Aspekte der Stiftungsaufsicht am Beispiel der Stiftungen von Dr. Gustav Rau Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates vom 7. April 2006

2006-1043

7707

Abkürzungsverzeichnis Abs.

Art.

BBl BGE BJ BK Bst.

EDI EFD EJPD f.

GPK GPK-N GPK-S Kap.

OECD OV-EDI ParlG SR UVEK VwVG z.B.

ZGB

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Absatz Artikel Bundesblatt Bundesgerichtsentscheid Bundesamt für Justiz Bundeskanzlei Buchstabe Eidgenössisches Departement des Innern Eidgenössisches Finanzdepartement Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement folgende Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Geschäftsprüfungskommission des Ständerates Kapitel Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Organisationsverordnung vom 28. Juni 2000 für das EDI (SR 172.212.1) Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz; SR 171.10) Systematische Sammlung des Bundesrechts Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (SR 172.021) zum Beispiel Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (SR 210)

Bericht 1

Einführung

Die Stiftung, soweit es sich nicht um eine kirchliche Stiftung oder eine Familienstiftung handelt, untersteht der staatlichen Aufsicht. Diese wird je nach Fall von einer Gemeinde-, Kantons- oder Bundesbehörde ausgeübt. Stiftungen von nationaler oder internationaler Bedeutung sind im Prinzip der Aufsicht des Bundes unterstellt. Mit dieser Aufgabe ist das Generalsekretariat des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI)1, respektive die ihm unterstellte eidgenössische Stiftungsaufsichtsbehörde, beauftragt. Das EDI beaufsichtigt über 2500 der rund 10 000 zur Zeit in der Schweiz existierenden Stiftungen2. Bei der überwiegenden Mehrheit handelt es sich um Stiftungen mit geringem Kapital. Gemäss einer vom EDI beauftragten Schätzung macht das Gesamtkapital der zehn grössten Stiftungen 80 % des Gesamtkapitals der auf Bundesebene beaufsichtigten Stiftungen aus. Rund 40 Stiftungen besitzen ein Kapital von über 50 Millionen Franken.

Die eidgenössische Stiftungsaufsicht stützt sich auf Artikel 80 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches3 sowie auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts. Die Aufsichtsbehörde hat insbesondere dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird und dass die Stiftungsorgane keine Entscheide fällen, die gegen die Gründungsurkunde und das Reglement der Stiftung sowie gegen das Recht und die Sittlichkeit verstossen. Verletzt eine Stiftung das Gesetz, ist die Aufsichtsbehörde befugt, für die Stiftungsbehörde verbindliche Richtlinien zu erlassen und bei Nichtbeachtung dieser Richtlinien Sanktionen zu verhängen.

In den letzten Jahren haben sich die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) der eidgenössischen Räte verschiedentlich mit der eidgenössischen Stiftungsaufsicht befasst4. Ihre Arbeiten sind eng verknüpft mit der Untersuchung der Rolle des Bundes in einem besonderen Fall, nämlich der Aufsicht des EDI über die drei Stiftungen des berühmten Kunstsammlers Dr. Gustav Rau.

Diese Angelegenheit ist äusserst komplex und juristisch international verstrickt. Der vorliegende Bericht untersucht die umstrittensten Punkte dieses Falles und bewertet die Tätigkeit des EDI unter dem Gesichtspunkt der parlamentarischen Oberaufsicht.

Die GPK haben den Rau'schen Stiftungen besondere Aufmerksamkeit gewidmet, da sie der Ansicht sind, dass zahlreiche in diesem präzisen
Fall gemachte Feststellungen auf ein allgemeines Problem verweisen. Ziel der Untersuchung der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) war es daher, anhand dieses Falles Schlüsse zu ziehen, die für die Ausübung der eidgenössischen Stiftungsaufsicht allgemein gelten.

1 2 3 4

Siehe Art. 3, Abs. 2, Bst. a der Organisationsverordnung vom 28. Juni 2000 für das EDI (OV-EDI; SR 172.212.1).

Von der Aufsicht ausgenommen sind die Stiftungen der beruflichen Vorsorge, welche einem anderen Kontrollsystem unterworfen sind.

Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10.12.1907 (ZGB; SR 210).

Siehe Jahresbericht 2001/2002 der Geschäftsprüfungskommissionen und der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte vom 17.5.2002 (BBl 2002 5945 ff.), sowie ihren Jahresbericht 2002/2003, vom 23.1.2004 (BBl 2004 1717) und ihren Jahresbericht 2005 vom 20.1.2006 (BBl 2006 4386).

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2

Kurzer Rückblick

Gustav Rau war ein bedeutender deutscher Kunstsammler. Als reicher Erbe einer Industriellenfamilie aus der Region Stuttgart beschloss Rau im Alter von 48 Jahren, das Familienunternehmen zu verkaufen. Zu dieser Zeit hatte er gerade ein Medizinstudium abgeschlossen. Die folgenden zwanzig Jahre widmete er sich der medizinischen Tätigkeit in Afrika und gründete unter anderem eine Urwaldklinik im KongoZaïre. Dr. Rau führte ein sehr sparsames Leben und investierte sein Vermögen in die Anlage einer bedeutenden Kunstsammlung. Die Legende besagt, dass er nur zwei Paar Hosen besass und dass er zu Fuss in die Stadt ging, um den Preis für den öffentlichen Verkehr zu sparen. Er baute seine Kunstsammlung selbst auf, indem er regelmässig in verschiedenen Ländern Europas an grossen Auktionen teilnahm. Der Wert der «Collection Rau», die sich aus über 800 Werken zusammensetzt, wird auf mehrere hundert Millionen Franken geschätzt.

Das Vermögen Dr. Raus sollte schlussendlich jedoch gemeinnützigen Zwecken dienen. Zwischen 1971 und 1986 gründete Dr. Rau mehrere Stiftungen schweizerischen Rechts, denen er insgesamt zwei Millionen Franken schenkte. Es handelt sich dabei um die Dr.-Rau'sche Kunststiftung, die Stiftung Rau für die Dritte Welt und die Dr.-Rau'sche Medizinalstiftung. Neben liquiden Mitteln stattete er die Stiftungen mit rund dreissig Kunstwerken aus. Diese Werke, sowie der Rest seiner Sammlung, wurden in Verwahrung durch die Kunststiftung im Zollfreilager in Embrach im Kanton Zürich eingelagert.

Anfang der 1990er Jahre verschlechterte sich der Gesundheitszustand Dr. Raus und zwang ihn, sich in Europa niederzulassen. Ende Juni 1997 hielt er sich in Monaco auf, wo er einen Schlaganfall erlitt. Wenig später weckten verschiedene Vorfälle im Zusammenhang mit seinem Verhalten Zweifel an seinen geistigen Fähigkeiten und führten das Tribunal de Grande Instance de Monaco im März 1998 dazu, einen Administrateur Judiciaire für die Verwaltung seines Vermögens zu ernennen.

Ungefähr zu dieser Zeit brach ein Konflikt zwischen B, einem Anwalt und Willensvollstrecker von Dr. Rau und dem Umfeld von Dr. Rau ­ seinem Privatsekretär und seiner Vertrauensperson aus. Dr. Rau enthob B. sämtlicher Mandate; dieser wiederum klagte das Umfeld von Dr. Rau an, es nutze die vermutete Geistesschwäche von Rau aus, um sein Vermögen zu
ihrem eigenen Nutzen zu veruntreuen. Dieser Konflikt bildet den Ursprung unzähliger zukünftiger Rechtsstreitigkeiten. Festzuhalten ist hierbei, dass Dr. Rau schon 1981 seiner Vertrauensperson eine Generalvollmacht erteilt hatte, in der ausdrücklich festgelegt wurde, dass diese Vollmacht auch über einen allfälligen Verlust der geistigen Fähigkeiten Dr. Raus oder über seinen Tod hinaus Gültigkeit bewahren würde.

Am 4. Juli 1997 unterzeichnete Dr. Rau einen Schenkungsvertrag, in dem er sich verpflichtete, seine Sammlung der Crelona Stiftung zu geben, einer Familienstiftung nach liechensteinischem Recht. Zu der Zeit war vorgesehen, dass das gesamte der Crelona Stiftung geschenkte Vermögen beim Tod Dr. Raus der Drittweltstiftung zukommen sollte. Die Kunstwerke wurden jedoch der Crelona Stiftung nie übertragen.

Anfang Juli 1998 bezeichnete Dr. Rau die Medizinalstiftung als Alleinerbin seines Vermögens. Am 17. Juli 1998 benachrichtigte B. ­ der Mitglied des Stiftungsrates der Drittweltstiftung und der Crelona Stiftung war ­ das EDI als Stiftungsaufsichtsbehörde. Er forderte das Departement auf, Sicherungsmassnahmen für die Schweizer 7710

Stiftungen des Dr. Rau zu treffen und dies auf Grund des mutmasslich zweifelhaften Verhaltens des Umfeldes des Sammlers und der Ungewissheit über seine geistigen Fähigkeiten. Das EDI entschied noch am selben Tag, sämtliche im Zollfreilager Embrach eingelagerten Werke zu versiegeln und ein Inventar der Werke vorzunehmen. Das EDI forderte ausserdem die zuständigen Vormundschaftsbehörden auf, eine Verwaltungsbeistandschaft für die Schweizer Stiftungen einzurichten. Ein Beistand wurde für die Drittweltstiftung Ende Juli 1998 ernannt, ein anderer für die Kunststiftung und die Medizinalstiftung Ende Mai 1999. Diese Beistandschaften wurden vom Bundesgericht bestätigt.

Am 24. September 1999 bewilligte das EDI trotz der Weigerung der CrelonaStiftung und des Beistands der Kunststiftung die Ausstellung von ungefähr hundert Werken in Japan. Die Bewilligung erfolgte unter der Bedingung, dass die Werke nach der Ausstellung unmittelbar in die Schweiz zurückgeführt werden, ohne über Deutschland zu gehen. Das EDI wollte damit verhindern, dass Deutschland allfällige Ansprüche auf die Sammlung geltend machen konnte, falls Dr. Rau sterben sollte.

Die vom Departement gestellten Bedingungen wurden nur teilweise eingehalten. Elf Gemälde, welche der Kunststiftung gehörten, wurden in die Schweiz zurück gebracht, doch 95 Gemälde wurden direkt nach Paris gesandt, für eine Ausstellung im Musée du Luxembourg, und anschliessend für Ausstellungen in Rotterdam, Köln und Bergamo.

Ein Urteil des Amtsgerichts Baden-Baden vom September 2000 stellte eine Wende in der Angelegenheit dar. Das Amtsgericht lehnte ein Begehren um einstweilige Anordnung eines Betreuers für Dr. Rau ab, nachdem es in seinen Erwägungen festgestellt hatte, dass letzterer geschäftsfähig war und er zudem von zahlreichen Personen, darunter seiner Vertrauten und einem Anwalt, unterstützt wurde. Die Bedeutung dieses Urteils für die Schweiz wurde von den verschiedenen Akteuren sehr unterschiedlich interpretiert. Diese Frage war Gegenstand mehrerer widersprüchlicher Gutachten sowie diplomatischer Interventionen von deutscher Seite.

Ende 2000 gelangte das EDI auf der Grundlage von zwei Rechtsgutachten des Bundesamts für Justik (BJ) schliesslich zur Ansicht, dass das Urteil von BadenBaden auch in der Schweiz anzuerkennen sei und davon ausgehend, dass Dr. Rau als
geschäftsfähig erachtet werden müsse.

Zu diesem Zeitpunkt verschlechterten sich die Beziehungen zwischen dem EDI und den Stiftungsbeiständen massgeblich. Die Beistände legten systematisch Rekurs gegen die Verfügungen des Departements ein. Im Dezember 2000 eröffnete der Beistand der Kunststiftung ein Verfahren zur Beschlagnahmung der im französischen Senat ausgestellten Gemälde. Das EDI liess dieses Verfahren wenige Wochen später suspendieren.

Mit den Verfügungen vom 22. Dezember 2000 und 26. Februar 2001 ging das EDI auf ein Begehren Dr. Raus ein und ersetzte die Mitglieder der Stiftungsräte durch drei neue Personen, einen Anwalt von Dr. Rau und zwei Mitarbeiter einer renommierten Revisionsgesellschaft, die im Übrigen später auch im Auftrag von Unicef Deutschland handelte. Unter Berufung auf das gestörte Vertrauensverhältnis mit den Beiständen und in der Ansicht, dass die neue Zusammensetzung der Stiftungsräte ihr gutes Funktionieren garantiere, forderte das EDI ausserdem die zuständigen Vormundschaftsbehörden auf, die Beistandschaften über die Stiftungen aufzuheben.

Diese Entscheide wurden vom Bundesgericht am 22. Mai sowie am 10. und 23. Juli 2001 bestätigt und die Beistandschaften aufgehoben.

