05.471 Parlamentarische Initiative Steuerbefreiung des Existenzminimums im StHG Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 5. Mai 2006

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG).

Die Kommission beantragt mit 17 zu 0 Stimmen bei 4 Enthaltungen, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

5. Mai 2006

Im Namen der Kommission Der Präsident: Pierre Triponez

2006-1387

7539

Übersicht Der vorliegende Entwurf schlägt vor, im Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) eine Bestimmung aufzunehmen, wonach das Existenzminimum nicht besteuert werden darf. Ein entsprechender Artikel war auch im Steuerpaket 2001enthalten, das von den beiden Räten am 20. Juni 2003 verabschiedet, dann aber von Volk und Ständen am 16. Mai 2004 abgelehnt worden ist. Diese Bestimmung war aber weder in den beiden Räten noch in der Abstimmungskampagne bestritten gewesen.

Die Kommission hat verschiedene Ansätze zur Armutsbekämpfung geprüft. Sie ist zum Schluss gekommen, dass die Steuerbefreiung des Existenzminimums ein zentrales Element der Strategie gegen die Armut ist. Dabei soll nicht in die Tarifautonomie der Kantone eingegriffen werden: Diese sollen selber festlegen, wie das Existenzminmium definiert wird.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates befasst sich seit längerer Zeit mit der Existenzsicherung durch die verschiedenen Sozialversicherungszweige und die Sozialhilfe. Sie hat festgestellt, dass der Mitwirkungspflicht der armutsgefährdeten Personen eine grosse Bedeutung zukommt. Immer wieder zeigt sich aber, dass der Anreiz fehlt, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder diese auszubauen, da die Erzielung eines höheren Einkommens zu höheren Abgaben oder zu einer Reduktion der Unterstützung führt. Der höhere Einsatz führt oftmals nicht zu einer finanziellen Besserstellung; er kann im Gegenteil zu einer Schlechterstellung führen. Wo Erwerbseinkommen besteuert werden, die kaum zur Deckung des Existenzbedarfs ausreichen, während Unterstützungsleistungen der Sozialversicherungen und der Fürsorge steuerfrei sind, bestehen negative Arbeitsanreize. Angesichts einer beträchtlichen Zahl von Menschen, die trotz Vollzeitarbeit nicht genug für ihren Lebensunterhalt verdienen1, fällt dieser Fehler im System stark ins Gewicht.

Wie aus verschiedenen Studien2 der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) hervorgeht, sind die Lebensbedingungen armutsgefährdeter Personen in den verschiedenen Kantonen sehr unterschiedlich. Das verbleibende Einkommen variiert zwischen dem grosszügigsten und dem ungünstigsten Kantonshauptort zwischen 90 und 36 Prozent des Ausgangseinkommens. Neben Faktoren wie der Verbilligung der Krankenkassenprämien, der Regelung der Alimentenbevorschussung, Kinder- und Familienzulagen, Mietzinsen und Kosten der familienexternen Kinderbetreuung ist die Steuerbelastung ein wesentlicher Faktor für das verfügbare Einkommen.

Die Kommission kommt zum Schluss, dass ein genügend grosser steuerlicher Freibetrag bzw. eine Freigrenze eine wirksame und unbürokratische Massnahme zur Unterstützung von Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen ist, und beantragt, das StHG in diesem Sinne abzuändern. Sie nimmt damit ein Anliegen auf, das in den eidgenössischen Räten schon wiederholt diskutiert worden ist.

In Anbetracht der Zustimmung, die der vorgeschlagene Artikel 11 Absatz 1 StHG bereits bei der Beratung des Steuerpakets 2001 in den Räten und bei den Vertretern der Kantone gefunden hatte, verzichtet die Kommission auf eine Vernehmlassung (vgl. Ziff. 1.3).

1

2

Die Working-Poor-Quote, d. h. der Anteil der Armen an den Erwerbstätigen, betrug im Jahr 2003 7,4 Prozent (Bundesamt für Statistik, Working Poor in der Schweiz, Ausmass und Risikogruppen auf der Basis der Schweiz. Arbeitskräfteerhebung 2003).

SKOS 2003, Existenzsicherung im Föderalismus der Schweiz; SKOS 2005, Vereinbarkeit von Beruf und Familie Nr. 2, im Auftrag des Seco und des BSV.

