#ST#

Beilage

zu Nr. 2 des schweizerischen Bundesblattes.

Das politische Departement der schweizeri; schen Eidgenossenschaft an den schweizerischen Bundesrath.

B e r n , den 20. Februar 1849.

Tit.

Jn der Sitzung vorn 12. Februar haben Sie dem politischen Departement die Frage zur Erörterung überwiesen,

ob und in welcher Weise der Bund sich mit den Militärkapitulationen befassen könne. Diefe Angelegenheit hat durch die Ereignisse in Jtalien, durch die Konsularberichte

über die bedrohliche Stimmung gegen die Schweizer, durch die Adressen und Petitionen und durch die Heftigkeit und Energie, mit welcher die Presse auftritt, eine Bedeutung erlangt, die sie früher noch nie hatte, und die allerdings eine genaue Beachtung dieser Angelegenheit zu veranlassen geeignet ist.

Ueber das Verwerfliche und Gefährliche dieser Kapitulationen ist unter uns nur E i n e Stimme und es wäre daher eine unnütze Beschäftigung, die Angelegenheit von dieser Seite zu beleuchten. Die Krankheit ist in ihren Ursachen und Wirkungen vollständig erkannt; aber schwer dürste es sein, ein schnellwirkendes Heilmittel zu finden.

Der erste und sür mich wichtigste Gesichtspunkt ist der konstitutionelle. Es kann der Bund aus eine dreifache

Weife sich bei dieser Angelegenheit betheiligen: a. indem er direkt in die Rechte und Verpflichtungen der neun kapitulirenden Kantone eintritt und die Sache ganz als die seinige behandelt; b. indem er diesen Kantonen die Aushebung der Kapitulationen vorschreibt;

c. indem er empfehlend und unterstützend einwirkt.

Schon bei dem ersten Gesichtspunkte tritt die konstitutionelle Frage mit aller Entfchiedenheit hervor, denn um in die Rechte einzelner Kantone einzutreten, muß der Bund durch die Verfassung befngt fein. Die Grundlage für diese Erörterung bildet nun der Art. 3, wonach die Kantone souverän sind, soweit nicht diese Sonveränetät durch die Verfassung beschränkt ist, und wonach sie alle Rechte ausüben, welche nicht der Bundesgewalt übertragen sind. Wäre man nun bei der Berathnng der Revision mit Stillschweigen über diese Kapitulationen hinweggegangen, so könnte man vielleicht aus eine zwar immerhin künstliche Weise die Berechtigung des Bundes deduziren; allein jedermann weiß, daß diefer Gegenstand ausführlich

behandelt wurde, und daß das Refultat lediglich die Verpflichtung aussprach, weder von Bundes- noch von Kan-

tonswegen künftige Kapitulationen abzuschließen. Die Tagsatzung beschloß diesen Artikel mit dem vollstenBew n ß t s e i n , daß die bestehenden Kapitulationen durch die nene Verfassung nicht berührt werden, sondern auch sernerhin Sache der Kantone bleiben. Daraus folgt mit Nothwendigkeit, daß die bisherigen Kapitulationen außer dem Bereich des Bundes liegen, nnd daß somit weder der B u n d e s r a t h noch die B u n d e s v e r s a m m l u n g besagt sein kann, besehlend und zwangsweise in die Rechte der Kantone einzugreisen. Zwar hat man in neuster Zeit die Ansicht aufgestellt, daß der Bund das "un best re i tbare Recht" besitze, einzuschreiten, weil nach Art. 18 der Versassung jeder Schweizer wehrpflichtig sei, und weil die Ausübung der Wehrpflicht durch die sremden Werbnngen beeinträchtigt und beschränkt werde. Würde diese Ansicht in einer Zeitung ausgesprochen worden sein, so hielte ich sie für einen Scherz oder für einen verzweifelten

