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Schweizerisches Band II.

Nro.

37.

Mittwoch, den 18. Juli 1849.

Man abonnirt ansschließlich beim nächstgelegenen Postamt. Preis sür das Iahr 1849 im ganzen Umfange der Schweiz p o r t o f r e i Frkn. .....

Inserate sind srankirt an die Expedition einzusenden. Gebühr 1 Batzen per Zeile odex deren Raum.

Verhandlungen der Bundesversammlung, des National- und Ständerathes.

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Kommissionalberichte , betreffend

das Zollwesen.

(Fortsetzung.)

Bericht der Minderheit der Kommission des Nationalrathes (deutscher Berichterstatter Herr Dr.

Erps).

Tit.

Die hohe Wichtigkeit, welche die Zollsrage für das Schweizervolk hat, macht es den Unterzeichneten zur Pflicht, über diejenigen wesentlichen Fragen, in Betreff welcher sie in der Kommission in Minderheit geblieben sind, besondern Bericht zu erstatten.

Bundesblatt I. Bd. II.

20

220 Hiebet können wir nicht unterlassen, es zu bedauern, daß der wichtigsten^ materiellen Frage, welche der Nationalrath zu behandeln hat , keine besondere Sitzung gewiedmet werden wollte. Die Folge davon war, daß die Kommission, obgleich seit bereits sechs Wochen mit diesem Gegenstande beschäftigt, neben den täglichen Sitzungen des Rathes, die Zeit und Muße nicht hat finden können, welche zu einer gründlichen Erörterung diefer Angelegenheit im höchsten Grade erforderlich gewesen wäre. Eine weitere Folge Ihres Beschlusses, daß die Zollfrage noch in gegenwärtiger Sitzung zu behandeln sei, ist des fernern die, daß nun auch Sie, Tit., über die zwei wichtigsten Fragen, welche enge mit der Zollgesetzgebung - namentlich mit der Festsetzung des Tarifes - im Zufammenhang stehen, zu entscheiden sich genöthigt sehen, ohne dießsalls umfassende und erschöpfende Berichte des Bundesrathes oder Ihrer Kommission vor Augen zu haben.

Diese zwei Fragen sind: 1) Sollen die muthmaßlichen .regelmäßigen Bundesausgaben, insoweit hiefür die Kapitalzinse und der Ertrag der Regalien des Bundes nicht hinreichen, lediglich durch Erhebung von Zöllen an den Grenzen gedeckt,

oder sollen biezu nicht regelmäßige direkte Geldbeiträge (Geldkontingente) von den Kantonen erhoben wer.. en ^ (Art. 39 der Bundesverfassung.)

2) Sollen alle und j e d e von der Tagsatzung bewilligten Land- und Wasserzölle, Weg- nnd Brücken-

gelder u. dgl. von Bundes wegen gegen Entschädig gung aufgehoben oder nur diejenigen Zölle und Weggelder eingelöst werden, welche auf dem Tranfit lasten^

(Art. 24 der Bundesverfassung.)

221 Diese beiden Fragen sind heute nicht spruchreifer als sie es vor sechs Wochen waren, weil zur Stunde die Ausscheidung jener Zölle und Weggelder, welche ans dem Transit lasten, nicht stattgesunden hat. Diese Ausfcheidung aber sollte nothwendig dem Rathe vor Augen liegen, um seinem Entscheide der zweiten Frage eine sichere Richtung zu geben.

Aber auch in Betreff der ersten Frage, welche die Mehrheit Ihrer Kommission bejahend entschieden hat, erachtet die Minderheit, daß dieselbe heute ebenfalls nicht spruchreif sei. Um zu entscheiden, ob neben den gewöhnlichen Einnahmen des Bundes auch noch regelmäßige Beiträge der Kan.one an die Bundeskasse erhoben werden follen, muß dem Nationalrath Auskunft gegeben werden können, in welchem Maße die Kantonskassen durch die neue Militärverfassl.ng und die übrigen neuen Bundeseinrichtungen erleichtert werden. Auch follte dem Bundesrathe oder einer Kommission Zeit gegeben sein, zu berechnen, in welchem Maße die Zollgesetzgebung die Bürger der verschiedenen Kantone, namentlich dann vorherrschend in Anspruch nimmt, wenn höhere Zölle an den Grenzen festgesetzt werden, als zur Auslösung der bestehenden Zölle in den Kantonen nothwendig sind.

Oder , um deutlicher zu sprechen , ob es nicht im Interesse aller Bewohner des gemeinsamen Vaterlandes wäre, dnrch die Grenzzölle nur fo viel zu erheben, als nöthig ist, alle innern Zölle aufzuheben, und die Bundesausgaben zum Theile aus direkten Beiträgen der K.^tone zu decken.

I.

Die Frage, ob nicht ein Theil der jährlichen Bundesauslagen durch Beiträge der Kantone zu decken fei^

222 hat die Minderheit Ihrer Kommission bejahen zu sollen geglaubt. Jhr erster Antrag, welchen sie Ihren Berathungen zu unterstellen die Ehre hat, gehet somit dahin: ,,Es wolle der Nationalrath beschließen, es seien aus dem Wege der Zollerhebung an den Grenzen nach Antrag des Herrn Nationalrathes Anderegg wesentlich nicht mehr

als Fr. 2,300,000 bis Fr. 2,500,000 zu Handen der Bundeskasse zu beziehen, und die allfällig durch den Zollertrag nicht gedeckten Bedürfnisse des Bundes durch direkte Beiträge der Kantone zu deckend Bei dem Drange der Zeit muß sich diese Berichterstattung dahin beschränken, in Kürze die Ansichten zu

bezeichnen, welche die Minderheit zur Stellung ihres Antrages geführt haben. Diese sind: 1) Wenn durch die Grenzzölle zu Handen der Bundeskasse brutto 3 Millionen bis 3./.^ Millionen Franken erhoben werden sollen, so kann dieß nur dadurch bewerkstelligt werden, daß man die höchsten Zollansätze über 5 Fr.

per Zentner festsetzen muß.

Zollansätze von diesem Betrage aber und von über 4 Fr. in der zweithöchsten Klasse, verletzen die höchstwichtigen Handelsinteressen - namentlich die Interessen des Zwischenhandels - in so zerstörender Weife , daß ein

gnter Theil dieses ansgedehnten Geschäftszweiges in der Folge nicht mehr wird stattfinden können.

Solche unausbleibliche Wirkungen werden Sie, Tit., nicht wollen, eine folche Tragweite liegt nicht im Sinne der Bundesverfassung, lag nicht in der Absicht des Schweizervolkes, als es die Bundesverfassung, wenn auch mit großer Befürchtung eben wegen der Zollfrage, angenommen hatte.

^ Man irrt sehr, wenn man glaubt, daß dnrch die vor-

22.^ geschlagenen Niederlagshäuser die drohende Gefahr abgewendet werden könne. Leicht möchte jede andere Hülfe zu spät angeboten werden, wollte man dießfalls auf die zu machende Erfahrung abstellen.

