06.076 Botschaft zum Abkommen über den Personenverkehr mit Algerien vom 13. September 2006

Sehr geehrte Herren Präsidenten Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit der vorliegenden Botschaft den Entwurf eines Bundesbeschlusses zu dem am 3. Juni 2006 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Demokratischen Volksrepublik Algerien unterzeichneten Abkommen über den Personenverkehr mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

13. September 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2006-1776

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Übersicht Die Schweiz hat seit einigen Jahren beträchtliche Schwierigkeiten mit dem Vollzug der Wegweisung von hunderten algerischer Staatsangehöriger mit unbefugtem Aufenthalt in ihrem Hoheitsgebiet. Um dieser unbefriedigenden Situation ein Ende zu bereiten, hat die Schweiz Algerien um den Abschluss eines Rückübernahmeabkommens ersucht. Nach mehreren Verhandlungsrunden konnte am 15. Februar 2006 ein solches Abkommen paraphiert werden.

Der Bundesrat hat das Abkommen mit Beschluss vom 24. Mai 2006 genehmigt. Es wurde anlässlich eines offiziellen Arbeitsbesuchs von Bundesrätin Micheline CalmyRey in Algier am 3. Juni 2006 von ihr und dem algerischen Minister für auswärtige Angelegenheiten unterzeichnet.

Dieses Abkommen regelt ausschliesslich die Rückübernahme von Angehörigen der beiden Vertragsstaaten und legt das entsprechende Verfahren fest. Auf diese Weise konkretisieren die Vertragsparteien ihre Absicht, die bereits bestehende Zusammenarbeit im Kampf gegen die illegale Migration zu verstärken.

Das Abkommen übernimmt die Prinzipien und die Struktur anderer Rückübernahmeabkommen, welche die Schweiz zu einem früheren Zeitpunkt abgeschlossen hat. Es ist das erste Abkommen dieser Art, das die Schweiz zusammen mit einem Maghreb-Staat unterzeichnet hat.

Da einige Bestimmungen des Abkommens die Delegationskompetenz des Bundesrates überschreiten, muss es vom Parlament genehmigt werden. Zudem wird der Bundesbeschluss betreffend die Genehmigung des Abkommens aufgrund von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 der Verfassung dem fakultativen Staatvertragreferendum unterstellt sein.

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Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

Zur Bekämpfung der illegalen Migration hat die Schweiz in den letzten Jahren neue bilaterale Rückübernahmeabkommen mit ihren Nachbarstaaten (Italien) ausgehandelt oder bereits vorhandene Abkommen zwecks Anpassung an die neuen Erfordernisse neu verhandelt (Deutschland, Frankreich und Österreich). In einem zweiten Schritt ging es darum, die Zusammenarbeit der Schweiz im Bereich Asyl und Migration auf weitere Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie auf Staaten, die mit der EU assoziiert sind, auszudehnen. Den Eckstein dieser Zusammenarbeit bildet die im Rahmen bilateraler Abkommen getroffene Regelung der Rückübernahme und der Durchbeförderung der von einem Wegweisungsentscheid betroffenen Personen sowie der Begleitung dieser Personen während der Durchbeförderung. Die Schweiz orientiert sich dabei an den EU-Mitgliedstaaten, die untereinander ebenfalls solche Abkommen abgeschlossen haben.

In Anbetracht des Umstandes, dass die illegale Migration ein globales und wachsendes Phänomen darstellt, hat die Schweiz jedoch auch mit Herkunfts- und Transitländern direkte Verhandlungen aufgenommen. Da die Rückübernahme einer Person mit unbefugtem Aufenthalt in das Hoheitsgebiet ihres Herkunftsstaates erst nach der Feststellung der Identität und dem Nachweis der Staatsangehörigkeit erfolgen kann, bemüht sich das Bundesamt für Migration (BFM) im Rahmen seiner Zuständigkeiten darum, mit den diplomatischen und konsularischen Vertretungen dieser Staaten eine Zusammenarbeit anzubahnen oder diese zu verstärken. Im vorliegenden Fall ist diese Massnahme in Anbetracht der relativ hohen Anzahl algerischer Staatsangehöriger mit unbefugtem Aufenthalt sowie gewisser Schwierigkeiten beim Wegweisungsvollzug von grosser Wichtigkeit.

