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Schweizerisches

Nro.

17.

Samstag, den 14. April 1849.

Man abonnirt ausfchließlich beim nächstgelegenen Postamt. Preis für das Jahr 1849 im ganzen Umfange ber Schweiz p o r t o f r e i gtfn. 3.

Snferate sind f r a n k i r t an bie Expedition einznfenden. ©ebühr 1 Batzen per Zeile oder deren Raum.

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Verhandlungen des Bundesrathes.

(Fortsetzung.)

Botschaft des

schweizerischen Bundesrathes an dieBnndesversamm* lung über Verausgabe eines ftenographischen Bulletins.

Unter'm 27. November abhin haben Sie dem schweizerischen Bundesrath den Auftrag ertheilt, auf den nächsten Zusammentritt der Bundesversammlung hin ein "Gutachten und Antrag zu hinterbringen, ob und unter welchen Be-

dingnngen ein össentliches Blatt über die Verhandlungen des National- und des Ständerathes, so viel möglich nach Sinn und Geist des Art. 109 der Bundesverfassung, bezüglich der Slnerkennnng der drei Na.ionalsprachen, herausgegeben werden foll.".

Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß ein stenographirtes .Bulletin der Verhandlungen des NationalBundesblatt I.

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316 rathes, des Standerathes und der üereinigten beiden .Dîathe geeignet wäre, dem Publikum ein vollständigeres Bild dieser Behörden zu verschaffen, als es durch andere öffentliche Blätter zu geschehen -pflegt, soroie auch manche Personen, die von der im Art. 82 der Bundesverfaffung als SDÎegel aufgestellten Oeffentlichkeit der beiden gefetzgebenden Räthe Gebrauch machen wollen, gewissermaßen der Mühe überheben könnte, den Sitzungen persönlich Beizuwohnen. Aehnliche Gründe mögen gesetzgebende Versammlnngen größerer Staaten bestimmt haben, ihre VerÇandlnngen durch Schnellschreiber aufnehmen zu lassen und sie durch sofortigen Druck einem größern Publikum

zugänglich zu machen. So hat z. B. Frankreich schon seit einer langen Reihe von Jahren seinen "Moniteur" mit einer eigenen Staatsbuchdruckerei. Selbst in einzelnen Kantonen unseres Vaterlandes bestehen, sei es als Privat-, sei es als öffentliche Unternehmen, stenographische Einrichtungen für .0 ollständig ere und weitere Verbreitung der Verhandlungen gefetzgebender Behörden. Jm Kanton Zürich z. B. er-

scheint jeweilen ein Tagblatt für die Verhandlungen des dortigen Großen Rathes, das, wenn es auch diese nicht erschöpfend darstellt, doch an Vollständigkeit die Berichte aller politischen Blätter übertrifft und seine Kosten lediglich ·...·ermittelst der Jahresabonnements und des Verkaufes einjelner Nummern deckt. Es ist ein Privatunternehmen des Herrn Buchhändler Schultheß. Das großräthliche VerIjandlnngsblatt des Kantons Bern erscheint hingegen auf Staatskosten und ist das einzige stenographirte Bulletin, das die Verhandlungen einer gesetzgebenden Versammlung in zwei verschiedenen Sprachen wiedergibt. Der diesfälïige Kostenaufwand des Kantons Bern beträgt dem Vernehmen «ach jährlich ungefähr 16,000 Fr., eine Summe, die durch den reinen Ertrag des Amtsblattes, dessen ©ratis-

317 Beilage jenes Verhandlungsblatt fcildet, Bei weitem nicht gedeckt wird *).

Wenn auch aus den angeführten Beifpielen hervorgeht, daß ein stenographirtes Bulletin oder ein Besonderes öffentliches Verhandlungsblatt der hohen Bundesversammlung in »erschiedener Art entstehen könnte, nämlich als Privatoder als öffentliches Unternehmen, so glaubt doch der schweizerische Bundesrath sein IGutachten hauptfächlich auf die Zweckmäßigkeit oder Unzweckmäßigkeit eines Unternehmens der letztern Art beschränken zu .müssen, da e....

