Empfehlung Nr. 195 betreffend die Entwicklung der Humanressourcen; Bildung, Ausbildung und lebenslanges Lernen, 2004

Anhang

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 1. Juni 2004 zu ihrer zweiundneunzigsten Tagung zusammengetreten ist, erkennt an, dass Bildung, Ausbildung und lebenslanges Lernen einen wesentlichen Beitrag zur Förderung der Interessen von einzelnen Menschen, Unternehmen, der Wirtschaft und der Gesellschaft als Ganzes leisten, insbesondere in Anbetracht der entscheidenden Herausforderung, die darin besteht, in der globalen Wirtschaft Vollbeschäftigung, Beseitigung von Armut, soziale Einbindung und nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu erzielen, ruft die Regierungen, die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer dazu auf, ihr Engagement für das lebenslange Lernen zu erneuern: die Regierungen, indem sie Investitionen vornehmen und die Voraussetzungen schaffen, um die Bildung und Ausbildung auf allen Ebenen zu verbessern, die Unternehmen, indem sie ihre Arbeitnehmer ausbilden, und die einzelnen Menschen, indem sie die gebotenen Chancen für Bildung, Ausbildung und lebenslanges Lernen nutzen, erkennt an, dass Bildung, Ausbildung und lebenslanges Lernen von grundlegender Bedeutung sind und integraler und übereinstimmender Bestandteil umfassender wirtschafts-, steuer-, sozial- und arbeitsmarktpolitischer Massnahmen und Programme sein sollten, die für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die soziale Entwicklung wichtig sind, erkennt an, dass viele Entwicklungsländer bei der Gestaltung, Finanzierung und Durchführung einer geeigneten Bildungs- und Ausbildungspolitik Hilfe benötigen, um menschliche Entwicklung, Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum und Beseitigung von Armut zu erreichen, erkennt an, dass Bildung, Ausbildung und lebenslanges Lernen Faktoren sind, die zur persönlichen Entwicklung beitragen und den Zugang zur Kultur und zu einer aktiven Staatsbürgerschaft erleichtern, erinnert daran, dass menschenwürdige Arbeit für alle Arbeitnehmer weltweit ein Hauptziel der Internationalen Arbeitsorganisation darstellt, verweist auf die Rechte und Grundsätze, die in den einschlägigen Instrumenten der Internationalen Arbeitsorganisation verankert sind, insbesondere:

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Entwicklung der Humanressourcen; Bildung, Ausbildung und lebenslanges Lernen, 2004. Empfehlung Nr. 195

a)

dem Übereinkommen über die Erschliessung des Arbeitskräftepotenzials, 1975, dem Übereinkommen und der Empfehlung über die Beschäftigungspolitik, 1964, der Empfehlung betreffend die Beschäftigungspolitik (ergänzende Bestimmungen), 1984, und dem Übereinkommen und der Empfehlung über den bezahlten Bildungsurlaub, 1974,

b)

der Erklärung der IAO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit,

c)

der Dreigliedrigen Grundsatzerklärung über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik,

d)

den von der 88. Tagung (2000) der Internationalen Arbeitskonferenz angenommenen Schlussfolgerungen über die Ausbildung und Entwicklung der Humanressourcen,

hat beschlossen, verschiedene Anträge betreffend die Entwicklung und Ausbildung der Humanressourcen anzunehmen, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 17. Juni 2004, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend die Entwicklung der Humanressourcen, 2004, bezeichnet wird.

I. Zweck, Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen 1. Die Mitglieder sollten auf der Grundlage des sozialen Dialogs innerstaatliche Massnahmen für die Entwicklung der Humanressourcen, die Bildung, die Ausbildung und das lebenslange Lernen formulieren, anwenden und überprüfen, die mit wirtschafts-, steuer- und sozialpolitischen Massnahmen vereinbar sind.

