06.074 Botschaft zum Bundesgesetz über die von der Schweiz als Gaststaat gewährten Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen sowie finanziellen Beiträge (Gaststaatgesetz, GStG) vom 13. September 2006

Sehr geehrte Herren Präsidenten Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit der vorliegenden Botschaft den Entwurf eines Bundesgesetzes über die von der Schweiz als Gaststaat gewährten Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen, sowie finanziellen Beiträge mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

13. September 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2006-1779

8017

Übersicht Die Schweiz hat eine lange Tradition als Gaststaat von internationalen Organisationen und Konferenzen, und die Gaststaatpolitik bildet einen Schwerpunkt der schweizerischen Aussenpolitik. Wie andere Staaten gewährt die Schweiz ausländischen Vertretungen sowie internationalen Organisationen und Konferenzen, denen sie auf ihrem Hoheitsgebiet Gastrecht gewährt, Vorrechte und Immunitäten. Ihre Gaststaatpolitik umfasst auch die Gewährung von gewissen finanziellen Beiträgen, insbesondere in Form von Darlehen an die Immobilienstiftung für die internationalen Organisationen (FIPOI) in Genf. Dabei stützt sich der Bundesrat auf verschiedene Rechtsgrundlagen, insbesondere auf internationale Abkommen und Verträge, verschiedene Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse und seine verfassungsmässigen Kompetenzen im Bereich der Aussenpolitik.

Angesichts der Bedeutung der Gaststaatpolitik erachtet es der Bundesrat als notwendig, seine Praxis in diesem Bereich zu kodifizieren und die wichtigsten Mittel der Gaststaatpolitik in einem einzigen Gesetz zu regeln. Er unterbreitet den eidgenössischen Räten deshalb einen Gesetzesentwurf über die von der Schweiz als Gastland gewährten Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen sowie finanziellen Beiträge (Gaststaatgesetz GStG).

Der Entwurf soll im Wesentlichen die verschiedenen bestehenden Rechtsgrundlagen im Bereich der Gaststaatpolitik zusammenfassen und die Entscheide, die direkt auf den verfassungsmässigen Kompetenzen des Bundesrats beruhen, auf eine formelle Rechtsgrundlage stellen. Er definiert die potenziellen Begünstigten der Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen sowie finanziellen Beiträge in dem vom Völkerrecht bestimmten Rahmen, ausgehend vom Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen und den Sitzabkommen mit Organisationen, die sich in unserem Land niedergelassen haben. Dann legt er die Bedingungen fest, unter denen diesen Begünstigten eine besondere Stellung und finanzielle Beiträge gewährt werden können. Die Entwicklung der multilateralen internationalen Beziehungen hat zu neuen Akteuren auf der internationalen Bühne geführt; dies schlägt sich in Artikel 2 des Gesetzesentwurfs nieder. Die Vorrechte und Immunitäten, die in Artikel 3 aufgezählt werden, ergeben sich aus dem internationalen Gewohnheitsrecht und sind in zahlreichen
internationalen Übereinkommen festgeschrieben; zudem sieht der Gesetzesentwurf wie im Völkerrecht üblich je nach Art des Begünstigten eine Abstufung des Geltungsbereichs der Vorrechte und Immunitäten vor. Bei den finanziellen Beiträgen soll der Gesetzesentwurf es dem Bundesrat erlauben, seine langjährige Praxis fortzuführen.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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Abkürzungsverzeichnis

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Liste der Sitz- und Steuerabkommen

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1 Allgemeiner Teil 1.1 Einleitung 1.2 Geschichtlicher Überblick 1.3 Ergebnisse der Vernehmlassung

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2 Besonderer Teil 2.1 Aufbau des Gesetzes 2.2 Kapitel 1: Gegenstand des Gesetzes (Art. 1) 2.3 Kapitel 2: Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen 2.3.1 Begünstigte 2.3.1.1 Zwischenstaatliche Organisationen (Art. 2 Abs. 1 Bst. a) 2.3.1.2 Internationale Institutionen (Art. 2 Abs. 1 Bst. b) 2.3.1.3 Quasizwischenstaatliche Organisationen (Art. 2 Abs. 1 Bst. c) 2.3.1.4 Diplomatische Missionen, konsularische Posten, ständige Missionen und Sondermissionen (Art. 2 Abs. 1 Bst. d­g) 2.3.1.5 Internationale Konferenzen (Art. 2 Abs. 1 Bst. h) 2.3.1.6 Sekretariate oder andere durch einen völkerrechtlichen Vertrag eingesetzte Organe (Art. 2 Abs. 1 Bst. i) 2.3.1.7 Unabhängige Kommissionen (Art. 2 Abs. 1 Bst. j) 2.3.1.8 Internationale Gerichtshöfe (Art. 2 Abs. 1 Bst. k) 2.3.1.9 Schiedsgerichte (Art. 2 Abs. 1 Bst. l) 2.3.1.10 Andere internationale Organe (Art. 2 Abs. 1 Bst. m) 2.3.1.11 Personen, die in offizieller Eigenschaft ständig oder vorübergehend für einen institutionellen Begünstigte tätig sind (Art. 2 Abs. 2 Bst. a) 2.3.1.12 Persönlichkeiten, die ein internationales Mandat ausüben (Art. 2 Abs. 2 Bst. b) 2.3.1.13 Begleitpersonen (Art. 2 Abs. 2 Bst. c) 2.3.2 Inhalt der Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen (Art. 3) 2.3.2.1 Unverletzlichkeit 2.3.2.2 Immunität von der Gerichtsbarkeit und der Vollstreckung 2.3.2.3 Befreiung von Steuern und Zöllen 2.3.2.4 Freie Verfügung über Finanzmittel, Devisen, Bargeld und anderes bewegliches Vermögen 2.3.2.5 Kommunikations-, Bewegungs- und Verkehrsfreiheit 2.3.2.6 Befreiung vom schweizerischen System der sozialen Sicherheit 2.3.2.7 Bestimmungen über Einreise und Aufenthalt in der Schweiz 2.3.2.8 Befreiung von allen öffentlichen Dienstleistungen und militärischen Auflagen jeder Art

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2.4

2.5

2.6

2.7

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2.3.2.9 Erleichterungen 2.3.3 Geltungsbereich der Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen (Art. 4) 2.3.4 Dauer der Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen (Art. 5) 2.3.5 Voraussetzungen für die Gewährung von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen 2.3.5.1 Allgemeine Voraussetzungen (Art. 6) 2.3.5.2 Zusätzliche spezifische Voraussetzungen für gewisse Begünstigte (Art. 7­15) 2.3.5.2.1 Internationale Institutionen (Art. 7) 2.3.5.2.2 Quasizwischenstaatliche Organisationen (Art. 8) 2.3.5.2.3 Internationale Konferenzen (Art. 9) 2.3.5.2.4 Sekretariate und andere durch einen völkerrechtlichen Vertrag einsetzte Organe (Art. 10) 2.3.5.2.5 Unabhängige Kommissionen (Art. 11) 2.3.5.2.6 Internationale Gerichtshöfe (Art. 12) 2.3.5.2.7 Schiedsgerichte (Art. 13) 2.3.5.2.8 Andere internationale Organe (Art. 14) 2.3.5.2.9 Persönlichkeiten, die ein internationales Mandat ausüben (Art. 15) Kapitel 3: Erwerb von Grundstücken für dienstliche Zwecke 2.4.1 Erwerb von Grundstücken (Art. 16) 2.4.2 Begriffsbestimmungen (Art. 17) Kapitel 4: Finanzielle Beiträge und andere Unterstützungsmassnahmen 2.5.1 Zweck (Art. 18) 2.5.2 Begünstigte der finanziellen Beiträge und anderen Unterstützungsmassnahmen (Art. 19) 2.5.3 Formen der finanziellen Beiträge und anderen Unterstützungsmassnahmen (Art. 20) 2.5.4 Entschädigung der Kantone (Art. 21) 2.5.5 Finanzierung (Art. 22) 2.5.6 Voraussetzungen, Verfahren und Modalitäten (Art. 23) Kapitel 5: Internationale Nichtregierungsorganisationen 2.6.1 Grundsatz (Art. 24) 2.6.2 Begriff der INGO (Art. 25) Kapitel 6: Befugnisse 2.7.1 Gewährung (Art. 26) 2.7.2 Arbeitsbedingungen der begünstigten Personen (Art. 27) 2.7.3 Beilegung von privatrechtlichen Streitigkeiten bei Befreiung von der Gerichtsbarkeit und der Vollstreckung (Art. 28) 2.7.4 Anhörung der Kantone (Art. 29) 2.7.5 Auskunft (Art. 30) 2.7.6 Einhaltung der Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen (Art. 31) 2.7.7 Aussetzung, Entzug und Rückzahlung finanzieller Beiträge und anderer Unterstützungsmassnahmen (Art. 32)

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2.8 Kapitel 7: Schlussbestimmungen 2.8.1 Ausführungsbestimmungen (Art. 33) 2.8.2 Aufhebung und Änderung bisherigen Rechts (Art. 34) 3 Auswirkungen 3.1 Finanzielle Auswirkungen 3.1.1 Hinsichtlich der Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen 3.1.2 Hinsichtlich der finanziellen Beiträge und anderen Unterstützungsmassnahmen 3.1.2.1 Für den Bund 3.1.2.2 Für die Kantone 3.2 Anwendung der Ausgabenbremse 3.3 Personelle Auswirkungen

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4 Legislaturplanung

8086

5 Verhältnis zum europäischen Recht

8087

6 Verfassungsmässigkeit

8087

Bundesgesetz über die von der Schweiz als Gaststaat gewährten Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen sowie finanziellen Beiträge (Entwurf)

8089

8021

Abkürzungsverzeichnis ACI AHV ALV BIZ Bundesbeschluss von 1955 BWIS CICG DBG EDA EFTA EO FAO FIPOI IATA IFRC IKRK INGO IV MWST NGO OR OSZE OTIF SITA UICN UNO WADA WPV WSIS WTO

8022

Internationaler Flughafenrat Alters- und Hinterlassenenversicherung Arbeitslosenversicherung Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Bundesbeschluss vom 30. September 1955 betreffend Vereinbarungen mit internationalen Organisationen über ihr rechtliches Statut in der Schweiz Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit Internationales Konferenzzentrum von Genf Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten Europäische Freihandelsassoziation Erwerbsersatzordnung Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen Immobilienstiftung für die internationalen Organisationen Internationaler Luftverkehrsverband Internationale Föderation der Rotkreuz- und RothalbmondGesellschaften Internationales Komitee vom Roten Kreuz Internationale Nichtregierungsorganisation Invalidenversicherung Mehrwertsteuer Nichtregierungsorganisation Obligationenrecht Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Zwischenstaatliche Organisation für den internationalen Eisenbahnverkehr Société internationale de télécommunications aéronautiques Internationale Union zur Erhaltung der Natur und der natürlichen Lebensräume Organisation der Vereinten Nationen Anti-Doping-Weltagentur Weltpostverein Weltgipfel über die Informationsgesellschaft Welthandelsorganisation

Liste der Sitz- und Steuerabkommen 1.

IAO/IAA IBE/UNESCO

ITU WHO WIPO WMO UNO UPOV WPV 2.

AIEC AITIC Beratungszentrum BITH BIZ Centre Sud

Zwischenstaatliche Organisationen des UNO-Systems mit einem Sitzabkommen Internationale Arbeitsorganisation (Internationales Arbeitsamt), Genf, Sitzabkommen vom 11. März 1946 (SR 0.192.120.282) Internationales Bildungsbüro/Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation, Genf, Sitzabkommen vom 15. November 1946 (SR 0.192.122.41) Internationale Fernmeldeunion, Genf, Sitzabkommen vom 22. Juli 1971 (SR 0.192.120.278.41) Weltgesundheitsorganisation, Genf, Sitzabkommen vom 21. August 1948 (SR 0.192.120.281) Weltorganisation für geistiges Eigentum, Genf, Sitzabkommen vom 9. Dezember 1970 (SR 0.192.122.23) Weltorganisation für Meteorologie, Genf, Abkommen vom 10. März 1955 (SR 0.192.120.242) Organisation der Vereinten Nationen (für das Büro der Vereinten Nationen in Genf), Sitzabkommen vom 11. Juni/ 1. Juli 1946 (SR 0.192.120.1) Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen, Genf, Sitzabkommen vom 17. November 1983 (SR 0.192.122.25) Weltpostverein, Bern, Briefwechsel vom 5. Februar/ 22. April 1948 (SR 0.192.120.278.3) Andere internationale Organisationen mit einem Sitzabkommen Vereinigung Eisenerz exportierender Staaten, Genf (derzeit keine Aktivitäten in Genf), Sitzabkommen vom 9. Dezember 1976 (SR 0.192.122.931) Agentur für Internationale Handelsinformation und ­ Kooperation, Genf, Sitzabkommen vom 31. August 2004 (SR 0.192.122.632.13) Beratungszentrum für WTO-Recht, Genf, Sitzabkommen vom 18. Oktober 2001 (SR 0.192.122.632.12) Internationales Amt für Textilien und Bekleidung, Genf, Sitzabkommen vom 18. Mai 1987 (SR 0.192.122.632.5) Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Basel, Sitzabkommen vom 10. Februar 1987 (SR 0.192.122.971.3) Centre Sud, Genf, Sitzabkommen vom 20. März 1997 (SR 0.192.122.972.11)

8023

CERN EFTA GFATM ICDO IFRC IKRK IOM IPU OSZE-Gerichtshof OTIF WTO 3.

ACI IATA SITA UICN WADA (Europ. Büro)

8024

Europäische Organisation für Kernphysikalische Forschung, Genf, Sitzabkommen vom 11. Juni 1955 (SR 0.192.122.42) Europäische Freihandelsassoziation, Genf, Sitzabkommen vom 10. August 1961 (SR 0.192.122.632.3) Globaler Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria, Genf, Sitzabkommen vom 13. Dezember 2004 (SR 0.192.122.818.11) Internationale Organisation für Zivilschutz, Genf, Sitzabkommen vom 10. März 1976 (SR 0.192.122.52) Internationale Föderation der Rotkreuz- und RothalbmondGesellschaften, Genf, Sitzabkommen vom 29. November 1996 (SR 0.192.122.51) Internationales Komitee vom Roten Kreuz, Genf, Sitzabkommen vom 19. März 1993 (SR 0.192.122.50) Internationale Organisation für Migration, Genf, Briefwechsel vom 7. April/3. Mai 1954 (SR 0.192.122.935) Interparlamentarische Union, Genf, Sitzabkommen vom 28. September 1971 (SR 0.192.121.71) Vergleichs- und Schiedsgerichtshof der OSZE, Genf, Sitzabkommen vom 17. November 1997 (SR 0.192.120.193.1) Zwischenstaatliche Organisation für den internationalen Eisenbahnverkehr, Bern, Sitzabkommen vom 10. Februar 1988 (SR 0.192.122.742) Welthandelsorganisation, Genf, Sitzabkommen vom 2. Juni 1995 (SR 0.192.122.632) Quasizwischenstaatliche Organisationen mit einem Steuerabkommen Internationaler Flughafenrat, Genf, Steuerabkommen vom 30. Januar 1997 (SR 0.192.122.749) Internationaler Luftverkehrsverband, Genf, Steuerabkommen vom 20. Dezember 1976 (SR 0.192.122.748) Société internationale de télécommunications aéronautiques, Genf, Steuerabkommen vom 4. Juni 1992 (SR 0.192.122.784) Internationale Union zur Erhaltung der Natur und der natürlichen Lebensräume, Gland, Steuerabkommen vom 17. Dezember 1986 (SR 0.192.122.451) Anti-Doping-Weltagentur, Lausanne, Steuerabkommen vom 5. März 2001 (SR 0.192.120.240)

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Einleitung

Der Bundesrat beantragt die Zustimmung zu einem neuen Bundesgesetz, das die Gewährung von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen sowie von finanziellen Beiträgen und die Umsetzung weiterer Unterstützungsmassnahmen im Bereich der Gaststaatpolitik regelt, die einen integrierten Bestandteil der auswärtigen Angelegenheiten des Bundes darstellt. Dabei geht es darum, dem Bundesrat ein Instrument in die Hand zu geben, das es ihm ermöglicht, eine kohärente Gaststaatpolitik zu verfolgen und gleichzeitig den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz und der Entwicklung der internationalen bilateralen und multilateralen Beziehungen Genüge zu tun.

Die Diplomatie hat seit jeher existiert. Die Aufnahme temporärer oder ständiger diplomatischer Beziehungen erforderte die Einführung besonderer Regeln, um die Bedingungen sicherzustellen, die für die diplomatischen Vertreter notwendig waren, damit sie ihre offiziellen Aufgaben unabhängig ausüben konnten. Die ersten Bestimmungen über die gewährten Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen beruhen daher auf dem Gewohnheitsrecht, d.h. auf einer allgemeinen Praxis, die von den Betroffenen als verbindlich anerkannt wird. Die bilateralen und multilateralen Verträge kodifizierten später das Gewohnheitsrecht und sahen neue Regeln vor, die sich mit der Zeit als notwendig erwiesen. So verabschiedeten die Staaten namentlich das Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen1 und das Wiener Übereinkommen vom 24. April 1961 über konsularische Beziehungen2. Die Schweiz ist beiden Übereinkommen beigetreten, die nun die rechtliche Stellung der ausländischen diplomatischen und konsularischen Vertreter in der Schweiz regeln.

Mit der Entwicklung der internationalen Beziehungen entstand neben der bilateralen die multilaterale Diplomatie. Die internationalen Organisationen wurden zu einem wesentlichen Instrument zur Regelung der politischen und technischen Fragen, die die internationale Gemeinschaft beschäftigen. Wie auch bei den bilateralen Beziehungen stellte es sich sehr rasch als unabdingbar heraus, für internationale Organisationen, ihre Beamten und die Vertreter ihrer Mitgliedstaaten eine Vorzugsstellung vorzusehen, die einerseits ihre volle Unabhängigkeit gegenüber dem Staat gewährleistet, auf dessen Hoheitsgebiet sie sich zur Ausübung ihrer
Funktionen aufhalten, und die andererseits dafür sorgt, dass der Gaststaat aus der Anwesenheit einer von sämtlichen Mitgliedstaaten finanzierten Organisation auf seinem Hoheitsgebiet keine besonderen Vorteile zieht. Diese Grundsätze werden von der gesamten internationalen Gemeinschaft anerkannt.

Die Präsenz der internationalen Organisationen in der Schweiz hat seit dem 19. Jahrhundert zur Ausstrahlung unseres Landes in der Welt beigetragen und gestattet es der Schweiz, einen bedeutsamen Beitrag an die Entwicklung des Völker-

1 2

SR 0.191.01 SR 0.191.02

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rechts und seiner Umsetzung zu leisten. Sie bietet darüber hinaus eine wertvolle Plattform für die Aussenpolitik unseres Landes.

Die Mehrheit der in der Schweiz ansässigen internationalen Organisationen befindet sich in Genf, doch gewähren auch andere Kantone internationalen Organisationen oder Konferenzen Gastrecht. Das so genannte «internationale Genf» (dazu zählen die rund 35 000 Personen ­ internationale Beamte, Mitglieder der ständigen Missionen und deren Familienangehörige, die für internationale Organisationen und Verhandlungen in Genf tätig sind, sowie die übrigen internationalen Organisationen in den Kantonen Waadt, Bern und Basel) ist nicht nur ein wichtiger Bestandteil des kantonalen Wirtschaftslebens, sondern es leistet auch einen bedeutenden Beitrag an den Bund (s. Ziff. 3.1). Das internationale Genf ist ein traditionelles und charakteristisches Element unseres Landes, das im Ausland und von den Tausenden von Vertreterinnen und Vertretern auf Mission in der Schweiz auch als solches anerkannt wird: eine Quelle verschiedenster Ideen, ein Trumpf für unsere Aussenpolitik, ein Teil unseres Erbes und ein Bestandteil der Zukunft unseres Landes.

Bis in die frühen Neunzigerjahre hinein war die Stellung Genfs und der Schweiz im Bereich der multilateralen Diplomatie praktisch unangefochten. Das Ende der Rivalität zwischen Ost und West brachte auch einen tief greifenden Wandel auf dem Gebiet der internationalen Organisationen mit sich, der mit einer zunehmenden Deregulierung in sämtlichen Bereichen einherging. Zu dieser Zeit stiegen denn auch andere Städte ­ angeführt von Bonn, Den Haag und Montreal ­ aktiv in den Wettbewerb um die internationalen Organisationen ein.

Parallel dazu begann sich die Struktur der multilateralen Beziehungen zu verändern.

Ursprünglich setzten sich die internationalen Akteure aus Staaten und zwischenstaatlichen Organisationen, alles Völkerrechtssubjekte, zusammen, die gelegentlich diplomatische Konferenzen abhielten. Die Staaten und die zwischenstaatlichen Organisationen müssen indes ihr Handeln den neuen Formen der Partnerschaft zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor bei der multilateralen Zusammenarbeit anpassen. Die Staaten haben die Zivilgesellschaft bei der Ausarbeitung ihrer Verhandlungsmandate zuerst konsultiert; später wurden gewisse Staaten an den
grossen internationalen Konferenzen von Vertretern der Zivilgesellschaft und Nichtregierungsorganisationen begleitet. Letztere wurden immer häufiger auch von internationalen Organisationen regelmässig konsultiert oder sogar zur Teilnahme an internationalen Konferenzen oder zu internationalen Gremien zugelassen. Überdies werden die Finanzierungsmodalitäten der internationalen Gremien zurzeit grundlegend geändert, wobei von einer rein staatlichen Finanzierung zu einer Aufteilung der Kosten für die Finanzierung der Programme und deren Umsetzung übergegangen wird. Auf diese Weise erhalten die Staaten und die zwischenstaatlichen Organisationen von der Zivilgesellschaft und privaten Kreisen nicht nur geistige, sondern auch finanzielle Unterstützung.

Wie die Schweiz handeln alle Gaststaaten mit den internationalen Organisationen Sitzabkommen aus, die die rechtliche Stellung der Organisation, der für sie in offizieller Eigenschaft tätigen Personen und ihrer Begleitpersonen ­ auch in steuerlicher Hinsicht ­ regeln. Alle Staaten sehen für die internationalen Konferenzen, denen sie Gastrecht gewähren, ein System von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen vor. Alle Staaten sind bereit, für die Ehre, eine Organisation aufnehmen zu können, einen finanziellen Beitrag an ihre Sitznahme und ihren Verbleib auf ihrem Hoheitsgebiet zu leisten, und zwar insbesondere durch Erleichterungen im Bereich von Immobilien.

8026

1.2

Geschichtlicher Überblick

Bei der Gewährung von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen stützt sich der Bundesrat in erster Linie auf internationale Übereinkommen und Staatsverträge sowie auf den Bundesbeschluss vom 30. September 1955 betreffend Vereinbarungen mit internationalen Organisationen über ihr rechtliches Statut in der Schweiz3. Der harte Wettbewerb zwischen den Gaststaaten internationaler Organisationen und Konferenzen sowie die Entwicklung hinsichtlich der Strukturen der multilateralen Beziehungen bewogen den Bundesrat, verschiedenen internationalen Akteuren Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen einzuräumen. Er stiess jedoch sehr schnell an die Grenzen seiner Befugnisse. Nach und nach wurde offensichtlich, dass eine formelle Gesetzesgrundlage erforderlich ist, auf die der Bundesrat seine Praxis in diesem Bereich abstützen und dank der er seine Gaststaatpolitik weiterführen kann.

In finanzieller Hinsicht stützt sich der Bundesrat auf seine aussenpolitische Kompetenz zur Gewährung von Finanzhilfen auf dem Gebiet der Gaststaatpolitik im Rahmen der von den eidgenössischen Räten gesprochenen Kredite. Das vom Parlament verabschiedete Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die Finanzhilfe an die Immobilienstiftung für die internationalen Organisationen (FIPOI) in Genf4 (nachstehend: «FIPOI-Gesetz») hat die in Bezug auf die Gesetzesgrundlage festgestellten Lücken nur teilweise geschlossen, so dass beschlossen wurde, ein neues Bundesgesetz zu unterbreiten, das sowohl den Aspekt der Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen als auch jenen der finanziellen Beiträge im Rahmen der Gaststaatpolitik des Bundesrats abdeckt. Das neue Gesetz muss den gegenwärtigen Anforderungen betreffend die Umsetzung des Legalitätsprinzips entsprechen.

1.3

Ergebnisse der Vernehmlassung

Die Vernehmlassung der Kantone, der politischen Parteien, der gesamtschweizerischen Dachverbände der Gemeinden, Städte, Berggebiete und der Wirtschaft sowie der betroffenen Kreise fand zwischen dem 11. Januar und dem 20. April 2006 statt.

Der Bundesrat hat dazu einen Bericht über die Ergebnisse der Vernehmlassung verfasst. Allgemein befürworten mit Ausnahme der SVP alle Vernehmlassungsteilnehmer den Grundsatz eines neuen Gesetzes und den Inhalt des Entwurfes. Die meisten heben die Notwendigkeit einer aktiven und transparenten Gaststaatpolitik hervor, namentlich damit die wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und wissenschaftlichen Interessen der Schweiz gewahrt werden und die Schweiz in diesem Bereich der Aussenpolitik konkurrenzfähig bleibt. Die Bemerkungen wurden soweit als möglich durch die Anpassung des Gesetzesentwurfs oder der vorliegenden Botschaft berücksichtigt. Die SVP ihrerseits ist der Ansicht, dass die gegenwärtigen Rechtsgrundlagen genügen ­ insbesondere die internationalen Verträge, denen die Schweiz angehört ­ und dass es nicht nötig ist, ein neues Gesetz zu schaffen, das ihrer Ansicht nach darauf abzielt, den Kreis der Begünstigten von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen oder von finanziellen Beiträgen zu vergrössern.

Der Bundesrat teilt diese Auffassung nicht, wie der vorliegenden Botschaft zu entnehmen ist.

3 4

SR 192.12 SR 617.0

8027

2

Besonderer Teil

2.1

Aufbau des Gesetzes

Das Gesetz besteht aus sieben Kapiteln.

Kapitel 1 legt den Gegenstand des Gesetzes fest.

Kapitel 2 befasst sich mit den Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen. Es bestimmt die Begünstigten, den Inhalt, den Geltungsbereich, die Dauer und die Voraussetzungen für die Gewährung.

Kapitel 3 betrifft den Erwerb von Grundstücken für dienstliche Zwecke durch die institutionellen Begünstigten von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen.

Kapitel 4 behandelt die finanziellen Beiträge und anderen Unterstützungsmassnahmen auf dem Gebiet der Gaststaatpolitik. Es legt die Zwecke der finanziellen Beiträge, deren mögliche Formen sowie die Begünstigten fest, die in ihren Genuss kommen können.

Kapitel 5 betrifft die internationalen Nichtregierungsorganisationen (INGO) und legt fest, wie der Bund ihre Niederlassung und Tätigkeit in der Schweiz erleichtern kann.

Kapitel 6 regelt die Befugnisse für die Gewährung von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen sowie finanzieller Beiträge und anderer Unterstützungsmassnahmen auf dem Gebiet der Gaststaatpolitik.

Kapitel 7 befasst sich mit den Schlussbestimmungen.

2.2

Kapitel 1: Gegenstand des Gesetzes (Art. 1)

Gemäss Artikel 184 Absatz 1 BV besorgt der Bundesrat die auswärtigen Angelegenheiten unter Wahrung der Mitwirkungsrechte der Bundesversammlung. Im Rahmen der Ausübung dieser Kompetenz entscheidet der Bundesrat namentlich über die Aufnahme diplomatischer und konsularischer Beziehungen oder die Eröffnung schweizerischer Vertretungen im Ausland. Er genehmigt die Niederlassung ausländischer Vertretungen und internationaler Organisationen oder die Abhaltung internationaler Konferenzen in der Schweiz. Aus dieser allgemeinen verfassungsmässigen Kompetenz leitet sich die Notwendigkeit ab, die rechtliche Stellung der Vertretungen, Organisationen und Konferenzen in der Schweiz festzulegen. Bisher stützte sich der Bundesrat bei seiner Gaststaatpolitik sowohl auf die internationalen Übereinkommen, denen die Schweiz beigetreten ist, als auch auf seine verfassungsmässige Zuständigkeit im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten (Art. 184 Abs. 1 BV) und auf den Bundesbeschluss vom 30. September 1955 betreffend Vereinbarungen mit internationalen Organisationen über ihr rechtliches Statut in der Schweiz5 (nachstehend: «Bundesbeschluss von 1955»). Angesichts der Entwicklung der letzten Jahrzehnte und der Zunahme der verschiedenen internationalen Akteure haben sich diese Grundlagen zunehmend als ungenügend erwiesen. Ausserdem ist es angebracht, die verschiedenen bestehenden Texte und die einschlägigen Entscheide

5

SR 192.12

8028

des Bundesrats in einer einzigen Gesetzesgrundlage zusammenzufassen. Deshalb braucht es ein Bundesgesetz, das Gegenstand der vorliegenden Botschaft ist.