1.2

Verlauf der Verhandlungen

Ein 1999 eingereichtes Gesuch um Eröffnung von Verhandlungen über ein Rückübernahmeabkommen blieb erfolglos, da die algerischen Behörden wünschten, dass die Schweiz vorgängig das von Algerien im Jahre 1998 gestellte Gesuch um Rechtshilfe in Strafsachen positiv beantworte. Indessen war es zu jenem Zeitpunkt in Anbetracht der in Algerien herrschenden Lage unmöglich, diesem Begehren zu entsprechen.

Vor diesem Hintergrund machte Algerien im Februar 2004 den Vorschlag, ein Paket zu schnüren, in dem mehrere Abkommen gleichzeitig zum Abschluss kämen; diese Abkommen betreffen die Bereiche Rechtshilfe in Straf-, Zivil- und Wirtschaftsangelegenheiten, Auslieferung, konsularische Zusammenarbeit und Personenverkehr. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Bezeichnung «Personenverkehrsabkommen» in diesem Falle dem gebräuchlichen Begriff «Rückübernahmeabkommen» entspricht.

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Zwischenzeitlich geführte Diskussionen führten zum Ergebnis, dass der Abschluss eines Auslieferungsabkommens bis auf weiteres aufgeschoben, in der Frage der Rechtshilfe in Straf-, Zivil und Wirtschaftsangelegenheiten einem multilateralen Konzept der Vorzug gegeben und die Idee eines Abkommens über konsularische Zusammenarbeit fallengelassen wird. Indessen hat Algerien mehrfach erklärt, das Abkommen über den Personenverkehr könne so lange nicht unterzeichnet werden, als die Verhandlungen über die Rechtshilfe in Strafsachen keine substanziellen Forschritte zeigen würden. Als Antwort darauf fanden Ende März 2006 in Algier Verhandlungen statt, in deren Verlauf die Schweiz erreichte, dass Algerien ein knapper bemessenes Abkommen über Rechtshilfe in Strafsachen akzeptierte. Dieses Abkommen wurde am 29. März 2006 paraphiert, während die Paraphierung des Abkommens über den Personenverkehr nach drei Verhandlungsrunden bereits am 15. Februar 2006 erfolgt war.

Die beiden paraphierten Abkommen wurden anlässlich des offiziellen Arbeitsbesuchs Bundesrätin Micheline Calmy-Rey in Algier von ihr und dem algerischen Minister für auswärtige Angelegenheiten am 3. Juni 2006 unterzeichnet. Im Hinblick auf die Umsetzung des Abkommens über den Personenverkehr muss in den nächsten Monaten mit den algerischen Behörden ein Durchführungsprotokoll ausgehandelt werden. Nach Artikel 25b Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) ist das EJPD, im Einvernehmen mit dem EDA, für den Abschluss eines solchen Protokolls zuständig; dieses muss, soweit es die materiell vorgeschriebenen Bedingungen erfüllt, nicht vom Bundesrat genehmigt werden.

1.3

Beurteilung

Das zwischen der Schweiz und der Demokratischen Volksrepublik Algerien abgeschlossene Abkommen über den Personenverkehr erlaubt es, die Rechtsgrundlagen für die bilaterale Zusammenarbeit im Bereich der illegalen Migration zu schaffen.

Die in diesem Abkommen vorgesehenen Lösungen basieren auf der Praxis und fördern unter Beachtung des Völkerrechts eine rasche Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien. In Anbetracht der Erfahrungen, die Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien in ihrem entsprechenden Abkommen mit Algerien gemacht haben, steht zu erwarten, dass die Schweiz mit diesem Abkommen im Bereich der Rückführungen ähnliche Ergebnisse erzielen kann. Das Abkommen stellt einen notwendigen Schritt zur Deblockiereung der Situation dar. Umgekehrt würde das Fehlen eines solchen Instruments die Glaubwürdigkeit unserer Asylpolitik aufs Spiel setzen. Abschliessend bleibt festzuhalten, dass hier zum ersten Mal ein Rückübernahmeabkommen zwischen der Schweiz und einem Maghreb-Staat abgeschlossen wurde.