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Im August 2001 erlaubte eine Vereinbarung zwischen dem EDI, Dr. Rau (vertreten durch seinen Anwalt, der übrigens auch im Auftrag der Unicef Deutschland handelte) und der Kunststiftung (vertreten durch ihren Präsidenten), seine Sammlung zurückzuerhalten. Dr. Rau verpflichtete sich dabei, auf Schadenersatzforderungen für allfällige Schäden, die seine Sammlung hätte erleiden können, zu verzichten. Er bestätigte ausserdem, dass seine Sammlung vollständig sei. Der Bundesrat war zuvor über den Stand des Dossiers und das geplante Vorgehen des EDI informiert worden. Im September 2001 wurden die noch in der Schweiz gelagerten Werke nach Deutschland überführt, mit Ausnahme der zuvor der Kunststiftung geschenkten Gemälde. Dr. Rau vermachte am 5. September 2001 der Unicef Deutschland 622 Werke. Hier ist zu erwähnen, dass zu diesem Zeitpunkt die Verfügung der Stiftungsaufsicht über die Aufhebung der Beistandschaft für die Kunststiftung rechtskräftig war, der Beistand aber im Handelsregister ohne Zeichnungsrecht noch eingetragen war.

Dr. Rau ist im Januar 2002 verstorben. Sein Nachlass ist bis heute nicht geregelt.

Die Frage dabei ist, ob einer der beiden Erbverträge zugunsten der Unicef gültig ist.

Falls die zuständigen deutschen Gerichte auf Geschäftsunfähigkeit Raus zur Zeit seiner Unterschriften oder auf Ungültigkeit der Generalvollmacht schliessen sollten, würde die Sammlung entweder der Medizinalstiftung oder der Drittweltstiftung zukommen.

Seit Anfang 2003 wird eine neue Serie von Rechtsstreitigkeiten in der Schweiz ausgefochten, in deren Zentrum weniger das EDI als der Bezirksrat der Stadt Zürich steht. Die Streitigkeiten betreffen vorwiegend die Wahrnehmung der Interessen der Dr. Rau'schen Stiftungen in den in Deutschland eröffneten Verfahren. Schematisch präsentiert sich das Problem folgendermassen: Der damalige Präsident der Dr. Rau'schen Stiftungen, von Beruf Anwalt, gehörte der selben Gruppe von Kanzleien an wie die Anwälte der Unicef. Da sie der Ansicht war, ein Interessenskonflikt sei nicht auszuschliessen, hat die Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich die ehemaligen Beistände der Stiftungen mit der Wahrnehmung der Interessen der Drittweltstiftung und der Medizinalstiftung in den verschiedenen in Deutschland laufenden Verfahren beauftragt. Der Interessenskonflikt wurde von der Zürcher
Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte bestätigt.

Kurz nach der Einrichtung dieser partiellen Beistandschaften hat das EDI den Präsident der Stiftungsräte abberufen und an seiner Stelle den ehemaligen Leiter der Stiftungsaufsicht des Kantons Zürich ernannt5. Da ihrer Ansicht nach damit das Risiko eines Interessenskonflikts aus dem Weg geräumt war, beschloss die Vormundschaftsbehörde auf Antrag des EDI die Aufhebung der Beistandschaften. Die Beistände legten gegen diese Verfügung Rekurs vor dem Zürcher Bezirksrat ein.

Der Ratspräsident befand, dass der Entscheid der Vormundschaftsbehörde keine Rechtskraft habe, in anderen Worten, dass die Beistandschaften in Erwartung des Entscheids des Bezirksrates geltend bleiben. Erst am 20. Oktober 2005, also mehr als zwei Jahre später, fällte der Bezirksrat seinen Entscheid. Mit diesem Entscheid setzte der Bezirksrat vollständige Beistandschaften für die drei Rau'schen Stiftungen ein. Die Beistände wurden nicht nur mit der Wahrung der Interessen der Stiftungen in den Verfahren um den Nachlass Dr. Raus beauftragt, sondern auch mit der Feststellung, was die Stiftungen wirklich besassen, und mit dem Ergreifen der notwendi5

Dieser ist heute immer noch Präsident der drei Rau'schen Stiftungen.

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gen Schritte, um ihre Rechte in dieser Angelegenheit geltend zu machen. Laut dem Bezirksrat bestehen nämlich Hinweise darauf, dass die Sammlung durch Dr. Rau den Stiftungen übergeben wurden und dass sie daher zum Zeitpunkt der Vorfälle nicht mehr Teil seines Privatvermögens war. Wäre dem so gewesen, hätte Dr. Rau unabhängig von der Frage seiner Geschäftsfähigkeit nicht mehr darüber verfügen können. Die einer Stiftung übertragenen Güter können in der Tat nicht mehr von ihrem Stifter zurückgenommen werden.

Mit Beschluss vom 24. März 2006 hat das Obergericht Zürich den Rekurs der Stiftungen gutgeheissen und die von der Vormundschaftsbehörde angeordnete Aufhebung der Stiftungsbeistandschaften bestätigt. Die Beistände können gegen diesen Beschluss Rekurs vor Bundesgericht führen.

3

Arbeiten der GPK-S

3.1

Ziel und Grenzen der Untersuchung

Aus dieser kurzen Zusammenfassung ist ersichtlich, dass es sich bei der sogenannten «Affäre Rau» um einen äusserst komplexen Fall und keineswegs um einen gewöhnlichen Fall der eidgenössischen Stiftungsaufsicht handelt.

Praktisch das gesamte Vermögen der Stiftungen wurde durch die Kosten im Zusammenhang mit den Rechtsstreitigkeiten verschlungen, die wirklichen Destinatäre dieses Vermögens ­ die unterprivilegierten Bevölkerungsschichten der Dritten Welt ­ haben davon nicht profitiert. Diese Affäre hat dem Bund auch wesentliche Kosten im Sinne eines Image- und Vertrauensverlusts vor allem im Ausland beschert.

Die GPK-S konnte sich im Laufe ihrer Arbeiten überzeugen, dass der Vorsteher des EDI sich der Bedeutung dieses Falles bewusst ist und dass er die politische Verantwortung für die Entscheide übernimmt, die seit seiner Übernahme der Leitung des Departements getroffen wurden. Die Kommission konnte auch feststellen, dass das EDI gewisse Fehler in dieser Angelegenheit eingestanden und entsprechende Massnahmen getroffen hat. Die GPK-S begrüsst dieses selbstkritische Vorgehen, sie ist jedoch der Meinung, dass nicht alle Lehren aus dem Fall Rau gezogen worden sind.

Die GPK-S wünscht sich deshalb, dass die Empfehlungen und Feststellungen des vorliegenden Berichts zu einer Verbesserung des eidgenössischen Stiftungsaufsichtssystems beitragen. Eine wirksame und glaubwürdige Aufsicht trägt massgeblich dazu bei, die Schweiz für Personen attraktiv zu machen, welche beabsichtigen, Stiftungen zu gründen oder einen Teil ihres Vermögens einer Stiftung zu vermachen. Für die Kommission ist es umso wichtiger zu handeln, als sich seit mehreren Jahren eine starke Zunahme der Stiftungsgründungen und des von den Stiftungen verwalteten Kapitals beobachten lässt. Diese Tendenz dürfte sich mit der Revision des Stiftungsrechts und der auf die Stiftungen anwendbaren Steuerbestimmungen noch verstärken. Während diese Entwicklung durchaus zu begrüssen ist, wird damit die eidgenössische Stiftungsaufsicht aber auch vor grosse Herausforderungen gestellt, was die Risiken und das Arbeitsvolumen betrifft.

Eine Gesamtbeurteilung sämtlicher im Zusammenhang mit dem Fall der Rau'schen Stiftungen stehenden Vorfälle, Entscheide und Massnahmen ginge weit über den Auftrag und die Ressourcen der parlamentarischen Oberaufsicht hinaus. Die Kommission hat sich zur Aufgabe gemacht, die umstrittensten Punkte dieses Falles unter 7713

dem Gesichtspunkt der Rechtmässigkeit, der Zweckmässigkeit und der Wirksamkeit zu prüfen (Art. 26 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 52 Abs. 2 ParlG6). Ihrem Auftrag der Oberaufsicht entsprechend, hat die GPK-S ihre Untersuchung dabei auf die Handlungen des EDI und der eidgenössischen Stiftungsaufsicht beschränkt. Es geht ihr vor allem darum, zu beurteilen, ob die eidgenössische Stiftungsaufsicht ihren Ermessensspielraum richtig genutzt hat. Unabhängig davon, zu welchen Schlüssen sie gelangt, ist die GPK-S nicht befugt, Entscheide aufzuheben oder zu ändern (Art.

26 Abs. 4 ParlG).

Die GPK-S hat insbesondere die Handlungen der Stiftungsräte und anderer in diesen Fall involvierter Einzelpersonen von ihrer Untersuchung ausgeschlossen. Es besteht kein Zweifel, dass das Verhalten gewisser Personen nur beschränkt dem Grundsatz von Treu und Glauben entsprach, und dass dies dem öffentlichen Interesse geschadet hat. Die GPK-S bedauert dies sehr. Da diese Personen jedoch keine Aufgaben des Bundes wahrnahmen, hat die Kommission die Angemessenheit ihrer Handlungen nicht weiter zu beurteilen.

3.2

Vorgehen

Die GPKs wandten sich in dieser Sache zum ersten Mal an den Bundesrat, nachdem sie von einem Schadenersatzanspruch gegenüber dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) vom 23. November 2000 und einer im Februar 2001 erhobenen Strafklage gegen das EDI Kenntnis erhalten hatten.

In ihrem Schreiben vom 30. März 2001 wies die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) den Bundesrat darauf hin, dass auf Grund der ihr vorliegenden Fakten Gefahr im Verzug sein dürfte, und äusserte die Befürchtung, dass die betroffenen Departemente nicht mehr in der Lage seien, dieses Dossier weiterhin zu verwalten. Nach Anhörung verschiedener Mitglieder des Bundesrates sowie mehrerer Vertreter der Bundesverwaltung gelangte jedoch die GPK-N zur Auffassung, dass der Bund seine Rolle in der Stiftungsaufsicht korrekt ausgeübt habe. Die Kommission war der Meinung, dass für diese Angelegenheit die Gerichte zuständig seien und dass die parlamentarische Oberaufsicht sich nicht in laufende Gerichtsverfahren einzuschalten habe.

Ende 2002 wurde die GPK erneut auf den Fall angesprochen. Nachdem die GPK-N auch die Eingabe eines Ratsmitglieds geprüft hatte, beschloss sie am 17. Januar 2003, den Fall nicht erneut aufzurollen, da sie nach wie vor davon ausging, dass die Angelegenheit Sache der Gerichte sei. Die GPK-S vertrat jedoch die Meinung, der Fall der Rau'schen Stiftungen verweise auf ein allgemeines Problem, und sie beauftragte deshalb die Subkommission EDI/UVEK, die eidgenössische Stiftungsaufsicht am Beispiel der Aufsicht über die Stiftungen von Dr. Rau zu untersuchen.

Im Verlauf ihrer Untersuchung hat die Subkommission sechs Serien von Anhörungen durchgeführt (siehe Liste der angehörten Personen im Anhang), und sie hat von zahlreichen Dokumenten Kenntnis genommen7. Namentlich hat der Vorsteher des 6 7

Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung (Parlamentsgesetz, ParlG; SR 171.10).

Die Dokumente zu diesem Fall füllen fünf ganze Bundesordner ­ was sich allerdings im Vergleich zu den über dreissig Bundesordnern, die sich bei der eidgenössischen Stiftungsaufsicht zu diesem Fall angesammelt haben, relativ bescheiden ausnimmt.

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EDI der GPK-S ein Exemplar einer gutachtlichen Stellungnahme des ehemaligen Bundesrichters, Professor Hans Peter Walter, zukommen lassen, welche dieser im Auftrag des EDI erstellt hatte. Die Subkommission hat auch von den Schlussfolgerungen des BJ Kenntnis genommen, das vom Vorsteher des Eidgenössischen Justizund Polizeidepartements (EJPD) mit der Untersuchung der Tätigkeit des Bundes im Zusammenhang mit der Kunstsammlung von Dr. Rau beauftragt worden war. Die Subkommission hat mehrmals beim Vorsteher des EDI schriftlich Stellungnahmen oder ergänzende Informationen eingeholt. Ausserdem hat sie die Beistände der Schweizer Stiftungen von Dr. Rau aufgefordert, die Probleme zu beschreiben, die sie im Zusammenhang mit der eidgenössischen Stiftungsaufsicht festgestellt haben.

