Rentenwachstum in der Invalidenversicherung: Überblick über die Faktoren des Rentenwachstums und die Rolle des Bundes Bericht vom 19. August 2005 der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats Stellungnahme des Bundesrats vom 21. Dezember 2005

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) gibt dem Bundesrat Gelegenheit, sich über den Bericht vom 19. August 2005 «Rentenwachstum in der Invalidenversicherung: Überblick über die Faktoren des Rentenwachstums und die Rolle des Bundes» zu äussern. Gemäss Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes (ParlG; SR 171.10) unterbreiten wir Ihnen unsere Stellungnahme.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

21. Dezember 2005

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Samuel Schmid Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2005-2374

2401

Stellungnahme des Bundesrates 1

Ausgangslage

Vor dem Hintergrund des starken Rentenwachstums in der Invalidenversicherung (IV) und der beunruhigenden Entwicklung der Finanzlage der IV beschloss die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats (GPK-S) im Jahre 2004 eine Untersuchung zu ausgewählten Aspekten der IV. Die Kommission verschaffte sich einen Überblick über die einzelnen Faktoren des Rentenwachstums sowie die Rolle des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV) in der Aufsicht und Vorbereitung der IV-Gesetzgebung und liess die IV-Situation innerhalb der Bundesverwaltung im Vergleich zur gesamtgesellschaftlichen Entwicklung untersuchen. Gestützt auf entsprechende Berichte zu den drei untersuchten Bereichen verfasste die GPK-S den Bericht «Rentenwachstum in der Invalidenversicherung: Überblick über die Faktoren des Rentenwachstums und die Rolle des Bundes» vom 19. August 2005 (BBl 2006 2245). Darin zog sie u.a. auch Schlussfolgerungen zur laufenden 5.

Revision des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG, 5. IV-Revision) und verabschiedete zwei Motionen und fünfzehn Empfehlungen.

Die beiden Motionen sowie die Empfehlungen 1­11 richten sich an den Bundesrat.

Die GPK-S erwartet eine bundesrätliche Stellungnahme bis Ende Dezember 2005.

Der Bundesrat soll u.a. aufzeigen, mit welchen Massnahmen und bis wann er die Empfehlungen der GPK-S umsetzen wird.

Die letzten vier Empfehlungen (12­15) der GPK-S richten sich an die Kommissionen für soziale Sicherheit und Gesundheit der eidgenössischen Räte mit der Bitte, die Erkenntnisse und Schlussfolgerungen in ihre Arbeiten zur 5. IV-Revision einzubeziehen.

Im vorliegenden Bericht geht der Bundesrat auf die Ausführungen im Bericht der GPK-S vom 19. August 2005 ein und nimmt Stellung zu den einzelnen Motionen und Empfehlungen. Die Antworten zu Motion 2 und Empfehlung 10 fallen in den Zuständigkeitsbereich des Eidgenössischen Finanzdepartements, alle übrigen Antworten in denjenigen des Eidgenössischen Departements des Innern.

Mit Schreiben vom 13. Oktober 2005 hat auch der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte zum Bericht bzw. den Empfehlungen der GPK-S Stellung genommen. Das separate Schreiben des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten liegt der vorliegenden Stellungnahme bei.

2402

2

Die Rolle des Bundes und insbesondere des BSV in der Aufsicht und Gesetzgebung zur IV

2.1

Ungenügende Wahrnehmung der Aufsichtkompetenzen

Motion 1

Festlegung einer Gesamtstrategie für eine verstärkte Aufsicht des Bundes über den IV-Vollzug

Der Bundesrat wird beauftragt, eine Gesamtstrategie zur fachlichen und administrativen Aufsicht über den Vollzug der IV zu formulieren und diese mit modernen Aufsichts-, Steuerungs- und Führungsinstrumenten umzusetzen. Die Strategie soll die zentralen Prozesse und Leistungen der IV definieren und Zielvorgaben festlegen. Der Bundesrat muss sicherstellen, dass die Zielvorgaben in einer Gesamtsicht überprüft und Wirkungen und Mängel des IV-Vollzugs abgebildet werden. Die einzelnen Instrumente der fachlichen und administrativen Aufsicht müssen miteinander verknüpft und auf die Gesamtstrategie ausgerichtet werden. Der Bundesrat gewährleistet mittels der dem Bund zustehenden umfassenden Aufsicht einen gesetzeskonformen, einheitlichen und qualitativ einwandfreien Vollzug der IV.

Der Bundesrat teilt die Ansicht der GPK-S. Er hat deshalb mit Beschluss vom 19. Oktober 2005 die Annahme dieser Motion beantragt. Der Ständerat hat am 6. Dezember 2005 die Motion angenommen.

Wie die GPK-S in ihrem Bericht vom 19. August 2005 zu Recht festhält, hat das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) erst seit Anfang 2000 seine Bemühungen verstärkt, seine Aufsichtsinstrumente auszubauen. Dabei lag anfänglich das Schwergewicht auf der Aktualisierung der Weisungen und dem Aufbau eines Schulungsangebotes für das Personal der IV-Stellen. In einem zweiten Schritt wurde im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen die Frequenz der materiellen Geschäftsprüfungen erhöht. Daneben wurden weitere neue Aufsichtsinstrumente entwickelt und eingeführt (Personalressourcenmodell, Prozessziele, Quartals- und Monatsreporting, Monitoring der Neurenten1). Im selben Zeitraum schlug der Bundesrat in 1

Beim Monitoring wird der Anteil der neu zugesprochenen IV-Renten in jedem Kanton der Durchschnittsquote aller Kantone gegenübergestellt. Weist eine IV-Stelle in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen eine den Durchschnittswert übersteigende Quote auf, wird sie angewiesen, die möglichen Gründe dieser Abweichung kurz darzulegen und (falls die Abweichung auf interne Probleme bei der Geschäftsführung zurückzuführen ist) allfällige Vorschläge zur Verbesserung der Situation zu unterbreiten. Liegt die Neuberentungsquote einer IV-Stelle deutlich über der Durchschnittsquote aller Kantone (+ 20 Prozent), unterzieht das BSV die IV-Stelle zunächst einer ausserordentlichen Geschäftsprüfung. Im Gegensatz zu den jährlichen ordentlichen Geschäftsprüfungen des BSV handelt es sich dabei um «ex ante»-Kontrollen. Der Bund prüft die Rechtskonformität der geplanten Rentenentscheide und kann ­ kraft seiner fachlichen Aufsichtskompetenz über die IVVerfügungen (Art. 64 Abs. 1 IVG) ­ einen Verfügungsentwurf gutheissen oder ablehnen.

Wird ein Entwurf abgelehnt, hat die IV-Stelle zusätzliche Abklärungen zu treffen. Dieses Aufsichtsinstrument ermöglicht es, allfällige Fehler oder Mängel in Verfügungsentwürfen zu korrigieren. In Übereinkunft mit der kantonalen Aufsichtsbehörde kann das BSV ausserdem zusammen mit der IV-Stelle Verbesserungsmöglichkeiten hinsichtlich deren interner Geschäftsführung prüfen. Der Bund nimmt in diesem Zusammenhang eine beratende Funktion wahr. Für die interne Organisation der IV-Stellen sind ausschliesslich die Kantone zuständig (Art. 54 Abs. 2 Bst. b IVG).

2403

seiner Botschaft vom 21. Februar 2001 über die 4. Revision des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (4. IV-Revision, BBl 2001 3205) eine Verstärkung der Aufsicht des Bundes vor. Hierzu gehörten einerseits die Schaffung von regionalen ärztlichen Diensten unter der direkten fachlichen Aufsicht des BSV und andererseits die Einführung jährlicher Geschäftsprüfungen der IV-Stellen. In diesem Zusammenhang machte der Bundesrat auch klar, dass für die Erfüllung dieser neuen Aufgaben im BSV mindestens elf zusätzliche Stellen geschaffen werden müssten.

Der Bericht der GPK-S weist zu Recht darauf hin, dass die seit dem Jahr 2000 eingeführten Aufsichtsinstrumente des BSV noch zu wenig koordiniert sind und noch keine befriedigende ergebnis- und wirkungsorientierte Aufsichtstätigkeit ermöglichen. Demgegenüber ist festzuhalten, dass die eingeführten Aufsichtsinstrumente bei den Durchführungsstellen offenbar doch eine gewisse Wirkung entfalten.

So haben beispielsweise die Daten aus dem Monitoring der Invalidenversicherung für das erste Semester 2005 ergeben, dass im Vergleich zum ersten Semester 2004 7 % weniger neue Renten zugesprochen worden sind. Nachdem bereits für das Jahr 2004 eine Abnahme der Neurenten festgestellt wurde, kann rückblickend davon ausgegangen werden, dass 2004 bei den Neurenten eine Trendwende stattgefunden hat. Ein weiterer positiver Effekt dese Monitorings ist, dass die Bandbreite zwischen den Extremwerten der Rentenquoten (höchste und niedrigste Rentenquote) seit dessen Einführung kontinuierlich schmaler geworden ist. Dies bedeutet mit anderen Worten, dass sich die unterschiedlichen Rentenquoten in den Kantonen zunehmend dem gesamtschweizerischen Mittelwert annähern.

Der Bundesrat stimmt mit der GPK-S überein, dass nun eine Gesamtstrategie zur fachlichen und administrativen Aufsicht über den Vollzug der IV an die Hand genommen werden muss. Der Bundesrat hat mit Blick auf dieses Ziel in seiner Botschaft vom 22. Juni 2005 über die 5. Revision des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (5. IV-Revision, BBl 2005 4459) entsprechende Vorschläge gemacht.

