06.400 Parlamentarische Initiative Anzahl Richter am Bundesgericht.

Verordnung der Bundesversammlung Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates vom 21. Februar 2006

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Verordnung der Bundesversammlung. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

21. Februar 2006

Im Namen der Kommission Der Präsident: Franz Wicki

2006-0685

3475

Übersicht Das Bundesgesetz über das Bundesgericht sieht vor, dass das Bundesgericht mit seinen beiden Standorten Lausanne und Luzern aus 35 bis 45 ordentlichen Bundesrichtern und Bundesrichterinnen besteht. Die Zahl der nebenamtlichen Richter und Richterinnen kann höchstens zwei Drittel derjenigen der ordentlichen Richter und Richterinnen betragen. Die genaue Anzahl der Richterstellen wird in einer Verordnung der Bundesversammlung festgelegt, zu deren Ausarbeitung die Kommission für Rechtsfragen des Ständerats vom Büro des Ständerates beauftragt wurde.

Am Bundesgericht und am Eidgenössischen Versicherungsgericht sind heute insgesamt je 41 ordentliche und nebenamtliche Richter und Richterinnen tätig. Die Kommission beantragt mit dem vorliegenden Verordnungsentwurf, die Zahl der ordentlichen Bundesrichter und Bundesrichterinnen befristet bis Ende 2011 auf 38 festzulegen. Dem Bundesgericht sollen ferner 19 nebenamtliche Richter und Richterinnen angehören.

Ein Vergleich zweier Zeitperioden der Tätigkeit der Bundesgerichte sowie quantifizierbare Aussagen über die zu erwartende Entlastungswirkung der neuen Gesetzgebung sprechen heute für eine Reduktion der Richterzahl. Weil noch nicht alle be- und entlastenden Wirkungen der Revision der Bundesrechtspflege abschliessend bezifferbar sind, soll die Anzahl Richterstellen im Jahr 2011 erneut überprüft werden.

Bis zum Ablauf der derzeitigen Amtsperiode (Ende 2008) werden frei werdende Richterstellen am Bundesgericht nicht mehr besetzt. Sollten Ende 2008 noch mehr als 38 ordentliche und 19 nebenamtliche Richter und Richterinnen im Amt sein, so hätte die Vereinigte Bundesversammlung deren Zahl im Rahmen der Gesamterneuerungswahlen für die Amtsdauer 2009­2014 zu reduzieren.

Die definitive Festlegung der Anzahl Richterstellen kann nur auf der Basis einer umfassenden Kosten- und Organisationsanalyse des Bundesgerichts erfolgen. Das Bundesgericht wird deshalb mit dem beiliegenden Verordnungsentwurf zugleich verpflichtet, ein Controllingverfahren einzurichten, das es erlaubt, präzise Aussagen über die Belastung des Gerichts zu machen.

3476

Bericht 1

Ausgangslage

1.1

Die parlamentarische Initiative

Die Zahl der Bundesrichter und Bundesrichterinnen ist derzeit in Artikel 1 und Artikel 123 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege (OR; SR 173.110) geregelt. Das Bundesgericht besteht aus 30 ordentlichen und 30 nebenamtlichen Richtern und Richterinnen, das Eidgenössische Versicherungsgericht aus je 11 ordentlichen und nebenamtlichen Richtern und Richterinnen. Gemäss Artikel 1 Absatz 3 und 4 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (BGG)1 besteht das Bundesgericht (zusammengesetzt aus dem heutigen Bundesgericht und dem heutigen Eidgenössischen Versicherungsgericht) aus 35­45 ordentlichen Bundesrichtern und Bundesrichterinnen sowie aus nebenamtlichen Richtern und Richterinnen, deren Zahl höchstens zwei Drittel der Anzahl der ordentlichen Richter und Richterinnen beträgt. Artikel 1 Absatz 5 BGG hält fest, dass die Bundesversammlung die Zahl der Richter und Richterinnen in einer Verordnung festlegt. Das BGG wird voraussichtlich am 1. Januar 2007 in Kraft treten.

Die Frage der Anzahl Bundesrichter und Bundesrichterinnen ist eng mit der Organisation des Gerichts sowie mit seinem Voranschlag verknüpft. Das Bundesgericht bestellt seine Verwaltung (Art. 188 Abs. 3 BV; SR 101). Der Bundesrat nimmt die Entwürfe des Bundesgerichts unverändert in seinen Entwurf für den Voranschlag und in die Rechnung des Bundes auf; das Bundesgericht vertritt seinen Voranschlag und seine Rechnungen vor der Bundesversammlung (Art. 142 ParlG; SR 171.10).

Angesichts dieser Tatsache verzichtete der Bundesrat darauf, dem Parlament wie üblich einen Verordnungsentwurf zu unterbreiten, sondern ersuchte die Koordinationskonferenz der Bundesversammlung, eine parlamentarische Kommission zu bezeichnen, welche für die Ausarbeitung einer Verordnung über die Anzahl Bundesrichter und Bundesrichterinnen zuständig ist. Das Büro des Ständerates beauftragte hierauf am 26. August 2005 die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates (nachfolgend: die Kommission), dem Parlament in Absprache mit der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats (RK-N) einen entsprechenden Verordnungsentwurf zu unterbreiten. Die Nationalratspräsidentin stimmte diesem Vorgehen zu.

Die Kommission beschloss am 29. August 2005 einstimmig und vorbehaltlich der Zustimmung der Kommission des Nationalrates einen entsprechenden Entwurf auszuarbeiten. Die RK-N stimmte diesem Beschluss am 5. September 2005 ebenfalls einstimmig zu.

1.2

Arbeiten der Kommission

Die Kommission arbeitete eng mit den Bundesgericht und dem Eidgenössischen Versicherungsgericht zusammen. Sie bat die beiden Gerichte um eine schriftliche Darlegung der Personal- und Kostenentwicklung in den letzten Jahren und insbesondere um ihre Einschätzung der durch die Justizreform zu erwartenden be- und 1

BBl 2005 4045

3477

entlastenden Wirkungen auf die Geschäftslast des Bundesgerichts. Ergänzend zu den schriftlichen Darstellungen hörte die Kommission am 31. Oktober 2005 eine Delegation der beiden Gerichte an.

Zur Planung der weiteren Arbeiten setzte die Kommission eine Arbeitsgruppe, bestehend aus den Ständeräten Rolf Schweiger (Präsident), Hermann Bürgi, PierreAlain Gentil und Hansheiri Inderkum, ein.

An ihrer Sitzung vom 21. November 2005 hörte die Kommission einen Experten für Fragen des Gerichtsmanagements an.

Die von der Arbeitsgruppe für die weiteren Arbeiten der Kommission anschliessend ausgearbeiteten Entscheidunterlagen, Statistiken, Berechnungen und Einschätzungen der be- und entlastenden Wirkungen auf die Geschäftslast wurden beiden Bundesgerichten zugestellt. Deren Bemerkungen, Korrekturen und Anregungen flossen teilweise in ein abschliessendes Diskussionspapier der Arbeitsgruppe zuhanden der Kommission ein. Es bildete die Basis der weiteren Diskussion in der Kommission vom 23. Januar 2006, an welcher erneut eine Delegation der beiden Gerichte teilnahm.

Am 21. Februar 2006 hat die Kommission den beiliegenden Verordnungsentwurf mit 7 zu 3 Stimmen bei einer Enthaltung angenommen. Sie wurde gemäss Artikel 112 Absatz 1 ParlG in ihrer Arbeit vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement unterstützt.

2

Grundzüge der Vorlage

Mit der Revision der Bundesrechtspflege hat das Parlament zu überprüfen, welche Zahl von Richtern und Richterinnen für das Bundesgericht in Zukunft angemessen ist. Die Kommission legt besonderen Wert darauf, dass bei dieser Überprüfung das Anliegen einer qualitativ einwandfreien höchstrichterlichen Rechtsprechung im Vordergrund steht. Um die angemessene Zahl von Richterstellen festzulegen, untersuchte die Kommission die Entwicklung der Geschäftslast und des Personalbestands der beiden Bundesgerichte in den letzten Jahren. Sie berücksichtigte ebenfalls, welche Auswirkungen auf die Geschäftslast durch die Revision der Bundesrechtspflege zu erwarten sind. Da diese derzeit noch nicht abschliessend bezifferbar sind, hält es die Kommission für richtig, die Zahl der Richter und Richterinnen heute nur provisorisch festzulegen. Erst die Erfahrungen mit der praktischen Umsetzung der neuen Gerichtsorganisation und eine Kosten- und Organisationsanalyse des Bundesgerichts werden es erlauben, die Anzahl Richter und Richterinnen längerfristig festzulegen.

2.1

Geschäftslast und Personalbestand der eidgenössischen Gerichte

2.1.1

Entwicklung der Geschäftslast von 1990­2005

Das Bundesgericht hatte von 1990­1999 einen stetigen, mehr oder weniger konstanten Zuwachs der Geschäftslast zu verzeichnen. Die Zahl der Neueingänge stieg während dieses Zeitraums von rund 4600 auf 5400 Fälle jährlich. Parallel dazu stieg auch die Zahl der Erledigungen kontinuierlich an: Im Jahr 1990 erledigte das Bun3478

desgericht rund 4250 Fälle, im Jahr 1999 waren es rund 5600 Fälle. Im Jahr 2000 wurde der Zuwachs an Neueingängen gebremst und ging während der nächsten drei Jahre um je ungefähr 200 Fälle zurück, bis im Jahr 2002 mit 4554 Eingängen ein neuer Tiefststand erreicht war. Die Zahl der Erledigungen nahm während dieses Zeitraums von rund 5316 Fällen (2000) über 5047 (2001) auf 4648 (2002) ebenfalls ab. Seit 2003 ist am Bundesgericht wieder eine Zunahme an Neueingängen festzustellen. Die Zahl der Eingänge erreichte im Jahr 2005 erstmals seit 2000 wieder die 5000er-Marke. (vgl. Tabelle 1 im Anhang).

