einsührung des französischen Münzsystems Theil zu nehmen.

Aargau trug vor, sein Stand habe in erster Linie immer für einen schweizerischen Münzfuß gestimmt, fei aber jedenfalls bereit in die Verhandlungen einzutreten. Gens hatte ein Iahr vorher das französische Münzsystem bei sich eingeführt; die Gesinnungen von Neuenburg konnten nicht zweifelhaft sein, und eben so wenig, nach frühern Erklärungen, diejenigen von Tesfin. Eilf Stände, mit einer Bevölkerung von über 1,500,000 Seelen also fast zwei Drittheile der Schweiz - dursten demnach als dem französischen Münzsystem gewonnen betrachtet werden.

^ Das Protokoll der vorhergegangenen Konferenz wurde zur Grundlage der Beratungen gelegt. Den Gang derselben vollständig hier ntitzutheilen , würde zn weit führen. Da indessen die Konferenz von 1839 die letzte gewesen ist, und seither einläßliche, offizielle Verhandlungen über die Münzfrage keine mehr stattgefunden haben , so muß ihr Ergebniß in der gegenwärtigen Darstellung seine Stelle bekommen, indem solches das

20 äußerste Stadium bildet , auf welchem die Frage stehen

geblieben ist.

Der von der Konferenz angenommene Geselzesentwurf enthielt folgende Hauptbestimmungen : Münzeinheit: der Franken zu 5 Grammen Silber, 9/10 fein; theilbar in 100 Centimen, Cents.

Errichtung gemeinsamer Münzstätten.

Prägung von : Goldmünzen zu Fr. 40, Fr. 20 und Fr. 10.

Silbermünzen zu Fr. 5, 2, 1 und 1/2.

Billonmünzen zu 25, 10 und 5 Cents.

Kupfermünzen zu 2 und 1 Cents.

Der relative Werth zwischen Gold und Silber ward wieder wie 151/2 zu 1 festgesetzt - eine Bestimmung, die ebensowenig in der Macht der Münzkonferenz lag,

als die Festsetzung des Werthverhältnisses zwischenSil-

ber und Baumwolle.

Für die Ausprägung der Gold- und Silbermünzen

war vorgeschrieben, daß dieselbe zu ihrem vollen Nominalwerth geschehen solle, und in Bezug aus Schrot und Korn zu 9/10 sein, gleich wie die sranzöfischen Münzen.

Bei den Scheidemünzen (Billon) sollten der Werth des Kupferzusatzes und die Kosten der Fabrikation allein in Abzug gebracht werden.

Die Ausmünzung der Kupfersorten sollte ebenfalls zn ihrem wahren Werthe, weniger die Fabrikationskosten, gefchehn. Hiefür wurde der Maßstab von 2 Grammen Kupfer für 1 Cent angenommen.

In Betreff des Remediums wurden die französischen Geselzbestimmungen unverändert beibehalten.

Ebenso wurden die französischen Münzen als Muster vorgeschrieben für die Form der entsprechenden schweizerischen Gold- und. Silberprägungen, und überdieß festgesetzt,

21 daß eine gewisse Anzahl schweizerischer ,,Fünffrankenstücke und darunter" geschlagen werden sollten, nm für das schweizerische Münzsystem als Typen zu dienen.

ferner sollten die konkordirenden Stände fich verpflichten, binnen zehn Jahren alle ihre im Umlauf befindlichen Silber- nnd Kupferfcheidemünzen zum Nominalwerth einzuziehen und einzuschmelzen.

Nach Verfluß jener zehn Jahre sollte die Menge der zirkulirenden Scheidemünzen konkordirender Kantone 2 Fr.

per Kopf der Bevölkerung nicht mehr übersteigen.

Für den Kurs aus- und inländifcher Münzforten ward in den Konkordatsentwurf ein verbindlicher Tarif aufgenommen.

Endlich follten die konkordirenden Stände sich verpflichten, den neuen Münzfuß binnen ein bis zwei Jahren in allen Zweigen ihrer Administration einzuführen, sowie die notwendigen Versügnngen zu treffen für die Reduzirung bestehender Geldverträge aus den alten Münzsüßen in den neu anzunehmenden.

Was im Laufe der Verhandlungen vorkam von Ausstellungen und Meinungsverschiedenheiten über untergeordnete Punkte, darf füglich hier unberührt gelassen werden; ein anderes ist es in Beziehung auf grundsätzliche fragen, die auch jetzt noch von Wichtigkeit find.