.Versuch, einen Rechtsboden zu suchen, wo keiner zn finden ist. Allein da diese Ansicht von einer Kantonsregierung dem Bnndesrath offiziell mitgetheilt wurde, so mnß ich mit einigen Worten daraus eintreten. Jch appellire vorerst an das Bewußtsein jedes Mitglieds der Révisionsfommission und der Tagsatzung, daß bei Statuirung des Art. 18 kein Mensch auch nur von serne an so etwas gedacht hat. Nach Grundsätzen der Jnterpretation ist sodann diese Ansicht durchaus unhaltbar, denn man mnß immer davon ausgehen, daß die einzelnen Artikel nicht im Widerspruch, sondern im Einklang stehen sollen, und man dars daher keinen so interpretiren, daß er mit den andern in Widerspruch käme. Dieses wäre aber der Fall, wenn man die Wehrpflichtigkeit auch aus folche Schweizer ausdehnen wollte, welche für immer oder für längere Zeit ihr Vaterland verlassen wollen. Wäre dieses der Sinn des Art. 18, so hätte man bei Art. 11 dem Bunde ossenbar wichtige Befugnisse vorbehalten, man hätte ferner ihm das Recht «inräumen follen, Auswanderungen oder auch nnr vereinzclte Reisebewilligungen zu verbieten oder zu beschränken.

Und doch sehen wir, daß während des alten Bundes, der ebenfalls die Wehrpflicht voraussetzte. Niemand daran dachte, die Werbungen zu verhindern; daß serner tausende von Schweizern sich bleibend im Auslande aushalten, und baß in neuester Zeit die Auswanderungen nicht nur nicht verboten, sondern organisirt und unterstützt werden, und zwar vorzugsweise von d e r Regierung, welche jene Ansicht ausstellte. Jch möchte nun aber fragen, welcher Un-

terschied in Bezug aus die Ausübung der Wehrpflicht vorfanden sei, ob die Schweizer sich in Neapel oder in irgend .einem andern Lande der Welt aufhalten? Endlich darf

nicht übersehen werden, daß die Kapitulationen denSchweizern dit.- Rückkehr gestatten, wenn ihr Vaterland mit Krieg

gedroht ist, und von selbst versteht es sich, daß, wenn Truppenaufgebote in naher Aussicht stehen, die Kantone, wie bisanhin, so auch fernerhin berechtigt und verpflichtet sind, wehrpflichtigen Perfonen die Abreise in's Ausland zu untersagen. Wenn also einzelne Kantone glauben, die jetzigen Verhältnisse seien von der bezeichneten Art, so wird sie der Bund nicht verhindern, jene Maßregel zu ergreisen. Allein gerechter Weise kann dieselbe nicht nur diejenigen betreffen, welche sich anwerben lassen wollen, sondern überhaupt alle, welche für längere Zeit abznreifen gedenken.

Wenn nnnldiefe Angelegenheit unzweifelhaft außerhalb der Rechtsfphäre des Bundes liegt, fo ist die Stellung, bald gegeben, welche der Bundesrath einzunehmen hat.

Jch werde nie dazu stimmen, daß die Bundesverfassung verletzt und überschritten werde, und auch dann nicht, wenn ein edler Zweck erreicht werden könnte, denn der Zweck heiligt nicht die Mittel; viel weniger werdeich da-für stimmen, daß die Bundesregierung zu einer Verfafsnngsverletzung die Jnitiative ergreife. Die Bundesverfassung ist von dem fchweizerifchen Volke nach dem gegenwärtigen und nach keinem andern Jnhalte benrtheilt und von ihm angenommen worden, und wer vermag zu beurtheilen, anf welche Weife die Voten gefallen wären, wenn die Kapitulationen wären aufgehoben worden?

Ueberhaupt muß man an den moralifchen Eindruck und an die immensen Folgen denken, welche entstehen müßten,, wenn eine Verfassung, welche kaum noch mit Acclamation angenommen wurde, fchon in den ersten Monaten ihres Dafeins von oben herab verletzt würde. Was foll in Zeiten innerer Schwäche oder Zerwürfnisse, die auch wieder kommen können, von den Kantonen nnd dem Volke gehofft, erwartet und gefordert werden, wenn ihr Ver-

trauen auf die Heilighaltnng der Verfassung so sehr und so fchnell getäufcht ist, und welche Wirksamkeit können sich die eidgenössischen Behörden für die Zukunft versprechen, wenn sie der Verfassung Achtung und Anerkennung »erschaffen follen?