Privatpersonen überlassen bleiben muß zu beurtheilen, o.5 sie ihre Rechnung dabei fänden, aus eigene Kosten und ·Gefahr össentliche Verhandlungen von Behörden mit besonderei- Ausführlichkeit dem Drucke zu übergeben. Es genüge dießfalls die Bemerkung, daß von Privatperfonen schon vor dem ersten Zufammentritt der neuen Bundesbehörden der Versuch gemacht [wurde, von den Verhandlungen derselben dem Publikum eine vollständigere Mittheiiinng zu verschassen, aber aus Mangel an Theilnahme von Seite dieses letztern weder in deutscher noch in sranzösifcher Sprache verwirklicht werden konnte. Seither tauchte keine Ankündigung eines solchen Privatunternehmens mehr aus, obschon inzwischen die Frage der Herausgäbe eines stenographirten Bulletins in beiden gesetzgebenden Räthen angeregt nnd ihr Jnteresse daran durch mehrere Beschlüsse kund gethan worden, somit jedenfalls zu gewärtigen war, die Bundesverfammlung werde einem *) 3lus einem feither eingelangten Berichte ber Regierung des hohen Standes Bern ergiebt sich, daß die Äosten für das .lagblatt der ©roßrathsverhanblungen diefes Äantcns sich im Jahre 1848 (für 55 Silungen) genan auf gr. 16,972 Rp. 38, im Jahr 1847 (63 Sitzungen) auf gr. 24,456 Rp. 45 und .....ahrent. fc« zehn Jahre von 1839 --1848 per Sitzungstag durchschnittlich auf Sr. 245 Rp, 66 beliefen.

318 wiederholten SSersuch, wenn nicht gar dnrch finanzielle Hülfsmittel, doch sonst auf alle mögliche Weise Vorschuh zu leisten bereit sein.

Bei der Herausgabe eines amtlichen stenographirten Bulletins käme es hauptsächlich darauf an, ob die VerHandlungen der betreffenden Behörden vollständig oder nur im Auszuge, und sodann in welcher oder in wie vielen Sprachen sie mitgetheilt werden follten. Das nämlich glaubt der schweizerische Bundesrath voraussetzen zu dürfen, daß, wenn überhaupt ein offizielles stenographirtes Verhandlnngsblatt auf Kosten der fchweizerifchen Eidgenossenfchaft will herausgegeben werden, dasfelbe keinen der beiden gefetzgebenden Räthe einfeitig bevorzugen darf, sondern sich auf die Verhandlungen jedes der beiden Räthe insbefondere, fowie auch auf diejenigen der Bundesversammlung selbst erstrecken foll, welche letztere bekanntlich .als vereinigter Körper mitunter fehr wichtige Erörterungen, nach Art. 80 der Bundesverfassung auch Kompetenzstreitigketten, zu erledigen hat.

Ein stenographirtes Bulletin, das die Verhandlungen aller diefer Behörden vollständig umfassen würde, käme begreiflicher Weise höher zu stehen, als wenn nur die Verhandlungen einer Verfammlnng veröffentlichet würden, indem, abgefehen von der Sprache, ein doppeltes Personal von Stenographen angestellt werden müßte. Aber auch der Zeitaufwand für Entzifferung der stenographifchen Arbeiten, die Zubereitung derselben für die Druckoffizinen,

der Satz, das Papier und die Druckarbeit, zum Theil auch der Zeitaufwand der Expedition müßte nach dem Charakter der Bnndesverfammlnng bei getrennten Bera-

thnngen ihrer Räthe doppelt in Anfchlag gebracht werden.