Am Eidgenössischen Versicherungsgericht nahm die Geschäftlast seit Beginn der 1990er Jahre von ungefähr 1100 Eingängen kontinuierlich um 100 bis 200 Neueingänge pro Jahr zu. Im Jahr 2000 wurde mit 2521 Eingängen ein Höhepunkt erreicht.

In derselben Zeitperiode konnte die Zahl der Erledigungen fast verdoppelt werden: sie stieg von 1137 Erledigungen im Jahr 1990 auf 2242 Erledigungen im Jahr 2000.

Ab 2001 ist auch am Eidgenössischen Versicherungsgericht ein vorübergehender Rückgang von Neueingängen zu verzeichnen, seit 2004 zeichnet sich jedoch ein erneuter Trend zu einem Anstieg ab. Für das Jahr 2005 sind 2475 Neueingänge zu verzeichnen. Die Zahl der Erledigungen ist seit dem Jahr 2000 im Vergleich zum Beginn der 90er-Jahre konstant hoch geblieben und bewegt sich zwischen rund 2200 und rund 2600 Fällen pro Jahr. (vgl. Tabelle 2 im Anhang).

2.1.2

Entwicklung des Personalbestands

Ab dem Jahr 1979 zählt das Bundesgericht unverändert 30 ordentliche Richter und Richterinnen. Seit 1970 waren am Gericht 15 nebenamtliche Richter und Richterinnen tätig, deren Zahl aufgrund der stetig wachsenden Geschäftslast durch den Bundesbeschluss vom 23. März 19842 über die Erhöhung der Zahl der nebenamtlichen Richter des Bundesgerichts auf 30 erhöht wurde. Diese Erhöhung war ursprünglich bis zum 31. Dezember 1988 befristet, wurde jedoch vom Parlament in den Jahren 1988 und 1991 verlängert. Er gilt bis zum Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes (BGG). Die zunehmende Geschäftslast des Bundesgerichtes machte ebenfalls einen Ausbau der Gerichtsschreiberstellen erforderlich. Ihre Zahl hat sich zwischen 1979 und 1999 von 28 auf 85 verdreifacht, wobei ein besonders starker Ausbau in den Jahren 1988 bis 1991 mit der Anstellung von insgesamt 30 persönlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Bundesrichter erfolgte. Seit 2000 ist die Zahl der Gerichtsschreiber und Gerichtsschreiberinnen rückläufig. Im Jahr 2004 waren noch 81,5 Gerichtsschreiberstellen effektiv belegt.

Am Eidgenössischen Versicherungsgericht waren ab 1980 je 9 ordentliche und nebenamtliche Richter und Richterinnen tätig. Im Jahr 2001 erfolgte aufgrund der gestiegenen Geschäftslast eine Aufstockung auf die heute noch gültige Zahl von je 11 ordentlichen und nebenamtlichen Richtern und Richterinnen. Die steigende Belastung zog auch am Eidgenössischen Versicherungsgericht einen markanten Ausbau der Gerichtsschreiberstellen in den letzten zwei Jahrzehnten nach sich: Zu Beginn der 80er-Jahre beschäftigte das Gericht 20 Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreiber. 1997 betrug ihre Zahl 28, bis zum Jahr 2003 wurden die effektiv belegten Stellen auf 42,4 ausgebaut, eine Gerichtsschreiberstelle konnte seither wieder abgebaut werden.

2

SR 173.110.1

3479

2.1.3

Prognose für das Jahr 2006

Aufgrund der gestiegenen Neueingänge im Jahre 2005 rechnen beide Bundesgerichte für das Jahr 2006 und die Folgejahre mit höheren Eingängen. Gemäss Einschätzung des Bundesgerichts könnte eine erhebliche Steigerung der Eingänge im Jahre 2006 die am 1. Januar 2005 in Kraft getretene Gesetzesänderung im Kanton Zürich bringen, wonach die Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht auf die Anfechtung von Entscheiden des Geschworenengerichts und des Obergerichts als erste Instanz eingeschränkt ist.

Beim Eidgenössischen Versicherungsgericht stieg die Geschäftslast seit 2004 wieder kontinuierlich an. Die Mehrheit der Vorinstanzen rechnen weiterhin mit einem Anstieg, der sich auch auf das Versicherungsgericht auswirken wird, dies umso mehr, als die Tendenz zum Weiterzug von Entscheiden der Vorinstanzen an das Versicherungsgericht von 11 Prozent im Jahr 2001 auf gegenwärtig 21 Prozent zugenommen hat.

2.2

Be- und entlastende Wirkungen der neuen Bundesgerichtsgesetzgebung ab 2007

2.2.1

Ziel der Totalrevision der Bundesrechtspflege

Die Totalrevision der Bundesrechtspflege (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 28. Februar 2001; BBl 2001 4202) stand namentlich unter dem Eindruck einer starken Überbelastung der Bundesgerichte. Der Bundesrat nannte die Entlastung der Bundesgerichte denn auch als eines der Hauptziele der Revision. Während der parlamentarischen Beratungen sank die Anzahl Neueingänge am Bundesgericht deutlich. Vorgezogene Teile der Justizreform ­ so die Teilrevision des Bundesrechtspflegegesetzes vom 23. Juni 20003 und der damit verbundene Wegfall von über 90 Prozent der Direktprozesse ­ brachten für das Bundesgericht bereits ab 2001 eine Entlastung. Dem Faktor der Geschäftsentlastung wurde deshalb im Lauf der parlamentarischen Beratungen auch aus Sicht der Gerichte weniger grosser Wert beigemessen. Aussagen aus der Botschaft des Bundesrates vom 28. Februar 2001 über das Ausmass der zu erwartenden Entlastungswirkungen können deshalb nicht uneingeschränkt als zutreffend betrachtet werden.

2.2.2

Entlastungen

Die ursprünglich erwarteten Entlastungswirkungen der neuen Gesetzgebung sind in der Botschaft des Bundesrates vom 28. Februar 2001 umfassend dargestellt. Im Zuge der parlamentarischen Beratungen wurden aber Änderungen beschlossen. So hat das Parlament unter anderem gewisse Ausschlussgründe bei der öffentlichrechtlichen und der strafrechtlichen Beschwerde (Art. 79 und Art. 83 BGG) gestrichen und eine subsidiäre Verfassungsbeschwerde wiedereingeführt. (Art. 113ff. BGG).

Trotzdem bleibt mit dem vom Parlament verabschiedeten Bundesgerichtsgesetz eine Tendenz zur Entlastung des Bundesgerichts gegeben. Ein Teil der be- und entlasten3

AS 2000 2719

3480

den Änderungen sind derzeit in ihren Auswirkungen zwar noch nicht abschliessend quantifizierbar. Andere Entlastungswirkungen dagegen konnten in Zusammenarbeit mit den Bundesgerichten und der Verwaltung quantifiziert werden. Diese sind nachstehend dargestellt: Das Bundesstrafgericht entlastet das Bundesgericht von direkten Strafprozessen.

Diese Entlastung besteht jedoch bereits seit dem Jahr 2000, als der letzte Bundesstrafprozess vor Bundesgericht stattfand. Seither wurden diese Fälle regelmässig an die Kantone delegiert. In Zukunft ist gemäss Schätzungen des Bundesgerichts noch ungefähr mit einem Entlastungspotential von 8 Fällen pro Jahr zu rechnen.

Bei der Ablösung der Anklagekammer des Bundesgerichts durch die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts ist zu berücksichtigen, dass ein Teil der Fälle vom Bundesstrafgericht an das Bundesgericht weitergezogen werden kann. Die frühere Belastung wird sich nach Einschätzung des Bundesgerichts vorsaussichtlich etwa um die Hälfte, d.h. um 50 Fälle pro Jahr, reduzieren.

Die neue Zuständigkeit des Bundesstrafgerichts im Bereich Internationale Rechtshilfe in Strafsachen bedeutet, dass das Bundesgericht nur noch ein geringer Teil der bisherigen Fälle materiell beurteilen muss. Es kann mit einer Entlastung von rund 100 Fällen gerechnet werden.

Der Wegfall der bundesgerichtlichen Aufsicht im Schulbetreibungs- und Konkurswesen (Art. 15 SchKG; SR 281.1) und über die eidgenössischen Schätzungskommissionen (Art. 63 EntG; SR 711) bringt gesamthaft eine Entlastung von etwa 4 Arbeitswochen eines Richters und drei Arbeitswochen eines Gerichtsschreibers.

Die Erhöhung der Streitwertgrenzen von 8000 auf 30 000 Franken bzw. auf 15 000 Franken in arbeits- und mietrechtlichen Fällen (Art. 74 Abs. 1 BGG) verschliesst voraussichtlich in gut 10 Prozent der bisherigen zivilrechtlichen Fälle den Zugang zum Bundesgericht. Noch unbeantwortet muss zurzeit die Frage bleiben, in wie vielen dieser Fälle eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen (Art. 74 Abs. 2 BGG) oder die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ergriffen werden wird. Insgesamt kann durch die Erhöhung der Streitwertgrenzen von einem Entlastungseffekt von ungefähr 65 Fällen pro Jahr ausgegangen werden.

Ein gewisser Unsicherheitsfaktor bezüglich der Entwicklung der Geschäftslast ist mit der Einschränkung
der Kognition verbunden. Im Rahmen der Arbeitsgruppe «Bundesgerichtsgesetz», welche das EJPD bei der Totalrevision der Bundesrechtspflege eingesetzt hatte, ging das Eidgenössische Versicherungsgericht im Jahr 2004 davon aus, dass die eingeschränkte Überprüfungsbefugnis in der vom Bundesrat ursprünglich vorgesehenen Form eine Entlastung des Gerichts von 20 % mit sich bringen könnte. Das Parlament ist dem Vorschlag des Bundesrats allerdings nicht vollumfänglich gefolgt: Mit der am 16. Dezember 20054 beschlossenen Änderung von Artikel 97 BGG gilt die Einschränkung der Kognition zwar für den wichtigen Bereich der Invalidenversicherung, die Bereiche der Militärversicherung und der Unfallversicherung sind jedoch davon ausgenommen. Es rechtfertigt sich deshalb die Annahme eines Entlastungspotentials von ungefähr 15 Prozent.