Zum Zweck der Transparenz möchte die GPK-S hervorheben, dass die Kommission und ihre Mitglieder sehr oft und über verschiedene Kanäle von mehreren mit dem Dossier vertrauten Personen angegangen wurden. Trotz dieses umfassenden und beharrlichen Drängens hat die GPK-S stets darauf geachtet, ihre Unabhängigkeit und die Sachlichkeit zu bewahren.

Am 16. Februar 2006 hat die Subkommission ihre Feststellungen in einem Berichtsentwurf festgehalten. Dieser Entwurf wurde dem Vorsteher des EDI zugestellt, mit der Aufforderung, zu prüfen, ob der Bericht formelle oder materielle Fehler beinhalte, die noch korrigiert werden sollten und ob schützenswerte Interessen sich einer Veröffentlichung widersetzten. Ein Exemplar des Berichtsentwurfs wurde auch der ehemaligen Vorsteherin des EDI zugestellt. Am 7. April 2006 hat die GPK-S von der Stellungnahme des Vorstehers des EDI Kenntnis genommen und, nach der Ausführung der ihr wesentlich erscheinenden Änderungen, den vorliegenden Schlussbericht einstimmig bei einer Enthaltung gutgeheissen und zur Veröffentlichung freigegeben.

3.3

Rechtsgutachten von Professor Walter

Im Auftrag des EDI untersuchte der ehemalige Bundesrichter, Professor Hans Peter Walter, wie das EDI, beziehungsweise die eidgenössische Stiftungsaufsichtsbehörde, die Aufsicht über die Schweizer Stiftungen von Dr. Rau seit Juli 1998 ausübte8.

Dazu erhielt er Einblick in sämtliche Dokumente im Besitz des EDI. Ausserdem stellte er einige ergänzende Fragen an den Chef der eidgenössischen Stiftungsaufsichtsbehörde und an seinen Stellvertreter.

Die GPK-S hat das Rechtsgutachten von Professor Walter sorgfältig geprüft und sich ausführlich mit ihm darüber unterhalten. Nach dieser Prüfung ist die GPK-S der Ansicht, dass die Analyse von Professor Walter überzeugend und fundiert ist. Diese Ansicht teilt auch der Direktor des BJ, welcher das Gutachten als «juristisch hiebund stichfest» qualifiziert hat. Im Gegensatz zu gewissen Behauptungen hat die Kommission keinen Hinweis darauf gefunden, dass es sich um eine Gefälligkeitsexpertise handelt oder dass Professor Walter in seinen Einschätzungen voreingenommen war. Für die GPK-S lässt die Tatsache allein, dass Professor Walter zum Zeitpunkt gewisser in dieser Affäre gefällter Urteile Präsident des Bundesgerichtes war, in keiner Weise auf eine Voreingenommenheit seinerseits schliessen. Der Direktor des BJ ist, nachdem er die Frage einem Spezialisten vorgelegt hat, zum 8

Prof. Hans Peter Walter, Gutachtliche Stellungnahme in Sachen Aufsicht über die Rau-Stiftungen, vom 26.7.2004.

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selben Schluss gekommen. Professor Walter war niemals Mitglied der zuständigen Gerichtsleitung und hat sich niemals öffentlich zu diesem Dossier geäussert. Er hatte sich ja auch nicht zu den Entscheiden des Bundesgerichts zu äussern, sondern diese als Tatsachen zu nehmen, welche die Stiftungsaufsicht in ihren Entscheiden respektieren musste. Zudem hatte Professor Walter zum Zeitpunkt der Verfassung des Rechtsgutachtens das Bundesgericht bereits verlassen und unterrichtete vollzeitlich an der Universität. Selbstverständlich anerkennt die GPK-S auch die Integrität eines ehemaligen Magistraten und Präsidenten der obersten Gerichtsbarkeit der Eidgenossenschaft. Die Kommission hat sich daher teilweise auf das Rechtsgutachten von Professor Walter gestützt, um daraus ihre eigenen Schlüsse zu ziehen.

Das vom 26. Juli 2004 datierte Rechtsgutachten von Professor Walter beschränkt sich auf die Analyse der Rechtmässigkeit der über die Rau'schen Stiftungen ausgeübten Aufsicht; es schliesst die politischen Aspekte ausdrücklich von der Expertise aus.

Ein Mitglied der GPK-S hat allerdings grösste Vorbehalte zum Gutachten von Professor Walter angemeldet. Ausserdem ist in seinen Augen die Prüfung der Rechtmässigkeit der vom EDI gefassten Beschlüsse völlig unzureichend.

4

Einige Grundzüge der Stiftungsaufsicht9

Eine Stiftung ist eine juristische Person des Privatrechts, die zweckbestimmte Vermögenswerte bereitstellt. Die Stiftungsurkunde (Testament oder öffentliche Urkunde) bestimmt den Zweck, den Namen, das Stiftungskapital, die Organisation sowie auch die Art der Verwaltung der Stiftung. Eine Stiftung hat weder Mitglieder noch Partner sondern lediglich Begünstigte, bzw. Destinatäre. Sie verfügt auch nur über ein obligatorisches Organ: den Stiftungsrat.

Jedermann kann eine Stiftung gründen; eine staatliche Bewilligung ist dazu nicht erforderlich. Hingegen ist jede Stiftung von ihrer Gründung an der staatlichen Aufsicht unterworfen (Art. 84 Abs. 1 ZGB). Diese Aufsicht hat verschiedene Gründe.

Einerseits muss sie das Fehlen von Mitgliedern oder Aktionären ausgleichen, die bei anderen juristischen Personen des Privatrechts die Kontrolle der leitenden Organe gewährleisten. Die Aufsichtsbehörde wahrt so die Interessen der Destinatäre, welche an der Willensbildung innerhalb der Stiftung nicht beteiligt sind. Andererseits liegt es im allgemeinen Interesse, dass der Stifterwille perpetuiert wird, manchmal entgegen den persönlichen Interessen der Stiftungsorgane; dies umso mehr, wenn die Stiftung, wie häufig, gemeinnützige Zwecke erfüllt. Schliesslich hat die staatliche Aufsicht auch eine Rechtskontrolle über die Handlungen der Stiftungsorgane auszuüben.

Obwohl die Stiftungsaufsicht von öffentlichem Interesse ist, muss sie im Rahmen des Stifterwillens ausgeübt werden. Die Aufsichtsbehörde hat vor allem dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird (Art. 84 Abs. 2 ZGB). Dabei hat sie vor allem darüber zu wachen, dass die Stiftungsorgane keine Entscheide treffen, die gegen die Gründungsurkunde und das Reglement der Stiftung sowie gegen das Recht und die Sittlichkeit verstossen. Auch

9

Dieses Kapitel stützt sich auf das Rechtsgutachten von Professor Walter.

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hat sie dafür zu sorgen, dass die Stiftungsorgane die Interessen der Stiftung vertreten und gemäss den allgemeinen Prinzipien der Verwaltungstätigkeit handeln.

Es ist festzuhalten, dass die Aufsicht nur die Stiftung und deren Organe betrifft, nicht aber den Stifter, die Destinatäre oder andere Personen und Instanzen ausserhalb allfälliger Organfunktionen. Ebenso gilt es zu beachten, dass die Aufsichtsbehörde nur Verfügungen über die Stiftung und ihr Vermögen treffen kann; streitige Ansprüche Dritter gegenüber der Stiftung sind allein und ausschliesslich Sache der Zivilgerichte.

Obwohl das Gesetz der Stiftungsaufsicht relativ weite Befugnisse erteilt, bedeuten diese für die Behörde weder eine spezielle Organschaft, noch eine Vertreterstellung oder eine Vormundschaft. Mit anderen Worten hat sich die Aufsichtsbehörde auf ihre Kontroll- und Aufsichtsfunktion zu beschränken; sie ist grundsätzlich nicht befugt, namens der und mit Wirkung für die Stiftungen zu handeln, die sie beaufsichtigt. Vielmehr hat sie den Autonomiebereich der Stiftung zu respektieren und nur bei Ermessensüberschreitungen oder Ermessensmissbräuchen einzuschreiten.

Dieser Autonomiebereich ist grosszügig auszulegen. Die Stiftung ist von Gesetz wegen eine handlungsfähige juristische Person, die mittels ihrer Organe und ihrer selbstbestimmten Vertretern handeln kann und muss. Anders sieht es lediglich dann aus, wenn die Stiftung über keine Organe oder von ihr selbst bestimmte Vertreter verfügt, oder wenn solche Organe oder Vertreter nicht handeln können oder wollen oder dem Stiftungszweck entgegenhandeln. Allein in diesem beschränkten Umfang steht der Aufsichtsbehörde die Kompetenz zur Ersatzvornahme zu.

Im Rahmen ihres Zwecks und ihrer Bestimmungen kommt der Stiftung weitgehende Entscheidungsfreiheit zu. So hat sich die Aufsichtsbehörde bei Ermessensfragen zurückzuhalten und die Entscheidungsfreiheit der Stiftungsorgane nicht unnötig zu beschränken. Sie hat erst dann und nur insoweit einzugreifen, als die rechtmässige Erfüllung des Stiftungszwecks gefährdet ist und die Stiftungsmittel nicht mehr für den Stiftungszweck eingesetzt werden. Eine umfassende Überprüfung der ganzen Stiftungsverwaltung überschreitet die Befugnisse der Behörde und im Allgemeinen auch ihre Möglichkeiten. Die Stiftungsaufsicht besteht also in einer nachrangigen
und distanzierten Kontrolle der Verwirklichung des Stifterwillens. In den meisten Fällen beschränkt sich das EDI auf punktuelle Kontrollen auf der Basis des Revisionsstellenberichts der Stiftung. Finanzkräftigere Stiftungen werden enger beaufsichtigt. Problemfälle, die eine rasche Intervention und/oder Verfügungen10 erfordern, kommen selten vor.

Obwohl die Stiftungsaufsicht ihre Rechtsgrundlage aus Artikel 84 ZGB erhält, sind die Beziehungen zwischen den Stiftungen und der Aufsichtsbehörde in erster Linie öffentlich-rechtlicher Natur11. Die Stiftungsaufsicht ist deshalb auch verwaltungsrechtlichen Grundsätzen unterstellt, namentlich denen der Subsidiarität und der Verhältnismässigkeit. Folglich untersteht ein Eingriff in den Autonomiebereich der Stiftung dem Gebot der aufsichtsrechtlichen Notwendigkeit. Er darf nicht schärfer sein, als der Zweck der Massnahme es erfordert. Er ist somit unzulässig, wenn auch ein geringerer Eingriff zum Ziel führt. Stellt die Aufsichtsbehörde etwa fest, dass ein Entscheid eines Stiftungsorgans gegen das Gesetz verstösst, hat sie diesen fehlerhaf-

10 11

Im Sinn von Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20.12.1968 über das Verwaltungsverfahren (SR 172.021).

BGE 107 II 385 Erwägung 2.

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ten Entscheid aufzuheben; sie hat aber nicht selbst zu verfügen, sondern die Sache zur Neubeurteilung an die Stiftung zurückzuweisen.

Zur Erfüllung ihrer Aufgaben stehen den Aufsichtsbehörden weit reichende Kompetenzen und eine ganze Reihe von präventiven und repressiven Aufsichtsmitteln zur Verfügung. Zu den vorbeugenden Aufsichtsmitteln gehört vor allem die Pflicht der jährlichen Berichterstattung mit Rechenschaftsablage (seit 1. Januar 2006 inklusive Bericht der Revisionsstelle) sowie die Pflicht, das Stiftungsreglement einzureichen.

Repressiv sind zahlreiche Massnahmen möglich, so etwa Mahnungen, Verwarnungen, Verweise, Auflagen, Ersatzvornahmen usw.

Grundsätzlich bestellt die Stiftung die Organe in eigener Befugnis nach Massgabe der autonomen Satzungen und nach dem Willen des Stifters. Falls jedoch ein Stiftungsorgan durch die Ausübung seiner Funktionen die Zweckverwendung des Stiftungsvermögens objektiv beeinträchtigen oder gefährden würde, kann die Aufsichtsbehörde Massnahmen anordnen, welche die Organisation der Stiftung betreffen.

Namentlich ist die Behörde in einem solchen Fall berechtigt, in die Zusammensetzung des Stiftungsrates einzugreifen. Falls nicht bereits der Stiftungsrat selbst einen Ausschluss beschlossen hat, ist die Aufsichtsbehörde befugt, darüber zu entscheiden.

Falls dafür ausreichend Grund besteht, kann sogar der Stifter selbst abberufen werden. Ist der Stiftungsrat nicht selbst in der Lage, neue Mitglieder statutengemäss zu ernennen, kann die Aufsichtsbehörde dies an seiner Stelle tun. Ferner kann die Behörde den Vollzug von Entscheiden der Stiftungsorgane suspendieren. In Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit können alle diese Massnahmen auch provisorisch angeordnet werden, insbesondere wenn eine definitive Massnahme nicht notwendig ist oder noch nicht getroffen werden kann.