Aus den gleichen Gründen ist daher auch die zweite Art der Einwirkung zu verwerfen, welche darin bestehen würde, den Kantonen die Aufhebung der Kapitulationen vorzufchreiben. Nur besteht hier noch der Unterschied, dag diese Handlungsweise ungleich härter nnd ungerechter wäre, weil man den Kantonen eine Verpflichtung, die sie nicht haben, aufladen würde, ohne ihnen den enormen Nachtheil zu ersetzen.

Nach dem dritten Gesichtspunkt frägt es sich, ob der Bund empfehlend oder unterstützend einwirken foll. Auch in diesem Fall ist vorerst unverkennbar, daß man, um einen Erfolg zu erzielen, einzelnen Kantonen Gewalt anthnn müßte, indem sich nicht annehmen läßt, daß sie bei einer bloß theilweifen Unterstützung, zur Aufhebung der Kapitulationen geneigt wären, oder daß auf der andern Seite die übrigen Kantone die Last allein tragen würden.

Es ist daher vorauszusehen, daß eine theilweife Unterstützung und Empfehlung ohne Zwang ersolglos wäre.

Dabei gebe ich sreilich zu, daß e i n z e l n e Kantone vielleicht geneigt wären, gegen eine theilweise Unterstützung die Kapitulationen auszuheben. Allein es wird wohl Niemand beantragen wollen, bedeutende Opser zu bringen, um bloß eine Reduktion jener Truppen zu bewirken. Unterstellt aber, es würde gelingen, die betheiligten Kantone mit einer Unterstützung zu gewinnen, so muß man nun der ökonomischen Frage nicht einseitig und obenhin, sondern scharf in's Angesicht fchanen, und die Opfer berechnen, welche für die Schweiz entstehen würden.

Jndem ich eine Entschädigung aller Schweizersol.-daten, jedoch nur in neapolitanischen Diensten, voraussetze,, und zwar nach dem M i n i m u m ihres Ruhegehaltes., komme ich ans folgende Berechnung: Vier Regimenter zu 1450 Mann, machen 5800 Mann; der Ruhegehalt des Soldaten ist 114 frz. Franken, was eine jährliche Summe von 661,200 Franken ausmacht.

Hiezn rechne ich W/o für die höhern Pensionen aller Grade vom Korporal bis znm Oberst und komme dann auf die Totalsumme von jährlichen 727,320 Franken.

Es ist zwar äußerst schwierig, ja unmöglich, anch nur annähernd die Summe zu bestimmen, welche man wirklich zu bezahlen hätte. Würden z. B. nnr wenige Soldaten der Rückberufung Folge geben, fo wäre die Schuld allerdings nicht groß. Allein in diesem Fall wäre ja der Zweck gar nicht erreicht. Wenn wir also das letzte wollen, so müssen wir uns die Folgen davon klar machen, und daher die Frage stellen, wie viel Entschädigung zu leisten wäre, wenn alle Truppen, oder doch der größte Theil zurückkehren würden. Nicht erheblichen Einfluß dürste der Umstand äußern, daß viele Soldaten noch keinen Anspruch auf Ruhegehalte haben, weil sie die -.Bedingung eines zwanzigjährigen, ununterbrochenen Dienstes noch nicht erfüllten. Denn man müßte sie unter dem Titel Reformgehalt dafür entfchädigen, daß man sie zwang, ihre Anssicht auf Ruhcgehalte fahren zu lassen. Unter der Voraussetzung also, daß man die Rückberusung aller Soldaten

oder des größten Theils durchsetzen könnte, dürfte die bezeichnete Summe nicht fehr zum Vortheil modiflzirt werden können, znmal, wenn man bedenkt, daß nnr die geringste Klasse der Rnhegehalte in Anfchlag gebracht wurde, während vielleicht viele fchon Anspruch auf eine höhere Klasse ljaben cder-denfelben bald erworben hätten.