7541

1.1

Motion «Existenzminimum. Steuerbefreiung»

In der Motion «Existenzminimum. Steuerbefreiung» (97.3288) vom 11. Juni 1997 ersuchte Nationalrat Paul Rechsteiner den Bundesrat um Prüfung, wie die Steuerbefreiung des Existenzminimums verwirklicht werden könne. Die Steuerbefreiung des Existenzminimums sei in der Schweiz nicht gewährleistet. Dies wirke sich insbesondere dort stossend aus, wo das Existenzminimum ausschliesslich durch staatliche Leistungen garantiert (IV oder AHV zuzüglich Ergänzungsleistungen), aber durch den Fiskus wieder beeinträchtigt werde. In seiner Stellungnahme wies der Bundesrat unter anderem darauf hin, dass nach den Richtlinien für die Gewährung von Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung Alleinstehenden ein Mindesteinkommen von 17 090 Franken und Ehepaaren ein solches von 25 635 Franken garantiert wird. Würden diese Einkommen als Basis für ein Existenzminimum genommen, wäre deren steuerliche Freistellung im Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG) bereits durch die geltende Tarifstruktur gewährleistet. Zudem seien die Ergänzungsleistungen zur AHV/IV im DBG ausdrücklich von der Besteuerung ausgenommen. Eine entsprechende Regelung sei auch im StHG verankert. Denkbar wäre allenfalls eine allgemein gehaltene Vorschrift im StHG, welche die Kantone verpflichte, sich bei der Steuerberechnung an ein von ihnen zu definierendes Existenzminimum zu halten. Auf Antrag des Bundesrates überwies der Nationalrat die Motion in Form eines Postulates.

1.2

Expertenkommission «Familienbesteuerung»

Die vom Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements eingesetzte Expertenkommission sprach sich in ihrem Bericht aus dem Jahr 1998 für eine absolute Freistellung des Existenzminimums bei der direkten Bundessteuer aus. Sie schlug vor, dass jeder steuerpflichtigen Person ein allgemeiner Abzug im Sinne eines steuerfreien Grundbetrages gewährt werden soll. In Kombination mit dem über den Tarif festgelegten steuerpflichtigen Mindesteinkommen soll damit die Nichtbesteuerung des Existenzminimums erreicht werden. Zu einer Freistellung des Existenzminimums im StHG äusserte sich die Expertenkommission nicht.

1.3

Steuerpaket 2001

Anlässlich der Vernehmlassung zur Reform der Ehepaar- und Familienbesteuerung im Jahr 2000 lehnte eine Mehrzahl der Kantone (Ausnahmen AI, AR, GE, GR, OW, UR, VD, ZG) die Einführung eines steuerfreien Existenzminimums bei der direkten Bundessteuer ab. Das Anliegen, das Existenzminimum nicht zu besteuern, wurde zwar von den meisten Kantonen grundsätzlich begrüsst. Dies würde allerdings voraussetzen, dass auch alle Einkommensquellen zu 100 % erfasst würden, was aber auch in Zukunft nicht der Fall sein werde (z.B. Ergänzungsleistungen etc.). Das Anliegen sollte nach Auffassung der meisten Kantone daher über eine entsprechend soziale Ausgestaltung des Tarifes berücksichtigt werden.

In seiner Botschaft zum Steuerpaket 2001 (BBl 2001 2983 ff., Ziff. 3.1.8.2.) hielt der Bundesrat fest, dass das Existenzminimum bereits nach geltendem Recht bei der direkten Bundessteuer faktisch freigestellt werde, weil kleinere Einkommen durch das Zusammenwirken von Tarif und Abzügen von der Steuerpflicht ausgenommen 7542

bleiben. Die vorgesehenen Entlastungsmassnahmen würden diese Tendenz noch verstärken. Eine explizite Freistellung des Existenzminimums bei der direkten Bundessteuer dränge sich daher nicht auf. Gegen den erklärten Willen aller Kantone lasse sich zudem die Freistellung des Existenzminimums im StHG nicht durchsetzen, auch wenn die Kantone an sich nicht den Grundsatz als solchen, sondern nur seine zwingende und einheitliche Festschreibung im Gesetz ablehnen. Zudem dürfte es auch schwierig sein, den Begriff des Existenzminimums einheitlich zu definieren.