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2

Kommentar zu den Artikeln

Titel und Präambel In Anbetracht der Tatsache, dass Rückführungen in Algerien für die Öffentlichkeit wie auch für die Politiker ein heikles Thema darstellen, haben die algerischen Behörden darauf insistiert, dass das Abkommen den Titel «Abkommen über den Personenverkehr» tragen soll. Indessen wurde bei den Verhandlungen klar definiert, dass mit dieser Formulierung die Rückübernahme umschrieben wird.

Die Präambel bringt den Willen der beiden Vertragsparteien zum Ausdruck, die bereits bestehenden Beziehungen zwischen den beiden Ländern weiterzuentwickeln und zu vertiefen, sowie auch den beiderseitigen Wunsch, die Voraussetzungen für die Rückführung von Personen mit unbefugtem Aufenthalt zu verbessern, wobei die in beiden nationalen Gesetzgebungen vorgesehenen Rechte und Garantien sowie die von beiden Parteien unterzeichneten internationalen Konventionen respektiert werden sollen.

Art. 1 und 2

Rückübernahme von Staatsangehörigen der Vertragsparteien, Nachweis und Glaubhaftmachung der Staatsangehörigkeit, besonderes Identifizierungsverfahren

Diese Bestimmungen legen die Verpflichtung beider Parteien fest, ihre eigenen Staatsangehörigen, die sich unbefugt im Hoheitsgebiet der anderen Partei aufhalten, wieder aufzunehmen. Sie sehen eine Verpflichtung vor, die eigenen Staatsangehörigen ohne Formalitäten wieder aufzunehmen (Art. 1 Abs. 1) und legen fest, mit welchen Dokumenten und Beweismitteln sich die Staatsangehörigkeit dieser Personen nachweisen oder glaubhaft machen lässt (Art. 1 Abs. 2 und 3). Kann die Staatsangehörigkeit mit den vorgelegten Dokumenten nicht nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden, führt die konsularische Vertretung der ersuchten Partei in Strafanstalten, Haft- oder Gewahrsamseinrichtungen oder an einem anderen geeigneten und von beiden Parteien zugelassenen Ort eine Anhörung der betroffenen Person durch (Art. 2 Abs. 1). Wird bei der Anhörung die Staatsangehörigkeit der betroffenen Person nachgewiesen, stellen die konsularischen Vertretungen der ersuchten Partei unverzüglich ein Passersatzpapier aus (Art. 2 Abs. 2). Führt die Anhörung zu einer weitgehenden Glaubhaftmachung der Staatsangehörigkeit, werden vor der Ausstellung des Passersatzpapiers die zuständigen Behörden konsultiert (Art. 2 Abs. 3).

Art. 3

Gesuch um Ausstellung eines Passersatzpapiers

Dieser Artikel legt in Absatz 1 Form und Inhalt des Gesuchs um Ausstellung eines Passersatzpapiers fest sowie die Angaben oder Dokumente, die das Gesuch enthalten muss. Im Gesuch müssen namentlich die Personendaten der betroffenen Person (Name, Vorname/n, Geburtsort und -datum, Abstammung) aufgeführt sein, deren letzte bekannte Wohnadresse und diejenige der Eltern sowie andere Angaben, welche die Identifizierung der Person ermöglichen. Im Falle eines überwiegenden Interesses aus Gründen der öffentlichen Gesundheit ist zudem auch die Angabe allfälliger Krankheiten und Behandlungen vorgeschrieben, wobei die Interessen der betroffenen Person zu berücksichtigen sind. Ferner übermittelt jede Partei der anderen Partei eine den nationalen gesetzlichen Erfordernissen entsprechende 7801

Bescheinigung, in welcher das Datum des rechtskräftigen Entscheids zur Rückführung der betroffenen Person sowie die Verwaltungs- oder Gerichtsbehörde, die den Entscheid gefällt hat, angegeben wird. Diese Bestimmung bildet den Grund dafür, dass dieses Abkommen vom Parlament genehmigt werden muss (vgl. Kap. 1 in fine und die Punkte 2.2 und 6.1.2 der vorliegenden Botschaft.).