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Schlussfolgerungen der Kommission

5.1

Aufsicht des EDI über die Stiftungen von Dr. Rau

Im Fall der Stiftungen von Dr. Rau wurde gegen die Entscheide des EDI oder der kantonalen Behörden fast immer eine Beschwerde vor der nächsthöheren Instanz eingelegt. Das Bundesgericht und das Obergericht des Kantons Zürich hatten so Dutzende von Urteilen zu fällen. Mit wenigen Ausnahmen12 haben diese Urteile jeweils den Standpunkt des EDI respektive der eidgenössischen Stiftungsaufsichtsbehörde bestätigt. Daher kann festgestellt werden, dass letztere im Allgemeinen ihre Aufgaben gesetzmässig erfüllt hat. Laut Professor Walter hat die Aufsichtsbehörde den Schutz des Stifterwillens konsequent verfolgt und die öffentlichen Interessen zu wahren gesucht, soweit ihre Zuständigkeiten und Befugnisse dies erlaubten.

Am Anfang der Ereignisse, d.h. ungefähr bis zum Urteil von Baden-Baden, hat die Aufsichtsbehörde zuweilen gar zu viel unternommen und ihre Kompetenzen sehr weit beansprucht. Zum damaligen Zeitpunkt war das EDI der Ansicht, dass ein dringender Handlungsbedarf bestand: eine wertvolle Kunstsammlung drohte verschiedenen Schweizer Stiftungen und damit auch der Schweiz zu entgehen. Ausserdem haben auch verschiedene Interventionen auf politischer Ebene und eine schnelle Mediatisierung des Falles zweifellos zum Übereifer des Departements beigetragen.

Es ging darum, den guten Ruf des Stiftungsplatzes Schweiz zu wahren.

12

Siehe BGE 5A.13/2000, BGE 5A.14/2000, BGE 5A.17/2000 und BGE 5A.18/2000.

7718

So hat das EDI nur wenige Stunden, nachdem es über die Probleme im Zusammenhang mit den Rau'schen Stiftungen informiert worden war, die erste Entscheidung in diesem Fall getroffen (Zwischenverfügung vom 17. Juli 1998). Hierbei hat das EDI besonders einschränkende Massnahmen angeordnet (Verbeiständungen, Versiegelung der Werke, Errichtung eines Inventars) und dies auf der alleinigen Grundlage der Aussagen eines Anwaltes von Dr. Rau. Der Stifter selbst war dazu nicht konsultiert worden. Das EDI hat sich dabei auf die in Monaco angeordnete Massnahme der «administration judiciaire des biens» gestützt und ist davon ausgegangen, dass Rau nicht handlungsfähig war, ohne die exakte Tragweite des monegassischen Urteils zuvor mit Spezialisten (z.B. mit dem BJ) zu klären. Nach Ansicht der GPK-S wurde die Dringlichkeit des Handlungsbedarfs überschätzt. Das EDI hat übereilt und zu wenig kritisch gehandelt, indem es nicht alle notwendigen Elemente für die Entscheidungsfindung geklärt hat. Da die Sachlage nicht präzise ergündet werden konnte, wären sanftere und weniger kostspielige Massnahmen zu bevorzugen gewesen. Einen Monat später räumte das EDI übrigens ein, dass sich der Umfang der Sicherungsmassnahmen als eindeutig zu gross erwiesen hat (Zwischenverfügung vom 28. August 1998). Es korrigierte auch seine Position betreffend der Geschäftsfähigkeit von Dr. Rau und liess die Frage der Interpretation des monegassischen Urteils offen.

Die Lage war etwas anders bei der Verbeiständung der Kunststiftung und der Medizinalstiftung am 19. Mai 1999. Die Stiftungsräte hatten den Weisungen der Behörde wiederholt zuwidergehandelt; ausserdem hatten sie das ganze Stiftungsvermögen an die deutsche Unicef verschenkt.

Allgemein hat das EDI der Tatsache zu wenig Beachtung geschenkt, dass die Einsetzung eines Beistandes einen wesentlichen Eingriff in die Autonomie einer Stiftung darstellt und daher nur eine vorübergehende und subsidiäre Massnahme sein soll. Durchschnittlich vergingen zwischen der Verbeiständung und ihrer Aufhebung rund zwei Jahre. Das EDI hätte stattdessen schneller auf eine Neubestellung der Stiftungsräte hinwirken sollen, damit die Beistandschaften hätten aufgehoben werden können.

In verschiedenen Situationen hat die Aufsichtsbehörde ihre aufsichtsrechtlichen Kompetenzen überschritten. Dies gilt besonders für
die Zwischenverfügung vom 24.

Mai 2000, mit welcher unter Strafandrohung untersagt wurde, die Rückführung der für eine Ausstellung in Japan ausgeliehenen Objekte in die Schweiz zu verhindern.

Damit sollte das Umfeld von Dr. Rau zur Unterstützung der Rückführung der Werke in die Schweiz gezwungen werden und dadurch verhindert werden, dass diese in deutschen Besitz gelangten. Diese Verfügung ist eine der wenigen, bei denen das Bundesgericht dem EDI nicht Recht gegeben hat, indem es in Erinnerung rief, dass die Weisungsbefugnis der Aufsichtsbehörde sich auf Personen beschränkt, die direkt ihrer Aufsicht, d.h. den Stiftungsorganen und nicht Dritten unterstellt sind. Obwohl das EDI diese Entscheide mit dem Ziel getroffen hat, die Werke zu schützen, welche die Stiftungen zu erben hofften, handelte es sich um eine Kompetenzüberschreitung.

Ebenso war das Weisungsrecht des EDI auf das Vermögen der Stiftungen beschränkt und erstreckte sich nicht auf die private Kunstsammlung von Dr. Rau. Die testamentarischen Bestimmungen von Dr. Rau zugunsten der Schweizer Stiftungen änderten nichts an dieser Sachlage. Dr. Rau war weiterhin frei, nach eigenem Gutdünken über seine Sammlung zu verfügen oder seinen testamentarischen Willen zu ändern (Art. 494 Abs. 2 ZGB). Er konnte entscheiden, die Werke auszustellen, sie zu verkaufen oder sie an einen anderen Ort zu bringen, ohne dabei dem EDI oder 7719

den Stiftungen darüber Rechenschaft geben zu müssen; die möglichen Anwartschaften der drei Stiftungen an der Collection Rau gaben ihnen kein Recht, über die Sammlung zu verfügen oder Sicherungsmassnahmen darüber zu verlangen. Dasselbe galt für die Stiftungsaufsicht. Als das EDI die Anwartschaften der Stiftungen geltend machte, um Sicherungsmassnahmen über die Collection Rau anzuordnen, überschritt es somit seine Kompetenzen. Dies war namentlich bei der Versiegelung der in Embrach gelagerten Werke der Fall. Mit Ausnahme der rund 30 der Kunststiftung bei ihrer Gründung 1971 geschenkten Gemälde und Zeichnungen waren die in Embrach eingelagerten Werke nämlich Teil des Privatvermögens von Dr. Rau. Falls sich eine Versiegelung rechtfertigte, dann wahrscheinlich nur vorübergehend, um ein Inventar der Werke zu erstellen und so Verwechslungen zwischen den Werken der Privatsammlung von Rau und denjenigen der Kunststiftung zu vermeiden. Hier gilt anzumerken, dass das Bundesgericht nie materiell zur Versiegelung der Privatsammlung Stellung genommen hat.

Mehrmals berief sich das EDI auch darauf, dass die Kunststiftung die Rechtsstellung einer Verwahrerin einnehme, um Sicherungsmassnahmen für die Kunstsammlung anzuordnen (z.B. Bedingungen für die Ausstellung der Werke). Dabei wurde jedoch die Tatsache ausser Acht gelassen, dass auch in der Eigenschaft einer Verwahrerin die Kunststiftung ­ und somit auch die Aufsichtsbehörde oder der Beistand der Stiftung ­ die Weisungen von Dr. Rau oder von seinem rechtmässigen Vertreter zu befolgen hatte. Die Bewilligung vom 24. September 1999, 106 Gemälde für eine Wanderausstellung in Japan auszuleihen, war ein solcher Fall.

Der Versand der Werke nach Japan bleibt einer der umstrittensten Entscheide des EDI, da 95 Gemälde der Collection Rau nicht mehr in die Schweiz zurückkamen.

Ein wesentlicher Teil der Verwirrung bei diesem Entscheid ­ wie auch beim ganzen Dossier ­ hängt mit der Tatsache zusammen, dass die Handlungsfähigkeit von Dr. Rau und die Eigentumsverhältnisse über seine Kunstsammlung von den verschiedenen involvierten Parteien stark umstritten waren (und immer noch sind).

Dabei ist hervorzuheben, dass das EDI weder für die eine noch für die andere Frage zuständig war; es hatte lediglich die getroffenen Entscheide der zuständigen Zivilgerichte zu beachten.
Im damaligen Zeitpunkt herrschte ein Rechtsstreit um den Besitz der Collection Rau zwischen der Stiftung Crelona und Dr. Rau, der im Rahmen eines Verfahrens in Vaduz ausgetragen wurde. Es ist in Erinnerung zu rufen, dass Dr. Rau einen Schenkungsvertrag unterzeichnet hatte, in dem er sich verpflichtete, seine Sammlung der Stiftung Crelona zu schenken. Die Kunstwerke wurden jedoch nie der Stiftung Crelona übertragen. Im Gegensatz zum französischen Recht sieht das schweizerische Recht vor, dass man erst bei der Übertragung der Objekte zum Eigentümer wird und nicht bereits beim Abschluss des Schenkungsvertrags. So musste das EDI davon ausgehen, dass Dr. Rau immer noch der Eigentümer der Kunstsammlung war, ungeachtet des Verfahrens in Liechtenstein. Während das Bundesgericht bereits in seinem Urteil vom 18. Oktober 1999 die Ansicht vertrat, die Werke seien Privatbesitz von Dr. Rau, hat das EDI es bevorzugt, die Frage offen zu lassen, da es befürchtete, Entscheide zu treffen, gegen welche die Stiftung Crelona eventuell später Klage erheben könnte. Tatsächlich hätte die Stiftung Crelona, wenn sie den Rechtsstreit gewonnen hätte, ihren Eigentumsanspruch allerdings nicht gegen den Bund, sondern vor einem Zivilgericht gegen Dr. Rau richten müssen.

7720

Die Frage der Geschäftsfähigkeit von Dr. Rau spielte für das EDI nur insofern eine Rolle, als es Weisungen vom Stifter erhielt, wie bei der Ausleihung der Gemälde nach Japan. Das EDI musste den Weisungen Dr. Raus nur soweit Folge leisten, als dieser handlungsfähig war. Auch hier konnte die Aufsichtsbehörde nicht selbst entscheiden (z.B. auf der Grundlage medizinischer Gutachten), sondern musste sich auf die Urteile der Zivilgerichte abstützen. Davon gab es damals drei: Der Entscheid des ,,Tribunal de Grande Instance de Monaco" vom 23. März 1998 unterstellte Rau einer ,,administration judiciaire des biens"; das Bundesgericht kam am 18. Oktober 1999 zum Schluss, dass Rau mindestens seit Ende Juli 1998 nicht mehr geschäftsfähig war; das Amtsgericht Baden-Baden entschied schliesslich am 20. September 2000, dass von der Bestellung eines Betreuers für Herrn Rau abgesehen wird.

Gleichzeitig hatte das EDI zu beachten, dass Dr. Rau eine Generalvollmacht an seine Vertrauensperson erteilt hatte, deren Gültigkeit über einen allfälligen Verlust der Geschäftsfähigkeit hinausreichte. Die Gültigkeit dieser Generalvollmacht, welche zunächst vom EDI bestritten wurde, hat das Bundesgericht mit Entscheid vom 17. Februar 2000 ausdrücklich bestätigt.

Das EDI hat so weit als möglich vermieden, zu den Eigentumsverhältnissen der Werke Stellung zu nehmen und die Handlungsfähigkeit von Dr. Rau zu anerkennen, was ihm erlaubt hat, die Sicherungsmassnahmen für die Sammlung zu rechtfertigen und so seine Kompetenzen maximal zu nutzen. Die Tatsache, dass 95 Gemälde trotz den gegenteiligen Anweisungen des EDI nicht mehr in die Schweiz zurückgebracht wurden, kann auf den ersten Blick schockierend erscheinen. Dasselbe gilt für das mutmassliche Verschwinden von Werken oder den Verkauf von Gemälden der Sammlung ohne Genehmigung des EDI. Jedoch darf man nicht ausser Acht lassen, dass das EDI in dieser Sache keineswegs zuständig war; das EDI hatte nur ein Weisungsrecht über die Bilder der Kunststiftung. Bei den übrigen handelte es sich um die legitime Ausübung von Eigentumsrechten an der Sammlung durch Dr. Rau, respektive durch seinen rechtmässigen Vertreter. Es mag zwar sein, dass Leute aus dem Umfeld von Dr. Rau dabei von seiner Schwächung profitiert haben, um die ihnen verliehenen Rechte zu ihrem persönlichen Nutzen auszuüben. So
verwerflich dies dem EDI auch scheinen mochte, hatte es jedoch keine rechtlichen Mittel, um sie daran zu hindern.

