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Beilage

zu Nr. 4 des schweizerischen Biindesblattes.

Note des schweizerischen .-Bundesrathes an das sardinische Ministerium, betreffend den Dienst der Schweizer in der sardinischen Nationalgarde.

Bern, 26. Januar 1849.

Tit.

Veranlaßt durch wiederholte Beschwerden der in den sardinischen Staaten niedergelassenen Schweizer, sieht sich

der schweizerische Bundesrath verpflichtet, bei der königlichsardinischen Staatsregierung einen Gegenstand in Anregung zu bringen, der schon srüher zu einer kurzen Korrefpondenz Veranlassung gegeben hatte.

Schon im Oktober vorigen Jahres hatten die in Genua wohnenden Schweizer dagegen reklamirt, daß sie zum Dienste in der Nationalgarde angehalten werden, und der damalige eidgenössifche Vorort machte hievon der königlichfardinifchen Gesandtschast in der Schweiz Mittheilung, in-

dem er, gestützt aus Art. 5 des Vertrages vom 12. Mai 1827, Abhülse dieser Beschwerde verlangte. Das königlichsardinische Departement des Jnnern ließ dem Vororte die Antwort ertheilen, daß der Dienst in der Nationalgarde

nicht als militärische Verpflichtung zu betrachten sei, sondern bloß als ein Mittel zur Ausrechthaltung der öffentlichen Ordnung, wobei alle Einwohner, Fremde wie Bür-

ger, gleichmäßig betheiligt seien und wozu daher alle gleichmäßig beizutragen verpflichtet seien. Ferner wurde beigesügt, daß die beteiligten Schweizer sich an die Conseils respectifs des Bataillons zu wenden und nöthigensalls an die Comités de révision zu appelliren hätten.

Seither sind neue Beschwerden über diese Angelegenheit eingekommen, und der Bundesrath hat überdieß in Ersahrnng gebracht, daß die in Sardinien niedergelassenen französischen Bürger, welche in ganz gleicher Lage sich befinden und anfänglich auch zu dem Dienste in der Nationalgarde zu Nizza angehalten wurden, in Folge einer Beschwerde der sranzösischen Regierung von diesem Dienste besreit worden seien.

Jndem nnn der schweizerische Bundesrath die Freiheit nimmt, neuerdings die Aufmerksamkeit der königlich-fardinischen Staatsregierung auf diese Angelegenheit hinzulenken, muß er vor Allein ans gegen die Ansicht sich ans-

sprechen, als ob die betheiligten Schweizer vereinzelt ihre

Beschwerden bei verschiedenen untergeordneten Behörden anzubringen hätten. Es handelt sich nicht um die Rechte einzelner bestimmter Schweizerbürger, welche etwa mit fardinifchen Bürgern in Konflikt gerathen sind, sondern es ljandelt sich um eine prinzipielle Frage, welche sich auf die Stellung der jetzt oder künftig in Sardinien nieder-

gelassenen Schweizer zur Staatsgewalt bezieht, oder mit andern Worten um ein internationales Verhältniß, welches diefen Eharakter desto entschiedener trägt, als es durch einen Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Sardinien regnlirt wurde. Solche Angelegenheiten werden aber im Verkehre befreundeter Staaten immer auf diplomatifchem Wege zwifchen den beiden Staatsregierungen behandelt.

Was nun den Gegenstand selbst betrifft, fo kann der schweizerische Bundesrath unmöglich der Ansicht beitreten, als ob der Dienst in der Nationalgarde keine Militärpflicht (obligation militaire) sei. Allerdings ist er ein Mittel zur Ausrechthaltung der öffentlichen Ordnung. Allein dieser Umstand begründet nicht nur keinen Unterschied zwischen Nationalgarde und stehenden Truppen, sondern

er ist im Gegentheil ein Merkmal, das beiden gemein ist.

Beide haben diesen Zweck, und der Unterschied bezieht sich bloß auf den Umfang und die Dauer der Verpflichtung.

Auch zeigt ja die neue Gefchichte fast aller Staaten, daß je nach den Umständen entweder die stehenden Truppen oder die Nationalgarde, oder beide zugleich, zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung verwendet werden. Der Hauptcharakter beider Jnstitutionen ist der nämliche: sie bilden die bewaffnete Macht des Staates zum Schütze seiner Existenz, seiner Versaffung und Behörden. -- Wenn auch in gewöhnlichen Zeiten die Nationalgarde eine untergeordnete Bedeutung hat, so ist nicht zu übersehen, daß in Zeiten großer innerer Bewegungen der Dienst in derselben eben so anhaltend, lästig und gefährlich sein kann, als der Dienst in der Armee.