Abwendung eines Theiles, aber auch nur eines Theiles der Gefahr, von welcher der Zwischenhandel sich bedroht sieht, wenn 3 bis 31^ Millionen brutto aus dem Zollwege eingebracht werden wollten, wäre nur durch Geftattung von Niederlagen in den Hänfern der betreffenden .Handelsleute (Entrepot.^ fictifs) oder durch Rückvergütung

der bezahlten Zölle (Draw-backs) möglich. Das Eine oder das Andere, auf welches wir in mündlicher Anseinandersetzung zurückkommen werden, ist so gesährlich und ungenügend, daß eben mit aller Entschiedenheit die Festsetznng hoher Zölle als verderblich bekämpst werden muß.

2) Aber nicht nur der Zwischenhandel ist es, der sowohl durch die Zollsätze in den höhern und niedern Klassen , in jenen im höchsten Grade, in diesen in sehr nachtheiligem Maße verletzt, gefährdet und bedroht wird, sondern auch der Handel im Allgemeinen erhält einen Stoß auf die Dauer, eine bleibend offene und stets blutende Wunde.

Wohl können Niederlagshäufer diefes Uebel mildern, aber dennoch werden die Nachtheile, weil bleibend, immer größer und zerstörender sein, als selbst die Schläge es sind, welche der Handelsstand von Zeit zu Zeit durch Kriege und andere Krisen zu erleiden hat.

3) Aber nicht nur der Handel im Allgemeinen, und

der Zwischenhandel im Speziellen sehen sich durch Zölle, welche im Maximum 3 resp. 5 Franken und für gewisse Gegenstände 5 Batzen und 1 Franken übersteigen, gesährdet, sondern auch die Gewerbe und die Industrie können mit großen Lasten nicht verschont werden, obschon

224 man sorgfältig gesucht hat, dieselben so wenig als möglich.

zu verletzen. Solche Lasten können allemal nicht ausgewichen werden, sobald man auf Grundlagen arbeitet, wie die sind, auf welche die Kommission angewiesen war.

Hier sind^s Rohstoffe, dort Halbfabrikate, anderswo Werkzeuge und Maschinen, welche mit Zollsätzen belegt werden müssen, deren Höhe durch nichts als die Noth gerechtfertigt werden kann, deren Wirkungen aber weit über jede Berechnung hinausgehen.

4) Neben den Nachtheilen , welche allgemein und durch die ganze Schweiz in gleichem Maße sich kund geben werden, fehen sich besonders die Grenzkantone durch hohe Zölle benachteiligt. Schon bei niedrigen Zollsätzen müssen diese mehr als das Aequivalent ihrer bisherigen Zölle

bezahlen, nnd bei hohen Zöllen steigert sich die Last bis zur Ungebühr.

Durch die Aufhebung der innern Zölle kann der Grenzbewohner namentlich dann nie für die neuen Zölle entschädigt werden, wenn sein Verkehr vorzugsweise nach Außen stattfindet.

Einige Kantone, besonders Genf und Tessin, sehen einen Theil ihres Erwerbes durch hohe Zollsätze, welche gewisse und bestimmte Grenzen überfchreiten , geradezu der Zerstörung Preis gegeben.

Bei solcher Sachlage wird der Gefetzgeber sich überzeugen müssen, daß Zölle über einen gewissen scharf begrenzten Betrag, wenn solche aus andern Gründen noch so wünschbar, und als Konsumtionszölle betrachtet, auch ausführbar wären, nicht errichtet werden dürfen.

. . Aehnliche Verhältnisse, wenn auch von wesentlich minderer Bedeutung , bestehen im Thurgau (bei Konstanz) , in St. Gallen und Graubünden (wegen Lichtenstein).

225 5) Die Minderheit will bei so vorgerückter Zeit Ihre

Geduld nicht in Anspruch nehmen, Sie, Tit., nicht auf das an praktischen und volkswirthfchaftlichen Fragen reiche Feld der indirekten Abgaben führen, und Alles unterdrücken, was dieselbe von diesem Standpunkte aus gegen hohe Zölle zu sagen hätte, - aber das dars sie dem Nationalrath nicht verheimlichen, daß wenn alle Bedürfnisse der Eidgenossenfchaft nur auf dem Zollwege erhoben werden wollen, der ungerechteste Steuerfuß aufgestellt wird, der im Bereiche der Möglichkeit liegt.

Dem Grundsatze der Schweiz, daß ein a n g e m e s sener Theil der Staatsbedürfnisse durch Vermögens-. und Einkommenssteuern gedeckt werden solle, wird nicht nur in Betreff der Abgaben an den Bund keine Rechnung getragen, sondern es werden gewisse Landes- und Perfonalinteressen zu Gunsten Anderer, obfchon ohne Absicht, doch in ungerechter Weife in Anspruch genommen. Die Richtigkeit unserer Behauptung wird Jedem bei einer genauen Berechnung sür seinen Kanton und für seine Person sogleich anschaulich werden. (Ein Beispiel davon steht in Nr. 21 des Wochen-

blattes des schweizerischen Jndustrievereines, 26. Mai 1849).

Diese Ungleichheit, oder besser gesagt Ungerechtigkeit, kann nnr dadurch ausgeglichen und beseitigt werden, daß ein Theil der Bundesauslagen durch Beiträge der Kantone, deren die meisten Vermögenssteuern haben , gedeckt werde.

Es wird uns zwar und wohl nicht ohne Grund entgegnen werden wollen, auch die Geldscala sei nicht ganz gleichförmig ausgemittelt worden. Es mag dieß sein, aber in.

der Hauptsache schwächt dieß unsere Behauptung dennoch nicht, daß nur auf dem Wege direkter Kantonalleistungen, wenigstens zu einem Theile, die Vortheile, welche gewisse Perfonen und Kantone durch die Verlegung der Zölle an die Grenze und durch die Aufhebung der Weggelder im

226 Innern gegenüber der ^Grenzbevölkerung haben werden, ausgeglichen werden können.

Auf die Dauer ist jedenfalls keines der vorgeschlagenen Zollsysteme berechnet und die Festhaltung von Zöllen, deren Ertrag zwei Millionen Franken übersteigen soll, nicht denkbar. Jst die bestehende Geldskala fehlerhaft, fo möge man dieselbe erneuert festsetzen, und sind selbst direkte Beiträge der Kantone nur vorübergehend möglich, so gebe man dem neuen Schweizerbunde dadurch Halt und Kraft, daß man eine eidgenössische Vermögenssteuer einführt. Diese Jdee, wenn auch neu, wir legen sie wie einen Samen in den durch die Bundesverfassung neu geackerten Boden des Schweizerlandes. Dieser Samen wird unter dem besrnchtenden Einflusse der .neuen Institutionen ausgehen und reifen und zehnfach reichlichere Früchte bringen, als es die besten oder wenigstens die wohlgemeintesten Zollgefetze und Zolltarife im Stande fein werden. Anch wir sagen mit Herrn Nationalrath Anderegg: "prüfet Alles.