Das Gesetz regelt daher die Gewährung von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen sowie finanzieller Beiträge und die Durchführung weiterer Unterstützungsmassnahmen im Bereich der Gaststaatpolitik. Artikel 1 Absatz 2 behält die Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen sowie die finanziellen Beiträge vor, die sich aus dem Völkerrecht oder aus anderen Bundesgesetzen ableiten.

Das neue Gesetz soll dem Bundesrat die Mittel zu einer kohärenten, transparenten und berechenbaren Gaststaatpolitik in die Hand geben, die auf die Erhaltung des «internationalen Genf» ­ wie bereits erwähnt, wird dieser Begriff im weiteren Sinn verstanden und umfasst nicht nur die Genferseeregion, sondern auch Bern (UPU und OTIF) und Basel (BIZ) ­, sowie auf eine harmonische Entwicklung der Rolle der Schweiz als Gaststaat ausgerichtet ist. Ausserdem sind die Verpflichtungen zu berücksichtigen, die die Schweiz mit ihrem Beitritt zu internationalen Übereinkommen eingegangen ist, insbesondere. das Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen6, das Wiener Übereinkommen vom 24. April 1963 über konsularische Beziehungen7, das Übereinkommen vom 8. Dezember 1969 über Sondermissionen8 und auch die Sitzabkommen, welche die Schweiz mit den auf ihrem Hoheitsgebiet niedergelassenen internationalen Organisationen abgeschlossen hat. Im Übrigen sehen Staatsverträge zur Errichtung internationaler Organisationen oder andere multilaterale Staatsverträge oftmals Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen vor, welche die Vertragsstaaten den durch diese internationalen Verträge geschaffenen Organen, deren Mitarbeitern, den Vertretern der Vertragsparteien und sämtlichen in offizieller Eigenschaft tätigen Personen einzuräumen haben.

Die Schweiz ist durch den Beitritt zu diesen internationalen Verträgen zur Gewährung solcher Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen verpflichtet. Auch können die Staatsverträge, denen die Schweiz beigetreten ist, finanzielle Verpflichtungen vorsehen, insbesondere die ordentlichen Beiträge, die die Schweiz in ihrer Eigenschaft als Mitglied der Organisation schuldet.

So stellte der Bundesrat bereits in seiner Botschaft vom 28. Juli 1955,
mit der den eidgenössischen Räten den Bundesbeschluss von 1955 unterbreitete, Folgendes fest9: «Die auf einem zwischenstaatlichen Vertrag beruhende internationale Organisation geniesst gemäss Völkerrecht in dem Staate, in dem sie ihren Sitz hat, gewisse Vorrechte. Es ist üblich, dass sie mit diesem Staate ein Abkommen trifft, das diese Vorrechte genau umschreibt. Eine solche Organisation, deren Mitglieder Staaten sind, kann in der Tat nicht allen Bestimmungen des nationalen Rechtes des Landes, in dem sie ihren Haupt- oder Zweigsitz hat, unterstellt werden, da dieser Staat gegebenenfalls in der Lage wäre, direkt oder indirekt auf die Tätigkeit der Organisation einzuwirken. Wird einem Staate die Ehre zuteil, auf seinem Gebiet eine internationale Organisation aufzunehmen, so fällt ihm auch die im Völkerrecht begründete Pflicht zu, diese internationale Organisation in die Lage zu versetzen, ihre Tätigkeit in voller Unabhängigkeit auszuüben.» Im Laufe der Jahrzehnte hat die internationale Gemeinschaft eine konstante Praxis entwickelt, die darauf abzielt, den auf ihrem Hoheitsgebiet ansässigen zwischen6 7 8 9

SR 0.191.01 SR 0.191.02 SR 0.191.2 BBl 1955 II 377 ff.

8029

staatlichen Organisationen und anderen internationalen Strukturen Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen zuzugestehen, die es ihnen erlauben sollen, das ihr internationales Mandat auszuüben, ohne dass der Gaststaat auf irgendeine Art und Weise Einfluss nehmen kann.

2.3

Kapitel 2: Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen

2.3.1

Begünstigte

Artikel 2 legt die Begünstigten von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen fest. Dabei handelt es sich um institutionelle Begünstigte, die in Absatz 1 abschliessend aufgezählt werden. Die internationalen Nichtregierungsorganisationen, insbesondere die internationalen sportlichen Verbände, sind keine Begünstigten im Sinne dieses Artikels.

Die internationale Praxis und die einschlägigen völkerrechtlichen Übereinkommen sehen stets Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen vor, wobei diese nicht nur dem Organ selbst, sondern auch sämtlichen Personen gewährt werden, die in irgendeiner Eigenschaft vorübergehend oder ständig in offizieller Eigenschaft für dieses tätig sind, sowie ihren Begleitpersonen. Der Zweck dieser Vorrechte und Immunitäten besteht nicht darin, Einzelpersonen Vorteile zu verschaffen, sondern sicherzustellen, dass diese Personen ihre offiziellen Funktionen effizient ausführen können.

So kommen die in Artikel 2 Absatz 2 erwähnten Personen nicht ihres eigenen Interesses wegen in den Genuss von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen, sondern im Interesse des betreffenden internationalen Organs, und sie können lediglich in den Genuss einer Vorzugsstellung kommen, wenn das Organ selbst die vom Gaststaatgesetz festgelegten Bedingungen erfüllt. Dieser Grundsatz ist übrigens in der Präambel des Wiener Übereinkommens vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen ausdrücklich verankert10.

Die in offizieller Eigenschaft tätigen Personen können nicht abschliessend aufgezählt werden, da ihre Definition von der Gründungsurkunde des betreffenden Organs, vom Typ des betreffenden Organs sowie von der internationalen Praxis abhängt, wobei die Kategorien von einer zwischenstaatlichen Organisation zur anderen und von einem internationalen Gerichtshof zum anderen nicht einheitlich sind. Als Beispiel können hier die Delegierten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Experten, Richterinnen und Richter, Anklägerinnen und Ankläger, Gerichtsschreiber und Kanzleibeamten eines internationalen Gerichtshofs oder eines Schiedsgerichts, die Verfahrensparteien, die vor einem solchen Gericht erscheinen, sowie deren Anwältinnen und Anwälte, Experten und Zeugen angeführt werden. Die internationale Praxis differenziert die Stellung einer Person überdies gemäss der Position, welche diese beim institutionellen
Begünstigten bekleidet. So geniesst ein Beamter einer zwischenstaatlichen Organisation, der sich mit administrativen Aufgaben befasst, weniger weitreichende Vorrechte und Immunitäten als der Generalsekretär der Organisation.

10

SR 0.191.01

8030

2.3.1.1

Zwischenstaatliche Organisationen (Art. 2 Abs. 1 Bst. a)

Hier handelt es sich um zwischenstaatliche Organisationen im klassischen Sinn des Wortes wie z.B. die Organisation der Vereinten Nationen, die Sonderorganisationen der Vereinten Nationen, die Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) oder die Welthandelsorganisation (WTO). Eine zwischenstaatliche Organisation ist eine durch einen Vertrag zwischen Staaten ­ oder zwischen Staaten und zwischenstaatlichen Organisationen ­ gegründete Organisation, die kraft dieses Vertrags internationale Rechtspersönlichkeit besitzt und deren Mitgliedschaft auf Staaten oder zwischenstaatliche Organisationen ­ d.h. auf Völkerrechtssubjekte ­ beschränkt ist.

Die Mitglieder streben ein gemeinsames, im Allgemeinen langfristiges Ziel an. Die Organe der zwischenstaatlichen Organisation sind unabhängig von deren Mitgliedern und können eine andere Meinung als die Mitgliedstaaten vertreten. Die zwischenstaatliche Organisation nimmt ausserdem staatliche Aufgaben wahr und wird hauptsächlich durch die Beiträge ihrer Mitglieder finanziert (Staaten und zwischenstaatliche Organisationen).

Auf der Grundlage des Bundesbeschlusses von 1955 hat der Bundesrat Sitzabkommen abgeschlossen, welche die rechtliche Stellung der zwischenstaatlichen Organisationen regeln, die ihren Haupt- oder Zweitsitz in unserem Land haben (Anhang 2).

2.3.1.2

Internationale Institutionen (Art. 2 Abs. 1 Bst. b)

Die internationale Institution ist der zwischenstaatlichen Organisation sehr ähnlich, erfüllt aber nicht alle ihrer Kriterien, die durch die internationale Praxis und Lehre festgelegt wurden. Aus diesem Grunde verwendet die Lehre für diese Art von Gremium meist den Begriff der internationalen Organisation. Aus Gründen der Rechtsklarheit braucht es jedoch eine eigene Bezeichnung für diese Kategorie internationaler Akteure, da der Begriff der internationalen Organisation auch für zwischenstaatliche Organisationen oder sogar für internationale Nichtregierungsorganisation verwendet wird.

Eine internationale Organisation verfügt stets über internationale Rechtspersönlichkeit, die ihr durch den sie begründenden Staatsvertrag verliehen wird. Bei der internationalen Institution ist dies nicht der Fall; trotzdem nimmt sie in den internationalen Beziehungen eine besondere Stellung ein. Beispiele für solche Institutionen sind die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) oder auch der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria (GFATM). Der Bundesrat hat gestützt auf den Bundesbeschluss von 1955 mit den drei letztgenannten internationalen Institutionen ein Sitzabkommen abgeschlossen: am 19. März 1993 mit dem IKRK11, am 29. November 1996 mit der IFRC12 und am 13. Dezember 2004 mit dem GFATM13. Als die Aussenpolitischen Kommissionen des National- und Ständerates eingeladen wurden, sich zum Grundsatz eines Sitzabkommens mit dem

11 12 13

SR 0.192.122.50 SR 0.192.122.51 SR 0.192.122.818.11

8031

IKRK zu äussern, hatten sie nichts dagegen einzuwenden, dass der Bundesrat dieses Abkommen auf der genannten Grundlage in eigener Kompetenz unterzeichnete.

Internationale Institutionen bilden einen wichtigen Bestandteil der internationalen Beziehungen. Wenn ihre Mitglieder anlässlich der Gründung keine echte zwischenstaatliche Organisation errichten, so oftmals aus politischen Gründen, die dann aufgrund der Entwicklung der Tätigkeit der Institution im Laufe der Jahre an Bedeutung verlieren. Oft kommt dann der Zeitpunkt, wo sich die Mitglieder der Institution vor die Notwendigkeit gestellt sehen, der Institution eine andere Stellung innerhalb der internationalen Gemeinschaft zu verleihen, die es rechtfertigt, ihr Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen zu gewähren, die sie bei ihrer Gründung nicht als notwendig erachteten. Sie sind jedoch nicht in der Lage die internationale Institution formell in eine zwischenstaatliche Organisation umzuwandeln, und zwar meist aus politischen Gründen und aus Angst, das innerhalb der Institution erreichte Gleichgewicht zu gefährden. Zurzeit befindet sich die OSZE in dieser Situation: Ihre Mitglieder suchen nach einem Weg, um die Organisation mit den Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen auszustatten, die für ihre Arbeit nötig sind, sehen sich indes mit den rechtlichen Schwierigkeiten eines solchen Unterfangens konfrontiert. Mit dem Gaststaatgesetz will die Schweiz sich die Mittel geben, um auf Erwartungen dieser Art zu reagieren, und zwar sowohl im Interesse der betreffenden Institutionen als auch im Interesse der Schweiz als Gaststaat.

2.3.1.3

Quasizwischenstaatliche Organisationen (Art. 2 Abs. 1 Bst. c)

Eine quasizwischenstaatliche Organisation wird nach dem innerstaatlichen Recht, in der Schweiz insbesondere gemäss den Bestimmungen über den Verein ­ oder seltener als Stiftung ­ gegründet und ist zwischen der zwischenstaatlichen Organisation oder der internationalen Institution und der klassischen Nichtregierungsorganisation (NGO) anzusiedeln. Im Rahmen der Vernehmlassung haben einige Teilnehmer Schwierigkeiten bekundet, die quasizwischenstaatliche Organisation von der internationalen Nichtregierungsorganisation (NGO) zu unterscheiden. Diese zwei Organisationsformen unterscheiden sich insbesondere durch die Struktur ihrer Mitglieder und der Finanzierung sowie durch die Aufgaben, die ihnen anvertraut sind. Demnach sind die Mitglieder der quasizwischenstaatlichen Organisation mehrheitlich Staaten oder Einrichtungen des öffentlichen Rechts und werden vorwiegend mit öffentlichen Mitteln finanziert. Die quasizwischenstaatliche Organisation übernimmt zudem auch Aufgaben, die von öffentlichem Interesse sind und die von den Staaten übernommen werden müssten, wenn dies nicht von den Organisationen sichergestellt würde. Demgegenüber setzt sich die NGO in der Regel vorwiegend aus juristischen Personen des innerstaatlichen Rechts (Verbände, Unternehmen, usw.) und aus Einzelpersonen zusammen. Die Finanzierung erfolgt auf privater Basis, und ihre Aufgaben haben keinen besonderen staatlichen Charakter.

Diese quasizwischenstaatliche Organisation ist ursprünglich häufig das Ergebnis privater Initiativen, die indes von besonderem Interesse waren, so dass Staaten Vollmitglieder wurden, um dort staatliche Interessen geltend zu machen. Die NGO versucht generell gegenüber den Staaten Distanz zu wahren, um ihre Unabhängigkeit sicherzustellen. Demgegenüber versucht sich die quasizwischenstaatliche Organisation den Staaten anzunähern, indem sie insbesondere deren Beitritt als Mitglied 8032

der Organisation erleichtert, um damit ihrer Tätigkeit ein anderes internationales Gewicht zu verleihen; die Umwandlung in eine klassische zwischenstaatliche Organisation ist indessen nicht möglich. Tatsächlich kann die zwischenstaatliche Organisation lediglich Staaten oder andere zwischenstaatliche Organisationen als Mitglieder aufnehmen, während die quasizwischenstaatliche Organisation den Staaten eine gleichberechtigte Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Mitgliedern erlaubt.

Nichtsdestoweniger rechtfertigt der überwiegend zwischenstaatliche Charakter dieser Art von Organisation die Gewährung einer besonderen Stellung in der Schweiz, damit sie ihre Aufgaben wie die zwischenstaatliche Organisation oder die internationale Institution völlig unabhängig erfüllen kann, ohne dass der Schweiz als Gaststaat aus der Anwesenheit der Organisation auf ihrem Hoheitsgebiet finanzielle Vorteile erwachsen.

Der Begriff der quasizwischenstaatlichen Organisation wurde vom Bundesgericht in einem Entscheid vom 4. Oktober 197814 aufgenommen. Dabei handelte es sich um eine Beschwerde gegen die Genehmigung eines Abkommens zwischen dem Bundesrat und der IATA (Internationaler Luftverkehrsverband) durch den Genfer Staatsrat.

In diesem Entscheid präzisierte das Bundesgericht: «In dieser Hinsicht kann betont werden, dass die IATA nach Ansicht einiger Autoren als Organisation anzusehen sei (...). Anscheinend hat der Bundesrat in diesem Sinne auch mit der Interparlamentarischen Union, einer Organisation mit Sitz in Genf, die jedoch nicht durch ein zwischenstaatliches Übereinkommen gegründet wurde, ein Abkommen zur Regelung der rechtlichen Stellung dieser Organisation in der Schweiz abgeschlossen, das für die Beamten der Union nicht nur eine Steuerbefreiung, sondern in einem begrenzten Ausmass auch Immunität von der Gerichtsbarkeit und andere normalerweise Diplomaten gewährten Vorrechte vorsehen (AS 1971 1602). Nach Auffassung des Bundesrats wies diese Institution einen überwiegend zwischenstaatlichen Charakter auf (...). Der (Genfer) Staatsrat handelte deshalb nicht willkürlich, wenn er die IATA als öffentliche internationale Organisation gemäss Artikel 7 LCP betrachtete. Es stand ihm somit zu, die durch den Bundesbeschluss (vom 30. September 1955 betreffend Vereinbarungen mit
internationalen Organisationen über ihr rechtliches Statut in der Schweiz) verlangte Genehmigung zu erteilen».

Gestützt auf den Bundesbeschluss von 1955 schloss der Bundesrat Abkommen mit dem Internationalen Luftverkehrsverband (IATA, Abkommen vom 20. Dezember 197615), der Internationalen Union zur Erhaltung der Natur und der natürlichen Lebensräume (UICN, Abkommen vom 17. Dezember 198616), der Société internationale de télécommunications aéronautiques (SITA, Abkommen vom 4. Juni 199217), dem Internationalen Flughafenrat (ACI, Abkommen vom 30. Januar 199718) und der Anti-Doping-Weltagentur (WADA, Abkommen vom 5. März 200119) ab. Die mit solchen Organisationen abgeschlossenen Abkommen haben indes einen begrenzten Geltungsbereich, da es sich im Gegensatz zu Abkommen mit zwischenstaatlichen Organisationen und internationalen Institutionen um Fiskalabkommen handelt, die

14 15 16 17 18 19

Siehe BGE 104 Ia 350.

SR 0.192.122.748 SR 0.192.122.451 SR 0.192.122.784 SR 0.192.122.749 SR 0.192.120.240

8033

lediglich den Steuerstatus der betreffenden Organisation und ihrer ausländischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Schweiz regeln.

2.3.1.4

Diplomatische Missionen, konsularische Posten, ständige Missionen und Sondermissionen (Art. 2 Abs. 1 Bst. d­g)

Die diplomatische Mission ist die offizielle Aussenstelle eines Staates bei einem anderen Staat (bzw. der Schweiz), deren Aufgabe im Wesentlichen darin besteht, den Entsendestaat im Empfangsstaat (Gaststaat) zu vertreten. Dabei handelt es sich in der Regel um Botschaften, die im Falle der bei der Schweiz akkreditierten Vertretungen entweder in Bern oder in einer ausländischen Hauptstadt angesiedelt sind.

Ihre Aufgaben und ihre völkerrechtliche Stellung sind im Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen umschrieben20. Dieses Übereinkommen, welches Gewohnheitsrecht kodifiziert, legt die Rechte und Pflichten des Entsendestaates und des Empfangsstaates fest, was jedoch nicht ausschliesst, dass ein Staat weitere Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen gemäss internationalen Gepflogenheiten vorsehen kann. Das Übereinkommen definiert die Aufgaben einer diplomatischen Mission, die verschiedenen Mitgliederkategorien und die Modalitäten ihrer Ernennung. Es umfasst namentlich das Recht der Mission, Flagge und Hoheitszeichen zu führen, die Unverletzlichkeit der Räumlichkeiten der Mission, der Privatwohnung ihrer Mitglieder und der Archive und Schriftstücke sowie die der Mission und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gewährten Steuer- und Zollbefreiungen. Diplomatische Vertreterinnen und Vertreter geniessen absolute Immunität von der Gerichtsbarkeit (unter Vorbehalt einiger Ausnahmen in Zivil- und Verwaltungssachen), während Mitglieder des Verwaltungs- und technischen Personals eine beschränkter Immunität von der Gerichtsbarkeit haben. Das Übereinkommen definiert die Stellung der Familienmitglieder und regelt die Aufhebung der Immunitäten.

Der Ausdruck «konsularischer Posten» bezeichnet gemäss dem Wiener Übereinkommen vom 24. April 1963 über konsularische Beziehungen21 jedes Generalkonsulat, Konsulat, Vizekonsulat und jede Konsularagentur. Auch hier geht es darum, dass ein Staat seine Interessen in einem anderen Staat auf rein bilateraler Ebene vertritt. Zusammenfassend hat die diplomatische Mission eher politische Funktionen, während sich der konsularische Posten mit kommerziellen, wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Fragen beschäftigt. Das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen kodifiziert das einschlägige Gewohnheitsrecht und umschreibt die
Mindestregeln für die Eröffnung eines Konsulats, die Ausübung konsularischer Funktionen und den Status der Konsularbeamten und anderer Mitglieder der konsularischen Vertretung. Es sieht weniger ausgedehnte Vorrechte und Immunitäten vor als jene, die der diplomatischen Mission und ihren Mitarbeitern gemäss Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen zugestanden werden.

Eine ständige Mission ist die Vertretung eines Staates bei einer zwischenstaatlichen Organisation. Sie lässt sich deshalb dort nieder, wo die internationalen Organisatio20 21

SR 0.191.01 SR 0.191.02

8034

nen ansässig sind ­ in der Schweiz also in Genf, wo die Mehrheit der in unserem Land tätigen internationalen Organisationen ihren Sitz hat. Das Völkerrecht enthielt ursprünglich keine Verpflichtung, diesen Vertretungen Vorrechte und Immunitäten zu gewähren, doch wurde es innerhalb der internationalen Gemeinschaft sehr rasch klar, dass den ständigen Missionen und ihren Mitgliedern eine Vorzugsstellung eingeräumt werden musste, um die Erfüllung anderer im Sitzabkommen vorgesehener Pflichten des Gaststaates sicherzustellen ­ namentlich der Pflicht, der internationalen Organisation volle Unabhängigkeit und den Mitgliedstaaten der Organisation die Möglichkeit zu garantieren, aktiv bei den Arbeiten der Organisation mitzuwirken. Deshalb beschloss der Bundesrat am 31. Mai 1948 und am 20. Mai 1958, den ständigen Missionen der Staaten bei internationalen Organisationen dieselben Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen zu gewähren wie den diplomatischen Missionen in Bern. Das Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen ist daher sinngemäss auf die ständigen Missionen anwendbar, seitdem es für die Schweiz am 24. April 1964 in Kraft trat. Es handelt sich hier nicht um eine besondere Praxis der Schweiz. Die anderen Gaststaaten internationaler Organisationen gewähren den ständigen Missionen bei den auf ihrem Hoheitsgebiet ansässigen internationalen Organisationen ebenfalls eine Vorzugsstellung, und zwar ­ wie die Schweiz ­ meist durch die Anwendung des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen oder durch entsprechende Bestimmungen des Landesrechts.

Gemäss geltender Praxis umfasst der Begriff der ständigen Mission: ­

die ständigen Missionen bei den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen,

­

die ständigen Missionen bei der Welthandelsorganisation,

­

die ständigen Vertretungen bei der Abrüstungskonferenz,

­

die ständigen Delegationen von internationalen Organisationen bei den internationalen Organisationen,

­

die Beobachtungsbüros und ihnen Gleichgestellte.

Die Sondermission ist ebenfalls durch ein internationales Übereinkommen geregelt, nämlich durch das Übereinkommen vom 8. Dezember 1969 über Sondermissionen22. Es handelt sich dabei um eine einen Staat vertretende zeitweilige Mission, die von einem Staat in einen anderen Staat entsandt wird, um über besondere Fragen zu diskutieren. Das Übereinkommen über Sondermissionen sieht Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen vor, die den im Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vorgesehenen Erleichterungen entsprechen, jedoch der Tatsache angepasst sind, dass es sich hier um befristete Missionen handelt.

Das Übereinkommen über Sondermissionen betrifft im Wesentlichen bilaterale Beziehungen, schliesst jedoch gemäss Artikel 18 nicht aus, dass zwei oder mehr Staaten im Hoheitsgebiet eines dritten Staates zusammentreffen können, wenn Letzterer seine Zustimmung erteilt. Der Bundesrat wandte dieses Übereinkommen auf multilaterale Treffen zwischen Drittstaaten an, die mit oder ohne Teilnahme der Schweiz auf schweizerischem Hoheitsgebiet stattfanden. So hat der Bundesrat die einschlägigen Bestimmungen des Übereinkommens über Sondermissionen beispielsweise auf die Delegationen des Treffens Reagan-Gorbatschow von 1985 und 22

SR 0.191.2

8035

des Treffens Clinton-Assad von 1994 angewandt, sowie kürzlich auf die Teilnehmer von Treffen zwischen rivalisierenden Gruppen, wo es um die Wiederherstellung des Friedens in bestimmten von internen Schwierigkeiten betroffenen Regionen ging.

Auch wenn sich die rechtliche Stellung der diplomatischen Missionen, konsularischen Posten und Sondermissionen unmittelbar aus völkerrechtlichen Übereinkommen ergibt, so ist ihre Erwähnung im Gaststaatgesetz dennoch notwendig, und zwar einerseits aus Gründen der Transparenz (das Gaststaatgesetz enthält eine abschliessende Aufzählung sämtlicher Begünstigter von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen in der Schweiz) und andererseits, weil der Bund in der Lage sein muss, gewisse Vorrechte und Immunitäten der Übereinkommen im Lichte der Entwicklung der internationalen Praxis zu präzisieren oder diesen Begünstigten Vorteile zu gewähren, die sich aus internationalen Gepflogenheiten ergeben, ohne dass diese ausdrücklich in den Übereinkommen festgeschrieben sind.

2.3.1.5

Internationale Konferenzen (Art. 2 Abs. 1 Bst. h)

Die Schweiz wird von der internationalen Gemeinschaft seit jeher als bevorzugter Ort zur Durchführung internationaler Konferenzen betrachtet, und zwar namentlich aufgrund der Qualität der von ihr angebotenen Dienstleistungen und Beiträge. Die Konkurrenz zwischen den Gaststaaten ist indes auch in diesem Bereich sehr stark.

Der Begriff der internationalen Konferenz ist weitgehend bekannt, muss aber trotzdem von Unternehmensseminaren unterschieden werden oder den Zusammenkünften, die von Nichtregierungsorganisationen einberufen werden. So tritt eine internationale Konferenz in aller Regel unter der Ägide eines zwischenstaatlichen Gremiums zusammen, kann indes auch von einer Staatengruppe oder von der Schweiz anberaumt werden. Die Teilnehmer sind mehrheitlich Vertreter von Staaten oder zwischenstaatlichen Organisationen, auch wenn sich ­ wie dies immer häufiger der Fall ist ­ internationale Nichtregierungsorganisationen (INGO) den Arbeiten als Beobachter anschliessen. Die gegenwärtige Tendenz neigt zur Teilnahme von Vertretern der INGO und der Zivilgesellschaft23, und zwar als Vollmitglieder bestimmter internationaler Konferenzen, wie dies beispielsweise beim Weltgipfel über die Informationsgesellschaft (WSIS) der Fall war.

Eine internationale Konferenz kann politischer Natur, sein wie z.B. die Konferenzen zur Wiederherstellung oder Sicherstellung des Friedens in einer unruhigen Region, oder sie kann eher technische Ziele verfolgen, beispielsweise die Verabschiedung eines neuen internationalen Übereinkommens. Ihre Teilnehmerinnen und Teilnehmer können sich auf eine Staatengruppe oder auf verschiedene Gruppierungen desselben Landes (Friedenskonferenz) beschränken. Eine internationale Konferenz 23

Die «Zivilgesellschaft» ist die Sphäre, in der sich Bürger und gesellschaftliche Initiativen entsprechend ihren verschiedenen Zielsetzungen, Wünschen und Interessen organisieren.

Die Elemente, aus denen sie sich zusammensetzt, handeln gemeinsam über ihre vom Staat unabhängigen Organisationen, Bewegungen, Gruppierungen und Institutionen, die normalerweise ehrenamtlichen Charakter besitzen und auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene tätig sind, um soziale, wirtschaftliche und kulturelle Anliegen im Interesse aller zu verteidigen und zu fördern. Diese Organisationen unterscheiden sich vom Privatsektor und den NGO namentlich durch die Tatsache, dass sie oftmals nicht offiziell gemeldet sind, dass sie nicht immer streng organisiert sind und dass ihre Mitglieder von den Behörden häufig nicht als solche anerkannt werden.

8036

kann sich auch einer allgemeinen Teilnahme öffnen. Beispiele dafür sind das humanitäres Irak-Zusammentreffen vom Februar 2003, die Versammlung der Assemblée parlementaire de la Francophonie vom Juli 2002, die Internationale Konferenz über nachhaltige Landwirtschaft und ländliche Entwicklung in Bergregionen vom Juni 2002 in Adelboden. Weitere Beispiele sind die internationalen Konferenzen des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds oder die Sondersessionen und Gipfeltreffen, welche die Generalversammlung der Vereinten Nationen in der Schweiz durchzuführen gedenkt, wie z.B. die Sondersession der Generalversammlung der Vereinten Nationen («Geneva 2000») zur Umsetzung der Ergebnisse des Weltgipfels für soziale Entwicklung und zur Prüfung neuer Initiativen vom Juni 2000 in Genf oder der WSIS, dessen erste Phase im Dezember 2003 in Genf stattfand.