Der Beschluss von Baden-Baden vom 20. September 2000 stellt eine Wende in der Angelegenheit dar. Das Amtsgericht hatte auf Begehren eines ehemaligen Beistands der Rau'schen Stiftungen zu entscheiden, ob ein Betreuer als Vermögensfürsorger für Dr. Rau bestellt werden sollte. Das Amtsgericht wies dieses Begehren ab und hielt dabei Rau auf der Grundlage medizinischer Gutachten für geschäftsfähig.

Die Bedeutung dieses Urteils für die Schweiz wurde von den verschiedenen involvierten Akteuren sehr unterschiedlich interpretiert. Einerseits argumentierten manche, das Urteil von Baden-Baden könne in der Schweiz nicht anerkannt werden, da Dr. Rau nicht freiwillig nach Deutschland gereist war. Ausserdem argumentierten dieselben Personen, wenn das Urteil in der Schweiz anerkannt werden sollte, könne nur sein Dispositiv Rechtswirkung erlangen. Im Dispositiv wurde festgehalten, dass Rau keinen Betreuer benötigte (die Geschäftsfähigkeit wurde nur in den Erwägungen des Urteils erwähnt).

7721

Zwei Rechtsgutachten des BJ vom 7. und 23. November 2000 widerlegen jedoch diese Argumente. Das EDI zog daraus die folgenden Schlüsse: ­

Dr. Rau ist nach seinem deutschen Aufenthaltsrecht handlungsfähig.

­

Der Beschluss des Amtsgerichts Baden-Baden ist auch in der Schweiz verbindlich, bzw. in der Schweiz anzuerkennen. Er hat insbesondere Vorrang vor dem Bundesgerichtsurteil vom 18. Oktober 1999.

­

Alle Vollmachten Dr. Raus sind gültig.

­

Sämtliche Verfügungssperren durch schweizerische Behörden sind aufzuheben.

In einer superprovisorischen Verfügung vom 22. Dezember 2000 nahm das EDI zum ersten Mal die Handlungsfähigkeit Dr. Raus an und erachtete die Kunstsammlung als seinen Privatbesitz. In dieser Verfügung ging das Departement auf ein Gesuch Dr. Raus ein und traf eine Reihe wichtiger Massnahmen in diesem Dossier: Es bestellte den Stiftungsrat neu und forderte die Aufhebung der Beistandschaft.

Zwei Monate später traf das EDI dieselben Massnahmen für die beiden anderen Stiftungen. Die Vereinbarung vom August 2001, welche Dr. Rau erlaubte, die Kunstsammlung nach Deutschland zu transportieren, war die logische Folge.

Aus Sicht der GPK-S hatte das EDI dem Rechtsgutachten des BJ zu folgen. Davon ausgehend war es vertretbar ­ aber nicht zwingend ­ auf die Geschäftsfähigkeit von Dr. Rau zu schliessen. Es handelt sich hier um eine heikle Frage des internationalen Privatrechts, bei der man auch eine gegenteilige Auffassung vertreten könnte ­ das Recht ist keine exakte Wissenschaft. Allerdings weist die Tatsache, dass auch das Zürcher Obergericht und das zuständige monegassische Gericht13 Dr. Rau als vollständig handlungsfähig bezeichneten, darauf hin, dass die Einschätzung des EDI rechtsmässig war. Das Argument, dass die Geschäftsfähigkeit von Dr. Rau nicht anerkannt werden sollte, da sie nicht im Dispositiv erwähnt ist, überzeugt nicht. Das Amtsgericht Baden-Baden entschied gegen vorsorgliche Massnahmen, weil Dr. Rau geschäftsfähig war14. Im Bundesgerichtsurteil vom 19. Oktober 1999 war die Feststellung der Handlungsunfähigkeit Raus auch nicht Bestandteil des Dispositivs, jedoch hat damals niemand bestritten, dass man Dr. Rau als handlungsunfähig ansehen müsse. Bei einem anderen Ausgang des Urteils von Baden-Baden wären die Parteien, die sich der Anerkennung der Geschäftsfähigkeit Dr. Raus widersetzten, zweifellos die ersten gewesen, welche die Anerkennung des Urteils gefordert hätten.

Während sich die GPK-S den Folgen, welche das EDI dem Urteil von Baden-Baden gab, anschliessen kann, ist festzuhalten, dass sie im Rahmen ihrer Arbeiten nicht eindeutig rekonstruieren konnte, wie das EDI zu diesen Entscheidungen gelangte.

An einer Sitzung nach dem ersten Gutachten des BJ hielt der Chef der eidgenössischen Stiftungsaufsichtsbehörde fest, dass «eine alles andere als klare Situation» entstanden sei, und dass der
Beschluss von Baden-Baden kein Urteil über den Gesundheitszustand von Dr. Rau ermögliche. Zudem wurde ein ärztliches Gegengutachten von einem Arzt angefordert, der sich bereits einmal zu dieser Angelegenheit ausgesprochen hatte. An einer Sitzung nach dem zweiten Rechtsgutachten des BJ 13 14

Am 22. März 2001 wurden die vormundschaftlichen Massnahmen daher aufgehoben und der «administrateur judiciaire des biens» von seinem Amt abberufen.

Das Urteil wäre absurd gewesen, hätte das Gericht Dr. Rau als geschäftsunfähig angesehen und trotzdem von vorsorglichen Massnahmen abgesehen.

7722

schien diese Frage noch immer nicht geklärt zu sein. Es bestand bestenfalls «Grund zur Annahme, dass das EDI die Handlungsfähigkeit von Dr. Rau anerkennen und sich daraus die Verfügungsberechtigung über die Kunstsammlung ergeben wird».

Gleichentags teilte der stellvertretende Chef der Aufsichtsbehörde jedoch dem Rechtsvertreter von Dr. Rau mit, die Frage der Besitzverhältnisse müsse von den zuständigen Gerichten geregelt werden. Einige Wochen später schienen diese Unsicherheiten ausgeräumt. Die Aufsichtsbehörde handelte erstaunlich rasch, indem sie am 22. Dezember 2000 eine Verfügung erliess.

Nach Ansicht der GPK-S fehlte es der Aufsichtsbehörde bei ihren Entscheidungsprozessen im Anschluss an das Urteil von Baden-Baden an Kohärenz und Transparenz. Die Kehrtwendung des EDI und sein jähes Vorgehen sind schwer nachvollziehbar (siehe Kap. 5.2 unten). Die GPK-S ist der Ansicht, dass das EDI es in diesem Fall generell an Transparenz und an einer klaren Linie fehlen liess. Zudem waren die vom EDI an die anderen Bundesbehörden weitergegebenen Informationen verschiedentlich sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht unbefriedigend.

Ein Mitglied der GPK-S kann sich mit den Schlussfolgerungen dieses Kapitels nicht einverstanden erklären. Es ist der Meinung, dass die Kunstsammlung nicht Privatbesitz von Dr. Rau war beziehungsweise dass das EDI nicht anstelle eines Zivilgerichts über die Eigentümerschaft der Collection Rau verfügen konnte, was es nach Auffassung dieses Mitglieds aber getan hat. Nach Auffassung des Mitglieds durfte das EDI, solange kein solches Urteil vorlag, nicht über die Entfernung der Kunstwerke aus dem Zollfreilager Embrach verfügen. Diesen Entscheid durfte einzig der Beistand der Kunststiftung als Verwahrer der Sammlung treffen. Die Überstellung gewisser Werke nach Japan oder die Aushändigung der Sammlung an Dr. Rau sei deshalb unrechtmässig gewesen. Das Mitglied ist zudem der Auffassung, dass das EDI auf Grund des Urteils von Baden-Baden nicht auf die Geschäftsfähigkeit von Dr. Rau hätte schliessen dürfen. Einzig das Urteilsdispositiv, das die Geschäftsfähigkeit von Dr. Rau nicht erwähnte, hätte anerkannt werden müssen. In den Augen des erwähnten Mitglieds hat das EDI auf Druck der deutschen Behörden die Geschäftsfähigkeit Dr. Raus sowie dessen Besitzanspruch auf die
Kunstsammlung unrechtmässig anerkannt. Ebenso habe eine Schadenersatzklage der CrelonaStiftung das EDI dazu veranlasst, die Sammlung so rasch als möglich loszuwerden.

Das Mitglied der GPK-S kann sich mit dem Inhalt von Kapitel 5.1 nicht einverstanden erklären, da es dem Auftrag der GPK-S, nämlich die Rechtmässigkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit der Handlungen der Bundesbehörden zu prüfen, seines Erachtens nicht gerecht wird. Seiner Auffassung nach verfügte das EDI über keine gesetzliche Grundlage, als es die Ausstellung in Japan bewilligte, als es in der superprovisorischen Verfügung vom 22. Dezember 2000 anstelle eines Zivilgerichts über die Eigentümerschaft der Kunstwerke verfügte, als es im August 2001 eine private ­ rechtlich ungültige ­ Vereinbarung unterzeichnete, als es die restlichen Werke der Sammlung ohne das Wissen des Beistands der Kunststiftung einem Anwalt von Dr. Rau übergab. Was das Zweckmässigkeitsprinzip betrifft, ist das Mitglied der Kommission der Meinung, dass der Bundesrat sich von den deutschen Behörden unter Druck setzen liess und dass diese Druckausübung zusammen mit der Schadenersatzklage in der Höhe von 266 Millionen Franken einen radikalen Kurswechsel im EDI bewirkt hatte. Was das Wirksamkeitsprinzip betrifft, ist in den Augen dieses Mitglieds das Ergebnis bekannt: die unter der Obhut des Bundes

7723

stehenden Stiftungen seien ihres gesamten Vermögens verlustig gegangen. Dazu komme, dass das EDI den Bundesrat lückenhaft, wenn nicht gar falsch informiert hatte.

5.2

Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörde

Der Fall Rau hat in den Medien und in der Politik beträchtliches Interesse geweckt, und die verschiedenen involvierten Parteien haben eifrig ihre Version der Ereignisse verbreitet. Zahlreiche Reportagen wurden dieser Angelegenheit in den schweizerischen, französischen, deutschen und internationalen Medien gewidmet. Manche kantonalen Behörden haben sich dieses Dossier sehr zu Herzen genommen, und nur wenige Mitglieder der eidgenössischen Räte wurden nicht von der einen oder anderen Seite angegangen und dokumentiert. Der Bundesrat wurde vom EDI vier Mal über den Stand des Dossiers informiert und zweimal im Nationalrat zu diesem Thema angesprochen. Schliesslich gab es auch zahlreiche Kontakte zwischen schweizerischen und ausländischen Behörden.

Es lässt sich erahnen, dass es dabei weniger um das Interesse an den Stiftungen an sich ging als vielmehr um das Interesse, eine Kunstsammlung vom Wert derjenigen Dr. Raus zu beherbergen. Aus diesem Grund wurde auch auf die Aufsichtsbehörde von verschiedenster Seite starker Druck ausgeübt. Vom Standpunkt der parlamentarischen Oberaufsicht stellt sich die Frage, ob diese Druckausübung Auswirkungen auf den Entscheidungsprozess der Stiftungsaufsichtsbehörde hatte. Grundsätzlich haben politische Betrachtungen keinen Raum in der Ausübung der Stiftungsaufsicht; diese hat in erster Linie dafür zu sorgen, dass das Stiftungsvermögen seinen Zweckbestimmungen gemäss verwendet und der autonome Stifterwillen respektiert wird.

Die Kommission konnte sich bei ihren Untersuchungen des Eindrucks nicht erwehren, dass die Aufsichtsbehörde wiederholt über gewisse Anforderungen hinausging.

So entsteht der Eindruck, dass die Aufsichtsbehörde sich manchmal in einem Loyalitätskonflikt zwischen dem politischen Willen, die Collection Rau in der Schweiz zu schützen und dem Respekt der Autonomie der Stiftungen und des Stifters befunden hat. Eine solche Sammlung zu beherbergen lag zweifellos im öffentlichen Interesse, dennoch hat die Aufsichtsbehörde mit der Anordnung von Sicherungsmassnahmen für die Sammlung ihre Kompetenzen überschritten. So könnte auch die Tatsache, dass die Aufsichtsbehörde direkt der Leitung des mit Kulturfragen betrauten Departements unterstellt ist, eine gewisse Rolle bei der Gewichtung der Interessen gespielt haben.