Im Rahmen seiner Arbeiten zur 5. IV-Revision hat der Bundesrat erkannt, dass insbesondere die administrative Aufsicht über die IV-Stellen sowie die Steuerung der IV-Stellen Schwachpunkte aufweisen und verstärkt werden müssen. Um
diese Schwachpunkte zu eliminieren, sollen mit der 5. IV-Revision dem Bund neue Kompetenzen im Bereich der administrativen Aufsicht über die IV-Stellen und deren Steuerung übertragen werden. Der Bund soll ausdrücklich befugt sein, die künftig erforderlichen Weisungen für eine möglichst wirkungs- und leistungsorientierte Gesetzesanwendung durch die Vollzugsorgane zu erlassen und allenfalls Korrekturmassnahmen ergreifen zu können, wenn eine IV-Stelle diesen Anforderungen nicht genügt. Folgende Bereiche sollen künftig in die Bundeskompetenz fallen: ­

Der Bund kann zur Steuerung der IV-Stellen ein wirkungs- und leistungsorientiertes Instrumentarium einführen und die Finanzierung der IV-Stellen ganz oder teilweise mit den Wirkungen der erbrachten Leistungen verknüpfen. Hierzu kann er mit den Trägern der IV-Stellen Leistungsvereinbarungen abschliessen.

­

Der Bund kann Verwaltungsweisungen zuhanden der IV-Stellen erlassen.

Dabei kann er zum Beispiel Mindestvorgaben in Bezug auf die Qualität der Arbeit der IV-Stellen oder in Bezug auf die Qualifikation des IV-Personals aufstellen.

2404

­

Der Bund soll dabei auch Massnahmen ergreifen können, wenn er Mängel bei den IV-Stellen feststellt.

Konkret bedeutet dies, dass die fachliche Aufsicht wie heute weiterhin beim BSV bleibt. Sie soll im neuen Artikel 64a Absatz 1 geregelt werden. Die mit der 4. IV-Revision eingeführte Pflicht des BSV zur jährlichen Überprüfung der IV-Stellen (im Sinne einer Prüfung der Erfüllung ihrer Aufgaben) wird beibehalten.

Zudem wird die bisher auf Verordnungsstufe geregelte jährliche Überprüfung der regionalen ärztlichen Dienste durch das Bundesamt (vgl. Art. 50 Abs. 3 IVV) auf Gesetzesstufe gehoben. Das BSV erteilt den IV-Stellen im fachlichen Bereich weiterhin allgemeine Weisungen sowie Weisungen im Zusammenhang mit der Behandlung von Einzelfällen. Bei den regionalen ärztlichen Diensten beschränkt sich die Weisungsbefugnis des BSV hingegen auf allgemeine Weisungen im medizinischen Fachbereich, da die regionalen ärztlichen Dienste in ihrem medizinischen Sachentscheid im Einzelfall unabhängig sind (vgl. Art. 59 Abs. 2). Neu wird nun auch die administrative Aufsicht über die IV-Stellen ausdrücklich im Gesetz geregelt. Sie wird ebenfalls durch das BSV ausgeübt. Dies bedeutet insbesondere, dass dieses die Wirksamkeit, die Qualität und die Einheitlichkeit der Gesetzesanwendung durch die IV-Stellen und die regionalen ärztlichen Dienste überwacht.

Im Herbst 2004 liess das BSV durch das Institut für öffentliche Dienstleistungen und Tourismus der Universität St. Gallen (IDT-HSG) und die Egger, Dreher & Partner AG (ED) eine Studie betreffend die Machbarkeit einer wirkungsorientierten Steuerung der IV-Stellen erstellen. Diese Studie zeigte auf, dass für die IV ein Wirkungsund Indikatorenmodell entwickelt werden kann, welches die übergeordneten Ziele des Vollzugs zusammenstellt und zu Steuerungszwecken herangezogen werden kann. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse dieser Studie haben deren Autorinnnen und Autoren empfohlen, die Stärkung und Einführung einer wirkungsorientierten Steuerung für den IV-Vollzug weiterzuverfolgen.

Im Hinblick auf die Inkraftsetzung der 5. IV-Revision bereitet das BSV eine Reihe von Massnahmen und Instrumenten zur Erreichung der Ziele der Revision vor.

Diese Massnahmen und Instrumente betreffen insbesondere die folgenden Themenfelder: ­

Wirkungsorientierte Steuerung der IV-Stellen in Kombination mit internen QM-Systemen innerhalb der IV-Stellen (Teilprojekte «Steuerung 07» und «QM der IV-Stellen»);

­

Massnahmen zur Früherfassung und Frühintervention (Teilprojekt «Früherfassung und Frühintervention»);

­

Integrationsmassnahmen (Teilprojekt «Integrationsmassnahmen»);

­

Aufsicht (Teilprojekt «Aufsicht»);

­

Organisationsentwicklung (Teilprojekt «Organisationsentwicklung»);

­

Informatik (Teilprojekt «Informatik»).

Diese Themenfelder werden innerhalb einer Gesamtprojektorganisation umgesetzt.

Das Teilprojekt «Steuerung 07» arbeitet auf der Basis der Machbarkeitsstudie vom Dezember 2004 ein Detailkonzept für eine wirkungsorientierte Steuerung aus und wird anschliessend die Umsetzung dieser Steuerung per 1. Januar 2007 sicherstellen.

Diese Steuerung wird im Grundsatz auch dann bereits eingeführt werden, wenn die 5. IV-Revision bis dann noch nicht in Kraft gesetzt sein sollte. Weiter soll das Teil2405

projekt zweckmässige Anpassungen der heutigen Finanzierungsregelungen an die künftige wirkungsorientierte Steuerung prüfen.

In engem Zusammenhang mit der Einführung einer wirkungsorientierten Steuerung steht auch das Teilprojekt «Qualitätsmanagement der IV-Stellen». Im Bereich des IV-Vollzugs stellt sich sowohl aus betrieblicher Sicht der IV-Stellen-Leitungen als auch aus aufsichtstechnischer Sicht des BSV das Bedürfnis, die Leistungserbringung der IV-Stellen zu überwachen: Die Einführung eines Qualitätsmanagements und eines darauf aufbauenden internen Kontrollsystems (IKS) soll daher in Ergänzung zum Indikatorensystem der wirkungsorientierten Steuerung entwickelt und umgesetzt werden. Dabei geht es nicht nur darum, einen gesetzeskonformen Vollzug zu gewährleisten. Es geht auch darum, beispielsweise Mindeststandards für den Eingliederungsprozess zu definieren.

Das Teilprojekt wird bis Ende 2005 ein Grobkonzept für die Einführung der Qualitätsmanagementsysteme bzw. der IKS-Systeme in den IV-Stellen erstellen. Parallel zu diesem Teilprojekt wird sich BSV-intern unter Beizug von Vertreterinnen und Vertretern der IV-Stellen eine Projektgruppe mit dem künftigen Qualitätsmanagement innerhalb des Geschäftsfelds Invalidenversicherung des BSV befassen. Diese Arbeiten werden jedoch ausserhalb der Gesamtprojektorganisation «Umsetzung der fünften IVG-Revision» bearbeitet.

Die angestrebte wirkungsorientierte Steuerung und die geänderten Aufgaben der IV im Zuge der 5. IV-Revision werden auch Auswirkungen auf Inhalt und Art der Aufsicht des BSV haben. Dabei geht es um drei Aspekte der Aufsicht: ­

die fachliche Aufsicht (wird das Gesetz durch die IV-Stellen korrekt angewendet);

­

die Überprüfung der Zielerreichung (die im Rahmen der wirkungsorientierten Steuerung vorzugeben sind);

­

die Überwachung der Qualität der Leistungserbringung der IV-Stellen.

Das Teilprojekt «Aufsicht» soll sicherstellen, dass die fachliche und administrative Aufsicht systematisch und kohärent im Rahmen einer Gesamtstrategie wahrgenommen wird. Die künftige Aufsicht soll insbesondere mit der wirkungsorientierten Steuerung kompatibel sein. Dies bedeutet, dass die Instrumente der Aufsicht so gewählt werden müssen, dass ihre Anreiz- und Steuerungswirkungen mit den definierten Wirkungszielen kohärent sind. Dieses Teilprojekt wird per 1. Januar 2006 gestartet. Dabei wird es zunächst darum gehen, ein Grobkonzept der künftigen Aufsicht zu erarbeiten (nach Vorliegen des Detailkonzepts der wirkungsorientierten Steuerung und des Grobkonzepts der Einführung der Qualitätsmanagementsysteme bzw. der internen Kontrollsysteme [IKS-Systeme] in den IV-Stellen per Ende 2005).

Die neuen Ziele und das neue Aufgabenverständnis der 5. IV-Revision (Stichworte: Eingliederung statt Rente, Früherfassung und -intervention, Integrationsmassnahmen, Arbeitsvermittlung) erfordern einen grundlegenden Kulturwandel in den IVStellen, aber auch im BSV. Um die Ziele der 5. IV-Revision zu erreichen, müssen die IV-Stellen selbst einen Kulturwandel anstreben ­ von der Priorität der korrekten Sachbearbeitung hin zu einer Kultur, die stärker auf erfolgreiche Eingliederungen in den Arbeitsmarkt zentriert ist. Analog ist auch die Kultur innerhalb des BSV zu reformieren. Anstelle des heutigen auf die Kontrolle operativer Ressourcen und Leistungsvorgaben ausgerichteten Aufgabenverständnisses sollte im BSV eine Kultur etabliert werden, die es ermöglicht, dass die IV-Stellen hauptsächlich durch 2406

Vorgabe von strategischen Wirkungszielen und die Überwachung der Wirkungsziele gesteuert werden. Die IV-Stellen sind zudem in der Rolle eines zentralen Dienstleisters zu unterstützen (durch die Bereitstellung relevanter Führungsinformationen, die Evaluation vom Best Practices, etc.). Der Kulturwandel in den IV-Stellen und im BSV kann durch geänderte Führungssysteme wie bspw. eine wirkungsorientierte Steuerung zwar gefördert werden. Es bedarf aber zusätzlich einer gezielten Organisationsentwicklung in den einzelnen IV-Stellen und im BSV. In diese Organisationsentwicklung müssen dabei möglichst alle am Vollzug beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einbezogen werden.