Eine eigene Druckerei besitzt die schweizerische Eidgenossenschaft nicht; sie müßte also zur Herausgabe eines solchen

31<> ...Berhandlungsblatte...-, wenn sie seinetwegen nicht eine fce* sondere Offizin errichten will, was aus mehrfachen Gründen wohl kaum der Fall sein wird, zu Buchdruckereien »on Privaten ihre Zuflucht nehmen. Vermöge des Zusammenhanges, in dem ein solches Unternehmen steht, konnten schwerlich mehr als zwei his drei Buchdruckereien piesür in Anspruch genommen werden ; und bei der Rasch* $eit, womit von ihnen das Bulletin seinem Zwecke gemäß geliefert werden müßte, ist leicht voranszufehen, daß solche Arbeiten, welche Tag und Nacht die Thätigkeit ihrer Offizinen erforderten, nicht fo billig zu stehen kämen, wie andere, weniger an den Augenblick gebundene, vorübergehende Druckarbeiten.

Zudem würde die Herausgabe eines stenographirten Bulletins in deutfcher Sprache, wie der dießfällige Beschluß der Bundesversammlung vorn 11. und 27. November

abhin bereits andeutet, nicht genügen. Artikel 109 der

Bundesverfassung, der das Rechtsverhältniß der fchweizerifchen Sprachen festfetzt, räumt der deutfchen Sprache keinen ausschließlichen Vorzug ein, sondern stellt ihr die französische und italienische gleich, indem er sagt: ,,Die drei Hauptspracheu der Schweiz, die deutsche, französische und italienische, sind Nationalsprachen des Bundes." Wenn auch schweizerische Amtspersonen französifcher oder italienischer Zunge, die außer ihrer Muttersprache noch einer andern Nationalsprache des Vaterlandes kundig sind, zur Ersparung von Bundeskosten und zur Vereinfachung des Geschäftsganges in manchen Fällen auf die in jenem Art. 109 ihnen eingeräumten Rechte verzichten, so ist ihnen dieß doch nicht in solchen Fällen zuzumuthen, wo tó sich um ganze Volksklassen und zugleich um eine an und für sich entbehrliche Jnstitution, wie um den Leserkreis eines stenographirten Bulletins und um amtliche Heraus-

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gabe eines derartigen'Blattes handelt. Es ist in der That auch nicht einzusehen, warnm ein Verljandlnngsblatt der beiden gefetzgebenden Räthe der Schweiz für die italienische oder französische Befcölkerung dieses Landes weniger interes-> sant fein sollte, als für die deutsche, warum eine Summe,

sür die alle Theile des Vaterlandes in Mitleidenschaft ge-

zogen würden, nur dem einen oder andern zu gut kominen soll.

Das stenograpl)irte Bulletin müßte also, um der GleichBerechtigung der Sprachen einigermaßen zu genügen, weingstens deutsch und französifch herausgegeben werden. Dief) würde nach einer mäßigen Berechnung fünf deutsche und vier französische Stenographen, ferner drei Ueberfetzer erfordern, die während der Heransgabe des Bulletins ausschließlich mit ihm beschäftigt wären. Außerdem müssen noch einige Kopisten in Anschlag gebracht werden. Die Besoldung dieses ganzen stenographischen Personals und

Satz, Papier, Druck und Expedition des Bulletins kämen

laut den bei den Akten liegenden Angaben der Buchdruckereien Stämpffi |und Haller in Bern monatlich auf 10,000 Franken zu stehen. Diefe Berechnung steht noch unter derjenigen, welche am 13. Juni abhin der eidgenöfsifchen Tagfatzung von ihrer am 20. Mai 1848 niedergesetzten Kommission durch ihren Berichterstatter, Herrn Landammann Näss, erössnet wurde. Die damals bestehende Kommission hat namlich in ihrem Bericht über die materiellen Fragen die Kosten der stenographischen Arbeiten, zu deren Einsührung sich die Bundesversammlung veranlaßt sehen könnte, ans 20,000 Franken, und dabei die durchschnittliche Dauer der jährlichen Zufammenkunft dieser Behörde auf anderthalb Monate veranschlagt. Es ist aber mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit vorauszusehen., die Kommission bemerkt dieß selbst, daß in den ersten Jahren ihres.

