176 Jndem der abtretende eidgenössische Vorort den sämmtlichen hohen Kantonsregierungen feinen wärmsten Dank ausspricht für die wohlwollende Nachsicht und freundeidgenössische Unterstützung, welche ihm im Laufe der letzten zwei fo verhängnißvollen Jahre zu Theil geworden ist, schließt er mit dem ausrichtigen Wunsche, daß unter dem Beistande des Höchsten eine nene Aera des Glückes und dauerhasten Friedens dem thenren Vaterlande ausgehen, und daß unter der neuen Bundesversassung die Eidgenossenschaft diejenige Einheit und Kraft gewinnen möge, welche der Vaterlandsfreuud schon so lange angestrebt hat, und welche die Wohlfahrt der Schweiz im Jnnern und ihre Bedeutung nach Außen zu begründen und sicher zu stellen geeignet ist.

Uebrigens benutzt der eidgenössische Vorort noch diesen Anlaß, Euch, getreue, liebe Eidgenossen, -- unter Versicherung vollkommenster Hochachtung -- nebst ihm in den Machtschutz des Allerhöchsten zu empsehlen.

(Folgen die Unterschristen.)

Verhandlungen des Bundesrathe!...

Kons#ST#

tituirung des Bundesrathes.

Kreisschreiben des schweizerischen Bundesrathes an sämmtliche Kantonsregierungen.

Tit.

B e r n, den 21. Wintermonat 1848.

Der schweizerische Bundesrath hat mit Gegenwärtigem die Ehre, den sämmtlichen Kantonsregierungen die Mittheilung zu machen, daß er, nachdem die erforderliche Zahl

17:7 der gewählten Mitglieder die Annahme der auf ihn gefallenen Wahl erklärt hatte, in den Stand gesetzt worden ist, sich heute feierlich zu konstituiren.

Die schweizerische Bundesversammlung hat-zum Bundespräsidenten ernannt, Herrn Dr. Furrer, und zum VizePräsidenten des Bundesrathes, Herrn H. Drüey.

Jndem der eidgenössische Bundesrath Euch, getreue, liebe Eidgenossen, ersucht, der Unterschrist des Präsidenten und Vizepräsidenten, welche wir mit Gegenwärtigem gleichzeitig zu Euerer Kenntniß bringen, in vorkommenden Fällen allen amtlichen Glauben beizumessen, benutzen wir noch diesen Anlaß, die Hoffnung auszusprechen, daß unser Verhältniß zu den h. Kantonsregierungen stets ein sreund-

eidgenössisches bleiben werde, und daß in dieser Einigkeit die Bedingung eines segensreichen Wirkens für das gefammte Vaterland in aller Zukunft sich finden möge.

Der Bundesrath muß sich vorbehalten, fpäter die Vertheilung der Geschäfte nach Art. 91 der Bundesverfassung unter die einzelnen Mitglieder vorzunehmen, und ersucht Euch inzwischen, alle Erlasse bezüglich ans Geschäfte die in seinen Wirkungskreis fallen, einstweilen an den Bundesrath zu richten.

(Folgen die Unterschristen.)

Eintheilung der Departemente.

Den 28. Wintermonat setzte bei Berathung seines Geschäftsreglements der Bundesrath die Zahl und Benennung feiner Departemente fest, und wählte zu deren Präsidenten : 1) Politisches Departement: Herrn Präsidenten Furrer.

2) Departement des Jnnern: Herrn Bundesrath Franscini.

178 3) Militärdepartetnent. Herrn Bnndesrath Ochsenbein.

4) Finanzdepartement: Herrn Bundesrath Mnnzinger.

5) Handels- und Zolldepartement: Herrn Bundesrath Frei-Herosee.

6) Post- und Baude-partement: Herrn Bundesrath Näff.

7) Justiz- und Polizeidepartement: Herrn Vizepräsidenten

Drüey.

*

#

*

Den 15. Jänner 1849 beschloß der schweizerische Bundesrath : ,, Es sind für jeden Vorsteher eines Departements ein Stellvertreter für Verhinderungsfälle zu bestimmen."

Es ist in Folge dessen als Stellvertreter gewählt worden : Für das politische Departement: Herr Vizepräsident Drüey.

Für das Departement des Jnnern: Herr Bundesrath Ochfenbein.