Woher foll nun dieses Geld jährlich bezahlt werden?

Es ist abfolut unmöglich, diefe Ausgabe zu einem irgend erheblichen Theil aus der Bundeskasse zu beziehen, aus Gründen, die ich wohl nicht erst entwickeln muß. Die Summe müßte alfo von den Kantonen erhoben werden.

Wenn man aber die Verhältnisse ruhig und unbefangen

würdigt und nicht blindlings von einer Begeisterung sich hinreißen läßt, fo wird man sich überzeugen, daß die Beitreibung diefer Summe ebenfalls zu den Unmöglichkeiten gehört, namentlich für die Zukunft, felbst wenn man der Gegenwart einen fo begeisternden Einfluß zuerkennen follte.

Es dürften befonders auch diejenigen Kantone, welche an der Sünde einiger alten Regierungen keinen Theil haben, die Zumuthung .eines jährlichen Kontingents entfchieden von der Hand weifen; und in der That, nicht nur diesen, fondern allen könnte man es kaum verübeln, wenn man sieht, wie gefpannt überall die Finanzen sind, wie die Kantonalsteuern erhöht werden müssen, wie die Jndnstrie unter vielfachem Drucke leidet und die Armcnunterstützungen sich mehren, und wie endlich viele Kantone von den Folgen des Sonderbundskrieges fo fchwer betroffen sind, daß sie nur mit großer Mühe den gewöhnlichen ökonomifchen Anstrengnngen genügen können.

Unter folchen Umständen liegt es wohl nicht in der Stellung des Bundesrathes, einen Antrag auf Betheiligung der Kantone an die Bnndesverfamlung zu bringen, auch wenn er verfassungsmäßig dazu befugt wäre.

Man hat die Jdee einer freiwilligen Nationalsteuer angeregt. Der Bundesrath hätte kein Jnteresse einer solchen entgegenzutreten; allein da ihm kein Recht der Besteurung zusteht, so kann er nicht von sich ans verfügen, fondern eine Kollekte der Art müßte von Privaten oder Vereinen ausgehen und bedürfte vielleicht hie und da

8 der Genehmigung der Kantonsbehörden. Es ist daher nicht der Ort, über den wahrfcheinlichen Ertrag einer

solchen Kollekte einzutreten; jedoch bezweisle ich, daß derselbe sehr bedeutend ausfallen würde, wenn man die erwähnten Zustände des Landes in's Auge saßt, wenn man in Betracht zieht, daß Jtalien, welchem der größte Vortheil zufließen würde, noch keinen Kreuzer der Schweiz angeboten hat, und wenn man nicht übersieht, daß sehr wenig Sympathie dafür vorhanden fein möchte, Leuten, die dem Vaterlande ihre Kräfte entzogen und dem Dienste des Abfolntismus ihr Leben widmeten, ihre künftige Exi-

stenz zu sichern. Es ist zwar richtig, daß der Abgeordnete von Sizilien sich äußerte: "Sizilien wäre bereit, so weit feine Kräfte reichen, zu pekuniären Opfern beizutra-gen;" allein da wir aus guter Duelle wissen, daß diefes Land in der äußersten Finanznoth sich befindet, und kaum die Mittel wird aufbringen können, die großen Anstrengungen zu tragen, die feiner noch warten mögen, fo ist es wohl klar, daß man von einer fo allgemeinen Znfage gar nichts zu hossen hat, was sich wohl fofort herausstellen würde, wenn man über die erforderlichen Garantien in Unterhandlung träte.

