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Kreisschreiben an die

bei der Kapitulation mit dem König von Neapel betheiligten Kantone.

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t h an die Regierungen der hohen Stände Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Freiburg, Solothurn, Graubünden und Wallis.

Bern, den 10. September 1849.

Getreue, liebe Eidgenossen!

Mit Zuschrift vom 29. v. M. macht uns die Regierung von Bern darauf aufmerksam, daß, wie sie aus zuverlässigen Ouellen vernommen habe, in Como eine Art von Werbbüreau sur die Schweizerregimenter in Neapel sich gebildet habe, welchem von der Schweiz aus Rekruten unter der Hand zugewiesen werden; namentlich geschehe dieses von Bern ans mit deutschen Flüchtlingen. Sie habe daher bereits Einleitungen getroffen, um den Verwaltungsrath des Bernerregiments zu feiner Pflicht zurückzuführen, indem durch derartige Umgehung des betreffenden Bundes-

beschlusses der Zweck desselben, nämlich die Aufhebung.

der Werbung, so lange vereitelt würde, als nicht die Verwaltungsräthe der vier Regimenter unter ihrer Verantwortlichkeit zur Nachachtung des Bundesbefchlusses veranlaßt werden.

Der Bundesrath findet, daß, wenn auch das erwähnte Dekret vom 20. Juni l. J. nur die Anwerbungen im Gebiete der Eidgenossenschaft untersagt, es wohl im Sinn

und Geiste der dießfälligen Verhandlungen gelegen habe,

526 daß das Anwerben von Schweizern überhaupt für ansländische Dienste verhindert werden solle, soweit es den

schweizerischen Behörden wenigstens möglich ist.

Daher ergehet an Euch, getreue, liebe Eidgenossen, hiemit die Einladung, dem Verwaltungsrath Eueres Regiments in Neapel, oder des Regiments bei welchem Euer Kanton betheiligt ist, die Aufforderung zukommen lassen zu wollen , bei seiner Verantwortlichkeit das Anwerben von Schweizern überhaupt, wo es immer geschehen möge, einzustellen.

Anbei ergreisen wir den Anlaß, Euch, getreue, liebe Eidgenossen, nebst uns in Gottes Obhut getreulich zu empfehlen.

(Folgen die Unterschriften.)

Mittheilungen verschiedener Art.

H a n d e l s b e r icht e.

Dem schweizerischen Handelsstand ist es unzweifelhaft

bekannt, daß feit längerer Zeit (1846) fchweizerifche Fabrikate, geringere Gewebe von Schafwolle, von Baumwolle und Leinen, ohne alle Gebühr nach England geführt und dem Verbrauch übergeben, fo wie, daß dieselben auch in Konkurrenz mit englischen Waaren wieder von dort ausgeführt werden können, während dem, fobald sie zngeschnitten, oder zu Kleidern, Beinkleidern, Hemden u. f. w.

verarbeitet sind, die gleichen Gewebe eine Gebühr von

527 zehn Prozent von ihrem Werth Eingang bezahlen und nur mittelst Niederlagshäusern (Entrepo1) wieder ausgeführt werden können. Immerhin gewährte der englische Zolltarif von 1846 der Schweiz den Vortheil, daß er ihrer Industrie nicht nur den Markt von England öffnete, sondern ihr von dort aus auch alle übrigen Theile der

Welt zugänglicher machte, wenn die nach England gebrachten Waaren dort den gewünfchten Absatz nicht fanden, und zwar zu den mäßigen Gebühren, denen alle fremden Waaren unterworfen sind. Die neue Schifffahrtsakte wird diesen Transithandel unstreitig noch mehr fördern.

Weniger gekannt sind die Handelsverhältnisse mit dem Norden, und man kann jetzt nicht mehr, wie diefes in früheren Jahren der Fall war, sich mit dem Gedanken trösten, daß Waaren, die anderwärts unverkäuflich wurden, für den Norden noch gut feien. Der Geschmack hat sich in jenen Ländern wesentlich verbessert, so wie die eigene Industrie gehoben.

Wenn z. B. sur Schweden und Norwegen sast kein Schweizerartikel mehr große Bedeutung hat als der Käse, so reduziren sich für Rußland die schweizerischen Einfuhrartikel auf vier oder fünf, und alle übrigen kommen nur in kleinen Mengen oder gar nicht dorthin.