Für das Militärdepartement: Herr Bundesrath FreiHerosee.

Für das Finanzdepartement: Herr Bundesrath Franscini.

gür das Handels- und Zolldepartement: Herr Bundesrath Näff.

Für das Post- und Baudepartement: Herr Bundesrath Munzinger.

Für das Justiz- und Polizeidepartement: Herr Präsident gurrer.

179 Angelegenheit

dedeutschen Flüchtlinge.

Kreisschreiben des schweizerischen Bundesrathes an sämmtliche eidgenossische Stände.

Bern, den 30. November 1849.

G e t r e u e , liebe E i d g e n o s s e n !

Theils aus öffentlichen Blättern, theils aus andern Mittheilungen hat der schweizerische Bundesrath in Ersahrung gebracht, es verbreiten sich Gerüchte, daß die in der

Schweiz befindlichen deutschen Flüchtlinge abermals eine Beunruhigung der Nachbarstaaten beabsichtigen, daß zu diesem Zwecke längs der Gränze Versammlungen derselben stattfinden sollen, zum Theil auch schon stattgehabt hätten, und daß einzelne solcher Jndividuen gegenwärtig noch ein Unterkommen genießen, das sie durch Verletzung des Asylrechtes in Folge ihrer Theilnahme an der zweiten Schilderhebung im Großherzogthum Baden auf unzweifelhafte Weife verwirkt haben.

Getreue, liebe Eidgenossen! Die Politik, welche der schweizerische Bundesrath gegenüber der auf eidgenössischem Gebiete befindlichen Emigration im Allgemeinen einzuhalten hat, ist durch die Befchlüsse der früheren Tagfatznng hinlänglich vorgezeichnet und haben die letztern durch die jüngsten Schlußnahmen des National- und Ständerathes ihre volle Bestätigung und Alleinberechtigung erhalten.

Nachdem sich nämlich aktenmäßig .herausgestellt hatte, daß die italienifchen Flüchtlinge im Kanton Tessin mit Ver-

läugnung der Pflichten, welche das gewährte Afyl ihnen auferlegte, an den neuesten revolutionären Bewegungen in der angränzenden Lombardei sich betheiligt haben, ist

180 durch Bundesbeschluß Dom 27. dieses Monats festgesetzt worden, daß die erwähnten Flüchtlinge aus dem Kanton Tessin entsernt und in die Schweiz internirt werden sollen.

Bei Vollziehung dieser Maßregel sind inzwischen die von der Humanität gebotenen Rücksichten auf Alter, Geschlecht und Lage der Person zu beobachten, worüber den dortigen eidgenössischen Repräsentanten ausschließlich die Entfcheidung zusteht.

Mit gleichem Dekrete wurde ferner bestimmt : "daß es bis auf weitere Verfügung der Bundesverfammlung oder des Bundesrathes dem Kanton Tessin bei Verantwortlichkeit unterfagt fei, italienischen Flüchtlingen den Aufenthalt auf dortigem Gebiete zu gestatten, vorbehalten die Fälle, in denen dringende Rücksichten der Humanität ein entgegengesetztes Verfahren rechtfertigen würden.''

Wenn nun auch gegen die übrigen Kanto.ie, in denen Flüchtlinge sich aufhalten, keine folche umfassende Maß-

regeln für dringlich erachtet worden sind, fo rechtfertigt sich dieß theils durch den Umstand, daß diefe Flüchtlinge stets nur in geringer Zahl vorhanden waren, daß die betressenden Regierungen in Folge dessen sich in Stand gesetzt sahen, dieselben auf genügende Weife zu überwachen, und daß in den übrigen Kantonen die Flüchtlinge fcisanhin noch nie in bewaffneten Schaaren die Schweiz verlassen haben, um sich anfständifchen Bewegungen in der Nachbarfchaft anzuschließen. Allein die Gebote des Völkerrechtes verlangen dringend, daß alle Flüchtlinge mit gleicher Strenge einer polizeilichen Kontrolle unterstellt, .und daß sie von den Landesgränzen zurückgezogen werden.