Die Aufnahme von Artikel 3 Absatz 1 Lemma 3 erfolgte auf Antrag der algerischen Behörden: Diese verlangen ein solches Dokument, weil sie befürchten, die von der Rückübernahme betroffene Person könnte allenfalls gegen sie Beschwerde erheben.

Nach ihrer Einschätzung steht ihnen ohne eine solche Bescheinigung keine zureichende rechtliche Grundlage für die Zusammenarbeit im Rahmen von Rückübernahmebegehren zur Verfügung. Konkret geht es darum, zu wissen, ob eine Ausoder Wegweisung aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung verfügt wurde (vgl.

Art. 55 Strafgesetzbuch [SR 311.0] und Art. 10 Abs. 1 Bst. a ANAG) oder ob es sich um einen ausschliesslich ausländerrechtlich motivierten Entscheid handelt (rechtskräftiger Wegweisungsentscheid, Nichtverlängerung einer Aufenthaltsbewilligung oder illegaler Aufenthalt). Im vorliegenden Fall ist eine gesetzliche Grundlage unerlässlich, da es sich um besonders schützenswerte Daten im Sinne von Artikel 3 Buchstabe c Ziffer 4 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG; SR 235.1) handelt. Zweitens stellt sich die Frage, ob es unabhängig vom Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit zulässig ist, zum Zwecke einer Rückübernahme derart umfassende und besonders schützenswerte Personendaten bekannt zu geben. Die schweizerischen Behörden verneinen diese Frage klar. Im Verlauf der Verhandlungen einigten sich die Parteien schliesslich auf den folgenden Kompromiss: Die ersuchende Partei gibt den Inhalt des Entscheids selbst nicht bekannt, sondern teilt lediglich mit, was für eine Behörde (Justiz- oder Verwaltungsbehörde) den Ausoder Wegweisungsentscheid getroffen hat; zusätzlich wird das Datum des Entscheids mitgeteilt. Da eine solche Datenübermittlung nach geltendem Recht nicht vorgesehen ist, deren gesetzliche Grundlage aber unerlässlich ist, muss diese dadurch geschaffen werden, dass die eidgenössischen Räte das Abkommen ratifizieren
(vgl. dazu Ziff. 6.2). Diese Situation deckt sich mit derjenigen im Rückübernahmeabkommen mit Nigeria (Abkommen über Zuwanderungsangelegenheiten zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Bundesrepublik Nigeria); jenes Abkommen musste gleichfalls vom Parlament ratifiziert werden, da es eine ähnliche Bestimmung enthält.

Es ist darauf hinzuweisen, das wenn im Gesuch um Ausstellung eines Passersatzpapiers Angaben fehlen, die konsularische Vertretung der ersuchten Partei eine Anhörung der betroffenen Person durchführe, um das Gesuchsformular zu vervollständigen.

Die Absätze 2­4 dieses Artikels legen die Vorschriften über die Ausstellung und die Gültigkeitsdauer des Passersatzpapiers sowie über die allfällige Verlängerung der Gültigkeitsdauer fest. Sie regeln auch die Übermittlung der im Vorfeld der Rückführung ausgetauschten Informationen.

Art. 4

Rückführung

Artikel 4 legt die Grundlinien der Rückführung fest. Der erste Absatz sieht namentlich vor, dass die ersuchende Partei der ersuchten Partei ein Rückführungsprotokoll vorzulegen hat, in dem Name(n), Vorname(n), Abstammung, Geburtsdatum und 7802

Geburtsort sowie Angaben über allfällige Krankheiten oder Behandlungen nach Artikel 3 Absatz 1 vollständig aufgeführt sind. Auch die Beweismittel, die zur Identifizierung geführt haben (Abs. 1), müssen im Protokoll genannt werden.

