06.044 Botschaft über ein Doppelbesteuerungsabkommen mit der Republik Aserbaidschan vom 13. September 2006

Sehr geehrte Herren Präsidenten Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit dem Antrag auf Zustimmung den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung des am 23. Februar 2006 unterzeichneten Abkommens mit der Republik Aserbaidschan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

13. September 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

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Übersicht Am 23. Februar 2006 wurde mit Aserbaidschan ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen unterzeichnet.

Dieses Abkommen bietet Personen mit steuerlichen Bezugspunkten zu beiden Staaten und speziell den investierenden Unternehmen neben der Beseitigung der Doppelbesteuerung auch einen gewissen steuerlichen Schutz. Es begünstigt neue Investitionen und stellt zudem sicher, dass die schweizerischen Unternehmen gegenüber ihren Konkurrenten aus anderen Industriestaaten keine steuerlich bedingten Wettbewerbsnachteile erleiden.

Das Abkommen folgt im Wesentlichen dem Musterabkommen der OECD und der schweizerischen Abkommenspraxis. Bezüglich der Besteuerung von Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren konnten die von der Schweiz angestrebten Lösungen grösstenteils verwirklicht werden. Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben den Abschluss des Abkommens begrüsst.

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Botschaft 1

Grundzüge des Abkommens

1.1

Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Nach dem Zerfall der Sowjetunion erlangte Aserbaidschan 1991 seine Unabhängigkeit als souveräner Staat. Seit Oktober 2003 steht das Land unter der Präsidialherrschaft von Präsident Ilham Aliyev. Das Land zählt ca. 8,3 Millionen Einwohner und umfasst eine Fläche von 86 600 km2.

Aserbaidschan verfügt über bedeutende Öl- und Gasvorkommen, welche die Hauptträger des gegenwärtig bei über 20 % liegenden jährlichen Wirtschaftswachstums und wichtigste Einnahmequelle des Staatshaushalts sind. Das Bruttoinlandprodukt betrug im Jahr 2005 insgesamt 12,6 Milliarden US-Dollar.

Seit dem 1. August 2001 ist zwischen der Schweiz und Aserbaidschan ein Abkommen über Handel und wirtschaftliche Kooperation in Kraft. Gleichzeitig mit der Unterzeichnung des Doppelbesteuerungsabkommens wurden auch ein Investitionsschutzabkommen und ein Rahmenabkommen für technische, finanzielle und humanitäre Zusammenarbeit unterzeichnet.

Der bilaterale Handelsaustausch bewegt sich auf bescheidenem Niveau: Schweizerischen Exporten im Wert von 41,7 Millionen Franken standen im Jahr 2005 Einfuhren von 12,2 Millionen Franken gegenüber. Die Schweiz führt vor allem Maschinen aus. Die Einfuhr besteht vorwiegend aus Bijouterieartikel. Einige schweizerische Unternehmen sind zudem mit Vertretungen und Direktinvestitionen in Aserbaidschan präsent.

Aserbaidschan gehört in den Bretton-Woods­Institutionen (Internationaler Währungsfonds und Weltbank) derselben Stimmrechtsgruppe wie die Schweiz an. Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit unterstützt die Schweiz gewisse Projekte in Aserbaidschan und leistet Finanzbeihilfen direkt und über internationale Institutionen.

Nach zwei Verhandlungsrunden konnten am 24. Juni 2003 in Baku der Entwurf eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen und ein zugehöriger Protokollentwurf paraphiert werden.

Nachdem die Kantone und die interessierten Wirtschafskreise sich gegenüber dem Abkommen zustimmend geäussert hatten, wurde das Abkommen samt Protokoll am 23. Februar 2006 in Baku unterzeichnet. Mit diplomatischen Noten vom 6. Juni 2006 resp. 4. Juli wurde der deutsche Abkommenstext mit dem englischen Text in Übereinstimmung gebracht.

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1.2

Würdigung

Dieses Abkommen folgt weitgehend dem OECD-Musterabkommen und entspricht der schweizerischen Abkommenspraxis. Es konnten Lösungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vereinbart werden, die für die Schweiz und für die schweizerische Wirtschaft im bilateralen Verhältnis eine tragfähige Grundlage abgeben und mögliche steuerliche Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Staaten, welche mit Aserbaidschan ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen haben, beseitigen.

In einigen Punkten musste der besonderen Situation Aserbaidschans als junger, in einer Transformationsphase stehender Staat Rechnung getragen werden. Insgesamt schafft das Abkommen Rechtssicherheit und bringt für die Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen wesentliche Vorteile. Es ist geeignet, zur Förderung schweizerischer Direktinvestitionen in Aserbaidschan beizutragen.

2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln des Abkommens

Das Doppelbesteuerungsabkommen folgt sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht weitgehend dem von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erarbeiteten Musterabkommen sowie der schweizerischen Vertragspraxis auf diesem Gebiet. Wir beschränken uns deshalb im Folgenden darauf, zentrale Merkmale des Abkommens hervorzuheben und die wesentlichsten Abweichungen vom Musterabkommen bzw. von der schweizerischen Vertragspraxis zu erläutern.