Wenn eine internationale Konferenz von einer Organisation anberaumt wird, die ein Sitz- oder Fiskalabkommen mit der Schweiz abgeschlossen hat, gilt dieses Abkommen auch für die Konferenz und ihre Teilnehmer. Bei anderen Konferenzen, für die kein Staatsvertrag besteht, der die Gewährung der üblichen Vorrechte und Immunitäten vorsieht, entscheidet der Bundesrat von Fall zu Fall. In der Praxis bringt er für die an einer Konferenz teilnehmenden Vertreterinnen und Vertreter von Staaten und zwischenstaatlichen Organisationen das Wiener Übereinkommen über Sondermissionen zur Anwendung (wobei die Vertreterinnen und Vertreter der in der Schweiz ansässigen zwischenstaatlichen Organisationen nach wie vor im Genuss der Vorrechte und Immunitäten sind, die ihnen durch das einschlägige Sitzabkommen gewährt werden). Zur einwandfreien Abwicklung einer Konferenz ist oftmals ein Konferenzsekretariat erforderlich. In diesem Falle wendet der Bundesrat die einschlägigen Bestimmungen des Sitzabkommens, das die rechtliche Stellung der Vereinten Nationen in Genf regelt24, sinngemäss auf das Konferenzsekretariat und seine Mitglieder an.

2.3.1.6

Sekretariate oder andere durch einen völkerrechtlichen Vertrag eingesetzte Organe (Art. 2 Abs. 1 Bst. i)

Sekretariate oder andere durch einen völkerrechtlichen Vertrag eingesetzte Organe unterscheiden sich von einer zwischenstaatlichen Organisation im Wesentlichen dadurch, dass sie keine internationale Rechtspersönlichkeit besitzen. Es kommt häufig vor, dass ein völkerrechtlicher Vertrag ein Sekretariat oder andere internationale Organisationen wie z.B. Beschwerde- oder Expertenkommissionen, Konsultativorgane usw. einsetzt, ohne dass eine zwischenstaatliche Organisation im strengen Sinne des Wortes geschaffen werden soll, die administrativ als zu komplex für die in diesem besonderen Fall zu erledigenden Aufgaben erachtet wird. In solchen Fällen bleiben die Entscheidungsbefugnisse bei der Versammlung der Vertragsstaaten, während das Sekretariat oder andere Organen technische, administrative oder beratende Aufgaben wahrnehmen, die ihnen durch einen völkerrechtlichen Vertrag übertragen werden. Dies ist beispielsweise der Fall beim Sekretariat für das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten frei lebender Tiere und Pflanzen (CITES) oder dem Sekretariat für das Übereinkommen über Feuchtgebiete, insbesondere als Lebensraum für Wasser- und Watvögel, von inter24

SR 0.192.120.1

8037

nationaler Bedeutung (Übereinkommen von Ramsar). Diesen Sekretariaten ist gemeinsam, dass sie durch ein internationales Übereinkommen eingesetzt wurden, dem nur Staaten beitreten können.

Bislang mussten Vertragsstaaten solcher Übereinkommen, die ein Vertragssekretariat in der Schweiz errichten und in den Genuss einer Vorzugsstellung kommen wollten, das durch das Übereinkommen eingesetzte Sekretariat einer zwischenstaatlichen oder einer quasizwischenstaatlichen Organisation angliedern, damit es den Status erhalten konnte, den der Gaststaat dieser gewährt. Da ein Sekretariat keine internationale Rechtspersönlichkeit besitzt, konnte nämlich kein Sitz- oder Fiskalabkommen abgeschlossen werden. Die Angliederung an eine bestehende Organisation zieht jedoch eine Kontrollbefugnis der Gastorganisation nach sich, welche die Mitgliedstaaten des Übereinkommens vermeiden möchten. Es zeigt sich deshalb immer deutlicher, dass Sekretariate und andere Organe genau wie die zwischenstaatlichen Organisationen die Möglichkeit haben müssen, Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen zu erhalten und dadurch ihre Autonomie zu bewahren. Damit ein Sekretariat oder ein anderes Organ ein Sitzabkommen abschliessen kann, muss es von der Versammlung der Vertragsstaaten des Übereinkommens, durch das es eingesetzt wurde, oder durch das Übereinkommen selbst dazu ermächtigt worden sein.

2.3.1.7

Unabhängige Kommissionen (Art. 2 Abs. 1 Bst. j)

Die Schweiz hat schon mehreren unabhängigen Kommissionen Gastrecht gewährt, denen der Bundesrat während der Dauer ihrer Tätigkeit in der Schweiz eine Vorzugsstellung einräumte. Dabei handelte es sich um folgende Kommissionen: ­

die Kommission Brandt, unabhängige Kommission für internationale Entwicklung (1977­1983);

­

die Kommission Brundtland, Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (1984­1987);

­

die Kommission Carlsson, Commission on global governance, die sich mit der Umstrukturierung der Vereinten Nationen befasste (1992­1995);

­

die Unabhängige Weltkommission für die Meere (1996­1998);

­

die Südkommission und ihre Nachfolgeorganisation, das Centre Sud (1988­1996), das später in eine zwischenstaatliche Organisation umgewandelt wurde;

­

die Weltkommission für internationale Migration (2003­2005).

Dieser Typ der institutionellen Begünstigten ist zwar selten, wie die obige Liste zeigt, aber trotzdem wichtig. Die internationale Ausstrahlungskraft, die eine solche Kommission in der Regel ausübt, kann, wenn sie in der Schweiz angesiedelt ist, positive Effekte auf das Image unseres Landes im Ausland haben. Unabhängige Kommissionen setzen sich aus international bekannten Persönlichkeiten zusammen und haben einen bestimmten ­ zeitlich befristeten ­ Auftrag zur Prüfung einer für die internationale Gemeinschaft bedeutsamen Frage wie z.B. nachhaltige Entwicklung oder Umwelt. Ihre Aufgabe besteht also darin, zuhanden der internationalen Gemeinschaft bzw. ihres Auftraggebers Vorschläge auszuarbeiten, die in der Folge die Gespräche auf zwischenstaatlicher Ebene erleichtern sollen. Manchmal beruht ihre Legitimität auf einem Beschluss einer zwischenstaatlichen Organisation, insbe8038

sondere der UNO; sie können indes auch von einer Staatengruppe beauftragt werden, wie dies bei der Unabhängigen Weltkommission für die Meere und der Südkommission der Fall war. Das Interesse, das die Südkommission mit ihrer Arbeit weckte, führte zu ihrer Umwandlung in eine zwischenstaatliche Organisation; dies zeigt klar, wie nützlich die Schaffung einer schlanken und eigenständigen Struktur, z.B. einer unabhängigen Kommission, im Hinblick auf die Bereitstellung der notwendigen Instrumente zur Verstärkung der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit auf einem bestimmten Gebiet sein kann. Der Hauptvorteil der unabhängigen Kommissionen liegt darin, dass sie schlanke administrative Strukturen haben und dazu fähig sind, ihre Arbeit selbst zu organisieren und die ihnen unterbreiteten Fragen ohne Einfluss der Staaten zu prüfen, selbst wenn ihr Mandat auf einem Beschluss dieser Staaten fusst. Auch wenn sie nicht durch einen Staatsvertrag eingesetzt wurden, geniessen diese Kommissionen breite politische und finanzielle Unterstützung innerhalb der internationalen Gemeinschaft. Mit der Gewährung von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen an solche Kommissionen kann die Schweiz einen Beitrag zum Gelingen ihrer Arbeiten leisten, da gewährleistet ist, dass die Kommission in völliger Unabhängigkeit und ohne Einmischung des Gaststaats arbeiten können.

2.3.1.8

Internationale Gerichtshöfe (Art. 2 Abs. 1 Bst. k)

Ein internationaler Gerichtshof wird durch einen völkerrechtlichen Vertrag oder einen Beschluss einer zwischenstaatlichen Organisation oder einer internationalen Institution errichtet. Ein internationaler Gerichtshof ist nicht mit einem Handelsgericht zu verwechseln, das Streitigkeiten zwischen privaten Unternehmen regelt.

Das jüngste Beispiel ist natürlich der Internationale Strafgerichtshof, der mit dem Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 geschaffen wurde, das für die Schweiz am 1. Juli 2002 in Kraft trat25. Weiter erwähnt werden können die Strafgerichte, die aufgrund von Beschlüssen zwischenstaatlicher Organisationen errichtet werden wie beispielsweise der Internationale Strafgerichtshof für Ex-Jugoslawien oder der Internationale Strafgerichtshof für Ruanda. Der Auftrag dieser Gerichtshöfe besteht in der Verurteilung von Urhebern besonders schwerwiegender Verbrechen, welche die internationale Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit betreffen. Die oben erwähnten Gerichtshöfe haben ihren Sitz in Den Haag in den Niederlanden, wo sie die Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen geniessen, die ihnen aufgrund der internationalen Vertragswerke, aus denen sie hervorgingen, sowie aus den Sitzabkommen zustehen, die die niederländische Regierung mit ihnen abgeschlossen hat.

2.3.1.9

Schiedsgerichte (Art. 2 Abs. 1 Bst. l)

Ein Schiedsgericht wird in Anwendung einer Schiedsklausel eines völkerrechtlichen Vertrags oder durch ein Abkommen zwischen den an einem Schiedsverfahren beteiligten Staaten geschaffen. Ein solches Gericht hat den Auftrag, über eine Rechtsfrage zwischen zwei Staaten zu entscheiden, und darf nicht mit einem Handelsschiedsgericht verwechselt werden, das von Unternehmen im Rahmen einer 25

SR 0.312.1

8039

geschäftlichen Streitigkeit auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags angerufen wird.

Als Beispiel kann hier das Schiedsgericht von Taba angeführt werden. Der Schiedsvertrag vom 11. September 1986 zwischen der Regierung der Arabischen Republik Ägypten und der Regierung Israels führte zur Errichtung eines Schiedsgerichts für die Regelung einer Streitigkeit über das Gebiet von Taba. Die Parteien wählten Genf als Sitz des Schiedsgerichts. Der Kanton Genf stellte dem Gericht die erforderlichen Räumlichkeiten zur Verfügung, und der Bund gewährte dem Gericht die notwendigen Vorrechte und Immunitäten, indem er das Übereinkommen vom 8. Dezember 1969 über Sondermissionen auf das Gericht, seine Mitglieder und die an seinen Arbeiten beteiligten Personen anwandte. 1977 gewährte die Schweiz auch dem mit der Frage der Abgrenzung der Kontinentalplatte zwischen Frankreich und dem Vereinigten Königreich betrauten Schiedsgericht Gastrecht. Dieser gewährte die Schweiz 1978 ebenfalls dem durch die Regierungen der Französischen Republik und der Vereinigten Staaten von Amerika bezeichneten Schiedsgericht. Dieses Gericht hatte über Fragen im Zusammenhang mit Massnahmen der beiden Regierungen zu entscheiden, die den Luftverkehr zwischen den beiden Ländern betrafen. In den beiden letzten Fällen schloss der Bundesrat mit jedem der am Schiedsverfahren beteiligten Staaten ein Abkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Gerichts und seiner Mitglieder ab; dabei stützte er sich im Wesentlichen auf die Bestimmungen des Übereinkommens vom 1969 über Sondermissionen.

Das Übereinkommen vom 15. Dezember 1992 über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE26 errichtete einen Vergleichs- und Schiedsgerichtshof mit der Aufgabe, durch das Mittel des Vergleichs und der Schiedsgerichtsbarkeit die Streitigkeiten beizulegen, die ihm von den Vertragsstaaten unterbreitet werden. Das Übereinkommen bestimmte Genf als Sitz des Gerichts, und der Bundesrat schloss am 17. November 1997 ein Sitzabkommen mit dem Schiedsgericht ab27.

2.3.1.10

Andere internationale Organe (Art. 2 Abs. 1 Bst. m)

Der Begriff des anderen internationalen Organs vervollständigt die abschliessende Aufzählung der institutionellen Begünstigten von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass sich die multilateralen internationalen Beziehungen ständig weiter entwickeln; deshalb kann heute nicht vorausgesehen werden, welche neuen Formen der internationalen Zusammenarbeit morgen entstehen werden. Es ist folglich wichtig, dem Bundesrat die Mittel zur Verfügung zu stellen, um auf die künftigen Herausforderungen reagieren zu können, wenn es darum geht, ein konkretes Gesuch um die Niederlassung eines neuen Gremiums in der Schweiz zu behandeln, das den Definitionen der anderen institutionellen Begünstigten im Sinne des Gaststaatgesetzes nicht entspricht. Deshalb wird der Bundesrat auf der Grundlage des Gaststaatgesetzes einem anderen internationalen Organ nur in Ausnahmefällen Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen gewähren können.

26 27

SR 0.193.235 SR 0.192.120.193.1

8040

Ursprünglich war die internationale Zusammenarbeit im Wesentlichen zwischenstaatlich, doch heute ist sie offener geworden gegenüber Nichtregierungskreisen und sogar auch gegenüber Unternehmen, die ihre Erfahrungen einbringen und mit ihren Finanzmitteln einen Beitrag zur Lösung globaler Probleme leisten möchten, ohne aus ihren Investitionen wirtschaftlichen Gewinn zu schlagen. So entstehen neue Foren für die Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand, d.h. Staaten und zwischenstaatlichen Organisationen, und dem Privatsektor, d.h. NGO und Unternehmen. Der Beitrag der NGO ­ insbesondere ihre Kenntnisse der Gegebenheiten vor Ort, ihre Netzwerke zur Umsetzung von Programmen sowie ihr technisches und wissenschaftliches Know-how ­ und der Beitrag von Unternehmen, insbesondere finanzieller Art, bilden ein wichtiges Element in einer Zeit, in der die staatlichen Budgets schrumpfen und die globalen Themen zunehmend komplexer werden.

Diese neuen Foren der Zusammenarbeit werden wahrscheinlich vor allem im Bereich der öffentlichen Gesundheit ­ der staatlichen Aufgabe schlechthin ­ entstehen; es geht darum, die beträchtlichen finanziellen Mittel zusammenzulegen, die für die wissenschaftliche Forschung zur Ausmerzung von Krankheiten vonnöten sind, die vor allem die Entwicklungsländer heimsuchen und welche die Anstrengungen für eine nachhaltige Entwicklung zunichte machen. Die Bekämpfung von Krankheiten und Epidemien ist eine wichtige Ergänzung zur Entwicklungshilfe der reichen Staaten an die ärmsten Länder. Dieser Kampf erfordert bedeutende Mittel, insbesondere finanzieller Art, welche die Staaten und die zwischenstaatlichen Organisationen allein nicht bereitstellen können. Diese neuen Foren sind deshalb unabdingbar, damit die Staaten die ihnen obliegenden Aufgaben erfolgreich wahrnehmen können.

Die Entwicklung der Gaststaatpolitik der Schweiz im Hinblick auf die Erhaltung der bereits in unserem Land niedergelassenen Organisationen hängt von den Rahmenbedingungen ab, welche die Schweiz diesen neuen Zusammenarbeitsforen anbieten kann. Die Organisationen arbeiten eng zusammen, schaffen nutzbringende Synergien für ihre Tätigkeit und stellen damit sicher, dass die vorhandenen Mittel wirtschaftlich eingesetzt werden. Wenn die Schweiz in Zukunft nicht in der Lage ist, diese neu entstehenden Foren der internationalen
Zusammenarbeit zu beherbergen, so besteht die Gefahr, dass die in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Organisationen in Staaten abwandern, die ihnen die Rahmenbedingungen gewähren können, die ihren Zielsetzungen für die internationale Zusammenarbeit entsprechen. Diese Rahmenbedingungen werden den anderen internationalen Organen im Sinne des Gaststaatgesetzes und nicht deren Mitgliedern gewährt. So werden die NGO oder private Unternehmen, die an solchen Projekten teilnehmen, keine spezifischen Vorteile für sich selbst geniessen und insbesondere den anwendbaren Steuergesetzen unterstellt bleiben.

Der Begriff des andern internationalen Organs wurde im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens allgemein begrüsst. Mehrere Intervenienten haben die besondere Bedeutung dieses Begriffs hervorgehoben, der dem Bundesrat den nötigen Handlungsspielraum gibt, um auf zukünftige Entwicklungen im multilateralen Bereich zu reagieren. Einige haben jedoch die Notwendigkeit unterstrichen, dass der Bundesrat zurückhaltend davon Gebrauch macht. Das entspricht seiner Absicht, wie Artikel 14 zeigt, der den Ausnahmecharakter dieses Begriffs unterstreicht.

8041

2.3.1.11

Personen, die in offizieller Eigenschaft ständig oder vorübergehend für einen institutionellen Begünstigte tätig sind (Art. 2 Abs. 2 Bst. a)

Die Gewährung von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen an Personen, die für institutionelle Begünstigte gemäss Artikel 2 Absatz 1 tätig sind, erfolgt aus denselben Gründen wie die Gewährung einer Vorzugsstellung an die institutionellen Begünstigten selbst: Es geht darum, die zur vollständig unabhängigen Ausübung ihrer Aufgaben notwendigen Bedingungen zu schaffen, ohne dass der Gaststaat durch eine allzu strenge Anwendung seiner nationalen Gesetzgebung die Möglichkeit hat, auf die Ausübung des internationalen Mandats dieser Personen Einfluss zu nehmen. Wie erwähnt sieht das Gewohnheitsrecht vor, dass diesen Personen Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen gewährt werden, und zwar nicht zu ihrem eigenen Vorteil, sondern im Interesse des betreffenden institutionellen Begünstigten.

Somit wird den in offizieller Eigenschaft tätigen Personen nur eine Vorzugsstellung gewährt, wenn das Gremium, das ihre Präsenz in der Schweiz rechtfertigt, selbst die Voraussetzungen für die Gewährung von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen erfüllt.

Die in offizieller Eigenschaft tätigen Personen variieren je nach Kategorie der institutionellen Begünstigten. Während gewisse Personen relativ lange im Gaststaat leben und für die Dauer ihrer Aufgabe dort wohnen, halten sich andere nur für eine begrenzte Zeit im Gaststaat auf, ohne ihr Rechtsdomizil dorthin zu verlegen.

Bei den zwischenstaatlichen Organisationen, den internationalen Institutionen und den quasizwischenstaatlichen Organisationen sind dies traditionsgemäss die Vertreterinnen und Vertreter ihrer Mitgliedstaaten und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch die Experten und andere in offizieller Eigenschaft tätige Personen, wobei deren Tätigkeit im Allgemeinen vorübergehend ist (es kann sich namentlich auch um Personen handeln, die in persönlicher Eigenschaft als Beobachter oder Redner teilnehmen). Es handelt sich um die übliche Liste der in offizieller Eigenschaft tätigen Personen, die sowohl in den einschlägigen multilateralen Verträgen als auch in den von der Schweiz abgeschlossenen Sitz- und Fiskalabkommen zur Anwendung gelangt.

Bei den diplomatischen Missionen, konsularischen Posten und ständigen Missionen sind die in offizieller Eigenschaft tätigen Personen in den betreffenden völkerrechtlichen Verträgen definiert. Im Wesentlichen
handelt es sich um ihre Mitglieder und bei den Sondermissionen um die Delegationsmitglieder und das Sekretariat der Sondermission.

Bei den internationalen Konferenzen sind die in offizieller Eigenschaft tätigen Personen namentlich die Delegationsmitglieder und das Sekretariatspersonal, jedoch auch sämtliche andere Personen, die von den Organisatoren der Konferenz zur Teilnahme eingeladen werden, so z.B. als Referenten, Experten, Beobachter usw.

Angesichts der Tatsache, dass die Konferenz ihr Mandat nur während einer begrenzten Zeit ausübt (einige Tage oder einige Wochen), verlegen deren Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihren Wohnsitz ­ insbesondere ihren steuerlichen Wohnsitz ­ grundsätzlich nicht in den Staat, in dem die Konferenz stattfindet, und sie halten sich dort auch nur für die Dauer der Konferenz auf, ohne im Gaststaat einer geschäftlichen Tätigkeit nachzugehen. Obwohl die Gewährung von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen an eine internationale Konferenz auch die formelle Steuerbefreiung der in offizieller Eigenschaft tätigen Personen beinhaltet, zeitigt eine solche 8042

Klausel, die zum Ziel hat, dem Organisationsgremium der Konferenz zu bestätigen, dass die Schweiz die fraglichen Steuern nicht einzieht, deshalb in den meisten Fällen keine unmittelbaren Folgen in Form von Steuerausfällen. Die gewährten Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen erstrecken sich selbstverständlich nur auf die Dauer der Konferenz sowie die Hin- und Rückreise.

Was die Sekretariate oder andere durch einen völkerrechtlichen Vertrag eingesetzte Organe betrifft, so handelt es sich natürlich um deren Mitarbeiter, die Mitglieder der durch den Staatsvertrag eingesetzten Organe, die Experten usw. Die Kategorien der bei einem solchen Sekretariat oder anderen Organ tätigen Personen sind mit den entsprechenden Kategorien bei den zwischenstaatlichen Organisationen vergleichbar. Dasselbe gilt für eine unabhängige Kommission, bei der ihren Mitgliedern, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und sämtlichen für ihre Arbeit erforderlichen Personen in der Schweiz Gastrecht gewährt wird.

Die internationalen Gerichte verfügen über besondere Kategorien von Personen, die in offizieller Eigenschaft tätig sind, und der Umfang der gewährten Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen muss im Sitzabkommen zwischen der Schweiz und dem internationalen Gericht festgelegt werden, und zwar innerhalb der Grenzen, die der Vertrag über die Schaffung dieses Gerichts festlegt. Beispielsweise sieht das von der Schweiz am 10. September 2002 unterzeichnete Abkommen über die Privilegien und Immunitäten des Internationalen Strafgerichtshofes Vorrechte und Immunitäten nicht nur für den Gerichtshof selbst vor, sondern auch für die Vertreterinnen und Vertreter der Vertragsstaaten des Statuts des Gerichtshofs, die an den Sitzungen der Versammlung und ihrer Nebenorgane teilnehmen, oder für die Vertreter anderer Staaten oder zwischenstaatlicher Organisationen, die als Beobachter eingeladen werden. Gemäss dem Abkommen erhalten auch die Richterinnen und Richter, der Ankläger und dessen Stellvertreter, der Gerichtsschreiber und dessen Stellvertreter, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Büros des Anklägers, die Kanzleibeamten, die Verteidiger (Anwälte), die Zeugen, die Opfer, die Experten sowie alle weiteren Personen, deren Anwesenheit am Sitz des Gerichtshofs erforderlich ist, Vorrechte und Immunitäten. Selbstverständlich
geniessen nicht alle diese Personenkategorien dieselben Vorrechte und Immunitäten. Sie werden je nach der Rolle der betreffenden Person bemessen. Namentlich in steuerlicher Hinsicht wird auch die Frage berücksichtigt, ob die Person bereits im Staat wohnhaft war, in dem sie ihre offizielle Funktion ausübt, bevor ihr diese Funktion übertragen wurde.

Schliesslich ist es für die meisten erwähnten Personen nicht erforderlich, dass sie im Gaststaat leben, da sie sich nur während der für die Ausübung ihres Mandats notwendigen Zeit dort aufhalten müssen, so dass sie keinen ­ insbesondere steuerlichen ­ Wohnsitz in der Schweiz nehmen. Obwohl auch hier die Gewährung von Steuerbefreiungen üblicherweise festzuschreiben ist, hat eine derartige Klausel betreffend die Personen, die sich zur Ausübung ihrer offiziellen Funktionen nur für kurze Zeit in der Schweiz aufhalten keine direkten Auswirkungen in Form von Steuerausfällen.

Die Schiedsgerichte beschäftigen Schiedsrichter, Gerichtsschreiber und Kanzleibeamte. Den an einer Schiedsverhandlung beteiligten Parteien, ihren Anwälten, Experten und Zeugen muss für die Dauer ihrer Funktionen ebenfalls der Schutz von Vorrechten und Immunitäten gewährt werden.

8043

2.3.1.12

Persönlichkeiten, die ein internationales Mandat ausüben (Art. 2 Abs. 2 Bst. b)

Die Gewährung von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen an Persönlichkeiten, die ein internationales Mandat ausüben, sollte notwendigerweise nur ausnahmsweise erfolgen. Es kann tatsächlich vorkommen, dass eine zwischenstaatliche Organisation, eine internationale Institution oder eine Staatengruppe einer international bekannten Persönlichkeit zeitlich befristet ein Mandat anvertraut. Dabei kann es sich z.B. um ehemalige UNO-Generalsekretäre oder ehemalige Generaldirektoren des Büros der Vereinten Nationen in Genf oder weiterer zwischenstaatlicher Organisationen handeln, die ­ auch wenn sie keine offizielle Funktion mehr ausüben ­ ihr im Laufe ihrer internationalen Karriere erworbenes Know-how der internationalen Gemeinschaft nach wie vor nutzbringend zur Verfügung stellen können, indem sie im Interesse der internationalen Gemeinschaft ein besonderes oder punktuelles Mandat ausüben. Die Gewährung von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen soll es ihnen ermöglichen, ihr Mandat in völliger Unabhängigkeit auszuüben.

Dafür besteht zurzeit kein Präzedenzfall. Anfragen wurden in der Vergangenheit wohl unterbreitet, doch konnte ihnen in Ermangelung einer ausreichenden Rechtsgrundlage nicht stattgegeben werden. Diese Situation muss aber im Rahmen des Gaststaatgesetzes vorgesehen werden, so dass der Bundesrat über das notwendige Instrument verfügt, um einer Persönlichkeit, die ein internationales Mandat ausübt, eine Vorzugsstellung einzuräumen, falls dies einmal notwendig sein sollte.

Im Rahmen der Vernehmlassung haben einige Intervenienten hervorgehoben, dass es notwendig ist, dass der Bundesrat diese Bestimmung mit Zurückhaltung anwendet. Das entspricht auch seiner Absicht, wie Artikel 15 zeigt, welcher den Ausnahmecharakter dieses Begriffs unterstreicht.

2.3.1.13

Begleitpersonen (Art. 2 Abs. 2 Bst. c)

Selbstverständlich müssen die bei den institutionellen Begünstigten in offizieller Eigenschaft tätigen Personen gemäss Artikel 2 Absatz 1 sowie die Persönlichkeiten, die ein internationales Mandat ausüben, die Möglichkeit haben, ihre Familienmitglieder mitzubringen. Wenn sie während der Dauer ihrer Funktionen ihren Wohnsitz in der Schweiz einrichten müssen, müssen sie auch private Hausangestellte anstellen können, wie dies übrigens in den meisten einschlägigen internationalen Übereinkommen und insbesondere im Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen vorgesehen ist.

Gemäss der allgemeinen Praxis von Gaststaaten handelt es sich bei den Begleitpersonen insbesondere um die Ehegatten und Lebenspartner, die Verwandten in aufsteigender Linie, für deren Unterhalt die in offizieller Eigenschaft tätige Person aufkommt und die mit ihr im selben Haushalt leben, die Kinder sowie andere Personen, für deren Unterhalt sie aufkommt. Die Begründung der Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen, die den Personen gewährt werden, die bei einem institutionellen Begünstigten in offizieller Eigenschaft tätig sind, gilt auch für die in ihrem Haushalt lebenden Personen: Es geht darum, jegliche Möglichkeit einer Einmischung des Gaststaats in die Tätigkeit des betreffenden institutionellen Begünstigten zu vermeiden. Demgemäss erhalten Begleitpersonen nach internationaler Praxis grundsätzlich denselben Status wie die in offizieller Eigenschaft tätigen Personen.

8044

2.3.2

Inhalt der Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen (Art. 3)

Die in Artikel 3 aufgezählten Vorrechte und Immunitäten leiten sich aus dem internationalen Gewohnheitsrecht ab und sind auch in zahlreichen bilateralen und multilateralen Staatsverträgen festgeschrieben. Auch das Völkerrecht sieht einen unterschiedlichen Umfang der Vorrechte und Immunitäten je nach Stellung des betreffenden internationalen Organs einerseits und der Funktion der in offizieller Eigenschaft tätigen Person andererseits vor. Die ständige Praxis des Bundesrats in Anwendung des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen28, des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen29 und des Übereinkommens über Sondermissionen30, wie sie in den Sitz- und Fiskalabkommen und in den verschiedenen unilateralen Beschlüssen des Bundesrats zum Ausdruck kommt, nimmt diese Unterscheidung ebenfalls vor.