Die Rückführung erfolgt auf dem Luftweg und (in der Regel) mit Linienflügen. Die Zahl der einbezogenen Personen muss mit den Sicherheitsvorschriften vereinbar sein, die je nach den Umständen und den zurückzuführenden Personen festgelegt werden. Nötigenfalls werden die zurückzuführenden Personen von schweizerischem oder algerischem Fachpersonal begleitet (Abs. 2­4).

Die Einzelheiten der Rückführung werden zu einem späteren Zeitpunkt gestützt auf Artikel 25b Absatz 2 ANAGin einem Durchführungsprotokoll geregelt, das zwischen den zuständigen Stellen, d.h. zwischen dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement und der Generaldirektion der nationalen Sicherheit abgeschlossen wird.

Art. 4 Abs. 5

Kosten

Die aus der Rückübernahme eines Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei entstehenden Kosten trägt bis zum Zielflughafen die ersuchende Partei.

Art. 5 und 6

Im Rahmen der Rückführung festgestellte Irrtümer

Die Artikel 5 und 6 legen das Verfahren fest, das zu befolgen ist, falls im Verlauf der Rückführung ein Irrtum festgestellt wird.

Ein solcher Irrtum liegt vor, wenn nach der Ankunft der betroffenen Person auf dem Hoheitsgebiet der ersuchten Partei zusätzliche Prüfungen ergeben, dass die Person die Staatsangehörigkeit der ersuchten Partei nicht besitzt. In diesem Fall trägt die ersuchende Partei die Kosten der Zurücknahme (Art. 5).

Zudem kann die ersuchte Partei, falls sie der Ansicht ist, die Umsetzung von Artikel 5 widerspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben, das Verfahren zur Rückübernahme ihrer eigenen Staatsaangehörigen vorübergehend suspendieren und beantragen, dass der in Artikel 7 des Abkommens vorgesehene Begleitausschuss zusammentritt.

Art. 7

Begleitausschuss

Das Abkommen sieht in Artikel 7 die Einsetzung eines Begleitausschusses vor.

Dieser tritt auf Antrag einer der beiden Parteien zusammen. Nachfolgend werden die Gründe des Zusammentretens aufgelistet (die Zahl der zurückgeführten Personen, deren Staatsangehörigkeit nicht bestätigt wurde, ist zu hoch; die Fristen für die Rückübernahme der Personen, deren Staatsangehörigkeit nicht bestätigt wurde, sind zu lang; die für die Ausstellung der Reisepapiere gesetzten Fristen erlauben es nicht, die festgelegten Ziele zu erreichen; alle anderen Fälle, in denen die eine der beiden Parteien die Konsultation als nötig erachtet).

Art. 8

Schutz der Personendaten

Gestützt auf Artikel 25c ANAGlegt Artikel 8 durch einen Verweis auf Artikel 3 des Abkommens (Liste der im Rückübernahmegesuch enthaltenen Angaben und Dokumente) fest, welche Personendaten im Rahmen der Umsetzung des Abkommens an 7803

die andere Vertragspartei übermittelt werden dürfen. Dieser Verweis ersetzt die übliche Aufzählung derjenigen Personendaten, die in Anwendung des Abkommens weitergegeben werden dürfen. Im Übrigen sieht der Artikel einen Katalog von Massnahmen vor, die den Schutz der solchermassen übermittelten Daten garantieren sollen.

Art. 9

Zuständige Behörden

Diese Bestimmung bezeichnet die konsularischen Posten bzw. die Departemente oder Ministerien, die für die Anwendung des Abkommens zuständig sind namentlich für die Aus-stellung der Passersatzpapiere und die Unterbreitung der Gesuche um Rückübernahme von Personen, die irrtümlicherweise Reisedokumente erhalten haben. Zudem sieht die Bestimmung vor, dass die zuständigen Behörden vor Inkrafttreten dieses Abkommens Listen der zuständigen zentralen oder örtlichen Behörden austauschen, die für die Bearbeitung von Rückübernahmegesuchen sowie für die Bezeichnung der bei der Rückübernahme der betroffenen Personen zu benutzenden Flughäfen zuständig sind.