Noch nicht abschliessend zu beurteilen ist derzeit der Umfang der Entlastungswirkung, welche sich durch die Teilintegration des Eidgenössischen Versicherungs4

Im Rahmen der Revision des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung; BBl 2005 7285.

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gerichts in das Bundesgericht ergeben wird. Dem Wegfall von Administrativarbeiten der heutigen Gerichtsleitung des Versicherungsgerichtes steht voraussichtlich ein erhöhter Koordinationsaufwand gegenüber. Im Rahmen der Arbeitsgruppe «Bundesgerichtsgesetz» schätzte das Eidgenössische Versicherungsgericht, dass mit der Teilintegration eine Einsparung von ungefähr 240 jährlichen Arbeitstagen eines Richters oder einer Richterin verbunden sein dürfte, was ungefähr einer Richterstelle entspricht. Durch die Vereinfachung der Administration und den Wegfall von Doppelspurigkeiten können gemäss Schätzung des Gerichts zudem weitere 3,5 Arbeitsstellen eingespart werden, eine davon eine Gerichtsschreiberstelle.

Die Verpflichtung der Kantone zur Gewährleistung des doppelten Instanzenzugs in der Zivil- und Strafrechtspflege wird zu einer Entlastung des Bundesgerichts führen.

Da der doppelte Instanzenzug erst nach Ablauf einer fünfjährigen Übergangsfrist eingeführt werden muss (Art. 130 Abs. 1 BGG), kann heute nicht angegeben werden, ob und inwiefern diese Massnahme dem Bundesgericht bereits ab 2007 eine Entlastung bringen wird.

Vorläufige Unsicherheit besteht bezüglich der Frage, ob die Ablösung der Rekurskommissionen durch das Bundesverwaltungsgericht eine entlastende Wirkung auf das Bundesgericht haben wird. Hier werden die Erfahrungen der nächsten Jahre abzuwarten sein.

2.2.3

Mehrbelastungen

Für die voraussichtlichen Mehrbelastungen des Bundesgerichts gilt, was auch zu den Entlastungen gesagt werden kann: sie sind zum heutigen Zeitpunkt nur teilweise oder mit Vorbehalt quantifizierbar.

Bereits unter Ziffer 2.1.3 angesprochen wurde die zu erwartende zusätzliche Belastung des Bundesgerichts durch die Streichung des Kassationsgerichts des Kantons Zürich. Das Bundesgericht rechnet mit einer Zunahme seiner Geschäftslast von an die 100 Fällen pro Jahr.

Im Bereich der öffentlichrechtlichen Beschwerde können neu ab einem bestimmten Betrag und sofern sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, auch Fälle auf dem Gebiet des öffentlichen Beschaffungswesens, für welche bisher die entsprechende eidgenössische Rekurskommission abschliessend zuständig war, ans Bundesgericht gezogen werden (Art. 83 Bst. f BGG). Das Bundesgericht geht von einer zusätzlichen Belastung von ungefähr 25 Fällen pro Jahr aus.

Mit Artikel 1 Absatz 2 BGG wird dem Bundesgericht neu die Aufsicht über das Bundesstrafgericht und das Bundesverwaltungsgericht übertragen. Erfahrungen dazu besitzt das Bundesgericht nicht, entsprechend schwierig sind Schätzungen bezüglich des Umfangs des dadurch verbundenen Arbeitsaufwands. Das Bundesgericht geht derzeit von einer Mehrbelastung von 20 Prozent je einer Richterstelle und einer Gerichtsschreiberstelle aus.

Die Vereinfachung des Rechtsmittelsystems ist für das Bundesgericht mit der Entwicklung einer neuen Rechtsprechung verbunden, welche ­ zumindest in den ersten Jahren nach Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes ­ einen zusätzlichen Aufwand bedeuten wird. Da neu die Zustimmung aller betroffenen Abteilungen notwendig ist, wenn eine neue Rechtsfrage mehrere Abteilungen betrifft (Art. 23 Abs. 2 BGG), ist vermutlich ein erhöhter Koordinationsbedarf zwischen den Abteilungen erforderlich.

3482

Verlässliche Schätzungen über den Umfang dieser Mehrbelastung sind derzeit noch nicht möglich.

2.3

Erwägungen der Kommission zur Anzahl der Richterstellen

2.3.1

Notwendigkeit einer gesamtheitlichen Beurteilung des personellen Ressourcenbedarfs

Im Verhältnis zum Bundesgericht hat die Bundesversammlung vier Aufgabenkreise: ­

Sie wählt die Richter und Richterinnen.

­

Sie übt die Oberaufsicht über das Bundesgericht aus.

­

Sie ist zuständig für die Justizgesetzgebung und damit insbesondere für die Regelung der wichtigsten Organisationsbelange.

­

Sie beschliesst den Voranschlag und genehmigt die Jahresrechnung.

Das Bundesgericht regelt die Organisation seiner Verwaltung.

Die Vorbereitung der das Bundesgericht betreffenden Geschäfte obliegt verschiedenen Kommissionen. Insgesamt sind dies, sieht man von der Kommission für öffentliche Bauten ab, sieben Kommissionen: die beiden Geschäftsprüfungskommissionen für die Oberaufsicht der Geschäftsführung der Bundesgerichte; die beiden Finanzkommissionen für die finanzielle Aufsicht und die Antragstellung für Rechnung und Voranschlag; die beiden Kommissionen für Rechtsfragen für die Antragstellung in Justizgesetzgebungsbelangen sowie die Gerichtskommission der Vereinigten Bundesversammlung für die Richterwahlen.

Ob und inwieweit hier ein Konzentrierungsbedarf besteht, war nicht Gegenstand der Beratungen der Kommission. Für die Festlegung der Richterzahl war es jedoch notwendig, gesamtheitliche Betrachtungen anzustellen. Der zukünftige Finanzrahmen, die Richterzahl, die Zahl der Gerichtsschreiber und die Ausgestaltung der Dienste bedingen sich wechselseitig. Analoges gilt für allfällige Anpassungen von Führungsund Organisationsstrukturen, die in Zukunft noch vermehrt neben der Bewältigung der eigentlichen richterlichen Aufgaben wirtschaftliche Anliegen zu gewährleisten haben.

Die Kommission hat versucht, sich eine gesamtheitliche Optik durch ModellAnnahmen zu verschaffen. Sie ging dabei in einem ersten Schritt (vgl. Ziff. 2.3.3) von einer jährlich durch das neue Bundesgericht zu erledigenden Zahl von 7050 aus.

Diese Fallzahlen wurden im Durchschnitt der Jahre 1992 bis 1999 (Zeitperiode 1) und dann wieder im Durchschnitt der Jahre 2002 bis 2004 (Zeitperiode 2) durch das Bundesgericht und das Eidgenössische Versicherungsgericht zusammen erledigt (vgl. Tabelle 3 im Anhang). Davon ausgehend stellte sich die Kommission folgende Fragen: a.

Mit durchschnittlich wie viel Richtern, nebenamtlichen Richtern und Gerichtsschreibern wurden in diesen beiden Perioden je (gerundet) 7050 Fälle entschieden?

b.

Bestehen zwischen diesen beiden Zeitperioden Unterschiede, die Ursache für unterschiedliche personelle Bedürfnisse hätten sein können?

3483

c.

Wie hat sich insbesondere ein Ausbau der Dienste (Infrastruktur, Dokumentation etc.) auf den Zeitaufwand für die Fallbearbeitung ausgewirkt oder wie hätte sie sich auswirken können?

d.

Lässt sich ein finanzieller Rahmen abstecken, der hinsichtlich der Besoldung des Gerichtspersonals (Richter und Gerichtsschreiber) für die Bewältigung von 7050 Fällen benötigt wird?

Ausgeklammert hat die Kommission die Frage, inwieweit sich geänderte Führungsstrukturen auf die Bewältigung der zukünftig zu erwartenden Geschäftslast auswirken könnten.

Das Anstreben einer gesamtheitlichen Betrachtungsweise darf die Verwaltungsautonomie der Bundesgerichte in ihrem Kernbereich nicht tangieren. Eine gewisse Relativierung dieser Autonomie ist aber in Kauf zu nehmen, weil ihr die Zuständigkeit des Parlaments ­ insbesondere die Budgethoheit ­ zwangsläufig Grenzen setzt.

2.3.2

Vorgehen in der Sache

Die Kommission unterteilte ihre Entscheidfindung auf vier Schritte: a.

Bedarfsprognose ohne Berücksichtigung des neuen BGG und ohne Berücksichtigung der Zunahme der Dienste (Schritt 1, Ziff. 2.3.3)

b.

Korrektur dieser ersten Bedarfsprognose wegen veränderter Gegebenheiten und Situationen zwischen den Zeitperioden 1 und 2 sowie nach der Zeitperiode 2 (Schritt 2, Ziff. 2.3.4)

c.

Auswirkungen des neuen Bundesgerichtsgesetzes (Schritt 3, Ziff. 2.3.5)

d.

Auswirkungen einer massiven Verkleinerung der Zahl der nebenamtlichen Richter und Richterinnen (Schritt 4, Ziff. 2.3.1.6)

2.3.3

Schritt 1: Bedarfsprognose aus einem Vergleich der Zeitperioden 1 und 2

Die Zahl der erledigten Fälle war in den Zeitperioden 1992­1999 und 2002­2004 fast gleich hoch und betrug gemittelt 7050 (7059 bzw. 7040). Diese Fälle wurden bearbeitet von: Richter und Richterinnen

Gerichtsschreiber und Gerichtsschreiberinnen

nebenamtliche Richter und Richterinnen

1. Zeitperiode

39

107

39

2. Zeitperiode

41

124

41

Das Verhältnis Richter zu Gerichtsschreiber betrug in der ersten Zeitperiode 1 zu 2,75, in der zweiter Zeitperiode 1 zu 3.