Deshalb sei von einer entsprechenden Vorschrift im StHG abzusehen.

Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen des Steuerpakets 2001 wurde jedoch in einem Minderheitsantrag der WAK-N verlangt, dass in Artikel 11 Absatz 1 StHG das Existenzminimum jeder steuerpflichtigen Person für steuerfrei erklärt wird. Der Nationalrat stimmte am 26. September 2001 diesem Antrag mit 84 zu 81 Stimmen zu (vgl. Amtliches Bulletin des Nationalrates vom 26. September 2001).

Im weiteren Verlauf der parlamentarischen Beratungen war die Bestimmung unbestritten. Anlässlich einer Aussprache der WAK-S am 25. Oktober 2001 mit Vertreterinnen und Vertretern der Kantone erklärte Regierungsrätin Eveline Widmer-Schlumpf, Präsidentin der Finanzdirektorenkonferenz (FDK), dass die Kantone mit dem vorgeschlagenen Gesetzestext zur Steuerbefreiung des Existenzminimums leben könnten, sofern es keine Bestimmung geben wird, wie es zu definieren sei.

Ulrich Cavelti, Leiter der Koordinations- und Beratungsstelle der FDK, hielt die Formulierung des Nationalrats ebenfalls für unbedenklich, solange man nicht vorschreibe, wie das Existenzminimum ermittelt werden müsse.

Der Ständerat stimmte der Bestimmung diskussionslos zu.

Mit der Ablehnung des Steuerpakets 2001 durch das Volk am 16. Mai 2004 fand aber auch die von allen Seiten unbestrittene explizite Steuerbefreiung des Existenzminimums keinen Eingang in das StHG.

2

Grundzüge der Vorlage

Die rechtliche Beurteilung der Steuerbefreiung des Existenzminimums wurde im Zusammenhang mit dem Steuerpaket 2001 geprüft. Daran hat sich aus steuerlicher Sicht nichts geändert. Solange den Kantonen im StHG nicht vorgeschrieben wird, wie das Existenzminimum zu definieren ist und auf welche Weise der kantonale Gesetzgeber die Freistellung zu erreichen hat, können sich die Kantone mit einer entsprechenden StHG-Bestimmung einverstanden erklären. Die in Artikel 129 Absatz 2 der Bundesverfassung verankerte Tarifautonomie der Kantone, wonach die Regelung der Steuertarife, der Steuersätze sowie der Steuerfreibeträge in den ausschliesslichen Zuständigkeitsbereich der Kantone fällt, wird nicht tangiert. Die Wiederaufnahme der im Steuerpaket vorgesehenen Bestimmung dürfte daher der sachgerechteste Weg sein, um die Steuerbefreiung des Existenzminimums auch auf kantonaler Ebene zu verwirklichen.

7543

2.1

Bundesgericht

Das Bundesgericht anerkannte in einem im Jahr 1995 ergangenen Entscheid ein Grundrecht auf Existenzsicherung (BGE 121 I 367). Das ungeschriebene verfassungsmässige Recht umfasste dabei das Recht auf Sicherung elementarer menschlicher Bedürfnisse wie Nahrung, Kleidung und Obdach. Gemäss Bundesgericht kann aus Artikel 4 BV aber nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber verpflichtet wäre, einen bestimmten Betrag in der Höhe eines irgendwie definierten Existenzminimums von vornherein steuerfrei zu belassen. Verfassungsrechtlich kann einzig verlangt werden, dass niemand durch eine staatliche Abgabeforderung effektiv in seinem Recht auf Existenzsicherung verletzt wird. Laut Bundesgericht ist es jedoch dem Gesetzgeber zu überlassen, ob er dieser Vorgabe durch die Festlegung des Steuertarifs, von Steuerfreibeträgen und Abzügen oder im Einzelfall mittels Gewährung eines Steuererlasses in Fällen von Bedürftigkeit genügen will (BGE 122 I 101, 126 III 353).

2.2

Bundesverfassung

Die Steuerbefreiung des Existenzminimums entspricht dem in Artikel 127 Absatz 2 der Bundesverfassung verankerten Grundsatz, wonach die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu erfolgen hat. Bei sehr niedrigen Einkommen kann davon ausgegangen werden, dass die Fähigkeit zur Abgabe von Steuern nicht vorhanden ist.