und behaltet das Besteh 6) Wir sollen in Kürze noch zweier Nachtheile gedenken, welche mit hohen Zöllen nnabweislich verbunden sind. Einmal, daß solche nicht festgefetzt werden können, ohne in

das Gebiet der Schutzzölle hinüber zu greifen, und zum Andern, daß die Bezugsgebühren nicht bloß in arithmetischer, fondern in geometrifcher Progression wachsen. Die Frage der Schutzzölle ist in Jhrem Schooße wie im Schooße des Volkes negativ entschieden worden, darum hierüber kein Wort weiter. Das aber soll und muß gesagt werden, daß ein aufgeklärtes Volk nicht gewillt sein kann, hunderte von arbeitsfähigen Menschen thatlos an der Grenze aufzustellen, und noch weniger gefonnen fein kann, 17 bis 25 Prozent der indirekten Zollsteuer durch die Verwaltungs-

227 kosten aufgezehrt zu sehen. So reich die Schweiz verhältnißmäßig ist, wäre sie doch zu arm, um auf die Dauer jährlich ^ Million Franken und darüber für die Grenzbewachung auszugeben und die Produkte der Arbeit von hunderten von Grenzzollwächtern zu entbehren. Wir müssen es uns versagen, die unglücklichen Folgen der Zollgefetze unferer Nachbarn in eelatanten Beispielen vor Jhre Augen zu führen. Wir dürfen übrigens beruhigt annehmen, daß keinem von Jhnen, Tit., die Ursachen der Noth im Allgemeinen so wie die Bedrängnisse des Handels und der .Gewerbe im Besondern in allen Staaten rings um die Schweiz unbekannt seien. Das Volk klopst übrigens, wie in Paris so in Wien und Berlin, in Dresden wie in Karlsruh, an den Thüren, von woher das Uebel ihm zu kommen scheint. Die Zeit wird aber wohl bald kommen, wo die Völker alle es einfehen werden, daß nicht von Löfung der Frage, ob Monarchie oder Republik, fondern von Lösung derjenigen Frage, ob Freihandel oder Schutzzoll, und von der Abschassung der stehenden Heere der Wohlstand der Nationen bedingt wird. Es wird aus die Dauer nicht bestritten werden können, daß bleibende materielle Wohlfahrt erst dann festen und unzerstörbaren Fuß in jedem Land gewinnen kann, wenn die den Verkehr hemmenden, die Thätigkeit der Völker zerstörenden Zollschranken gefallen sein werden.

7) Und nun.. Allen diesen unwiderlegbaren, die volle Rechtsertigung in sich tragenden Sätzen, denen noch ein halbes Dutzend hinzugefügt werden könnten, wird man nur den Art. 39 der Bundesverfassung entgegenhalten und sagen, Beiträge von den Kantonen dürfen und können nur ausnahmsweise und nur dann beschlossen werden, wenn wegen außerordentlichen Verhältnissen die Zolleinnahmen und die übrigen Einnahmen des Bundes die Bedürfnisse

^28 desselben nicht zu decken vermögen. Von dieser Ansicht geleitet, habe die Tagsatzung die Zolleinnahmen in die zweitvorderste Linie gestellt und erst als letztes Auskunftsmittel in Litt. e, Art. 39, der Beiträge der Kantone Erwähnung gethan.

Die Minorität will hierüber nicht rechten, möglich, daß man sich Illusionen hingegeben und geglaubt haben mag, mit mäßigen Zöllen können alle regelmäßigen Bundeskosten bestritten werden. Aber anderseits ist auch gewiß, daß, wenn die Revisionskommission und die Tagsatzung eine Ahnung hätten haben können, daß man 3, ja selbst 3./.^ Millionen wolle auf dem Zollwege erheben, beide bindende Bestimmungen in Betreff der Höhe der Grenzzölle in die Bundesverfassung niedergelegt haben würden.

Unwidersprechbar nämlich, Tit., ist, daß durch alle Zollverhandlungen, welche in den letzten zehn Jahren in der Eidgenossenschaft, welche an der Tagfatzung und in den Zollkonferenzen gepflogen worden sind, eine Jdee immer die leitende war. Es war die in allen Protokollen niedergelegte Meinung, daß mit einem Zollertrag von 2 Millionen

das höchste Maaß aller möglichen Zölle erschöpft fei, uud daß aus diesen 2 Millionen neben der Entschädigung an die Kantone auch noch der größere Theil der Bundesauslagen , in Verbindung mit den Kapitalzinsen und den Regalien werden bestritten werden können.

^ Heute nun aber soll Alles, was zu Gunsten von mäßigen Grenzzöllen, Alles was gegen das Verderbliche hoher fiskalischer, beinahe schutzzollartiger Zollsätze feit Jahren mit fchwer wiegenden und schlagenden Gründen gesagt, in alle Abschiede der Tagsatzung, in die Protokolle der Revisionskommission , in den Bericht der eidgenössischen Expertenkommission vom Jahr 1844, in die Verhandlungsprotokolle der Großen Räthe und in das Protokoll der

22.)

Aargauerkonferenz vom Jahr 1847 niedergelegt worden ist, wegen momentaner Verlegenheit, wegen vorübergehender Unprodnktivität der eidgenössischen Postverwaltung, wegen drohender Kriegsgefahr, wegen vorübergehender, außerordentlicher Anstrengung der Kantonskassen nichts, gar nichts mehr gelten.

Wir gestehen, die Minorität sieht in dieser Eventua-

lität kein Argument gegen sich, und hält sich, sowie sür berechtigt, also auch verpflichtet, von dem Wortlaute der Bundesverfassung an den Sinn und Geist derselben, an die Absicht des Gesetzgebers , durch welchen die Tagfatzung bei ihrer Schlußnahme geleitet worden ist, und an die Absichten und Ansichten des Schweizervolkes , durch welche dasselbe bei der Annahme der Bundesverfassung geleitet worden ist, zu appelliren.

Die Schweiz steht gottlob noch nicht in dem Nothfalle, daß sie ans Uebel ärger machen muß; daß, um das Vaterland finanziell zu retten, ganze Stände, ganze Kantone, die Interessen und Wohlfahrt Aller, die ewig geltenden Grundfätze der Handelsfreiheit über Bord geworfen werden müßten. So wenig dieß, als Papiergeld!

Jn Absichten und Ansichten mit der Minorität übereinstimmend hat Jhnen Herr Nationalrath Anderegg die Zahlen vor Augen geführt, welche Leistungen die Kantone zu machen hätten, wenn, was beineben gefagt nicht wahrscheinlich ist, ein ganzes Geldkontingent bezogen werden müßte.