Die Kommission ging von der Annahme aus, dass der Rahmen für die Besoldung des Gerichtspersonals in der zweiten Zeitperiode angesichts der fast gleichen Fallzahlen real demjenigen der ersten Zeitperiode entsprechen sollte, wobei zum 3484

Zwecke der Vergleichbarkeit von den gerundeten Besoldungshöhen im Jahre 2004 ausgegangen wurde5. Dabei war vorweg zu berücksichtigen, dass in der ersten Zeitperiode die nebenamtlichen Richter und Richterinnen leicht höher engagiert waren. Sie bewältigten ein Pensum, das 7,5 vollen Stellen entsprach. In der zweiten Zeitperiode belief sich ihr totaler Beschäftigungsgrad auf 6,4 volle Stellen. (vgl.

Tabelle 3 im Anhang). Die Differenz von 1,1 Stellen ist in der nachstehenden Rechnung zu berücksichtigen, um eine Vergleichbarkeit zwischen den beiden Zeitperioden zu erhalten. Weil ein zu einem vollen Arbeitspensum tätiger nebenamtlicher Richter gut 70 Prozent eines Bundesrichterlohns verdienen würde, entsprechen die 1,1 nebenamtlichen Richterstellen einem finanziellen Äquivalent von 0,8 Bundesrichterstellen.

Um den Finanzrahmen für die vollamtlich tätigen Gerichtspersonen (Richter und Gerichtsschreiber) ermitteln zu können, war folgende Rechnung (mit gerundeten Zahlen) anzustellen: 1. Zeitperiode:

Franken

39 Bundesrichter à Fr. 330 000 0,8 Bundesrichteräquivalent 107 Gerichtsschreiber à Fr. 156 000

12 870 000 264 000 16 692 000

Total

29 831 000

2. Zeitperiode:

Franken

41 Bundesrichter à Fr. 330 000 124 Gerichtsschreiber à Fr. 156 000

13 530 000 19 344 000

Total

32 874 000

Eine weitere Frage war, wie der Gesamtbesoldungsbetrag auf die vollamtlichen Richter und Richterinnen und die Gerichtsschreiber und Gerichtsschreiberinnen aufzuteilen sei. Es ist unbestritten, dass es nicht in der Kompetenz der Kommission liegt, die Anzahl der Gerichtsschreiberstellen festzulegen. Gleichwohl mussten diesbezüglich (für das Bundesgericht unpräjudizierliche) Annahmen getroffen werden, weil andernfalls eine gesamtheitliche Betrachtungsweise nicht möglich gewesen wäre. Die Zahl der Gerichtsschreiber und Gerichtsschreiberinnen ist dagegen von Belang für die spätere Beurteilung des Budgets der neuen Bundesgerichte.

Die Kommission ging davon aus, dass die Gerichtsschreiber und Gerichtsschreiberinnen in der überwiegenden Zahl der Fälle immer stärker einbezogen werden. Diese Entwicklung der Rechtsprechung ist heute bereits Realität. Bis zum Jahr 2004 erhöhte sich das Verhältnis von Richtern zu Gerichtsschreibern um 5

Die Jahresbesoldung der Richter und Richterinnen des Bundesgerichts und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts betrug im Jahr 2004 329 678 Franken (vgl. Art. 1a der Verordnung der Bundesversammlung über Besoldung und berufliche Vorsorge der Magistratspersonen, SR 172.121.1). Die Angaben zur Besoldung der Gerichtsschreiber und der nebenamtlichen Richter stammen von den Bundesgerichten.

3485

0,25 (von 2,75 auf 3). Soll dieses Verhältnis massgebend bleiben, ist der für die erste Zeitperiode (1992­1999) festgelegte Besoldungsbetrag von 29 831 000 Franken entsprechend aufzuteilen. Der Besoldungsaufwand für eine «Richtergruppe» (1 Bundesrichter und 3 Gerichtsschreiber) beträgt 798 000 Franken. Der Gesamtbesoldungsaufwand der Periode 1992­1999 durch diesen Betrag dividiert ergibt einen Bedarf von 37,4 Richterstellen und 112,2 Gerichtsschreiberstellen.

Die Kommission ist der Ansicht, dass die beiden Zeitperioden hinlänglich vergleichbar sind, so dass es sich rechtfertigt, für den zukünftigen Finanzrahmen auf die erste Zeitperiode (1992­1999) abzustellen.

Die erste Zeitperiode (1992­1999) war gekennzeichnet durch eine starke Zunahme der Fälle und eine immer nur zeitlich verschobene Anpassung der personellen Ressourcen. Dies bewirkte Druck und zwang das Gericht, das Verfahren zwar nicht hinsichtlich der materiellen Entscheidung als solcher, wohl aber hinsichtlich der Begründungen der Urteile rationeller zu bearbeiten. Insbesondere nahmen so die im vereinfachten Verfahren behandelten Fälle mit summarischer Urteilsbegründung (gemäss Art. 36a OG; SR 173.110) zu.

Da Urteilsbegründungen vorab Sache der Gerichtsschreiber und Gerichtsschreiberinnen sind, nahm vorab deren Zahl zu. Die Richter und Richterinnen selbst wurden in der überwiegenden Zahl der Fälle zu «Fall-Managern». Sie hatten die grundsätzlichsten Fragen aufzuzeigen, Impulse für deren Bearbeitung zu geben, Lösungsmöglichkeiten zu besprechen und generell die Fallerledigung zu kontrollieren und zu koordinieren.

Das Bundesgericht betont, dass die Gesetzgebung komplexer geworden sei und weist namentlich auch auf den Aspekt des europäischen Rechts hin. Es vertritt zudem die Auffassung, dass nicht zuletzt als Folge der Zunahme von Anwälten die Fälle komplizierter geworden sind.

Die Kommission wertet die Unterschiede in den beiden Zeitperioden nicht als erheblich. Die Komplexität der Prozesse könnte sich zwar möglicherweise leicht erhöht haben. Die Vertretung der überwiegenden Zahl der Fälle durch Anwälte bietet aber umgekehrt eine gewisse Gewähr, dass ­ zumindest teilweise ­ der Prozessstoff systematisch aufbereitet und dargestellt wird. Dagegen ist die Kommission der Auffassung, mit der summarischen Begründung von Urteilen sei Zurückhaltung
zu üben. Das aber wirkt sich tendenziell nur auf die Zahl der Gerichtsschreiber aus. Die Kommission geht davon aus, dass für die materielle Richtigkeit der Urteile in beiden Zeitperioden die gleiche Seriosität und damit der gleichen Zeitbedarf erforderlich war und auch tatsächlich angewandt wurde. Deshalb ist für die Frage der Grösse der Richterzahl allein die Zahl der ergangenen Urteile und nicht der Umfang der Begründung von Belang. Von der Richtigkeit dieser Annahme ausgehend, darf bei der Beantwortung der Frage, wie viele Richter und Richterinnen es erfordert, auf die Zahl der erledigten Fälle abgestellt werden.

Die Bearbeitung der überwiegenden Zahl der Fälle durch die Richter und Richterinnen als «Fall-Manager» erachtet die Kommission als unausweichlich. Diese Beurteilung liegt auch dem BGG zugrunde, spielt es doch keine entscheidende Rolle, ob 37,4 oder das nach Artikel 1 Absatz 3 BGG zulässige Maximum von 45 Richtern und Richterinnen die Gesamtheit der Fälle bearbeiten. In beiden Fällen ist der Arbeitsaufwand der Gerichtsschreiber und -schreiberinnen immer viel höher. Entscheidend ist, dass für die Fallbeurteilung die relevanten Impulse von den Richtern und Richterinnen kommen und diese die Koordination und Kontrolle gewährleisten.

3486

Aufgrund dieser Wertung kam die Kommission zur Auffassung, dass dann, wenn das neue Bundesgericht auch zukünftig 7050 Fälle pro Jahr zu erledigen hätte, eine Richterzahl von 37,4 die richtige ist. Für den Schritt 1 legte sie sich deshalb auf diese Zahl fest.

2.3.4

Schritt 2: Modifikation von Schritt 1

2.3.4.1

Ausbau der Dienste

Im Jahr 1999 waren allein am Bundesgericht neben dem richterlichen Personal 99 weitere Stellen (Sekretariat, Dienste, Informatik, Dokumentation etc.) besetzt.

Diese Zahl erhöhte sich bis zum Jahre 2004 um 14,5 auf 113,5 Stellen. Im Jahr 2005 wurden im Bereich der Informatik nochmals 5 zusätzliche Stellen geschaffen6. Diese Aufstockung erfolgte vor allem, um den Bedürfnissen des Bundesstrafgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts gerecht zu werden. Die Kommission nimmt deshalb den erheblichen Ausbau von Informatik und Dokumentation nicht zum Anlass, daraus auf eine höhere Effizienz bei der Prozesserledigung und damit auf einen personellen Minderbedarf der Gerichtspersonen zu schliessen. Sie schätzt allerdings ein, dass allein die Erhöhung der Effizienz wegen der Informatik und Dokumentation und ein dadurch für die Fallbearbeitung bewirkter Zeitminderaufwand von 5 % die Richterzahl auf 35,6 und die Zahl der Gerichtsschreiber und Gerichtsschreiberinnen auf 106,6 reduzieren würde. Der Ausbau der Dienste kann aber deshalb in der Diskussion um die richtige Richterzahl zumindest als Abrundungsposition berücksichtigt werden, falls einzelne von der Kommission getroffenen Annahmen als zu pessimistisch oder zu optimistisch beurteilt würden.