2. Im Sinne dieser Empfehlung: a)

umfasst der Begriff lebenslanges Lernen alle Lerntätigkeiten, die während des gesamten Lebens unternommen werden, um Kompetenzen und Qualifikationen zu entwickeln;

b)

bedeutet der Begriff Kompetenzen das Wissen, die Fähigkeiten und die Kenntnisse, die in einem bestimmten Kontext angewandt und beherrscht werden;

c)

bedeutet der Begriff Qualifikationen einen auf internationaler, nationaler oder sektoraler Ebene anerkannten formalen Ausdruck der beruflichen oder fachlichen Fähigkeiten eines Arbeitnehmers; und

d)

bezeichnet der Begriff Beschäftigungsfähigkeit übertragbare Kompetenzen und Qualifikationen, die die Fähigkeiten eines Menschen stärken, die vorhandenen Bildungs- und Ausbildungschancen zu nutzen, um eine menschenwürdige Arbeit zu finden und beizubehalten, um im Unternehmen oder durch Stellenwechsel aufzusteigen und um sich wandelnde Technologien und Arbeitsmarktbedingungen zu bewältigen.

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3. Die Mitglieder sollten Massnahmen für die Entwicklung der Humanressourcen, die Bildung, die Ausbildung und das lebenslange Lernen festlegen, die: a)

das lebenslange Lernen und die Beschäftigungsfähigkeit als Bestandteil einer Reihe politischer Massnahmen erleichtern, deren Ziel darin besteht, menschenwürdige Arbeitsplätze zu schaffen und eine nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu erreichen;

b)

wirtschaftliche und soziale Ziele gleichermassen berücksichtigen und die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung im Kontext der sich globalisierenden Wirtschaft und der auf Wissen und Fähigkeiten beruhenden Gesellschaft sowie die Entwicklung der Kompetenzen und die Förderung der menschenwürdigen Arbeit, der Arbeitsplatzsicherheit, der sozialen Entwicklung, der sozialen Einbindung und der Verringerung von Armut betonen;

c)

die Bedeutung von Innovationen, Wettbewerbsfähigkeit, Produktivität und Wirtschaftswachstum, der Schaffung menschenwürdiger Arbeitsplätze und der Beschäftigungsfähigkeit von Menschen hervorheben in Anbetracht dessen, dass Innovationen neue Beschäftigungschancen schaffen und auch neue Bildungs- und Ausbildungskonzepte erfordern, um der Nachfrage nach neuen Qualifikationen gerecht zu werden;

d)

der Herausforderung Rechnung tragen, Tätigkeiten in der informellen Wirtschaft in menschenwürdige Arbeit umzuwandeln, die voll in das normale Wirtschaftsleben integriert ist; es sollten Massnahmen und Programme entwickelt werden, deren Ziel darin besteht, menschenwürdige Arbeitsplätze und Bildungs- und Ausbildungschancen zu schaffen sowie erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten anzuerkennen, um Arbeitnehmern und Arbeitgebern dabei zu helfen, in die formelle Wirtschaft zu wechseln;

e)

öffentliche und private Investitionen in die für den Einsatz der Informationsund Kommunikationstechnologie in Bildung und Ausbildung benötigte Infrastruktur sowie in die Ausbildung von Lehrern und Ausbildern fördern und sichern, wobei lokale, nationale und internationale Kooperationsnetzwerke genutzt werden sollten;

f)

die Ungleichheit bei der Teilnahme an Bildung und Ausbildung verringern.

4. Die Mitglieder sollten: a)

anerkennen, dass alle Menschen ein Recht auf Bildung und Ausbildung haben, und sich in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern dafür einsetzen, dass alle Zugang zu lebenslangem Lernen erhalten;

b)

anerkennen, dass lebenslanges Lernen sich stützen sollte auf die ausdrückliche Verpflichtung der Regierungen, zur Verbesserung von Bildung und Ausbildung auf allen Ebenen Investitionen vorzunehmen, der Unternehmen, ihre Arbeitnehmer auszubilden, und der einzelnen Menschen, ihre Kompetenzen und ihre berufliche Laufbahn zu entwickeln.

