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Schweizerisches

Nro.

11.

Sonntag, den25. März 1849.

Man abonnirt ausschließlich beim nächstgelegenen Postamt. Preis für das Jahr 1849 im ganzen Umfange der Schweiz p o r t o f r e i Frkn. 3.

Jnserate sind frankirt an die Expedition einzusenden.Gebühr 1 Batzen per Zeile oder deren Raum.

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Verhandlungen des Bundesrathes.

(Fortsetzung.)

Bericht des

Standes Basel-Stadt an den schweizerischen Bundesrath.

Tit.

Mit hochverehrlicher Zuschrift vom 23. und 25. Novernber wird auf die durch die Frankfurter Oberpostamtszeitung

in letzter Zeit veröffentlichten angeblich amtlichen Aktenstücke betreffs des Verhaltens der deutschen Flüchtlinge in der Schweiz hingewiesen, welche auf die dießfällige Stellung der verschiedenen Kantonsregierungen ein nachtheiliges oder wenigstens zweifelhaftes Licht werfen. Der hohe schweizerische Bundesrath erachtet, jene Veröffentlichungen nicht mit Stillschweigen hinnehmen zu sollen und richtet Bunbesblatt I.

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224 daher das Ansuchen an uns, über die unfern Kanton betreffenden thatsächlichen Angaben jener fogenannten Aktenstücke umfassenden Bericht zu erstatten.

Wir befrenen uns diefes Schrittes der h. Bundesbe-

hörde und theilen die Ansicht, daß es der Fall sei, die vielfach unwahren oder entstellten Angaben jener vorgeblichen Aktenstücke ans angemessene Weife zu widerlegen und wir beeilen uns daher, Wohldenfelben mit Gegenwärtigem den verlangten hierseitigen Bericht zu erstatten.

B e m e r k u n g e n zu B: Aktenstücke.

(Extrabeilage der Frankfurter Oberpostamtszeitung vom 9. November.)

Zu I.

,,Hecker habe nach seiner Flucht seinen Aufenthalt zuerst ,,in Basel genommen.

,,Von den in Riehen liegenden eidgenössischen Truppen "seien mehrere Lörracher Einwohner bei ihrem Wege durch "Riehen in der Art mißhandelt worden, daß ihnen die "deutsche Kokarde von der Mütze heruntergerissen wurde.

"Würtembergische Offiziere und Soldaten feien, wenn ,,sie nach Basel gekommen, infultirt, ein Feldwebel sei "sogar verwundet worden.

"Laut einem Schreiben vom 13. August seien in Basel ,,alte Waffen bereits angekauft, ein Theil derselben sogar "schon ins Großherzogthum gebracht worden, der Rest "solle folgen."

Wie wir bereits bei einem frühern Anlaß dem hohen Vororte zu berichten die Ehre hatten, fo fanden wir uns alsbald nach dem ersten Aufstand im Badischen wegen der unmittelbaren Angränzung unsers kleinen, eine wirksame Jnternirung nicht zulassenden Gebiets an das ansgeregte badische Oberland bewogen, den deutschen Flüchtlingen

225 keinen Aufenthalt in unserm Kanton zu gestatten. Demgemäß ist auch gegen Hecker verfahren worden, und es ist demnach die Angabe, Hecker habe zuerst seinen A u f e n t h a l t in Basel genommen, dahin zu berichtigen,

daß Hecker lediglich hier durchgereist und genöthigt worden ist, Basel sofort nach der ersten Nacht wieder zu verlassen.

Daß in Ziehen öon Seite eidgenössischer Soldaten Lörracher Einwohner mißhandelt und ihnen die deutsche Kokarde öon der Mütze gerissen worden, so müssen wir erwiedern, daß uns von Mißhandlungen durch eidgenössische

Truppen nichts bekannt ist, auch keine Klage deßhalb geführt worden. -- Neckereien gegen solche Kokardenträger mögen vorgefallen fein; übrigens mag bemerkt werden, daß zu jener Zeit im i}adifchen Oberlande die deutsche Kokarde bei Zivilpersonen das Abzeichen der Unzufriedenen und Aufständischen gewesen.