Genf und Waadt begehrten die Weglassung der Goldmünzen aus dem fchweizerifchen Münzsystem - oder wenigstens die Beseitigung einer gegenseitigen Werthbestimmung zwischen den beiden edeln Metallen. Die Vertreter dieser Stände stützten ihren lelztern Antrag wahrscheinlich auf den oben berührten Grund, daß es nicht in der Macht irgend einer Behörde liege, das Werthverhältniß zwifchen zwei verschiedenen Gegenständen

22 zu bestimmen, und daß in Frankreich, trotz eines Gesetzesartikels, das Gold nach dem veränderlichen Marktpreise und nicht zu einem fi.ren Kurs bezahlt werde.

Der Vorschlag, das Gold gar nicht in das schweizerische Münzsystem aufzunehmen, wurde ohne Zweifel damit begründet, daß die Einheit eines Werthmaßes notwendige Bedingung seiner Zweckmäßigkeit sei; daß diese Einheit aber nicht mehr bestehe, wenn zwei verschiedene Metalle, von gegenseitig veränderlichem Werth,

zugleich jenen Maßstab bilden sollen. Es lasse fich denken - und seitherige Ereignisse haben diesen Fall sogar wahrscheinlich gemacht - daß in den gegenseitigen Werthverhältnissen der edlen Metalle bedeutende Schwankungen eintreten könnten; solchen Schwankungen und ihrem verderblichen Einfluß vermöchte ein Münzsystem nicht zu widerstehen, mit einer ungewissen, zweisachen Grundlage; und der allgemeine Maßstab der Werthe, welcher ein unabänderlich fester sein soll, würde dadurch in die größte Unficherheit und Unzuverläßigkeit gerathen.

ferner erhoben die erwähnten beiden Abgeordneten von Genf und Waadt Widerspruch gegen die Tarifirung solcher Sorten, die dem anzunehmenden metrischen Dezimalsystem nicht angehören. Die Gründe, auf welche fich diefelben stützten, find in dem folgenden Votum von Genf enthalten, welches in dem Protokoll aufbewahrt

geblieben ist:

"Der Zweck des Konkordates - sagte der Abgeordnete von Genf - kann doch kein anderer sein, als eine Münze zu schassen, welche auf festen Grundlagen beruht, den Geldverträgen hiedurch einen gleichförmigen Werth zu verleihen, sowie ein möglichst bequemes Tauschmittel einzuführen.

23 "Die Fünffrankenstücke, welche Frankreich, Piemont Und Belgien prägen, enthalten die gleiche Quantität Silber, 9/10 fein, und find unter den nämlichen Bedingungen ausgemünzt, wie diejenigen, welche aus einer schweizerischeu Münzstätte hervorgehn würden ; die Bafis aller dieser Münzen ist der Franken von 41/2 Grammen fein Silber, alfo steht nichts ihrer Zulassung im Wege.

"Aber Münzen, die unter verschiedenen Bedingungen geschlagen sind, einen gesetzlichen Kurs geben, heißt das nicht, fich von der unveränderlichen Basis entfernen und einer Annäherung nachjagen, welche in die Geldzirkulation Verwirrung bringen muß, und das um so mehr, weil das Projekt den nämlichen Werth solchen Münzen verleiht, die notorisch, sowohl im Gewicht als im Gehalt, unter einauder verschiedene sind.?

"So bekämen die Brabanterthaler den gleichen gesetzlichen Kurs zu Fr. 5. 70 wie die baierischen Kronenthaler, und diejenigen von Würtemberg, Baden und Nassau, obgleich die Letztern um ein namhaftes geringhaltiger find als die Erstern.

Die Befugniß, eine Schuld abzutragen, indem man unter den kurfirenden Münzen verfchiedenartigen Gehalts diejenige wählt, welche augenblicklich am vorteilhaftesten sich stellt, zieht unumgänglich das Agiotirennachsich,bringt

Unsicherheit in den Werth der Schuldtitel, stört endlich die Uniformität, welche man in dem repräsentativen Tauschmittel sowohl für den großen als für den kleinern Verkehr wünfchen muß."

Diese vortrefflich entwickelten und klaren Gründe fanden zwar keinen Eingang ; indessen beweist schon die Thatsache, daß sie vorgebracht wurden, einen bedeutenden Fortschritt grundsätzlicher Anschauungsweife in Münzfragen,

24 im Vergleich mit den vorgetragenen Argumentationen an srühern Konferenzen.