Zahlreiche Tätigkeitsbereiche des EDI sind
zugleich klassische Wirkungsgebiete gemeinnütziger Stiftungen: Forschung und Ausbildung, Kulturförderung, soziale Solidarität, Gesundheitswesen u.a. Damit die Aufsichtsbehörde ihre Aufgaben so unabhängig wie möglich ausüben kann, wäre es nach Auffassung der GPK-S angebracht, die Stiftungsaufsicht in ein Departement oder eine Verwaltungseinheit zu verlegen, deren Aufgabenbereich sich weniger mit dem Tätigkeitsfeld gemeinnütziger Stiftungen überschneidet. Die Kommission denkt dabei insbesondere an das BJ, allenfalls an die Bundeskanzlei.

7724

1995 hatten die GPK dieselbe Empfehlung bereits in einem Bericht über die Rolle und Funktion der Generalsekretariate15 abgegeben. In ihren Schlussfolgerungen vertraten die GPK die Meinung, dass Linienaufgaben16 nur in seltenen Ausnahmen den Generalsekretariaten zugeteilt werden sollten; diese Tätigkeiten stellen eine Beeinträchtigung der Struktur und der Mittel der Generalsekretariate dar und tragen in keiner Weise zur Entlastung der Departementsvorsteher bei. Die GPK waren deshalb der Ansicht, dass eine Vielzahl von Linienaufgaben, die heute von Generalsekretariaten ausgeführt werden, sich ohne weiteres auf andere Dienststellen übertragen liessen ­ dies gemäss dem Prinzip der Verwaltungssubsidiarität. Die GPK schlugen verschiedene Lösungen vor, darunter auch die Verlegung der Stiftungsaufsicht ins BJ.

Motion

Verlegung der Stiftungsaufsicht

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates beauftragt den Bundesrat, unverzüglich die Verlegung der Stiftungsaufsicht in eine Verwaltungseinheit vorzunehmen, deren Aufgabenbereich nicht mit den üblichen Tätigkeiten der gemeinnützigen Stiftungen verknüpft ist.

Die GPK-S hat weiter oben schon ihr Unverständnis darüber ausgedrückt, wie das EDI zur Anerkennung der Geschäfstfähigkeit von Dr. Rau in der Folge des Urteils von Baden-Baden gelangte. Angesichts der mangelnden Transparenz und Kohärenz des EDI stellte sich die Kommission die Frage, inwiefern Interventionen deutscher Behörden eine Rolle im Entscheidungsprozess des Departements gespielt haben.

In der Tat hat die Kommission von mehreren Dokumenten Kenntnis genommen, welche wenig Zweifel daran lassen, dass wiederholte Interventionen beim Bund in dieser Angelegenheit erfolgten und dies auf höchster Ebene. In einer Antwort auf eine parlamentarische Interpellation erwähnt der Bundesrat etwa eine «Zusammenarbeit zwischen den schweizerischen, den deutschen und den französischen Behörden», mit dem Zweck «dass Dr. Rau, der wieder geschäftsfähig ist, in seine Rechte eingesetzt werden kann».17 Zu erwähnen ist auch z.B. ein (öffentlicher) Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes, in welchem sich dieses rühmt, erheblichen Anteil an der Überführung der Kunstsammlung Dr. Raus nach Deutschland gehabt zu haben.

Das Auswärtige Amt habe zu diesem Zweck mehrfach durch seine Botschafter bei den Bundesbehörden in Bern und einmal bei einer Konsultation unter Staatssekretären interveniert.

Die GPK-S hat den Vorsteher des EDI aufgefordert, ausführlich darzulegen, bei welchen Gelegenheiten, in welcher Form und zu welchem Zweck die deutschen Behörden beim Bund interveniert haben und wie die Schweiz darauf reagiert und welche Massnahmen sie getroffen hat. Die Kommission wollte auch wissen, ob der Bundesrat über diese Interventionen informiert worden war und wenn ja, welche Positionen oder Massnahmen er darauf beschlossen hatte. Die Antwort des Vorstehers des EDI erwies sich als sehr summarisch. Die Kommission ist überzeugt, dass 15

16 17

Siehe Bericht der GPK der eidgenössischen Räte zuhanden des Bundesrates zur Inspektion «Rolle und Funktion der Generalsekretariate» vom 22.5.1995 (BBl 1995 IV 1136 ff.).

Operationelle Aufgaben, im Gegensatz zu den reinen Stabsaufgaben.

00.3660 Ip. «Sammlung Rau», vom 12.12.2000.

7725

sie nicht alle Antworten auf ihre Fragen erhalten hat, so dass sie sich nicht davon überzeugen konnte, dass das EDI immer mit der erforderlichen Unabhängigkeit gehandelt hat. Die GPK-S bedauert diese Sachlage sehr, die nicht dazu beiträgt, Vertrauen in die Tätigkeit der Stiftungsaufsichtsbehörde zu gewinnen.

5.3

Zusammenarbeit mit den an einem Fall beteiligten Parteien

Bei ihren Arbeiten hat die GPK-S Kenntnis von den Rechnungen einer Anwaltspraxis genommen, welche Dr. Rau vertrat. Aus diesen Rechnungen geht hervor, dass Rechtsvertreter von Dr. Rau auf Kosten des Stifters bei der Abfassung der Verfügungen vom Dezember 2000 eng mit der Aufsichtsbehörde zusammengearbeitet hatten18. Der Vorsteher des EDI hat diese Tatsache bestätigt und mit der Dringlichkeit der Lage gerechtfertigt. Mitte Dezember 2000 hatte der Beistand der Kunststiftung ein Verfahren zur Beschlagnahmung der im französischen Senat ausgestellten Werke eröffnen lassen. Die Aufsichtsbehörde habe mit den Anwälten Dr. Raus zusammengearbeitet, damit ihre Entscheide «rechtzeitig» veröffentlicht würden, d.h.

schnell genug, um die Beschlagnahmung der Gemälde zu verhindern. Der Vorsteher des EDI vertrat die Ansicht, dass andernfalls die Stiftungsaufsicht Gefahr gelaufen wäre, die Haftung dafür übernehmen zu müssen. Diese Zusammenarbeit lasse jedoch nicht auf eine mangelnde Unabhängigkeit oder auf Voreingenommenheit der Stiftungsaufsichtsbehörde schliessen.

Die GPK-S räumt ein, dass dringender Handlungsbedarf bestand. Man kann sich sehr gut vorstellen, dass die Beschlagnahmung von Gemälden im Innern des französischen Senats die französisch-schweizerischen Beziehungen nicht gerade gefördert hätte. Trotzdem hält die GPK-S die Zusammenarbeit mit den Anwälten Raus für unangebracht und problematisch. Dies umso mehr, als es bei diesem Entscheid insbesondere darum ging, einen dieser Anwälte zum Stiftungsratspräsidenten zu ernennen.

Die Aufsichtsbehörde muss in der Lage sein, ihre Verfügungen selbständig zu verfassen; direkt an einem Konflikt Beteiligte dürfen beim Entscheidungsprozess und bei der Redigierung von Verfügungen keine aktive Rolle spielen. Für die GPK-S geht es hier zum einen um die Glaubwürdigkeit der Entscheide der Aufsichtsbehörde, zum andern aber auch um das Vertrauen der Öffentlichkeit in ein Verwaltungsverfahren. Die Situation ist umso bedauerlicher, wenn man sich vor Augen hält, dass es sich zumindest bei einer der beiden Verfügungen um einen zentralen Entscheid in dieser Angelegenheit handelte. Nach Ansicht der Kommission hat sich die Stiftungsaufsicht auch hier von einer der involvierten Parteien unter Druck setzen lassen.

18

Mit Verfügung vom 20. Dezember 2000 gab das EDI dem Beistand der Kunststiftung die Anweisung zur Unterzeichnung eines Leihvertrags mit dem französischen Senat und zur Herausgabe von 11 Kunstwerken der Stiftung für eine Ausstellung. Das EDI forderte die Vormundschaftsbehörde auch zur Bewilligung der Ausleihe dieser Werke auf. Mit Verfügung vom 22. Dezember 2000 ordnete das EDI die Neubestellung des Stiftungsrates der Kunststiftung und die Aufhebung der Beistandschaft an. Beide Verfügungen wurden superprovisorisch getroffen, was annehmen lässt, dass Gefahr im Verzug war. Beide Verfügungen wurde in der Folge durch das Bundesgericht bestätigt.

7726

Generell ist der GPK-S aufgefallen, dass die liberale Stiftungsaufsicht der Schweiz um die Dialogsuche und die Konsensfindung bemüht ist. In den meisten von der Aufsichtsbehörde behandelten Fällen dürfte dieser pragmatische Ansatz wirksam und begrüssenswert sein. Mit Blick auf den Fall von Dr. Rau ist es für die GPK-S fraglich, ob dieser Weg auch bei komplexen Fällen richtig und zweckmässig ist.

In einem Fall wie demjenigen der Rau'schen Stiftungen steht die Aufsichtsbehörde nämlich zwangsläufig im öffentlichen Rampenlicht. Gewiss kann die verwaltungsinterne Rechtspflege nicht die gleichen prozessualen Garantien bieten wie die Rechtsprechung durch unabhängige Gerichte. Es ist jedoch äusserst wichtig, dass die eidgenössische Stiftungsaufsichtsbehörde auf ein unparteiliches Erscheinungsbild achtet. Auch hier geht es um ihre Glaubwürdigkeit und um das Vertrauen der Öffentlichkeit in ein Verwaltungsverfahren.

Die Kommission fordert deshalb das EDI auf, klare Richtlinien über die Zusammenarbeit mit Akteuren ausserhalb der Aufsichtsbehörde zu erstellen.

Empfehlung 1

Umgang mit beteiligten Parteien

Die GPK-S fordert das EDI auf, zu prüfen, welche Verhaltens- und Verfahrensregeln die eidgenössische Stiftungsaufsicht bei ihren Kontakten mit den dossiervertrauten Parteien einzuhalten hat, damit die Transparenz und die Glaubwürdigkeit ihres Handelns für alle mitbeteiligten Personen und vor allem in komplexen Fällen gewahrt bleiben. Dabei ist ausdrücklich zu verbieten, dass Personen, die direkt von einer Angelegenheit betroffen sind, in den Entscheidungsprozess der Aufsichtsbehörde einbezogen werden.

5.4

Stiftungsaufsicht und Beistandschaft

Nach geltendem Zivilgesetzbuch besteht noch die Möglichkeit, für eine Stiftung einen Beistand zu ernennen (Art. 392 und 393 ZGB), wenn der Stiftung die erforderlichen Organe mangeln und nicht auf andere Weise für die Verwaltung gesorgt ist, oder wenn bedeutende öffentliche Interessen wegen unzureichender Verwaltung gefährdet sind. Eine Verbeiständung ist jedoch eine subsidiäre Massnahme; die Aufsichtsbehörde hat primär von ihren anderen Mitteln und Befugnissen Gebrauch zu machen. Die Beistandschaft soll der Aufsichtsbehörde als Überbrückungsmassnahme dienen, um die nötigen Vorkehren zur Schaffung der gehörigen Stiftungsverwaltung zu treffen. Sie darf also nicht zu einem Dauerzustand werden. Sobald für die gehörige Verwaltung gesorgt ist, muss die Verbeiständung innert vernünftiger Frist aufgehoben werden.

Der Fall der Stiftungen von Dr. Rau hat indessen aufgezeigt, dass bei der Ernennung von Beistandschaften verschiedene Probleme im Zusammenhang mit der Aufteilung der Kompetenzen zwischen Stiftungsaufsicht und Vormundschaftsbehörde auftreten können. Grundsätzlich fordert die Stiftungsaufsicht eine Verbeiständung, doch liegt es an der zuständigen Vormundschaftsbehörde, den entsprechenden Entscheid zu treffen und gegebenenfalls einen Beistand zu ernennen. Der Beistand untersteht somit der vormundschaftsrechtlichen, die Stiftung der stiftungsrechtlichen

7727

Aufsicht. Deren Kompetenzverhältnis ist allerdings weitgehend ungeklärt19. Allgemein gilt, dass stiftungsrechtliche Belange, die Wahrung der öffentlichen Interessen und die zweckgerechte Erfüllung des Stifterwillens bei der Stiftungsaufsicht verbleiben, wogegen die Vormundschaftsaufsicht für vormundschaftsrechtliche Belange und für die Kontrolle der Vollzugshandlungen des Beistands zuständig ist.