Wollen Sie neben dieser Kontingentsfeala das Zollbetressniß der Kantone zu 4 Batzen per Kopf und die Liste der über die 4 Batzen hinaus noch zu leistenden befondern Zoll- und Weggeldsvergütungen vergleichen, und Sie werden sich, Tit., mit der Minderheit Jhrer Kommission gestehen müssen, daß durch Bezug des Geldkontingentes kein

230 Kanton wesentlich bedroht ist, daß aber die Meisten unter ihnen, ja fast Alle weniger an direkten Beiträgen zu bezahlen hätten , als es sie treffen würde , wenn hohe Zollsätze gemacht werden. Der Grund und die Ursache liegt eben darin, daß die dritte Million der Zollerträgnisse ^mindestens doppelt so hohen Zollverwaltungskosten ruft, als bei uiedern Zollfätzen nöthig fein werden.

Wir enden diesen Theil unfers Berichts, obfchon diese wichtige Frage durch das Gesagte kaum zur Hälfte beleuchtet werden konnte.

ll.

Jn Verein mit Herrn Präsident Efcher von Zürich und Herrn Nationalrath Sutter von Appenzell unterlegt die Minderheit Jhrer Kommifsion folgenden zweiten Antrag Jhrer Entscheidung: "Der schweizerische Nationalrath beschließt, es sei nach

Antrag der Minorität der Zollkommission (Art. 55 des von der Zollkommission ausgearbeiteten Zollgesetzes) der Bundesrath ermächtiget, nur jene Zölle und Weggelder, welche aus dem Transit im Allgemeinen und dem Transit von Kanton zu Kanton und durch die Kantone lasten, im ganzen Umsange der Eidgenossenschaft einzulösen. (Axt. 24 der Bundesverfassung)."

Daß auch über diefen Antrag zunächst entschieden werden muß, bevor über die Festsetzung des Zolltarifs beschlossen werden kann, liegt in der Natur der Sache. -

Wollen alle Zölle, Weg- und Brückengelder, verbindliche Kaufhaus.^ und andere Gebühren diefer Art, auf einmal

und gleichzeitig eingelöst werden, fo ist, nach beiliegender Tabelle, mit dem Betrag der an jeden Kanton zu leistenden Entschädigung von vier Batzen per Kopf, eine muth-

maßliche Summe von zirka 2,130,000 Fr. erforderlich.

231 Werden aber nur die Zölle und Weggelder, welche aus dem Transite (im engern und weitern Sinne) lasten, eingezogen, so dürste nach allen srühern amtlichen Berechnungen eine Summe von 1,500,000 Fr. bis 1,700,000 Fr.

jedenfalls genügen.

Der wesentliche Unterschied zwischen der Majorität und der Minderheit Ihrer Kommission besteht da...in, daß die Mehrheit dem Bundesrathe sreiern Spielraur.i in Betreff der Einlösung der Zölle und Gebühren aller Art gewähren, die Minderheit dagegen die Ansicht bestimmt ausgesprochen wissen will, daß nur die Zölle eingelöst werben, welche nach den Bestimmungen der Bundesverfassung jedenfalls

und gleichzeitig eingelöst werden müssen.

Wir kommen mit diefer Frage auf ein bekanntes Feld jahrelanger Beratungen, welche Art. 24 der Bundesversassung unentschieden gelassen hat, und die eine befriedigende Lösung nur dann finden könnten, wer^n man alle Bestimmungen der Verfassung über das Zol.wefen einer Revision unterwerfen dürfte.

Jhre Minderheit verkennt nicht, daß es sehr wünfchbar wäre, daß alle Zölle .e. eingelöst würden, aber sie glaubt von zweien Uebeln das kleinere wählen und d..n Fortbezug gewisser Kantonalzölle und Weggelder, welche nicht auf dem Transite lasten, einstweilen und so lange gestatten zu sollen, bis solche Gebühren entweder von den Kantonen oder der erstarkten eidgenössischen Kasse eingelöst, oder durch vermittelnde Ausgleichungen aufgehoben werden können.

Die Frage ist offenbar die: foll mit Art. 55 des Gesetzesentwnrfes , über die pflichtige Ablösungssumme von

zirka 1,600,000 Fr. noch eine weitere Entschädigung von

zirka 4 à 500,000 Fr. an zirka dreizehn Kantone, und zwar bleibend, oder doch auf lange Dauer hin, ausgesprochen werden.

^

232 Obfchon die Auslösungssummen zur Stunde nicht ausgemittelt sind, welche in dem einen oder andern Falle an die Kantone jährlich geleistet werden müßten, und namentlich die wichtige Frage noch gar nicht erörtert werden konnte, für welche Dauer diefe Entschädigungen an die Kantone theilweise oder ganz zu leisten sein werden, so konnte

die^ Minderheit mit sich doch nicht im Zweifel fein, daß bei den waltenden Verhältnissen und bei der großen Verschiedenheit einzelner Forderungen der Kantone, der Gefahr allzugroßer Belästigung der Bundeskasse, und somit der schweizerischen Bevölkerung, nur dadurch begegnet werden

könne, daß^nan die Auslösungspflicht des Bundes auf das Maß der Pflichtigkeit befchränkt. - Wir begründen unfern Antrag im Wesentlichen mit Folgendem:

1) Wenn über die pflichtige Zollentfchädignng von zirka 1,600,000 Fr. hinaus noch eine weitere, dem Bunde faknltativ belassene Entschädigung an die Kantone geleistet werden wollte, müßte entweder auf dem Wege der Zollerhebung oder auf dem Wege der direkten Beiträge ein Mehr^ betrag von zirka 400,000 Fr. erhoben werden. Wie wenig dieß auf dem Zollwege möglich ist, haben wir schon oben weitläufiger nachgewiesen, und daß auf direkter Erhebung von den Kantonen die Summe leichter erhoben werden.

könne, müssen wir, bei waltender Abneigung gegen die Leistung von Geldkontingenten, geradezu in Abrede stellen.

Die Unmöglichkeit einer folchen freiwilligen Uebernahme einer fo großen Last ist demnach für so lange vorhanden, bis daß die finanziellen Zustände der Eidgenossenschaft aus den Erträgnissen der Postverwaltung eine ganz andere Basis gewonnen haben, als uns für die nächsten zwei bis drei Jahre in Aussicht steht.

2) Wenn aber auch durch den Zollertrag und durch den Ertrag der Postverwaltung der Bund in den Stand

233 gesetzt werden sollte, die ^fragliche weitere Entschädigung zu übernehmen, so sollte er es nach unserer festen Ueberzeugung auch dann nicht unbedingt thun. Uns scheint es weder

billig noch gerecht, daß Kantone wie z. B. Zürich, welche mit enormen Opfern ihre ehemals bestandenen Zölle eingelöst haben , nun noch darüber hin , und möglicher Weife auf die Dauer, bedeutende Summen zur Auslösung von konsumoartigen Zöllen anderer Kantone, welche seit Jahren zum wesentlichsten Nachtheile des innern Verkehrs Zölle auf Zölle gehäuft haben, beitragen follen. .