Aus diesen Gründen soll im Teilprojekt «Organisationsentwicklung» ab 1. Januar 2006 ein Grobkonzept für die Umsetzung dieser Organisationsentwicklungsmassnahmen im BSV und in den IV-Stellen entwickelt werden.

Im Rahmen der Durchführung darf letztendlich die Informatik nicht ausser Acht gelassen werden. Die IV-Stellen setzen heute unterschiedliche Informationssysteme ein. Sie zeichnen sich mehrheitlich durch ein integriertes Dokumenten-Managementsystem (DMS) sowie ein Workflowsystem aus. Die anstehenden Änderungen im Bereiche der Invalidenversicherung werden ­ wie die meisten grundlegenden Änderungen von Geschäftsprozessen ­ auch Auswirkungen auf diese Informationssysteme haben. Das Teilprojekt «Informatik» soll zunächst im Rahmen einer Voranalyse die sich auf Ebene der Informatik bietenden Realisierungsalternativen prüfen und eine entsprechende Empfehlung zum weiteren Vorgehen erarbeiten. Dieses Teilprojekt wird im Januar 2006 gestartet werden.

Die nachfolgende Übersicht zeigt den Terminplan des Gesamtprojektes: 2005

2006

2007

Gesamtprojektmanagement TP Steuerung 07 TP Qualitätsmanagement TP Integrationsmassnahmen TP Früherkennung und Frühintervention TP Organisationsentwicklung TP Aufsicht 07 TP Informatik

Voranalyse

weiteres Vorgehen ist offen

Rechtsetzung

Legende:

Grobkonzeption

Detailkonzeption

Einführung

Laufende Optimierung

= Meilensteine

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass er mit der umschriebenen Strategie und den bereits angelaufenen Umsetzungsarbeiten die Forderungen der GPK-S aufgenommen und damit auch die notwendigen Schritte hin zu einem einheitlichen Vollzug der Versicherung eingeleitet hat. Er ist überzeugt, dass mit den in Angriff genommenen Massnahmen die optimale Umsetzung des Versicherungszwecks (Art. 1a IVG) durch die IV-Stellen sowie der möglichst effiziente und qualitätsbezogene Einsatz der vorhandenen Kontrollinstrumente sichergestellt werden können.

2407

2.2

Mangelhafter Datenzugang

Empfehlung 1

Verbesserung des Datenzugangs

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats fordert den Bundesrat auf, ein einheitliches Datenbanksystem aufzubauen, in dem die für die fachliche und administrative Aufsicht des BSV benötigten Daten zu Leistungen und Prozessen des Vollzugs der IV erfasst werden. Das BSV soll direkten Zugriff auf dieses System erhalten.

Der Bundesrat teilt die Ansicht der GPK-S, dass der einheitliche und umfassende Zugang des BSV zu den Daten der IV von zentraler Bedeutung ist. Die Situation im Bereich der Datenerfassung und des Datenzugangs für das BSV hat sich denn auch in den letzten Jahren laufend verbessert. Insbesondere die Datenlage im Rahmen des Reportings hat dazu geführt, dass das BSV, und damit auch die IV-Stellen, über gute und umfangreiche statistische Daten über die Geschäftstätigkeit der IV-Stellen (Neuanmeldungen, Pendenzen, Leistungszusprachen etc.) verfügen. Auch der Zugriff auf die von der Zentralen Ausgleichsstelle (ZAS) erfassten Daten hat sich verbessert.

Im Zusammenhang mit der vorliegenden Frage des Aufbaus eines einheitlichen Datenbanksystems weist der Bundesrat allerdings darauf hin, dass die Aussage der GPK-S, die ZAS erfasse vor allem monetäre Leistungen der IV, während die nichtmonetären Leistungen nicht in einem gemeinsamen Datensatz zusammengefasst würden, so nicht zutrifft. Die Situation stellt sich so dar, dass die IV drei Durchführungssysteme aufweist: Die Geldleistungen (Renten; Hilflosenentschädigungen und Taggelder) werden durch die IV-Stellen zugesprochen und durch die AHV-Ausgleichskassen ausgerichtet. Bei diesem System profitiert die IV von Synergien mit der AHV und der EO. Die individuellen Eingliederungsmassnahmen (medizinische Massnahmen, Massnahmen beruflicher Art, Massnahmen für besondere Schulung und Hilfsmittel) sowie die Abklärungsmassnahmen werden durch die IV-Stellen zugesprochen und über die ZAS vergütet. Die kollektiven Leistungen (Bau- und Betriebsbeiträge, Beiträge an Organisationen) werden durch das BSV zugesprochen und über die ZAS vergütet. Diese drei auf Gesetzesstufe definierten Durchführungssysteme setzen der Schaffung eines einheitlichen Datenbanksystems Grenzen. Eine Verknüpfung der verschiedenen Datenquellen, wie sie heute bereits in weiten Teilen besteht, wird der Komplexität des Leistungssystems eher gerecht als die Schaffung eines einheitlichen
Datenbanksystems.

Auch ein im Auftrag des BSV erstellter Expertenbericht2 hat aufgezeigt, dass die drei in der IV etablierten Informatikpools durchaus effiziente und fachgerechte Informatiklösungen darstellen und einer gesamtschweizerischen Einheitslösung aus wettbewerbspolitischen Überlegungen sogar vorzuziehen sind. Aus diesem Grund erachtet es der Bundesrat im heutigen Zeitpunkt nicht als notwendig, ein neues, einheitliches und auch teures Datenbanksystem aufzubauen.

2

APP Unternehmensberatung AG, «Analyse der Informatik der IV-Stellen», November 2002.

2408

Die zukünftige Wahrnehmung der Aufsicht, die wirkungsorientierte Steuerung und das Qualitätsmanagement in der IV werden zusätzliche Anforderungen an die Erfassung, die Speicherung und die Auswertung von Daten der Versicherung stellen. Die notwendigen Daten müssen von den drei Informatikpools einheitlich erfasst und geliefert werden, so dass anschliessend eine zentrale Datenauswertung möglich ist.

Mit der Thematik soll sich ein eigenes Teilprojekt befassen (vgl. Teilprojekt «Informatik», Ziff. 2.1). Aufgrund bestehender Abklärungen kann heute davon ausgegangen werden, dass die zusätzlichen Anforderungen mit den bestehenden technischen Instrumenten erfüllt werden können und dass für die bevorstehenden Neuerungen voraussichtlich kein neues einheitliches Datenbanksystem geschaffen werden muss.

2.3 Empfehlung 2

Abgrenzungsprobleme zur kantonalen Aufsicht Klärung der Schnittstellen zur kantonalen Aufsicht

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats fordert den Bundesrat auf, die Aufsichtskompetenzen des Bundes zu konkretisieren und die Schnittstellen zur kantonalen Aufsicht zu klären.

Die geltende Organisation des IV-Vollzugs wurde mit der 3. IV-Revision eingeführt, welche am 1. Januar 1992 in Kraft trat. In der Vernehmlassung zur 5. IV-Revision hatte der Bundesrat den Vorschlag unterbreitet, regionale (statt kantonale) IV-Stellen einzurichten. Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmerinnen und ­teilnehmer, darunter vor allem die Kantone, wandten sich gegen eine Regionalisierung. Die Vernehmlassung hat somit klar gezeigt, dass auch weiterhin an einem IV-Vollzug durch die Kantone und damit grundsätzlich an einer geteilten Aufsicht über die IV-Stellen festgehalten werden soll. Diesem politischen Anliegen ist der Bundesrat in seiner Botschaft zur 5. IV-Revision nachgekommen. In Übereinstimmung mit der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) schlägt er jedoch vor, dass in Zukunft grundsätzlich der Bund für die Errichtung kantonaler IV-Stellen verantwortlich ist; es soll aber weiterhin die Aufgabe der Kantone ist, die IV-Stellen tatsächlich zu errichten.

Laut einer vertieften Analyse des Bundesrates weist weniger die fachliche Aufsicht (bereits heute im vollumfänglichen Zuständigkeitsbereich des Bundes) als vielmehr die administrative Aufsicht (heute teilweise im Zuständigkeitsbereich der Kantone) über die IV-Stellen Schwachpunkte auf.

Unter die administrative und finanzielle Aufsicht des Bundes fallen heute die Prüfung und Genehmigung der Stellenpläne sowie der jährlichen Voranschläge und Jahresrechnungen der IV-Stellen (vgl. Art. 92 und 92bis IVV). Die kantonalen IV-Stellen geniessen indessen die volle Autonomie in ihrer internen Organisation sowie in der Personalpolitik. Diese Bereiche werden durch das jeweilige kantonale Recht geregelt. Die Eingriffsmöglichkeiten des Kantons in die Geschäftsführung der IV-Stellen sind somit erheblich eingeschränkt, da das IVG die rechtliche Unabhängigkeit der kantonalen IV-Stellen vorschreibt (vgl. Art. 54 Abs. 1 IVG; Art. 54 Abs. 2 Entwurf IVG gemäss 5. IV-Revision).

2409

Um die Schwachpunkte in der administrativen Aufsicht zu beseitigen, schlägt der Bundesrat in der Botschaft zur 5. IV-Revision folgerichtig vor, dem Bund insbesondere im Bereich der administrativen Aufsicht über die IV-Stellen und deren Steuerung neue Kompetenzen zu übertragen (vgl. Ausführungen zu den Teilprojekten «Steuerung 07» und «Qualitätsmanagement der IV-Stellen» unter Ziff. 2.1). Mit der Präzisierung von Artikel 54 IVG (Kantonale IV-Stellen) und der Einführung der neuen Artikel 64a IVG (Aufsicht durch das Bundesamt) und 64b (Aufsichtskommission) werden die Aufsichtskompetenzen des Bundes im Vergleich zu heute wesentlich klarer umschrieben.