321 Bestandes die Bundesversammlung in einem Jahre mehr als 45 Tage, durchschnittlich 60 Tage, wenn auch nicht ununterbrochen, dauern wird. Für das laufende Jahr, für das der organischen Schöpfungen, dürfte vielleicht eher eine Dauer von 90 Tagen angenommen werden. Jedenfalls glaubt sich der schweizerische Bundesrath nicht zu irren, wenn er annimmt, daß ein stenographirteé Bulletin der vorerwähnten Art im dießjährigen Budget eine Ausgabe von 20,000 bis 25,000 Franken erfordern würde.

Die Kosten konnten durch Herausgabe eines umfassenden Auszuges ans den Verhandlungen der Bundesversammlung und ihrer beiden Räthe einigermaßen vermindert werden. Die Verminderung der Kosten wäre aber, vorausgefetzt, daß man sich auch bei diefer Art von Bulletin auf getreue Mittheilnng des Wefentlichen und auf genaue Verarbeitung des Uebrigen foll verlassen können, nicht tei den stenographischen, fondern bei den Druckarbeiten zu erzielen; sie dürfte indessen ans dem Grunde nicht fehr bedeutend fein, weil dadurch das ganze Unternehmen komplizirter und besondere Redaktoren erfordern würde. Diefe hätten auf Grundlage der stenographifchen Eingaben das Wichtigere vom Unerheblichen auszufcheiden, das Erstere »otlitändig in die Druckereien zu liefern, das Letztere kurz zufammenzufassen und fonach auszngsweife, an gehöriger

Stelle eingeschaltet, dem Drucke zu übergeben -- gewiß mit Rücksicht ans allfällige perfönliche Empfindlichkeiten einzelner Redner ein fehr fchwieriges und heikles Gefchäft, das häufige Reklamationen veranlassen könnte und theilweife den Druck verzögern würde. Die Kosten eine...;

solchen Verhandlungsblattes lassen sich übrigens nicht so genau berechnen, weil die Auswahl des Stosses von den .Redaktoren abhangen würde; jedenfalls müßte es, um

322 seinem Zwecke zu entsprechen, von größerm Umfang als ein Protokoll und als die Berichte irgend eines politischen Blattes fein. Beim Kostenanfchlag eines vollständigen stenographirten Bulletins wurden nach den Erfahrungen, die der bernische Große Rath bei seinem Verhandlungs.-blatte (einem ebenfalls vollständig stenographirten) gemacht hat, monatlich 40 Druckbogen in großem Ouartformat für eine Sprache, also 80 Druckbogen für beide am meisten verbreiteten vaterländifchen Sprachen berechnet.

Sollte diese Bogenzahl bei einem weniger ausführlichen Verhandlungsblatt auch um die Hälfte vermindert werden, so käme dasselbe für dieses Jahr voraussichtlich immer noch auf 12,000 bis 15,000 Franken zu stehen, und zudem wäre mit dieser Summe der eigentliche Zweck, den man bei Herausgabe eines Verhandlungsblattes im Auge hat,

nämlich dem Publikum ein vollständiges Bild vom Leben

und Wirken der obersten Bundesbehörden zu verschaffen, nur halb erreicht.

Eine Ausgabe von 12,000 bis 25,000 Franken in einem einzigen Jahre für ein Verhandlungsblatt ist in Zeiten allgemeiner Geldnoth für ein Gemeinwefen, dessen Kassen Anleihen zu tilgen und eine Menge dringender Bedürfnisse der Verwaltung zu bestreiten haben, für ein Gemeinwesen, das statt zu den ohnehin erschöpften Kantonalkassen Zuflucht nehmen zu können, sich zu feinem Fortbestand in einer Masse neuer finanzieller Experimente versuchen muß, von größerer Bedeutung, als es unter andern Umständen der Fall wäre.

Ueber diese ökonomifchen Bedenklichkeiten könnte man sich hinwegsetzen, wenn die zu bringenden Opser geeignet wären, diejenigen Ergebnisse zu erzielen, die man sich gewöhnlich von der amtlichen Herausgabe eines stenographirten Bulletins verspricht. Es versteht sich von felbst.