2.3.4.2

Zunahme der Fallzahlen im Jahre 2005

Im Jahre 2005 gingen bei beiden Bundesgerichten insgesamt 7487 Fälle, somit also 473 mehr ein, als sie der Modellrechnung gemäss Ziffer 2.3.3 zugrunde liegen. Es stellte sich die Frage, ob diese Erhöhung als einmalig zu beurteilen ist, oder ob sie am Beginn eines Trends zu höheren Fallzahlen steht. Angesichts dessen, dass in den Jahren 2002 bis 2004 die Fallzahlen schwankten (vgl. Tabelle 1 und 2 in der Beilage), könnte man zur Auffassung neigen, dass dies auch zukünftig so sein dürfte, und somit von einem gefestigten Trend noch nicht gesprochen werden kann. Gemäss Prognose der Bundesgerichte (vgl. Ziff. 2.1.3) ist zumindest für das Jahr 2006 weiterhin mit einer steigenden Tendenz zu rechnen. Die Kommission nahm deshalb an, dass zukünftig mehr Fälle zu erledigen sind, und geht bei ihrer Bedarfsprognose von 350 zusätzlichen Fällen aus. Dies geschah auch in Berücksichtigung der parlamentarischen Verantwortung, auch in Zukunft eine optimale Rechtssprechung gewährleisten zu wollen. Nimmt man eine um 350 höhere Fallzahl an, entspricht dies einer Erhöhung von rund 5 %, was auf das vollamtlich angestellte Gerichtspersonal folgende Auswirkungen hat: Bundesrichter und -richterinnen Gerichtsschreiber und -schreiberinnen 6

37,4

plus

1,9

= neu

39,4

112,2

plus

5,6

= neu

117,8

Die Angaben zur Stellenentwicklung stammen vom Bundesgericht.

3487

2.3.5

Schritt 3: Berücksichtigung der Be- und Entlastungen als Folge des neuen BGG

Der unter Ziffer 2.3.3 vorgenommene Vergleich zweier Zeitperioden erfolgte auf der Basis der Belastung der beiden Bundesgerichte aufgrund der geltenden Gesetzgebung. Unberücksichtigt blieb die durch die Revision der Bundesgerichtsgesetzgebung zu erwartende Entlastung des neuen Gesamtgerichts. Wie in Ziffer 2.2.2 und 2.2.3 dargelegt, sind die be- und entlastenden Wirkungen der neuen Gesetzgebung heute noch nicht abschliessend bezifferbar. Für eine Berechnung, wie sich das Inkrafttreten des BGG auf die Arbeitslast des richterlichen Personals auswirken wird, wurden deshalb nur jene Be- und Entlastungsfaktoren berücksichtigt, über die schon heute quantitative Aussagen gemacht werden können.

Um zu überprüfen, welches Be- bzw. Entlastungspotential die quantifizierbaren Auswirkungen des BGG haben werden, ging die Kommission von der hypothetischen Zahl von 7400 Erledigungen jährlich aus. Anhand einer Rechnung kann illustriert werden, wie gross die Belastung für Richter und Gerichtschreiber gewesen wäre, wenn die beiden Bundesgerichte diese Fälle mit einem Personalbestand von 39,4 Richtern und Richterinnen und 117,8 Gerichtschreibern und Gerichtsschreiberinnen hätten erledigen müssen und dabei ungefähr die gleiche Struktur der Erledigungsarten wie in den Jahren 2002­2004 bestanden hätte.

Von den 7400 Fällen würden ca. 270 im Präsidialverfahren entschieden,7 für rund 510 Fälle würden die nebenamtlichen Richtern und Richterinnen Bericht und Antrag erstatten.8 Es verblieben somit 6620 Fälle, welche für die ordentlichen Richter und die Gerichtsschreiber einen signifikanten Zeitaufwand bedeuten. Bei 39,4 Richterstellen entspräche dies somit rund 168 Referaten pro Richter oder Richterin, an rund weiteren 375 Fällen wäre er oder sie zusätzlich im Zirkulationsverfahren beteiligt.

Für die 117,8 Gerichtschreiber und Gerichtsschreiberinnen ergäbe sich ­ unter der Annahme, dass je nur einer oder eine von ihnen an einem Fall beteiligt ist ­ eine Beteiligung an rund 56 Fällen.

2.3.5.1

Berücksichtigung der Entlastung

Unter Ziffer 2.2.2 wird ausgeführt, welche entlastenden Wirkungen durch die Revision der Bundesrechtspflege zu erwarten sind. Die dort genannten Zahlen können für eine Berechnung, wie sich diese Entlastungen auf die Zahl der Richterstellen auswirken wird, herangezogen werden.

Der Wegfall von Direktprozessen entlastet das neue Bundesgericht um 8 Fälle pro Jahr. Basierend auf der Annahme, dass jeder und jede der 39,4 Bundesrichter und Bundesrichterinnen 168 Fälle pro Jahr (vgl. Ziff. 2.3.5) zu referieren hat, ergibt der Wegfall von 8 Fällen ein Entlastungspotential von rund 0,05 Richterstellen. Auf der Ebene der Gerichtsschreiberstellen ergibt sich ­ wenn man von einer durchschnitt7

8

Am Bundesgericht wurden im Jahr 2003 264 Fälle im Präsidialverfahren entschieden, im Jahr 2004 waren es 273. Das Eidgenössische Versicherungsgericht kennt keine Entschiede im Präsidalverfahren.

Die nebenamtlichen Richter und Richterinnen der beiden Bundesgerichte bearbeiteten in den Jahren 2002­2004 durchschnittlich 510 Fälle (vgl. dazu die Geschäftsberichte des Bundesgerichts und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts der Jahre 2002 bis 2004).

3488

lichen Beteiligung der Gerichtsschreiber und Gerichtsschreiberinnen an 56 Fällen ausgeht ­ ein Entlastungspotential von 0,14 Stellen.

Die Ablösung der Anklagekammer des Bundesgerichts durch die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts bringt für ersteres eine Entlastung von ungefähr 50 Fällen pro Jahr. Der Entlastungseffekt beträgt somit 0,3 Richterstellen und 0,9 Gerichtsschreiberstellen.

Im Bereich der Internationalen Rechtshilfe in Strafsachen wird die neue Zuständigkeit des Bundesstrafgerichts das Bundesgericht um rund 100 Fälle entlasten. Umgerechnet auf die Richter- und Gerichtsschreiberstellen entspricht dies der Entlastung von 0,6 Richterstellen und 1,78 Gerichtsschreiberstellen.

Der Wegfall der bundesgerichtlichen Aufsicht im Schulbetreibungs- und Konkurswesen und über die eidgenössischen Schätzungskommissionen bringt insgesamt eine Entlastung von etwa vier Arbeitswochen eines Richters und drei Arbeitswochen eines Gerichtsschreibers. Geht man von 47 jährlichen Arbeitswochen aus, beträgt der Entlastungseffekt somit 0,08 Richterstellen und 0,06 Gerichtsschreiberstellen.

Durch die Erhöhung der Streitwertgrenzen und den dadurch verbundenen Wegfall von ungefähr 65 Fällen können 0,4 Richterstellen und 1,16 Gerichtsschreiberstellen entlastet werden.

Geht man davon aus, dass die Einschränkung der Kognition eine Entlastung um 15 Prozent bringen wird, bedeutet dies für die derzeit 11 Richter und Richterinnen der sozialversicherungsrechtlichen Abteilungen eine Entlastung von 1,65 Richterstellen. Bei den heute 41 beim Eidgenössischen Versicherungsgericht tätigen Gerichtschreiber und Gerichtsschreiberinnen9 würde dies einer Einsparung von 6,15 Stellen entsprechen.

Durch die Teilintegration des Eidgenössischen Versicherungsgerichts können voraussichtlich je eine Richterstelle und eine Gerichtschreiberstellen eingespart werden.

Addiert man all diese quantifizierbaren Entlastungseffekte, ergibt sich ein gesamtes Entlastungspotential von 4,08 Richterstellen und 11,13 Gerichtsschreiberstellen.

2.3.5.2

Berücksichtigung der Mehrbelastung

Wie unter Ziffer 2.2.3 dargelegt, stehen den Entlastungen voraussichtliche Mehrbelastungen gegenüber. Das Bundesgericht rechnet wegen der Streichung des Kassationsgerichts des Kantons Zürich mit 100 zusätzlichen Fällen pro Jahr. Dafür wären ­ wiederum basierend auf der Annahme, dass ein Richter oder eine Richterin durchschnittlich 168 Fälle pro Jahr referiert und ein Gerichtsschreiber oder eine Gerichtsschreiberin an 56 Fällen beteiligt ist ­ 0,6 zusätzliche Richterstellen und 1,78 zusätzliche Gerichtsschreiberstellen erforderlich.

Die Aufsicht des Bundesgerichts über das Bundesstrafgericht und das Bundesverwaltungsgericht erfordert gemäss Schätzungen der Bundesgerichte je 0,2 zusätzliche Richter- und Gerichtsschreiberstellen.

9

Im Jahr 2004 waren gemäss Angabe der Bundesgerichte am Bundesgericht 81,5 und am Eidgenössischen Verischerungsgericht 41,4 Gerichtsschreiberstellen besetzt.

3489

Durch die zusätzlichen 25 Fällen im Bereich der öffentlichrechtlichen Beschwerde werden auf der Ebene der Richter und Richterinnen 0,15 zusätzliche Stellen benötigt und auf der Ebene der Gerichtschreiber und Gerichtsschreiberinnen 0,45 Stellen.

Die Summe der bezifferbaren Mehrbelastungen des Bundesgerichts erfordert somit zusätzliche 0,95 Richterstellen und 2,43 Gerichtschreiberstellen.

2.3.5.3

Saldo der Entlastungen und Mehrbelastungen

Aus dem Saldo der Entlastungen und Mehrbelastungen (3,13 Richterstellen) ergibt sich, dass nach dem dritten Schritt die Zahl der erforderlichen Bundesrichter und Bundesrichterinnen 36,27 beträgt (39,4 minus 4,08 plus 0,95).

Die Zahl der Gerichtsschreiber und Gerichtsschreiberinnen würde 109,01 betragen (117,8 minus 11,13 plus 2,43).

2.3.6

Schritt 4: Reduktion der nebenamtlichen Richter und Richterinnen

Im Durchschnitt der Jahre 2002­2004 waren die nebenamtlichen Richter und Richterinnen an 1465 Tagen für das Bundesgericht und das Eidgenössische Versicherungsgericht tätig (vgl. Tabelle 3 im Anhang). Ein Arbeitspensum von 912 Arbeitstagen sind die nebenamtlichen Richter auch zukünftig zu erledigen in der Lage. Hiefür bedarf es jedoch nicht des in Artikel 1 Absatz 4 BGG vorgesehenen Maximums von zwei Dritteln der Bundesrichterstellen. Die Hälfte, somit also 19, genügt.