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass mit den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen, aber auch mit den bereits in Angriff genommen Arbeiten für eine wirkungsorientierte Steuerung mit Qualitätsvorgaben eine wesentliche Klärung der Rolle des Bundes in der Aufsicht über die IV-Stellen stattfinden wird. Er ist überzeugt, dass mit dieser neuen, verstärkten und auf Gesetzesstufe konkretisierten Aufsicht des Bundes gleichzeitig auch die Schnittstelle zur kantonalen Aufsicht geklärt wird. Konkrete Abgrenzungsfragen müssen jedoch selbstverständlich in den unter Ziffer 2.1 skizzierten Teilprojekten thematisiert und bei allfälligen Unklarheiten allenfalls auf Verordnungsstufe geregelt werden.

2.4

Wenig effiziente finanzielle Aufsicht

Empfehlung 3

Einführung eines Globalbudgets für die Verwaltungskosten der IV-Stellen

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats fordert den Bundesrat auf, ein Globalbudget für die Durchführungskosten der IV-Stellen einzuführen.

Das BSV verfolgt das Ziel, eine wirkungsorientierte Steuerung der IV-Stellen einzuführen. Dieses Ziel steht im Einklang mit der vom Bundesrat in der 5. IV-Revision beabsichtigten Verstärkung der Aufsicht, die der Bund ausübt. Die Arbeiten des BSV erfolgen im Rahmen des Teilprojektes «Steuerung 07», welches seinerseits in das Gesamtprojekt «Umsetzung der 5. IV-Revision» eingebunden ist (vgl. hierzu Ziff. 2.1).

Das Teilprojekt verfolgt im Einzelnen folgende Ziele: ­

Detailkonzeption und Umsetzung einer wirkungsorientierten Steuerung.

Basierend auf den Ergebnissen einer Machbarkeitsstudie vom Dezember 2004 wird ein umsetzbares Wirkungs- und Indikatorenmodell entwickelt, welches wahrscheinlich in Form von Leistungsvereinbarungen mit den IV-Stellen festgehalten wird.

­

Anpassung der Finanzierungsregelungen (Personal- und Finanzressourcen der IV-Stellen) an die wirkungsorientierte Steuerung. Das heutige inputorientierte Finanzierungsmodell wird überprüft und allenfalls punktuell optimiert oder umfassend überarbeitet.

2410

Das Finanzierungssystem muss in der Tat an die heutigen Gegebenheiten angepasst werden. Es ist jedoch inhaltlich eng mit der Einführung der wirkungsorientierten Steuerung der IV-Stellen verflochten und muss deshalb mit dieser in Übereinstimmung gebracht werden. Konkret soll das Finanzierungssystem so an die neue wirkungsorientierte Steuerung angepasst werden, dass eine Kongruenz zwischen der ausgeweiteten Verantwortung der IV-Stellen (erweiterte Verantwortung für die erzielten Wirkungen) und einer ausgeweiteten Kompetenz der IV-Stellen (erweiterte unternehmerische Freiräume bzw. flexibleres Finanzierungsmodell) erreicht werden kann. Die Einführung eines Globalbudgets für die Durchführungskosten der IV-Stellen stellt dabei ein durchaus denkbares neues Finanzierungsmodell dar. Im Teilprojekt «Steuerung 07» sollen jedoch auch weitere Möglichkeiten für eine künftige Finanzierung der IV-Stellen geprüft und auf ihre Geeignetheit analysiert werden.

Für die IV-Stelle für Versicherte im Ausland erübrigen sich die erwähnten Neuerungen: Diese IV-Stelle ist eine Abteilung der Zentralen Ausgleichsstelle (ZAS), welche wiederum eine Abteilung der eidgenössischen Finanzverwaltung darstellt. Die ZAS bildet mit ihren Abteilungen ein sogenanntes FLAG-Amt (FLAG: Führung mit Leistungsauftrag und Globalbudget).

2.5

Empfehlung 4

Fehlende Problemlösungsinitiative von Bundesrat und BSV bei der Weiterentwicklung der Gesetzgebung Aktive Wahrnehmung der Aufgabe der Gesetzgebungsentwicklung

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats fordert den Bundesrat auf, die Entwicklungen im Bereich der IV aktiv zu begleiten und Massnahmen rechtzeitig vorzuschlagen. Auch das BSV soll seine Aufgabe im Bereich der Weiterentwicklung der Gesetzgebung proaktiv wahrnehmen. Zu dieser Aufgabe gehört insbesondere die Früherkennung von Problemen, die Szenarienentwicklung und die Formulierung von Handlungsstrategien zuhanden des Bundesrats. Die gesetzgebungsbezogenen Aufgaben des BSV sind von der Aufsicht organisatorisch zu entkoppeln.

Der Bundesrat teilt die Ansicht der GPK-S, dass ein frühzeitiges Erkennen von Problemen, die Entwicklung möglicher Szenarien und die Formulierung von Handlungsstrategien Aufgaben von wesentlicher Bedeutung darstellen, die von der Verwaltung und dem Bundesrat in proaktiver Weise wahrgenommen werden müssen. Er anerkennt, dass dieser vorausschauenden Betrachtungsweise bisher nicht genügend Beachtung geschenkt wurde und dass ihr mit Blick auf die Zukunft mehr Gewicht zuzumessen ist.

Trotzdem möchte der Bundesrat an dieser Stelle auf einige Umstände hinweisen, welche trotz aller Kritik nicht vergessen werden dürfen. Es scheint ihm wichtig, die folgende Sichtweise mit einzubeziehen, um Entwicklungen und Prozesse in der Vergangenheit ­ insbesondere bei der Gesetzgegebung zur IV ­ deuten und beurtei2411

len zu können. Dabei ist es ihm allerdings wichtig, darauf hinzuweisen, dass er sich mit den nachstehenden Äusserungen weder rechtfertigen noch aus der Verantwortung ziehen will.

Vorerst ist nicht ausser Acht zu lassen, dass auch der Gesetzgeber einen wichtigen Teil der politischen Verantwortung für die Weiterentwicklung der sozialen Sicherheit trägt. Zwar kann diesem nicht im gleichen Ausmass wie der Verwaltung und dem Bundesrat die Rolle zukommen, den gesetzgeberischen Handlungsbedarf in einzelnen Rechtsgebieten vorausschauend präzise aufzuzeigen. Es stellt aber auch eine wichtige Aufgabe des Gesetzgebers dar, konkrete und allenfalls besorgniserregende Entwicklungen in der Gesellschaft gewissermassen «an der Basis» zu erkennen, diese aufzunehmen und anschliessend den daraus resultierenden Bedarf an mehr oder weniger dringlichen Reformen zuhanden der Exekutive aufzuzeigen.

Zu bedenken ist ferner der Umstand, dass sowohl die inhaltliche Stossrichtung von gesetzgeberischen Reformvorhaben als auch deren weiteres «politisches Schicksal» stark von den jeweils herrschenden politischen Gegebenheiten abhängen. Mit anderen Worten ist die jeweilige «politische Stimmung» in einem wesentlichen Ausmass für die konkrete Ausgestaltung von Gesetzesprojekten (Zielsetzungen und einzelne Massnahmen) und den gesetzten Prioritäten ­ was sich nicht zuletzt auch in deren Behandlungsdauer zeigt ­ verantwortlich. Je nach politischem und gesellschaftlichem Klima können Vorschläge der Verwaltung und des Bundesrates im Parlament (und auch im Volk) äusserst unterschiedlich aufgenommen werden.

Grundsätzlich war im politischen Kontext sowohl des ersten Teils als auch des anschliessenden Gesamtpakets der 4. IV-Revision eine finanzielle Konsolidierung der IV ­ abgesehen von wenigen Sparmassnahmen ­ nur über die Beschaffung zusätzlicher Einnahmen der IV denkbar. In diesem Zusammenhang sei an die Volksabstimmung von 1999 erinnert, in welcher der erste Teil der 4. IV-Revision hauptsächlich wegen des Widerstandes des Souveräns gegen die Aufhebung der Viertelsrente scheiterte. Zwar hatte der Bundesrat in seinen beiden Botschaften zur 4. IV-Revision ausführlich auf die besorgniserregende finanzielle Situation der IV hingewiesen, doch legten sowohl er als auch die grosse Mehrheit der politischen Akteure den Akzent zu einseitig auf
Mehreinnahmen. Die Einsicht, dass eine Sanierung der IV nicht mehr nur über Mehreinnahmen, sondern mindestens ebenso sehr über Einsparungen erfolgen muss, hat sich in Politik und Verwaltung erst nach Abschluss der Beratungen zur 4. IV-Revision allmählich durchgesetzt.

Was die Rolle der Verwaltung im Gesetzgebungsprozess betrifft, so darf diese im Übrigen nicht überbewertet werden. Die Verwaltung trägt in erster Linie die fachliche Verantwortung für die ihr zugeteilten Rechtsgebiete. Ihre Aufgabe ist es, Entwicklungen zu verfolgen, allfälligen Handlungsbedarf aufzuzeigen und mögliche Szenarien für die Zukunft zu entwickeln. In diesem Prozess ist die Verwaltung jedoch auch stark abhängig vom federführenden Departement, dem Gesamtbundesrat und nicht zuletzt und in zunehmendem Mass von den Vertreterinnen und Vertretern des Parlaments.

Was schliesslich das Anliegen der GPK-S betrifft, die gesetzgebungsbezogenen Aufgaben des BSV von der Aufsicht organisatorisch zu entkoppeln, so hat das zuständige Geschäftsfeld IV im BSV die Bedeutung einer konsequenteren Trennung von Gesetzgebung und Aufsicht erkannt. Obwohl Gesetzgebungsvorhaben von der Grösse, wie sie die 4. und die 5. IV-Revision darstellen, grundsätzlich im Rahmen einer Projektorganisation anzugehen sind, in der Mitarbeitende aus verschiedenen 2412

Bereichen ihr spezifisches Wissen einbringen, sollen die Verantwortung und die Kernkompetenz für Gesetzgebung vermehrt in einem eigens für die Rechtssetzung zuständigen und kompetenten Bereich konzentriert werden. Das Geschäftsfeld IV hat auf dieses Anliegen bereits reagiert und im Rahmen der zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen auf Anfang Dezember 2005 Massnahmen umgesetzt, welche die Rechtssetzung organisatorisch klar von der Aufsicht trennen.