Neben den großen finanziellen Opfern darf man endlich nicht überfehen, welche weitern Folgen eintreten würden, wenn wirklich die vier Regimenter in ihre Heimath zurückkehrten. Es muß in jeder Beziehung verderblich einwirken, wenn solche Massen ohne Berussgewohnheit, ohne regelmäßige Thätigkeit und großentheils demoralisirt in die Kantone zurückkehren würden. Auch ist leicht zu ermessen, welch' schlimme Elemente dieser Theil der Bevölkerung in politischer Beziehung enthalten würde. Denn schwerlich werden jene Truppen in langjährigem Söldnerdienste an Liebe zum Vaterland gewonnen haben, und

schwerlich werden sie geeignet fein, die liberalen Jnstitutionen desfelben zu unterstützen und zu fchirmen. -- Man hat zwar, um alle diese Uebelstände zn beseitigen, schon den Rath ertheilen gehört, jene Truppen über Meer zu kolonisiren. Allein ich muß dem Bunde das Recht bestreiten, Soldaten, wie Verbrecher, gegen ihren Willen zu deportiren und Menschen wie Waare zu behandeln, und ich glaube übrigens, daß es an jeder Macht zur Exekution fehlen würde.

Noch lohnt es der Mühe, sich die Frage vorzulegen, ob auch einige Gewißheit dafür vorhanden sei, daß Opfer, welche für die Schweiz fast unerschwinglich sind, mit einem entsprechenden Erfolge begleitet wären. Es handelt sich um die politische Freiheit von Neapel und Sizilien, die man durch die Aushebung der Kapitulationen zu erreichen glaubt; allein ich habe die Ueberzeugung, daß diese Freiheit nicht von der Abberufung von vier Regimentern abhängig ist. Sie wird bestimmt werden durch die großen politischen Sonjuncturen, deren Entwicklung Europa eutgegengcht, und wenn das monarchifche Prinzip oder gar der Absolutismus wieder sesten Fuß faßte, fo ist die Eristenz oder Nichtexistenz einiger Regimenter eine ziemlich unwesentliche Sache. Eine ganze, große Nation, welche nicht einmal diese bemeistern kann, wird schwerlich im

Stande sein, sich auf die Daner Unabhängigkeit und politische Freiheit zu sichern. Ob die jungen Republiken Rom und Toscana es vermögen, wird eine nicht serne Zukunft entscheiden.

So ist es denn leicht möglich, daß jeder dauernde Erfolg ausbleiben kann, während die Schweiz für immer rechtlich v-crpflichtet wäre, die einmal übernommenen Lasten zu tragen. Es kann daher kaum zweifelhaft fein, daß es

10 ziemlich gewagt wäre, so großartige Aufopferungen einem zweifelhaften Ziele zuzuwenden.

Wenn nun aber auch alles dieses gewagt nnd überwunden würde, so würde nach meiner Ueberzengung der Zweck dennoch n i c h t oder nur höchst unvollständig erreicht, denn wir haben weder Krast noch Mittel zur Vollziehnng. Die Schweiz kann wohl die Kapitulationen aufheben nnd die Urkunden vernichten, aber ich glaube, der größte Theil der Regimenter würde gleichwohl im Dienste bleiben. Gewohnheit des Lebens, leider auch politifche Sympathien, traurige Aussichten auf die Zukunft, Maugcl an Reifegeld und viele andere Rücksichten würden ohne Zweifel die Truppen bestimmen, in fremdem Dienste zu verharren, und der Unterschied bestünde höchstens darin, daß sie der Rechte entbehren würden, welche die Kapitnlation ihnen noch zusichert. Man hat zwar vorgeschlagen, die Soldaten, welche die Rückkehr verweigern, mit dem Verluste des Bürgerrechts zu bedrohen; allein das wäre wieder eine flagrante Verletzung der Bnndesversassnng, nach welcher keinem Schweizer das Bürgerrecht entzogen werden kann. (Art. 43.) Anch dieser Vorschlag beweist

wieder, wie leichtsinnig und rücksichtslos in dieser Angelegenheit geeifert wird. Der Verbuch wäre daher aller Wahrscheinlichkeit nach ein durchaus ohnmachtiger und kaum geeignet, die Autorität unsers Landes und unsrer Verfassung zu unterstützen. Der einzige Vortheil bestünde darin, daß der Zorn und Abscheu nicht mehr gegen die Schweiz, sondern nnr gegen die Truppen sich richten könnte. Für die Sache der'Freiheit aber wäre wenig gewonnen.