Art. 2

Unter das Abkommen fallende Steuern

Der sachliche Geltungsbereich des Abkommens umfasst die Steuern auf dem Einkommen und dem Vermögen.

Art. 5

Betriebstätten

Bei Baustellen, Montagen und Installationen sowie zugehörigen Überwachungstätigkeiten wird eine Betriebstätte begründet, wenn diese Tätigkeit länger als 12 Monate dauert.

Eine Betriebstätte liegt auch vor, wenn ein Unternehmen eines Vertragsstaats innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten während 6 oder mehr Monaten Dienstleistungen im anderen Vertragsstaat erbringt.

Art. 7

Unternehmensgewinne

Das Abkommen folgt dem im OECD-Musterabkommen festgelegten Grundsatz, dass eine Betriebstätte nur für diejenigen Gewinne besteuert werden darf, die ihr zugerechnet werden können.

Art. 9

Verbundene Unternehmen

Beide Seiten einigten sich darauf, in Absatz 3 die Befristung für die Vornahme von Gewinnberichtigungen auf fünf Jahre festzulegen, vorbehalten bleiben Fälle von Betrug oder vorsätzlicher Unterlassung.

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Art. 10

Dividenden

Im Beteiligungsverhältnis wird die Steuer zu Gunsten des Quellenstaats auf 5 Prozent begrenzt, wenn die Beteiligung mindestens 20 Prozent des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft ausmacht und die im Quellenstaat getätigten Investitionen eine Summe von insgesamt mindestens 200 000 US-Dollar oder denselben Wert in einer anderen Währung erreichen. In allen anderen Fällen beträgt sie höchstens 15 Prozent.

Art. 11

Zinsen

Die Quellensteuer auf Zinsen wird vorbehältlich der nachstehenden Spezialregelungen allgemein auf 10 Prozent begrenzt.

Keine Quellensteuer wird erhoben auf Zinsen, ­

die an den anderen Staat oder dessen politische oder administrativ-territoriale Unterabteilungen oder eine lokale Körperschaft oder die Zentralbank ausgerichtet werden;

­

wenn das zugrunde liegende Darlehen durch den anderen Staat, dessen Zentralbank oder eine im Eigentum dieses Staates stehende oder von diesem kontrollierte Institution garantiert oder versichert worden ist;

­

wenn das zugrunde liegende Darlehen einen Verkauf von industriellen, kommerziellen oder wissenschaftlichen Ausrüstungen auf Kredit betrifft.

Der Quellensteuersatz beträgt maximal 5 Prozent auf Zinsen, ­

wenn das zugrunde liegende Darlehen einen Kreditverkauf von Waren eines Unternehmens an ein anderes Unternehmen betrifft;

­

wenn ein Bankdarlehen vorliegt.

Art. 12

Lizenzgebühren

Der Quellensteuersatz auf Lizenzgebühren wird im Zusammenhang mit Patenten, Mustern und Modellen, Plänen, geheimen Formeln oder Verfahren oder für die Mitteilung gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Erfahrung auf 5 Prozent begrenzt, in allen anderen Fällen auf 10 Prozent.

Ziffer 5 des Protokolls stellt klar, dass Vergütungen für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung von gewerblichen, kaufmännischen oder wissenschaftlichen Ausrüstungen (Leasing) unter Artikel 7 (Unternehmensgewinne) fallen.

Art. 13

Gewinne aus der Veräusserung von Vermögen

Das Abkommen sieht ein Besteuerungsrecht des Belegenheitsstaates bei der Veräusserung von Beteiligungen an Gellschaften vor, deren Vermögen unmittelbar oder mittelbar zur Hauptsache aus in diesem Staat gelegenem unbeweglichen Vermögen besteht.

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Art. 14

Selbständige Arbeit

Als zusätzliches Kriterium für eine Besteuerung im Arbeitsortstaat wurde ein Aufenthalt von insgesamt mehr als 183 Tagen innerhalb einer Zwölfmonatsperiode, welche in einem Steuerjahr beginnt oder endet, aufgenommen.

Art. 18 und 19

Ruhegehälter und öffentlicher Dienst

Entsprechend der schweizerischen Abkommenspraxis wurde in Ziffer 6 des Protokolls ausdrücklich festgehalten, dass die Artikel 18 und 19 des Abkommens auch auf Kapitalleistungen Anwendung finden.

Art. 21

Andere Einkünfte

Das Abkommen enthält für die anderen Einkünfte eine Zuteilungsregel zu Gunsten des Ansässigkeitsstaates des Empfängers. Quellensteuern auf Spiel- und Lotteriegewinnen werden der schweizerischen Abkommenspraxis folgend vom Anwendungsbereich des Abkommens ausgeschlossen.

Art. 23

Vermeidung der Doppelbesteuerung

Aserbaidschan vermeidet die Doppelbesteuerung mittels der Anrechnungsmethode.