2.6

Empfehlung 5

Ungenügende Nutzung der Ressourcen bei der Weiterentwicklung der IV Systematische und kontinuierliche Zusammenarbeit mit externen Akteuren

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats fordert den Bundesrat auf, dafür zu sorgen, dass das BSV bei der Weiterentwicklung der Gesetzgebung kontinuierlich und systematisch mit externen Akteuren, namentlich den IV-Stellen, den Vertretungen von Behindertenorganisationen und den Sozialpartnern, zusammenarbeitet. Er gewährleistet damit, dass das Fach- und Erfahrungswissen der relevanten Akteure möglichst frühzeitig aufgenommen werden kann.

Der Bundesrat teilt die Ansicht der GPK-S, dass es von grosser Bedeutung ist, externe Akteure, namentlich die IV-Stellen mit ihrer Verantwortung für die Durchführung der IV, die Vertretungen von Behindertenorganisationen sowie die Sozialpartner, aktiv und systematisch in den Gesetzgebungsprozess einzubeziehen. Allerdings stellt sich das Problem des mangelnden Einbezugs in die Entwicklung der Gesetzgebung in erster Linie und am ausgeprägtesten bei den IV-Stellen. Während die Behindertenorganisationen und die Sozialpartner in der Eidgenössischen AHV/IV-Kommission (und auch dessen vorbereitendem Ausschuss für IV-Fragen) als beratendem Organ des Bundesrates vertreten sind (vgl. Art. 65 IVG i.V.m.

Art. 73 AHVG), hatten die IV-Stellen bis Anfang 2005 in diesem Gremium lediglich Beobachterstatus und waren nicht stimmberechtigt. Seit Ende Februar 2005 hat die IV-Stellen-Konferenz (IVSK), zusammen mit der Konferenz der kantonalen Ausgleichskassen (KKAK) und der Schweizerischen Vereinigung der Verbandsausgleichskassen (VVAK) einen gemeinsamen Sitz (mit Stimmrecht) in der Eidgenössischen AHV-/IV-Kommission. Die Eidgenössische AHV/IV-Kommission soll in Zukunft wieder stärker berücksichtigt und in wichtigen Fragen der strategischen Weiterentwicklung der IV konsultiert werden (vgl. die nachfolgende Stellungnahme zu Empfehlung 7).

Die Erfahrungen aus der 4. IV-Revision haben klar gezeigt, dass der Erfolg eines Gesetzgebungsprojektes auch entscheidend davon abhängt, wie stark die betroffenen Akteure bereits in der Phase der Vorbereitungsarbeiten miteinbezogen und angehört wurden. Im Rahmen der Vorbereitung der 5. IV-Revision wurde denn auch vermehrt versucht, die an der IV mitwirkenden Akteure bestmöglich einzubeziehen. Angesichts des grossen politischen Drucks war die Verwaltung allerdings gezwungen, mit äusserst knappen Fristen zu arbeiten, was zur Folge hatte, dass der Einbezug der 2413

verschiedenen Akteure sorgsam und gezielt geplant werden musste. Dies geschah beispielsweise dadurch, dass die Konzepte der zentralen Revisionsthemen nach durchgeführter Vernehmlassung in Arbeitsgruppen mit externen Teilnehmenden (IV-Stellen, Behindertenorganisationen, Taggeldversicherungen, Sozialpartner etc.)

erarbeitet wurden. Der Einbezug der IV-Stellen hatte in der 5. IV-Revision einen besonders hohen Stellenwert, lieferten diese dem BSV während und auch nach der Vernehmlassung doch wichtige Impulse und konkrete Vorschläge, welche die konzeptionelle und rechtliche Ausgestaltung der Revisionsmassnahmen nicht unwesentlich beeinflussten.

Empfehlung 6

Nutzung der Forschungsressourcen für die Strategieentwicklung

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats fordert den Bundesrat auf, die internen Forschungsressourcen des BSV systematisch zu nutzen, um wissenschaftliche Grundlagen zur Weiterentwicklung der IV zu beschaffen und zu analysieren. Das BSV erarbeitet ein längerfristig angelegtes Forschungskonzept.

Künftige nationale Forschungsprogramme sind ebenfalls auf die strategischen Fragen der IV auszurichten.

Forschungs- und Evaluationsarbeiten im Themenbereich IV wurden bisher im BSV nicht sehr intensiv betrieben ­ vornehmlich wegen begrenzter Personalressourcen, aber auch weil deren Finanzierung bis zum Inkrafttreten der 4. IV-Revision mangels gesetzlicher Grundlage nicht möglich war. Immerhin wurden vom BSV seit dem Jahr 2000 sieben Ressortforschungsprojekte (inkl. Evaluationen) mit Publikationen sowie einige nicht publizierte Vorstudien zu IV-Themen vom BSV in Auftrag gegeben und finanziert. Im Rahmen der Ressortforschung werden wissenschaftliche Grundlagen zu den Rahmenbedingungen, den Bedarfslagen, dem Vollzug gesetzlicher Bestimmungen und den Wirkungen sozialpolitischer Instrumente erarbeitet.

Solches Hintergrundwissen ist für die Ausgestaltung der Sozialversicherungen von grosser Bedeutung: Es dient politischen Instanzen als Grundlage für sozialpolitische Entscheide und dem Amt zur Bewältigung der laufenden Arbeiten. Entsprechend den Aufgabenschwerpunkten des Amtes gliedert sich die Ressortforschung des BSV in folgende Forschungsbereiche: «Alter/Alterssicherung», «Behinderung/Invalidität», «Krankenversicherung/Wirkungsanalyse KVG» (seit 1.1.2004 beim BAG) sowie den Bereich «Sozialpolitik, Familienfragen und Volkswirtschaft».

Auch das Ende 2004 abgeschlossene Nationale Forschungsprogramm 45 «Probleme des Sozialstaates Schweiz» (NFP 45) hat umfangreiche wissenschaftliche Grundlagen geliefert, welche zum Teil auch für die Weiterentwicklung der IV genutzt werden können. Mit dem NFP 45 sollten Informationsdefizite und Datenlücken im Bereich der Sozialpolitik verringert und die interdisziplinäre Forschung stimuliert werden. Es umfasste 35 Projekte aus vier thematischen Modulen: Arbeitsmarkt/ Arbeitslosigkeit, Sozialstaat, Behinderung/Invalidität und Gesundheit. Im Modul Behinderung/Invalidität wurde die Frage untersucht, ob und in welchem Masse die gesetzlichen Regelungen in der Schweiz den Bedürfnissen
Behinderter entsprechen.

Diverse Projekte befassten sich mit Fragen der Stigmatisierung und der Alltagsbewältigung Behinderter sowie mit den Möglichkeiten, Behinderte in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

2414

Wissenschaftliche Grundlagen wurden bisher zum Teil in die Weiterentwicklung der Gesetzgebung einbezogen. Während die Botschaft zur 4. IV-Revision wissenschaftliche Studien eher am Rande erwähnt, wurden im Rahmen der Erarbeitung der 5. IV-Revision Ergebnisse mehrerer Studien berücksichtigt.

2005 hat das BSV die Arbeiten zur Initiierung eines längerfristigen IV-Forschungsprogramms aufgenommen (FoP-IV). Für das Management des Programms wurde ab September 2005 eine 90 %-Stelle besetzt. Es ist geplant, dass das FoP-IV inhaltlich in erster Linie auf die Themenfelder «Ursachen des Rentenwachstums», «Funktionieren des Systems und der Massnahmen der IV-Revision(en)» (z.B. Schnittstellenprobleme mit andern Teilsystemen der Sozialen Sicherheit, Wirksamkeit neuer Massnahmen und Instrumente) sowie «Psychische Behinderung» fokussieren soll.

Das mehrjährige Programm, das in Anwendung von Artikel 96 IVV 2006 der Eidgenössischen Kommission für die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (Eidg. AHV/IV-Kommission) zur Begutachtung und anschliessend dem Eidgenössischen Departement des Innern zur Genehmigung vorgelegt wird, wird sowohl «offenere» Bereiche (Forschungsrahmen) als auch «geschlossenere» Bereiche (eng eingegrenzte Fragestellungen, z.B. Evaluationen) umfassen. Vorgesehen ist eine dreijährige Laufdauer des Programms. Neben den Einzelberichten soll auch ein Synthesebericht mit den wichtigsten Schlussfolgerungen verfasst werden.

Nationale Forschungsprogramme werden vom Bundesrat auf Empfehlung des Nationalfonds bzw. des Nationalen Forschungsrats lanciert. Die Bundesämter werden sowohl bei der Eingabe von Vorschlägen als auch zur Konsultation über die eingegangenen Vorschläge beigezogen. Das BSV wird diese Gelegenheiten erneut nutzen, um den Anliegen der IV-Thematik mehr Nachdruck zu verleihen. Im Gegensatz zur Ressortforschung ist der Einfluss der Verwaltung auf die NFP allerdings gering.

Immerhin begünstigen die Forschungsprogramme die Entwicklung von ForschungsKnow-how bei öffentlichen und privaten Anbietern. Letztere können sodann durch die Verwaltung auch mit konkreteren Fragestellungen beauftragt werden, wie dies bspw. bereits beim NFP 45 der Fall war.

Empfehlung 7

AHV/IV-Kommission als Strategieorgan nutzen

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats fordert den Bundesrat auf, eine Neustrukturierung der AHV/IV-Kommission zu einer je eigenen AHV- und IV-Kommission zu prüfen. Der Bundesrat nutzt das für IV-Fragen zuständige Organ verstärkt für die strategische Weiterentwicklung der IV.