Es schiene uns ungerecht, daß andere Kantone, wie z. B. Luzern, Schwy'., Glaru^, Appenzell und Neuenburg,

welche bisanhin sich mit Zöllen und Weggeldern begnügt ^aben, welche weit unter der Auslösungssumme von 4 Btz.

per Kopf betragen, auf Jahrzehnte hin helfen follen, die Sünden der Gegenwart und Vergangenheit anderer Kantone zu sühnen.

Nur nach der Bevölkerung berechne^ würde dieses Opser ans den Kopf 2 ^tz. tressen, allein nach der Geld- .

skala oder dem Zollbezuge nach, würde dieß für Kantone, wie Zürich, Neuenburg, Glarus und Appenzell, ganz andere und äußerst große Summen bringen. Schon oben haben wir bemerkt, wie namentlich die Grenzkantone durch das Zollwefen leiden werden, und müssen hier darauf zurückkommen, weil wieder diese den größten Theil an den Mehrkosten der Auslösung zu tragen hätten. So ist's mit der Geldskala, auch hier müßten wieder gerade die genannten Kantone, Zürich, Glarus, Appenzell, Neuenburg, welche nur geringe Zölle hatten, unverhältnißmäßige Opfer bringen. Wenn nun aber diese Thatsache nicht in Abrede gestellt werden kann, dürfen wir von Jhrer Billigkeit, Tit., hoffen, daß Sie nicht nnabweisliche Uebelstände bis zur Unerträglichkeit werden steigern wollen. Dieser Fall

234 würde aber eintreten, wenn Sie die Auslösung aller Zölle.

zu welchen der Bund zwar berechtiget, nicht aber ver-

pflichtet ist, beschließen wollten.

3) Jhre Kommission und namentlich die berichtende Minderheit derselben durfte sich nicht verhehlen , daß schon durch den Art. 29 der Bundesverfassung für gewisse Kantone durch die Gestattung des Bezugs von Konfumogebühren auf Wein und andern geistigen Getränken ein Vorrecht eingeräumt worden ist, welches im grellsten Widerspruche mit der beabsichtigten Befreiung des innern Verkehrs und der Verlegung der Zölle an die Grenzen steht.

Da nun aber zu gutem Theil, gerade in den gleichen Kantonen, noch mehr Zölle auszulöfen wären, als der Bund pflichtig ist, so mußte mit Recht reiflich erwogen werden, ob nicht die unbedingte Auslösung aller Zölle zur

Unbilligkeit , ja zur Ungerechtigkeit sür jene Kantonesich gestalten müßte , welche mit 4 Btz. per Kopf des Ganzlichen ausgelöst werden.

Man könnte weniger Bedenken haben, wir gesteheu dieß gerne, wenn die zu bringenden Opfer vorübergehende Opfer wären. Aber hier handelt es sich gleichsam um ewige Lasten.

Wir zweifeln nicht, daß die Auslösungsfrage eine ganz andere Löfung erhalten werde, als man zur Stunde noch die Absicht hat; denn ein gedeihliches Leben und Erstarken der Eidgenossenschaft ist nicht denkbar, wenn selbe von den Posten und Zöllen zuerst Millionen an die Kantone hinauszugeben, sich selbst aber nur mit dem Brosamen zu begnügen hat, den ihr die alte Kantonalherrlichkeit übrig lassen wollte.

Solchen Lasten, wie die der Zollanslöfungen sind, muß ein Ende abgesehen werden können, daher nicht auf dem

235 Wege eines, wenn auch wohlgemeinten Beschlusses, die Auslösnngsfrage erledigt werden kann.

Die ganze Zollfrage ist auch heute noch, wie sie es zur Zeit der Entwerfung der Bundesverfassung war, eine Transaktionsfrage. Die Interessen der Bürger, derKantone und der Eidgenossenschaft verlangen alle, wenn auch in den meisten Fällen auseinandergehend und sich widerstreitend, die möglichst billigste Berücksichtigung. Jn unserm Vorschlage liegt diese Berücksichtigung im möglichsten Grade. Wir hoffen und erwarten, daß die betreffenden Kantone im Laufe der kommenden Jahre dahin streben werden, wie andere Kantone es früher gethan haben, von sich ans die Zölle aufzuheben, welche von Bundeswegen nicht anfgehoben werden können.

Wenn hiebei die Bundeskasse zu Gunsten von Kantonen, wo besondere und bekannte Verhältnisse walten, in der Folge in Anspruch genommen werden muß, fo wird gewiß von Seiten der eidgenössischen Behörden die billigste Berücksichtigung um so lieber in Anwendung gebracht werden, als hierüber kein Widerspruch waltet, daß von allen Seiten mit Kraft und Beharrlichkeit dahin gestrebt werden muß, daß alle Zoll-Konfumo-Schranken im Laufe der kommenden Jahre beseitigt werden.

4) Uebrigens glaubt Jhre Kommission, man könne heute schon darum keinen andern als den Beschluß fassen, daß bis auf weitern Bericht des Bundesrathes hin nur diejenigen Zölle und Weggelder, welche auf dem Transite lasten, eingelöst werden Rollen, weil Art, Zahl, Betrag und Entstehungsweife der bestehenden Zölle und Gebühren zur Stunde noch ziemlich unbekannt sind.

Unter den fonderbarsten Namen von Zöllen kommen an mehrern Orten reine Konsumogebühren zum Vorschein, Bnndesblatt I. Bd. II.

21

236 welche die Eidgenossenschaft um so weniger wird einlösen wollen , als felbe häufig nichts Anderes alsstädtischeKonsumosteuern (Octroigebühren) waren.

Die Ausmittlnng und Ausscheidung soll im Werke, die Bereinigung selbst aber, bei leider nur zu reichlichem Stoffe, von sehr schwieriger Natur sein.

Sicher wird nichts Anderes übrig bleiben , als ans dem Wege der Verhandlung diese höchst wichtige Frage zu erledigen. Läßt man den Kantonen Zeit, um successive gewisse Zölle durch andere Einnahmen zu ersetzen, so werden diese nicht in ihrem finanziellen Bestande bedroht und die Eidgenossenschaft sieht die Möglichkeit vor sich , zu einer finanziell gesicherten Znkunft zu gelangen.

Mit wesentlichen Nachtheilen für das Volk wird diese Uebergangsperiode um so weniger begleitet sein, als in mehr als der Hälfte der Kantone alle Zölle werden sogleich aufgehoben werden können , in keinem aber der Transit von Kanton zu Kanton ..e. belästigt oder betroffen werden kann.

lll.

Für den Fall, daß durch Beschluß des Nationalrathes der erste Antrag der Minorität, resp. der Antrag des Herrn Anderegg, fallen würde, hat die Bericht erstattende Minorität ihren eventuellen Tarif ausgearbeitet, und sie ist dabei für diesen Entwurf von der gleichen Basis wie die Majorität der Kommission ausgegangen. Diese Basis ist ein muthmaßlich gesicherter Bruttozollertrag von drei Millionen Franken. Die Rechtfertigung für diese als zureichend zu betrachtende Summe findet sich im Majoritätsgutachten.