Daher beantrage ich in erster Linie zu beschließen: ,,Die Bundesbehörden seien nicht kompetent, die be,,stehenden Kapitulationen aufzuheben und es liege daher

11 ,,nicht in der Stellung des Bnndesraths, dießfällige An,,träge zu hinterbringen."

Bei obiger Darstellung habe ich absichtlich keine Rücksicht auf den Satz genommen, daß es dem Schweizer gezieme, fein gegebenes Wort zu halten, denn es läßt siel) manches anführen, das geeignet ist, die moralische Bedentung desselben in vorliegendem Fall zu schwächen. So läßt sich z. B. anführen, daß solche Verträge ans Jmmoralität beruhen und schon darum keinen rechtlichen Schutz verdienen; daß sie serner die Vortheile und Nachtheile sehr einseitig auffassen, und daß endlich, wie die Geschichte beweise, von den fremden Staaten solche Kapitulationen gebrochen worden seien, so oft es ihnen konvenirt habe.

Jch erwähnte jenes Satzes ferner darum nicht, weil die Schweiz kein Wort gegeben, folglich auch keines zu halten hat. Es ist daher Sache der betreffenden Kantone, in

Erwägung zu ziehen, in wie weit sie bei jetziger Sachlage sich rechtlich und moralisch für verpflichtet erachten, diefe Verträge fortdauern zu lassen. Ueberhaupt ist es klar, daß diefer Gegenstand zunächst Sache der betreffenden Kantone ist, und daß daher wenigstens gewärtiget werden sollte, welche Anregungen, Vorschläge und Anerbietungen von ihnen ausgehen werden. Daher ist es sehr auffallend, daß die Preffe sich sortwährend an die Bundesbehörden adressirt, statt da anzuklopfen, wo zuerst aufgethan werden follte; denn ohne den freien Willen und ohne ein bedeutendes Entgegenkommen jener Kantone befindet sich der Bund am allerwenigsten in der rechtlichen Stellung, handeln zu können. Die Wirksamkeit der Bundesbehörden kann daher für einmal höchstens fo weit gehen, jene Kantone auf das Bedenkliche der gegenwärtigen Lage aufmerkfam zu machen, und sie einzuladen, in Betracht zu ziehen, ob und unter welchen Vorausfetzungen die Kapitulationen

12

aufgehoben oder modisizirt und ob nicht Maßregeln zur Erschwerung oder Suspension der Werbungen getrossen ·werden können. Sie dürsten in dieser Beziehung auf verfchiedene Verhältnisse aufmerksam gemacht werden, wovon ich z. B. solgende erwähne: 1) Jene Kantone sollten ernstlich in Erwägung ziehen, ob ihr Mitkontrahent, die Regierung von Neapel, ihrerfeits den Vertrag gehalten habe, ob nicht viele Zusagen bloß auf dem Papier stehen, ohne in der Wirklichkeit erfüllt zn werden; und ob namentlich die Begünstigungen im Handel und Verkehr gewährt worden feien, welche der Zufatzartikel in den Kapitulationen verheißt.

2) Die Gefetzgebung der Kantone kann vielleicht manches thun, um den Erfolg der Werbungen zn erschweren; so z. B., daß sie von den Dienstnehmenden vorerst gewisse Leistungen als Aequivalent sür das Verlassen des einheimischen Dienstes oder gewisse Garantien

dasür sordert, daß dieselben künstig nicht den Gemeinden zur Last fallen.

3) Endlich dürften auch moralifche Einwirkungen auf die Bevölkerung und die dienstfähige Mannfchaft nicht erfolgslos fein, in der Meinung, daß die Regierungen auf geeignete Weife auf das Unehrenvolle, Unvaterländische und die ganze Zukunft der Soldaten Gesährdende dieses Söldnerdienstes hinweisen würden.