Das heutige System ­ geteilte Zuständigkeit der Vormundschaftsbehörden und der Aufsichtsbehörde ­ bereitet im Normalfall keine Probleme. Höchstens könnte man sich fragen, ob die Involvierung der Vormundschaftsbehörden nötig ist, da sie sich im Prinzip darauf beschränken, die Anträge der Aufsichtsbehörde zu vollziehen. Im Falle eines Konflikts hingegen weist dieses System ein hohes Spannungspotenzial auf. Das hat der Fall der Rau'schen Stiftungen gezeigt.

In dieser Angelegenheit stützten die Vormundschaftsbehörden sich denn auch auf ihre vormundschaftsrechtliche Kompetenz (Art. 393 Abs. 4 ZGB), als sie entgegen der Ansicht der eidgenössischen Stiftungsaufsichtsbehörde Beistandschaften einrichteten. Ebenso wurden für die Beistandschaften systematisch die früheren Beistände ernannt, dies entgegen dem Willen des EDI, dessen Vertrauen in diese Beistände seit etwa Mitte 2000 endgültig gebrochen war (das Departement ging so weit, ihre Handlungen als «Obstruktion» zu bezeichnen).

Die rechtliche Zulässigkeit dieser Massnahme ist umstritten. Laut den von der Kommission angehörten Vormundschaftsbehörden war ihr Eingreifen auf Grund der Untätigkeit des EDI und eines gewissen, den Interessen der Stiftungen schadenden Zusammenwirkens seitens der Stiftungsräte und der Stiftungsbehörde nötig geworden. Es handelte sich um eine unerlässliche Notmassnahme. In seinen Beschlüssen vom 3. März 2003 und 24. März 2006 vertrat das Zürcher Obergericht die Ansicht, dass es ausschliesslich Sache der Stiftungsaufsicht sei, die Notwendigkeit einer Verbeiständung zu prüfen. Professor Hans Michael Riemer vertrat den gleichen Standpunkt, indem er hinzufügte, dass, wenn jemand mit der Handlungsweise der eidgenössischen Stiftungsaufsichtsbehörde nicht einverstanden ist, er nicht an die Vormundschaftsbehörde gelangen, sondern seinen Standpunkt auf dem ordentlichen Rechtsweg geltend machen sollte, d.h. mittels Verwaltungsgerichtsbeschwerde
an das Bundesgericht. Den Vormundschaftsbehörden das Recht zu geben, gegen den Willen der Aufsichtsbehörde zu handeln, würde geradezu auf eine Verbeiständung der Stiftungsaufsichtsbehörde hinauslaufen.

Die Kommission stellt fest, dass die Differenzen zwischen dem EDI und den Beiständen im Falle der Rau'schen Stiftungen zu einer äusserst schwierigen ­ und sehr kostspieligen ­ Situation geführt haben. Die Entscheide der einen Partei wurden regelmässig von der anderen angefochten, und die Verfahren gelangten häufig bis vor Bundesgericht; in zwei Fällen sogar vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Bei der Bundesanwaltschaft wurde Strafklage gegen die Verantwortlichen des EDI eingereicht. Unter diesen Umständen war die Zusammenarbeit zwischen der Aufsichtsbehörde und den Beiständen offensichtlich praktisch unmöglich.

Infolge der im Fall Rau aufgetauchten Probleme sah das EDI, von einer Ausnahme abgesehen, grundsätzlich davon ab, für Stiftungen unter seiner Aufsicht einen Beistand zu ernennen. Für die GPK-S ist diese Zurückhaltung zwar verständlich, doch ist sie auch der Meinung, dass damit auf eine Vorkehr verzichtet wird, die in gewis19

Vgl. Rechtsgutachten von Professor Walter, S. 52.

7728

sen Fällen durchaus sinnvoll bleibt. Unter dem Gesichtspunkt der parlamentarischen Oberaufsicht geht es vielmehr darum, die Probleme des heutigen Systems zu lösen, damit das Instrument der Beistandschaft ­ oder ein ähnliches Instrument ­ effizient genutzt werden kann.

In diesem Zusammenhang begrüsst die GPK-S den Beschluss der Bundesversammlung vom 16. Dezember 2005, Artikel 393 Absatz 4 ZGB aufzuheben und damit auf die Möglichkeit, für eine Stiftung einen Beistand zu ernennen, zu verzichten20.

Dieser Beschluss ist zwar noch nicht rechtswirksam; die Aufsichtsbehörde kann hingegen bereits seit der jüngsten Revision des Stiftungsrechts21 bei schwerwiegenden Mängeln in der Organisation einer Stiftung einen Sachwalter ernennen22. Dieses neue Instrument erfüllt eine ähnliche Aufgabe wie die Verbeiständung, ermöglicht aber, Schwierigkeiten zu begegnen, wie sie im Falle der Rau'schen Stiftungen aufgetreten sind. Die Aufsichtsbehörde handelt von Amtes wegen und ist, vorbehaltlich der ordentlichen Rechtsmittel, zuständig für die Ernennung eines Sachwalters, die Festlegung seiner Kompetenzen und die Kontrolle über den Aufgabenvollzug.

Die Probleme im Zusammenhang mit der Kompetenzverteilung zwischen Aufsichtsbehörde und Vormundschaftsbehörde stellen sich somit nicht mehr.

Auf Grund dieser Ausführungen besteht nach Auffassung der GPK-S aus Sicht der parlamentarischen Oberaufsicht kein Handlungsbedarf mehr.

5.5

Ressourcen, Organisation und Kompetenzen der Stiftungsaufsicht

Die GPK-S anerkennt die selbstkritische Beurteilung des EDI in verschiedenen Punkten. Die Kommission begrüsst, dass das EDI die Notwendigkeit, von Anfang an die zuständigen Dienste der Verwaltung einzubeziehen, eingesehen hat. Die GPK-S ist allerdings auch der Meinung, dass das EDI sich nicht intensiv genug mit den Schwachstellen des heutigen Systems der eidgenössischen Stiftungsaufsicht auseinandergesetzt hat. Die GPK-S ist überzeugt, dass die eidgenössische Stiftungsaufsicht mit dem gegenwärtigen Aufsichtssystem nicht in der Lage wäre, einen Fall mit einer ähnlichen Komplexität wie jener der Rau'schen Stiftungen gut zu betreuen und zu beaufsichtigen.

In diesem Zusammenhang weist die GPK-S darauf hin, dass das Dossier der Stiftungen von Dr. Rau mit einem beträchtlichen Personalaufwand verbunden war und die Mitarbeiter der eidgenössischen Stiftungsaufsichtsbehörde erheblichen Druckausübungen ausgesetzt waren. Der Vorsteher des EDI hat die GPK-S darauf hingewiesen, dass in Zukunft der Mangel an personellen Ressourcen der Aufsichtsbehörde mit dem sporadischen Beizug externer Experten wettgemacht werden könnte. Die Kommission hat bereits auf die starke Zunahme der Stiftungsgründungen und des von den Stiftungen verwalteten Kapitals hingewiesen. Angesichts dieser Entwicklung ist die GPK-S der Ansicht, dass der Beizug von Experten ein Schritt in die

20

21 22

Änderung des Zivilgesetzbuches im Rahmen der Revision des Obligationenrechts vom 16.12.2005 (GmbH-Recht sowie Anpassungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht).

Änderung des Zivilgesetzbuchs vom 8. Oktober 2004 (Stiftungsrecht) (BBl 2004 5435).

Bis jetzt: Art. 83 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB; nach Inkrafttreten der Revision des Obligationenrechts: Art. 83d ZGB.

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richtige Richtung ist. Sie findet jedoch, dass auch weniger punktuelle Massnahmen geprüft werden sollten.

Empfehlung 2

Ressourcen der eidgenössischen Stiftungsaufsicht

Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, die finanziellen und personellen Ressourcen der eidgenössischen Stiftungsaufsicht sowie die für die Erfüllung ihrer Pflichten notwendigen Kompetenzen kritisch zu überprüfen. Insbesondere ersucht die GPK-S den Bundesrat, alle möglichen Optionen zur Finanzierung der eidgenössischen Stiftungsaufsicht zu prüfen (Erhöhung der Aufsichtsgebühren usw.).

Die Stiftungsaufsicht und die Bedingungen für deren Ausübung gründen weitgehend auf Rechtsprechung und Praxis. Für die Kommission ist diese Situation unter dem Gesichtspunkt des Gesetzmässigkeitsprinzips und der Voraussehbarkeitsgarantie unbefriedigend. Die GPK-S verlangt deshalb, dass der Bundesrat die Grundsätze der Stiftungsaufsicht, die wichtigsten Aufsichtsmassnahmen sowie die Bedingungen ihrer Ausübung gesetzlich festlegt.

Die staatliche Stiftungsaufsicht findet ihre Daseinsberechtigung im internen Ungleichgewicht, welche auf die fehlende Basisorganisation der Stiftung zurückzuführen ist. Der Staat muss gewissermassen die Rolle der Generalversammlung spielen, um die Interessen der Destinatäre zu schützen und den Respekt des Stifterwillens zu kontrollieren. In dieser Hinsicht fragt sich die GPK-S, ob die heutige Interpretation der Rolle der Aufsichtsbehörden weit genug geht. Laut dem Gesetz und der geltenden Rechtsprechung hat die Aufsichtsbehörde den Stiftungsorganen einen sehr breiten Autonomiebereich zu gewähren und nur im Fall von Ermessensfehlern oder Ermessensmissbrauch und bei unrechtmässigem Handeln einzuschreiten. Nach Ansicht der GPK-S sollte man sich überlegen, ob die Aufsichtsbehörde nicht auch im Falle einer offensichtlich schlechten Verwaltung der Stiftung durch ihre Organe befugt sein sollte, einzuschreiten.

Generell hat die Komplexität des Falles der Rau'schen Stiftungen die Grenzen der heutigen Stiftungsaufsicht aufgezeigt. Nach Ansicht der GPK-S wäre es sinnvoll, das System der Stiftungsaufsicht gründlich zu überprüfen. In dieser Untersuchung sollten namentlich andere Organisationsformen der Stiftungsaufsicht geprüft werden (z.B. unabhängige Behördenkommission, selbständige öffentlich-rechtliche Anstalt23). Sie sollte auch den internationalen Entwicklungen im Gesellschaftsrecht (namentlich innerhalb der OECD) Rechnung tragen und die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf das schweizerische
Stiftungsrecht vorwegnehmen. Nach Ansicht der GPK-S könnte eine solche Überprüfung die Gelegenheit sein, um ein allgemeineres Konzept betreffend die Aufsicht von Stiftungen und Verbänden zu erarbeiten.

23

Diese Form haben zum Beispiel die Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden und Zug für ihre neue gemeinsame Stiftungsaufsichtsbehörde gewählt.

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Empfehlung 3

Systematische Überprüfung der Stiftungsaufsicht

Die GPK-S fordert den Bundesrat auf, das heutige System der Stiftungsaufsicht einer systematischen Überprüfung zu unterziehen. Diese sollte namentlich verschiedene mögliche Organisationsformen der eidgenössischen Stiftungsaufsicht prüfen und den internationalen Entwicklungen im Bereich des Gesellschaftsrechts Rechnung tragen. Im Weitern sind die Grundsätze der Stiftungsaufsicht, die wichtigsten Aufsichtsmassnahmen sowie die Bedingungen ihrer Ausübung in einer formellen Rechtsgrundlage zu verankern.

5.6

Im Fall der Rau'schen Stiftungen zu ergreifende Massnahmen

Zurzeit ist die Hauptfrage für die Rau'schen Stiftungen, ob sie ihre Interessen im Zusammenhang mit dem Nachlass Dr. Raus verteidigen sollen.

Zudem bekräftigen die Beistände der Stiftungen, dass gewisse Werke der Sammlung den Stiftungen von Dr. Rau übergeben wurden und ihm daher im Moment seines Todes nicht mehr gehörten. In seinem Urteil vom 20. Oktober 2005 kam der Bezirksrat Zürich zum Schluss, dass die Hinweise dafür substanziell seien und dass es daher unabdingbar sei, die Eigentumsverhältnisse an den Werken der Sammlung zu klären. Dazu wurde ein Beistand für jede Stiftung ernannt.

Diese beiden Fragen betreffen jedoch die eidgenössische Stiftungsaufsicht nicht direkt. Die GPK-S konnte sich davon überzeugen, dass die Eigentumsverhältnisse an den Werken der Collection Rau nicht im Rahmen einer Aufsichtsmassnahme geklärt werden müssen, sondern dass die Zivilgerichte dafür zuständig sind. Dies war schon zu Lebzeiten von Dr. Rau der Fall. Nur das zuständige Zivilgericht kann bestätigen ­ oder verneinen ­, dass die Stiftungen Eigentümer eines Teils der Collection Rau (oder gar der gesamten Sammlung) sind. Somit müssten einerseits die Interessen der Stiftungen vor den für die Regelung des Nachlasses Dr. Raus zuständigen Gerichten verteidigt werden; andererseits müsste ein Verfahren vor dem zuständigen Gericht am Sitz der Unicef in Deutschland eröffnet werden (für diejenigen Werke, die zu Lebzeiten Dr. Raus den Stiftungen übergeben worden seien).