Wie die GPK-S richtig bemerkt, wurde die Eidgenössische AHV/IV-Kommission bei Fragen der strategischen Weiterentwicklung der AHV und der IV bisher nur wenig beigezogen, obwohl ihr die gesetzlichen Grundlagen grundsätzlich eine diesbezüglich aktivere Rolle ermöglichen würden. Der Bundesrat teilt die Ansicht der GPK-S, dass eine vermehrt strategische Ausrichtung der Tätigkeit dieser Kommission wünschenswert wäre. Positive Ansätze sind bereits im Bereich der Weiterentwicklung der AHV festzustellen. So hat die Eidgenössische AHV/IV-Kommission in den vergangenen Monaten u.a. verschiedene Rentenalter-Szenarien eingehend diskutiert, mögliche Inhalte des zweiten Anlaufes zur 11. AHV-Revision kritisch überprüft und Änderungen bewirkt. Der Bundesrat begrüsst eine zukunfts-

2415

orientierte, strategische Tätigkeit der Eidgenössischen AHV/IV-Kommission ausdrücklich.

Demgegenüber lehnt der Bundesrat das Anliegen der GPK-S ab, eine Neustrukturierung der Eidgenössischen AHV/IV-Kommission zu einer je eigenen AHV- und IVKommission zu prüfen. Er erachtet es als nicht erforderlich, die AHV/IV-Kommission in zwei separate Kommissionen aufzuteilen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, inwiefern die Zweiteilung der Kommission zu einer besseren Erfüllung der Aufgaben im Vergleich zu heute führen sollte. Die AHV und die IV als Sozialversicherungen der ersten Säule sind sowohl auf Gesetzesstufe als auch in der praktischen Durchführung und in der Politik eng miteinander verknüpft (z.B. einheitliches Beitragssystem, einheitliche Rentenhöhe, einheitlicher Rhythmus der Rentenanpassungen, einheitliche Rentenberechnung und ­auszahlung; gemeinsame Durchführungsstellen, etc.). Mit einer Aufteilung würden unnötige Schnittstellen geschaffen und die Gesamtschau, welche in der heutigen AHV/IV-Kommission möglich ist, ginge verloren.

2.7

Empfehlung 8

Lücken bei den Entscheidungsgrundlagen im Bereich rententreibender Faktoren Vertiefte Analyse bestimmter Rentenursachen

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats fordert den Bundesrat auf, im Rahmen der Forschungskompetenz gemäss Artikel 68 IVG oder der Aufsicht über die Durchführung der IV bestimmte, noch wenig erforschte Rentenursachen, genauer zu analysieren. Es müssen Vorkehrungen getroffen werden, um in Zukunft nicht mehr nur auf Annahmen und Mutmassungen abstellen zu müssen.

Gestützt auf entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse trifft der Bundesrat zusätzliche Massnahmen (Implementierung von im Ausland bewährten Interventionsmodellen, zusätzliche Weisungen zuhanden der Vollzugsakteure etc.).

Die Zunahme der Invalidenrenten ist keine Besonderheit der Schweiz, sondern wird in den meisten OECD-Ländern festgestellt. Um den Ursachen auf den Grund zu gehen, werden weltweit Forschungsprogramme lanciert, denen jedoch noch kein eigentlicher Durchbruch gelungen ist. Neben exogenen Faktoren, welche Invalidisierungsprozesse wohl in allen hoch entwickelten Ländern ähnlich beeinflussen (z.B.

demografische Alterung, dynamischer Krankheitsbegriff, Zunahme von psychischen und somatoformen Beschwerden als Invaliditätsursache, wachsende Arbeitslosigkeit, schwindende Integrationsbereitschaft der Unternehmen, etc.) weisen endogene Faktoren (z.B. Ausgestaltung des Systems [Leistungen, Verfahren, Organisation], Anreizmechanismen für verschiedene Akteure, etc.) länderspezifisch grosse Unterschiede auf.

Das Forschungsprogramm FoP-IV, welches bereits unter Ziffer 2.6 erwähnt wurde, hat die Funktion, einerseits Grundlagenwissen wie auch Wissen über bestimmte gesetzliche Regelungen, Massnahmen oder Instrumente zu erarbeiten und andererseits konkrete Vorschläge für zusätzliche Weiterentwicklungen zu machen. Das BSV sieht vor, im IV-Forschungsprogramm FoP-IV der Analyse der Ursachen für 2416

das Rentenwachstum einen hohen Stellenwert zukommen zu lassen. So sollen insbesondere in einem vorgesehenen Modul Gründe für die Rentenzunahme eruiert werden. Ein weiteres Modul wird die Funktionsweise des Systems genauer analysieren (Schnittstellen mit andern Sozialversicherungen und zur Sozialhilfe, institutionelle «Karrieren» von invaliden Personen etc.), und ein drittes vorgesehenes Modul widmet sich schliesslich Fragen der psychischen Behinderung. Exemplarische Fragestellungen des Programms werden voraussichtlich sein: ­

Einfluss exogener und endogener Faktoren auf die Rentenzunahme;

­

Analyse und Bedeutung sogenannter «Drehtüreffekte», d.h. Verschiebung von anderen Sozialwerken zur IV und umgekehrt;

­

Zusammenhang zwischen Migration und Invalidisierung;

­

Bedeutung und Auswirkungen des Missbrauchs sowie von Massnahmen zu dessen Verhinderung;

­

Auswertung internationaler Erfahrungen.

3

Spannungsfelder zwischen IV und AHV Empfehlung 9

Rechtliche und strukturelle Unabhängigkeit der kantonalen IV-Stellen

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats fordert den Bundesrat auf, der rechtlichen und strukturellen Unabhängigkeit der kantonalen IV-Stellen im Rahmen seiner Organisationskompetenz Rechnung zu tragen.

Primäres Ziel des Bundesrates für die 3. IV-Revision war, die Organisation der IV zu vereinfachen und sie gleichzeitig für die Versicherten leichter zugänglich und transparenter zu machen. Um dies zu erreichen, sollten die bisherigen IV-Sekretariate aus der AHV herausgelöst und zusammen mit den IV-Kommissionen und Regionalstellen in einen Ansprechpartner für die Versicherten, die IV-Stellen, zusammengeführt werden. Diese neu geschaffenen IV-Stellen sollten mit eigener Verfügungskompetenz für alle Leistungen der IV ausgestattet werden. Nach der Prüfung verschiedener Organisationsmodelle entschied sich der Bundesrat für die Schaffung kantonaler IV-Stellen. Dieses Modell füge sich leichter in das bestehende System der sozialen Sicherheit ein und entspreche auch dem Wunsch der Kantone.

Gleichzeitig sollten damit die grundsätzlichen Ziele der Reorganisation (Vereinfachung der Vollzugsorgane, Verfahrensverbesserung, mehr Bürgernähe, Harmonisierung der Vollzugspraxis) erreicht werden. Ausdrücklich vorgesehen war, dass die Kantone die Organisation und das Statut des Personals der IV-Stellen bestimmen sollten (vgl. hierzu Botschaft vom 25. Mai 1988 über ein zweites Paket von Massnahmen zur Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen, Ziff. 432 und 433, BBl 1988 II 1333).

Wie der Bundesrat in seiner Botschaft zur 5. IV-Revision ausführt, soll die Regelung der internen Organisation der IV-Stellen auch in Zukunft in die Zuständigkeit der Kantone fallen. Weil der neue Artikel 54 Absatz 2 IVG vorschreibt, dass die 2417

IV-Stellen in der Form kantonaler öffentlich-rechtlicher Anstalten mit eigener Rechtspersönlichkeit zu errichten seien, ist die Unabhängigkeit der IV-Stellen für den Bundesrat in ausreichendem Ausmass gewährleistet. In der Praxis führen Organisationsmodelle wie bspw. die Sozialversicherungsanstalt oder die Führung von AHV und IV in Personalunion weder hinsichtlich der Durchführung noch der Aufsicht zu mehr Problemen als andere Organisationsmodelle, welche IV und AHV organisatorisch klarer trennen. In seiner Antwort zur Interpellation Wehrli (04.3165) hielt der Bundesrat fest, dass er an der geltenden Konzeption im Grundsatz festhalten will: Die Sozialversicherungsanstalten seien eine folgerichtige Anpassung der organisatorischen Strukturen an die Aufgaben, welche den kantonalen Ausgleichskassen seit der Einführung der AHV übertragen worden seien. Die Erfahrung habe gezeigt, dass die Organisationsform keine systematischen Auswirkungen auf die Verwaltungskosten oder die Leistungsqualität zeitige. Der Bundesrat bevorzuge deshalb kein bestimmtes Organisationsmodell. Entscheidend sei, dass die Vollzugsstellen gesetzeskonform, effizient und effektiv arbeiten. Weil die Kantone eine ihren Strukturen entsprechende Organisationsform wählen könnten, sei gewährleistet, dass sich die jeweils vom Kanton bevorzugte Form in die kantonalen Gegebenheiten einfüge.Der Bundesrat erachtet es aus diesem Grunde nicht als notwendig, eine strikte organisatorische Entflechtung der IV von der AHV im Sinne der GPK-S anzustreben.

Die Betonung liegt somit auf der fachgerechten, effizienten und einheitlichen Durchführung der IV. Hierzu steht die Stärkung der Aufsicht des Bundes im Vordergrund.

Mit den verbesserten Aufsichtsinstrumenten soll erreicht werden, dass die korrekte Anwendung des Gesetzes, die Erreichung der im Rahmen der wirkungsorientierten Steuerung vorgegebenen Ziele durch die IV-Stellen und die Qualität der Leistungserbringung der IV-Stellen optimal und systematisch überwacht werden kann (vgl.

Ziff. 2.1).