Wenn der Bnndesrath überhaupt etwas in der Sache thnn will, so trage ich in zweiter Linie daraus an, daß der Gegenstand in diefem Sinn bei jenen Kantonen angeregt werde.

Für das politifche Departement der Eidgenoffenschast: Dr. Fnrrer.

13 Der B u n d e s r a t h hat am 23. Hornung 1849 nach

Anhörung des vorstehenden Berichts und einläßlicher Berathung b e f c h l o f f e n : ,,Die Bnndesbehörden feien nicht kompetent, die be,,stehenden Kapitulationen aufzuheben, und es liege daher

"nicht in der Stellung des Bundesrathes, dießfällige An,,träge zu hinterbringen."

Der schweizerische Bundcsratb an das konigî lich-'sardinischc Ministerium der äußern Angelegenheiten.

Bern, den 26. Februar 1849.

Tit.

Die königlich fardinifche Regierung fand sich bewogen,.

mittelst Note vom 10. Februar h. a. unter Berufung auf die althergebrachten, freuudschastlichen Verhältnisse Sardimenò und der Schweiz, fowie auf die großen Vortheile, welche für die letztere daraus herfließen, Befchwerde zu führen über die Schlnßnahme des Bundesrathes, wonart) lombardifche Flüchtlinge, die mit piemontesischen Pässen versehen sind, sich nicht im Kanton Tessin aufhaltet, dürfen. Die königliche Regierung erblickt in dieser Maßregel nicht nur eine sehr ernstliche Störung jener sreundnachbarlichen Verhältnisse, sondern anch eine rechtswidrige und die neutrale Stellung der Schweiz überschreitende Nichtanerkennung der sardinischen Landeshoheit über die Lombardei, woraus die Schweiz die Folgerung herleite, daß den sardinischen Pässen, welche für Lombarden ansgestellt werden, nicht diefelbe rechtliche Wirksamkeit ge*

14 .óuhre, wie den Pässen der andern fardinischen Unterthanen. Jndem, hierauf gestützt, die königliche Regierung

verlangt, daß diese Beschwerde als begründet erklärt werde, wünscht sie, nicht in den Fall zn kommen, die Handels- und Verkehrsverhältnisse beider Länder zum Nachtheil der Schweiz unterbrechen zu müssen.

Der Bundesrath anerkennt gerne den großen Werth, welchen ein freundschaftliches Verhältniß benachbarter Staaten darbietet und er erlaubt sich, anbei die Anficht auszusprechen, daß ein folches Verhältniß keineswegs nur dem einen Lande Vortheile verschaffe, sondern im wohlverstandenen Jmeresse beider Länder liege. Er wird daher keine Maßregel ergreifen, welche einem befreundeten Staate die rechtlich begründete Veranlassung darbieten könnte, eine Störung der internationalen oder vertragsmäßigen Verhältnisse anzuordnen.

Aus der Motivirung, welche der königlich-sardinischen Beschwerde vom 10. Februar zu Grunde liegt, muß der Bundesrath mit Bedauern entnehmen, daß die SSeurtheilung seiner Maßregel, betreffend die mit sardinischen Pcisscn versehenen lombardischen Flüchtlinge, ans einer ganz nnrichtigen Auffassung beruht, und er erlaubt sich daher Ew. Excellenz die Aufschlüsse zu ertheilen, welche geeignet sind, sowohl jene Maßregel selbst als die Ansicht des Bundesrathes im wahren Lichte darzustellen.