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II Entwicklung und Durchführung einer Bildungs- und Ausbildungspolitik 5. Die Mitglieder sollten: a)

unter Einbeziehung der Sozialpartner eine nationale Strategie für Bildung und Ausbildung festlegen und einen Orientierungsrahmen für ausbildungspolitische Massnahmen auf nationaler, regionaler und lokaler sowie auf sektoraler und betrieblicher Ebene schaffen;

b)

stützende sozialpolitische und andere Massnahmen entwickeln sowie ein wirtschaftliches Umfeld und Anreize schaffen, die Unternehmen anregen, in Bildung und Ausbildung zu investieren, die einzelne Menschen anregen, ihre Kompetenzen und berufliche Laufbahn zu entwickeln, und alle befähigen und motivieren, sich an Bildungs- und Ausbildungsprogrammen zu beteiligen;

c)

die Entwicklung eines den innerstaatlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten entsprechenden Bildungs- und Ausbildungssystems fördern;

d)

die Hauptverantwortung für Investitionen in eine qualitativ gute Bildung und berufsvorbereitende Ausbildung übernehmen, ausgehend von der Erkenntnis, dass qualifizierte Lehrer und Ausbilder, die unter angemessenen Bedingungen tätig sind, von grundlegender Bedeutung sind;

e)

einen nationalen Qualifikationsrahmen entwickeln, um das lebenslange Lernen zu erleichtern, Unternehmen und Arbeitsvermittlungsstellen dabei zu helfen, die Nachfrage nach Qualifikationen und deren Angebot miteinander in Einklang zu bringen, die einzelnen Menschen bei der Ausbildungs- und Berufswahl zu beraten und die Anerkennung von früher Erlerntem und von früher erworbenen Qualifikationen, Kompetenzen und Erfahrungen zu erleichtern; dieser Rahmen sollte sich an sich wandelnde Technologien und Tendenzen auf dem Arbeitsmarkt anpassen sowie regionalen und lokalen Unterschieden Rechnung tragen, ohne dass dadurch die Transparenz auf nationaler Ebene verloren geht;

f)

den sozialen Dialog und Kollektivverhandlungen im Bereich der Ausbildung auf internationaler, nationaler, regionaler und lokaler sowie auf sektoraler und betrieblicher Ebene als Grundvoraussetzung für die Entwicklung der Systeme und für die Relevanz, Qualität und Kostenwirksamkeit der Programme fördern;

g)

die Chancengleichheit für Frauen und Männer im Bereich der Bildung, der Ausbildung und des lebenslangen Lernens fördern;

h)

den Zugang zu Bildung, Ausbildung und lebenslangem Lernen fördern sowohl für Menschen mit auf innerstaatlicher Ebene ermittelten besonderen Bedürfnissen, wie Jugendliche, gering Qualifizierte, Behinderte, Migranten, ältere Arbeitnehmer, indigene Bevölkerungsgruppen, ethnische Minderheiten und sozial Ausgegrenzte, als auch für Arbeitnehmer in kleinen und mittleren Unternehmen, in der informellen Wirtschaft und im ländlichen Sektor sowie für selbständig Erwerbstätige;

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i)

die Sozialpartner unterstützen, damit sie in die Lage versetzt werden, am sozialen Dialog über die Ausbildung teilzunehmen;

j)

die einzelnen Menschen durch Bildung, Ausbildung und lebenslanges Lernen sowie andere Massnahmen und Programme unterstützen und ihnen dabei helfen, unternehmerische Fähigkeiten zu entwickeln und anzuwenden, damit sie menschenwürdige Arbeitsplätze für sich selbst und andere schaffen können.