Zur Verwirklichung gelangte das letztbeschlossene Konkordatsprojekt eben so wenig wie seine jüngsten Vorgänger; es wurde demselben auch aus dem Wege weiterer Unterhandlungen keine .^olge gegeben. Die Ursache hievon, und warum überhaupt in der Münzfrage von jenem Zeitpunkt an keine Schritte mehr gethan wurden, wird ohne Zweifel zu suchen sein, in den mit Eingang dieses Jahrzehnds stets trüber sich gestaltenden politischen Konstellationen , deren Bewegungen alle Geister in Anspruch nahmen und die Werke des Friedens in den Hintergrund drängten.

Erst im Jahr 1848, bei den Kommisfionalverhandlungen über den Entwurf einer neuen Bundesverfassung, kam der Gegenstand im Schoße eidgenöffifcher Behörden wieder zur Sprache. Es zeigte fich von mehrern Seiten Geneigtheit, den Anlaß zu benützen, um deu Knoten zu durchhauen, und in dieser Abficht wurde beantragt, den anzunehmenden Münzfuß fchon im Bundesvertrag zu bestimmen. Nur auf diefem Weg - behauptete man sei Ausficht vorhanden, das allgemein schädliche Münzunwesen, welches in der Eidgenossenschaft herrfche, zu beseitigen. Der Antrag erlangte auch zuerst eine Mehrheit von fünfzehn Stimmen; allein beim Eintreten in die Wahl des anzunehmenden Münzfußes machten sich fo divergirende Meinungen geltend, daß die so eben gefaßte Schlußnahme zurückgenommen und die .^estfetzung des Münzfußes der Bundesgesetzgebung vorbehalten werden mußte. Gegen den Grundsatz der Zentralisation des Münzwesens, welcher 18 Stimmen auf fich vereinigte, erhob fich kein Widerspruch ; wie denn das Streben nach ^Einheit und Einigung, besonders auf dem Gebiet der materiellen In-

^ teressen, ein vorherrschendes Element in der jüngsten eidgenösfischen Versassungsändernng war.

Der das Münzwesen betreffende Artikel im Versassungsentwurfe, wie er aus jener Verhandlung hervor-

ging, lautete wie folgt: ,,Dem Bunde steht die Ausübung aller im Münzregale begriffenen Rechte zu.

,,Die Münzprägung durch die Kantone hort auf und geht einzig vom Bunde aus.

"Es ist Sache der Bundesgesetzgebung, den Münzfuß festzusetzen, die vorhandenen Münzsorten zu tarifiren und die nähern Bestimmungen zu treffen , nach welchen die Kantone verpflichtet find , von den von ihnen geprägten Münzen einfchmelzen oder umprägen zu lassen."

Bei der Behandlung dieses Artikels in der Tagsatzung, am 23. Inni 1848, stellte Tesfin den Antrag, den schweizerischen Münzfuß auf die Basis des französischen Dezimalsystems festzustellen.

Diesem Antragstimmtenbei : Freiburg , Solothurn, Tesfin, Wallis, Waadt, Neuenburg und Genf -- sieben Stände.

Genf schlug vor: "Das Dezimalsystem w i r d der neuen Münze als Basis dienen."

Von Genf ausgehend , welches im Iahr 1838 das ssranzö fisch e Dezimalsystem bei sich eingeführt hatte, konnte diefer Antrag nur eine Redaktionsveränderung und keine Abweichung vom Sinne des teffinifchen Vorschlags heißen.

101/2 Stände stimmten demselben bei. Bern, Uri, Freiburg, Solothurn, Graubünden, Tesfin, Waadt, Wallis,

Neuenburg, Genf und Baselland. Schwyz behielt sich das Protokoll offen. Es ist anzunehmen, daß diejenigen unter den eilf Ständen, welche 1839 für den französischen Münzfuß fich erklärt hatten, diefes Mal aber dem Bundesblatt I. Bd. III.

3

2^ vorstehenden Antrag nicht beistimmten, nur darum zurückblieben, weil fie die Festsetzung des Münzfußes als eine Sache der Gefetzgebung betrachtet wissen wollten. Hienach wären durch den Beitritt von Uri und Graubünden, die eilf Stände von 1839 auf dreizehn angewachsen

im Jahr1848.

Ein weiterer Antrag wurde von Zürich gestellt, da^ hin gehend : entweder das dritte Lemma des obigen Artikels ganz zu streichen, oder wenigstens die Worte darin wegzulassen : ,,den Münzfuß feftzufetzen, die vorhandenen Münzen zu tarifiren."