Würtembergische Militärs, die täglich ost zu mehreren Hunderten nach Basel gekommen, sind allerdings von einzelnen hiesigen Einwohnern geneckt und auch insultirt worden; die Betreffenden sind aber, wo Klage erhoben ward, zur Rechenschaft gezogen worden. Uebrigens muß hier erwähnt werden, daß diefe würtembergifchen Militärs sich häufig aus eine mit einer ordentlichen Militärdisziplin nicht verträgliche Weise bis spät in die Nacht hinein in hiesiger Stadt in den Wirthshäufern herumgetrieben haben, und dann oft betrunken und lärmend nach Haufe gezogen sind, über welches Betragen übrigens auch bei dem betreffenden Truppenkommando f. Z. die geeigneten Bemerkungen gemacht worden sind. Der erwähnte Feldwebel wurde ebenfalls Nachts 11 Uhr in betrunkenem Zustande von einem Elfäßer mißhandelt. Gegen diefen Elfäßer, der sich sosort

226 flüchtig gemacht, ist übrigens seither polizeiliche Fahndung

bestellt.

Zu Vermeidung ähnlicher Reibungen ist übrigens später im Einverständnisse mit dem deutschen Truppenkommando dem deutschen Militär die Betretung der hiesigen Stadt untersagt worden.

Was endlich die hier stattgefundenen Ankäufe alter Waffen anlangt, fo ist richtig, daß im Laufe des ganzen Sommers viele alte Waffen von badifchen Angehörigen hier gekanst und ausgeführt worden sind. Wir hatten damals keinen Grund, den freien Handelsverkehr mit Waffen zu hindern, und waren um fo weniger veranlaßt, dießfallsi'ge Vorkehrungen zutreffen, als die Käufer stets oder wenigstens weitaus zum größten Theile mit Bescheinigungen ihrer Gemeinds- und Amtsbehörden versehen waren, welche besagten, daß die fraglichen Ankäufe für die Bürgergarden badischer Gemeinden bestimmt seien, und welche ihnen daher auch sreien Diirchpaß bei der badischen Mauth bewirkten. -- Sind diese auf angegebene Weife hier bei Partikularen angekauften und offen in das durch Mauthen und militärische Besatzung bewachte badische Land eingeführten Waffen dann fpäter ihrer vorgegebenen Bestimmung entfremdet und bei dem zweiten Aufstand von den Jnhabern mißbraucht worden, so kann wenigstens der Schweiz hieraus kein Vorwurf gemacht werden.

Sobald hingegen im September der abermalige Ausbruch eines Aufstandes im benachbarten Badifchen bekannt geworden, so ist von Stunde an die Waffenausfuhr dahin verhindert und an unfern Thoren darauf vigilirt und einzelne Transporte solcher Gegenstände sind arretirt worden.

227 Zu VII.

"An dem Struveschen Einfall hätten sämmtliche deutsche

,,Flüchtlinge Antheil genommen, welche sich in Basel, "Basel-Land und Rheinselden aufgehalten und bis jetzt "das Asylrecht dafelbst genossen haben.

"Daß sich auch Schweizer bei dem Einfall betheiligt "haben, gehe daraus hervor, daß die Bafelerpolizeibehörde "dem Oberamt Lörrach das Gewehr eines badifchen Gränz,,auffehers abgeliefert habe, und daß mehrere bewaffnete ,,Bürger aus Riehen erschienen seien und den in Lörrach "konfiszirten Zucker mit Gewalt weggenommen hätten.

"Während Struve und seine Gehülfen in Lörrach ge"herrfcht, feien von Basel Flinten mit Munition in Menge "daselbst eingesührt worden, was an dem Thore in Basel "bei der Ausfuhr wohl nicht unbemerkt habe geschehen "können.

"Am Sonntag seien einige Tausend Bafeler in Lörrach "gewesen, von welchen sich Leute aus den untersten Volks"klassen aus das ©kandaloseste betragen und namentlich "vielfältig felbst vor dem Amthause und in den Wirths"hänsern die Leute aufgefordert hätten, die Beamten zum "Fenster hinauszuwerfen."

Jn Bezug auf die Angabe, daß sich Flüchtlinge an dem Struvefchen Unternehmen betheiligt, welche in Basel

sich aufgehalten und bisher dafelbst das Afylrecht genossen, beziehen wir uns auf das bereits oben Gesagte, daß hier aus angesührten Gründen vom April an keinen deutschen

Flüchtlingen der Ansenthalt oder das Asyl gestattet worden.