6. (1) Die Mitglieder sollten innerhalb des Konzepts des lebenslangen Lernens ein koordiniertes Bildungs- und Ausbildungssystem einrichten, unterhalten und verbessern, wobei die Hauptverantwortung des Staates für Bildung und berufsvorbereitende Ausbildung und für die Ausbildung der Arbeitslosen berücksichtigt und die Rolle der Sozialpartner im Bereich der Weiterbildung anerkannt werden sollte, insbesondere die entscheidende Rolle der Arbeitgeber bei der Bereitstellung von Möglichkeiten, Arbeitserfahrung zu erwerben.

(2) Bildung und berufsvorbereitende Ausbildung umfassen die obligatorische Grundbildung, die Grundkenntnisse, Lese-, Schreib- und Rechenfähigkeiten einschliesst, sowie die zweckmäßige Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologie.

7. Die Mitglieder sollten bei Entscheidungen über Investitionen in Bildung und Ausbildung Richtgrößen für vergleichbare Länder, Regionen und Sektoren in Betracht ziehen.

III. Bildung und Berufsvorbereitende Ausbildung 8. Die Mitglieder sollten: a)

ihre Verantwortung für die Bildung und die berufsvorbereitende Ausbildung anerkennen und in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern den Zugang für alle verbessern, um die Beschäftigungsfähigkeit zu stärken und die soziale Einbindung zu erleichtern;

b)

Ansätze für eine nichtformelle Bildung und Ausbildung entwickeln, insbesondere für Erwachsene, denen in der Jugend Bildungs- und Ausbildungschancen vorenthalten wurden;

c)

soweit wie möglich die Nutzung der neuen Informations- und Kommunikationstechnologie für das Lernen und die Ausbildung anregen;

d)

die Bereitstellung von Informationen und Orientierungshilfen zu Beruf, Arbeitsmarkt und Laufbahn sowie Berufsberatung gewährleisten, ergänzt durch Informationen über die Rechte und Pflichten aller Beteiligten aufgrund der Arbeitsgesetzgebung und anderer Formen von arbeitsrechtlichen Vorschriften;

e)

sicherstellen, dass Bildungs- und berufsvorbereitende Ausbildungsprogramme relevant sind und ihre Qualität aufrechterhalten wird;

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f)

sicherstellen, dass berufliche Bildungs- und Ausbildungssysteme entwickelt und gestärkt werden, um geeignete Möglichkeiten für die Entwicklung und Zertifizierung von Qualifikationen zu bieten, die für den Arbeitsmarkt relevant sind.

IV. Entwicklung der Kompetenzen 9. Die Mitglieder sollten: a)

unter Einbeziehung der Sozialpartner die laufende Ermittlung von Tendenzen im Bereich der Kompetenzen, die von einzelnen Menschen, Unternehmen, der Wirtschaft und der Gesellschaft als Ganzes benötigt werden, fördern;

b)

die Rolle der Sozialpartner, Unternehmen und Arbeitnehmer im Bereich der Ausbildung anerkennen;

c)

Initiativen der Sozialpartner im Bereich der Ausbildung im zweiseitigen Dialog, einschliesslich Kollektivverhandlungen, unterstützen;

d)

positive Massnahmen zur Stimulierung von Investitionen in die Ausbildung und zur Teilnahme an Ausbildungsmassnahmen vorsehen;

e)

das am Arbeitsplatz sowohl auf formellem als auch nichtformellem Weg Erlernte und die Arbeitserfahrung anerkennen;

f)

die Ausweitung des Lernens und der Ausbildung am Arbeitsplatz fördern durch: i) den Einsatz hocheffizienter Arbeitsmethoden, die die Fähigkeiten verbessern; ii) die Durchführung betrieblicher und außerbetrieblicher Ausbildungsmassnahmen mit öffentlichen und privaten Ausbildungsanbietern und die stärkere Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologie; und iii) die Verwendung neuer Formen des Lernens in Verbindung mit geeigneten sozialpolitischen Massnahmen, um die Teilnahme an der Ausbildung zu erleichtern;

g)

private und öffentliche Arbeitgeber eindringlich ersuchen, im Bereich der Humanressourcenentwicklung vorbildliche Praktiken anzunehmen;

h)