Im Rahmen der Nachführung der Bundesverfassung wurde das Recht auf Existenzsicherung in den Grundrechtskatalog aufgenommen. Gemäss Artikel 12 BV hat jede Person, die in Not gerät und nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen, Anspruch auf Hilfe und Betreuung sowie auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind.

Diese Bestimmung soll klarstellen, dass für das Recht auf Hilfe in Notlagen der Grundsatz der Subsidiarität gilt. Der Anspruch umfasst zudem nur ein Minimum, um überleben zu können, d.h. einzig die in einer Notlage im Sinne einer Überbrückungshilfe unerlässlichen Mittel in Form von Nahrung, Kleidung, Obdach und medizinischer Grundversorgung. Durch das ausdrückliche Erwähnen des Subsidiaritätsprinzips hat der Verfassungsgeber bereits den Anspruch als solchen relativiert. In Not Geratene haben nur Anspruch auf entsprechende Leistungen des Staates, wenn sie nicht in der Lage sind ­ d.h. wenn es ihnen rechtlich verwehrt oder faktisch unmöglich ist ­, selber für sich zu sorgen (BGE 130 I 71).

Geltende Regelung in den Kantonen Der Tarifbeginn der Steuerpflicht ist in den Kantonen sehr unterschiedlich festgesetzt. Bei einigen Kantonen setzt die Einkommenssteuer bereits bei einem sehr tiefen Einkommen ein, während andere Kantone auf einem relativ hohen Einkommen mit der Steuerpflicht beginnen.

Einige Kantone gewähren bereits heute einen persönlichen Abzug, einen Abzug für bescheidene Einkommen oder einen Altersabzug. Kleinere Einkommen werden durch das Zusammenwirken des Tarifs und dieser Abzüge von der Steuerpflicht ausgenommen (vgl. Tabelle im Anhang 1). Der Forderung nach der Steuerbefreiung 7544

des Existenzminimums wird somit bereits heute auf kantonaler Ebene zum Teil Rechnung getragen.

Zudem gewähren die Kantone wie auch der Bund denjenigen Steuerpflichtigen, für die infolge einer Notlage die Bezahlung der Steuer eine grosse Härte bedeuten würde, einen ganzen oder teilweisen Erlass der Steuerschuld.

Eine explizite Regelung, nach welcher das Existenzminimum freizustellen ist, findet sich jedoch in keinem kantonalen Steuergesetz.

3

Erläuterungen

Art. 11 Im neu einzuführenden Absatz 1 wird das Existenzminimum jeder steuerpflichtigen Person für steuerfrei erklärt. Auf Grund der sehr offenen Formulierung kann der kantonale Gesetzgeber selber bestimmen, auf welche Definition des Existenzminimums abgestellt werden und in welcher Höhe diese erfolgen soll. Den Kantonen steht die Möglichkeit offen, das Einkommen in der Höhe der blossen Existenzsicherung, d.h. der Sicherung der elementaren menschlichen Bedürfnisse wie Nahrung, Kleidung und Obdach, steuerlich freizustellen. Sie können aber auch das etwas grosszügiger berechnete betreibungsrechtliche Existenzminimum gemäss Artikel 93 des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs, das durch die Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz konkretisiert wird, oder allenfalls das noch weiterreichende fürsorgerische Existenzminimum nach den Richtlinien der SKOS als Grundlage heranziehen. Diese beiden Richtlinien haben sich in der Praxis bewährt und werden weitgehend als wegleitend anerkannt. Die darin enthaltenen Ansätze für Lebenshaltungskosten sind nach Ansicht des Bundesgerichts nicht reichlich bemessen, sie ermöglichen aber ein Leben, das über das unmittelbar Lebensnotwendige hinausgeht und auch die Pflege gewisser sozialer Kontakte erlaubt. Sie gehen damit über das bundesverfassungsrechtlich garantierte Minimum hinaus (BGE 122 I 101). Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die aus diesen Richtlinien errechneten Beträge stark von den individuellen Lebensumständen und Familienlasten im Einzelfall abhängen, so dass sie nicht unbedingt als eine allgemein gültige Grundlage für die Einkommensbesteuerung herangezogen werden können.