4

Die IV-Situation beim Bund als Arbeitgeber

4.1

Intransparenz und ungenügende Datenqualität beim Bund

Motion 2

Schaffung von Transparenz bezüglich der IV-Entwicklung beim Bund

Der Bundesrat wird beauftragt, die Entwicklung der IV-Situation beim Bundespersonal und die damit zusammenhängenden Fragen eng zu begleiten. Er führt eine wissenschaftliche Datenerhebung über den Vollzug des IVG durch den Arbeitgeber Bund ein und vergleicht diesen mit dem Gesetzesvollzug auf gesamtschweizerischer Ebene. Die Transparenz ist ein zentrales und unabdingbares Element für die Führung des Bundespersonals durch den Bundesrat.

Der Bundesrat verschliesst sich einer eingehenden Prüfung und Überwachung der Entwicklung der Invalidisierungen innerhalb der Bundesverwaltung nicht und ist der Annahme der Motion nicht abgeneigt. Er erblickt aber in der Invalidisierung die Folge einer komplexen Verknüpfung von Ursachen, die es primär zu analysieren 2418

gilt, mit dem Ziel, eine gesundheitliche Beeinträchtigung einer angestellten Person nicht bis zu Invalidität auswachsen zu lassen (vgl. Stellungnahme zu Empfehlung 10, Ziff. 4.2). Eine eingehende Datenerhebung innerhalb der Bundesverwaltung im Zusammenhang mit der Invalidisierung setzt eine entsprechende Rechtsgrundlage voraus. Aus heutiger Sicht scheinen die vorhandenen Rechtsgrundlagen zur Erhebung der erforderlichen Daten nicht ausreichend zu sein, weshalb auch dieser Frage noch nachgegangen werden muss.

4.2

Zusätzliche Massnahmen zur langfristigen Senkung des IV-Rentenbestands beim Bundespersonal

Empfehlung 10 Gesamtstrategie und zusätzliche Massnahmen zur Verhinderung von Invalidisierungen beim Arbeitgeber Bund Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats fordert den Bundesrat auf, eine Gesamtstrategie zur langfristigen Senkung des IV-Rentenbestands beim Bundespersonal zu entwickeln. Gleichzeitig muss der Bundesrat zusätzliche Massnahmen treffen, um einer hohen Rentenquote beim Bundespersonal kurzund langfristig entgegen zu treten. Der Bundesrat führt u.a. eine Statistik über die erfolgreiche Wiedereingliederung.

Der Bundesrat teilt die Ansicht der GPK-S, dass eine Gesamtstrategie zur langfristigen Senkung des IV-Rentenbestands beim Bundespersonal nötig ist. Eine interdepartementale Arbeitsgruppe beschäftigt sich seit anfangs Frühling 2005 mit dem Thema Gesundheitsmanagement am Arbeitsplatz. Das EFD wird im ersten Quartal 2006 anhand dieser Denkanstösse und gemäss Auftrag des Bundesrats vom 17. August 2005 ein allgemeines Gesundheitsmanagement-Konzept vorstellen.

Darunter fallen auch das Anwesenheitsmanagement und die Betreuung sowie die Wiedereingliederung (vgl. Ziff. 4.1). Mit diesen Massnahmen sollte es möglich sein, einer hohen Rentenquote beim Bundespersonal kurz- und langfristig entgegen zu wirken. Schwerpunkt für die GPK-S bilden dabei zusätzliche Massnahmen, die dem Prozess vor- bzw. nachgelagert sind, zum Beispiel Massnahmen im Hinblick auf organisatorische Abläufe bzw. das Gesundheitsverhalten der Angestellten. Damit die Massnahmen aber auf allen Ebenen greifen, muss nicht nur die Problematik der IV-Rentnerinnen und -Rentner und der Wiedereingliederung bei von Invalidität bedrohten Personen angegangen werden, sondern es muss auch bei den Gesundheitsproblemen des Bundespersonals angesetzt werden.

2419

5

Untersuchung der Auswirkungen der Zunahme der IV-Renten auf die berufliche Vorsorge Empfehlung 11

Transparenz hinsichtlich der Auswirkungen der IV auf die berufliche Vorsorge; Massnahmen gegen die steigenden Invaliditätsleistungen der beruflichen Vorsoge

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats fordert den Bundesrat auf, die Kosten der steigenden Invaliditätsleistungen unter Einbezug der beruflichen Vorsorge transparent zu erheben. Der Bundesrat hat über die Invalidenversicherung hinaus Massnahmen zu treffen, um die IV-Rentendynamik auch auf Ebene der beruflichen Vorsorge zu brechen.

Die Einrichtungen der beruflichen Vorsorge sollen künftig vermehrt selbst eine aktive Rolle in der Vermeidung von Invaliditätsfällen bei ihren Versicherten übernehmen und so die in ihrem Bereich anfallenden Kosten beeinflussen können. Dazu soll die Zusammenarbeit der Vorsorgeeinrichtungen und der Organe der IV intensiviert werden. Hierzu wird in der 5. IV-Revision eine Bestimmung vorgeschlagen, die es den Vorsorgeeinrichtungen erlaubt, von sich aus für die Früherfassung mit der zuständige IV-Stelle Kontakt aufzunehmen und ihr die notwendigen Daten zu übermitteln. Eine Reihe von Massnahmen der 5. IV-Revision im Bereich der Dämpfung der Zunahme der Neurenten wirken sich im Übrigen nicht nur auf die Zahl der Rentenbezügerinnen und -bezüger der IV aus, sondern haben ­ infolge der verstärkten Betonung der frühzeitigen beruflichen Eingliederung ­ auch eine Einschränkung der Kosten zur Folge, die beim BVG anfallen.

Aufgrund von parlamentarischen Vorstössen aus dem Jahre 2003 hat der Bundesrat das BSV beauftragt, den Regelungsbedarf und die Zunahme der invaliditätsbedingten Kosten in der beruflichen Vorsorge zu prüfen. Ende 2003 begannen die Arbeiten am Forschungsauftrag zur Erhebung der Daten, mit dem Hewitt Associates betraut worden war. Während des Jahres 2004 wurde versucht, verwertbares Zahlenmaterial zu erarbeiten. Aufgrund eines Zwischenberichts vom März 2005 über die Machbarkeit des Forschungsauftrages und das bis zu diesem Zeitpunkt gewonnene statistische Material musste der Auftrag in Frage gestellt werden, insbesondere weil die miteinander vergleichbaren Daten nur die jüngste Vergangenheit abdeckten. Selbst nach einer erneuten Sitzung des BSV mit Hewitt Associates war es nicht möglich, aus dem weiterhin ungenügenden und nicht repräsentativen Zahlenmaterial Extrapolationen abzuleiten, um entsprechende Empfehlungen erarbeiten zu können.

Das BSV prüft nun andere Möglichkeiten, wie der Auftrag erfüllt werden kann, den Regelungsbedarf und die Zunahme der invaliditätsbedingten Kosten in der beruflichen Vorsorge zu untersuchen.

2420

6

Weitere Schlussfolgerungen in Bezug auf die 5. IVG-Revision

6.1

Einleitende Bemerkung

Obwohl sich die nachstehenden Empfehlungen 12­15 der GPK-S an die Kommissionen für soziale Sicherheit und Gesundheit der eidgenössischen Räte im Zusammenhang mit ihren Arbeiten zur 5. IV-Revision richten, erlaubt sich der Bundesrat, sich ebenfalls kurz dazu zu äussern.

6.2 Empfehlung 12

Ungenügender Stellenwert der Aufsicht Vertiefte Thematisierung und Stärkung der Aufsicht des BSV

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats empfiehlt der vorberatenden Kommissionen für soziale Sicherheit und Gesundheit, die Problematik der Aufsicht über den IV-Vollzug vertieft zu thematisieren. Neben der administrativen ist auch die fachliche Aufsicht des BSV zu stärken. Die verschiedenen Instrumente der fachlichen und administrativen Aufsicht sind zu konkretisieren und in einer umfassenden Gesamtstrategie zusammenzuführen.

Der Bundesrat weist darauf hin, dass die im BSV bereits angelaufenen und noch geplanten Teilprojekte (vgl. Ausführungen unter Ziff. 2.1) auf eine Gesamtstrategie für eine fachliche und administrative Aufsicht des BSV ausgerichtet sind. Dabei gilt es vorerst und mit erster Priorität eine wirkungsorientierte Steuerung und parallel dazu die Einführung der Qualitätsmanagementsysteme bzw. der internen Kontrollsysteme (IKS-Systeme) in den IV-Stellen aufzubauen. Gestützt auf diese zwei neuen Instrumente in der Durchführung der Invalidenversicherung gilt es dann im Rahmen des Teilprojektes «Aufsicht» sicherzustellen, dass die künftige fachliche Aufsicht mit der wirkungsorientierten Steuerung kompatibel ist. Dies bedeutet, dass die Instrumente der fachlichen wie auch der administrativen Aufsicht so zu wählen sind, dass ihre Anreiz- und Steuerungswirkungen mit den definierten Wirkungszielen kohärent sind. In diese Arbeiten werden auch die Erfahrungen der heute bereits wesentlich intensiver als früher stattfindenden materiellen Geschäftsprüfungen der IV-Stellen einfliessen. Insgesamt soll sichergestellt werden, dass die fachliche und administrative Aufsicht systematisch und kohärent im Rahmen einer Gesamtstrategie wahrgenommen wird.

2421

6.3

Empfehlung 13

Problematische Aufteilung der Aufsichtskompetenzen des Bundes Verzicht auf die Schaffung einer Aufsichtskommission

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats empfiehlt den vorberatenden Kommissionen für soziale Sicherheit und Gesundheit, auf eine weitere Aufteilung der Aufgaben in der Aufsicht über die IV zu verzichten und deshalb keine neue Aufsichtskommission zu schaffen. Um die Effizienz und Wirksamkeit der Aufsicht zu gewährleisten, soll das BSV auch künftig umfassend für die Aufsicht über die IV zuständig sein.