2.3.2.1

Unverletzlichkeit

Die Unverletzlichkeit der vom institutionellen Begünstigten zu offiziellen Zwecken genutzten Räumlichkeiten und der Privatwohnungen bestimmter Personen wie z.B.

von Diplomatinnen und Diplomaten oder hohen Beamten zwischenstaatlicher Organisationen verbietet es dem Gaststaat, ohne ausdrückliche Ermächtigung in die besagten Räumlichkeiten einzudringen; damit soll jeder Versuch des Gaststaats zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Begünstigten verhindert werden.

Dasselbe gilt für die Unverletzlichkeit von Personen, Vermögenswerten, Archiven, Schriftstücken und Korrespondenzen sowie des diplomatischen Kuriergepäcks: Es ist dem Gaststaat somit verwehrt, sich das Recht auf die Überwachung von Informationen herauszunehmen, die den institutionellen Begünstigten und den bei ihnen in offizieller Eigenschaft tätigen Personen zur Verfügung stehen.

Von der Unverletzlichkeit Begünstigte machen manchmal die Theorie der «Exterritorialität» geltend. Diese Theorie wurde indes bereits vor vielen Jahren aufgegeben, und die Begünstigten der Unverletzlichkeit bleiben dem gesamten Recht des Gaststaats unterstellt, auch wenn dieser die in seiner Gesetzgebung vorgesehenen Vollstreckungsmassnahmen wegen der Unverletzlichkeit nicht ergreifen kann.

2.3.2.2

Immunität von der Gerichtsbarkeit und der Vollstreckung

Auch die Immunität von der straf-, zivil- und verwaltungsrechtlichen Gerichtsbarkeit und Vollstreckung soll den Gaststaat daran hindern, auf institutionelle Begünstigte oder bei ihnen in offizieller Eigenschaft tätige Personen Druck auszuüben, indem sie diese gerichtlich belangen und damit ihre Fähigkeit zur Ausübung ihres Mandats einschränken. Gleichzeitig kennt das Völkerrecht jedoch Verfahren zur Aufhebung der Immunität; in sämtlichen Fällen, in denen die Aufhebung ohne 28 29 30

SR 0.191.01 SR 0.191.02 SR 0.101.2

8045

Behinderung des reibungslosen Betriebs der Organisation oder der Vertretung erfolgen kann, werden die Staaten und Organisationen eingeladen, die Immunität der Mitglieder ihrer Missionen und ihrer Vertreter in den internationalen Gremien bzw.

der ihnen unterstellten Personen aufzuheben. Bei einem besonders schwerwiegenden Missbrauch von Vorrechten und Immunitäten kann der Gaststaat die Rückberufung einer mit Vorrechten und Immunitäten ausgestatteten Person verlangen, deren Arbeitgeber die Aufhebung der Immunität verweigert hat. Diese im internationalen Gewohnheitsrecht und in den völkerrechtlichen Verträgen anerkannte Möglichkeit wird in Artikel 31 des Gesetzesentwurfs festgehalten.

Darüber hinaus arbeitet die Schweiz mit dem Internationalen Strafgerichtshof für Ex-Jugoslawien und dem Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda sowie mit dem Internationalen Strafgerichtshof zusammen. Sollten solche errichtet werden, könnte sie künftig mit weiteren internationalen Strafgerichtshöfen zusammenarbeiten. Eine Zusammenarbeit dieser Art führt dazu, dass sich Personen, die Gegenstand eines von einem internationalen Strafgerichtshof ausgestellten Haftbefehls sind, in der Schweiz nicht auf die Immunität von der Gerichtsbarkeit und der Vollstreckung berufen können, die ihnen im Rahmen ihrer offiziellen Funktion zustünde, so dass die schweizerischen Behörden befugt wären, die entsprechenden Haftbefehle zu vollstrecken.

2.3.2.3

Befreiung von Steuern und Zöllen

Das Völkerrecht sieht sowohl in Verträgen zur Errichtung einer Organisation als auch in Protokollen über Vorrechte und Immunitäten eine gewisse Anzahl von Privilegien im Steuer- und Zollbereich vor. Diese beruhen auf der Tatsache, dass der Gaststaat keinen besonderen Vorteil aus der Tatsache ziehen darf, dass er einem institutionellen Begünstigten Gastrecht gewährt. Diese Begründung gilt für alle Begünstigten gemäss Artikel 2 Absatz 1, einschliesslich der quasizwischenstaatlichen Organisationen, und zwar insbesondere weil diese mehrheitlich mit öffentlichen Geldern finanziert werden und weil die der Organisation übertragenen Aufgaben vom Staat erfüllt werden müssten, wenn sie nicht von der Organisation übernommen würden.

Dementsprechend gewährt der Gaststaat den internationalen Gremien Steuerbefreiungen, um keinen finanziellen Gewinn aus der Präsenz von Gremien auf seinem Hoheitsgebiet zu ziehen, die von allen ihren Mitgliedern und nicht allein durch die öffentliche Hand der Schweiz finanziert werden. Desgleichen sind auch die in offizieller Eigenschaft tätigen Personen von den direkten Steuern befreit, entweder auf ihrem ganzen Einkommen und Vermögen (innerhalb der vom Völkerrecht vorgesehenen Grenzen) oder nur auf dem Gehalt aus der internationalen Tätigkeit. Der Umfang dieser Befreiung hängt von der Funktion der begünstigten Person ab. Die Befreiung von den indirekten Steuern hängt ebenfalls vom Begünstigten ab. Die institutionellen Begünstigten, denen die Befreiung von der Mehrwertsteuer (MWST) gewährt wird, können nur beim Erwerb von Gütern und Dienstleistungen zum amtlichen Gebrauch davon profitieren, wie dies in der Verordnung zum Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer (MWSTV)31 festgehalten ist. Die Befreiung von der MWST wird im Übrigen lediglich Personen, die in offizieller Eigenschaft tätig sind 31

SR 641.201

8046

und den diplomatischen Status besitzen (diplomatische Vertreterinnen und Vertreter ausländischer Vertretungen, Berufs-Konsularbeamte und hohe Beamte zwischenstaatlicher Organisationen) sowie ihren im selben Haushalt lebenden Familienangehörigen gewährt. Selbstredend wird diese Befreiung von der MWST den begünstigten Personen nur für den Erwerb von Gütern und Dienstleistungen gewährt, die ausschliesslich für den persönlichen Gebrauch bestimmt sind. Schliesslich bezieht sich der Begriff der indirekten Steuer nicht nur auf die MWST, sondern auch auf die Stempelabgaben, während die Verrechnungssteuer zu den direkten Steuern gehört.

Im steuerlichen Bereich wird nach Schweizer Praxis in der Regel eine Unterscheidung getroffen zwischen schweizerischen Staatsangehörigen und ausländischen Staatsangehörigen, die aus dem Ausland kommen, um in der Schweiz ihre Aufgaben wahrzunehmen, sofern nicht ein völkerrechtlicher Vertrag eine derartige Unterscheidung untersagt. So erhalten die Mitglieder einer ausländischen Vertretung, die schweizerischer Nationalität sind oder die zum Zeitpunkt ihrer Einstellung ihren ständigen Wohnsitz in der Schweiz hatten ­ d.h. bereits im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung (Ausweis B) oder einer Niederlassungsbewilligung (Ausweis C) waren ­, gemäss Artikel 38 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen32 nur Immunitäten in Bezug auf ihre in Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit vorgenommenen Amtshandlungen, sind jedoch weiterhin in der Schweiz steuerpflichtig, und zwar ungeachtet ihrer Funktion innerhalb der ausländischen Vertretung (diplomatische Vertreter, Mitglieder des Verwaltungs- und technischen Personals, Mitglieder des dienstlichen Hauspersonals). Das Gehalt der privaten Hausangestellten der begünstigten Personen im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 ist ebenfalls steuerfrei, wenn die privaten Hausangestellten weder Angehörige des Gaststaates sind noch dort Wohnsitz haben. Internationale Beamte schweizerischer Staatsangehörigkeit sind nur dann von der Steuerpflicht befreit, wenn der institutionelle Begünstigte, für den sie arbeiten, ein internes Besteuerungssystem eingeführt hat und sofern diese Voraussetzung gemäss Völkerrecht zulässig ist. Die von der Schweiz gewährte Befreiung von den direkten Steuern soll also in gewisser Hinsicht eine Doppelbesteuerung verhindern. Die
UNO, sämtliche Sonderorganisationen der Vereinten Nationen und die WTO haben alle ein internes Besteuerungssystem eingerichtet.

Im Zollbereich können die Begünstigten gewisse Handelswaren einführen, insbesondere ihr Übersiedlungsgut und die zum dienstlichen oder ausschliesslich persönlichen Gebrauch bestimmten Artikel, ohne Einfuhrzoll bezahlen zu müssen. Auch hier wird eine Unterscheidung betreffend schweizerische Staatsangehörige getroffen.

Die geltenden Gesetze umschreiben den Umfang der Steuer- und Zollprivilegien nach Massgabe des Völkerrechts33.

32 33

SR 0.191.01 Siehe insbesondere: ­ Art. 15 und 56 DBG (SR 642.11); ­ Art. 90 Abs. 2 Bst. a MWSTG (SR 641.20) und Art. 20 ff. MWSTV (SR 641.201); ­ Art. 14 Abs. 4 und 5, Zollgesetz (SR 631.0) und Art. 10 ZV (SR 631.01) ­ Verordnung über Zollvorrechte der diplomatischen Missionen in Bern und der konsularischen Posten in der Schweiz (SR 631.144.0); ­ Verordnung über Zollvorrechte der internationalen Organisationen, der Staaten in ihren Beziehungen zu diesen Organisationen und der Sondermissionen fremder Staaten (SR 631.145.0).

8047

2.3.2.4

Freie Verfügung über Finanzmittel, Devisen, Bargeld und anderes bewegliches Vermögen

Selbstverständlich müssen institutionelle Begünstigte und die bei ihnen in offizieller Eigenschaft tätigen Personen frei über die finanziellen Mittel verfügen können, die ihnen die Mitglieder der institutionellen Begünstigten bereitstellen. Das schweizerische Recht kennt in dieser Hinsicht keinerlei Einschränkungen; dies ist indes nicht in allen Landesgesetzgebungen der Fall, weshalb sämtliche völkerrechtlichen Verträge über Vorrechte und Immunitäten diese Freiheit ausdrücklich festhalten. Auch ist es üblich, das der Bundesrat, die Gewährung dieser Freiheit beim Abschluss eines Sitzabkommens bestätigt.

2.3.2.5

Kommunikations-, Bewegungs- und Verkehrsfreiheit

Dasselbe gilt für die Kommunikations-, Bewegungs- und Verkehrsfreiheit, die durch das internationale Gewohnheitsrecht und die einschlägigen völkerrechtlichen Verträge gewährleistet wird. Diese Freiheit findet in den vom Bundesrat abgeschlossenen Sitzabkommen ebenfalls systematisch Erwähnung.

2.3.2.6

Befreiung vom schweizerischen System der sozialen Sicherheit

In aller Regel sehen internationale Übereinkommen zur Errichtung eines internationalen Gremiums den Ausschluss dieses Gremiums sowie seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von jedweder Verpflichtung vor, die aus der Sozialversicherungsgesetzgebung des Gaststaats erwächst.. Die institutionellen Begünstigten richten für ihre Mitarbeiter ein eigenes System der sozialen Sicherheit ein, und zwar einerseits, um ihren Angestellten unabhängig von ihren Einsatzorten weltweit die gleiche soziale Deckung zu gewähren, und andererseits, um bei der Umschreibung der sozialen Rechte ihrer Beamten nicht von der Gesetzgebung des Gaststaats abhängig zu sein. Überdies werden diese Sozialversicherungen durch die Beiträge der Mitglieder der internationalen Gremien finanziert, was die Schaffung eines internen Systems rechtfertigt, zumindest wenn es eine bestimmte «kritische Masse» in Bezug auf die Zahl der durch ein solches Sozialversicherungssystem abgedeckten Personen erreicht. Es ist deshalb logisch, dass die durch das Sozialversicherungssystem der Organisation gedeckten Personen vom System der sozialen Sicherheit des Gaststaates ausgenommen werden, damit die Betroffenen nicht zwei Systemen gleichzeitig unterstehen und nicht zweimal Sozialbeiträge entrichten müssen.

Gemäss Sitzabkommen sind die internationalen Gremien als Arbeitgeber den schweizerischen Sozialversicherungen (AHV/IV/EO/ALV, berufliche Vorsorge und Krankenversicherung) nicht unterstellt. Beamte, die nicht die schweizerische Staatsangehörigkeit besitzen, sind der Gesetzgebung über AHV/IV/EO/ALV und berufliche Vorsorge nicht unterstellt. Die von der Schweiz abgeschlossenen Sitzabkommen befreien internationale Beamte ungeachtet ihrer Nationalität nur von der obligatorischen Unfallversicherung, soweit die Organisation ihnen gleichwertigen Schutz gegen die Folgen von Berufsunfällen und Nichtberufsunfällen sowie Berufs-

8048

krankheiten gewährt. Die internationalen Beamten unterliegen auch nicht der schweizerischen Gesetzgebung über die obligatorische Krankenversicherung.

Beamte mit schweizerischer Staatsangehörigkeit werden nur dann nicht als obligatorisch in der AHV/IV/EO und ALV versichert betrachtet, wenn sie einem Vorsorgesystem angeschlossen sind, welches das Gremium vorsieht, das sie beschäftigt. Sie haben trotzdem die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis entweder der AHV/IV/ EO/ALV oder nur der ALV beizutreten, wobei ein derartiger individueller Beitritt keinen obligatorischen finanziellen Beitrag des Arbeitgebers nach sich zieht. Diese Modalitäten sind Gegenstand eines Briefwechsels zwischen der Schweiz und dem betreffenden Gremium, der parallel zum Abschluss eines Sitzabkommen erfolgt34.

Die Situation der diplomatischen und konsularischen Vertretungen bei den Sozialversicherungen weicht von jener der internationalen Gremien leicht ab. Das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen35 und das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen36 legen die Befreiung von den im Gaststaat geltenden Sozialversicherungsbestimmungen als Grundsatz fest. Indes sind diese Bestimmungen nicht unmittelbar anwendbar auf die Staaten, mit denen die Schweiz bilaterale Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat, da die sozialversicherungsrechtliche Stellung der Mitglieder der diplomatischen und konsularischen Vertretungen dieser Staaten bzw. die sozialversicherungsrechtliche Stellung der Staatsangehörigen dieser Länder, die auf Schweizer Hoheitsgebiet für diplomatische oder konsularische Vertretungen von Drittstaaten arbeiten, in den Beziehungen zwischen der Schweiz und besagten Staaten in aller Regel durch diese Sozialversicherungsabkommen geregelt werden. Das mit der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten abgeschlossene Abkommen vom 21. Juni 1999 über die Freizügigkeit37 sieht zudem besondere Bestimmungen für die Vertragsstaaten vor, und zwar durch einen Verweis auf die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern38.

Gemäss dem Übereinkommen zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), das durch das Abkommen von Vaduz vom 21. Juni
200139 geändert wurde, gilt die erwähnte Verordnung 1408/71 auch in den Beziehungen zwischen EFTA-Mitgliedstaaten.

Die Situation der privaten Hausangestellten von «Internationalen» im Hinblick auf die Sozialversicherungen hat im Rahmen der Vernehmlassung Fragen aufgeworfen, wie Mittel und Wege zum Schutz dieser Arbeitnehmerkategorie gefunden werden können. Die Richtlinie des EDA über die Anstellung von privaten Hausangestellten durch die Mitglieder des Personals von diplomatischen Missionen, ständigen Missionen, konsularischen Posten und internationalen Organisationen in der Schweiz ist

34

35 36 37 38 39

Siehe Bundesbeschluss vom 22. März 1996 betreffend die Delegation der Kompetenz an den Bundesrat zum Abschluss von Abkommen mit internationalen Organisationen über den Status der internationalen Beamten schweizerischer Nationalität hinsichtlich der schweizerischen Sozialversicherung (AHV/IV/EO und ALV) AS 1996 2116.

SR 0.191.01 SR 0.191.02 SR 0.142.112.681 SR 0.831.109.268.1 SR 0.632.31

8049

am 1. Mai 2006 aktualisiert worden40 und hält fest, dass die privaten Hausangestellten in der Schweiz im Prinzip obligatorisch den schweizerischen Sozialversicherungen unterstellt sind, ausser sie können sich gemäss geltendem Völkerrecht der Sozialversicherung eines andern Staates anschliessen. Die Wiener Übereinkommen über diplomatische sowie über konsularische Beziehungen regeln, dass dieser Personenkreis vom schweizerischen System der sozialen Sicherheit befreit ist, sofern der private Hausangestellte weder Schweizer Staatsangehöriger ist noch zum Zeitpunkt seiner Anstellung seinen ständigen Wohnsitz in der Schweiz hatte und den Bestimmungen über soziale Sicherheit eines andern Staates unterstellt ist. Dieser allgemeine Grundsatz ist indessen weitgehend nicht anwendbar aufgrund besonderer Regelungen von bilateralen Abkommen über die soziale Sicherheit, denen die Schweiz angeschlossen ist, sowie der im vorangegangenen Absatz erwähnten Verträge, die vorschreiben, dass der private Hausangestellte grundsätzlich dem Sozialversicherungssystem seines Beschäftigungslandes (mit gewissen Wahlmöglichkeiten) unterstellt ist. Der Bundesrat hat nicht die Absicht, die privaten Hausangestellten vom schweizerischen Sozialversicherungssystem zu befreien, wenn er nicht durch völkerrechtliche Bestimmungen dazu gezwungen ist.

2.3.2.7

Bestimmungen über Einreise und Aufenthalt in der Schweiz

Der Gaststaat ist verpflichtet, den institutionellen Begünstigten jegliche für ihre Unabhängigkeit notwendige Handlungsfreiheit zu gewähren. Insbesondere müssen die internationalen Gremien die Möglichkeit haben, für eine gewisse geographische Zusammensetzung ihres Beamtenstabs zu sorgen, welche die Zusammensetzung ihrer Mitglieder widerspiegelt. Man kann ein internationales Gremium nicht verpflichten, nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu beschäftigen, die die schweizerische Staatsangehörigkeit besitzen, in der Schweiz Wohnsitz haben oder den restriktiven Kriterien der geltenden innerstaatlichen Gesetzgebung genügen. Würde der Gaststaat die Beschäftigung internationaler Beamter begrenzen, namentlich im Zusammenhang mit der schweizerischen Gesetzgebung über die Beschränkung ausländischer Arbeitskräfte, würden die internationalen Gremien unberechtigterweise daran gehindert, die gewünschte und erforderliche geographische Zusammensetzung zu gewährleisten. Die ausländischen Vertretungen müssen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihrer Wahl einstellen können, vor allem Staatsangehörige des Entsendestaats. Die ausserhalb der ordentlichen Gesetzgebung über die Beschränkung ausländischer Arbeitskräfte aufgenommenen Personen erhalten eine besondere Aufenthaltsbewilligung, eine so genannte Legitimationskarte, die vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) ausgestellt wird. Diese Legitimationskarte verleiht ihnen nur für die Dauer ihrer offiziellen Funktionen ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz, nach deren Ablauf müssen sie entweder das schweizerische Hoheitsgebiet verlassen oder ein Gesuch um eine Aufenthaltsbewilligung gemäss ordentlichem Recht stellen. In diesem Fall unterstehen sie vollumfänglich den Rechten und Pflichten gemäss geltender Gesetzgebung. Insbesondere werden die mit einer Legitimationskarte in der Schweiz verbrachten Jahre nicht 40

Die Richtlinie (französisch oder englisch) ist unter folgender Adresse abrufbar: www.dfae.admin.ch/geneva_miss/f/home/guide/dir.html und www.dfae.admin.ch/protocole

8050

berücksichtigt bei der Beurteilung der Voraussetzungen zur Gewährung einer Niederlassungsbewilligung (Ausweis C).

2.3.2.8

Befreiung von allen öffentlichen Dienstleistungen und militärischen Auflagen jeder Art

Die Befreiung von allen öffentlichen Dienstleistungen und militärischen Auflagen erwächst ebenfalls aus der Verpflichtung, die Unabhängigkeit des institutionellen Begünstigten sicherzustellen. Dazu muss die Pflicht zum Militärdienst oder zur Bezahlung des üblicherweise von den Dienstbefreiten zu entrichtenden Militärpflichtersatzes ausgeschlossen werden. Diese Bestimmung gilt auch für die Pflicht zu anderen öffentlichen Dienstleistungen wie z.B. Feuerwehrdienst, soweit die Landesgesetzgebung für Bürgerinnen und Bürger sowie für Ortsansässige eine derartige Pflicht vorsieht. Allerdings gilt diese Befreiung von allen öffentlichen Dienstleistungen oder militärischen Auflagen jeder Art nicht für schweizerische Staatsangehörige, die bei einem in der Schweiz ansässigen internationalen Gremium in offizieller Eigenschaft tätig sind, so dass die schweizerischen Staatsangehörigen die von der schweizerischen Gesetzgebung vorgesehenen Pflichten vollumfänglich zu erfüllen haben. Es entspricht der ständigen Praxis, in den vom Bundesrat abgeschlossenen Sitzabkommen eine Klausel über diese Verpflichtung aufzunehmen.

Indes kann die Organisation als Arbeitgeberin Gesuche um Auslandurlaub oder Verschiebung von Ausbildungsdiensten einreichen, wenn diese auf Grund der Bedürfnisse der Organisation entsprechend gerechtfertigt sind.

2.3.2.9

Erleichterungen

Üblicherweise werden neben den Vorrechten und Immunitäten auch Erleichterungen gewährt. Unter diesen ist die den Begleitpersonen gewährte Möglichkeit des Zugangs zum Arbeitsmarkt des Gaststaats hervorzuheben. Heute ist es nicht mehr denkbar, die Begleitpersonen und insbesondere die Ehegatten in der Zeit, in der die in offizieller Eigenschaft tätige Person (der sog. Hauptberechtigte) ein Mandat bei einem institutionellen Begünstigten gemäss Artikel 2 Absatz 1 ausübt, daran zu hindern, eine eigene Berufskarriere zu verfolgen. Auf Grund des internationalen Charakters der institutionellen Begünstigten können die Begleitpersonen die unterschiedlichsten Nationalitäten besitzen. Es wäre stossend, wenn diese Personen je nach Staatsangehörigkeit anders behandelt würden, obwohl der Beweggrund für ihre Anwesenheit in der Schweiz derselbe ist. Es ist also nicht denkbar, dass die französische Ehegattin eines UNO-Beamten in Anwendung des mit der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten abgeschlossenen Abkommens über den freien Personenverkehr ungehindert in der Schweiz arbeiten kann, während ihr, hätte sie australische Staatsbürgerschaft, jeder Zugang zum schweizerischen Arbeitsmarkt verwehrt wird, weil sie nicht Angehörige eines Staates ist, mit dem die Schweiz einen entsprechenden Staatsvertrag abgeschlossen hat. Gemäss gängiger Praxis erhalten Ehegatten und Kinder bis zum 21. Altersjahr, die im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz eingereist sind, erleichterten Zugang zum schweizerischen Arbeitsmarkt; insbesondere sind sie der Kontingentierung, der Prioritätenregelung für die Rekrutierung und den Bestimmungen über den Arbeitsmarkt nicht unterworfen und geniessen somit ähnliche Erleichterungen wie die Inhaber einer Niederlas8051

sungsbewilligung (Ausweis C). Zu diesem Zweck erhalten sie so lange eine Sonderbewilligung, einen so genannten Ausweis Ci, wie der Hauptberechtigte seine offiziellen Funktionen bei einem internationalen Gremium im Sinne des Gaststaatgesetzes ausübt. Es handelt sich somit um eine Bewilligung, die mit der offiziellen Tätigkeit des Hauptberechtigten verknüpft ist. Begleitpersonen mit Ausweis Ci geniessen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit keine Vorrechte und Immunitäten.

Der Zugang zum Arbeitsmarkt betrifft im Wesentlichen die Begleitpersonen, jedoch können auch Personen, die zur Ausübung ihrer Funktionen in offizieller Eigenschaft bei einem institutionellen Begünstigten tätig sind und die in der Schweiz wohnen, in bestimmten Fällen und unter gewissen Bedingungen ausnahmsweise ermächtigt werden, zusätzlich zu ihren offiziellen Funktionen einer Nebenbeschäftigung, wie z.B. der Erteilung einiger Unterrichtsstunden in einem bestimmten Fachbereich, nachzugehen. Indes kann die Bewilligung zur Aufnahme einer Nebenbeschäftigung nur erteilt werden, wenn diese mit der Ausübung der offiziellen Funktion nicht unvereinbar ist, und die betreffenden Personen haben ihre offizielle Funktion vollzeitlich auszuüben. Als unvereinbar mit der offiziellen Funktion gelten namentlich sämtliche geschäftlichen Tätigkeiten von Personen, die ständig in offizieller Eigenschaft bei einem institutionellen Begünstigten beschäftigt sind, und zwar ungeachtet dessen, ob diese Tätigkeiten hauptsächlich innerhalb oder ausserhalb der Schweiz ausgeübt werden.

Es ist kaum möglich, eine abschliessende Liste über die Erleichterungen zu geben, die gewährt werden könnten. Das Gesetz sieht deshalb die Möglichkeit vor, dass der Bundesrat weitere Erleichterungen gewähren kann als die in Artikel 3 Absatz 2 vorgesehenen; die gewährten Erleichterungen müssen aber zwangsläufig von geringerer Tragweite sein als diejenigen, die unter Absatz 2 aufgeführt sind. Der Bundesrat soll dadurch die Möglichkeit erhalten, mit der Entwicklung der Praktiken, die in andern Gastländern herrschen können, Schritt halten und eine wettbewerbsfähige Gaststaatpolitik betreiben zu können. Es geht nicht darum, den Begünstigten unter dem Deckmantel dieser Bestimmung zusätzliche Vorrechte und Immunitäten zu gewähren, sondern es geht darum, ihnen praktische Erleichterungen zu ermöglichen, damit die Empfangsbedingungen der Begünstigten verbessert werden können.

2.3.3

Geltungsbereich der Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen (Art. 4)

Wie erwähnt sieht das Völkerrecht je nach Art der institutionellen Begünstigten und den Funktionen der bei ihnen in offizieller Eigenschaft tätigen Personen unterschiedlich weitreichende Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen vor. Diese Abstufung wird bereits heute vorgenommen, und die in Artikel 2 Absatz 1 aufgeführten institutionellen Begünstigten geniessen die in Artikel 3 vorgesehenen Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen nicht alle im selben Umfang. Desgleichen erhalten auch die in Artikel 2 Absatz 2 erwähnten Personen nicht alle vorgesehenen Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen.

Gemäss Artikel 4 obliegt es dem Bundesrat, die Rechtsstellung festzulegen, die er den verschiedenen Begünstigten je nach ihrer Bedeutung für die multilateralen internationalen Beziehungen gewährt. Dazu hat er natürlich die Verpflichtungen zu berücksichtigen, die ihm aus dem Völkerrecht erwachsen, und zwar insbesondere

8052

aus den Verträgen, denen die Schweiz beigetreten ist. Zudem werden die bis heute gewährten Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen berücksichtigt.

Praxisgemäss sieht Artikel 4 Absatz 2 vor, dass schweizerische Staatsangehörige nur von den direkten Steuern befreit werden, wenn die institutionellen Begünstigten, bei denen sie in offizieller Eigenschaft tätig sind, ein internes Besteuerungssystem eingeführt haben, vorausgesetzt das Völkerrecht lässt eine derartige Beschränkung überhaupt zu. Gegenwärtig haben alle internationalen Organisationen, die schweizerische Staatsangehörige beschäftigen, welche von den direkten Steuern befreit sind, ein wirksames internes Besteuerungssystem eingeführt. Wie bis anhin wird der Bundesrat den schweizerischen Staatsangehörigen eine solche Befreiung nur verknüpft mit einem internen Besteuerungssystem innerhalb der betroffenen Organisation gewähren, ausser völkerrechtliche Bestimmungen wie z.B. multilaterale Protokolle über die Regelung von Vorrechten und Immunitäten der Organisation verbietet es ihm, eine solche Bedingung zu setzen. Artikel 4 Absatz 3 bestimmt, dass die Befreiung von der Mehrwertsteuer (MWST) nur Personen gewährt wird, die diplomatischen Status geniessen, so wie dies bereits jetzt der Fall ist. Gemäss Artikel 20 Absatz 2 der Verordnung vom 29. März 200041 zum Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer (MWSTGV) haben schweizerische Staatsangehörige keinen Anspruch auf Steuerentlastung von der MWST. Die Verordnung vom 23. August 198942 über Zollvorrechte der diplomatischen Missionen in Bern und der konsularischen Posten in der Schweiz und die Verordnung vom 13. November 198543 über Zollvorrechte der internationalen Organisationen, der Staaten in ihren Beziehungen zu diesen Organisationen und der Sondermissionen fremder Staaten sind auf Personen schweizerischer Nationalität nicht anwendbar (Artikel 39 resp. 41 der erwähnten Verordnungen).