Wollte aber die auf dem Zollweg zu erhebende Summe nach Antrag des Bundesrathes auf 3^ Millionen Franken

237^ festgesetzt werden, so glaubt die Minderheit, daß in diesem Falle die Tariffrage nochmals an die Kommission zurückZuweisen sei, und für den Fall, daß die Znrückweisung nicht beschlossen würde, hätte die Minorität, in Verbindung mit Herrn Schneider von Bern und Herrn Pioda von Tessin, im Weitern zu erklären, daß sie dannzumal nicht für den vom Bnndesrath entworsenen Tarif stimmen könnte, sondern das Projekt des Herrn Bischof von Basel zur Annahme empfehlen müßte.

Auf diefe Eventualitäten mußte die Minderheit sich gefaßt machen, weil fonst, da die Zollkommifsion nur auf die erwähnte Basis hin gearbeitet hat, es leicht hätte begegnen können, daß, nach Beseitigung der Minderheitsund Mehrheitsanträge der Kommission, nur noch der Antrag des Bnndesrathes als Basis der Verhandlungen übrig geblieben wäre.

Aus diesem Sachverhalt ergibt sich nun: 1) für den Fall, daß der Antrag der Minorität, einen Theil der jährlichen Bundeskosten durch Kantonalbeiträge zu decken, angenommen wird, empsiehlt.

Jhnen dieselbe die Annahme des von Herrn Nationalrath Anderegg entworfenen Zolltarifs; 2) würde nach dem Antrag der Zollkommifsion beschlossen, alle mnthmaßlichen gewöhnlichen jährlichen Bnndes-

bedürfniffe dnrch die Grenzzölle zu decken , so ist die Minorität in dem Falle, Jhnen, Tit., dem Entwurfe der Majorität der Zollkommission gegenüber - den als Minoritätsantrag von ihr selbst entworfenen Zolltarif zn empfehlen; 3) Beschlösse der Nationalrath aber, nach dem Antrage des Bundesrathes, daß für den mnthmaßlichen Zoll...

ertrag eine Brntto-Summe von 31/.^ Millionen an-

238 .

genommen werden müsse , fo kann mit der Minderheit der Kommission ein Theil der Majorität, wenn die Tariffrage nicht an die Kommission zurückgewiesen werden wollte, nicht zu dem Tarifprojekt des Bundesrathes , fondern nur zu dem Entwurfe des Herrn Bischof stimmen.

Der leitende Gedanke, welcher der Minderheit diesen

Weg einzuschlagen gebot, ist der, daß, welches auch die Summen seien, welche durch Erhebung von Grenzzöllen sollen erhoben werden, der höchste Zollsatz per Zentner nie 6 Franken übersteigen dürfe. Weil nun aber die Majorität Jhrer Kommission, mit deren übrigen Sätzen die Minorität mit wenig Ausnahmen (z. B. Eisen und Zucker) einig gehen könnte, den höchsten Zollsatz ans 10 Franken per Zentner festgesetzt hat, so konnte sie so wenig zu diesem Projekte stehen, als sie eventuell den Vorschlag des Bundesrathes empsehlen kann, dessen höchster Satz bis auf 16 Franken geht.

Wir begründen in Kürze und im Wesentlichen unfere

Ansicht damit: 1) Ho..^ Zoll^ führen, auch wenn die Absicht des Gesetzgebers keine andere als eine rein fiskalische ist, mit Notwendigkeit zum Schutzzollsysteme und damit zu allen den unberechenbaren Nachtheilen, welche mit allen, auch dem mäßigsten Schutzzollsystem, verbunden sind; zur Verarmung der Konsumenten, zur Hemmung der natürlichen Entwicklung

der Industrie, zum Ruin des Handels im Allgemeinen und nach dem Auslande im Besondern, endlich zu naturwidrigen und darum schädlichen Gewerbsund Jndustrieverhältnissen.

2) Hoh^ Zöll^, gleichviel, ob Finanz- oder Schutzzölle, ernöthigen eine kostspielige Zollverwaltung und Grenz-

23.)

bewachung und begründen damit die successive Ver-

armung des Landes, weil nicht bloß jährlich gegen eine halbe Million und vielleicht noch mehr dem Steuerpflichtigen nutzlos entzogen wird, sondern überdieß noch bei hnnderten von jungen arbeitskräftigen Männern für die Produktions- und Erwerbskraft der Nation durch die Grenzbewachung verloren gehen..

Wir übertreiben gewiß nicht, wenn wir glauben behaupten zu sollen, daß durch die Kosten der Grenzbewachung, und durch die Müßiglegung der Krast der bei derselben verwendeten Männer, das Schweizervolk eine jährliche Einbuße von 1 Million Franken machen wird.

3) Hohe Zölle sind illusorische Zölle und sind um so.

illusorischer, je höher sie sind, weil sie durch den Schmuggel leicht und um so gewisser umgangen werden, je höher sie sind. Auch hier steigt das Verhältniß in geometrischer Progression. Nehmen wir z. B. an, das Schmuggeln eines Zentners koste im Durchschnitt 5 Franken , so ist der Gewinn bei einem Zollsatz von 6 Franken per Zentner 1 Franken, bet ^ 8 Franken Zoll ist der Gewinn 3 und bei 16 Franken Zoll der Gewinn 11 Franken per Zentner.

Dem Einwande, daß der Schmuggel eben durch die Grenzbewachung werde verhindert werden, be-.

gegnen wir mit der Thatfache , daß trotz viel größerer Grenzbewachung kein Land des Kontinentes den Schmuggel hat verhindern können, und daß derfelbe selbst in der Schweiz in denjenigen Kantonen, welche förmliche Zollsysteme haben, in bedeutendem Maße stattfindet, wosür sreilich die amtlichen Zollregister keinen Ausweis zu geben vermögen.

^

240 4) Der Schmuggel, oder besser gesagt, hohe Zölle, weil diese zum Schmuggel führen , demoralisiren das Volk, und zwar nicht bloß die Leute, welche schmuggeln, sondern auch die, welche schmuggeln lassen, und Andere damit. Man fängt mit diesem Betrug gegen den Staat an nnd sährt in andern Dingen sort.

Der Eine wird es beim Zollwesen, der Andere in andern Dingen versuchen und thun , und gar Vielen

wird die Gelegenheit nnd Neigung dazu nicht sehlen.

Bei Jhnen, Tit., steht der Entscheid. Wir unserseits werden zu höhern Zöllen, als zu 6 Franken Maximum per Zentner, in keinem Falle, und auch dann nicht stimmen, wenn diese höheren Sätze nur Gegenstände des reinsten Luxus betreffen würden, welche nach Art und Werth selbst eine zehnfach größere Summe zahlen könnten.

Wir können dieß nicht nur aus den schon angesührten Gründen nicht, sondern auch darum nicht, weil wir uns nicht verhehlen können, daß aus gewissen, noch so wohlgemeinten Zugeständnissen in Zollsachen Folgerungen sich von selbst und mit unabweisbarer Macht entwickeln, die weit über die Grenzen hinausgehen, die man im Ansange bezeichnet hat.