Der wichtigste dieser Artikel ist die Uhrmacherei, und er wird noch lange blühend bleiben, nngeachtet aller Anstrengungen Frankreichs und Englands, denselben an sich zu ziehen. Niemand versteht es wie die Schweizerfabrikanten, den Gefchmack des Landes zu treffen, und die vorzüglich bei den Orientalen sehr beliebten englischen Formen nachzuahmen unter Gestattung sehr mäßiger Preise.

Ließen auch die Ergebnisse der letzten Jahre zu wünschen

528 übrig, so lag dieses mehr in der allgemeinen Stockung der Geschäste, als in einer Vermindernng wegen sremder Konknrrenz.

Die Seidenbänder von Basel werden immer einen schönen Zweig der Einfuhr nach Rußland bilden, und den französischen, ihrer wohlfeilern Preise wegen, stets Konkurrenz machen.

Aber ein Handelsartikel, der für Rußland einen hohen .Grad von Wichtigkeit erhalten kann, besteht in den Seidenstoffen. Unsere faconnirten Taffte, Marceline u. f. w. finden zu niedrigeren Preisen als die französischen einen guten Absatz, aber wenn die Schweizerfabriken sich auf schwerere Gewebe verlegen wollten, wie Moiré, brochirten Satin u. s. w., so ist nicht daran zu zweifeln, daß dieselben in Rußland und besonders in Moskau einen der günstigsten Einfuhrzweige bilden würden.

Dann wird der Schweizerkäse immer in ziemlich bedeutender Menge nach Rußland eingeführt; allein feitdem eine große Anzahl Schweizer das Vaterland verlassen hat, um diese Industrie anderwärts auszuüben, wie dieses denn auch ganz besonders in Rußland geschieht, sei es daß sie Ländereien pachten, fei es daß sie bei einem Güterbesitzer in Dienst treten , -- hat die Einfuhr

diefes Artikels im Verhältniß zu den russischen Erzeugnissen abgenommen, welch letztere, wenn auch weit entsernt, die Vollkommenheit der nnsrigen zu besitzen, doch ihres niedrigen Preises wegen in großer Menge verkauft werden.

Endlich verdient, weniger der Menge der Einfuhr als

des Umstandet wegen, daß der Artikel fast ausschließlich aus der Schweiz kömmt, das feine Strohgewebe noch der Erwähnung.

52.)

Von einiger Bedeutung könnten noch werden : Medizinalkräuter, gedörrtes Obst und Schaumwein, für diesen lederen aber nur bei wohlfeilem Preise; denn es wird

in Rußland selbst ziemlich viel Champagner nachgemacht.

Von noch größerer Wichtigkeit könnte das Kirschwasser und Wermuthextrakt (Extrait d'absynthe) werden, wenn die Erlaubniß zur Einfuhr erwirkt werden kann.

Direkte Warenbezüge aus Rußland für die Schweiz sind felten und kommen etwa für Stearin vor, sonst wendet

sich der Handel lieber an näher gelegene Bezugsplätze, die ihm die russischen Produkte zur Auswahl darbieten.

Die russische Industrie hat große Fortschritte gemacht und in mehr als einem Zweig ihre Lehrmeister erreicht.

So gewinnt man jetzt eine recht ordentliche rohe und

gesponnene Seide. Die Schafwolle läßt nichts zu wünschen übrig, alle Arten von Leder und Maroquin werden vortrefflich verfertigt, felbst das feine Handschuhleder bereitet ein Fabrikant in St. Petersburg ganz gut.

Seife aller Art, bis auf die feinste Toilettenseife, wird in Petersburg namentlich fehr gut und äußerst billig dargestellt.

Baumwollspinnereien und Webereien mehren sich und die Konknrrenz bringt gute Produkte und mäßige Preise zuwege.

Leinwand wird in Riga gleich der holländischen und 75% wohlfeiler verfertigt. Zwilch und gebildete Leinwand gelten von 28 bis 60 Kopeken (1 Kopek = 0,27 Btz.) die Arfchine (2 Fuß, 3 Zoll und 7 Linien eidgenössisch).

Wollentuchfabriken zählt Rußland gegen zweihundert, doch sind seine Tücher noch ein Einsuhrartikel. Gewöhnliche Tücher werden sehr gut gemacht und in Canton zieht man die Bunde...blatt I. Bd. II.

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530 Tücher aus der Fabrik Novikoff in Moskau den englischen vor.