Wie bereits erwähnt, ist es Sache des Bundesrats, den persönlichen und sachlichen Geltungsbereich der in Artikel 3 aufgeführten Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen festzulegen. Der Bundesrat hat sich jedoch entschieden, angesichts der Bedeutung dieses Bereichs und der Auswirkungen, die er namentlich auf die Kantone haben kann, aus Gründen der Transparenz auf Gesetzesebene gewisse Einschränkungen bezüglich der
Steuer- und Zollbefreiung festzusetzen. Daraus lässt sich indes nicht ableiten, dass der Bundesrat den persönlichen und sachlichen Geltungsbereich der anderen Vorrechte und Immunitäten, die Gegenstand von Artikel 3 bilden, nicht festlegen könnte.

Gemäss geltender Praxis können zwischenstaatliche Organisationen und internationale Institutionen mit dem Bundesrat ein Sitzabkommen abschliessen, in dem für die Organisationen bzw. Institutionen selbst und für die bei ihnen in offizieller Eigenschaft tätigen Personen die üblichen Vorrechte und Immunitäten festgeschrieben werden. Während der Organisation oder Institution die Unverletzlichkeit der Räumlichkeiten, Vermögenswerte, Archive, Schriftstücke usw. sowie die Befreiung von direkten und indirekten Steuern gewährt werden, werden ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in verschiedene Kategorien unterteilt. Hohen Beamten wird diplomatischer Status zuerkannt, während den anderen Beamten je nach Funktion Vorrechte und Immunitäten einschliesslich der Steuerbefreiung von Gehältern gewährt werden.

41 42 43

SR 641.201 SR 631.144.0 SR 631.145.0

8053

Das Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen sieht verschiedene rechtliche Stellungen für diplomatische Vertreter, Mitglieder des Verwaltungs- und technischen Dienstes und Mitglieder des dienstlichen Hauspersonals diplomatischer Missionen vor. Die anderen internationalen Übereinkommen sehen ähnliche Differenzierungen vor.

Wie bereits erwähnt, hat der Bundesrat mit quasizwischenstaatlichen Organisationen Fiskalabkommen abgeschlossen. Während die Sitzabkommen die gesamte Rechtstellung der betreffenden Gremien in der Schweiz regeln, regeln die Fiskalabkommen lediglich die steuerliche Stellung der Organisation (Befreiung von direkten und indirekten Bundes-, Kantons- und Gemeindesteuern, wobei sich die Befreiung von der MWST auf den Erwerb von Gütern und Dienstleistungen zum dienstlichen Gebrauch der Organisation beschränkt) sowie ihrer ausländischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Befreiung von direkten Bundes-, Kantons- und Gemeindesteuern auf ihren Gehältern); sie umfassen auch Bestimmungen über die sozialversicherungsrechtliche Stellung der ausländischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, da diese in der Schweiz nicht steuerpflichtig sind. Schweizerische Staatsangehörige ihrerseits erhalten keine besonderen Steuerbefreiungen oder Befreiungen vom Sozialversicherungssystem. In der Regel behält sich das Fiskalabkommen den Grundsatz der Progression (Progressionsvorbehalt) vor, d.h. die Möglichkeit, dass die Steuerbehörden bei der Bestimmung des geltenden Steuersatzes für nicht befreite Einkommen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Organisation die befreiten Einkommen berücksichtigen können. Der Bundesrat beabsichtigt, seine Praxis in diesem Bereich fortzuführen. Allerdings ist nicht auszuschliessen, dass er dieser Art von Organisation künftig über die bereits gewährten Steuerbefreiungen hinaus gewisse Vorrechte und Immunitäten diplomatischer Natur gewähren wird, beispielsweise die Immunität von der Gerichtsbarkeit und der Vollstreckung zu Gunsten der Organisation selbst.

Die rechtliche Stellung der diplomatischen Missionen, konsularischen Posten, ständigen Missionen und Sondermissionen ergibt sich aus den geltenden internationalen Übereinkommen, so dass der Abschluss eines besonderen Abkommens nicht erforderlich ist.

Bei internationalen Konferenzen ist es in
Ermangelung eines Sitzabkommens mit dem Organisator oder eines die Verpflichtungen des Gaststaates festlegenden Staatsvertrags Praxis des Bundesrats, unilateral zu entscheiden, welche Rechtsstellung einer Konferenz und ihren Teilnehmern eingeräumt werden soll. In der Regel lässt das EDA dem Organisator der Konferenz eine schriftliche Bestätigung zukommen, dass die üblichen Vorrechte und Immunitäten gewährt werden, wobei gemäss geltender Praxis für die Konferenz und ihre Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Übereinkommen über Sondermissionen44 und für das Sekretariat der Konferenz analog die einschlägigen Bestimmungen des Sitzabkommens, das die rechtliche Stellung der UNO in der Schweiz regelt45, zur Anwendung kommen sollen. Das EDA sah sich wiederholt mit Ersuchen um den Abschluss eines Abkommens über die Gewährung von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen an eine Konferenz konfrontiert, weil es Praxis gewisser Organisatoren ist, in diesem Bereich formelle Abkommen abzuschliessen, mit der Absicht, diese in sämtlichen Staaten, in denen sie Konferenzen abhalten, einheitlich anzuwenden. Dementsprechend ist 44 45

SR 191.2 SR 0.192.120.1

8054

vorgesehen, dass auf diesem Gebiet künftig Abkommen abgeschlossen werden können, wenn sich dies als notwendig erweisen sollte. Die den internationalen Konferenzen und ihren Teilnehmerinnen und Teilnehmern gewährten Vorrechte und Immunitäten sollten keine steuerlichen Auswirkungen haben, was insbesondere die natürlichen Personen betrifft. Tatsächlich schaffen die gewöhnlich nicht in der Schweiz wohnhaften Personen infolge der kurzen Aufenthaltsdauer im Zusammenhang mit der Konferenz keine Vorraussetzungen für eine Besteuerung. Schweizerische Staatsangehörige und in der Schweiz niedergelassene Personen bleiben den ordentlichen Steuervorschriften unterstellt.

Gemäss geltender Praxis können Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen nur Teilnehmerinnen und Teilnehmern von Konferenzen gewährt werden, die Staaten oder zwischenstaatliche Organisationen vertreten. Vertreter internationaler Nichtregierungsorganisationen (INGO) und des Privatsektors geniessen keine besondere rechtliche Stellung. Nun geht jedoch die aktuelle Tendenz auf internationaler Ebene dahin, die INGO und den Privatsektor vermehrt als Vollmitglieder von Konferenzen und immer weniger nur als einfache Beobachter zu betrachten. Infolge dieser Entwicklung haben zwischenstaatliche Organisationen die Schweiz ersucht, dieser Art von Teilnehmern Vorrechte und Immunitäten zu gewähren, damit sie nicht aufgrund von Äusserungen verfolgt werden können, die sie während ihres Referats im Rahmen der Konferenz gemacht haben. Die Schweiz hat sich stets geweigert, Konferenzteilnehmern von INGO und aus dem Privatsektor eine Vorzugsstellung einzuräumen. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass die Gewährung einer Vorzugsstellung für Vertreterinnen und Vertreter von INGO eine Voraussetzung für die Durchführung einer internationalen Konferenz in der Schweiz werden könnte.

Demzufolge wäre es denkbar, dieser Art von Teilnehmerinnen und Teilnehmern für die Dauer der Konferenz eine begrenzte Immunität von der Gerichtsbarkeit zu gewähren, wenn die Umstände dies rechtfertigen; sollte es dazu kommen, müssten mit den Verantwortlichen der internationalen Konferenz die Modalitäten für die Aufhebung dieser Immunität vereinbart werden für den Fall, dass ein Vertreter einer INGO den ihm gewährten Schutz missbraucht. Der Sonderstatus der an einer bestimmten internationalen
Konferenz teilnehmenden Vertreterinnen und Vertreter von INGO würde der betreffenden internationalen Konferenz und nicht der INGO als solcher gewährt.

Der Umfang von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen, die einem Sekretariat oder jedem anderen durch einen völkerrechtlichen Vertrag geschaffenen Organ gewährt werden, müssten dem Status entsprechen, der einer zwischenstaatlichen Organisation eingeräumt wird und angesichts der Ähnlichkeiten dieser Gremien, der Gegenstand eines Sitzabkommens sein. Dasselbe gilt für internationale Gerichte und Schiedsgerichte, allerdings unter Vorbehalt allfälliger Anpassungen auf Grund der von einem Gerichtshof zu erfüllenden Funktionen, wobei es sich hier namentlich um die für Verfahrensparteien und Anwälte geltende Stellung handelt. Dabei ist zu betonen, dass die die internationalen Gerichte begründenden völkerrechtlichen Verträge oder UNO-Resolutionen die Pflichten der Staaten in diesem Bereich bereits klar festlegen. Diese Verträge legen eine allgemein anerkannte internationale Praxis fest und werden sicherlich als Grundlage für die allfällige Schaffung weiterer internationaler Gerichte dienen. Die Schweiz wird sich bei der Bestimmung des Geltungsbereichs der Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen, die für einen sich in der Schweiz niederlassenden internationalen Gericht angemessen wären, auf die völkerrechtlichen Normen, insbesondere auf die Bestimmungen für den Internatio8055

nalen Strafgerichtshof, stützen. Grundsätzlich müssten schweizerische Staatsangehörige und Personen mit ständigem Wohnsitz in der Schweiz, die nicht dem Personal des Gerichts angehören, unter Vorbehalt anders lautender Bestimmungen der Gründungsakte des Gerichts, eines Protokolls über Vorrechte und Immunitäten oder irgendeines anderen völkerrechtlichen Vertrags den ordentlichen Vorschriften des geltenden Steuerrechts unterstellt bleiben; dies könnte beispielsweise die Anwälte der Verfahrensparteien betreffen, die in der Schweiz niedergelassen sind und die vor einem internationalen Gericht in der Schweiz auftreten.

Der Geltungsbereich der Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen unabhängiger Kommissionen wird wie bis anhin vom Bundesrat bestimmt werden. Gemäss geltender Praxis kommen für unabhängige Kommissionen, für deren Mitglieder und das Personal ihrer Sekretariate sowie für allenfalls von ihnen beigezogene Expertinnen und Experten die einschlägigen Bestimmungen des Sitzabkommens mit der UNO sinngemäss zur Anwendung. Indes wird schweizerischen Staatsangehörigen, die für die Kommission oder ihr Sekretariat arbeiten, keine Steuerbefreiung gewährt.

Gemäss bisheriger Praxis geniessen Personen mit ständigem Wohnsitz (Inhaber eines Ausweises B oder C zum Zeitpunkt ihrer Einstellung bei der unabhängigen Kommission oder ihrem Sekretariat) dieselben Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen wie die anderen ausländischen Kommissionsmitglieder, Sekretariatsangestellten oder Experten.

Für die anderen internationalen Organe wird der Bundesrat die ihnen zu gewährenden Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen unter Berücksichtigung des Ausnahmecharakters dieser Fälle und der zum Zeitpunkt der Prüfung eines bestimmten Falles herrschenden Umstände festlegen. Die Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen sollen so weit wie möglich eingeschränkt werden und könnten neben der Unverletzlichkeit der Räumlichkeiten, Archive, Schriftstücke usw. namentlich eine Befreiung des Gremiums selbst von direkten und indirekten Steuern beinhalten. Sie könnten sogar eine Befreiung der Gehälter der ausländischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Organs von den direkten Steuern beinhalten, sofern es sich nicht um Personen mit ständigem Wohnsitz in der Schweiz handelt. In jedem Fall muss der Gewährung von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen ein echtes Bedürfnis auf Grund der rechtlichen und politischen Umstände zum Zeitpunkt der Entscheidung zugrunde liegen.

2.3.4

Dauer der Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen (Art. 5)

Grundsätzlich werden die Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen unbefristet gewährt, bis der institutionelle Begünstigte seine Tätigkeit in der Schweiz einstellt.

Indes ist vorgesehen, dass der Bundesrat die Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen befristen kann, namentlich im Falle unabhängiger Kommissionen, Sondermissionen oder Konferenzen, deren Mandat naturgemäss von beschränkter Dauer ist.

8056

2.3.5

Voraussetzungen für die Gewährung von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen

2.3.5.1

Allgemeine Voraussetzungen (Art. 6)

Artikel 6 sieht gewisse allgemeine ­ kumulative ­ Voraussetzungen vor, die von sämtlichen institutionellen Begünstigten gemäss Artikel 2 Absatz 1 zu erfüllen sind, die Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen wünschen. Aus der Tatsache, dass ein Gremium die im Gaststaatgesetz festgelegten Voraussetzungen erfüllt, lässt sich aber kein subjektiver Rechtsanspruch auf Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen ableiten. Vorbehalten bleiben die entsprechenden Rechte und Pflichten auf Grund der völkerrechtlichen Verträge, denen die Schweiz beigetreten ist, angefangen bei den Wiener Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen oder den Gründungsverträge zwischenstaatlicher Organisationen, die diesbezüglich Pflichten der Vertragsstaaten vorsehen. Der Gesetzesentwurf verwendet Kann-Formulierungen, d.h., es muss von Fall zu Fall entschieden werden, ob ein Gremium die entsprechenden Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen erhält.

Das betreffende Gremium muss einen Sitz in der Schweiz haben oder in der Schweiz tätig sein. Die Entscheide, welche die Schweiz in dieser Hinsicht treffen kann, und die Sitzabkommen, die sie abschliessen kann, entfalten lediglich auf schweizerischem Hoheitsgebiet Wirkung, da ein Staat einem anderen Staat, der einem internationalen Abkommen nicht angehört, keine Pflichten auferlegen kann. Das Gaststaatgesetz muss die Rechtsstellung von Gremien regeln, die einen Sitz in der Schweiz errichten. Indes können Organisationen mit Sitz in einem anderen Staat ebenfalls bestimmte Aktivitäten in der Schweiz ausüben, ohne hier einen Sitz zu unterhalten, namentlich wenn es darum geht, im Rahmen des ihnen durch ihre Gründungsakte aufgetragenen Mandats in unserem Land regelmässig Versammlungen der Organe, Arbeitsgruppen usw. abzuhalten. Dies trifft beispielsweise auf eine zwischenstaatliche Organisation wie die Organisation der Vereinten Nationen für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) zu, die ihren Sitz in Rom hat, jedoch regelmässig internationale Treffen in der Schweiz abhält. Personen, die Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen geniessen, müssen ebenfalls entweder in der Schweiz wohnhaft oder tätig sein, ohne jedoch ihren gesetzlichen Wohnsitz hier zu haben. Dabei kann es sich um Personen handeln, die befristet in der Schweiz tätig sind, oder auch um internationale
Beamte, die in Genf arbeiten, aber im benachbarten Frankreich wohnen. Selbstverständlich vermag die ihnen in der Schweiz zuerkannte Rechtsstellung Frankreich in diesem Kontext keinerlei Pflichten aufzuerlegen.

Die institutionellen Begünstigten müssen jedoch einen nicht auf Gewinn ausgerichteten Zweck von internationalem Nutzen verfolgen. Dieser Begriff wird im Europäischen Übereinkommen vom 24. April 1986 über die Anerkennung der Rechtspersönlichkeit internationaler nichtstaatlicher Organisationen46 verwendet, das für die Schweiz am 1. Januar 1991 in Kraft trat. Dieses Kriterium ermöglicht eine Unterscheidung zwischen Begünstigten im Sinne des Gaststaatgesetzes und Handelsunternehmen oder anderen Rechtsträgern, welche die Verteilung wirtschaftlicher Gewinne unter ihren Mitgliedern bezwecken. Ein institutioneller Begünstigter kann jedoch bei einem bestimmten Vorhaben (wie z.B. dem Verkauf einer Publikation) Gewinne erwirtschaften, ohne seinen Charakter zu ändern, wenn dieses Vorhaben 46

SR 0.192.111

8057

seinem nicht auf Gewinn ausgerichteten Ziel dient. Beispielsweise darf die UNO in den Räumlichkeiten ihres Genfer Sitzes Publikationen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit verkaufen oder wie in der Vergangenheit die Ausgabe von Briefmarken veranlassen. Das vom Begünstigten angestrebte Ziel muss zudem von internationalem ­ und nicht bloss von nationalem oder lokalem ­ Nutzen sein, d.h., es muss der internationalen Gemeinschaft nützen. Ausgeschlossen sind damit Rechtsträger wie beispielsweise politische Parteien oder andere politische Organisationen, deren Ziele und Tätigkeiten sich auf die internen Probleme eines Landes konzentrieren47.

Aus dem Zweck des internationalen Nutzens ergibt sich, dass die institutionellen Begünstigten ihre Tätigkeit im Bereich der internationalen Beziehungen auszuüben haben. Darüber hinaus muss ihre Präsenz auf schweizerischem Hoheitsgebiet für die Schweiz von besonderem Interesse sein. Diese Präsenz kann befristet oder unbefristet sein, und das diesbezügliche Interesse der Schweiz kann politischer Natur sein oder sich direkt auf die Tätigkeit des Begünstigten beziehen.

Artikel 56 Buchstabe g des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG)48 und Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe f des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG)49 beinhalten eine analoge Bestimmung. Sie sehen vor, dass juristische Personen, die öffentliche oder gemeinnützige Zwecke verfolgen, von der direkten Bundessteuer bzw. den kantonalen Steuern für den ausschliesslich und unwiderruflich diesen Zwecken gewidmeten Gewinn befreit werden. Dazu präzisiert Danièle Yersin in der Steuerrevue (Nr. 5/2002, S. 316): «Der Begriff der Gemeinnützigkeit ist gemäss Lehre und Rechtsprechung von zwei Elementen geprägt: vom Allgemeininteresse, das die sich um die Befreiung bemühende Institution verfolgen muss, und von der Uneigennützigkeit ihrer Tätigkeit. Von Allgemeininteresse ist eine zu Gunsten und zum Vorteil der internationalen Gemeinschaft ausgeübte Tätigkeit, die von der öffentlichen Meinung als solche anerkannt wird. Das Allgemeininteresse umfasst also etwas, das von verhältnismässig weiten Kreisen der Bevölkerung ­ d.h. von einem unbestimmten Kreis von Begünstigten ­ als wichtig, wünschbar und nützlich für das Gemeinwesen erachtet wird. Gemeinnützige Aufgaben
sind nicht auf jene beschränkt, die der Staat wahrnehmen würde, dem das Verfolgen des Allgemeininteresses ja auch nicht vorbehalten ist. Uneigennützigkeit liegt vor, wenn die Mitglieder der Institution finanzielle Opfer in Kauf nehmen, d.h., wenn sie Leistungen erbringen bzw. auf Gegenleistungen oder persönlichen Gewinn verzichten (siehe D. Yersin, , in: Archives 58, S. 97, 104 und zahlreiche Verweise).

Schliesslich setzt die Verwendung von Vermögen und Einkommen einer gemeinnützigen Körperschaft oder Einrichtung voraus, dass diese Mittel einerseits unwiderruflich solchen statutarisch festgelegten Zwecken gewidmet sind und dass sie tatsächlich dazu verwendet werden (BGE 120 Ib 374, 376, Erw. 2b)».

Die Definitionen der im DBG und StHG verwendeten Begriffe haben mutatis mutandis den zuständigen Behörden auch für die Auslegung des Begriffs des im Gaststaatgesetz aufgeführten nicht auf Gewinn ausgerichteten Zwecks zu dienen.

47

48 49

Siehe Botschaft betreffend das Europäische Übereinkommen vom 24. April 1986 über die Anerkennung der Rechtspersönlichkeit internationaler nichtstaatlicher Organisationen (S.T.E. Nr. 124) vom 15. November 1989 (BBl 1989 III 1557 ff.).

SR 642.11 SR 642.14

8058

2.3.5.2

Zusätzliche spezifische Voraussetzungen für gewisse Begünstigte (Art. 7­15)

Für gewisse in Artikel 2 Absatz 1 aufgeführte Begünstigte sind die in Artikel 6 aufgezählten allgemeinen Voraussetzungen ausreichend. Bei anderen hingegen braucht es zusätzliche Voraussetzungen, damit ihnen der Bundesrat Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen gewähren kann. Die Artikel 7­15, die Artikel 6 ergänzen, umfassen weitere spezifische, ebenfalls kumulative, Voraussetzungen für jene Begünstigten gemäss Artikel 2 Absatz 1, deren Definition im Völkerrecht Präzisierungen erfordert.

2.3.5.2.1

Internationale Institutionen (Art. 7)

Die internationale Institution steht der klassischen zwischenstaatlichen Organisation sehr nahe, weist jedoch nicht alle rechtlichen Merkmale auf, die für eine solche konstitutiv sind (s. Ziff. 2.3.1.2). Aus diesem Grund müssen spezifische Voraussetzungen festgelegt werden, die jede internationale Institution zu erfüllen hat, damit sie in der Schweiz in den Genuss von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen kommen kann.

So muss eine internationale Institution über ähnliche Strukturen wie eine zwischenstaatliche Organisation und insbesondere über Organe verfügen, die befugt sind, ihre Entscheide unabhängig vom Willen der einzelnen Mitgliedstaaten zu treffen; hierzu gehört eine Generalversammlung der Parteien. Darüber hinaus muss sie staatliche Aufgaben oder Aufgaben wahrnehmen, die gewöhnlich einer zwischenstaatlichen Organisation übertragen werden, und sie muss innerhalb der internationalen Rechtsordnung internationale Anerkennung geniessen, sei dies auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrags, einer Resolution einer zwischenstaatlichen Organisation oder eines von einer Staatengruppe verabschiedeten politischen Dokuments.

2.3.5.2.2

Quasizwischenstaatliche Organisationen (Art. 8)

Der Bundesrat hat im Laufe der Zeit eine Reihe von Kriterien festgelegt, die eine quasizwischenstaatliche Organisation erfüllen muss, um ein Fiskalabkommen auf der Grundlage des Bundesbeschlusses von 1955 abschliessen zu können. Diese kumulativen Kriterien werden nun im Gaststaatgesetz verankert. Neben den allgemeinen Voraussetzungen von Artikel 6 muss eine quasizwischenstaatliche Organisation deshalb weitere Bedingungen erfüllen: Ihre Mitglieder müssen mehrheitlich Staaten, öffentlichrechtliche Organisationen oder Einrichtungen sein, die staatliche Aufgaben erfüllen. Hier geht es darum, den zwischenstaatlichen Charakter der Organisation zu unterstreichen, auch wenn gewisse Mitglieder dem innerstaatlichen Recht eines Landes unterstellte juristische Personen oder natürliche Personen sind, und die quasizwischenstaatliche Organisation von der Nichtregierungsorganisation (siehe Ziff. 2.3.1.3) abzugrenzen. Die Organisation muss über ähnliche Strukturen wie eine zwischenstaatliche Organisation verfügen. Dies bedeutet, dass die Organisation einen eigenen Willen besitzt, der durch die von ihren Mitgliedern unabhängigen Organe zum Ausdruck gebracht wird. Des Weiteren muss sie im Hoheitsgebiet zweier oder mehrerer Staaten tätig sein, um ihren internationalen Charakter zu 8059

markieren und sich von den rein nationalen Organisationen zu unterscheiden. Einer quasizwischenstaatlichen Organisation werden Aufgaben übertragen, die andernfalls von den Staaten selbst übernommen werden müssten, da sie einem öffentlichen Interesse entsprechen. Gemäss Artikel 6 muss eine quasizwischenstaatliche Organisation einen nicht auf Gewinn ausgerichteten Zweck von internationalem Nutzen verfolgen. Insofern kann eine Organisation nur in den Genuss von steuerlichen Vorrechten kommen, wenn sie nicht in der Hauptsache eine kommerzielle Tätigkeit ausübt. Sollte eine Organisation zusätzlich oder nebenbei eine kommerzielle Tätigkeit im grösseren Rahmen, aber nicht als Haupttätigkeit ausüben und trotzdem als quasizwischenstaatliche Organisation beurteilt werden, deren Hauptzweck nicht auf Gewinn ausgerichtet ist, dürfte sie nur für ihre kommerzielle Tätigkeit steuerbar sein. In letzterem Fall sollten die Angestellten, die nicht Schweizer Staatsangehörige sind, keine Steuerprivilegien geniessen. Eine quasizwischenstaatliche Organisation, die neben den Mitgliederbeiträgen zusätzliche finanzielle Mittel erhält, um die Verfolgung ihrer statutarischen und nicht Gewinn orientierten Ziele sicherzustellen, trägt in dem Mass zur Entlastung der Budgets der Mitgliedstaaten bei, als sie Aufgaben ausübt, die den Mitgliedstaaten anfallen würden, wenn sie die Organisation nicht übernehmen würde.

2.3.5.2.3

Internationale Konferenzen (Art. 9)

Wie in Ziffer 2.3.1.5 erwähnt, sind internationale Konferenzen zu unterscheiden von den in der Schweiz durchgeführten Treffen von Unternehmungen und NGO. Daher können einer internationalen Konferenz und ihren Teilnehmerinnen und Teilnehmern nur dann Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen eingeräumt werden, wenn sie unter der Ägide einer zwischenstaatlichen Organisation, einer internationalen Institution, einer quasizwischenstaatlichen Organisation, eines Sekretariats oder eines anderen durch einen völkerrechtlichen Vertrag eingesetzten Organs, durch die Schweiz oder auf Initiative einer Staatengruppe abgehalten wird. Die Gewährung von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen erfolgt nicht automatisch und erfordert in jedem Fall eine spezifische Entscheidung, was insbesondere heisst, dass eine Staatengruppe in der Schweiz ohne ausdrückliche Zustimmung der zuständigen Behörden keine internationale Konferenz durchführen kann. Überdies müssen die Konferenzteilnehmer mehrheitlich Staaten, zwischenstaatliche Organisationen, internationale Institutionen, quasizwischenstaatliche Organisationen, Sekretariate oder andere durch einen völkerrechtlichen Vertrag eingesetzte Organe vertreten. Dies schliesst eine allfällige Teilnahme von Vertreterinnen und Vertretern von NGO oder der Zivilgesellschaft sowie von Experten nicht aus, die auf Einladung der Organisatoren an der Konferenz teilnehmen. Solche NGO oder Privatpersonen dürfen aber nicht die Mehrheit der Konferenzteilnehmenden ausmachen.

2.3.5.2.4

Sekretariate und andere durch einen völkerrechtlichen Vertrag einsetzte Organe (Art. 10)

Um Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen geniessen zu können, müssen Sekretariate und andere Organe angesichts der Modalitäten ihrer Errichtung durch einen völkerrechtlichen Vertrag errichtet werden, der ihnen im Hinblick auf die Umsetzung des Vertrags bestimmte Aufgaben gewährt. Diesbezüglich ist zu 8060

unterstreichen, dass ein völkerrechtlicher Vertrag gemäss Völkerrecht nur zwischen Staaten oder zwischen Staaten und zwischenstaatlichen Organisationen abgeschlossen werden kann, so dass der zwischenstaatliche Charakter eines Sekretariats oder anderen Organs nicht in Zweifel gezogen werden kann.

2.3.5.2.5

Unabhängige Kommissionen (Art. 11)

Um in der Schweiz eine Vorzugsstellung zu erhalten, muss eine unabhängige Kommission ihre Legitimität auf eine Resolution einer zwischenstaatlichen Organisation (z.B. der UNO oder der WTO) oder einer internationalen Institution stützen; sie kann jedoch auch von einer Staatengruppe oder von der Schweiz beauftragt werden.