Ein Wirth, von welchem bekannt wurde, daß er entgegen der dießsalls erhaltenen Weisung einen solchen Flüchtling des Nachts beherbergt hatte, ist zur Verantwortung gezogen worden.

Hiermit soll allerdings nicht in Abrede gestellt sein.

228

daß die in der Nachbarschaft wohnhaft gewesenen Flücht-

linge öfters bei Tage in die Stadt gekommen und vielleicht in Wirthshäufern mit ihren Bekannten aus dem Badifchen mögen zusammengetreten sein ; allein Aufenthalt ist ihnen hier keiner gestattet gewesen.

Daß Riehemer Bürger an dem Straveschen Aufstand Theil genommen und in Lörrach mit Gewalt konflszirter Zucker weggenommen worden sei, konnte nicht näher ermittelt werden, übrigens ist jedenfalls hierüber nie eine Klage eingelausen.

Lediglich wissen wir, daß ein in Riehen wohnhaft gewefener bafellandschaftlicher Bürger sich bei dem Aufstande

betheiligt haben soll; derselbe ist aber seither flüchtig.

Eine badische Gardistenflinte ist allerdings durch unsere Polizei dem Bezirksamte zurückerstattet worden; diefelbe wurde auf hiesigem Gebiet einem badenfer Eivilisten abgenommen.

Jn Bezug auf Einführung von Waffen und Munition von Bafel aus während dem Struvefchen Jnterregnum wiederholen wir, daß alsbald nach dem Wiederausbruch der Unruhen die Ausfuhr von Waffen und Munition ver= boten und verhindert worden. Jnzwifchen mag, wie uns später gesagt worden. Einzelnes in Ehaisenkistchen verborgen durchgebracht worden sein, was nicht zu verhin= dern war, weil wir ein allgemeines Visitationssystem hier nicht kennen. Mit Wissen der Thorbeamten und so, daß es gesehen oder bemerkt worden, ist es nicht geschehen, indem solche Gegenstände fonst zurückgehalten worden wären.

Wenn dann endlich befchwernngsweise angesührt wird, es seien am Sonntag daraus viele Basler in Lorrach gewesen und Leute aus den untersten Volksklassen hätten

229 sich daselbst skandalös aufgeführt, so ist uns hierüber nie eine Befchwerde noch irgend eine Klage gegen Jemand zugekommen; jene Leute mögen von Basel gewesen sein, es mögen auch eben so gut Fremde gewesen sein, wir wissen es nicht, können aber auch nicht begreifen, wie man Derartiges den dießseitigeu Behörden zur Last legen könnte.

UeBerhaupt dürfte die Urfache der im badischen Oberlande sowohl von Einheimischen als Fremden und sowohl vor als während des Struvefchen Aufstandes verübten Unordnungen und Gefetzwidrigkeiten richtiger in dem monatelang angedauerten aufgeregten Zustande des dortigen

Landes selbst und in der völligen Kraftlosigkeit der dortigen Behörden zu finden fein, als in dem Verfahren und Verhalten der fchweizerischen Behörden.

Zu xil.

,,Die Flüchtlinge Mögling und Doll hätten sich meistens ,,in der Stadt Basel ausgehalten."

Mit Beziehung auf Obengefagtes über Aufenthalt von Flüchtlingen könnte diefe Angabe nur infofern Grund haben, als darunter verstanden wäre, daß sie öfters bei Tage von ihren Aufenthaltsorten in hiesige Stadt gekommen und Abends wieder fortgegangen sind, was auch Struve allerdings gethan hat, und was Niemanden, der nicht richterlich verwiefen worden, untersagt war.

Seit dem Struvefchen Unternehmen haben wir uns übrigens veranlaßt gefunden, auch in diefer Beziehung strenger zu verfahren und es wird feither den betheiligten Flüchtlingen von der Polizei auch nicht mehr gestattet, bei Tage hier sich aufzuhalten ; es werden dieselben überhaupt

hier nicht mehr geduldet.

230 Zu XXV.

,,Einer Mittheilung des badischen Ministeriums vom "1. November zufolge verweilen noch immer viele Flücht"linge hart an der Gränze, und zwar in Stadt Bafel der ,,Küfer Söcklin von Wallbach und der Notar Rupp von "Kirchen."