323 daß ein solches Blatt nicht eingeführt würde, damit die Mitglieder der obersten Landesbehörden Gelegenheit erpalten, ihre Reden gedruckt zu lefen, sondern um einem Bedürsniß des Publikums abzuhelfen. Nun aber hat

diefes auf keine Weife ein folches Bedürfuiß kund gegeï>en, felbst zu der Zeit nicht, wo man auf das erste Auf» treten der neuen Bundesbehörden allgemein gespannt und von denselben die AufKahme der wichtigsten Arbeiten zur Befestigung der Volkserrnngenschaften zu erwarten war.

Aus der Zufchrift, welche die hiesigen Buchdruckereien Stämpfli und Haller unter dem 26. Oktober abhin an den damaligen eidgenöfsifchen Vorort richteten, aus einem Schreiben des Jnhabers der erster« Buchdruckerei an den eidgenöfsifchen Kanzler, vom 31. gleichen Monats, sowie aus einer vom 14. September 1848 datirten gedruckten Ankündigung des Stenographen L. Jäggi-Kistler und der Buchdruckerei StämpfTi ergibt sich, daß von dem stenographirten Bulletin, welches aus jenen Offizinen hervorgehen und die Verhandlungen der Bundesverfammlung, des Nationalrathes und des Ständerathes vollständig, getreu und fchnell mittheilen sollte, zusammen kaum 61 Exemplare bestellt wurden, obwohl das Publikum durch mehr als 12,000 besondere Ankündigungen, dura) Jnserate in den gelefensten Schweizerblättern und die Vertreter sämmtlicher Kantone noch insbesondere durch Zuschriften frühzeitig auf das Unternehmen aufmerkfam gemacht worden waren. Vorn Publikum felbst wurde nicht der dritte Theil jener kleinen Anzahl von Exemplaren bestellt, und was die Abonnements einzelner Kantonsregierungen betrifft,

fällt beinahe die Hälfte auf die angekündigte französifche

Ausgabe. Diese geringe Theilnahme von der einen wie »on der andern Seite ist schwerlich dem Abonnementspreise zuzuschreiben, da derselbe für die Verhandlungen des

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Jahres 1848 bei der deutschen Ausgabe auf 3 Franken, Bei der französifchen Ausgabe auf 4 Franken per Exemplar festgefetzt war. Auch bei diefem Preise wäre zur Deckung der Kosten ein Abfatz von ungefähr 2000 deutschen und 1O00 franzosischen Exemplaren erforderlich gewesen.

Die Thcilnahmlosigkeit des Publikums, welche die Herausgabe eines stenographirten Bulletins der BundesBehörden in seiner Geburt erstickte, läßt sich erklären, wenn man bedenkt, wie praktisch und konkret der Sinn

des Schweizervolkes ist, das sich nicht gern bei minutiösen Einzelnheiten aufhält und mehr an Handlungen als an Worten erbaut; wenn man bedenkt, wie fehr die politische

Journalistik im Aufschwung und die Zahl der Tagesblätter, die ihm mit einiger Ausführlichkeit und rafch über öffentliche Verhandlungen Bericht erstatten, in der Zunahme

begriffen ist, und daß einem beträchtlichen Theil des Volkes ein weiter gehendes Jnteresse für die obersten BundesBehörden schon deßwegen ferne liegt, weil diese nicht direkt in die Vermögensverhältnisse der einzelnen Bürger eingreifen können und in ihnen die Kantone nicht mehr als streng abgefchlossene politische Körper vertreten sind.