Strategien, Massnahmen und Programme für Chancengleichheit entwickeln, um die Ausbildung für Frauen sowie für bestimmte Gruppen und Wirtschaftssektoren und für Menschen mit besonderen Bedürfnissen zu fördern und durchuführen, mit dem Ziel, Ungleichheiten zu verringern;

i)

Chancengleichheit und Zugangsmöglichkeiten bei der Berufsberatung und Weiterqualifizierung für alle Arbeitnehmer sowie die Unterstützung der Umschulung von Arbeitnehmern, deren Arbeitsplatz gefährdet ist, fördern;

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j)

multinationale Unternehmen auffordern, ihren Arbeitnehmern in Heimatund Gastländern auf allen Ebenen Ausbildungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, um den Erfordernissen der Unternehmen Rechnung zu tragen und einen Beitrag zur Entwicklung des Landes zu leisten;

k)

die Entwicklung gerechter Ausbildungsmassnahmen und -chancen für alle Beschäftigten des öffentlichen Sektors fördern, wobei die Rolle der Sozialpartner in diesem Sektor anerkannt werden sollte;

l)

stützende Massnahmen fördern, um die einzelnen Menschen in die Lage zu versetzen, Beruf, Familie und lebenslanges Lernen in Einklang zu bringen.

V. Ausbildung für menschenwürdige Arbeit und soziale Einbindung 10. Die Mitglieder sollten Folgendes anerkennen: a)

die primäre Verantwortung des Staates für die Ausbildung von Arbeitslosen, von Personen, die in das Erwerbsleben eintreten oder wieder eintreten möchten, und von Menschen mit besonderen Bedürfnissen, um ihre Beschäftigungsfähigkeit im Hinblick auf die Erlangung einer menschenwürdigen Arbeit im privaten oder öffentlichen Sektor durch Massnahmen wie Anreize und Unterstützung zu entwickeln und zu verbessern;

b)

die Rolle der Sozialpartner bei der Unterstützung der Eingliederung von Arbeitslosen und von Menschen mit besonderen Bedürfnissen in das Erwerbsleben durch Massnahmen zur Humanressourcenentwicklung und andere Massnahmen;

c)

die Rolle der örtlichen Behörden und Gemeinwesen und anderer Beteiligter bei der Durchführung von Programmen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen.

VI. Rahmen für die Anerkennung und Zertifizierung von Qualifikationen 11. (1) In Absprache mit den Sozialpartnern und unter Verwendung eines nationalen Qualifikationsrahmens sollten Massnahmen getroffen werden, um die Entwicklung, Verwirklichung und Finanzierung eines transparenten Mechanismus für die Beurteilung, Zertifizierung und Anerkennung von Qualifikationen, einschliesslich von früher Erlerntem und früheren Erfahrungen zu fördern, unabhängig davon, in welchem Land und ob sie formell oder informell erworben wurden.

(2) Eine solche Beurteilungsmethodologie sollte objektiv, nichtdiskriminierend und an Normen gekoppelt sein.

(3) Der nationale Rahmen sollte ein glaubwürdiges Zertifizierungssystem umfassen, mit dem sichergestellt wird, dass Qualifikationen übertragbar sind und in unterschiedlichen Sektoren, Branchen, Unternehmen und Bildungseinrichtungen anerkannt werden.

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VII. Ausbildungsanbieter 13. Die Mitglieder sollten in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern die Vielfalt des Ausbildungsangebots fördern, um den unterschiedlichen Bedürfnissen von Personen und Unternehmen Rechnung zu tragen und innerhalb eines nationalen Qualitätssicherungsrahmens qualitativ hochstehende Normen und die Anerkennung und Übertragbarkeit von Kompetenzen und Qualifikationen zu gewährleisten.