Diese Angabe müssen wir für falfch erklären, indem wenigstens den Behörden von dem Ausenthalt dieser beiden Flüchtlinge nicht das Mindeste bekannt ist.

Es sind alle früher hier in Arbeit gestandenen Gesellen, Arbeiter n. s. w., welche sich an diesem zweiten badischen Aufstand betheiligt hatten, fofort bei ihrer Rückkunft fortgewiesen und die Namensliste derselben ist den PolizeiBehörden der benachbarten schweizerischen Gränzkantone uiitgetheilt worden. Jhre Zahl beträgt 95. Von vielen

derselben ist die Betheilignng erst durch Mittheilungen des badischen Bezirksamtes Lörrach bekannt und in Folge dessen sosort die Ausweisung angeordnet worden.

Von einem Söcklin und Rupp aber hat das Bezirksamt Lörrach nie etwas gemeldet und es haben sich dieselben mit ..Borwissen der Polizei weder früher noch jetzt hier aufgehalten.

Zur Frankfurter Oberpostamtszeitung, Beilage zu Nr. 314 vom 24. November.

Hier heißt es unter anderm: ,,Das Possenfpiel der fchweizerifchen Behörden gehe

,,so weit, daß sich in diefem Augenblick die in Zürich Ans"gewiefenen in Basel und umgekehrt die aus Basel Weg"gebrachten in Zürich aushalten."

Und weiter unten: ,,Bei Maurermeister und Wirth Begle in Bafel, sowie

231

,,im weißen Kreuz und im Bären fei gewöhnlich das SHj;,,steigeqnartier der Flüchtlinge."

Die erstere Anschuldigung ist eine reine böswillige ErDichtung. Zwar wäre es möglich, daß etwa Handwerksgesellen, die wegen Theilnahme an den badifchen Unruhen aus Zürich ausgewiesen worden, hier Arbeit gesucht und gefunden hätten, wenn ihre Wanderbücher gehörig .oisirt gewefen waren und die stattgehabte Ausweifung in denselben nicht bemerkt gewefen wäre. Allein es ist nachge-sehen worden und da hat sich gesunden, daß zufällig feit 'Anfangs Oktober kein von Zürich gekommener Handwerksbursche hier in Arbeit getreten ist; und daß die von hier .Fortgewiesenen in Zürich sich aufhalten, ist um so weniger ·anzunehmen, als wie schon bemerkt der zürcherischen Polizei'cehörde das Verzeichniß der von hier ausgeschafften Jndividueu mitgetheilt worden ist.

Was endlich die erwähnten Gasthöfe anlangt, fo sind «s solche, welche als in der kleinen Stadt gelegen, »orzugsweife aus der badischen Nachbarschaft besucht werden,
Jm -Allgemeinen wird den hiesigen Behörden und Beamtnngen über ihr Verhalten in dieser Flüchtlingsan.gelegenheit die ganze Zeit über keinerlei gegründeter Vortvurf gemacht werden können, und wir dürfen uns in .Bezug auf unser Bestreben, freundnachbarliche Verhältnisse ausrecht zu halten nnd billigen und angemessenen .Wünschen benachbarter Behörden so viel thnnlich ent''sprechende Rechnung zu tragen, süglich ans dm Ober·amtmann in Lörrach selbst berufen, mit welchem unsere Polizei in täglichem nachbarlichem Verkehr steht, und

232: dessen allfälligen Beschwerden gegründetenfalls jeweilen

bereitwillig abgeholfen wird.

Was endlich das am Schlüsse des hochverehrlichen bnndesräthlichen Schreibens beigefügte Gefnch um Mittheilung der Namen und der Zahl der in den Kantonen sich aufhaltenden deutfchen Flüchtlinge anlangt, so sind wir nicht

im Fall, Hochdenselben ein dießfälliges Verzeichniß einzusenden, weil wir, wie wiederholt gefagt, ans Rücksicht auf unfere besondere geographische Lage, von Ansang an solchen Flüchtlingen hier keinen Aufenthalt gestatten.

Genehmigen Euer Hochwohlgeboren bei diefem Anlaß den erneuerten Ausdruck «nferer vollkommensten Hochachtung.

Bafel, den 2. Dezember 1848.

(Folgen die Unterfchriften.)

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25.03.1849

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