Der fchweizerische Buudesrath sieht sich daher veranlaßt, sämmtliche Regierungen, und insbefondere diejenigen der Oränzkantone gegen Deutschland, dringend einzuladen, alle Flüchtlinge in der Weise überwachen zu lassen, daß

181 die Behörden sofort von jedem Schritte Kenntniß erhalten, welcher die Absicht haben könnte, die internationalen Be* ziehungen zu verletzen oder den Nachbarstaaten zu gerechten Klagen Veranlassung zu geben. Sollten hinwieder die Emigrirten sich diefen Forderungen nicht unterziehen, sollten sie es verschmähen, ihre partikularen ParteibestreJungen den höheren politischen Rücksichten der Eidgenossenschast, die ihnen eine ruhige und sriedliche Zufluchtsstätte gewähren will, unterzuordnen, so wäre gegen solche Renitenten unverweilt und auf energische, tatsächliche Weise einzuschreiten, -- wie denn überhaupt eine Bewaffnung der Flüchtlinge, eine Zusammenrottung derselben in einem den Grundsätzen des Asylrechtes widersprechenden Sinne schlechterdings und ohne Ausnahme nicht zu dulden ist, -- und solche Flüchtlinge in den Gränzkantonen nicht zu dulden, welche an dem zweiten badischen Ausstände sich Betheiligt hatten oder die sür einen rnhigen Ausenthalt keine genügenden persönlichen Garantien darzubieten im Falle sind.

Gegen unruhige Flüchtlinge wären sogleich polizeiliche und selbst Präventivmaßregeln mit Entschiedenheit anznordnen, denn nur auf solche Weise können auch große Kosten erspart werden, welche die Truppenausgebote herbeiführen, und welche den Kantonen felbst wieder zur Last fallen müssen; abgefehen davon, daß die Verwendung des Mi(itärs zu derartigen Polizeidienstverrichtungen nnr nachtheilig auf die eidgenössifchen Wehrmänner zurückwirken dürfte.

Der fchweizerifche Bnndesrath erwartet um fo mehr von fämmtlichen Kantonsregierungen eine nnnachsichtliche Beobachtung dieser Weisung, als die Kantonalbehörden bei allsälligen Unternehmungen, durch die die Wohlfahrt des Vaterlandes und feiner völkerrechtlichen Beziehungen kompromittirt erfcheinen müßten, gegenüber der Eidge-

182 nossenfchaft eine große und fchwere Verantwortlichkeit übernehmen würden.

Es ergehet daher a« Euch, getreue, liebe Eidgenossen!

die weitere Einladung, von allen Vorgängen unter den Flüchtlingen hieher Bericht zu erstatten, sofern bei denfelben die Tendenz vermuthet werden kann, daß sie den gegenwärtigen Vorschriften irgend widerstreben.

Schließlich müssen wir die Regierungen der obigen Gränzkantone, nämlich .Derjenigen von Bafel-Stadt, BaselLandschaft, Schaffhausen, Aargau, Zürich und Thurgau, einladen, dem schweizerischen Bundesrathe mit Beförderung die Namen aller Flüchtlinge zu überfenden, welche an dem zweiten badifchen Aufstande Theil genommen haben, oder die irgend sonst als verdächtig und ruhestörerisch angesehen werden müssen. Diese Verzeichnisse wären im Weitern dann auch von den gedachten Kantonsregierungen einander wechselseitig zur Kenntnißnahme mitzutheilen. Es muß der schweizerische Bundesrath großes Gewicht darauslegen, daß alle diese Verfügungen mit möglichster Beförderung vollzogen werden, indem es verlauten will, daß in den nächsten Tagen irgend eine Unternehmung gegen die deutschen Nachbarstaaten versucht werden solle.

Die schweizerische Eidgenossenschaft soll und wird auch

sernerhin ihre Unabhängigkeit und ihre politischen Rechte als selbstständige Nation mit allen zu Gebote stehenden Mitteln wahren und ausrecht erhalten; sie soll und wird aber auch anderseits ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen ein gewissenhaftes und treues Genüge leisten, und nimmermehr kann sie zugeben, daß ihr unentweihter Boden zum Tummelplätze auswärtiger Parteien erniedrigt werde, welche ihre Stellung aus neutralem Gebiete fo ganz zu verkennen und die Jntercssen des gastfreundlichen Landes so oft außer Acht zu setzen scheinen.