14. Die Mitglieder sollten: a)

einen Rahmen für die Zertifizierung der Qualifikationen von Ausbildungsanbietern entwickeln;

b)

die Rolle des Staates und der Sozialpartner bei der Förderung der Ausweitung und Diversifizierung des Ausbildungsangebots bestimmen;

c)

die Qualitätssicherung in das öffentliche System aufnehmen und deren Entwicklung innerhalb des privaten Ausbildungsmarkts fördern und die Ergebnisse von Bildung und Ausbildung bewerten;

d)

Qualitätsnormen für Ausbilder entwickeln und Ausbildern Möglichkeiten bieten, diese Normen zu erfüllen.

VIII Berufsberatung und Ausbildungsunterstützung 15. Die Mitglieder sollten: a)

die Teilnahme und den Zugang zu Berufsinformation und Berufsberatung, zu Arbeitsvermittlungsdiensten und Methoden der Stellensuche sowie zu Ausbildungsunterstützungsdiensten während des ganzen Lebens gewährleisten und erleichtern;

b)

die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie sowie von traditionellen vorbildlichen Praktiken im Bereich der Berufsinformation und -beratung sowie der Ausbildungsunterstützungsdienste fördern und erleichtern;

c)

in Absprache mit den Sozialpartnern die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Arbeitsvermittlungsdienste, der Ausbildungsanbieter und anderer in Frage kommender Dienstleistungsanbieter im Bereich der Berufs- und Laufbahninformation und -beratung bestimmen;

d)

Informations- und Beratungsdienste zum Unternehmertum bereitstellen, unternehmerische Fähigkeiten fördern und unter Lehrkräften und Ausbildern ein besseres Bewusstsein für die wichtige Rolle schaffen, die u.a. Unternehmen bei der Schaffung von Wachstum und von menschenwürdigen Arbeitsplätzen zukommt.

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IX. Forschung im Bereich der Humanressourcen-Entwicklung, der Bildung, der Ausbildung und des lebenslangen Lernens 16. Die Mitglieder sollten evaluieren, wie sich ihre Massnahmen im Bereich der Bildung, der Ausbildung und des lebenslangen Lernens auf Fortschritte auf dem Weg zur Erreichung allgemeinerer Ziele der menschlichen Entwicklung, z.B. die Schaffung menschenwürdiger Arbeitsplätze und die Beseitigung von Armut, auswirken.

17. Die Mitglieder sollten ihre innerstaatliche Kapazität zur Analyse von Tendenzen auf den Arbeitsmärkten und bei der Entwicklung und Ausbildung der Humanressourcen entwickeln und die Entwicklung solcher Kapazitäten der Sozialpartner erleichtern und unterstützen.

18. Die Mitglieder sollten: a)

insbesondere bei der Durchführung von regelmäßigen Bevölkerungserhebungen nach Geschlecht, Alter und anderen sozioökonomischen Merkmalen aufgeschlüsselte Informationen über Bildungsstand, Qualifikationen, Ausbildungstätigkeiten sowie Beschäftigung und Einkommen sammeln, damit Tendenzen festgestellt und vergleichende Analysen vorgenommen werden können, an denen sich die Politikgestaltung orientiert;

b)

Datenbanken und quantitative und qualitative Indikatoren, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, Alter und anderen Merkmalen, für das innerstaatliche Ausbildungssystem einführen und Daten über die Ausbildung im privatem Sektor sammeln, wobei die Auswirkungen der Datenerhebung auf Unternehmen zu berücksichtigen sind;

c)

Informationen über Kompetenzen und auf dem Arbeitsmarkt sich abzeichnende Tendenzen aus einer Vielfalt von Quellen, einschliesslich Längsschnittstudien, sammeln, die nicht auf traditionelle Berufsklassifikationen beschränkt bleiben sollten.