Art. 10

Auswirkungen auf das internationale Recht

Die Bestimmung hält fest, dass das Abkommen die Verpflichtungen der Vertragsparteien, die sich aus internationalen Vereinbarungen herleiten, unberührt lässt.

Art. 11

Inkrafttreten, Suspendierung und Kündigung

Diese allgemeinen Bestimmungen und Schlussbestimmungen regeln das Inkrafttreten und die Gültigkeitsdauer des Abkommens sowie die Möglichkeit seiner Kündigung oder Suspendierung.

Liechtensteinklausel Nicht im Abkommen enthalten ist die in Rückübernahmeabkommen im Allgemeinen übliche «Liechtensteinklausel», der zufolge das in Frage stehende Abkommen auch auf das Fürstentum Liechtensetion und seine Staatsangehörigen anwendbar ist.

Indessen ist die Schweiz gestützt auf den Vertrag vom 29. März 1923 zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet (SR 0.36.112.514) und die Vereinbarung vom 6. November 1963 zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein über die Handhabung der Fremdenpolizei für Drittausländer im Fürstentum Liechtenstein und über die fremdenpolizeiliche Zusammenarbeit (SR 0.142.115.143) beauftragt, Rückübernahmeabkommen abzuschliessen, die auch für das Fürstentum Liechtenstein und seine Staatsangehörigen gelten. Da die Liechtensteinklausel ausschliesslich erklärender Natur ist, stellt ihr Fehlen die Wirkung der in ihr ausgesprochenen Grundsätze nicht in Frage. Daher ist das mit Algerien abgeschlossene Abkommen trotz Fehlens der Liechtensteinklausel auch auf das Fürstentum Liechtenstein und seine Staatsangehörigen anwendbar.

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Finanzielle Auswirkungen

Das Abkommen verursacht keine zusätzlichen finanziellen Kosten. Artikel 92 Absatz 2 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 (AsylG; SR 142.31) regelt die Übernahme der Kosten für die Ausreise derjenigen Personen, die die Schweiz verlassen müssen.

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Legislaturplanung

Das vorliegende Abkommen ist im Bericht über die Legislaturplanung 2003­2007 (BBl 2004 1149) nicht angekündigt. Dennoch ist es aus folgenden Gründen wichtig: Die illegale Migration ist ein weltweit sich ausbreitendes Phänomen. Die Zusammenarbeit mit den algerischen Behörden auf diesem Gebiet ist seit mehreren Jahren unbefriedigend. Die Anfrage der Schweiz um Aufnahme von Verhandlungen über ein entsprechendes Abkommen wurde Algerien bereits 1999 unterbreitet ­ ohne Erfolg. Zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Legislaturplanung war eine Bestimmung, ob und wann die Situation deblockiert werden könne, nicht möglich. Anfang 2004 kam dann von Seiten der algerischen Behörden der Vorschlag, in Verhandlungen über ein ganzes Paket von Abkommen einzutreten (u.a. Rechtshilfe in Strafsachen, Rückübernahme).

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Das Verhältnis zwischen dem Abkommen und den Verpflichtungen der Schweiz gegenüber der Europäischen Union

Mit der Unterzeichnung der im Rahmen von Schengen und Dublin abgeschlossenen Abkommen vom 26. Oktober 2004 hat sich die Schweiz bereit erklärt, sich am System Dublin, welches die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats regelt, zu beteiligen. Übrigens wird für die Schweiz durch ihre Assoziierung an genannte Abkommen auch das Schengener Durchführungsübereinkommen zur Anwendung gelangen, welches vorsieht, dass die Schengen-Staaten sich im Zusammenhang mit der Regelung der Zuständigkeit und der Abläufe bei der Rückkehr von Personen nach wie vor auf bilaterale Rückübernahmeabkommen stützen können. Die schweizerische Rückfüh-rungspolitik richtet sich nach derjenigen der Europäischen Union und der Schengen-Staaten.