183 Uebrigens empfehlen wir Euch, getreue, liebe Eidgenossen! sammt uns in den Machtschutz des Allerhöchsten.

Jm Namen des schweizerischen Bundesrathes, Der Vizepräsident: .§. Drtte.9.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : «Sdjief...

Damit der Bundesrath über den Stand der Angelegenheit der dentfchen Flüchtlinge fortlaufend genau und zuverläßig unterrichtet werde und die in oben benanntem Schreiben getrossenen Verfügungen in den betreffenden Kantonen allfeitig pünktliche und übereinstimmende Vollziehung erhalten, wurde befchlossen, einen Kommissär nach den deutschen Gränzkantonen zu senden.

Als solcher wurde ernannt Herr Statthalter Steiger, von Litzern.

#ST#

Bericht

des .|)errn Dr. Steiger an den Bundesrath über den dermaligen Stand der Angelegenheiten der deutschen Flüchtlinge in den nördlichen Kantonen.

Tit.

Luzern, 1. März 1849.

Sie haben mich unterm 1. Dezember 1848 in den

Angelegenheiten der deutschen Flüchtlinge in der Schweiz als eidgenössischen Kommissär nach den Kantonen Baselstadt, Baselland, Aargau, Schaffhausen, Zürich und Thurgau bezeichnet, und eingeladen, so schnell als möglich in Bern einzutreffen, um die erforderlichen Jnstruktionen entgegenzunehmen.

184 Am 3.Dezember wurde mir die Jnstruktion zugestellt: . 1) Erkundigungen einzuziehen über den damaligen Stand

und das Verhalten der Flüchtlinge; 2) die betreffenden Kantonalbehörden über die Absichten des schweizerischen Bundesrathes gegenüber der deutschen Emigration mündlich des Nähern zu ver-

ständigen ; 3) ein übereinstimmendes Verfahren der Kantonalbehörden gegenüber den Flüchtlingen zu erzielen.

Ans meinen Mittheilungen vom 5., 7., 9., 10., 11., 13. und 16. Dezember haben Sie entnommen, wie ich die Flüchtlingsangelegenheit in den genannten Kantonen gefunden und welche Vorkehrungen angeordnet wurden, um den von der fchweizerifchen Eidgenossenschaft von jeher proklamirten Verpflichtungen gegenüber von benachbarten Staaten ein Genüge zu leisten.

Die Grundsätze des Asylrechts hat die schweizerische Bundesversammlung durch ihre Beschlüsse vom 27. November in Sache der italienischen Flüchtlinge im Kanton Tessin hinreichend an den Tag gelegt; dieselben mußten auch für die deutsche Emigration zur Anwendung kommen.

Diefe Ansichten haben Sie denn auch durch das Kreisschreiben vom 30. November umständlich ausgesprochen, so daß mir die leitende Richtschnur zur Erfüllung meiner Ansträge nicht mangeln konnte. Jch gab mir daher überall, wo die Umstände es erforderten, Mühe, den Vorstehern der Regierungen vorzustellen, daß eine genaue Befolgung dieser Grundsätze im sesten Willen der Bnndesbehörden liege, daß es im Jnteresse der einzelnen Kantone wie der ganzen Eidgenossenschaft sei, die schöne Stellung, welche die Schweiz mitten in dem sturmbewegten Europa gegenwärtig einnehme, zu behaupten, den Frieden im Jnnern und die Selbstständigkeit nach Außen zu erhalten, was

185 einzig dann geschehen könne, wenn die Schweiz ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen getreulich nachkomme, ohne

dabei ihre Ehre und Selbstständigkeit auszuopsern. Dahin gehöre vor allem aus die Pflicht, darüber zu wachen, daß die politischen Flüchtlinge, denen wir ein Asyl gewähren,.

dasselbe in der sreien Schweiz nicht zum Tummelplatze von Jntriguen oder Beunruhigungen der Nachbarstaaten mißbrauchen, wodurch die Ruhe der Schweiz, die ihnen Schutz zusichert, kompromittirt werden müßte; dem Asyl, das man den Flüchtlingen gebe, gehe sür diese letztern

die Pflicht zur Seite, ruhig zu bleiben und nicht von unserm Gebiete aus Revolutionen in den Nachbarstaaten anzuzetteln, oder gar bewassnete Einfälle zu unternehmen.