Es ist indes von Bedeutung, dass sie innerhalb der internationalen Gemeinschaft breite politische und finanzielle Unterstützung geniesst und den Auftrag hat, eine für die internationale Gemeinschaft wichtige Frage zu prüfen. In dieser Hinsicht ist es bedeutsam, dass sich die Kommissionen, die in der Vergangenheit in der Schweiz tagten, mit Fragen der nachhaltigen Entwicklung und der Umwelt befassten, also mit Fragen, die für die internationale Gemeinschaft zweifellos von grossem Interesse sind. Der Auftrag einer unabhängigen Kommission muss selbstverständlich befristet sein. Falls ihr die Auftraggeber einen permanenten Charakter verleihen wollen, müssen sie eine andere Rechtsform wählen, beispielsweise die einer zwischenstaatlichen Organisation. Schliesslich wird es Sache des Bundesrats sein, von Fall zu Fall zu prüfen, ob die Gewährung von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen erheblich zur Erfüllung ihres Mandats beitragen kann.

2.3.5.2.6

Internationale Gerichtshöfe (Art. 12)

Ein internationaler Gerichtshof kann nur in den Genuss von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen kommen, wenn er auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrags oder einer Resolution einer zwischenstaatlichen Organisation oder internationalen Institution errichtet wurde. Grundsätzlich beschränkt sich der völkerrechtliche Vertrag oder die Resolution nicht nur auf das Prinzip der Errichtung eines internationalen Gerichtshofs, sondern er umschreibt insbesondere dessen Aufgaben, Zusammensetzung und Arbeitsweise sowie die Personen, die in offizieller Eigenschaft beim Gerichtshof tätig sind, ob dies nun Richter und Gerichtsschreiber oder die Parteien und deren Anwälte oder Experten betrifft. Daneben ist es üblich, dass der völkerrechtliche Vertrag oder die Resolution die Verpflichtung des Gaststaats zur Gewährung von Vorrechten und Immunitäten ausdrücklich erwähnt, wie dies namentlich im Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs der Fall ist50.

2.3.5.2.7

Schiedsgerichte (Art. 13)

Schiedsgerichte können nur in der Schweiz tagen und in den Genuss von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen kommen, wenn die Völkerrechtssubjekte, die Parteien des Schiedsverfahrens sind, darlegen können, dass der Sitz des Schieds50

SR 0.312.1

8061

gerichts in der Schweiz einem besonderen Bedürfnis entspricht. Dabei kann es sich beispielsweise darum handeln, den Sitz in einem neutralen Staat oder in einem unbeteiligten Drittstaat zu errichten, oder auch darum, von der Nähe der in der Schweiz ansässigen zwischenstaatlichen Organisationen oder internationalen Institutionen zu profitieren, deren Aktivitäten den Schiedsrichtern oder den Parteien des Schiedsverfahrens nutzdienlich sein können. Die Präsenz zahlreicher ständiger Missionen in Genf kann ebenfalls als Argument zu Gunsten der Sitznahme eines Schiedsgerichts in der Schweiz ins Feld geführt werden, da die Vertragsstaaten zur Unterstützung im Schiedsverfahren von den bestehenden Infrastrukturen profitieren können. Überdies kann der das Schiedsgericht errichtende völkerrechtliche Vertrag den Parteien den Schiedsgerichtssitz vorschreiben. Das für die Schweiz am 5. Dezember 1994 in Kraft getretene Übereinkommen vom 15. Dezember 1992 über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der KSZE51 legt beispielsweise in Artikel 10 fest, dass sich der Sitz des Gerichts in Genf befindet. Infolgedessen wurde am 17. November 1997 ein Abkommen zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und den Vertragsstaaten des Übereinkommens über Vergleichs- und Schiedsverfahren innerhalb der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zur Festlegung des rechtlichen Statuts des Vergleichs- und Schiedsgerichtshofs innerhalb der OSZE in der Schweiz abgeschlossen52. Zudem wurde am 23. Oktober und 12. November 1997 ein Briefwechsel zwischen der Schweiz und dem Vergleichs- und Schiedsgerichtshof innerhalb der OSZE geschlossen betreffend die Aufwendungen für die Räumlichkeiten sowie die Ersteinrichtung des Gerichtshofs53.

2.3.5.2.8

Andere internationale Organe (Art. 14)

Das vorliegende Gesetz bezweckt grundsätzlich eine erschöpfende Aufzählung der Begünstigten von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen. Die Welt der internationalen Organisationen entwickelt sich jedoch ständig weiter. Wenn der Grundsatz der Vollständigkeit aber äusserts streng angewandt würde, ginge die Schweiz das Risiko ein, einem internationalen Gremium kein Gastrecht gewähren zu können, weil es den Definitionen der institutionellen Begünstigten von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a­l nicht genügt, selbst wenn eine Anwesenheit in der Schweiz einem wichtigen politischen Interesse entspricht. Der in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe m und Artikel 14 enthaltene Begriff eines anderen internationalen Organs soll dem Bundesrat Handhabe bieten, die Interessen der Schweiz zu verteidigen, indem er einem derartigen Organ in Ausnahmefällen eine Vorzugsstellung einräumen kann.

Damit könnte er Ersuchen stattgeben, die einem besonderen Interesse unseres Landes entsprechen, wenn es wichtig erscheint, dass die Schweiz einem bestimmten Organ Gastrecht gewährt. Dieser Begriff hat nicht zum Ziel, nationalen Organisationen oder Nichtregierungsorganisationen eine Vorzugsstellung zu gewähren.

In Anbetracht der Tatsache, dass dieser Begriff im Völkerrecht nicht definiert ist, sowie der Notwendigkeit, ihn nur in Ausnahmefällen zu verwenden, wird dieses «andere Organ» für die Erfüllung von Aufgaben, die grundsätzlich einer zwischenstaatlichen Organisation, einer internationalen Institution oder Staaten obliegen, eng 51 52 53

SR 0.193.235 SR 0.192.120.193.1 SR 0.193.235.1

8062

mit einer oder mehreren zwischenstaatlichen Organisationen oder internationalen Institutionen oder einem oder mehreren Staaten zusammenarbeiten müssen, damit es in der Schweiz eine Vorzugsstellung geniessen kann. Eine derartige Zusammenarbeit kann sich beispielsweise durch die Teilnahme des betreffenden Organs an spezifischen Programmen und Tätigkeiten von Organisationen, Institutionen und Staaten ergeben; auf diese Art und Weise trägt das Organ zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bei, indem es sein spezifisches Wissen und Know-how, aber auch seine finanziellen Mittel einbringt. Zudem muss es in einem wichtigen Bereich der internationalen Beziehungen eine entscheidende Rolle spielen und international über einen hohen Bekanntheitsgrad verfügen. Schliesslich muss es sich rechtfertigen, dass die Gewährung von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen wesentlich zur Erfüllung seines Mandats beiträgt.

Es gilt zu beachten, dass es sich hier um eine Bestimmung handelt, die der Bundesrat mit Zurückhaltung anwenden wird, weil der Begriff des anderen internationalen Organs nur ausnahmsweise verwendet werden soll. Der Bundesrat teilt deshalb in dieser Frage die Ansichten, die einige Intervenienten im Rahmen der Vernehmlassung geäussert haben.

2.3.5.2.9

Persönlichkeiten, die ein internationales Mandat ausüben (Art. 15)

Die Tatsache, dass eine Person ein internationales Mandat ausübt, wird allein noch keine Vorzugsstellung in der Schweiz rechtfertigen. Zunächst muss eine solche Person ihr Mandat von einer zwischenstaatlichen Organisation, einer internationalen Institution oder einer Staatengruppe erhalten haben. Angesichts des Ausnahmecharakters eines derartigen Entscheids können nur Persönlichkeiten ausländischer Staatsangehörigkeit, die während der Dauer ihres Mandats in der Schweiz wohnhaft sind, in den Genuss von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen kommen.

Voraussetzung ist allerdings, dass sie neben ihrem internationalen Mandat keine Erwerbstätigkeit ausüben und dass ihr Aufenthalt in der Schweiz für die Erfüllung ihres Mandats erforderlich ist. Einer ausländischen Persönlichkeit, der ein internationales Mandat zu einem Zeitpunkt übertragen wird, in dem sie bereits in der Schweiz Wohnsitz hat, kann keine Sonderstellung eingeräumt werden.

Auch diese Bestimmung wird der Bundesrat zurückhaltend anwenden, da er sich bewusst ist, dass dieser Status besonderen Ausnahmefällen vorzubehalten ist.

2.4

Kapitel 3: Erwerb von Grundstücken für dienstliche Zwecke

Das Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG)54 unterstellt den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland einer Bewilligung. Keiner Bewilligung bedürfen jedoch gemäss Artikel 7 Buchstabe h BewG «ausländische Staaten und internationale Organisationen des Völkerrechts, wenn sie ein Grundstück zu einem in der Schweiz anerkannten öffentlichen Zweck erwerben, oder andere Erwerber, wenn das staatspolitische Interesse des 54

SR 211.412.41

8063

Bundes es gebietet; die Fläche darf nicht grösser sein, als es der Verwendungszweck erfordert». Laut Artikel 16 Absatz 2 BewG fällt es in die Zuständigkeit des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), festzustellen, ob der Erwerber ein ausländischer Staat oder eine internationale Organisation des Völkerrechts ist und ob dieser das Grundstück zu einem in der Schweiz anerkannten öffentlichen Zweck erwirbt.

Zur Anpassung der in Artikel 2 Absatz 1 des Gaststaatgesetzes verwendeten Terminologie müssten die im BewG verwendeten Begriffe modifiziert werden. Darüber hinaus ist die allmähliche Liberalisierung des schweizerischen Immobilienmarktes zu berücksichtigen, die zu vereinfachten Verfahren beim Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland führt; es ist nicht ausgeschlossen, dass der Immobilienmarkt schliesslich vollumfänglich liberalisiert wird. Unter diesen Umständen ist es angezeigt, die Vorschriften über den Erwerb von Grundstücken für dienstliche Zwecke durch institutionelle Begünstigte nach Artikel 2 Absatz 1 zu vereinfachen.

Für den Fall, dass der Immobilienmarkt umfassend liberalisiert wird, ist es überdies aus politischen Gründen vonnöten, eine gewisse Kontrolle über den Erwerb von Grundstücken für dienstliche Zwecke durch institutionelle Begünstigte zu bewahren, die Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen geniessen. Diese Kontrolle würde es dem EDA gegebenenfalls auch ermöglichen, gegenüber einem Staat, welcher der Schweiz den Erwerb von Räumlichkeiten für ihre diplomatischen und konsularischen Vertretungen auf seinem Hoheitsgebiet erschwert, den Gegenrechtsgrundsatz geltend zu machen. Daher erscheint es zweckmässig, den Erwerb von Grundstücken durch institutionelle Begünstigte ausschliesslich im Gaststaatgesetz zu regeln.

2.4.1

Erwerb von Grundstücken (Art. 16)

Artikel 16 stellt den Grundsatz auf, wonach institutionelle Begünstigte gemäss Artikel 2 Absatz 1 Grundstücke für dienstliche Zwecke erwerben können. Da die diplomatischen Vertretungen, konsularischen Posten, ständigen Missionen oder anderen Vertretungen bei zwischenstaatlichen Organisationen (Art. 2 Abs. 1 Bst. d­f) keine Rechtspersönlichkeit besitzen, werden sie die entsprechenden Grundstücke wie bisher im Namen der von ihnen vertretenen Staaten erwerben.

Überdies werden möglicherweise gewisse institutionelle Begünstigte nie ein Grundstück in der Schweiz erwerben können, wenn ihre Funktionen befristet sind, wie dies beispielsweise bei internationalen Konferenzen der Fall ist.

Wie dies gegenwärtig im BewG vorgesehen ist, ist das EDA zuständig, um nach Anhörung der zuständigen Behörde des betroffenen Kantons zu prüfen, ob der Erwerber ein institutioneller Begünstigter im Sinne des Gaststaatgesetzes ist und ob der Erwerb dienstlichen Zwecken dient, und eine Verfügung zu erlassen. Die erforderlichen Bewilligungen, d.h. insbesondere die von den Kantonsbehörden auszustellenden Baubewilligungen und die sicherheitstechnischen Bewilligungen, müssen vorgängig eingeholt werden. Das Grundbuchamt kann den offiziellen Erwerbseintrag erst vornehmen, wenn es im Besitz der erwähnten Verfügung des EDA ist (Art. 16 Abs. 4).

Demnach stehen den institutionellen Begünstigten zwei Wege zum Erwerb von Grundstücken offen: entweder sie erwerben das Grundstück zu einem dienstlichen Zweck, in Anwendung von Artikel 16 und 17 des Gaststaatgesetzes, und kommen insbesondere in den Genuss der Steuerbefreiung gemäss dem Wiener Übereinkom8064

men über diplomatische Beziehungen und anderen anwendbaren Staatsverträgen, oder sie erwerben es zu privaten Zwecken und sind den normalen Bestimmungen des BewG unterstellt; oder sie können bei Ausserkraftsetzung des Letzteren das gewünschte Grundstück frei erwerben, ohne für den Grundbucheintrag eine Verfügung des EDA zu benötigen. Beim Erwerb zu privaten Zwecken können die institutionellen Begünstigten keine Steuerbefreiungen, die für den Erwerb zu dienstlichen Zwecken gewährt werden, geltend machen. Sofern es sich um einen Erwerb zu dienstlichen Zwecken als Folge einer Nutzungsänderung eines vorgängig erworbenen Grundstücks handelt (Art. 17 Abs. 2), muss der institutionelle Begünstigte dem EDA einen Antrag auf Nutzung zu dienstlichen Zwecken unterbreiten; im Prinzip wird jedoch keine Änderung der Grundbucheinträge notwendig sein, ausser der Nutzungszweck sei eingetragen, namentlich wenn es um die Nutzung eines Bürogebäudes zu Wohnzwecken und umgekehrt geht. Gegebenenfalls erhält der institutionelle Begünstigte bei einer Nutzungsänderung keine Rückerstattung der Steuern, die er vorgängig für den Erwerb zu privaten Zwecken bezahlt hat.

2.4.2

Begriffsbestimmungen (Art. 17)

Die Definition des Begriffs des Grundstückerwerbs entspricht der Definition des geltenden Artikels 4 BewG. Wenn ein institutioneller Begünstigter Eigentümer eines zu anderen Zwecken erworbenen Grundstücks ist und später beschliesst, es für dienstliche Zwecke zu verwenden, so ist diese Nutzungsänderung einem Erwerb im Sinne des Gaststaatgesetzes gleichgestellt, und der betroffene Kanton muss insbesondere seine Zustimmung erteilen, wenn es sich um eine Nutzungsänderung von Büro- zu Wohnfläche und umgekehrt handelt. Diese Bestimmung ist von besonderer Bedeutung für den Fall einer allfälligen Aufhebung des BewG, die es sämtlichen Personen im Ausland gestatten würde, Grundstücke in der Schweiz frei zu erwerben.

Die Definition der Nutzung für dienstliche Zwecke leitet sich aus dem Völkerrecht ab, namentlich aus Artikel 1 Buchstabe i des Wiener Übereinkommens vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen sowie aus den einschlägigen Bestimmungen der von der Schweiz abgeschlossenen Sitzabkommen.

2.5

Kapitel 4: Finanzielle Beiträge und andere Unterstützungsmassnahmen

2.5.1

Zweck (Art. 18)

Gegenwärtig fussen die vom Bundesrat getroffenen Entscheide über finanzielle Beiträge und andere Unterstützungsmassnahmen im Rahmen der Gaststaatpolitik in der Regel unmittelbar auf seinen verfassungsmässigen Kompetenzen in der Aussenpolitik. Diese Lösung erwies sich aber im Lichte des Legalitätsprinzips problematisch. Das Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die Finanzhilfen an die Immobilienstiftung für die internationalen Organisationen (FIPOI) in Genf55 (nachfolgend: «FIPOI-Gesetz») und das Bundesgesetz vom 5. Oktober 2001 über die Beteiligung und Finanzhilfe betreffend die Stiftung des Internationalen Rotkreuz- und Rothalb-

55

SR 617.0

8065

mondmuseums56 (nachfolgend: «MICR-Gesetz») haben inzwischen einige formelle Rechtsgrundlagen geschaffen, doch diese decken lediglich spezifische Bereiche der vom Bund im Rahmen seiner Gaststaatpolitik gewährten Finanzhilfen ab. Aus diesem Grund präzisiert das Gaststaatgesetz den Rahmen, in dem der Bund im Bereich der Gaststaatpolitik Finanzhilfen gewähren kann.

Insbesondere geht es darum, mit gezielten Finanzhilfen die Aufenthalts-, Arbeits-, Integrations- und Sicherheitsbedingungen der in Artikel 19 aufgeführten Begünstigten zu verbessern. Eine gute Integration der gemeinhin als «die Internationalen» bezeichneten Personen ist ein Schlüsselelement einer erfolgreichen Schweizer Gaststaatpolitik, die einen Beitrag an den reibungslosen Betrieb der in unserem Land niedergelassenen Organisationen leistet, was auch im Interesse der Schweiz als Mitglied dieser Organisationen liegt. Als Beispiel hierfür kann die Beteiligung des Bundes am «Centre d'accueil ­ Genève internationale» angeführt werden. Dieses Zentrum ist ein gemeinnütziger privatrechtlicher Verein, der 1996 vom Bund und vom Kanton Genf gegründet wurde und an dem namentlich der Kanton Waadt und die Stadt Genf beteiligt sind. Seine Aufgabe besteht darin, neu zugezogenen Personen praktische Hilfe zu bieten, die verschiedenen Fragen der Internationalen während ihres Aufenthalts in der Schweiz zu beantworten oder Projekte zur Förderung des kulturellen und gesellschaftlichen Austauschs zwischen dem «internationalen Genf» und den örtlichen Gemeinschaften zu unterstützen. Bestimmte bestehende Gremien gewähren dem internationalen Genf ebenfalls beträchtliche Unterstützung.

Eines davon ist namentlich das vom «Mandat international» geführte «Centre d'accueil pour les délégations et organisations non gouvernementales», das die Teilnahme von Delegierten aus Nichtregierungskreisen an den internationalen Konferenzen in Genf erleichtern will. Weitere Initiativen könnten entstehen und das heutige Angebot ergänzen.

Jeder Staat hat hinsichtlich seiner Staatsangehörigen und der sich in seinem Hoheitsgebiet befindlichen Ausländerinnen und Ausländer eine Schutzpflicht.

Während es sich bei einfachen Privatpersonen um eine normale Schutzpflicht handelt, muss diese bei Begünstigten nach Artikel 2 verstärkt werden. Hier handelt es sich um eine besondere Schutzpflicht,
die sich aus dem Völkerrecht ableitet und welche die internationale Verantwortlichkeit der Schweiz auslösen kann. Die Sicherheitsfragen werden im Bundesgesetz vom 21. März 1997 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS)57 geregelt. Die Erwähnung der Sicherheit im Zweck der von der Schweiz im Bereich der Gaststaatpolitik gewährten finanziellen Beiträge zielt nicht darauf ab, das BWIS ­ die ausführliche Rechtsgrundlage, die auch andere Sicherheitsaspekte der Schweiz abdeckt ­ zu ersetzen oder die Kompetenzen des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) auszuhöhlen. Es geht vielmehr darum, die Möglichkeit der Finanzierung von Sicherheitsmassnahmen zur Ergänzung der Massnahmen vorzusehen, die das EJPD in Erfüllung der im BWIS vorgesehenen und der Schweiz kraft des Völkerrechts obliegenden Schutzpflichten anordnet. Jedenfalls werden die ergänzenden Massnahmen, die auf Grund des Gaststaatgesetzes verlangt werden können, keine Verringerung der Massnahmen rechtfertigen, die das EJDP in Anwendung des BWIS zu treffen hat. Es ist in der Tat möglich, dass sich ergänzende Massnahmen namentlich im Hinblick auf politische Eventualitäten als notwendig erweisen, selbst wenn die 56 57

SR 432.41 SR 120

8066

ausschliesslich auf den strikt objektiven Risikograd der Situation ausgerichtete Analyse des EJPD zum Schluss gelangen sollte, dass diese nicht unbedingt nötig sind. Die vom EDA angewiesenen Massnahmen werden in Absprache mit dem EJPD (Bundessicherheitsdienst) getroffen, namentlich um die Koordination sicherzustellen.

Die Aufenthalts- und Arbeitsbedingungen können ferner durch punktuelle Finanzbeiträge verbessert werden, die den institutionellen Begünstigten anlässlich ihrer Niederlassung in der Schweiz ausgerichtet werden. Hilfe dieser Art kann z.B. in Form finanzieller Beiträge an die Einrichtungskosten geleistet werden.

Schliesslich bildet das Gaststaatgesetz eine Rechtsgrundlage für die Förderung der Aktivitäten im Bereich der Gaststaatpolitik, der Steigerung der Bekanntheit der die Schweiz als Gaststaat und die Förderung schweizerischer Kandidaturen für die Aufnahme von Begünstigten im Sinne von Artikel 2.

Selbstverständlich bleibt die Finanzierung dieser Aktivitäten dem Bestehen verfügbarer Kredite und der Zuständigkeit der eidgenössischen Räte unterstellt (Art. 22).

2.5.2

Begünstigte der finanziellen Beiträge und anderen Unterstützungsmassnahmen (Art. 19)

Die von finanziellen Beiträge und anderen Unterstützungsmassnehmen Begünstigten müssen sich mit den Begünstigten von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen decken. Deshalb verweist Artikel 19 auf Artikel 2. Darüber hinaus sollen auch INGO im Sinne des 5. Kapitels des Gaststaatgesetzes solche Hilfen erhalten können; dasselbe gilt für Vereine und Stiftungen, deren Aktivitäten den Zwecken gemäss Artikel 18 entsprechen, z.B. Vereine und Stiftungen, die Aufnahmestrukturen für internationale Delegierte aus Regierungs- und Nichtregierungskreisen schaffen. Die INGO unterstützen die Arbeit zwischenstaatlicher Organisationen und anderer Begünstigter gemäss Artikel 2 in erheblichem Masse. Deswegen ist es notwendig, einen Beitrag an ihre Niederlassung zu leisten und ihre Aktivitäten in der Nähe den anderen Organen zu fördern.

Unter den gegenwärtigen Begünstigten von finanziellen Beiträgen ist insbesondere die Immobilienstiftung für die internationalen Organisationen (FIPOI) zu erwähnen.

Ihr werden Darlehen für den Bau von Liegenschaften gewährt zugunsten internationaler Organisationen als zukünftige Besitzerinnen oder Mieterinnen. Überdies obliegt der FIPOI unter anderem die Verwaltung des Internationalen Konferenzzentrums von Genf (CICG) und des Konferenzsaals des Centre William Rappard. Die Mittel für die vom Bund und vom Kanton Genf definierten statutarischen Aufgaben der FIPOI müssen somit von deren Mitgliedern zur Verfügung gestellt werden. Der Bund gewährleistet die entsprechende finanzielle Unterstützung, während der Kanton Genf die notwendigen Grundstücke unentgeltlich im Baurecht zur Verfügung stellt. Die Stiftung des Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondmuseums erhält ebenfalls eine jährliche Finanzhilfe des Bundes. Diese Beiträge sind zurzeit im FIPOI-Gesetz58 bzw. im MICR-Gesetz geregelt59. Beide Gesetze werden mit dem

58 59

SR 617.0 SR 432.41

8067

Inkrafttreten des Gaststaatgesetzes aufgehoben, das künftig als Rechtsgrundlage für die besagten finanziellen Beiträge dienen wird.

2.5.3

Formen der finanziellen Beiträge und anderen Unterstützungsmassnahmen (Art. 20)

Die verschiedenen Formen von finanziellen Beiträgen in Artikel 20 entsprechen diejenigen, die heute allgemein verwendet werden. Dabei kann es sich um einmalige finanzielle Beiträge ­ z.B. um einen Beitrag an die Einrichtungskosten ­ oder um wiederkehrende Beiträge handeln. Solche Beiträge lassen sich insbesondere mit den bedeutenden Zusatzkosten rechtfertigen, die durch die Errichtung eines neuen internationalen Gremiums oder die Verlegung des Sitzes eines bestehenden Gremiums in einen anderen Staat entstehen und die zu den üblichen Betriebskosten der Organisation hinzukommen. Mit einem solchen Beitrag sollen oft die ersten Betriebsjahre der Organisation unterstützt werden, bis deren langfristige Finanzierung gänzlich durch die Mitgliedern sichergestellt ist. Gewisse finanzielle Beiträge werden indes auch unbefristet ausgerichtet. Dies gilt namentlich für den Beitrag des Bundes an die Betriebskosten des Internationalen Konferenzzentrums von Genf (CICG) gemäss dem Bundesbeschluss vom 18. März 1980 über die kostenlose Benützung des Konferenzzentrums von Genf (CICG)60 sowie für die regelmässigen Unterhaltskosten des von der Welthandelsorganisation (WTO) genutzten Centre William Rappard, für die Finanzierung der Unterhalts- und Betriebskosten des Konferenzsaals des Centre William Rappard und für den finanziellen Beitrag an die Stiftung des Rotkreuz- und Rothalbmondmuseums.

Der Bund kann zudem zinslose und innerhalb von höchstens 50 Jahren rückzahlbare Baudarlehen gewähren; diese Form der Finanzhilfe ist gegenwärtig im Bundesgesetz über die Finanzhilfen an die FIPOI in Genf 61 geregelt, das beim Inkrafttreten des Gaststaatgesetzes aufgehoben werden müsste. Die Gaststaatpolitik beschränkt sich nicht auf den Kanton Genf, auch wenn dieser ein privilegierter Partner des Bundes in diesem Bereich ist. Es handelt sich um eine Bundespolitik, und bereits heute sind zwischenstaatliche Organisationen in Bern (UPU, OTIF) und Basel (BIZ) niedergelassen. Das Mandat der FIPOI erstreckt sich gegenwärtig gemäss ihren Statuten auf den Kanton Genf, bei Bedarf kann sie ihre Tätigkeit im Kanton Waadt ausüben (z.B. UICN), und gegenwärtig sind Gespräche über die Teilnahmebedingungen des Kantons Waadt an diesem wichtigen Instrument der Gaststaatpolitik im Gang. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es notwendig oder zweckmässig
sein wird, die Befugnisse der FIPOI in Zukunft auf andere Kantone oder sogar auf die ganze Schweiz auszudehnen. Eine solche Ausdehnung wird gegebenenfalls mit einer Statutenänderung der FIPOI durch die Stiftungsmitglieder möglich, da es die Statuten sind, die den Tätigkeitsbereich der Stiftung regeln. Eine eventuell geografische Ausdehnung der Zuständigkeiten der FIPOI muss es ermöglichen, die Zuständigkeit der letzteren in Anspruch zu nehmen, sofern für Organisationen mit Sitz ausserhalb der Kantone Genf und Waadt Gebäude errichtet werden müssten, insbesondere für die UPU und OTIF in Bern oder die BIZ in Basel; damit könnte vermieden werden, dass eine neue, gleichartige Organisation gegründet werden muss, um die Darlehen und Baulichkeiten zu verwalten. Der Bundesrat hat nicht im Sinn, seine Prioritäten zu 60 61

BBl 1980 I 1206 SR 617.0

8068

ändern, die sich für die Entwicklung der Gaststaatpolitik auf die Genferseeregion («Arc lémanique») richten; es ist indessen notwendig, die Möglichkeit zu schaffen, dass die FIPOI ausserhalb des Kantons Genf tätig sein kann und Mittel vorhanden sind, um auf eventuelle Anfragen zu reagieren. Im Übrigen wird besonders der Kanton Genf als Mitglied der FIPOI verbindlich um seine Stellungnahme in Bezug auf eine allfällige geografische Ausdehnung der Zuständigkeiten der FIPOI resp. die entsprechende Änderung der Stiftungsstatuten ersucht. Angesichts der derzeitigen territorialen Begrenzung der letzteren und um namentlich auf spezifische Gesuche von Organisationen eingehen zu können, die ihren Sitz nicht in Genf haben, sieht der Gesetzesentwurf vor, den institutionellen Begünstigten gemäss Artikel 2 Absatz 1 direkt oder über die Immobilienstiftung für die internationalen Organisationen (FIPOI) in Genf zinslose, innerhalb von 50 Jahren rückzahlbare Baudarlehen zu gewähren, um namentlich auf spezifische Gesuche von Organisationen eingehen zu können, die ihren Sitz nicht in Genf haben. Des Weiteren ist vorgesehen, die in der Schweiz abgehaltenen internationalen Konferenzen auch künftig finanziell zu unterstützen.