Zur Zeit der alten Ordnung der Dinge hätte sich die Verwendung einer Summe für ein stenographirtes Bülletin infofern eher rechtfertigen lassen, als damals noch nicht drei Sprachen als Nationalfprachen durch das Grundgefetz anerkannt waren, noch kein periodisches Bnndesblatt bestand, die oberste Bundesbehörde eine ganz einfache Zusammenfetzung hatte und den Mitgliedern derselben die Pflicht oblag, ihren Kommittenten vom Vorgefallenen genauen Bericht zu erstatten und über jede ihrer Aenßernngen Rechenschaft abzulegen. Jetzt aber ist die Herausgabe eines stenographirten Bundesblattes für die Abgeordneten der Kantone und für die Kantonsregierungen selbst in dem

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Maße überflüssig geworden, wie sie für die Bundesbe*.

hörden mit Schwierigfeiten und bedeutenden Kosten verBunden wäre. Daher ist der Mangel an Theilnahme zn Begreifen, womit sich weitaus die meisten Kantonsregierungen und ihre Abgeordneten über das von den Buch« druckereien Stämpfli und Haller angekündigte Unternehmen

gleichgültig hinwegfetzten.

Bei der Frage, ob ein stenographirtes Bulletin erscheinen foll oder nicht, mag vielleicht auch die Art von Einfluß fein, wie übjr die Verhandlungen der obersten

Bundesbehörden von politifchen Tagesblättern dem Publikum Bericht erstattet wurde, ob folche Berichte im Allgemeinen gewissenhaft und der Wahrheit .gemäß abgefaßt sind. Jnwieweit die jüngst gemachten diesfälligen Erfah» rungen beruhigen können, will der schweizerische Bundesrath nicht entscheiden. Den Redaktionen oder Verlegern öffentlicher Blätter mußte es natürlich schwerer fallen, für die Verhandlungen zweier Verfammlnngen tüchtige Berichterstatter zu finden als für diejenigen der Tagfatzung; es dürfte daher die Leistung manches Berichterstatters einer Zeitung nur als ein erster Versuch anzusehen oder von der Redaktion derselben zu erwarten sein, sie werde sich nun überzeugt haben, daß sie keine gute Auswahl getroffen und um ihres eigenen Kredites oder Jnteresses halber sür bessere Berichterstattung sorgen müsse. Redlichkeit kann man der schweizerifchen periodifchen Presse im Allgemeinen nicht abfprechen; die fchwet'zm'fche Publizistik steht in dieser Beziehung auf einer höhern Stufe als die des Auslandes, wo es so viele verkäufliche Blätter gibt. Wenn die meisten schweizerischen Blätter die Sache von ihrem Parteistand.punkte aus auffassen, so hat ein daheriges Uebel wieder sein Gegengift darin, daß in der Presse alle Parteien »ertreten sind und die eine die andere überwacht und fee*

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richtiget. Der Grad von Leidenschastlichkeit, der zur Zeit der Jesnitenherrschast, des Sonderbundes und der Unter..-

drückung der Meinungsfreiheit die fchweizerifche Tagespresse durchglühte, hat unter der neuen Ordnung der Dinge bedeutend abgenommen. Uebrigens ist gegen unwahre und entstellte Berichte öffentlicher Blätter hinsichtlich der Verhandlungen der Bundesversammlung solche Vorsorge getroffen, daß es selten oder nie nöthig sein dürfte, zu gerichtlichem Schutze Zuflucht zu nehmen. Es wurde

nämlich die mit der Oeffentlichkeit der Tagsatzungsverhandlungen entstandene Einrichtung, zufolge welcher sich die Journalisten zu verpflichten haben, die öffentlichen Verihandlnngen der fraglichen Behörde "der Wahrheit gemäß fcekannt zu machen, fowie die Berichtigungen wesentlicher Jrrungen unentgeltlich in die Bekanntmachung aufzunehmen /' auch für die Journalistenplätze des Nationalrathes, des Ständerathes und der Bundesversammlung beibehalten.

Ohne Unterzeichnung eines solchen Reverses erhält Niemand aus dem Publikum einen jener reservirten Plätze.

Vermittelst dieser Einrichtung, die im neuen Reglement bestätigt werden kann, ist einerseits den obersten BundesBehörden eine moralische Bürgschast gegen den Mißbrauch ber Oeffentlichkeit ihrer Sitzungen ertheilt, anderseits den einzelnen Mitgliedern ein Anhaltspunkt gegeben, falfche Angaben in Bezng auf ihre Theilnahme an den öffentlichen Verhandlungen in Tagesblättern berichtigen zu laffen.