Die getreue Beobachtung diefer Grundfätze, zu denen sich die Kantone als Theile der gesammten Eidgenossenschast bekennen müssen, liege noch in dem besondern Jnteresse der Gränzkantone. Denn wenn abermals Truppen ausgeboten werden sollten znr Ausrechthaltuug der Ruhe und der Neutralität der Schweiz, so könnte die oberste Bundesbehörde die daherigen Kosten dem oder denjenigen Kantonen ausbürden, durch deren Verschulden ein daheriges Aufgebot nöthig geworden wäre.

Die fämmtlichen Kantonsregierungen, bei denen ich auftragsgemäß mich einznfinden hatte, waren mit diefen, fowie mit den im Kreisschreiben vom 30. November ansgesprochenen Ansichten auch vollkommen einverstanden und sie hatten bereits vor meinem Eintreffen Alles angeordnet, was im Jnteresse der Ausrechthaltung des Asyls und der freundfchaftlichen Beziehungen znm Auslande liegen muß.

Schon nach dem ersten, Hecker'schen, Ausstande im Großherzogthum Baden hatte Baselstadt wegen der unmittelbaren Gränzberührung ihres Gebiets allen politischen Flüchtlingen den Aufenthalt in ihrem Kantonstheile unter-

186 sagt, in noch strengem Maße aber nach dem zweiten, Struve'fchen, Aufstande fowohl alle ankommenden Fluchtlinge fofort aus ihrem Gebiete ausgewiefen, als auch die Verzeichnisse der Ausgewiefenen den Gränzkantonen mitgetheilt. Auch der Regierungsrath von Bafellandfchaft wies die Flüchtlinge drei Stunden von der Gränze in's Jnnere des Kantons. Da aber fpäter der Landrath sich mit zwei Stunden Entfernung begnügte, fo wurde dadurch das Anfehen der Regierung einigermaßen gefchwächt und die Flüchtlinge sahen sich zu einem kühnern Auftreten ermnntert, bis Sie, Tit., auf meinen Antrag den Regierungsrath von Baselland unterm 8. Dezember anwiesen, alle

Flüchtlinge, welche durch Theilnahme am zweiten Aufstände das Asöl mißbrauchten, ans der Eidgenossenschast auszuweisen und allen übrigen in keiner unterhalb Liestal gelegenen Ortschaft Aufenthalt zu gestatten. Diefes hatte zur Folge, daß sodann die wenigen deutschen Flüchtlinge, welche noch in diesem Kantonstheile sich befanden, insgesammt Baselland verließen und sich entweder nach Frankreich oder nach dem Jnnern der Schweiz begaben, so daß nach einer Znschrist des Regiernngsraths von Basellandschast vom 15. Dezember, wie in Bafelstadt, so auch in Baselland, gar keine deutschen Flüchtlinge mehr sich aufhalten.

Gleichzeitig haben auch die Anführer des zweiten badifchen Anfstandes, Löwenfels, Thillmann und Neff ihren Aufenthalt in Dornach itnd die Schweiz verlaffen, welche denfelben wegen Mißbrauch des Afyls kein Gastrecht mehr geben konnte noch wollte.

Nach mündlichen Berichten von Mitgliedern der Regierung von Aargan follten in den drei Gränzbezirken von Rheinfelden, Laufenburg und Zurzach keine deutfchen Flüchtlinge mehr fein und die Gefammtzahl derfelben im Kanton ein

187 iDutzend nicht übersteigen. Jndeffen nach einer schriftlichen Mittheilung der aargauischen Regierung vom 7. Dezember an den Bundesrath ist meine Zuschrift vorn 5. Dezember dahin abzuändern, daß von den 12 deutfchen Flüchtlingen im Kanton, Domimi Glokner aus Freiburg im Breisgau in der Krone zu Wyl als Kellner und Konrad Bek, Vikar ans Oberrieden, als proviforischer Kaplan am Kollegiatstist zu Rheinfelden angestellt sind, Wilhelm Schweikard aus Zell ebendafelbst als Metallgießer arbeitet, und Schreiner Johann Matt von Säkingen in Stein (Bezirk Rheinfelden) feinem Berufe lebt. Alle befleißen sich jedoch der größten Ruhe, leben ganz vereinzelt ihrem Berufe und halten keine Znfammenkünfte, was ihnen auch niemals gestattet würde -- so zwar, daß die großherzoglich badischen Behörden vollkommen beruhigt sein dürsen.