Überdies muss der Bund weiterhin befristete oder unbefristete Sachleistungen wie die Bereitstellung von Personal, Räumlichkeiten oder Material ausrichten können, wie dies bereits wiederholt geschehen ist. Der Bund hat namentlich dem Vergleichsund Schiedsgerichtshof innerhalb der OSZE die nötigen Räumlichkeiten zu Verfügung gestellt, wie dies im Briefwechsel vom 23. Oktober/12. November 1997 zwischen der Schweiz und dem Vergleichs- und Schiedsgerichtshofs innerhalb der OSZE betreffend die Aufwendungen für die Räumlichkeiten sowie die Ersteinrichtung des Gerichtshofs62 vereinbart worden war. Ausserdem muss der Bund privatrechtliche Vereine oder Stiftungen gründen und sich an solchen beteiligen können.

Beispiele dafür sind die Immobilienstiftung für die internationalen Organisationen (FIPOI) in Genf, das «Centre d'accueil ­ Genève internationale» oder das Internationale Rotkreuz- und Rothalbmondmuseum.

Schliesslich muss der Bund die zuständigen Polizeibehörden anweisen können, zusätzlich zu den gestützt auf das BWIS getroffenen Massnahmen weitere Sicherheitsmassnahmen zu ergreifen. Es handelt sich
hierbei um Massnahmen, welche die zuständigen Sicherheitsbehörden in Bezug auf ein erhöhtes Risiko als nicht gerechtfertigt beurteilen, sondern die sich aus politischen Anforderungen angesichts internationaler Gepflogenheiten aufdrängen. Allgemein kann der Empfang von Staatsoberhäuptern und Regierungen in der Schweiz als bescheiden qualifiziert werden, die im Gegensatz zu den meisten andern Ländern. Insofern bewilligt die Schweiz nicht oft Massnahmen wie Leibwächter zum Personenschutz oder Eskorten und Geleitfahrzeuge für offizielle Fahrzeuge. Auf der andern Seite kommen die verantwortlichen Sicherheitsbehörden manchmal zum Schluss, dass eine im Ausland gefährdete Person in der Schweiz nicht gefährdet ist und sich besondere Schutzmassnahmen während des Aufenthaltes in der Schweiz erübrigen, insbesondere wenn die betreffende Person an einer internationalen Konferenz teilnimmt. Dies ist einer Person, die um ihr Leben fürchtet und sich ohne Polizeipräsenz in ihrer Nähe sehr verunsichert fühlt, schwierig zu erklären. Diese Befugnis wird dem Bundesrat eingeräumt, der sie jedoch dem EDA übertragen kann (Art. 26). Das EDA muss die Entscheidungsinstanz bilden, da die Massnahmen in erster Linie durch politische

62

SR 0.193.235.1

8069

Umstände bedingt sind und darauf abzielen, die vom EJPD in Übereinstimmung mit dem BWIS getroffenen Massnahmen zu ergänzen.

2.5.4

Entschädigung der Kantone (Art. 21)

Elf Kantone haben ausdrücklich verlangt, dass der Bund per Gesetz verpflichtet wird, die Kantone für die Aufgaben zu entschädigen, die sie im Zusammenhang mit dem Gaststaatgesetz zu erfüllen hätten. Es wurde eine neue Bestimmung in den Entwurf aufgenommen. Da es in der Praxis lediglich um Sicherheitsmassnahmen geht, sieht die neue Bestimmung für den Bund die Möglichkeit vor, die Kantone für die Aufgaben, die sie in Anwendung von Artikel 20 Buchstabe f des Gaststaatgesetzes erfüllen und für die sie nicht aufgrund der Bundesverfassung zuständig sind, angemessen zu entschädigen.

Die Modalitäten der Anwendung von Art. 20 Bst. f, und damit die Frage der Entschädigungen im Sinne von Art. 21, werden, um die konkreten Bedürfnisse der Eidgenossenschaft und der Kantone festzulegen, im Gespräch mit den beteiligten Kantonen zu erörtern sein. Unabdingbar sein wird die Zusammenarbeit mit dem Bundessicherheitsdienst, damit die zu ergreifenden Sicherheitsmassnahmen koordiniert werden können; auch wird es darum gehen festzustellen, welche Massnahmen sich aus dem BWIS ergeben und welche in Anwendung des Gaststaatgesetzes zu treffen sind.

Es versteht sich, dass die Sicherheitsmassnahmen, die sich aus den völkerrechtlichen Pflichten des Bundes ergeben (Schutz von diplomatischen Liegenschaften und von Personen mit offizieller Funktion), gestützt auf das BWIS getroffen werden. Die Schweiz empfängt jedoch nicht nur Staatsoberhäupter, Minister oder Delegierte an internationalen Konferenzen, sondern auch andere politische Persönlichkeiten, die keine offizielle Regierungsfunktion (mehr) ausüben. Das kann beispielsweise ein ehemaliger Präsident der USA sein, der einen Vortrag in der Schweiz hält, oder der Anführer einer Befreiungsbewegung, der mit Zustimmung der Schweizer Behörden zu vertraulichen Verhandlungen eingeladen ist, die wegen unserer Neutralität in der Schweiz stattfinden. Auch wenn die Schweiz streng genommen nicht verpflichtet ist, in solchen Fällen besondere Sicherheitsmassnahmen vorzusehen, weil es sich nicht um Personen handelt, die gemäss Völkerrecht besonderen Schutz geniessen und ausdrücklich unter die Massnahmen des BWIS fallen, kann sie doch auf ihrem Staatsgebiet keine bedrohten oder politisch besonders exponierten Personen empfangen, ohne sie angemessen zu schützen; es könnte ein Attentat gegen sie
verübt werden. Die Erfahrung zeigt, dass solche Personen nur bereit sind, in die Schweiz zu reisen, wenn ihnen ein ausreichender Schutz zugesichert wird. Sollte sich ein Zwischenfall ereignen, ohne dass die Schweiz nachweisen kann, dass sie alles in ihrer Macht Stehende unternommen hat, um ihn zu verhindern, würde ihr Ruf als Land, das ihre guten Dienste zur Beilegung von Konflikten anbietet und zahlreiche internationale Konferenzen beherbergt, stark leiden. Die Schweiz muss deshalb im Sicherheitsbereich Rahmenbedingungen bieten, die den internationalen Bedürfnissen optimal entsprechen. Dabei braucht es zusätzliche Massnahmen, die einen hinreichenden Schutz gewährleisten. Solche Massnahmen sind auch bisher, oft unter Zeitdruck, verlangt worden, ohne dass sie gegenwärtig bei der Berechnung der Entschädigungen an die Kantone berücksichtigt würden.

8070

2.5.5

Finanzierung (Art. 22)

Die zur Umsetzung dieses Gesetzes erforderlichen finanziellen Mittel werden in den Voranschlag eingestellt. Bei Verpflichtungen, die über ein Budgetjahr hinaus wirken, wird ein Verpflichtungskredit eingeholt. Die Baukredite werden wie bis anhin Gegenstand eines solchen Verpflichtungskredits sein. Der Bundesrat behält sich ausserdem die Möglichkeit vor, entsprechend den spezifischen Bedürfnissen für die Finanzierung seiner Gaststaatpolitik, Verpflichtungskredite in Form von Rahmenkrediten zu verlangen, dies im Sinne des Bundesgesetzes über den eidgenössischen Finanzhaushalt63, um insbesondere über mehrere Jahre Finanzhilfen gewähren zu können.

2.5.6

Voraussetzungen, Verfahren und Modalitäten (Art. 23)

Die Voraussetzungen, das Verfahren und die Modalitäten für die Gewährung finanzieller Beiträge und anderer Unterstützungsmassnahmen werden vom Bundesrat geregelt, der damit ein effizientes und flexibles Instrument für eine aktive Gaststaatpolitik erhalten soll. Er untersteht jedoch der Budgetkompetenz der eidgenössischen Räte und kann nur im Rahmen der bewilligten Kredite handeln (Art. 22). Die eidgenössischen Räte behalten also die Kontrolle über die finanziellen Beiträge und anderen Unterstützungsmassnahmen.

2.6

Kapitel 5: Internationale Nichtregierungsorganisationen

2.6.1

Grundsatz (Art. 24)

Die internationalen Nichtregierungsorganisationen (INGO) nehmen in den internationalen Beziehungen eine zunehmend wichtigere Stellung ein. Namentlich werden sie oft eingeladen, an internationalen Konferenzen teilzunehmen und einen Beitrag an die Arbeit zwischenstaatlicher Organisationen und internationaler Institutionen zu leisten. Die Staaten konsultieren die INGO immer häufiger und regelmässiger.

Bislang wurden die INGO im Rahmen des Bundesrechts nicht spezifisch als solche anerkannt. Ohne die INGO ausdrücklich zu erwähnen, werden die Bestimmungen über Vereine und Stiftungen (Art. 60 ff. des Zivilgesetzbuchs) oder über gemeinnützige juristische Personen auf sie angewendet (namentlich im Rahmen der Steuergesetzgebung). Es geht nun darum, ihnen die politische Anerkennung als Akteure im Bereich der Gaststaatpolitik zu gewähren.

Allerdings berechtigt diese Anerkennung die INGO nicht zur Einforderung von Vorrechten und Immunitäten; deshalb figurieren sie auch nicht unter den Begünstigten von Artikel 2. Trotzdem erlaubt es Artikel 24 dem Bund, die Niederlassung und die Tätigkeit einer INGO in der Schweiz im Rahmen des geltenden Rechts zu erleichtern, wenn sie für die Gaststaatpolitik von besonderem Interesse ist. Das Gaststaatgesetz verweist darauf, dass die INGO in den Genuss von Begünstigungen 63

SR 611.0

8071

kommen, die in anderen Bundesgesetzen wie z.B. dem Gesetz über die direkte Bundessteuer (DBG)64 oder den Bestimmungen über die Anstellung von ausländischem Personal geregelt sind, wobei die darin festgelegten Voraussetzungen und Befugnisse beachtet werden müssen. Die INGO können insbesondere beantragen, zu den vom DBG gestellten Bedingungen in den Genuss der Bestimmungen nach Artikel 56 Buchstabe g des DBG zu kommen, wobei der Entscheid bei den vom DBG bezeichneten zuständigen Behörden liegt. Es ist nicht vorgesehen, in Anwendung dieser Bestimmungen Steuererleichterungen an Organisationen zu gewähren, die zur Hauptsache kommerzielle Tätigkeiten ausüben, da sie die vom DBG gestellten Bedingungen nicht erfüllen würden.

Im Rahmen der Vernehmlassung wurde die Situation der internationalen Sportverbände hervorgehoben. Als INGO nehmen diese in der Sportwelt einen besonderen Platz ein, und zwar sowohl im Spitzensport als auch in der Förderung des Breitensports. Die Sportverbände unterscheiden sich stark voneinander, namentlich was ihre Finanzstärke und ihre Funktionsweise anbelangt. Einzelne Vernehmlassungsteilnehmer hätten ihnen gerne zusätzliche Bedingungen auferlegt, insbesondere durch eine Anpassung der DBG, und die Sportverbände verpflichtet, die Bilanz und die Löhne ihrer Direktionsmitglieder offen zu legen. Indem die internationalen Sportverbände nicht Begünstigte von Vorrechten und Immunitäten im Sinne von Artikel 2 sind und die möglichen Steuerbefreiungen, die sie geniessen, aus dem DBG herrühren, ist der Bundesrat der Ansicht, dass die geforderten Änderungen des DBG die Steuerpolitik und nicht die Gaststaatpolitik betreffen. Ausserdem muss vermieden werden, dass auf diesem Weg eine Ungleichbehandlung unter den INGO stattfindet, die eine Anwendung von Artikel 56 Buchstabe g des DBG verlangen können. Der Bundesrat ist deshalb der Ansicht, dass kein Anlass besteht, solche Änderungen der DBG am Rande der Verabschiedung des Gaststaatgesetzes zu integrieren.

2.6.2

Begriff der INGO (Art. 25)

Der wichtigste Unterschied zwischen der INGO und der klassischen NGO beruht auf dem geographischen Kreis ihrer Tätigkeiten und dem Kreis ihrer Mitglieder. Die Definition der INGO gemäss Artikel 25 dient zunächst der Unterscheidung zwischen der klassischen, auf nationaler oder regionaler Ebene tätigen NGO und der INGO, deren Tätigkeit sich in verschiedenen Staaten auswirkt. Angesichts der zahlreichen bestehenden INGO, die in sehr unterschiedlichen Bereichen tätig sind, die für die Zivilgesellschaft von besonderem Interesse sind, muss der Kreis der INGO festgelegt werden, die wegen ihrer Bedeutung für die Gaststaatpolitik des Bundes in den Genuss der im Bundesrecht vorgesehenen Erleichterungen kommen können, ohne jedoch dass der Geltungsbereich der übrigen Bundesgesetze eingeschränkt wird.

Artikel 25 hält fest, dass eine INGO wie die NGO die Rechtsform eines Vereins oder einer Stiftung nach Schweizer Recht besitzen muss und damit nach nationalem Recht rechtsfähig sein muss. Zur Unterstreichung ihres internationalen Charakters muss sie jedoch Mitglieder unterschiedlicher Staatsangehörigkeit umfassen und ihre Tätigkeit in verschiedenen Staaten ausüben. Eine INGO muss öffentliche oder gemeinnützige Zwecke verfolgen und sich damit von wirtschaftlichen oder politi64

SR 642.11

8072

schen Gremien unterscheiden (s. Ziff. 2.3.5.1). Sie muss mit einer zwischenstaatlichen Organisation oder internationalen Institution zusammenarbeiten. Eine derartige Zusammenarbeit kann durch einen Beobachterstatus, aber auch durch andere Formen der Kooperation wie z.B. die Teilnahme an Arbeitsgruppen, Programmen usw.

gegeben sein. Schliesslich muss die Anwesenheit der INGO auf schweizerischem Hoheitsgebiet für die Schweiz von besonderem Interesse sein.

2.7

Kapitel 6: Befugnisse

2.7.1

Gewährung (Art. 26)

Der Bundesrat bleibt weiterhin zuständig für die Gewährung von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen. Ihm obliegt es auch, unter Vorbehalt der Budgetkompetenz der eidgenössischen Räte finanzielle Beiträge zu gewähren und andere Unterstützungsmassnahmen zu beschliessen. Es ist tatsächlich unabdingbar, dass diese Befugnisse dem Bundesrat übertragen werden. Die Fristen zur Unterbreitung einer Kandidatur, um einen neuen institutionellen Begünstigten in der Schweiz zu empfangen, sind oftmals sehr kurz, und der Bundesrat muss in der Lage sein, rasch ein Angebot zu unterbreiten, wenn er dies angesichts der anderen Kandidaturen für zweckmässig erachtet. Im Übrigen bildet die Gaststaatpolitik einen wichtigen Bestandteil der Aussenpolitik des Bundes, und gemäss Artikel 184 der Bundesverfassung werden die auswärtigen Angelegenheiten vom Bundesrat besorgt.

Zur Erfüllung seiner Aufgaben bei der Umsetzung des Gaststaatgesetzes muss der Bundsrat weiterhin in eigener Zuständigkeit völkerrechtliche Verträge abschliessen können. Auf der Grundlage des Bundesbeschlusses von 1955 ist dies bereits für Sitzabkommen und Fiskalabkommen mit internationalen Organisationen der Fall.

Artikel 26 Absatz 2 sieht deshalb vor, dass der Bundesrat völkerrechtliche Verträge über die Gewährung von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen abschliessen kann. Zu diesem Zweck kann er Sitzabkommen, Fiskalabkommen, multilaterale Protokolle über Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen, entsprechende Abkommen mit internationalen Konferenzen oder bilaterale Abkommen mit Staaten abschliessen, die gewährleisten, dass diese Staaten den schweizerischen Vertretungen auf ihrem Hoheitsgebiet mindestens eine gleich vorteilhafte Behandlung gewähren, wie sie ihren eigenen in der Schweiz niedergelassenen Vertretungen zuerkannt wird (zum Beispiel im Bereich des Familiennachzugs oder des Zugangs von Ehegatten und Kindern zum Arbeitsmarkt). Auf dem Gebiet der Sozialversicherungen ist der Bundesrat auf Grund eines Bundesbeschlusses vom 22. März 199665 befugt, mit internationalen Organisationen Abkommen über den sozialversicherungsrechtlichen Status internationaler Beamter schweizerischer Staatsangehörigkeit abzuschliessen.

Diese Befugnis wird in Artikel 26 Absatz 2 Buchstabe c übernommen.

Die Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen sind
nicht die einzigen Fragen, die vertraglich geregelt werden müssen. Der Bundesrat muss auch die Befugnis haben, die Modalitäten der Gewährung finanzieller Beiträge und anderer Unterstützungsmassnahmen in gesonderten Abkommen festzulegen.

65

AS 1996 2116

8073

Die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern im Bereich der Gaststaatpolitik muss verstärkt werden können. Die internationalen Organisationen sind gegenwärtig hauptsächlich auf die Region Genf konzentriert, und zahlreiche internationale Beamte ziehen es vor, im benachbarten Frankreich zu wohnen. Seit den Siebzigerjahren wurden auf regionaler Ebene enge Bande geknüpft, um Lösungen für die Herausforderungen der Gemeinden zu finden, so unter anderem die Anpassung der Bedürfnisse in Bezug auf Strassen, Schulen, Wohnmöglichkeiten, Spitäler usw.

Diese Bedürfnisse sind nicht lediglich eine Folge der Anwesenheit internationaler Organisationen in der Region, sondern auch des Grenzgängerflusses, der infolge der Liberalisierung des Personenverkehrs zugenommen hat. Deshalb könnte sich eine Verstärkung der regionalen Zusammenarbeit durch spezifische Abkommen auf nationaler Ebene als zweckmässig erweisen. Solche Abkommen, die in die Zuständigkeit des Bundesrats fallen, würden in Zusammenarbeit mit den betreffenden Departementen des Bundes und den zuständigen Kantonsbehörden ausgearbeitet.

Auch wenn Frankreich diesbezüglich als erster Partner in Frage kommt, wären je nach Entwicklung der Gaststaatpolitik auch Kooperationsabkommen mit anderen Nachbarländern denkbar, namentlich im Zusammenhang mit der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel.

Zur Entlastung des Bundesrats ist vorgesehen, dass er die Befugnis zur Gewährung befristeter Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen dem EDA überträgt. Hier geht es im Wesentlichen darum, dass dem EDA ermöglicht wird, im Zusammenhang mit internationalen Konferenzen, die in der Schweiz zusammentreten möchten oder um deren Aufnahme das EDA sich bewirbt, rasch entscheiden zu können. Das EDA ist jedoch nicht befugt, in eigener Zuständigkeit unbefristete Sitz- oder Fiskalabkommen abzuschliessen. Des Weiteren muss es gewisse finanzielle Befugnisse haben, die der Bundesrat im Rahmen der bewilligten Kredite festlegt, damit es die in diesem Bereich erforderlichen Entscheide rasch und effizient treffen kann. Angesichts der Dringlichkeit von Sicherheitsfragen muss dem EDA auch die Kompetenz eingeräumt werden, die zuständigen Polizeibehörden anzuweisen, zusätzlich zu den gestützt auf das BWIS getroffenen Massnahmen weitere Sicherheitsmassnahmen zu ergreifen.

Bei der Gewährung
von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen an institutionelle Begünstigte handelt es sich nicht um eine Verfügung im Sinne von Artikel 5 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren, sondern um Grundsatzentscheide, die in den Bereich der gesetzgeberischen oder der Regierungstätigkeit des Bundesrats fallen. Die den begünstigten Personen gewährte Rechtsstellung hängt von der Rechtsstellung des institutionellen Begünstigten ab, da die Vorrechte und Immunitäten nicht der Bevorzugung von Privatpersonen, sondern der Sicherstellung einer effizienten Erfüllung derer offiziellen Aufgaben dienen. Nach Auffassung des Bundesrats können konkrete Entscheide in Bezug auf begünstigte Personen ­ z.B.

Ausstellung oder Verweigerung eines Visums, einer Aufenthaltsbewilligung (Legitimationskarten) oder Aufhebung der Vorzugsstellung infolge Missbrauchs ­ nicht auf dem Rechtsweg angefochten werden. In der Tat sind die in offizieller Eigenschaft bei einem institutionellen Begünstigten in der Schweiz tätigen Personen nur insoweit zum Aufenthalt in der Schweiz berechtigt, als dies für die Bedürfnisse des institutionellen Begünstigten erforderlich ist. Wenn es also hinsichtlich ihrer Rechtsstellung in der Schweiz zu einem Streitfall kommen sollte, müsste dieser zwischen der Schweiz und dem betreffenden institutionellen Begünstigten auf diplomatischem Wege geregelt werden. Dasselbe gilt in der Regel für die Rechtsstellung der Perso8074

nen, die berechtigt sind, die in offizieller Eigenschaft tätigen Personen zu begleiten, da deren Anwesenheit in der Schweiz ausschliesslich durch die Präsenz des betreffenden institutionellen Begünstigten und der Person begründet ist, die sie begleiten.

Überdies ist festzuhalten, dass Entscheide bezüglich der inneren und äusseren Sicherheit, der Neutralität, des diplomatischen Schutzes und anderer Belange der Aussenbeziehungen in der Regel der Beschwerde an den Bundesrat unterstehen.

Hingegen ist es nicht möglich, abstrakt und generell festzulegen, welche finanziellen Beiträge und anderen Unterstützungsmassnahmen unter die Ausschlussregel fallen, die für Entscheide im Bereich der Aussenbeziehungen gilt. Die Frage muss von Fall zu Fall geprüft werden. In einigen Fällen wie z.B. den freiwilligen Beiträgen an institutionelle Begünstigte scheint die Anwendbarkeit der Ausschlussregel jedoch offensichtlich gegeben, da diese Beiträge überwiegend politisch begründet sind.

2.7.2

Arbeitsbedingungen der begünstigten Personen (Art. 27)

Im Rahmen der Vernehmlassung haben mehrere Teilnehmer gefordert, die notwendigen Mittel seien zu identifizieren, um den privaten Hausangestellten korrekte Arbeits-, Unterkunfts-, Lohn- und Sozialversicherungsbedingungen zu gestatten.

Das EDA hat seit einigen Jahren eine Reihe von Massnahmen bereitgestellt wie z.B. die Richtlinie über die Anstellung von privaten Hausangestellten durch die Mitglieder des Personals von diplomatischen Missionen, ständigen Missionen, konsularischen Posten und internationalen Organisationen, die am 1. Mai 2006 aktualisiert worden ist (siehe Ziffer 2.3.2.6). Die Personen, die als private Hausangestellte eines «Internationalen» arbeiten wollen, erhalten schon mit dem Visumsantrag eine Informationsschrift, die sie auf die allgemein gültigen Bestimmungen des schweizerischen Rechts, auf Lohnregelungen sowie die oben erwähnte Richtlinie vom 1. Mai 2006 hinweist.

Es bestehen Probleme, die insbesondere auf die Immunität von der Gerichtsbarkeit, die dem Arbeitgeber durch internationales Recht gewährt wird, zurückzuführen sind.

Diesbezüglich können diplomatische Schritte eine gewisse Wirkung zeigen, stossen aber auch an ihre Grenzen. Ein Teil der aktuellen Schwierigkeiten rührt von den abweichenden Regelungen her, die zwischen den Kantonen bestehen und von den «Internationalen» schlecht verstanden werden. So verweisen gewisse kantonale Normalarbeitsverträge auf ortsübliche Löhne, und es ist für die betroffenen Personen schwierig, ihre Rechte und Pflichten zu bestimmen. Andere wiederum geben als Richtwert Mindestlöhne an, von denen der Arbeitsvertrag abweichen kann, sofern die Vertragsbedingungen keine Übervorteilung im Sinne des schweizerischen Rechts darstellen. Der Normalarbeitsvertrag des Kantons Genf schreibt einen verbindlichen Mindestlohn vor und erlaubt nicht die Anrechnung eventueller Zusatzleistungen, die der Arbeitgeber den privaten Hausangestellten ausrichten könnte, wie z.B. die Übernahme der Kosten für die Heimreise während der Ferien oder bei Beendigung des Dienstverhältnisses oder die Übernahme der Kosten für die ärztliche Behandlung. Es ist dies das Resultat des Föderalismus, aber es gibt eine Möglichkeit, Abhilfe zu schaffen, die unter anderem der Kanton Genf, der speziell betroffen ist, sich wünscht: dem Bundesrat soll die Befugnis erteilt werden, Normalarbeitsverträge für die privaten Hausangestellten von «Internationalen» zu erlassen.

8075

Artikel 359 Absatz 2 des Obligationenrechts (OR)66 sieht in der Tat vor, dass die Kantone verpflichtet sind, Normalarbeitsverträge zu erlassen, insbesondere für den Hausdienst. Die privaten Hausangestellten, die im Hausdienst von Mitgliedern ausländischer Vertretungen oder von Funktionären internationaler Organisationen arbeiten, sind innerhalb des völkerrechtlich definierten Rahmens dem schweizerischen Recht unterstellt. Daraus folgt, dass die kantonalen Normalarbeitsverträge auf sie Anwendung finden.

Artikel 27 des Gaststaatgesetzes zielt darauf ab, dem Bundesrat die alleinige Befugnis zu erteilen, Normalarbeitsverträge zu erlassen oder die Arbeitsbedingungen der begünstigten Personen nach Artikel 2 Absatz 2 in der Schweiz auf andere Weise regeln, soweit das Völkerrecht dies zulässt. Die kantonalen Normalarbeitsverträge werden somit für diese Arbeitnehmerkategorie nicht mehr anwendbar sein, da die Regelung der Arbeitsbedingungen der begünstigten Personen nach Artikel 2 Absatz 2 in der alleinigen Kompetenz des Bundesrats liegen wird. Es handelt sich hierbei um eine Sonderregelung zur allgemeinen Bestimmung von Artikel 359 OR.

Sie betrifft in erster Linie die Arbeitsbedingungen der privaten Hausangestellten.

2.7.3

Beilegung von privatrechtlichen Streitigkeiten bei Befreiung von der Gerichtsbarkeit und der Vollstreckung (Art. 28)

Beim Abschluss eines Sitzabkommens sieht der Bundesrat jeweils eine Klausel über die Beilegung privatrechtlicher Streitigkeiten vor. Es geht hier darum, die betreffende Organisation vertraglich zu verpflichten, ein System zur Beilegung von Streitigkeiten aus Verträgen vorzusehen, in denen sie Partei sein könnte ­ da sie kraft des Sitzabkommens Immunität von der Gerichtsbarkeit geniesst ­, sowie von Streitigkeiten, in die Angestellte des institutionellen Begünstigten die Immunität geniessen, und deren Immunität die Organisation nicht aufheben kann, verwickelt sein könnten, so dass die Streitigkeit nicht auf dem ordentlichen Rechtsweg beigelegt werden könnte. Artikel 28 legt auf Gesetzesebene eine Verpflichtung fest, die der Bundesrat bereits in sämtlichen Sitzabkommen vorgesehen hat, um den aus Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention67 erwachsenden Verpflichtungen Genüge zu tun.

2.7.4

Anhörung der Kantone (Art. 29)

Gemäss Artikel 4 des Bundesbeschlusses vom 30. September 1955 betreffend Vereinbarungen mit internationalen Organisationen über ihr rechtliches Statut in der Schweiz68 muss der Sitzkanton einer Organisation einem Sitz- oder Fiskalabkommen zustimmen, falls dieses Bestimmungen enthält, die dem Kantonsrecht widersprechen. Dies ist meistens dann der Fall, wenn diese Abkommen Befreiungen von den direkten und indirekten Bundes-, Kantons- und Gemeindesteuern vorsehen.

Dieser Bundesbeschluss wird mit dem Inkrafttreten des Gaststaatgesetzes aufgehoben.