In beiden Fällen liegt der Entscheid, rechtliche Schritte zu unternehmen, im Autonomiebereich der Stiftungen. Die Stiftungsräte haben entschieden, auf solche Schritte zu verzichten. Dies mag auf den ersten Blick erstaunlich scheinen und ein Eingreifen des EDI erfordern. Es ist jedoch in Erinnerung zu rufen, dass die Stiftungsaufsichtsbehörde nur im Falle von Ermessensfehlern oder Ermessensmissbrauch eingreifen darf. Im vorliegenden Fall scheint weder das eine noch das andere gegeben zu sein.

Die Stiftungen hätten zwar gewiss ein offensichtliches Interesse daran, das Eigentum an allen (oder an einigen) der Werke der Sammlung Rau zugesprochen zu erhalten.

Dieses Interesse muss jedoch in Beziehung zu den hohen Kosten der notwendigen Gerichtsverfahren gesetzt werden. Besonders die Verfahren im Zusammenhang mit dem Nachlass Dr. Raus könnten beträchtliche Kosten hervorrufen24. Der Entscheid, 24

Die Prozesskosten sind teilweise mit dem Betrag des betroffenen Nachlasses verknüpft.

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sich in den Verfahren in Deutschland zu engagieren oder nicht, muss daher mittels Abschätzung von Kosten und Nutzen getroffen werden, wobei der Wahrscheinlichkeit, zu gewinnen, Rechnung zu tragen ist. Im vorliegenden Fall kamen die Stiftungsräte zum Schluss, dass es sich nicht lohne, rechtliche Schritte zu unternehmen.

In Anbetracht der der GPK-S vorliegenden Fakten ist dieser Schluss sicher nicht gänzlich unbegründet.

Die fraglichen Kosten müssen auch mit dem Stiftungszweck in Verbindung gebracht werden: der Unterstützung der unterprivilegierten Bevölkerungsschichten der Dritten Welt. Obwohl das Eigentum an den Werken zweifellos im Interesse der Stiftungen läge, stellt es doch keinesfalls ihren Zweck dar. Für die GPK-S ist es daher absolut vertretbar, das verbleibende Stiftungsvermögen in die Erfüllung ihres eigentlichen Zwecks zu investieren, statt in Gerichtsverfahren mit ungewissem Ausgang.

Dies umso mehr, als die Unicef ja ähnliche Ziele verfolgt wie die Schweizer Stiftungen. Ihr Verwaltungsrat soll bereits den Entschluss gefasst haben, das Erbe Dr. Raus zur Finanzierung von Projekten in der Dritten Welt einzusetzen (Mädchenbildung, Kinderbetreuung für Kinder im Alter zwischen 0 und 8 Jahren, Impfprogramme, Kampf gegen Aids und Kinderhandel).

Der Entscheid, auf die Anfechtung der Erbrechte der Unicef zu verzichten, ist eine Ermessensfrage. Man kann auch eine gegenteilige Ansicht vertreten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Ermessensfehler oder Ermessensmissbrauch seitens der Stiftungsräte erfolgten. Daher kommt die GPK-S zum Schluss, dass kein Grund für ein Eingreifen des EDI besteht.

Wie Professor Walter kommt auch die GPK-S zum Schluss, dass die eidgenössische Stiftungsaufsichtsbehörde sich künftig auf die Liquidation der Kunststiftung konzentrieren sollte. Deren Statuten sehen nämlich vor, dass sie zum Zeitpunkt des Todes von Dr. Rau liquidiert und ihr Vermögen der Medizinalstiftung zugeführt werden soll. Für die GPK-S ist es höchste Zeit, dass das Stiftungsvermögen seinen Destinatären zugute kommt. Die Kommission fordert das EDI dazu auf, die in dieser Hinsicht nützlichen Massnahmen zu treffen.

Die GPK-S ist sich bewusst, dass das EDI dabei noch mit gewissen Unwägbarkeiten konfrontiert ist, wie etwa den noch hängigen Verfahren. Das EDI muss alles daran setzen, diese Verfahren nicht
unnötig zu verlängern. Ferner ist das Hervorrufen neuer Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, so weit als möglich sollte die Stiftungsaufsicht daher auf das Fällen von Entscheiden verzichten, welche die Gefahr beinhalten, neue Rekurse auszulösen.

Dagegen besteht dringender Handlungsbedarf im Bereich der Beziehungen zwischen der eidgenössischen Stiftungsaufsicht und den Zürcher Vormundschaftsbehörden.

Vom Standpunkt der parlamentarischen Oberaufsicht ist die heutige Konfliktsituation unbefriedigend. Sie trägt zur Blockierung des Dossiers bei und verursacht hohe finanzielle Kosten und zwischenmenschliche Probleme. Sie schadet dem Image und der Glaubwürdigkeit des Bundes in den Kantonen und den föderalistischen Beziehungen. Aus Sicht der Kommission sollte sich der Bundesrat versöhnlich zeigen und versuchen, das Vertrauensklima wieder herzustellen. Kurz- oder mittelfristig muss das Ziel dabei sein, auf einen Vergleich zwischen den Konfliktparteien hinzuwirken.

Als eine mögliche Massnahme schlägt die GPK-S dem Bundesrat vor, die Verantwortung für die Aufsicht über die Rau'schen Stiftungen einem externen Experten zu übergeben. Es geht ihr darum, die Lage zu deblockieren und den Zürcher Vormundschaftsbehörden sowie den Beiständen der Stiftung Entgegenkommen zu signalisie7732

ren. Laut Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a OV-EDI übt das Generalsekretariat des Departements die Aufsicht aus über die dem Bund unterstehenden gemeinnützigen Stiftungen. Nichts hindert daran, diese Aufsicht einer externen Person zu übergeben, solange diese dem Generalsekretariat unterstellt bleibt.

Empfehlung 4

Zukünftige Behandlung des Dossiers der Rau'schen Stiftungen

Kurz- und mittelfristig empfiehlt die GPK-S dem Bundesrat folgendes Verhalten im Zusammenhang mit den Stiftungen Dr. Raus: ­

Alle nützlichen Massnahmen müssen getroffen werden, damit das Vermögen der Stiftungen den Destinatären zugute kommt. So weit wie möglich sollte das Stiftungsvermögen nicht unnötig vermindert werden. Ausserdem ist nach einer gesamthaften Lösung zu suchen, die es ermöglicht, die noch laufenden Verfahren zu regeln und die Rechtsstreitigkeiten endgültig abzuschliessen.

­

Die Konfliktsituation zwischen der eidgenössischen Stiftungsaufsichtsbehörde und den Zürcher Vormundschaftsbehörden muss so schnell wie möglich behoben werden. Der Bundesrat sollte sich dabei versöhnlich zeigen und alle nützlichen Massnahmen zur Wiederherstellung eines Vertrauensklimas treffen. In diesem Sinn ist auch die Möglichkeit zu prüfen, die Verantwortung für die Aufsicht der Rau'schen Stiftungen einem externen Experten anzuvertrauen. Bis zur Verlegung der eidgenössischen Stiftungsaufsicht (vgl. Motion) wäre dieser gemäss Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a der OV-EDI dem Generalsekratariat des EDI zu unterstellen.

Diese Massnahmen sind mit der Aufforderung der GPK-S, die Stiftungsaufsicht in eine Verwaltungseinheit zu verlegen, deren Aufgabenbereich nicht mit den üblichen Tätigkeiten der gemeinnützigen Stiftungen verknüpft ist, zu koordinieren (siehe Motion).

6

Schlusswort und weiteres Vorgehen

Rufen wir zum Schluss in einigen Worten die Umstände der Affäre Rau in Erinnerung: ­

Eine beträchtliche Anzahl Gerichtsverfahren mit internationalen Verstrickungen (Schweiz, Deutschland, Frankreich, Monaco, Liechtenstein, Strassburg), in die in jedem Land mehrere Rechtsinstanzen involviert sind.

­

Ereignisse, die ­ neben den bereits erwähnten Ländern ­ auch in Israel, in Japan, in Zaire, in den Niederlanden etc. stattfanden.

­

Eine Vielzahl involvierter Personen, die nicht nur personelle und materielle Interessen in der Affäre hatten, sondern auch über die Mittel verfügten, diese zu vertreten; darunter zahlreiche Anwaltskanzleien von internationalem Ansehen.

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­

Unzählige Reportagen in den europäischen Medien, häufig im BoulevardStil und mit sehr einseitiger Berichterstattung.

­

Regelmässige Interventionen politischer Instanzen auf höchster Ebene.

Angesichts dieser Tatsachen erstaunt es nicht, dass sich die eidgenössische Stiftungsaufsicht unter Druck gefühlt hat und ihre Sache (zu) gut machen wollte. Der Fall begann mit einigen Sicherungsmassnamen, die zu schnell und zu leichtfertig angeordnet wurden, mit denen ein kaum mehr beherrschbarer Justizmechanismus in Gang gesetzt wurde. Manchmal erweckte die Stiftungsaufsichtsbehörde den Eindruck, vorwiegend ein Kampfgebiet der einander gegenüberstehenden Parteien zu sein, wobei jede sie zum eigenen Nutzen instrumentalisieren und an die Grenzen ihrer Kompetenzen ­ und manchmal gar darüber hinaus ­ drängen wollte. Angesichts dieser Druckausübungen, der rechtlichen Ungewissheiten und der verschiedenen politischen Implikationen des Dossiers, hat die Aufsichtsbehörde nicht immer eine klare Linie verfolgt und es öfters an der erforderlichen Transparenz fehlen lassen. Dies war insbesondere bei der abrupten Wende nach dem Urteil von BadenBaden der Fall oder beim Abschluss der Rückgabevereinbarung der Sammlung. In diesem Rahmen ist einer der Verdienste des Rechtsgutachtens von Professor Walter, dass es eine Lagebeurteilung aufstellt und eine klare Strategie vorschlägt.

Gemäss den Jahresberichten der Stiftungen wurden zwischen 1998 und 2004 mindestens vier Millionen Franken dem Stiftungsvermögen entnommen oder zurückgestellt, um Beistände, Stiftungsräte sowie ihre jeweiligen Anwälte zu bezahlen. Dieser Betrag nahm 2005 auf Grund der in Zürich und in Deutschland eröffneten Verfahren noch zu. Gemälde der Kunststiftung mussten verkauft werden, um diese Kosten zu decken. Das EDI hatte keine Möglichkeit einzugreifen; es hätte höchstens weniger Verfügungen treffen können, welche systematisch Gegenstand von Beschwerden waren. Dennoch ist diese Sachlage sehr bedauerlich. Für die Kommission ist nun in erster Linie dafür zu sorgen, dass das verbleibende Stiftungsvermögen zweckgemäss für die Unterstützung der unterprivilegierten Bevölkerungsschichten der Dritten Welt eingesetzt werden kann.

Fälle wie derjenige der Rau'schen Stiftungen dürfen sich in Zukunft nicht wiederholen. Die GPK-S hofft sehr, dass der vorliegende Bericht zu ihrer Vermeidung beitragen wird.

Die GPK-S ist dem Bundesrat dankbar, zu diesen Ausführungen und Empfehlungen bis Ende August 2006 Stellung zu nehmen, damit die Kommission ihre Arbeiten zu diesem Thema abschliessen kann.

7. April 2006

Im Namen der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats Der Kommissionspräsident: Hansruedi Stadler, Ständerat Der Präsident der Subkommission EDI/UVEK: Alex Kuprecht, Ständerat Für das Sekretariat: Sarah Scholberg

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Anhang

Liste der durch die GPK-S angehörten Personen In alphabetischer Reihenfolge (von Mai 2003 bis November 2005): ­

Baumann Alexander J., Nationalrat

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Couchepin Pascal, Bundesrat, Vorsteher des EDI

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Dürsteler Peter, Ratsschreiber des Bezirksrates Bülach

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Ferrari-Visca Bruno, stellvertretender Generalsekretär des EDI, Leiter der eidgenössischen Stiftungsaufsichtsbehörde

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Graf Bruno, Präsident des Bezirksrates Zürich

­

Koller Heinrich, Direktor des BJ

­

Schüepp Renzo, 1er Vizepräsident des Bezirksrates Bülach

­

Spring Alvar, Stellvertretender Leiter der eidgenössischen Stiftungsaufsichtsbehörde

­

Strupler Pascal, Generalsekretär des EDI

­

Walter Hans Peter, ehemaliger Bundesrichter, Autor eines Rechtsgutachtens in Sachen Aufsicht über die Rau-Stiftungen durch das EDI

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