Jm Kanton Schaffhanfen leben gegenwärtig nnr fechs

dentfche Flüchtlinge rnhig und vereinzelt. Kein einziger »on denselben ist am Struve'fchen Aufstande betheiligt.

Jm Kanton Zürich befinden sich nenn Flüchtlinge, alle in bedeutender Entfernung von der deutfchen Gränze, da»on fünf in der Stadt Zürich, alle ruhig und still. Keiner ist am zweiten, Struve'fchen, Aufstande betheiligt.

Die meisten, .18 an der Zahl, befinden sich noch im

Thurgau, und zwar fünf zu Egelshofen, drei in Kreuzlingen, fechs in Emmishofen, einer in Tägerweilen, einer in Wöschbach, einer in Bottigkofen und einer in Frauenfeld.

Von denfelben besitzen drei förmliche Niederlaffungsbewilligungen, die übrigen leben still, vereinzelt, ihrem Berufe, sind von den Behörden des Kantons Thnrgan strenge überwacht und allen ist das Versprechen, ruhig zu bleiben, abgenommen worden, unter Androhung sofortiger Aus..veisung, im Falle sie es nicht halten sollten. Keiner von

188 diesen 18 Flüchtlingen ist am Strnve'schen Aufstande be-

theiligt.

Jn den an das Großherzogthum Baden gränzenden Kantonen befanden sich alfo in der zweiten Hälfte des

Dezembers 1848 nur noch 45 deutfche Flüchtlinge, von denen kein Einziger am Struve'fchen Aufstande betheiligt ist. Von Absichten derselben zu neuen Ausständen, von Umtrieben gegen das Großherzogthum Baden, von Bewassnungen, oder Versammlungen derselben zum Zwecke irgend einer seindlichen Demonstration gegen einen Nachbarstaat ist auch keine Spur vorhanden, so daß man nicht begreiscn kann, wie zu Anfange des Monats Dezember noch Gerüchte und Zeitungsnachrichten von neuen Umtrieben und Bewegungen der Flüchtlinge, ja sogar von erneuerten Einsäßen und Gefechten sprechen konnten. Die Furcht und die Phantasie deutscher Beamten, Uebertreibungen, Täuschungen aller Art und selbst der Geist der Lüge nnd Verläumdut.g von Spionen und Speichelleckern mögen daran ihren großen Theil haben und gehabt haben.

Diese Betrachtung führt mich nun auf die fogenannten Aktenstücke, welche in einer Extrabeilage zur Frankfurter Oberpostamtszeitung vom 9. November 1848 eine Reihe falscher Berichte nnd Angaben enthalten, die nur darum in einigen Betracht kommen, weil sie eben in diesem Regierungsblatte, wenn auch im " N icht - a m t l iche n T h e i l e," erschienen sind und vielleicht von unberufener Hand zur Rechtfertigung der gegen die Schweiz angedrohten Vorkehrungen und Entfchließungen der deutfchen Reichsgewalt dienen und die Behauptung, als hätte der Struve'fche Einfall von der Schweiz her stattgefunden, rechtfertigen sollten. Jndessen müssen diejenigen, welche diese Aktenstücke der Oeffentlichîeit übergaben, selbst feinen festen;

189 Glauben an die Richtigkeit derfelben gehabt haben, weil es nicht gewagt wurde, dieselben als wirklich offiziell und

gültig im "amtlichen Theile" der Frankfurter Oberpostamtszeitung aufzuführen. Und in der That, diese sogenannten Aktenstücke tragen so sehr das Gepräge nngesichteter, unverbürgter Angebereien, sie sind durchgängig so sehr der Wahrheit entgegen, daß man wirklich erstaunen muß, wie man es wagen durste, auf solche Aktenstücke hin Drohungen gegen einen besreundeten Staat zu erheben und eine Nation, welche das Asylrecht als einen Ehrenpunkt, als eine Pflicht der Humanität, als das Gebot einer selbstständigen Republik von jeher neben der treusten Beobachtung der völkerrechtlichen Verhältnisse behauptet hat und behaupten wird, der Unehrenhaftigkeit und der Verletzung der völkerrechtlichen Pflichten vor dem Richterstuhle der öffentlichen Meinung anzuklagen.