Wenn nun diese innere Gleichheit beider Jnstitutionen nicht zu bestreiten ist, wenn die Verpflichtung, mit den Waffen in der Hand und militärisch organisirt längere Zeit hindurch die Uebungen und den ganzen Dienst eines Soldaten durchzumachen, ganz gewiß eine obligation militaire genannt werden muß, so kann der schweizerische Bnndesrath nicht umhin, auf dem Begehren zu bestehen, daß die in Sardinien wohnenden Schweizer auf Grundlage des Art. 5 des erwähnten Vertrages von diefern Dienste befreit werden. Es kann der königlich-fardinifchen Regierung überdieß unmöglich entgehen, daß der zitirte Artikel, um keinen Zweifel übrig zu lassen, nicht etwa vom Dienste in einer stehenden Armee spricht, fondern im Allgemeinen von allen möglichen militärifchen Verpflichtungen. -- Wenn endlich noch hervorgehoben wurde, daß die Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung allen Einwohnern zu gut komme und daher eine gleiche Verpflic.)tung aller begründe, zu diefem Zwecke mitzuwirken, so ist

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dieses an sich wahr. Allein einerseits macht der erwähnte Vertrag für die militärischen Leistungen eine bestimmte und allgemeine Ausnahme; anderseits müßte jener Grundsatz gerechter Weise auf alle in Sardinien wohnenden Fremden angewendet werden, denn alle genießen auf gleiche Weife die Vortheile einer gesetzlichen Ordnung der Dinge und alle müßten daher auf gleiche Weife zur Festhaltung derselben beitragen. Aber letzteres ist nicht der Fall, wie der Bundesrath oben anzuführen die Ehre hatte, indem die in Sardinien wohnenden Franzofen zu jenem Dienste nicht gezwungen werden. Auf besondern Gründen der Reziprozität kann dieses nicht beruhen; denn auch in der Schweiz, wie in Frankreich, sind die sardinischen Angehörigen frei von folchen Verpflichtungen, und sie werden es bleiben, infofern eine gleiche Behandlnng den fchwei-

zerifchen Angehörigen in Sardinien zu Theil wird.

Der fchweizerifche Bundesrath bezweifelt indeß nicht, daß die königlich-fardinische Regierung, in gerechter Würdignng des bestehenden Vertrages, die geeigneten Maßregeln ergreisen werde, nm diese Angelegenheit im Sinne des gestellten Begehrens zu erledigen und ergreist gerne diesen Anlaß, Je.

An 3l)re ExceHenzen, die Herren Präsident und Mitglieder des schweizerische.}.!. Btttts desrat^es, in .-Berat..

T u r i n , den 27. Februar 1849.

Tit.

Die von Jhnen unterm 26. Januar letzthin an meinen Vorgänger gerichtete Note, durch welche demselben die Gründe mitgetheilt worden, welche den schweizerischen Bnndesrath bewogen hatten, ans dem Verlangen zu beharren,

daß die in den Staaten des Königs wohnenden Schweizer nicht zum Dienste in der Nationalgarde angehalten werden möchten, ist von der königlichen Regierung zum Gegenstand ihrer befondern Aufmerksamkeit gemacht worden. Es hat dieselbe gesunden, daß in Folge unrichtiger Anwendung des Gesetzes ans den Listen mehrerer Disziplinarräthe der Nationalmiliz folche Fremde beibehalten worden sind, auf welche die Bestimmungen jenes Gesetzes keinen Bezug haben. Nur diejenigen Fremden sind wirklich zu diesem Dienste verpflichtet, welche in Folge ihrer Niederlassung in unserm Lande naturalisirt worden sind, dem Landesherrn Treue geschworen, und ein Besitzthum erworben oder ein Geschäft gegründet haben, sür welches sie eine Abgabe in dem Betrage zu bezahlen haben, wie derselbe zur Einschreibung in die Listen der Nationalgarde sür die Unterthanen Sr. Majestät selbst festgefetzt ist.

Jn Folge dessen hat der Minister des Jnnern fo eben die nöthigen Verfügungen getroffen, damit in Zukunft diejenigen Schweizer, auf welche jene Gesetzesbestimmungen nicht anwendbar sind, vom Dienste besreit werden, es sei denn, daß sie die schriftliche Erklärung abgeben, sich freiwillig unterziehen zu wollen.

Es ist mir fehr angenehm, Jhren Excellenzen eine Entfchließung mittheilen zu können, welche dem von ihnen angelegentlich und mit Nachdruck vorgetragenen Begehren fo vollkommen entspricht, und ich benutze gerne diefen Anlaß, um Dieselben meiner Hochachtung zu versichern.

Der Minister-Staatsfekretär für die auswärtigen Angelegenheiten :

Eolli.

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1849

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04

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07.03.1849

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128-128

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