Die große Anhäufung der lombardischen Flüchtlinge im Gränzkantone Tessin vcranlaßte die schweizerische Bundesversammlung zu dem Beschlüsse, daß einstweiïen keine solchen Flüchtlinge sich dort aufhalten dürfen, weil die Erfahrung bewies, daß es denselben nicht um ·ein ruhiges Asyl, sondern um beständige, seindsclige Angriffe ans die Lombardei zu thun fei. Diesen Beschluß .muß der Bundesrath in seinem ganzen Umfange voll-

15 ziehen und er kann daher pflichtgemäß nicht zugeben, daß

die lombardifchen Flüchtlinge gleichwohl dem Kanton Tessin zuströmen, wenn es ihnen gelingt, »on irgend einem Staate Pässe zu erhalten. Das allein ist der Zweck nnd die Bedeutung jener Maßregel. So wenig die Schweiz gestatten würde, daß eine Masse Oesterreicher, wenn auch mit den regelmäßigsten Pässen versehen, sich im Kanton Tessin aufhalten, um von dort aus Sardinien zu beunruhigen, eben fo wenig kann sie umgekehrt zugeben, daß lombardifche Flüchtlinge sich dort sammeln, nm die Lombardei anzugreifen nnd es kann in diefer Hinsicht gar nicht in Betracht kommen, ob diefelben Pässe von irgend einem Staate oder gar keine folchen besitzen. Der Befchluß des Bundesraths beschränkt sich also einerseits auf den Aufent-

halt der lombardischen Flüchtlinge in den zwei Grenzkantonen Tessin und Granbünden, und anderseits dehnt er sich aus auf die Pässe aller Staaten, fofern dieser Aufenthalt damit erzweckt werden follie.

Aus dem Gefügten werden Ew. Excellenz erfehen, daß die vom Bundesrath getrossene Maßregel eine ganz beschränkte und exceptionelle ist, geboten durch die neutrale

Stellung der Schweiz und die gegenwärtige Lage Oberitaliens, nnd daß dieselbe in keiner Weife zufammenhängt mit der Anerkennung oder Nichtanerkennung von Pässen oder andern Erlassen der fardinifchen Landeshoheit, indem die Pässe aller Staaten für den bezeichneten Zweck auf gleiche Weife behandelt würden. Es konnte dem Bundesrath nicht beifallen, sich bei Gelegenheit jener Pässe über die rechtliche Bedeutung des seiner Zeit erklärten Anschlusses der Lombardei an Sardinien anszusprechen. Denn einerseits hat er nach der Bundesverfassung nicht die Eompetenz, die Existenz oder Gebietsverändernng eines fremden Staates anzuerkennen, indein^ dieses Sache der obersten Bundes-

16 iehövde ist, anderseits hat er nach den gegenwärtigen saktischen Verhältnissen nicht nur keine Veranlassung dazu, sondern er glaubt, der weitern Entwicklung derselben, geschehe sie durch friedliche Unterhandlung oder durch das Schickfal des Krieges, könne die Schweiz nicht vorgreifen, ohne aus ihrer neutralen Stellung gänzlich herauszutreten.

Diefe Erläuterungen werden genügen, um zu zeigen, daß jene Maßregel in keiner Beziehung eine rechtswidrige ist, und der Bnndesrath spricht daher die Erwartung aus, daß die königlich sardinische Regierung sich mit dieser Auffassnng der Sache befreunden könne, ohne ihrem Rechte oder ihrer Würde irgend etwas zu vergeben.

Wenn der Bundesrath über die am Schlüsse der Note beigefügte Drohung der Unterbrechung der Verketjrsverhältnisse mit Stillschweigen hinweg geht, so geschieht es nur in der

Voraussetzung, daß die königlich sardinische Regierung eine solche Sprache nicht geführt hätte, wenn ihr die Motive jener Maßregel im wahren Lichte vorgelegen hätten. Er wird übrigens mit derjenigen Ruhe, welche das Bewußtsein des Rechts und gewissenhafter Pflichterfüllung einflößt, die weitern Entfchließungen gewärtigen, sich jederzeit vorbehaltend, das zu thun, was die Ehre der schweizerischen Nation erheischt.

(Schluß und Unterschristen.)

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Beilage zu Nr. 2 des schweizerischen Bundesblattes.

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1849

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

02

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

28.02.1849

Date Data Seite

72-72

Page Pagina Ref. No

10 000 007

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.