Jndessen kann dem Wunfche, daß die Verhandlungen der gefetzgebenden Bundesbehörden dem Publikum richtig tnitgetheilt werden, noch auf einem andern, zuverläßigern Wege entfprochen werden, ohne dabei in große Kosten zu verfallen. Wie bereits oben im Vorbeigehen erwähnt tt>urde, erfcheint nunmehr ein periodisches Bundesblatt, das zunächst die Aufgabe hat, die Heimlichkeit der Sitzun-

327 gen des Bundesrathes in der Weise zu beschränken, dag die zur Veröffentlichung sich eignenden wichtigern Verhandlnngen und Beschlüsse desfelben durch den Druck zur allgemeinen Kenntniß gebracht werden, ungefähr in der 9lrt, wie es in den meisten Kantonen von Seite der dortigen Behörden in Bezug auf ihre eigenen Verfügungen durch sogenannte Amtsblätter geschieht. Bei der Gründung des ,,schweizerischen Bundesblattes" nahm der Bnndesrath von vorneherein darauf Bedacht, daß die Herausgabe desfelben der Bundeskasse nicht allznfehr zur Last falle, daß vielmehr in Betreff der Kosten, wenn auch das Publikum

dabei nicht in dem Maße in Mitleidenfchaft gezogen wird, als ihm ein solches Blatt Vortheile gewährt, dennoch im Vergleich zum srühern, sür eidgenössische Druckarbeiten gemachten Kostenaufwand immerhin eine Ersparniß erzielt werde. Durch Eröffnung der Konkurrenz wurde es dem Bundesrathe möglich gemacht, nicht nur seine Drucksachen überhaupt billiger und eben so gut ausführen zu lassen, als es mit denjenigen ber frühern eidgenössischen Behörden meistens der Fa.ll war, sondern auch den Abonnementspreis des Bundesblattes so niedrig zu stellen, daß die Anschaffung desselben auch dem Unbemittelten nicht schwer fällt. Es liegt nun fehr nahe, ein folches Blatt auch zur Veröffentlichung der Verhandlungen der übrigen eidgenöfsifchen Oberbehörden, namentlich der gefetzgebenden Räthe zu benutzen. Dadurch würde die oberste Bundesbehörde ihrem Zwecke der Oeffentlichkeit beffer entfprechen, als die ehemalige Tagfatzung, die sich hinsichtlich der zusammenhängenden Darstellung ihrer Verhandlungen ans Abschiede beschränkte, welche erst Monate lang nach dem Schlüsse der Versammlung im Drucke erschienen und auä) dann noch dem Publikum vorenthalten wurden, indem der Drucker, aus dessen Offizin sie hervorgingen, vorher eid-

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lich geloben mußte, nicht mehr als die für die Kantonsregiernngen und den Vorort bestimmte Anzahl Exemplare drucken zu lassen. Abgefehen davon, daß diefe Abschiede dem Publikum nicht zugänglich waren, verursachten sie den einzelnen Kantonsregierungen, besonders denen der franzöfifchen und italienischen Schweiz, die nebst den Druckkosten auch noch die der Ueberfetzung in's Französifche zu bestreiten hatten, Auslagen, die ihnen in Zukunft größtentheils erfpart werden, wenn das Bundesblatt hinsichtlich der Verhandlungen der obersten Bundesbehörden an die Stelle der bisherigen Abschiede tritt. Werden auch dadurch die Druckkosten des Bundesblattes erhöht, so darf nicht übersehen werden, daß fast in gleichem Maße der besondere Druck einzelner Aktenstücke oder Arbeiten, der die Bundeskasse in den letzten Jahren jährlich auf 15,000 bis 25,000 Fr. zu stehen kam, abnimmt und entbehrlich wird, sowie auch, daß eine solche Ausdehnung der Bedeutung des Bundesblattes geeignet sein dürste, die Abonnentenzahl, die einen beträchtlichen Theil der Kosten des Unternehmens deckt, zu steigern. Der fraglichen Erweiterung steht um fo Weniger im Wege, als bereits bei Gründung des Blattes darauf Bedacht genommen wurde, indem der Drucker desfelben laut dem mit ihm abgeflossenen Vertrage verpflichtet ist, das Bundesblatt fo oft und in der Bogenzahl erscheinen zu lassen, wie es jeweilen den Bundesbehörden beliebt, und zwar ohne Erhöhung des Norinalpreises. Gegen die Abonnenten hingegen wurde keine weitere Verpflichtung eingegangen, als daß ihnen wöchentlich wenigstens ein .Bogen in 8° geliefert wird zum Preise von 3 Fr. per Jahr. Bietet man ihnen um den gleichen Preis mehr, eine verhältnißmäßig größere Bogen-