Hinsichtlich der Auswirkungen, die sich aus der Migrationspolitik der europäischen Union für die Schweiz ergeben, vor allem durch die Assoziierung an Schengen/Dublin, ist zu erwähnen, dass auf der einen Seite das Assoziierungsabkommen Euromed zwischen der europäischen Gemeinschaft und seinen Mitgliedstaaten und auf der anderen Seite mit der Volksrepublik Algerien (Dok. 6786/06 vom 12. April 2002), das am 22. April 2002 in Valenzia unterzeichnet wurde, in Artikel 84 den Abschluss eines Rückübernahmeabkommens sowie eines Durchführungsprotokoll beinhaltet. Die Verhandlung zu diesen beiden Texten durch die europäische Gemeinschaft begründet zudem die Schaffung eines europäischen Netzes im Bereich Rückübernahmeabkommen in der Maghreb-Region.

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Verfassungsmässigkeit

6.1

Allgemeine Zuständigkeit der Eidgenossenschaft

Die allgemeine Zuständigkeit des Bundes im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten leitet sich aus den Artikeln 54 und 184 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV; SR 101) her. Der Bund kann Verträge in allen Angelegenheiten abschliessen, unabhängig davon, ob die betreffende Angelegenheit in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes oder der Kantone fällt (vgl. Bericht vom 7. März 1994 über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und die Mitwirkung der Kantone an der Aussenpolitik; BBl 1994 II 620).

6.2

Zuständigkeit für Rückübernahmeabkommen

Gemäss Artikel 25b ANAG kann der Bundesrat mit ausländischen Staaten Abkommen über die Rückübernahme und den Transit von Personen, die sich unbefugt in der Schweiz aufhalten, abschliessen.

Im Hinblick darauf, dass Artikel 3 Absatz 1 Lemma 3 die Übermittlung einer Bescheinigung vorsieht, in welcher das Datum des rechtskräftigen Entscheids zur Rückführung der betroffenen Person sowie die Verwaltungs- oder Gerichtsbehörde, die den Entscheid gefällt hat, angegeben werden, und dass eine solche Mitteilung besonders schützenswerte Daten im Sinne von Artikel 3 Buchstabe c DSG enthält, gilt jedoch die Kompetenz des Bundesrates für diese Bestimmung nicht. Eine solche Mitteilung kann daher nur vorgesehen werden, wenn ein formelles Gesetz dies zulässt (Art. 17 Abs. 2 und Art. 19 DSG). Vom Parlament genehmigte völkerrechtliche Verträge mit rechtsetzendem Inhalt gelten als formelle Gesetze (Art. 3 Bst. k Ziff. 2 DSG). Folglich muss das Abkommen nach Artikel 166 Absatz 2 BV dem Parlament unterbreitet werden.

Dementsprechend wird der Abkommensentwurf gestützt auf Artikel 25b ANAG dem Bundesrat zur Genehmigung unterbreitet; Artikel 3 Absatz 1 Lemma 3 des Abkommens mit Algerien erfordert jedoch die parlamentarische Zustimmung.

6.3

Referendum

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), wenn sie den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2) oder wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3). Das vorliegende Abkommen sieht keinen Beitritt zu internationalen Organisationen vor und ist jederzeit kündbar (Art. 11).

Somit bleibt die Frage zu beantworten, ob das Abkommen wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthält oder ob deren Umsetzung den Erlass eines Bundesgesetzes erfordert. Nach Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (SR 171.10) gilt eine Bestimmung dann als rechtsetzend, wenn sie in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt. Wichtig ist eine solche Norm dann, wenn ihr Regelungsge7806

genstand im Landesrecht in Analogie zu Artikel 164 Absatz 2 BV auf bundesgesetzlicher Stufe normiert werden müsste.

Das Abkommen enthält in Artikel 3 Absatz 1 Lemma 3 eine solche wichtige Norm.

In der Tat verpflichtet diese Bestimmung die Schweiz zum Austausch von besonders schützenswerten Personendaten; sie müsste daher im Landesrecht durch ein formelles Gesetz geregelt werden (Art. 164 Abs. 1 BV). Folglich untersteht der Bundesbeschluss zur Genehmigung des Abkommens dem fakultativen Staatsvertragsreferendum (Art. 141 Abs. 1 Bst. d Ziff. 3 BV).

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