Verteilen sich nämlich 912 Arbeitstage auf 19 nebenamtliche Richter und Richterinnen, bedeutet dies, dass jeder und jede von ihnen während rund 48 Arbeitstagen pro Jahr (also 4 Tage pro Monat) für das Bundesgericht tätig sein wird. Dies entspricht einem Pensum von rund 20 %. Ein Beschäftigungsgrad von diesem Umfang ist aus Sicht der Kommission nötig, um zu gewährleisten, dass die nebenamtlichen Richter und Richterinnen ihr Erfahrungsniveau erhalten können und somit auch jederzeit (auch etwas höher) einsatzfähig sind.

Arbeiten die nebenamtlichen Richter und Richterinnen zukünftig nur noch 912 Tage im Jahr ergibt sich im Vergleich zu ihrer bisherigen Belastung von total 1465 Tagen eine Differenz von 553 Arbeitstagen. Ausgehend von einem Arbeitsjahr von 230 Tagen, entsprechen 553 Arbeitstage ungefähr 2,4 vollen Pensen. Diese 2,4 Pensen wären in Zukunft von den Bundesrichtern und Bundesrichterinnen (zusammen mit den Gerichtsschreibern) zu übernehmen. Da entsprechend der Besoldungsunterschiede die Effizienz eines Bundesrichters etwa 30 Prozent höher angenommen wird als diejenige eines nebenamtlichen Richters, hat dies zur Folge, dass für die Erledigung der nicht mehr von den nebenamtlichen Richtern und Richterinnen zu betreuenden Fälle zusätzlich 1,7 Bundesrichterstellen erforderlich sind.

Dies führt zu folgendem Schlussresultat für die Bundesrichter und Bundesrichterinnen: 36,27 (gemäss Schritt 3) plus 1,7 (gemäss Schritt 4) = 37,79

3490

Nähme man für die ordentlichen und nebenamtlichen Bundesrichter und Bundesrichterinnen eine identische Effizienz und damit einen identischen Zeitbedarf für die Bearbeitung identischer Fälle an, würde sich die Richterzahl von 36,27 um 2,4 auf 38,67 erhöhen.

2.4

Festlegen der Richterzahl

Aufgrund der vorstehenden Überlegungen hat die Kommission mit 6 zu 2 Stimmen bei 3 Enthaltungen entschieden, eine Richterzahl von 38 vorzusehen. Sie ist der Auffassung, dass das Entlastungspotential durch den Ausbau der Dienste (vgl.

Ziff. 2.3.4.1) es rechtfertigt, die Zahl von 38,67 auf 38 abzurunden. Ferner beantragt die Kommission, die Zahl der nebenamtlichen Richter und Richterinnen auf 19 festzulegen.

Die Zahl 38 liegt genau zwischen der heutigen Richterzahl von 41 und dem gemäss Artikel 1 Absatz 3 BGG vorgesehenen Minimum von 35 Richtern und Richterinnen.

Sie ist aber aus Sicht der Kommissionsmehrheit nicht als salomonischer Kompromiss zu verstehen, sondern als Ergebnis der Überlegungen, welche vorstehend im Einzelnen aufgezeigt wurden. Die Kommissionsmehrheit räumt ein, dass durchaus auch andere Überlegungen angestellt werden könnten. Nachstehend seien einige dieser Überlegungen und deren mögliche Konsequenzen skizziert: a.

Die Zahl der nebenamtlichen Richter und Richterinnen wird entsprechend dem zulässigen Maximum gemäss BGG auf 25 festgelegt. Es entspricht dies dem Äquivalent einer Bundesrichterstelle, was eine Senkung der Richterzahl auf 37 zur Folge hätte.

b.

Als anstrebende Pensen der nebenamtlichen Richter und Richterinnen werden bloss 10 % angenommen. Die Zahl der Bundesrichter und Bundesrichterinnen würde in diesem Fall auf 40 steigen. Die Einsatzfähigkeit der nebenamtlichen Richter und Richterinnen wäre aber nur noch bedingt gewährleistet.

c.

Das Verhältnis Richter/Gerichtsschreiber wird auf 1 zu 2,75 verändert. Die Zahl der Bundesrichter und Bundesrichterinnen würde so um 2,5 steigen, diejenige der Gerichtsschreiber und Gerichtsschreiberinnen aber würde sich um 7,5 reduzieren, (dies bei einem vorgegebenen, gleich bleibenden Gesamtbesoldungsrahmen für das hauptamtliche Gerichtspersonal).

d.

Die Neueingänge des Jahres 2005 werden als Einzelfall gewertet. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass die durchschnittlichen Fallzahlen der Jahre 2002 bis 2004, ­ somit also 7050 Fälle ­ weiterhin massgebend sein sollen.

Die Zahl der Bundesrichter und Bundesrichterinnen sinkt um 2,25 bzw.

gerundet um 2.

e.

Der Ausbau der Dienste (Informatik, Dokumentation etc.) wird in dem Sinne gewürdigt, dass ein höherer Rationalisierungseffekt angenommen wird. Es hätte dies ­ je nachdem, wie hoch dieser Effekt eingeschätzt wird ­ eine entsprechende Reduktion der Richterzahl zur Folge.

Dieses Puzzle von unterschiedlichen Beurteilungsmöglichkeiten zeigt, dass es die richtige Richterzahl nicht gibt. Alle Überlegungen, welche zu welchen Resultaten auch immer führen, basieren auf Annahmen. Die Kommissionsmehrheit ist der 3491

Auffassung, dass die von ihr getroffenen Annahmen plausibel und nachvollziehbar sind. Erweisen sie sich in Zukunft als unrichtig, bestehen jederzeit Korrekturmöglichkeiten. Das Instrument der Parlamentsverordnung wurde ja gerade deshalb eingeführt, um sie relativ leicht abändern zu können. Korrekturen sind auch ­ dies zwar nicht bezüglich der Richterzahl ­ im Budgetprozess möglich. Bei steigenden oder sinkenden Fallzahlen kann durchaus auch der Einsatz der nebenamtlichen Richter und Richterinnen variiert werden.

Eine Minderheit I (Marty Dick, Berset, Bonhôte) beantragt, die bisherige Zahl von 41 Richtern und Richterinnen beizubehalten. Sie hegt grundsätzliche Bedenken gegenüber verschiedenen Überlegungen der Kommission: diese basieren im Wesentlichen auf Schätzungen, welche heute noch nicht bestätigt werden können. Aus Sicht der Minderheit ist es zudem fragwürdig, die Tätigkeit des Bundesgerichts, der höchsten Rechtsprechungsbehörde und dritten Gewalt des Staates, einer so detaillierten Analyse zu unterziehen. Um die Auswirkungen der neuen Gerichtsorganisation auf die Arbeitslast des Bundesgerichts einschätzen zu können, sei es erforderlich, die praktischen Erfahrungen der nächsten Jahre abzuwarten. Nur auf diesem Hintergrund könne eine Anpassung der Richterzahl allenfalls gerechtfertigt werden.

Die Minderheit ist der Auffassung, dass als oberstes Ziel die Aufrechterhaltung einer qualitativ hoch stehenden Rechtssprechung anzustreben sei. Durch eine Reduktion der Richterzahl werde dieses Ziel gefährdet.

Eine Minderheit II (Hess Hans, Germann) ist der Auffassung, dass die Zahl der Richter und Richterinnen aufgrund der in Ziffer 2.3 ausgeführten Erwägungen auf 35 reduziert werden kann. Sie verweist zudem auf die Absicht des Bundesgerichts, sieben Kammern zu schaffen. Eine Zahl von 35 Richtern und Richterinnen würde es erlauben, sieben gleich grosse Abteilungen zu bilden. Falls genauere Angaben über die Fallerledigung der einzelnen Richter und Richterinnen zu einem späteren Zeitpunkt erweisen sollten, dass zusätzliche Richter und Richterinnen erforderlich sind, könnte deren Zahl immer noch erhöht werden.

3

Stellungnahme des Bundesgerichts und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Gemäss Artikel 162 Absatz 4 ParlG10 gab die Kommission den Bundesgerichten im Rahmen ihrer Arbeiten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Gerichte werden zuhanden des Ständerats auch eine schriftliche Stellungnahme zum Verordnungsentwurf der Kommission verfassen.

Nachstehend wird die von den Bundesgerichten im Rahmen der Kommissionsarbeiten vertretene Position zusammengefasst.

Das Bundesgericht und das Eidgenössische Versicherungsgericht vertreten die Auffassung, dass mit der Einführung des neuen Bundesgerichtsgesetzes die Zahl der Richter zumindest vorderhand nicht reduziert werden soll. Eine Änderung der Richterzahl kann verantwortungsvoll nur auf der Grundlage einer den Aufgaben des obersten Gerichts Rechnung tragenden betriebswirtschaftlichen Analyse beschlossen werden. Die Bundesgerichte teilen die Überlegung der Kommission, dass eine

10

SR 171.10

3492

Kosten- und Organisationsanalyse sinnvollerweise erst dann durchzuführen ist, wenn das BGG in Kraft gesetzt und seine Anwendung etabliert ist.

3.1

Qualitativ hoch stehende Rechtsprechung als Ziel

Aufgabe eines höchsten Gerichts ist nicht nur die Rechtsanwendung, sondern auch die Rechtsvereinheitlichung und Rechtsfortbildung. Diese wichtigen Aufgaben müssen Sache der Bundesrichter und -richterinnen bleiben. Es wäre nicht vertretbar, sie an die Gerichtsschreiber und Gerichtsschreiberinnen zu delegieren. Um Grundsatzentscheide mit der geforderten Seriosität fällen zu können, brauchen Richter und Richterinnen neben Fachkunde und Unabhängigkeit vor allem auch genügend Zeit.