Die Zollbatzen per Zentner, von denen man vor zehn Jahren gesprochen und die man als hinreichend, als Marimum sestgesetzt hatte, sind heute Zollfranken geworden. Jn zehn Jahren wird man von Zollthalern sprechen, wenn es uns heute wenigstens in zweiter Linie nicht gelingen sollte, die Majorität des Hauses für unser Tarifsprojekt zu gewinnen.

Jnzwifchen bangt uns nicht. Die Sonne der Handelsfreiheit mit ihren warmen Strahlen wird^ andere Früchte

als hohe Grenzzölle zur Reife bringen, und das einzige

241 Volk in Europa, welches bisher seine Handelsfreiheit sich so gut als seine politische Freiheit zu wahren wußte, wird um gesetzliche Wege nicht verlegen sein, seinen Ansichten Geltung zu verschaffen.

Die Minorität glaubt, daß sie heute die Meinung der Majorität des Volkes zu vertreten die Ehre habe und sie hat deßwegen die ganze Zeit hindurch, während welcher sie sich mit der Zollsrage zu beschäftigen hatte, mit Ernst und Unverdroffenheit, im Vereine mit der Majorität der Kommission, alle Kräfte .und alle Stunden ausschließlich

diesen hochwichtigen , folgenreichen Angelegenheit gewidmet.

IV.

Zu dem Tarifsentwurfe endlich übergehend, verkennt ^die Minorität nicht, daß ihre Arbeit noch mit wesentlichen Mängeln behaftet ist, und namentlich verhehlt sie sich und

Ihnen, Tit., nicht, daß gewisse Gegenstände nicht in diejenigen Klassen haben eingereiht werden können , in welche diefelben ihrer Eigenschaft oder ihrem Werthe, oder ihre....

Bestimmung nach hätten eingereiht werden sollen, fo z. B.

die Seide in die Klasse der übrigen Rohstoffe, das Reis, Mehl ..e. in die Klasse der Lebensbedürfnisse, so Bürstenwaaren zu den übrigen Handelsartikeln und Manufakturwaaren.

Aber mit der Majorität der Kommission hat sie zu beklagen, daß ihr die nöthige Zeit von da an nicht mehr zu Gebote stand, als Sie die sofortige Behandlung der Zollfrage ausgefprochen hatten. Im Fernern hat die Kommission es zu beklagen , daß gewisse Unvollkommenheiten deßhalb nicht umgangen werden konnten, weil der neue Zolltaris auf der Basis vorhandener Einfuhrtabellen und in dem Sinne ausgearbeitet werden mußte, daß man nach

242 höchster Wahrscheinlichkeit eines Ertrages von 3 Millionen Franken und selbst noch darüber so sicher als möglich sein könne.

Wir zweifeln nicht, daß, wenn uns noch einige Zeit vergönnt gewefen wäre, die Zollkommission in großer Majorität sich zu einem gemeinsamen Tarif hätte verständigen können.

Besonders aber ist zu beklagen, daß unserer Arbeit keine andere Grundlage gegeben war. Ein logisch gegliederter Zolltarif kann nur dann gemacht werden, wenn von der Frage seines Erträgnisses ganz abgesehen werden darf.

Für diesen Fall wären uns in den Arbeiten der eidgenössischen Expertenkommission vom Jahr 1844 und den Arbeiten der vom Bundesrathe in diesem Jahre zu Rath gezogenen Experten vorzügliche Grundlagen gegeben gewesen. Wir hätten, wenn uns erlaubt gewesen wäre, in solcher Weise zu arbeiten , zu einem Tarife gelangen können, der kein bestehendes Jnteresse verletzt und das Uebel von siskalifchen und Grenzzöllen auf das niederste Maß beschränkt haben würde.

Wie h e u t e die Sachen stehen, können wir nur wünschen, daß die nächste wohl nahe bevorstehende Revision in diesem Sinne stattfinde. Es wird dieß dann um so

möglicher fein, weil bis dahin das Gute, welches in der neuen Postgefelzgebung, und in der Zentralisation des Postwesens überhaupt liegt, seine reichlichen Früchte tragen wird. Jn Betreff unseres Tarifes wollen wir diejenigen Erläuterungen, welche wegen einzelnen Gegenständen nothwendig fein dürften, mündlich zu ertheilen uns die Ehre geben. Wie und warum wir unfern Tarif auf eine muthmaßliche Einnahme von 3,000,000 Fr. haben ausarbeiten müssen, ist Jhnen, wie fchon bemerkt, in dem Majoritätsberichte gesagt worden. Die Kommission war darüber nie

243 getheilter Ansicht. Ebenso verweisen wir, in Betreff Alles dessen, was wir hier, von dem gemeinsamen Standpunkte aus betrachtet, nicht berührt^ haben, ebenfalls auf den Bericht der Majorität der Kommission. Dagegen glauben

wir, daß, was die Ausgangszölle betrifft, wir noch Einiges berühren sollen, obfchon diese Ausgangszölle nicht bloß in unserm Tarife, fondern in allen Projekten, welche Ihnen vorgeschlagen werden, vorkommen. Wir sind diese Bemerkungen deßwegen Jhnen schuldig, weil Petitionen

mit nahezu 20,000 Unterschriften sich gegen diefelben ausgesprochen haben.

Es ist uns dabei nicht zu thun, Ausfuhrzölle im Allgemeinen zu rechtfertigen, indem dießfalls nnfere Ansichten entschieden mit den Ansichten der Petenten übereinstimmen.

Ausfuhrzölle sind nicht bloß unklug und lästig, fondern, wenige Ausnahmen abgerechnet, verderblich, ja felbst (so z. B. der Ausfuhrzoll auf Fellen) oft sogar ungerecht. Jn den meisten Fällen verfehlen sie zugleich den Zweck, zu welchem sie meistenteils eingeführt worden sind. Obfchon felbst die Experten vom Jahre 1844 folche Ausfuhrzölle in ihren Projekten ebenfalls aufgenommen hatten, würden wir dennoch auf diefelben verzichtet haben, wenn wir, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Summe, ein Zollsystem auszuarbeiten gehabt hätten. Wir glauben, daß auch ohne diese, ein billiges rationelles Zollsystem, sicherer eine Einnahme von 2.^ bis 3 Millionen gewähren würde. Leider.

hatten wir diese günstige Stellung nicht, sondern die Forderung für eine möglichst gewisse Einnahme ist uns in peremtorifcher Weife gestellt worden.

Bei diefer Sachlage boten uns die Ausgangszölle eine Hülfseinnahme von 50,000 Fr. auf der Zentnerzahl und.

von zirka 170,000 Fr. auf den übrigen Stück- und Werthzollen. Letztere sind da, wo sie vorzugsweise werden be-

244 zogen werden und meist in höherm Maße bisher schon bestanden, und erstere schienen uns bei der waltenden Sachlage vorzüglich aus drei Gründen gerechtsertiget.