Schon die ganze Anlage dieser Aktenstücke trägt das

Gepräge eines verlänmderifchen, gemeinen Zeitungsartikels, welcher, weil gehüllt in das täuschende Gewand vorgeblicher amtlicher Aktenstücke, die Masse oberflächlicher Leser zu täuschen sehr gut berechnet war.

Vorab werden Auszüge aus den Mittheilnngen der schweizerischen Bundes- und Kantonsbehörden gegeben, in welchen

die völkerrechtlichen Grundsätze des von der Schweiz hinsichtlich des Asylrechts befolgten Systèmes] mit aller Loyalität ausgesprechen sind. Slnf diefe getreu den Akten enthobenen Mittheilungen folgt dann eine Reihe nicht bloß entstellter, fondern sehr oft erdichteter und ganz unwahrer Spionenberichte, welche die von der Eidgenossenfchaftund den Kantonen offiziell dargelegten Grundfätze und Ansichten Lügen strafen follten.

Ueber diefe Aktenstücke haben bereits die Regierungen von Basel, Zürich, Schaffl)ansen, Thurgan und Aargau

so umständliche und gründliche Widerlegungen dem hohen

190 Bundesrathe mitgetheilt, daß es überflüssig ist, diefelben hier zu wiederholen, um die oben ausgesprochenen Behanptnngen näher zu begründen.

Die Anschuldigungen, welche die sogenannten Aktenpcke von den Auszügen ans den Akten des badischen Ministeriums des Jnnera (B. I.) bis zu dem Lügenberichte des badifchen Gendarmeriekorpspostens zn Warmbach vom

S.Oktober 1848 (XIII), als ob die Schweizer und selbst die schweizerischen Behörden den Flüchtlingen Waffen ver-

kauft und ausgeliefert, den Einfall Struves begünstigt und unterstützt, Ueberfällen und Ranbzügen in's Badifche Vorschub geleistet, die Presse mißbraucht, strafbare Flugschriften verbreitet und alle möglichen Frevel ab Seite

der Flüchtlinge geduldet hätten, sind von den fchwerbeleidigten und nicht selten verläumdeten Kantonsregierungen in ihren Antworten auf das Schreiben des Bundesrathes vom 23. November 1848 hinreichend beleuchtet und in ihrer

vollendeten Nichtigkeit dargethan worden.

Auch der Ernst, mit welchem die Kantonsregierungen

die Flüchtlingsangelegenheit nach dem Sinne nnd dem ©eiste der Schlnßnahmen der fchweizerifchen Bnndesbeljörden überall aufgefaßt, und mit dem Geiste einer im Sturme der Zeit unser Vaterland allein rettenden Politik in Einklang zu Dringen gewußt haben; diefer Ernst, den die Magistraten der Kantonsregierungen auf meiner Rundreise überall gezeigt haben, ist mir Bürge sür die getreue Vollziehung der einschlägigen Anordnungen der schweizerischen Bundesgewalt. Auch war es mir besonders erfreulich, in der mit dem Freiherrn von Marschall gepflogenen Unterredung in Basel zu bemerken (siehe Bericht vorn 16. Dezember), daß derselbe selbst das Unstichhaltige, Uebertriebene und Entstellte der sogenannten Aktenstücke der Frankfurter Oberpostamtszeitung erkannte und den-

191

selbeu keinen größern Werth beizulegen schien, als unverfcürgten Berichten, welche im Gewirre der Ereignisse gemacht werden, beigelegt werden kann.

Jndem ich mich in diesem etwas verspäteten SchlußBerichte auf meine frühern Spezialberichte, sowie aus die einschlägigen Mittheilungen der einzelnen Kantonsregierungen an den hohen Bundesrath nochmals beziehe, habe ich bloß die Bemerkung beizufügen, daß hier der Zustand der deutschen Flüchtlingsangelegenheiten dargestellt wird, wie er am Ende des abgewichenen Jahres gewesen ist.

Sollte ich den nur ursprünglich ertheilten Auftrag nicht genugsam erfüllt haben, so bitte ich um Nachsicht. Jch that, was in meinen Kräften lag und fchließe mit der ...Sersicherung der ausgezeichneten Hochachtung, womit geharret dero ergebenster

3. R. Steige«.

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1849

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21.03.1849

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176-192

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