Die Fabrikation feinerer Baumwollenstoffe wurde meist durch Schweizer eingeführt, so von Schngart von Schaffhausen, Lutsch.) von Mollis, M. Weniger von St. Gallen, welch letzterer die Tüllfabrikation in St. Petersburg auf einen ziemlichen Grad der Vollkommenheit brachte.

Halbsammt, Plüsch, wird sehr viel für China verfertigt.

Sensen liefert Moskau in guter Qualität zu 45 Kopeken das Stück. Die Eifen- und Stahlwerke sind überhanpt berühmt und treffliche Messer gelten 60, Scheeren 70, Federmesser 90 Kopeken das Dutzend. Messer zu 4, 6, 71/2 Rubel das Dutzend, lassen nichts zu wünschen übrig und werden nach der Türkei, nach Asien und nach Polen ausgeführt. Jn Pavlovo werden unter anderm Vorlegschlösser aller Art und Größe gemacht, solche von denen 48 Stück auf den Solotnik (-4./.., Gramm) gehen und die zu Zierrathen für Ohrenringe und Halsketten dienen,

bis zu solchen, wo das Stück 52 Pfund (21 Kilogramme) wiegt.

Pferdhaarbüfche , blecherne emaillirte Zuckerstocksormen, Rohr- und Runkelrübenzucker, Hydromel, Sens, werden in trefflicher Qualität verfertigt und theilweife ausgeführt.

Weniger gedeiht die Papierfabrikation ans Mangel an Lumpen.

Die im letzten Monat Juni in Petersburg stattgehabte Ausstellung russischer Jndustrieprodukte war höchst interes-

sant und zeigte dem Ausland, daß es nicht zurückbleiben darf, wenn seine Einfuhr nach Rußland nicht stocken soll.

Jm Interesse des Handels auf dem schwarzen Meere wurden die Privilegien Odessas als Freihasen, welche am

531 15. August dieses Jahres zu Ende gingen, aus weitere fünf Jahre verlängert, jedoch mit der Beschränkung, daß die zum Verbrauch im Innern bestimmten Waaren nicht mehr wie bisanhin um einen Fünfttheil, fondern zwei

Fünfttheile des Eingangszolls zu bezahlen haben, mit Ausnahme von Wein, Zucker und Thee, welche drei Fünfttheile bezahlen, sowie von Tabak und Spirituofen, welche wie bisher, die ganze Gebühr entrichten müssen.

Diefe Zollvermehrung wird indessen vorzüglich nur auf dem Konsumenten lasten und den Verkehr Odessas nicht mindern. Die schweizerischen Produkte, wie Seidenwaaren, feine Stickereien , Mousseline , Jndienne , Uhren und Käse werden dort den gleichen Abfluß finden wie bisher.

Die angeordnete Verkürzung der Ouarantaine, welche, wenn die Pest nicht herrscht, deren Zeit auf vier Tage beschränkt, und ans sechs, wenn Todesfälle auf dem ankommenden Schiff statt fanden, wird den Verkehr auch wesentlich erleichtern und vermehren.

Verhandlungen des Bundesrathes vom 14. September.

Aus einem Berichte des eidgenössischen Kommissariats vom 13. d. M. mußte die Ueberzeugung gewonnen wer-

den, daß die Flüchtlingspolizei auf der ganzen Brigadeliuie auf ersreuliche Weise gehandhabt werde, und daß somit eine Entlassung der noch in eidgenössischem Dienste .befindlichen Truppen (zwei Bataillone Infanterie und zwei Scharsichützenkompagnien, unter dem Brigadekommando

532 des Herrn eidgenössischen Obersten Friedrich Frei, von

Brngg) zuläßig seilt dürfte.

Der Bundesrath beschloß daher, den Herrn eidgenössischen Kommissär Stehlin einzuladen, die Brigade sofort zu entlassen , dabei aber die betreffenden Grenzkantone darauf aufmerksam zu machen, daß die Grenzpolizei fortan auf den Kantonen allein laste, und daß der Bundesrath sich jedenfalls vorbehalten müßte, auf geeignete Weise einzuschreiten, wenn diese Polizei nicht genau gehandhabt und insbesondere auch der Jnternirungsbeschloß nicht gehorig beobachtet werden sollte.

D r u ck s e h l e r.

Seite 502 ist dem Exekutionsbeschlusse des Bundesrathes zum Dekrete über den vorläufigen Münztarif das Datum vom 7. September zu geben.

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Kreisschreiben an die bei der Kapitulation mit dem König von Neapel betheiligten Kantone.

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15.09.1849

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525-532

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