In seiner Botschaft zur 5. IV-Revision hat der Bundesrat die Gründe für die Einrichtung einer Aufsichtskommission eingehend dargelegt. Dieses neue Aufsichtsgremium ermöglicht es, die Sozialpartner, welche massgeblich zur Finanzierung der IV-Ausgaben beitragen, aktiv in die Vollzugsaufsicht einzubinden. Im Gegensatz zur Eidgenössischen AHV/IV-Kommission, welche ein beratendes Organ des Bundesrates in Fragen der Durchführung und Weiterentwicklung (insbesondere Gesetzgebung) der AHV und der IV darstellt, soll die neue Aufsichtskommission konkrete Aufgaben bei der Durchführung der IV wahrnehmen. Dazu gehören namentlich der Abschluss von Verträgen mit den Kantonen über die Einrichtung von IV-Stellen, die Genehmigung des Voranschlags und der Jahresrechnung der IV-Stellen. Zu den Aufgaben der Aufsichtskommission gehören auchder Abschluss von Vereinbarungen mit den IV-Stellen über die zu erbringenden Leistungen und deren Wirkungen sowie über das von ihnen zu verwendende Qualitätssicherungssystem).

In der Vernehmlassung zur 5. IV-Revision war die Einführung einer Aufsichtskommission im Sinne der Einbindung der Sozialpartner in die Aufsicht über die Durchführung der IV mit grosser Mehrheit unterstützt worden. In der Frage der Kompetenzen der Aufsichtskommission, insbesondere der Abgrenzung der Aufsichtsaufgaben der Aufsichtskommission zu jenen des BSV, aber auch deren konkreten Zusammensetzung waren sich die Vernehmlassungsteilnehmer allerdings nicht durchwegs einig.

Auch die GPK-S befürchtet Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den Aufsichtskompetenzen der Aufsichtskommission und des BSV. Der Bundesrat ist sich bewusst, dass die Kompetenzaufteilung und -begrenzung der beiden Aufsichtsinstanzen noch zu konkretisieren ist. Diese Klärung wird im Rahmen des unter Ziffer 2.1 skizzierten Gesamtprojektes «Umsetzung der 5. IV-Revision» erfolgen. Vor allem im Teilprojekt «Aufsicht» soll ein besonderes Augenmerk
auf die vorliegend aufgeworfenen Abgrenzungsfragen gerichtet und konkret darauf hingearbeitet werden, dass weder Überschneidungen der Aufsichtskompetenzen noch Aufsichtslücken entstehen.

Im Gegensatz zur GPK-S ist der Bundesrat der Ansicht, dass das als wichtig erkannte Anliegen der Einbindung der Sozialpartner in die Aufsicht über die Durchführung nicht über die Schaffung einer speziellen IV-Kommission mit vermehrt strategischem Profil (vgl. Ziff. 2.6, Empfehlung 7) realisiert werden kann. Auch eine spezielle IV-Kommission wäre ­ trotz vermehrter strategischer Ausrichtung ­ auf die Wahrnehmung einer beratenden Funktion beschränkt; sie hätte nicht dieselben 2422

Möglichkeiten wie die neu zu schaffende Aufsichtskommission, konkret und unmittelbar auf die Durchführung der IV, beispielsweise auf die Durchführungskosten der IV-Stellen, Einfluss zu nehmen. Dieselben Überlegungen gelten für die eidgenössische AHV/IV-Kommission, welche der Bundesrat in der geltenden Zusammensetzung beibehalten will.

6.4

Empfehlung 14

Zusätzliche Massnahmen im Zusammenhang der Eingliederung erwerbsbehinderter Personen Prüfung zusätzlicher Massnahmen zur Eingliederung erwerbsbehinderter Personen

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats empfiehlt den vorberatenden Kommissionen für soziale Sicherheit und Gesundheit, im Rahmen der 5. IVGRevision weitergehende Beschäftigungsanreize für Arbeitgeber zu prüfen (Bonus-/Malussysteme, steuerliche Begünstigungen, Entlastung in der beruflichen Vorsorge etc.). Dabei sind die Praktiken von Staaten, die in den vergangenen Jahren eine Stabilisierung oder Trendwende bei der Rentenquote einleiten konnten (Kanada, Niederlande etc.), zu analysieren.

Die Frage des Einbezugs von Arbeitgebenden im Bereich der Eingliederung von Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen ist zentral. Sämtliche Bemühungen der sozialen Auffangsysteme, gesundheitsbedingt leistungsbeeinträchtigte Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zurückzubringen, müssen scheitern, wenn keine entsprechenden Stellen zur Verfügung stehen. Entsprechend hat die Frage, wie dieser Miteinbezug gewährleistet werden kann, in der IV eine hohe Priorität.

In der Eintretensdebatte der SGK-N zur 5. IV-Revision Anfang September 2005 wurde das BSV beauftragt, einen Bericht zu den in der vorliegenden Empfehlung 14 erwähnten Fragestellungen zu erarbeiten. Der Bericht sollte insbesondere aufzeigen, welche Möglichkeiten bestehen, Arbeitgebende bei der Beschäftigung von Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen einzubeziehen (insbesondere auch unter Berücksichtigung von bestehenden Regelungen im Ausland), welche dieser Möglichkeiten als wirksam zu beurteilen sind und inwiefern die IV bzw. die aktuell zur Diskussion stehende Botschaft zur 5. IV-Revision diesen Möglichkeiten Rechnung trägt.

Das BSV ist diesem Auftrag nachgekommen, hat die Thematik «Anreize und Verpflichtungen für die Beschäftigung von Arbeitnehmenden mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen» vertieft untersucht und in einem umfangreichen Bericht zuhanden der SGK-N zusammenfassend dargestellt. Der Bericht zeigt auf, welche Modelle des Miteinbezugs von Arbeitgebenden (sei es im Bereich von auf Freiwilligkeit basierenden Anreizen oder von Verpflichtungen) grundsätzlich denkbar sind. Diese Modelle beurteilt der Bericht einerseits bezüglich ihrer Wirksamkeit und andererseits bezüglich ihrer konkreten Umsetzbarkeit im schweizerischen System sozialer Sicherheit. Die im Bericht an die SGK-N gemachten Einschätzungen stützen sich auf vier Berichte bzw. eine Studie, die seit 1999 zu diesem Thema erstellt wurden.

Zudem wird verglichen, welche Ansätze andere Länder gewählt haben, die mit einer 2423

ähnlichen Rentenproblematik konfrontiert sind. Der Bericht an die SGK-N kommt zum Schluss, dass den Vorschlägen und Schlussfolgerungen aus den erwähnten Berichten zu folgen ist und dass die Ansätze der 4. und auch der 5. IV-Revision, die insbesondere auf ­

verbesserte und frühzeitige Information der Arbeitgebenden,

­

finanzielle Unterstützung bei der Eingliederung (Einarbeitungszuschüsse) und auf

­

die Möglichkeit der Übernahme gewisser Risiken bzw. Kostenfolgen (Krankentaggeld, berufliche Vorsorge)

zielen, den geäusserten Beurteilungen und Vorschlägen Rechnung tragen. Der Bericht führt ferner aus, dass sich der Ansatz, Massnahmen auf verschiedenen Ebenen vorzusehen, mit den Vorschlägen der Fachpersonen und den Entwicklungen im Ausland decke.

Grundsätzlich wird im Bericht an die SGK-N darauf hingewiesen, dass es unabdingbar ist, bei der Frage des verstärkten Einbezugs der Arbeitgebenden nicht nur die IV in die Betrachtung mit einzubeziehen, sondern dem schweizerischen System sozialer Sicherheit als Ganzes Rechnung zu tragen. So wirken beim Risiko «Invalidität» aufgrund des 3-Säulen-Systems durchaus Anreize aus den Bereichen Krankentaggeld, Unfall und berufliche Vorsorge (Bonus/Malus-Systeme), auch wenn die IV selbst die genannten Anreize nicht kennt.

Die SGK-N hat den Bericht am 21. Oktober 2005 zur Kenntnis genommen und einen Folgeauftrag erteilt, wonach die Verwaltung aufzeigen soll, welche Erfahrungen bisher mit der Umsetzung des mit der 4. IV-Revision eingeführten Artikels 68quater IVG (Pilotversuche zur Anstellung invalider Versicherter) gemacht worden sind.

6.5

Empfehlung 15

Allfällige gesetzliche Regelung weiterer in diesem Bericht enthaltener Fragen Prüfung weiterer gesetzlicher Regelungen

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats empfiehlt den vorberatenden Kommissionen für soziale Sicherheit und Gesundheit zu prüfen, inwiefern und wie den in diesem Bericht aufgenommenen Empfehlungen 4 (Aktive Wahrnehmung der Aufgabe der Gesetzgebungsentwicklung), 7 (AHV/IV-Kommission als Strategieorgan nutzen) sowie 9 (Rechtliche und strukturelle Unabhängigkeit der kantonalen IV-Stellen) im Rahmen der 5. IVG-Revision Rechnung getragen werden soll.

Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang auf seine Ausführungen zu den entsprechenden Empfehlungen (vgl. Ziff. 2.5, 2.6 und 3).

Im Zusammenhang mit der Empfehlung 4 erübrigt sich nach Ansicht des Bundesrates eine gesetzliche Regelung. Eine Umsetzung der Empfehlung 7 im Sinne einer Aufteilung der Eidgenössischen AHV/IV-Kommission in zwei separate Kommissio2424

nen, zu der sich der Bundesrat in der vorliegenden Stellungnahme ablehnend äussert, würde demgegenüber eine Anpassung gesetzlicher Grundlagen erfordern. Was eine Umsetzung der vom Bundesrat ebenfalls abgelehnten Empfehlung 9 betrifft, so wäre eine Anpassung gesetzlicher Grundlagen näher zu prüfen.

2425

2426