Die Schweiz wendet wie üblich die Befreiungsmethode mit Progressionsvorbehalt an und gewährt für die nicht rückforderbaren Quellensteuern auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren die pauschale Steueranrechnung. Ferner ist festgehalten, dass Dividendeneinkünfte schweizerischer Unternehmen aus aserbaidschanischen Quellen dieselbe steuerliche Entlastung geniessen wie Dividendeneinkünfte aus schweizerischen Quellen.

Art. 24

Gleichbehandlung

Die Gleichbehandlungsklausel erstreckt sich ungeachtet des sachlichen Geltungsbereichs auf sämtliche Steuern der Vertragsstaaten.

Art. 26

Informationsaustausch

Das Abkommen enthält eine Auskunftsklausel, wie sie bereits mit anderen Nichtmitgliedstaaten der OECD vereinbart worden ist. Der Austausch ist beschränkt auf Informationen, welche für die Durchführung der Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens notwendig sind. Die übermittelten Informationen dürfen nur für die Veranlagung und den Bezug der vom Abkommen erfassten Steuern verwendet werden. Ausgeschlossen ist der Austausch von Informationen, die ein Handels-, Geschäfts-, Bank-, Industrie- oder Berufsgeheimnis oder ein Geschäftsverfahren betreffen.

Art. 28

Inkrafttreten

Das Abkommen tritt 30 Tage nach dem Empfang der späteren der beiden Notifikationen in Kraft. Die Bestimmungen des Abkommens sind hinsichtlich der Einkünfte, die der Quellensteuer unterliegen, erstmals am oder ab dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten folgenden Jahres sowie hinsichtlich der übrigen Steuern für Steuer-

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jahre, die am oder nach dem l. Januar des auf das Inkrafttreten folgenden Jahres beginnen, anwendbar.

3

Finanzielle Auswirkungen

In einem Doppelbesteuerungsabkommen verzichten beide Vertragsstaaten auf gewisse Steuereinnahmen. Für die Schweiz ergeben sich Einbussen durch die teilweise Rückerstattung der Verrechnungssteuer und durch die Anrechnung der Steuern, die in Aserbaidschan auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren gestützt auf die Artikel 10, 11 und 12 erhoben werden. Da aserbaidschanische Investitionen in der Schweiz bisher kaum getätigt wurden, dürften die Einbussen nicht wesentlich ins Gewicht fallen. Die durch den Bundesratsbeschluss vom 22. August 1967 verankerte pauschale Steueranrechnung wird eine gewisse Belastung der schweizerischen Steuerhoheitsträger nach sich ziehen. Mangels geeigneter Unterlagen kann deren Ausmass jedoch nicht geschätzt werden.

Im vorliegenden Abkommen konnten mit Aserbaidschan Lösungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vereinbart werden, die für die Schweiz und für die schweizerische Wirtschaft im bilateralen Verhältnis eine tragfähige Grundlage abgeben und mögliche steuerliche Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Staaten, welche mit Aserbaidschan ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen haben, beseitigen.

Insgesamt bringt das Abkommen für die Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen wesentliche Vorteile, und es ist geeignet, zur Förderung schweizerischer Direktinvestitionen in Aserbaidschan beizutragen. Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben seinen Abschluss begrüsst. Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass Doppelbesteuerungsabkommen in erster Linie im Interesse der Steuerpflichtigen abgeschlossen werden und dass sie ganz allgemein zur Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit beitragen, was ein Hauptanliegen der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik darstellt.

4

Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage für dieses Abkommen ist Artikel 54 der Bundesverfassung (BV), der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV zuständig für die Genehmigung des Abkommens. Das Abkommen ist zwar auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Es sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstehen seit dem 1. August 2003 die Staatsverträge, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes gilt eine Bestimmung eines Staatsvertrages dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt.

Im Sinne der Entwicklung einer gangbaren Praxis zur neuen Ziffer 3 von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV und um die wiederholte Unterstellung gleichartiger Abkommen unter das Referendum zu vermeiden, hat der Bundesrat in seiner Bot7909

schaft vom 19. September 2003 zum Doppelbesteuerungsabkommen mit Israel festgehalten, dass er dem Parlament Staatsverträge, die im Vergleich zu früher abgeschlossenen Abkommen keine wichtigen zusätzlichen Verpflichtungen für die Schweiz beinhalten, auch in Zukunft mit dem Vorschlag unterbreiten werde, diese dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nicht zu unterstellen. Zwar enthält das vorliegende Abkommen rechtsetzende Bestimmungen, doch beschränken sich diese auf die Eingrenzung der Besteuerungsbefugnisse der Schweiz, ohne zusätzliche steuerliche Verpflichtungen zu schaffen. Im Weiteren entspricht der Inhalt des Abkommens der schweizerischen Politik auf dem Gebiet der Vermeidung der Doppelbesteuerung. Der Bundesbeschluss über das Abkommen mit Aserbaidschan unterliegt daher nicht dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV.

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