66 67 68

SR 220 SR 0.101 SR 192.12

8076

Artikel 29 geht über die bisherige Praxis gemäss Bundesbeschluss von 1955 hinaus, indem er den Bundesrat verpflichtet, vor jedem Abschluss eines mindestens ein Jahr gültigen oder unbefristeten Abkommens über Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen den Sitzkanton des Begünstigten sowie die angrenzenden Kantone anzuhören, d.h. also auch dann, wenn das geplante Abkommen dem kantonalen Recht nicht widerspricht. Damit hat der Bundesrat den Vernehmlassungsanträgen entsprochen, die darauf abzielen, dass die Anhörung sich nicht nur auf unbefristete Abkommen beschränkt, sondern auch für zeitlich befristete Abkommen gilt. Wenn das abzuschliessende Abkommen vom Steuerrecht des Kantons abweicht, in dem sich der Sitz des Begünstigten befindet, ist dieser Kanton nicht nur anzuhören, sondern er muss dem Abschluss des Abkommens auch formell zustimmen. Die Bestimmung betrifft im Wesentlichen den Abschluss von Sitz- und Fiskalabkommen. Während die Anhörung der Sitzkantone bereits im Bundesbeschluss von 1955 verankert war ­ dieser regelt, dass die Zustimmung des interessierten Kantons einzuholen ist, wenn das Abkommen Bestimmungen enthält, die dem Recht des Sitzkantons der internationalen Organisation widersprechen ­, ist die Anhörung der angrenzenden Kantone eine durch das Gaststaatgesetz eingeführte Neuerung. Damit geht das Gaststaatgesetz über die im Gesetz über die Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik des Bundes (BGMK)69 festgelegten Anforderungen hinaus, das in Artikel 1 Absatz 1 vorsieht: «Die Kantone wirken an der Vorbereitung aussenpolitischer Entscheide mit, die ihre Zuständigkeiten betreffen oder ihre wesentlichen Interessen berühren».

Grundsätzlich werden Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen unbefristet gewährt. Der Gesetzesentwurf sieht jedoch in Artikel 5 auch vor, dass der Bundesrat die Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen befristen kann, und zwar namentlich bei unabhängigen Kommissionen, Sondermissionen oder internationalen Konferenzen, deren Mandat naturgemäss von beschränkter Dauer ist. Begünstigten dieser Kategorie wurde eine Vorzugsstellung bislang durch einen unilateralen Beschluss des Bundesrats gewährt, ohne dass der Sitzkanton vorgängig angehört wurde. In Ermangelung einer ausreichenden Rechtsgrundlage konnte der Bundesrat auf diesem Gebiet keine Abkommen abschliessen,
selbst wenn die Begünstigten darum ersuchten. Es könnte durchaus sein, dass der Bundesrat künftig mit gewissen Begünstigten ­ namentlich internationalen Konferenzen ­ Abkommen über die Gewährung von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen abschliesst, falls die Durchführung des Treffens in der Schweiz davon abhängig gemacht wird. In derartigen Fällen werden die Kantone ebenfalls angehört, wenn die Abkommen mindestens ein Jahr gültig sind. Eine Anhörung der Kantone ist hingegen nicht vorgesehen, wenn es sich um ein Abkommen von kurzer Dauer handelt, beispielsweise für eine internationale Konferenz, da die Fristen für die Anhörung oftmals zu kurz sind und sich die eventuellen Folgen vor allem im steuerlichen Bereich, für die Kantone in Grenzen halten.

Überdies könnte die Anhörung des Kantons einen Entscheid verzögern, der oftmals rasch gefällt werden muss, wenn sich neben der Schweiz auch noch andere Staaten um eine bevorstehende internationale Konferenz bewerben.

Im Rahmen der Vernehmlassung wurde gefordert, dass die Kantone im Sinne von Artikel 26 Absatz 2 Buchstabe e zu den Vertragsverhandlungen über die Zusammenarbeit mit Nachbarstaaten beigezogen werden. Das BGMK regelt bereits die Mitwirkung der Kantone. Artikel 29 Absatz 3 des Gaststaatgesetzes sieht deshalb 69

SR 138.1

8077

vor, dass sich die Grenzkantone gemäss BGMK an der Aushandlung völkerrechtlicher Verträge über die Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten im Bereich der Gaststaatpolitik beteiligen.

Schliesslich haben der Schweizerische Gemeindeverband und der Schweizerische Städteverband anlässlich der Vernehmlassung gefordert, dass die Gemeinden und Städte ebenso wie die Kantone angehört werden. Der Bundesrat ist der Meinung, dass die Kantone selber bestimmen sollten, in welchem Rahmen sie eine Anhörungspflicht für die betroffenen Gemeinden und Städte festlegen wollen, sobald ein Kanton in Anwendung des GStG zur Stellungnahme aufgefordert wird.

2.7.5

Auskunft (Art. 30)

Das EDA erteilt regelmässig Auskunft über die gewährten Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen, ihren Umfang und die Begünstigten. Es beantwortet insbesondere Anfragen von Gläubigern, die sich nach den rechtlichen Möglichkeiten gegenüber Schuldnern erkundigen, die Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen und namentlich Immunität von der Gerichtsbarkeit und der Vollstreckung geniessen.

Solche Anfragen werden gelegentlich von den Polizei- oder Gerichtsbehörden des Bundes und der Kantone im Rahmen von Untersuchungen und Gerichtsverfahren an das EDA gerichtet. Anfragen können auch von anderen Behörden stammen, beispielsweise von Gemeindebehörden, die abklären wollen, ob sich ein Begünstigter von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen bei der Einwohnerkontrolle melden muss oder ob dieser in den Genuss der Bestimmungen über das Ausländerstimmrecht kommt, falls der fragliche Kanton dieses Recht kennt. Falls die Anfragen Klagen betreffen, die sich direkt gegen Begünstigte von Vorrechten und Immunitäten richten, oder falls Begünstigte aufgerufen werden, in einem Verfahren, das Dritte betrifft, als Zeugen aufzutreten, ist in jedem Fall abzuklären, ob und unter welchen Bedingungen diese vor einer schweizerischen Gerichts- oder Verwaltungsbehörde erscheinen können oder müssen. Artikel 30 erklärt ausdrücklich das EDA als für die Auskunftserteilung zuständig. Selbstverständlich bleiben die betreffenden Departemente weiterhin zuständig für die Beantwortung von technischen Fragen, die ihren Fachbereich betreffen (z.B. Steuer- oder Zollfragen).

Da der Bundesrat und das EDA über Befugnisse im Bereich der Gewährung von finanziellen Beiträgen und anderen Unterstützungsmassnahmen verfügen, kann das EDA ferner darum gebeten werden, entsprechende Auskünfte zu erteilen, namentlich zur Förderung von finanziellen Beiträgen anderer Rechtsträger.

Selbstverständlich werden Auskünfte über Begünstigte von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen oder finanzieller Beiträge nur Personen erteilt, die ein besonderes Interesse an den betreffenden Informationen darlegen können.

8078

2.7.6

Einhaltung der Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen (Art. 31)

Die Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen werden den institutionellen Begünstigten gemäss Artikel 2 Absatz 1 gewährt. Personen, die bei diesen in offizieller Eigenschaft tätig sind, erhalten ihre Vorrechte und Immunitäten auf Grund ihrer offiziellen Funktion und nicht zu ihrem persönlichen Vorteil. Bereits das Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen70 ­ und nach ihm weitere einschlägige völkerrechtliche Verträge ­ anerkannte diesen Grundsatz in seiner Präambel, wonach «diese Vorrechte und Immunitäten nicht dem Zweck dienen, Einzelne zu bevorzugen, sondern zum Ziel haben, den diplomatischen Missionen als Vertretungen von Staaten die wirksame Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu gewährleisten».

Das Völkerrecht sieht für institutionelle Begünstigte entweder die Möglichkeit vor, auf ihre Immunitäten zu verzichten, um das ordnungsgemässe Funktionieren der Justiz zu gewährleisten, oder es verpflichtet die internationalen Organisationen zur Einführung eines Verfahrens zur Beilegung privatrechtlicher Streitigkeiten (s. Ziff. 2.7.3). Ausserdem können Personen, die Vorrechte und Immunitäten geniessen, Gegenstand eines Antrags auf Aufhebung ihrer Immunität sein, den der Gaststaat an das Organ (Staat oder Organisation) richtet, dem sie unterstellt sind. Es kann jedoch vorkommen, dass der institutionelle Begünstigte in einem besonderen Fall nicht auf die Immunität verzichten will. Im Übrigen könnten gewisse Begünstigte versucht sein, Vorrechte und Immunitäten zu persönlichen Zwecken zu missbrauchen, die ihrem eigentlichen Zweck zuwiderlaufen. Artikel 31 umfasst die heutige Praxis, wonach der Bundesrat über die Einhaltung der gewährten Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen wacht und im Rahmen des Völkerrechts die erforderlichen Massnahmen trifft, wenn er einen wiederholten Missbrauch feststellt. Der Entzug von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen soll gemäss Völkerrecht nur dann beschlossen werden, wenn alle anderen verfügbaren Mittel keine Regelung der Situation ermöglicht haben, insbesondere wenn der institutionelle Begünstigte, dem die betroffene Person unterstellt ist, sich weigert, die Immunität des Betroffenen aufzuheben oder ihn abzuberufen ­ respektive wenn der betroffene institutionelle Begünstigte der Aufforderung zur Aufhebung der Immunität oder zum Rückruf
nicht innert nützlicher Frist nachgekommen ist ­ und wenn der Zweck eine solche Massnahme rechtfertigt. Vorbehalten bleiben besondere Umstände, die dazu zwingen können, unverzüglich eine solche Massnahme zu ergreifen. Eine solche Massnahme betrifft Einzelpersonen häufiger als institutionelle Begünstigte, die Kündigung eines entsprechenden Abkommens ist indes nicht ausgeschlossen; der Bundesrat hat bereits einmal einen derartigen Entscheid gefällt. Mit dieser Bestimmung soll also die Befugnis des Bundesrats und des EDA zur Kontrolle der ordnungsgemässen Nutzung der im Bereich der Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen gewährten Vorteile verankert werden.

Wie unter Ziffer 2.7.2 erwähnt, haben im Rahmen der Vernehmlassung mehrere Intervenienten gewünscht, dass Massnahmen ergriffen werden, um die Rechte der privaten Hausangestellten von «Internationalen» und insbesondere gegenüber Arbeitgebern, die Immunität von der Gerichtsbarkeit geniessen, zu schützen. Es handelt sich hierbei angesichts der kulturellen und rechtlichen Unterschiede, die 70

SR 0.191.01

8079

hierzu existieren können, um einen besonders heiklen Bereich. Der Bundesrat wird, wie in der Vergangenheit, darüber wachen, dass die betroffenen Personen klar über ihre einschlägigen Rechte und Pflichten informiert werden und entsprechend dem Völkerrecht intervenieren, um den geltenden Bestimmungen Nachachtung zu verschaffen.

2.7.7

Aussetzung, Entzug und Rückzahlung finanzieller Beiträge und anderer Unterstützungsmassnahmen (Art. 32)

Der Bundesrat oder das EDA kann die Ausrichtung finanzieller Beiträge oder anderer Unterstützungsmassnahmen aussetzen oder bereits ausgerichtete Beiträge ganz oder teilweise zurückfordern, wenn der Begünstigte die Aufgabe, für die der finanzielle Beitrag vorgesehen war, nicht ausführt. Diese in der Praxis bereits bestehende Befugnis soll nun durch Artikel 32 bestätigt werden.

2.8

Kapitel 7: Schlussbestimmungen

2.8.1

Ausführungsbestimmungen (Art. 33)

Der Bundesrat wird beauftragt, die Ausführungsbestimmungen zum Gaststaatgesetz zu erlassen. Dabei gilt es insbesondere die Art der Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen zu regeln, die jeder Kategorie von Begünstigten innerhalb der Grenzen gewährt werden können, welche die internationalen Übereinkommen, denen die Schweiz beigetreten ist, dem Gaststaat auferlegen.

Überdies kann der Bundesrat die Kantone oder juristische Personen des Privatrechts zum Vollzug des Gesetzes beiziehen, beispielsweise indem er bei der Festlegung und Umsetzung der Gaststaatpolitik mit ihnen zusammenarbeitet, so wie dies bereits heute der Fall ist. Des Weiteren kann er administrative Aufgaben im Bereich der Gaststaatpolitik juristischen Personen des Privatrechts übertragen, beispielsweise im Hinblick auf die Verbesserung der Bedingungen zur Aufnahme und Integration der «Internationalen». Dies ist bereits heute der Fall, was das «Centre d'accueil ­ Genève internationale» betrifft. Diese Bestimmung ist notwendig, da die Übertragung von Verwaltungsaufgaben an Organisationen und Personen des öffentlichen und privaten Rechts, die ausserhalb der Bundesverwaltung stehen, gemäss Artikel 178 Absatz 3 der Bundesverfassung eine formelle Rechtsgrundlage erfordert.

2.8.2

Aufhebung und Änderung bisherigen Rechts (Art. 34)

Die Aufhebung und Änderung bisherigen Rechts wird im Anhang zum Gesetzesentwurf geregelt. Mit dem Inkrafttreten des Gaststaatgesetzes müssen geltende Bestimmungen, die durch das neue Gesetz abgedeckt werden, aufgehoben werden.

8080

Daneben muss eine Reihe von Bundesgesetzen angepasst werden. Der Hauptzweck dieser Änderungen besteht jedoch darin, die Terminologie der verschiedenen Gesetze anzupassen, und nicht darin, deren Geltungsbereich zu erweitern oder ihren Gehalt zu ändern.

Änderung des Bundesgesetzes vom 21. März 199771 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit Art. 5 Abs. 1 Bst. b Bei dieser Änderung geht es darum, die Terminologie dem Gaststaatgesetz anzupassen.

Änderung des Bundesgesetzes vom 26. März 193172 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer Art. 25 Abs. 1 Bst. f Bei dieser Änderung geht es darum, die Terminologie dem Gaststaatgesetz anzupassen. Artikel 98 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG), dessen Inkraftsetzung von der Volksabstimmung vom 24. September 2006 abhängt, muss entsprechend geändert werden.

Änderung des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 198373 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland Art. 7 Bst. h Der Erwerb von Grundstücken durch institutionelle Begünstigte gemäss Artikel 2 Absatz 1 des Gaststaatgesetzes wird künftig ausschliesslich durch dieses Gesetz geregelt. Deshalb ist der erste Teil von Artikel 7 Buchstabe h BewG aufzuheben.

Art. 7 a (neu) Diese neue Bestimmung legt fest, dass der Erwerb von Grundstücken durch institutionelle Begünstigte gemäss Artikel 2 Absatz 1 des Gaststaatgesetzes ausschliesslich diesem Gesetz untersteht.

Art. 16 Abs. 2 Aus denselben Gründen ist Artikel 16 Absatz 2 BewG aufzuheben. Die Bestimmung wird in Artikel 16 des Gaststaatgesetzes übernommen.

Änderung des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 199074 Art. 2 Abs. 4 Bst. a Bei dieser Änderung geht es darum, die Terminologie dem Gaststaatgesetz anzupassen.

71 72 73 74

SR 120 SR 142.20 SR 211.412.41 SR 616.1

8081

Änderung des Bundesgesetzes vom 2. September 199975 über die Mehrwertsteuer Art. 90 Abs. 2 Bst. a Bei dieser Änderung geht es darum, die Terminologie dem Gaststaatgesetz anzupassen. Die geltenden Bestimmungen benützen den Begriff der internationalen Organisationen, der im Gaststaatgesetz nicht mehr verwendet wird, und sie unterscheiden nicht zwischen den verschiedenen Kategorien von Begünstigten nach Artikel 2 des Gaststaatgesetzes, die der Bundesrat durch den Abschluss eines Sitzoder Fiskalabkommens von der MWST befreien könnte (s. auch Ziff. 2.3.2.3).

Änderung des Mineralölsteuergesetzes vom 21. Juni 199676 Art. 17 Abs. 1 Bst. g (neu) und h (neu) Diese Bestimmungen sind neu, halten jedoch nur die gegenwärtige Praxis hinsichtlich der Befreiung von der Mineralölsteuer fest. Diese Befreiung beruht auf dem Völkerrecht, namentlich auf dem Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen, das die Befreiung von sämtlichen direkten und indirekten Bundes-, Kantons- und Gemeindesteuern vorsieht. Diese Änderung wird aus Gründen der Rechtsklarheit beantragt.

Änderung des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 199077 über die direkte Bundessteuer Art. 15 Abs. 1 Bei dieser Änderung geht es darum, die Terminologie dem Gaststaatgesetz anzupassen.

Art. 56 Bst. i Bei dieser Änderung geht es darum, die Terminologie dem Gaststaatgesetz anzupassen. Der gegenwärtige Wortlaut des DBG entspricht den heutigen Gegebenheiten nicht, insbesondere was die Steuerbefreiungen anbelangt, die zwischenstaatliche Organisationen aufgrund des Völkerrechts geniessen. Überdies wurde der Vorbehalt des Gegenrechts gestrichen, da dieses von institutionellen Begünstigten wie zwischenstaatlichen Organisationen, internationalen Institutionen oder internationalen Gerichtshöfen nicht zugesichert werden kann.

Änderung des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 199078 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden Die Änderungen sollen die Koordinierung mit den Änderungen des Bundesgesetzes über die direkten Bundessteuern sicherstellen und verfolgen deshalb denselben Zweck.

Art. 4a (neu)

Ausnahmen

Das Gesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden enthält im Gegensatz zum Gesetz über die direkte Bundessteuer keine Bestim75 76 77 78

SR 641.20 SR 641.61 SR 642.11 SR 642.14

8082

mung über die Befreiung begünstigter Personen gemäss Artikel 2 Absatz 2 des Gaststaatgesetzes. Hier muss also vorgesehen werden, dass Personen, die gemäss Artikel 2 Absatz 2 des Gaststaatgesetzes in dem Genuss von Steuerbefreiungen kommen, von der Steuerpflicht befreit werden. Die neue Bestimmung bezweckt lediglich, die gegenwärtige, durch das Völkerrecht begründete Praxis der Steuerbefreiung ausdrücklich im Gesetz zu verankern. Diese Änderung wird aus Gründen der Rechtsklarheit beantragt.

Art. 23 Abs. 1 Bst. h Bei dieser Änderung geht es darum, die Terminologie dem Gaststaatgesetz anzupassen (s. auch Kommentar zur Änderung des DBG).

Änderung des Bundesgesetzes vom 13. Oktober 196579 über die Verrechnungssteuer Art. 28 Abs. 2 Bei dieser Änderung geht es darum, die Terminologie dem Gaststaatgesetz anzupassen.

Änderung des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 194680 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung Art. 1a Abs. 4 Bst. b Bei dieser Änderung geht es darum, die Terminologie dem Gaststaatgesetz anzupassen. Sie berührt nicht den materiellen Gehalt des Artikels. Sie präzisiert, dass die Angestellten schweizerischer Nationalität eines institutionelles Begünstigten nach Artikel 2 Absatz 1 des Gaststaatgesetz der Alters- und Hinterlassenversicherung freiwillig beitreten können, wenn sie auf Grund eines Abkommens zwischen den Bundesrat und dem institutionellen Begünstigten vom obligatorischen schweizerischen Sozialversicherungssystem befreit wurden.

Änderung des Bundesgesetzes vom 18. März 199481 über die Krankenversicherung Art. 3 Abs. 2 Bei dieser Änderung geht es darum, die Terminologie dem Gaststaatgesetz anzupassen.

Änderung des Bundesgesetzes vom 20. März 198182 über die Unfallversicherung Art. 1a Abs. 2 Bei dieser Änderung geht es darum, die Terminologie dem Gaststaatgesetz anzupassen.

79 80 81 82

SR 642.21 SR 831.10 SR 832.10 SR 832.20

8083

Änderung des Bundesgesetzes vom 25. Juni 198283 über die Arbeitslosenversicherung (AVIG) Art. 2a Bei dieser Änderung geht es darum, die Terminologie dem Gaststaatgesetz anzupassen.

3

Auswirkungen

3.1

Finanzielle Auswirkungen

Es ist weitgehend anerkannt, dass die Anwesenheit internationaler Organisationen infolge der Ausgaben, die sie und die in offizieller Eigenschaft bei ihnen beschäftigten Personen tätigen, für den Gaststaat einen gewichtigen wirtschaftlichen Vorteil darstellt. Gemäss den derzeit verfügbaren Daten84 beträgt das jährliche Gesamtbudget der in der Schweiz niedergelassenen zwischenstaatlichen Organisationen rund 8 Milliarden Schweizer Franken. 2003 beliefen sich die Ausgaben dieser Organisationen auf rund 4,9 Milliarden Schweizer Franken. Ein Grossteil der Gelder fliesst in die Schweiz, entweder in Form von Gehältern, die den bei den Organisationen angestellten und in der Schweiz wohnhaften Personen ausbezahlt werden, oder in Form von Zahlungen an Unternehmen in der Schweiz für Güter und Dienstleistungen. Die internationale Gemeinschaft in der Schweiz ­ internationale Beamte, Mitglieder ausländischer Vertretungen, Familienmitglieder ­ zählt rund 35 000 Personen, und es wird geschätzt, dass durch die Präsenz der internationalen Organisationen und ständigen Missionen in Genf rund 14 000 Arbeitsplätze geschaffen wurden. Dazu kommt der bedeutsame wirtschaftliche Beitrag infolge der Durchführung internationaler Konferenzen und der damit verbundenen Anwesenheit zahlreicher internationaler Delegierter in der Schweiz. Diese sind gern gesehene Kunden in Hotels und Restaurants. 2003 nahmen mehr als 128 000 Delegierte und Experten an rund 2500 Treffen und Konferenzen in der Schweiz teil. In Genf wurden rund 3000 Besuche von Staats- oder Regierungschefs, Ministern und anderen Würdenträgern verzeichnet. Die wichtigsten INGO in der Schweiz führten rund 1500 Treffen durch.

Das Gaststaatgesetz zielt darauf ab, die Praxis des Bundesrats bezüglich der Gewährung von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen sowie finanzielle Beiträge und weiterer Unterstützungsmassnahmen an eine klar umrissene Kategorie von Begünstigten zu kodifizieren und konsolidieren. Es hat keine negativen Auswirkungen auf die Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, die keine zusätzliche Aufgabe im Zusammenhang mit der Umsetzung des Gaststaatgesetzes übernehmen. Die Unternehmen kommen dagegen in den Genuss der Ausgaben, die von den internationalen Organisationen, den ausländischen Vertretungen und ihrem Personal in der Schweiz getätigt werden.

83 84

SR 837.0 S. namentlich die alljährlich vom Amt für Statistik des Kantons Genf (OCSTAT) veröffentlichte Statistik «Enquête sur les organisations internationales».

8084

3.1.1

Hinsichtlich der Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen

Hinsichtlich der Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen wird das Gaststaatgesetz keine direkten finanziellen Konsequenzen zeitigen. Die Steuerprivilegien wirken sich jedoch auf die Einnahmen des Bundes, der Kantone und der Gemeinden aus, da die Behörden auf die Erhebung von Steuern auf bestimmten Einkommensund Vermögenselementen verzichten. Es ist kaum möglich, die Auswirkungen dieser Steuerbefreiungen zu beziffern, da die Begünstigten von Vorrechten, Immunitäten und Erleichterungen nicht verpflichtet sind, eine Steuererklärung auszufüllen.

Lediglich Schätzungen können angestellt werden, deren Ergebnisse jedoch zufallsbedingt sind und von den verwendeten Kriterien abhängen.

3.1.2

Hinsichtlich der finanziellen Beiträge und anderen Unterstützungsmassnahmen

3.1.2.1

Für den Bund

Das Gaststaatgesetz sieht für den Bund keine Verpflichtung zur Ausrichtung finanzieller Beiträge und anderer Unterstützungsmassnahmen vor, ermächtigt ihn jedoch dazu, indem es den Rahmen absteckt, innerhalb dessen der Bund dies tun kann. Die finanziellen Konsequenzen hängen somit davon ab, wie stark der Bund seine Gaststaatpolitik fördern will. Indes sind die vor allem internationalen Verpflichtungen zu berücksichtigen, die in diesem Bereich eingegangen wurden, und zwar insbesondere die Beteiligung des Bundes an den Betriebskosten des CICG, am Unterhalt des Centre William Rappard (CWR) sowie den Unterhalts- und Betriebskosten des Konferenzsaals des CWR (s. Ziff. 2.5.3).

Gegenwärtig werden die finanziellen Beiträge und anderen Unterstützungsmassnahmen durch den Kredit «Aufgaben der Schweiz als Gastland internationaler Organisationen» (Rubrik A2310.0276), durch die Kredite zugunsten des MICR (Rubrik 2310.0277), durch die Beherbergung des Schiedsgerichtshofs der OSZE (Rubrik A2310.0279), durch die Übernahme der Infrastrukturkosten (Rubrik A2310.0391), durch die Beiträge an bauliche Sicherheitsmassnahmen (Rubrik A2310.0392) sowie durch Darlehen finanziert, die durch die Immobilienstiftung für die internationalen Organisationen (FIPOI) in Genf gewährt werden (Rubrik A4200.0117).Im Zeitraum zwischen 2007 und 2010 sind Beiträge in der Grössenordnung von 18,4 Millionen respektive von 11,8 bis 14,2 Millionen Franken pro Jahr im Budget 2007 und im Finanzplan 2008­2010 vorgesehen.

Was die Darlehen an die FIPOI angeht, sind diese einerseits von den Bedürfnissen der internationalen Organisationen abhängig und andererseits von der Fähigkeit des Bundes, auf jedes Gesuch einzugehen. Wie bisher wird auch in Zukunft über jedes neue Darlehen gesondert entschieden. Unter Berücksichtigung der laufenden Projekte (insbesondere das Gebäude der WHO/UNAIDS), bewegen sich die im Budget 2007 und im Finanzplan 2008­2010 vorgesehenen Beträge in der Grössenordnung von 21 bis 45 Millionen Franken pro Jahr.

Wie unter Ziffer 2.5.4 erwähnt, müssen die Anwendungsmodalitäten von Artikel 20 Buchstabe f und somit die Entschädigungen zugunsten der Kantone im Sinne von Artikel 21 mit den betroffenen Kantonen diskutiert werden, um die entsprechenden 8085

konkreten Bedürfnisse zu ermitteln. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, detaillierte Informationen über die Kosten zu liefern, die dem Bund entstehen könnten. Diese dürften sich aufgrund einer groben unverbindlichen Schätzung im Rahmen von etwa 2­3 Millionen Franken pro Jahr bewegen.

Die eidgenössischen Räte behalten die Kontrolle über die finanziellen Konsequenzen der Gaststaatpolitik des Bundesrats, da die erforderlichen finanziellen Mittel gemäss Artikel 22 durch das Budget oder durch Verpflichtungskredite gesprochen werden.

3.1.2.2

Für die Kantone

Der Entwurf zum Gaststaatgesetz sieht für die Kantone keine finanziellen Verpflichtungen vor. Somit steht es den Kantonen frei, den Organisationen, die sich auf ihrem Gebiet niederlassen, in Anwendung ihrer eigenen Gesetzgebung Finanzhilfen zu gewähren. Wie unter den Ziffern 2.5.4 und 3.1.2.1 erwähnt, sieht der Gesetzesentwurf in Artikel 21 die Möglichkeit vor, dass der Bund die Kantone für die Aufgaben, die sie in Anwendung von Artikel 20 Buchstabe f erfüllen und für die sie nicht aufgrund der Bundesverfassung zuständig sind, angemessen entschädigt.

3.2

Anwendung der Ausgabenbremse

Artikel 20 sieht verschiedene Formen von finanziellen Beiträgen und anderen Unterstützungsmassnahmen vor. Zu Vorzugsbedingungen gewährte Darlehen und A-fonds-perdu-Beiträge sind Finanzhilfen im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 199085. Artikel 20 ermächtigt den Bund, zinslose Darlehen und wiederkehrende finanzielle Beiträge zu gewähren; damit führt dieser Artikel neue wiederkehrende Subventionen ein. Die Höhe dieser Subventionen kann nicht im Voraus festgelegt werden. Es ist indes nicht ausgeschlossen, dass die Grenze von 2 Millionen Franken in einem Einzelfall überschritten wird. Deshalb empfiehlt es sich, Artikel 20 der in Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV vorgesehenen Ausgabenbremse zu unterstellen.

3.3

Personelle Auswirkungen

Das vorgeschlagene Bundesgesetz hat keine Auswirkungen auf den Personalbestand des Bundes, der Kantone oder der FIPOI.

4

Legislaturplanung

Das Gaststaatgesetz ist im Bericht über die Legislaturplanung 2003­2007 (BBl 2004 1200) enthalten.

85

SR 616.1

8086

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Das Gaststaatgesetz betrifft das europäische Recht nicht. Soweit ein indirekter Bezug zu gewissen Bestimmungen des europäischen Rechts besteht, was namentlich im Bereich der Sozialversicherungen der Fall ist, stimmt das Gaststaatgesetz mit dem europäischen Recht überein.

6

Verfassungsmässigkeit

Der Gesetzesentwurf stützt sich auf die allgemeine Zuständigkeit des Bundes im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten (Art. 54 Abs. 1 BV).

8087

8088