06.065 Botschaft über ein Doppelbesteuerungsabkommen mit der Republik Armenien vom 23. August 2006

Sehr geehrte Herren Präsidenten Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit dem Antrag auf Zustimmung den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung des am 12. Juni 2006 unterzeichneten Abkommens mit der Republik Armenien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. August 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2006-1265

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Übersicht Am 12. Juni 2006 wurde mit Armenien ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen unterzeichnet.

Dieses Abkommen bietet Personen mit steuerlichen Bezugspunkten zu beiden Staaten und speziell den investierenden Unternehmen neben der Beseitigung der Doppelbesteuerung auch einen gewissen steuerlichen Schutz. Es begünstigt neue Investitionen und stellt zudem sicher, dass die schweizerischen Unternehmen gegenüber ihren Konkurrenten aus anderen Industriestaaten keine steuerlich bedingten Wettbewerbsnachteile erleiden.

Das Abkommen folgt im Wesentlichen dem Musterabkommen der OECD und der schweizerischen Abkommenspraxis. Bezüglich der Besteuerung von Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren konnten die von der Schweiz angestrebten Lösungen grösstenteils verwirklicht werden. Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben den Abschluss des Abkommens begrüsst.

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Botschaft 1

Grundzüge des Abkommens

1.1

Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Armenien erlangte nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 seine Unabhängigkeit als souveräner Staat. Das Land weist ein präsidiales Regierungssystem auf. Es ist unter anderem Mitglied von UNO, Europarat, Bretton Woods Institutionen (Weltbank und IWF) und der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS).

Das Handelsvolumen zwischen der Schweiz und Armenien ist bescheiden und betrifft herkömmliche Produkte (Uhren und pharmazeutische Produkte). Ein bilaterales Handelsabkommen und ein Investitionsschutzabkommen sind seit dem 1. Januar 2000 bzw. seit dem 4. November 2002 in Kraft.

Nach zwei Verhandlungsrunden konnten am 15. Dezember 2000 in Bern der Entwurf eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen und ein zugehöriger Protokollentwurf paraphiert werden.

Die Kantone und die interessierten Wirtschafskreise haben sich zustimmend zum Abkommen geäussert. Am 12. Juni 2006 wurde das Abkommen samt Protokoll in Eriwan unterzeichnet.

1.2

Würdigung

Dieses Abkommen folgt weitgehend dem OECD-Musterabkommen und entspricht der schweizerischen Abkommenspraxis. Es konnten Lösungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vereinbart werden, die für die Schweiz und für die schweizerische Wirtschaft im bilateralen Verhältnis eine tragfähige Grundlage abgeben und mögliche steuerliche Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Staaten, welche mit Armenien ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen haben, beseitigen. In einigen Punkten musste der besonderen Situation Armeniens als junger, in einer Transformationsphase stehender Staat Rechnung getragen werden. Insgesamt schafft das Abkommen Rechtssicherheit und bringt für die Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen wesentliche Vorteile. Es ist geeignet, zur Förderung schweizerischer Direktinvestitionen in Armenien beizutragen.

2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln des Abkommens

Das Doppelbesteuerungsabkommen folgt sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht weitgehend dem von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erarbeiteten Musterabkommen sowie der schweizerischen Vertragspraxis auf diesem Gebiet. Wir beschränken uns deshalb im Folgenden darauf, zentrale Merkmale des Abkommens hervorzuheben und die wesentlichsten

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Abweichungen vom Musterabkommen bzw. von der schweizerischen Vertragspraxis zu erläutern.

Art. 2

Unter das Abkommen fallende Steuern

Der sachliche Geltungsbereich des Abkommens umfasst die Steuern auf dem Einkommen und dem Vermögen.

Art. 4

Ansässige Person

In Fällen doppelter Ansässigkeit von anderen als natürlichen Personen regeln die zuständigen Behörden beider Staaten die Ansässigkeit im Verständigungsverfahren.

Art. 5

Betriebstätte

Bauausführungen und Montagen oder damit zusammenhängende Überwachungstätigkeiten begründen eine Betriebstätte, wenn ihre Dauer sechs Monate überschreitet.

Art. 9

Verbundene Unternehmen

Beide Seiten einigten sich darauf, in Absatz 3 die Befristung für die Vornahme von Gewinnberichtigungen auf fünf Jahre festzulegen. Vorbehalten bleiben Fälle von Betrug oder vorsätzlicher Unterlassung.

Art. 10

Dividenden

Im Beteiligungsverhältnis wird die Steuer zu Gunsten des Quellenstaats auf 5 Prozent begrenzt, wenn die von einer Kapitalgesellschaft gehaltene Beteiligung mindestens 25 Prozent des Kapitals der die Dividenden zahlenden Gesellschaft beträgt und das in die Beteiligung investierte Kapital den Gegenwert von 200 000 Schweizer Franken übersteigt. In allen übrigen Fällen beträgt die Quellensteuer höchstens 15 Prozent.

Art. 11

Zinsen

Die Quellensteuer auf Zinsen wird auf 10 Prozent begrenzt.

Für Zinsen im Zusammenhang mit Verkäufen von gewerblichen, kaufmännischen oder wissenschaftlichen Ausrüstungen auf Kredit sowie für Bankdarlehen konnte jedoch ein ausschliessliches Besteuerungsrecht im Ansässigkeitsstaat des Zinsempfängers vereinbart werden.

Art. 12

Lizenzgebühren

Der Quellensteuersatz auf Lizenzgebühren wird generell auf 5 Prozent begrenzt.

Leasinggebühren fallen nicht unter den Begriff der Lizenzgebühr.