19. Die Mitglieder sollten in Absprache mit den Sozialpartnern und unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Datenerhebung auf Unternehmen Forschungsarbeiten über die Entwicklung und Ausbildung der Humanressourcen unterstützen und erleichtern, was Folgendes umfassen könnte: a)

Lern- und Ausbildungsmethodologien, einschliesslich der Verwendung der Informations- und Kommunikationstechnologie im Bereich der Ausbildung;

b)

Anerkennung von Qualifikationen und Qualifikationsrahmen;

c)

Massnahmen, Strategien und Rahmenbedingungen für die Entwicklung und Ausbildung der Humanressourcen;

d)

Investitionen in die Ausbildung sowie die Effizienz und Wirkung von Ausbildung;

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e)

Ermittlung, Messung und Prognose von Angebots- und Nachfragetendenzen auf dem Arbeitsmarkt in Bezug auf Kompetenzen und Qualifikationen;

f)

Ermittlung und Überwindung von Hindernissen beim Zugang zu Ausbildung und Bildung;

g)

Ermittlung und Überwindung von geschlechtsspezifischen Vorurteilen bei der Bewertung von Kompetenzen;

h)

Ausarbeitung, Veröffentlichung und Verbreitung von Berichten und Unterlagen über Massnahmen, Erhebungen und verfügbare Daten.

20. Die Mitglieder sollten die durch die Forschung gewonnenen Informationen bei der Planung, Durchführung und Evaluierung von Programmen als Orientierungshilfe verwenden.

X. Internationale und technische Zusammenarbeit 21. Die internationale und technische Zusammenarbeit im Bereich der Entwicklung der Humanressourcen, der Bildung, der Ausbildung und des lebenslangen Lernens sollte: a)

Mechanismen entwickeln, die die nachteiligen Folgen des migrationsbedingten Verlusts an qualifizierten Personen für die Entwicklungsländer abschwächen, einschliesslich Strategien zur Stärkung der Systeme für die Entwicklung der Humanressourcen in den Herkunftsländern, in der Erkenntnis, dass die Gestaltung förderlicher Bedingungen für Wirtschaftswachstum, Investitionen, die Schaffung menschenwürdiger Arbeitsplätze und menschliche Entwicklung sich positiv auswirken und die Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte vermeiden wird;

b)

mehr Möglichkeiten für Frauen und Männer fördern, eine menschenwürdige Arbeit zu erlangen;

c)

den Aufbau innerstaatlicher Kapazität zur Reform und Entwicklung von Ausbildungsmassnahmen und -programmen fördern, einschliesslich der Entwicklung der Fähigkeit zum sozialen Dialog und zur Schaffung von Partnerschaften im Bereich der Ausbildung;

d)

die Entwicklung des Unternehmertums und der menschenwürdigen Beschäftigung fördern und Erfahrungen über internationale vorbildliche Praktiken austauschen;

e)

die Kapazität der Sozialpartner stärken, einen Beitrag zu Massnahmen für dynamisches lebenslanges Lernen zu leisten, insbesondere in Bezug auf die neuen Dimensionen der regionalen wirtschaftlichen Integration, der Migration und der entstehenden multikulturellen Gesellschaft;

f)

die Anerkennung und Übertragbarkeit von Fähigkeiten, Kompetenzen und Qualifikationen auf nationaler und internationaler Ebene fördern;

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g)

die technische und finanzielle Unterstützung für Entwicklungsländer verstärken und auf der Ebene der internationalen Finanzinstitutionen und Finanzierungsagenturen kohärente Massnahmen und Programme fördern, welche die Bildung, die Ausbildung und das lebenslange Lernen in den Mittelpunkt entwicklungspolitischer Massnahmen stellen;

h)

unter Berücksichtigung der besonderen Probleme der verschuldeten Entwicklungsländer innovative Ansätze erkunden und anwenden, um zusätzliche Mittel für die Entwicklung der Humanressourcen bereitzustellen;

i)

die Zusammenarbeit in und zwischen den Regierungen, den Sozialpartnern, dem privaten Sektor und internationalen Organisationen zu allen anderen Fragen und Strategien fördern, die in dieser Urkunde erfasst werden.

XI. Schlussbestimmung 22. Durch diese Empfehlung wird die Empfehlung betreffend die Erschliessung des Arbeitskräftepotenzials, 1975, neu gefasst und ersetzt.

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