Bereits heute ist die Arbeitsbelastung für den einzelnen Richter und die einzelne Richterin deutlich höher als in der jüngeren Vergangenheit. Ein Richter oder eine Richterin am Bundesgericht bearbeitete im Jahr 1979 durchschnittlich 100 Fälle im Jahr, im Jahr 2004 waren es 161 Fälle. Am Eidgenössischen Versicherungsgericht bearbeitete vor 20 Jahren jeder der 9 Richter als Instruktionsrichter ca. 150 Fälle pro Jahr, heute erledigen die 11 Richter und Richterinnen im Durchschnitt je über 200 Fälle jährlich. Eine Reduktion der Anzahl Richterstellen würde zur Folge haben, dass das Verhältnis «Anzahl Fälle pro Richter» noch mehr ansteigt, was zu einer ernsthaften Beeinträchtigung einer sach- und zeitgerechten höchstrichterlichen Rechtsprechung führen würde.

Aus dem gleichen Grund ist es aus Sicht des Bundesgerichts nötig, dass ihm die in Artikel 1 Absatz 4 BGG vorgesehene Höchstzahl von 27 nebenamtlichen Richtern und Richterinnen zur Verfügung gestellt wird. Eine möglichst grosse Zahl von nebenamtlichen Richtern und Richterinnen ist von Bedeutung, um Belastungsspitzen temporär wirksam begegnen. Das Bundesgericht erachtete es für selbstverständlich, mit den ihm zur Verfügung gestellten personellen Ressourcen sparsam umzugehen und die nebenamtlichen Richter und Richterinnen bei einem Rückgang der Geschäftslast weniger zu beanspruchen. Ebenso ist das Gericht bereit, mit der Besetzung von Gerichtsschreiberstellen flexibel umzugehen.

3.2

Zum Vergleich zweier Zeitperioden

Ein Vergleich zweier Zeitperioden der Tätigkeit der Bundesgerichte aufgrund einer Bewertung der Arbeit der Bundesrichter und Gerichtsschreiber allein nach erledigten Fallzahlen ist grundsätzlich problematisch. Ein solches Vorgehen birgt die Gefahr, dass das Bundesgericht als reine Erledigungsmaschinerie angesehen wird. Für das höchste Gericht der Schweiz sind jedoch nicht nur eine möglichst effiziente und rasche Fallerledigung wichtig, sondern insbesondere auch die Qualität der Rechtsprechung. Besonders fragwürdig ist ein Vergleich zweier Zeitperioden dann, wenn er zwei bezüglich der Belastung der Gerichte völlig unterschiedliche Phasen miteinander in ein Verhältnis setzt.

Die Zeitperiode 1992­1999 ist gekennzeichnet durch eine chronische Überlastung der Bundesgerichte. Sowohl am Bundesgericht wie am Eidgenössischen Versicherungsgericht wurden erste Anzeichen einer eingeschränkten Funktionsfähigkeit sichtbar: Die Zahl der Pendenzen war seit Ende der 80er Jahre massiv angestiegen und die durchschnittliche Prozessdauer erreichte im Jahr 1992 einen Höhepunkt von 3493

200 Tagen. Das Bundesgericht konnte die steigende Geschäftslast nur bewältigen, weil es in dieser Zeit seiner Höchstbelastung zwei Drittel der Fälle im vereinfachten Verfahren mit summarischer Urteilsbegründung erledigte. Darunter litt zwar nicht die Qualität der Rechtsprechung, hingegen die Dienstleistung gegenüber den Rechtsuchenden. Die Zeitperiode 1992­1999 darf deshalb nicht Massstab des Vergleichs mit der jüngsten Vergangenheit oder gar Richtschnur für die Festlegung der Richterzahl sein.

Das Parlament erkannte die Überlastung der Gerichte und stellte den Bundesgerichten im Rahmen des Budgets mehr Geld für die Schaffung von zusätzlichen Gerichtsschreiberstellen zur Verfügung. Im Jahr 2001 wurde die Zahl der Richter am Eidgenössischen Versicherungsgericht von 9 auf 11 erhöht. Nicht zuletzt dank dieser Massnahmen hat sich die Situation seit 2001 entspannt. Heute sind das Bundesgericht und das Eidgenössische Versicherungsgericht in der Lage, ihre Arbeitsbelastung einigermassen zeitgereicht zu bewältigen. Die Zahl der Ende Jahr pendenten Fälle hat abgenommen und die durchschnittliche Prozessdauer beträgt 90 Tage. Das Vereinfachte Verfahren mit summarischer Urteilbegründung wird nur noch in einem Drittel der Fälle angewendet.

3.3

Mehrbelastung des Gerichts durch die Einführung eines neuen Rechtsmittelverfahrens

Bei der hypothetischen Berechnung der be- und entlastenden Wirkungen des neuen Bundesgerichtsgesetzes nur auf quantifizierbare Aspekte abzustützen, ist aus Sicht der Bundesgerichte problematisch. Dadurch wird insbesondere vernachlässigt, dass das Bundesgericht in den ersten Jahren nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes auch eine neue Rechtssprechung wird entwickeln müssen. Der damit verbunden zeitliche Aufwand ist heute noch nicht quantifizierbar, wird jedoch erheblich sein.

Da sehr viele Verfahrensfragen neu sind wird das Bundesgericht einen wesentlichen Teil der Entscheidungen mit allen oder mehreren Abteilungen koordinieren müssen.

Selbst unter der Annahme, dass gewisse quantifizierbar Entlastungswirkungen des BGG sofort eintreten, kann deshalb in den ersten Jahren nach der Einführung des neuen Gesetzes gesamthaft betrachtet kaum von einer Minderbelastung des Gerichts ausgegangen werden. Es wäre fahrlässig, eines der angestrebten Ziele der Gesetzesrevision ­ die Vereinfachung für die Rechtsuchenden ­ zu gefährden, indem dem Bundesgericht zu wenig Mittel für die Entwicklung einer seriösen Praxis zur Verfügung gestellt werden.

3.4

Minimes Sparpotential

Personalkosten machen zwar ungefähr 85 Prozent des Budgets des Bundesgerichts und des Eidgenössischen Versicherungsgerichts aus. Das gesamte Budget der beiden höchsten Gerichte beläuft sich jedoch auf nur ca. 1,2 Promille der Staatsausgaben.

Die Differenz zwischen den von der Kommission vorgeschlagenen 38 Richterstellen und den aus Sicht der Bundesgerichte nötigen 41 Richterstellen wirken sich auf den Bundeshaushalt kaum aus. Das Sparpotential ist minim. Finanzpolitische Interessen können daher bei der Beantwortung der Frage, wie viele Richter und Richterinnen dem höchsten Gericht angehören sollen, nicht im Vordergrund stehen.

3494

4

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Artikel 1 In Absatz 1 wird die Zahl der ordentlichen Richter und Richterinnen festgelegt. Die Kommissionsmehrheit beantragt, 38 Richter und Richterinnen vorzusehen. Eine Minderheit beantragt, die gegenwärtige Zahl von 41 beizubehalten; eine zweite Minderheit schlägt 35 Richter und Richterinnen vor. Für die Begründung dieser Anträge sei auf die Ausführungen unter Ziffer 2.4 verwiesen.

Absatz 2 legt die Zahl der nebenamtlichen Richter und Richterinnen auf 19 fest.

Artikel 2 Absatz 1 verpflichtet das Bundesgericht zur Einrichtung eines Controllingverfahrens.

Damit soll ein Instrumentarium geschaffen werden, das es erlaubt, zuhanden der zuständigen Kommission des Parlaments präzisere Aussagen über die Belastung des Bundesgerichts zu machen. Wie in den Ziffern 2.2.2 und 2.2.3 dargelegt wurde, kann der genaue Umfang der Entlastung des Bundesgerichts durch die neue Gesetzgebung heute noch nicht abschliessend beurteilt werden. Während in einigen Bereichen quantifizierbare Schätzungen möglich sind, muss das Ausmass der Be- und Entlastungen in anderen Bereichen vorderhand offen bleiben.

Voraussetzung für eine definitive Festlegung der Anzahl Richterstellen ist eine umfassende Kosten- und Organisationsanalyse des Bundesgerichts. Um eine derartige Analyse durchzuführen, sind genaue Daten, insbesondere Angaben über den Zeitaufwand, den Richter und Gerichtsschreiber für die Bearbeitung der einzelnen Fälle benötigen, erforderlich. Das Bundesgericht und das Eidgenössische Versicherungsgericht verfügen zwar über ein spezielles Statistikprogramm, welches als Führungsinstrument dafür konzipiert ist, die Zuteilung der Arbeit entsprechend den jeweiligen Belastungen je nach Art der Geschäfte, Sprache, Abteilung, Richter und Gerichtsschreiber optimal zu steuern.11 Der Zeitaufwand eines Richters oder Gerichtsschreibers pro Fall oder Fallkategorie wird statistisch jedoch nicht erfasst.

Eine Kosten- und Organisationsanalyse der Bundesgerichte ist somit heute aus praktischen Gründen nicht durchführbar. Zum Zeitpunkt der definitiven Festlegung der Richterzahl wird es von grosser Bedeutung sein, über die entsprechenden statistischen Angaben zu verfügen.

Das zu diesem Zweck einzuführende Controlling soll daher darüber Auskunft geben, an wie vielen Dossiers die einzelnen Richter und Richterinnen mitgewirkt haben (Buchstabe
a). Dabei ist zu differenzieren, welche Funktion die Richter und Richterinnen bei der Bearbeitung des jeweiligen Falls wahrgenommen haben (Referent, Koreferent, Zweit- bzw. Drittrichter usw.). Wo ein Richter als Referent tätig war, soll aufgezeigt werden, ob er das Referat selbst redigiert oder die Redaktion einem Gerichtsschreiber übertragen hat (Buchstaben b und d). Zudem soll aus dem Controlling hervorgehen, wie viel Zeit der Richter bzw. die Richterin für die Bearbeitung des jeweiligen Falls aufgewendet hat (Buchstabe c).

11

Vgl. dazu Paul Tschümperlin: Gerichtsmanagement am Bundesgericht ­ Stand und Entwicklungstendenzen, März 2003 (http://www.bger.ch/gerichtsmanagement.pdf.).

3495

Über die Ergebnisse des Controllings hat das Bundesgericht im Rahmen des jährlichen Geschäftsberichts in allgemeiner Weise Bericht zu erstatten (Absatz 2). Die in Absatz 1 genannten detaillierten Informationen richtet das Gericht nur an die zuständige Kommission des Parlaments.