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Art. 13

Gewinne aus der Veräusserung von Vermögen

Das Abkommen sieht ein Besteuerungsrecht des Belegenheitsstaates bei der Veräusserung von Beteiligungen an Gellschaften vor, deren Vermögen unmittelbar oder mittelbar zur Hauptsache aus in diesem Staat gelegenem unbeweglichen Vermögen besteht.

Art. 18 und 19

Ruhegehälter und öffentlicher Dienst

Entsprechend der schweizerischen Abkommenspraxis wurde in Ziffer 6 des Protokolls ausdrücklich festgehalten, dass die Artikel 18 und 19 des Abkommens auch auf Kapitalleistungen Anwendung finden.

Art. 21

Andere Einkünfte

Das Abkommen enthält für die anderen Einkünfte eine Zuteilungsregel zu Gunsten des Ansässigkeitsstaates des Empfängers. Die Lotteriegewinne werden entsprechend der schweizerischen Abkommenspraxis von der Anwendung dieses Abkommens ausgeschlossen.

Art. 23

Vermeidung der Doppelbesteuerung

Armenien vermeidet die Doppelbesteuerung mittels der Anrechnungsmethode.

Die Schweiz wendet wie üblich die Befreiungsmethode mit Progressionsvorbehalt an und gewährt für die nicht rückforderbaren Quellensteuern auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren die pauschale Steueranrechnung. Dividendeneinkünfte schweizerischer Unternehmen aus armenischen Quellen geniessen die gleichen steuerlichen Vergünstigungen wie Dividendeneinkünfte aus schweizerischen Quellen.

Art. 26

Informationsaustausch

Das Abkommen enthält eine Auskunftsklausel, wie sie bereits mit anderen Nichtmitgliedstaaten der OECD vereinbart worden ist. Der Austausch ist beschränkt auf Informationen, welche für die Durchführung der Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens notwendig sind. Die übermittelten Informationen dürfen nur für die Veranlagung und den Bezug der vom Abkommen erfassten Steuern verwendet werden. Ausgeschlossen ist der Austausch von Informationen, die ein Handels-, Geschäfts-, Bank-, Industrie- oder Berufsgeheimnis oder ein Geschäftsverfahren betreffen.

Art. 27

Mitglieder diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen

Dieser Artikel entspricht der im Vergleich mit dem OECD-Musterabkommen detaillierteren schweizerischen Abkommenspraxis.

Art. 28

Inkrafttreten

Das Abkommen tritt am Tag des Eingangs der zweiten Note in Kraft. Seine Bestimmungen finden ab dem 1. Januar des auf das Inkrafttreten des Abkommens folgenden Kalenderjahres Anwendung.

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3

Finanzielle Auswirkungen

In einem Doppelbesteuerungsabkommen verzichten beide Vertragsstaaten auf gewisse Steuereinnahmen. Für die Schweiz ergeben sich Einbussen durch die teilweise Rückerstattung der Verrechnungssteuer und durch die Anrechnung der Steuern, die in Armenien auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren gestützt auf die Artikel 10, 11 und 12 erhoben werden. Da armenische Investitionen in der Schweiz bisher kaum getätigt wurden, dürften die Einbussen nicht wesentlich ins Gewicht fallen. Die durch den Bundesratsbeschluss vom 22. August 1967 verankerte pauschale Steueranrechnung wird eine gewisse Belastung der schweizerischen Steuerhoheitsträger nach sich ziehen. Mangels geeigneter Unterlagen kann das Ausmass jedoch nicht geschätzt werden.

Im vorliegenden Abkommen konnten mit Armenien Lösungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vereinbart werden, die für die Schweiz und für die schweizerische Wirtschaft im bilateralen Verhältnis eine tragfähige Grundlage abgeben und mögliche steuerliche Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Staaten, welche mit Armenien ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen haben, beseitigen.

Insgesamt bringt das Abkommen für die Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen wesentliche Vorteile, und es ist geeignet, zur Förderung schweizerischer Direktinvestitionen in Armenien beizutragen. Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben seinen Abschluss begrüsst. Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass Doppelbesteuerungsabkommen in erster Linie im Interesse der Steuerpflichtigen abgeschlossen werden und dass sie ganz allgemein zur Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit beitragen, was ein Hauptanliegen der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik ist.

4

Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage für dieses Abkommen ist Artikel 54 der Bundesverfassung (BV), der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV zuständig für die Genehmigung des Abkommens. Das Abkommen ist zwar auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Es sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. Dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstehen seit dem 1. August 2003 die Staatsverträge, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes gilt eine Bestimmung eines Staatsvertrages dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt.

Im Sinne der Entwicklung einer gangbaren Praxis zur neuen Ziffer 3 von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV und um die wiederholte Unterstellung gleichartiger Abkommen unter das Referendum zu vermeiden, hat der Bundesrat in seiner Botschaft vom 19. September 2003 zum Doppelbesteuerungsabkommen mit Israel festgehalten, dass er dem Parlament Staatsverträge, die im Vergleich zu früher abgeschlossenen Abkommen keine wichtigen zusätzlichen Verpflichtungen für die Schweiz beinhalten, auch in Zukunft mit dem Vorschlag unterbreiten werde, diese 7656

dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nicht zu unterstellen. Zwar enthält das vorliegende Abkommen rechtsetzende Bestimmungen, doch beschränken sich diese auf die Eingrenzung der Besteuerungsbefugnisse der Schweiz, ohne zusätzliche steuerliche Verpflichtungen zu schaffen. Im Weiteren entspricht der Inhalt des Abkommens der schweizerischen Politik auf dem Gebiet der Vermeidung der Doppelbesteuerung. Der Bundesbeschluss über das Abkommen mit Armenien unterliegt daher nicht dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV.

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