Auf welche Weise die Freistellung zu erfolgen hat, wird durch das StHG ebenfalls nicht vorgegeben. Den Kantonen steht somit die Möglichkeit offen, die Befreiung des Existenzminimums ­ analog zum DBG ­ durch das Zusammenwirken von Tarif und Abzügen oder etwa durch Einführung eines neuen Sozialabzuges zu erreichen.

Die gesetzliche Formulierung ermöglicht den Kantonen somit einen erheblichen Gestaltungsspielraum.

Die bisherigen Absätze 1­3 werden durch die Einführung des neuen Absatzes 1 zu den Absätzen 2­4. Ihr Inhalt bleibt unverändert.

Art. 72f (neu)

Anpassung der kantonalen Gesetzgebung an die Änderung

In der neuen Übergangsbestimmung wird den Kantonen eine Frist von drei Jahren zur Anpassung ihrer Gesetzgebung eingeräumt. Dies bedeutet, dass die Kantone

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innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten der Änderung von Artikel 11 die Steuerbefreiung des Existenzminimums in den kantonalen Steuergesetzen umsetzen müssen.

4

Auswirkungen

4.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund

Für den Bund ergeben sich keine finanziellen und personellen Auswirkungen.

4.2

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf die Kantone

Wie bereits erwähnt, ist die Spannweite der Bruttogrenzeinkommen (Einsetzen der Einkommenssteuer) in den Kantonen sehr gross. Eine zwingende Vorschrift, das Existenzminimum steuerlich freizustellen, dürfte wahrscheinlich in den meisten Kantonen zu Steuerausfällen führen. Da nicht vorausgesagt werden kann, von welcher Definition des Existenzminimums die Kantone ausgehen werden, ist nicht überprüfbar, ob die Kantone mit ihren Gesetzesbestimmungen im Bereich des Tarifs und der Abzüge dem Kriterium «Steuerbefreiung des Existenzminimums» teilweise schon nachkommen oder wenn nicht, wie viel dazu noch fehlt. Aus diesem Grund ist es der Eidgenössischen Steuerverwaltung nicht möglich, Aussagen zu den durch die Steuerbefreiung des Existenzminimums resultierenden Steuerausfällen in den Kantonen zu machen.

Es ist davon auszugehen, dass die Kantone für die Berechnung des Existenzminimums von unterschiedlichen Grundlagen ausgehen. Das Existenzminimum der steuerpflichtigen Personen dürfte daher in jedem Kanton unterschiedlich hoch ausfallen. Dies kann im Extremfall zu 26 unterschiedlichen Systemen führen.

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Die Änderungen berühren das Verhältnis zum europäischen Recht nicht.

6

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die Kompetenz des Bundes, Grundsätze der Besteuerung und der Steuerharmonisierung festzulegen, stützt sich auf die Artikel 127 und 129 der Bundesverfassung.

7546

Anhang

Beginn der Steuerpflicht in den Kantonen Lediger mit eigenem Haushalt (in Franken)

Verheirateter ohne Kinder (in Franken)

Verheirateter mit zwei Kindern (in Franken)

ZH

8 432

14 615

26 757

BE

14 615

22 907

38 365

LU

10 119

17 988

28 668

UR

13 379

13 379

22 373

SZ

4 357

8 573

22 626

Kantone/ Bund

OW

3 999

9 321

19 189

NW

11 836

21 515

30 391

GL

11 243

16 864

28 106

ZG

10 147

17 595

36 163

FR

10 948

14 465

27 396

SO

11 091

19 539

31 714

BS

13 605

25 859

40 474

BL

19 708

22 103

37 201

SH

8 039

15 628

29 118

AR

9 370

18 739

30 243

AI

4 852

8 521

17 988

SG

8 785

12 819

26 923

GR

15 740

18 289

26 306

AG

8 883

15 629

30 019

TG

13 918

26 094

38 044

TI

16 189

24 835

46 926

VD

23 110

30 745

41 754

VS

13 941

22 597

39 596

NE

9 669

15 402

23 115

GE

22 052

40 602

58 258

JU

9 558

19 114

29 794

21 923

36 426

50 591

dBSt

7547

7548