zahl, und diese sogar in kürzern als wöchentlichen Zwifchenräumen. Neueres als bloße Wochenberichte, Wie es bereits

329 geschehen, so werden sie den ihre Erwartungen ubertrefsenden Leistungen ihre Anerkennung nicht versagen. Der sprechendste Beweis dafür liegt in der bisher stetêfort im Steigen begriffenen Abonnentenzahl diefes Blattes. ..Durch die unbedingte, vermittîlst einer Hinterlage von 5000 Fr.

»erbürgte Verpflichtung der hiesigen Buchdruckerei Stämpfli, den für das Bundesblatt bestimmten Stoff unverweigerlich und schnell zum Drucke zu befördern und zu expediren, ist die der Bundeskanzlei übertragene Redaktion dieses Blattes in Stand gesetzt, nicht nnr eine Fortsetzung der bereits darin veröffentlichten .-Berhandlungen sämmtlicher obersten Bundesbehörden zu liefern, sondern auch denselben in Zuknnftgleichsam Schritt für Schritt zu folgen und dem Publikum, das entweder nicht Zeit oder nicht Gelegenheit hat, den

Sitzungen der gefetzgebenden eidgenöfsifchen Räthe beizu-

wohnen, rascher als es bisher geschehen konnte, eine getrene und authentische Darstellung dessen zu verschassen, was Wichtiges in denselben vorgeht, wobei sie von vorneherein schon durch die Natur der Einrichtung ihrer Mittheilungen darauf angewiesen ist, die Leser mit ermüdender Ausführlichkeit und einer in alle Einzelnheiten eingehenden Darstellung zu verschonen. Bekanntlich erscheint ^das schweizerische Bundesblatt in deutscher und französischer Sprache. Der Gedanke, mit der Zeit auch eine italienische Ausgabe einzuführen, ist noch keineswegs ganz aufgegeben; die Verwirklichung desselben dürfte aber hauptfächlich vom Erfolg der deutfchen und französifchen Ausgabe, d. h. vorn Ergebniß der dießfälligen Einnahmen abhängen.

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Beschluß des

Bundesrathes, »om 29. März 1849.

Nach Prüfung des Vertrags vom Departement des Jnnern, betreffend die Herausgabe eines, stenographirten Bulletins über die Verhandlungen des National- und Ständerathes, hat der Bundesrath, in Berücksichtigung, daß ein derartiges Blatt fehr kdeutende Kosten verurfachen würde; daß ein dießfälliges Bebürfniß bis jetzt im Publikum sich nicht kund gethan hat; daß der Bnndesrath für möglichst genaue und fchnelle ...ßeröffentlichung der Kommissionsgutachten und Befchlüsse der beiden Räthe durch das Bundesblatt sorgen wird, Beschlossen: Der Bundesversammlung vorzuschlagen : Sie möchte ihrem Beschlüsse vom 11. nnd 27. November ». J., hinsichtlich der Herausgabe eines VerhandlungsWattes, vorderhand keine weitere Folge geben,

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Verhandlungen des Bundesrathes (Fortsetzung.)

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1849

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17

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14.04.1849

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315-330

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