Jn letzter Beziehung bemerkte der Antragsteller : ,,der erste Absatz des Artikels enthalte bereits Alles Nöthige; wenn dem Bunde die Ausübung aller im Münzregale begriffenen Rechte zustehe, so werde er auch diejenigen Bestimmungen treffen können, welche der dritte Absatz näher ausführe.

,,Es enthalte aber das erwähnte Lemma eine bedenkliche Bestimmung, daß nämlich nur ein Münzfuß für die ganze Schweiz eingeführt werden müsse, während es auch der eigentümlichen Lage der Schweiz zusagen könnte, zwei Systeme anzunehmen, nämlich das Frankenoder Dezimalsystem für die westlichen Kantone und den Guldenfuß für den Osten der Schweiz.

,,Es sollte mithin der künstigen Bundesgesetzgebung in keiner Weise vorgegriffen werden."

Mit diesem Antrag war die Frage einer Trennung der Schweiz in zwei Münzgebiete -^ die bereits in den Konferenzen von 1834 und 1837 erhoben worden war vor das Forum der verfassunggebenden Behörde gebracht.

Zu dem Hauptantrage - die vollständige Streichung des dritten L.emma betreffend --stimmteZürich allein.

27 Zu dem l.lnterantrag - Streichung der Worte ,,den Münzfuß festzusetzen, die noch vorhandenen Münzen zu tarifiren" - stimmten Zürich, Solothnrn, Thurgau und Baselstadt.

Eine überwiegende Mehrheit wollte also in die Bnndesverfassung den Grundsatz der Einheit und Gleichför-

migkeit des Münzfußes für die ganze Schweiz niedergelegt wissen, und der Hinblick auf diese Abstimmung dürste genügen, den neulich wieder erhobenen Vorschlag einer münzgebietlichen Trennung zu beseitigen und außer Diskusfion zu stellen.

Nachdem die Bundesversassung von 1848 in Kraft erwachsen war, und als die daraus hervorgegangenen neuen Behörden zur Verwirklichung neuer Einrichtungen aus dem materiellen Gebiete schritten, mußte nothwendigerweise der ungeregelte Zustand des Münzwesens als erster Stein des Anstoßes im Wege sich zeigen. Bei der Ausarbeitung von Zoll- und Posttarifen bildete die Ver-

schiedenartigkeit der Währungen kein geringes Hinderniß, das man freilich umging, aber nicht befeitigte. Die Ungleichheit der in den vermiedenen Theilen der Schweiz kurfirenden Münzforten oder die Abweichungen in den Werthungen derselben, drohte für die zu errichteuden eidgenössischen Kassen zu einem gefährlichen Element der Verwirrung sich zu gestalten, sowie dadurch auch der

Grundsatz der Gleichförmigkeit der Besteurung verletzt

wurde.

Es sah sich daher die Bundesversammlung bereits am 30. Iuni dieses Iahres genöthigt, eine provisorische Münzversügung zu erlassen, laut welcher, bis zur Einführung eines a l l g e m e i n e n s c h w e i z e r i s c h e n M ü n z f u ß e s , die eidgenösfischen Kassen fich nach den bestehenden, gesetzlichen Währungen der betref-

28 senden Kantone zu richten haben. Jeder Kanton soll dagegen von der Bundeskasse auch wieder in seiner eigenen Währung ausbezahlt werden für die ihm zufallen-

den Zoll- und Postentfchädigungen. Zugleich beschloß aber die gestehende Bundesbehörde : ,,Bis zum n ä c h s t e n Z u s a m m e n t r i t t der Bundesversammlung hat der Bundesrath geeign e t e A n t r ä g e über die Einführung eines allgemeinen schweizerischen Münzfußes an die Bundesversammlung zu bringen."

Die Grundsätze zu entwickeln, auf welche solche Anträge sich stützen sollen, und nachher diese .Letztern zu sormuliren, ist der Zweck der nachfolgenden Theile gegenwärtiger Arbeit.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Expertenbericht und Entwurf eines Gesetzesvorschlags über das Münzwesen, mit einem Vorworte in Form eines Begleitschreibens von Herrn Bankdirektor Speiser in Basel, an den Bundesrath der schweizerischen Eidgenossenschaft.

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1849

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

54

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

17.10.1849

Date Data Seite

1-28

Page Pagina Ref. No

10 000 192

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.