Artikel 3 (Übergangsbestimmung zu Artikel 1) Die derzeit am Bundesgericht tätigen Richter und Richterinnen wurden für eine Amtsperiode von sechs Jahren gewählt. Die laufenden Amtsperioden dauern bis Ende 2007 (Richter und Richterinnen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts) bzw. Ende 2008 (Richter und Richterinnen des Lausanner Bundesgerichts). Mit der Teilintegration des Eidgenössischen Versicherungsgerichts in das Bundesgericht müssen die unterschiedlichen Amtsperioden einander angepasst werden. Eine entsprechende Vorlage, welche die Verlängerung der laufenden Amtsperiode am Eidgenössischen Versicherungsgericht um ein Jahr bis Ende 2008 vorsieht, ist derzeit in Ausarbeitung.

Der Umstand, dass die Amtsperioden der gestützt auf das Bundesrechtspflegegesetz (SR 173.110) und den Bundesbeschluss vom 23. März 1984 über die Erhöhung der Zahl der nebenamtlichen Richter des Bundesgerichts (SR 173.110.1) gewählten Richter und Richterinnen über den Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorliegenden Verordnung hinausreichen, hat zur Folge, dass die Reduktion der Richterstellen auf 38 Stellen nicht von Anfang an Wirkung entfalten kann. Mit einer Übergangsbestimmung zu Artikel 1 wird daher festgehalten, dass die in Artikel 1 definierte Anzahl Richterstellen auf dem Wege der Nichtwiederbesetzung vakant gewordener Stellen erreicht wird. Sollte die Zahl der Richter und Richterinnen bei Ablauf der derzeitigen Amtsperiode (Ende 2008) noch immer grösser als 38 sein, so hätte die Bundesversammlung die Vorgabe von Artikel 1 im Rahmen der Gesamterneuerungswahlen für die Amtsdauer 2009­2014 umzusetzen.

Der Grundsatz, wonach die in Artikel 1 vorgegebene Anzahl Richterstellen auf dem Wege der Nichtwiederbesetzung vakant gewordener Stellen erreicht wird, gilt auch für die nebenamtlichen Richter und Richterinnen. Auch bei ihnen muss die über den Rechtswechsel hinauslaufende Amtsdauer respektiert werden. Allerdings ist bei dieser Richterkategorie absehbar, dass die Grösse von Artikel 1 Absatz 2 kaum mit natürlichen Abgängen erreicht werden kann. Die
Gerichtskommission wird daher bei der Vorbereitung der Gesamterneuerungswahlen 2009­2014 ihre Wahlvorschläge auf das neue, erheblich kleinere Quorum ausrichten müssen. Dem Umstand, dass die Beschränkung der Zahl der nebenamtlichen Bundesrichter und Bundesrichterinnen auf höchstens zwei Drittel der ordentlichen Richter und Richterinnen bereits per 1. Januar 2007 Platz greift, wird die bereits erwähnte Vorlage zur Harmonisierung der Amtsperioden der Bundesrichter und Bundesrichterinnen Rechnung tragen.

Eine Ausnahme vom Prinzip der Nichtwiederbesetzung frei gewordener Richterstellen gilt für den Fall, dass die fachliche oder sprachliche Zusammensetzung des Gerichts ohne Wiederbesetzung der Stelle derart verändert würde, dass die Funktionsfähigkeit des Bundesgerichts nicht mehr gewährleistet wäre. Dies könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn ein italienischsprachiger Richter zurücktritt (beim Rücktritt eines deutsch- oder französischsprachigen Richters dürfte die Verschiebung der sprachlichen Zusammensetzung nur gering sein, so dass es möglich sein sollte, allfällige Schwierigkeiten mit organisatorischen Massnahmen aufzufangen).

3496

Die Antragstellung darüber, ob eine Stelle ausnahmsweise doch wieder besetzt werden soll, liegt bei der Gerichtskommission (vgl. Art. 40a ParlG).

Artikel 4 In Absatz 1 wird festgelegt, dass die Verordnung zusammen mit dem Bundesgerichtsgesetz in Kraft tritt.

Absatz 2 beschränkt den Geltungsbereich der Verordnung bis Ende 2011.

Für die Kommission ist klar, dass es sich bei der Festlegung der Anzahl Richterstellen nur um eine provisorische handeln kann. Die definitive Richterzahl ohne Kenntnis der tatsächlichen Entlastungswirkung des BGG und ohne Kosten- und Organisationsanalyse des Bundesgerichts festlegen zu wollen, wäre problematisch.

Weil die Festlegung der Anzahl Richterstellen provisorisch erfolgt, ist ein Zeitpunkt zu definieren, zu dem sie erneut überprüft werden soll. Der Kommission scheint eine Frist von drei Jahren ab Beginn der Amtsdauer 2009­2014 als angemessen. Spätestens ab Beginn dieser Amtsdauer werden die Richterzahlen gemäss Artikel 1 erreicht sein. Das Bundesgericht hätte somit während mindestens drei Jahren Zeit, Erfahrungen mit dem veränderten Personalbestand zu machen; während fünf Jahren könnte es zudem Erfahrungen zu den be- und entlastenden Auswirkungen der neuen Gesetzgebung sammeln. Auf diese Weise wäre es möglich, während eines ausreichend langen Zeitraums statistische Daten über die Fallbearbeitung der Richter und Richterinnen sowie der Gerichtschreiber und -schreiberinnen zu erfassen, so dass Anfang 2011 eine solide Basis für die Durchführung einer Kosten- und Organisationsanalyse zur Verfügung stünde.

5

Finanzielle Auswirkungen

Im Jahr 2004 betrug die Jahresbesoldung der Bundesrichter und Bundesrichterinnen 329 678 Franken (vgl. Ziff. 2.3.3). Durch die Reduktion der Anzahl Richterstellen auf 38 lässt sich demnach knapp eine Million Franken jährlich einsparen.

Im Durchschnitt der Jahre 2002­2004 erledigten die nebenamtlichen Bundesrichter und Bundesrichterinnen ein Arbeitspensum, das 6,4 vollen Arbeitsstellen entspricht (vgl. Tabelle 3 im Anhang). In Zukunft werden die 19 nebenamtlichen Richter und Richterinnen ein totales Arbeitspensum von ca. 400 Stellenprozenten innehaben (vgl. Ziff. 2.3.6). Da ein zu hundert Prozent tätiger nebenamtlicher Richter rund 231 000 Franken verdienen würde, ergibt sich daraus eine Einsparung von gut 554 000 Franken jährlich. Entsprechend reduzieren sich auch die Arbeitgebebeiträge für die Sozialversicherungen und die Kosten für den Sekretariatsaufwand.

Gesamthaft reduziert sich der Besoldungsaufwand für die ordentlichen und nebenamtlichen Richter und Richterinnen um rund 1,5 Millionen Franken jährlich.

6

Rechtliche Grundlagen

Gemäss Artikel 1 Absatz 5 BGG legt die Bundesversammlung die Zahl der Richter und Richterinnen in einer Verordnung fest.

3497

Anhang Tabelle 1

Geschäftslast des Bundesgerichts 1985­2005 Angaben gemäss Geschäftsberichten Jahr

Eingänge

Erledigungen

Übertrag Ende Jahr

1985

4165

4144

...

1986

4061

4131

1595

1987

3921

4074

1439

1988

3932

3954

1407

1989

4313

3987

1733

1990

4650

4252

2131

1991

4555

4366

2320

1992

4665

4810

2175

1993

5178

5001

2352

1994

5240

5538

2051

1995

5185

5190

2045

1996

5615

5571

2089

1997

5408

5462

2041

1998

5263

5518

1784

1999

5406

5597

1593

2000

5139

5316

1414

2001

4953

5047

1317

2002

4554

4648

1223

2003

4588

4597

1215

2004

4830

4738

1302

200512

5007

4827

1482

12

Die Angaben für das Jahr 2005 stammen vom Bundesgericht (der Geschäftsbericht 2005 wurde noch nicht publiziert).

3498

Tabelle 2

Geschäftslast des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 1985­2005 Angaben gemäss Geschäftsberichten Jahr

Eingänge

Erledigungen

Übertrag Ende Jahr

1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 200513

1433 1355 1291 1247 1195 1139 1194 1344 1589 1588 1699 1866 2019 2205 2423 2521 2386 2269 2172 2233 2475

1336 1385 1363 1294 1165 1137 1158 1337 1480 1652 1530 1632 1755 2151 2251 2242 2447 2298 2619 2222 2320

...

934 862 815 845 847 883 890 999 935 1104 1338 1602 1658 1830 2109 2048 2021 1573 1584 1739

13

Die Angaben für das Jahr 2005 stammen vom Eidgenössischen Versicherungsgericht (der Geschäftsbericht 2005 wurde noch nicht publiziert).

3499

Tabelle 3

Erledigungen im Vergleich zur Anzahl Personaleinheiten 1992­200414 Jahr

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004

14 15

Erledigungen

Richterliches Personal (Total BG und EVG)

Total BG und EVG

Anzahl Richter

Anzahl n.a. Richter

Arbeitstage n.a. Richter (gerundet)

Auslastung n.a. Richter15

Anzahl Gerichtsschreiber

6147 6481 7190 6720 7203 7217 7669 7848 7558 7494 6946 7216 6960

39 39 39 39 39 39 39 39 39 41 41 41 41

39 39 39 39 39 39 39 39 39 41 41 41 41

1852 1827 1721 1572 1817 1557 1841 1646 1719 1588 1535 1486 1375

8,05 7,95 7,5 6,8 7,9 6,7 8,0 7,15 7,5 6,9 6,7 6,5 6,0

98 104 104 108 108 108 111 116 115,9 121,9 123,5 126 122,9

Die Zahlen zu Erledigungen, Personalbestand und Anzahl Arbeitstagen der nebenamtlichen Richter und Richterinnen stammen von den Bundesgerichten.

Berechung, wie viele volle nebenamtliche Richterstellen zur Bewältigung der geleisteten Arbeitstage erforderlich wären (Anzahl Arbeitstage geteilt durch 230 jährliche Arbeitstage).

3500