Einmal sind sie, in sehr vielen Fällen - leider aber nicht für die Grenzgegenden - ein Aequivalent des auszuhebenden Weggeldes. Zum Andern wird durch die Grenzzolle, zu gutem Theile, eine andere als diejenige Klasse betroffen, welche durch die Einsuhrzölle schon im Uebermaß belegt werden mußte, und welche noch mehr hätte belastet werden müssen, wenn wir aus diese Einnahme verzichtet hätten. - Solche Verhältnisse kommen namentlich in allen den industriellen Kantonen vor, wo der Fabrikant nicht auch zugleich Großhändler (Exporteur) ist.

. Drittens endlich ist deren Bezug , weil nicht der Werth oder die Eigenschaft der Waare, sondern nur das Gewicht derselben in Anschlag gebracht ist, mit keiner lästigen oder aufhaltenden Kontrolle verbunden, noch der Ausfuhr felbst durch den Satz von 10 Rp. per Zentner ein Hinderniß bereitet. Es versteht sich dabei von selbst, daß in Bezug der Zeit der Aussuhr, die vollziehende Behörde den verschiedenen Verhältnissen die vollste Rechnung zu tragen hat.

Der weiter geäußerten Befürchtung, daß durch Ausfuhrzölle der Grenzverkehr von Ort zu Ort beeinträchtigt werden möchte, fuchten wir durch die Bestimmung zu begegnen, daß Colli unter 80 Psund nicht verzollt, und ungehindert überall, nicht bloß bei den Zollstätten, ausgeführt werden dürfen.

Endlich noch ein Wort darüber, daß wir unsere höchsten Klassen zu 6 und 4 Fr. angesetzt haben. Wir finden uns hiezu um so mehr verpflichtet, als wir nur mit Widerstreben uns zu diesem Nothschritt entschlossen hatten, und wir mehr und mehr uns überzeugt hatten, daß Zollsätze über 5 Fr. in der höchsten und zu 3 Fr. in der zweit-

245 höchsten Klasse vom Uebel seien. Jn diesem Sinne hatten wir lange Zeit gearbeitet, konnten dann aber den geforderten Zollertrag von drei Millionen nur dann finden, wenn wir andere Sätze und andere Eintheilungen in den untern Klassen machten. Gegen Beides machten sich die größten Bedenken geltend, .da eine Erhöhung der Sätze der ersten vier Klassen sür die Konsumenten im Allgemeineu viel lästiger geworden wäre, als die Erhöhung in den beiden letzten Klassen, und nebenbei die Industrie. übermäßig belästigt worden wäre. Dadurch hätte nicht bloß sie selbst, sondern Alles, was an ihrem Gedeihen betheiliget ist -- gelitten. - Zwischen der Wahl von zwei Uebeln mußten wir das kleinere wählen; doch schmerzt uns die höchste Klasse zu Fr. 6 um so mehr, als wir uns genöthigt sahen, einige Gegenstände in diese Klasse zu verlegen , die diesen Satz kaum ertragen , und im Allgemeinen auch noch darum, weil in diesem Satze schon ein Reiz, wenn auch ein kleiner, zum Schmuggel .oder zu salschen Deklarationen liegen kann.

Wesentlicher aber sind unsere Bedenken wegen der zweithöchsten Klasse zu 4 Fr.. Es sind nämlich die meisten Gegenstände derselben allemal, nicht bloß Gegenstände der innern Konsumtion, sondern auch des Zwischenhandels, sür welchen dieser Zollbetrag eine seine Jnteressen sehr gesährdende Besteurung wird. Namentlich kann bei Genf und Tessin, wo dieser Verkehr einen höchst bedeutsamen

.^eil der Erwerbsquellen bildet, die Folge möglicherweise die sein, daß ein Theil dieses Zwischenhandels für die Schweiz verloren geht. .

Unglücklicherweise haben wir dießfalls den bedrohten Landestheilen, deren, wie schon oben berührt, auch noch Andere sein mögen, keinen andern Trost zu geben, als den, daß wir hoffen und erwarten dürsen, der Bundesrath werde mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln,

246 im Falle der Noth selbst durch Gestattung von Entrepot.^

Actifs, oder durch Rückzahlung der Zölle (Dra^.v-bacl..)

diesen Gegenden und diesem Handel alle jene Erleichterungen gewähren, welche ohne w i c h t i g e r e Interessen der Eidgenossenschaft zu verletzen, zu gewähren möglich

und zulässig ist.

Wenn wir zugleich, und nicht ganz mit Unrecht, von einigen Seiten werden getadelt werden, daß wir bereits alle Artikel, welche vorzugsweise Produkte der Handwerks-

industrie sind, in die zweithöchste und höchste Klasse gesetzt haben, so gestehen wir, daß wir geglaubt haben, keinen Anstand nehmen zu sollen, diese Eintheilung eintreten zu lassen. Es ist nämlich bekannt, wie, namentlich an den Grenzen, der Handwerksstand die Konkurrenz der ausländischen Handwerker zu bestehen hat, und es ist einleuchtend, daß diese Konkurrenz sür den schweizerischen

Handwerker deßhalb höchst nachtheilig sein muß, weil ihm das Ausland dagegen ganz verschlossen ist. Obschon keine Freunde von Schutzzöllen, könnten wir doch, wo die eigenen Jnteressen es gestatten, zu Repressalien stimmen, welche zum Zwecke hätten, unsere Nachbarn zu freundlicheren Zollmaßregeln zu zwingen, als die sind, welche diefelbe gegen uns zu ergreifen gewohnt sind. Namentlich

.wird es hoffentlich die Schweiz nie vergessen, wie feindlich hart sie in den jüngsten Zeiten der Theurung in Betreff der Ausfuhrzölle .auf Getreide und andern Lebensmitteln von dem Auslande behandelt worden ist.

Welches Jhre Ansichten, Tit., sein mögen, wollen Sie

in Betreff der Festsetzung der Tarissätze, im Jnteresse der eidgenössischen Finanzverwaltung nie vergessen, daß je billiger die Zölle festgesetzt werden, um desto sicherer auf deren Eingang gezählt werden kann, und daß auch

247 aus rein finanziellen Gründen hohe Zolle in keiner Weise zu empfehlen sind.

Möge aus Ihren hochwichtigen Beratungen ein Gesetz hervorgehen, zu welchem das Schweizervolk seine Zustimmung sreudig geben kann.

Wir hoffen es..

(Folgen die Unterschriften.)

Bericht der Minderheit der Kommission des Nationalrathes (französischer Berichterstatter Herr Lambelet).

Tit.!

Die Kommission , welche Sie mit der Untersuchung des von dem Bundesrathe vorgelegten Entwurfes eines Zollgefetzes beauftragt haben, ist vorerst über den Punkt einig, daß nämlich diefer Entwurf den bisherigen Gewohnheiten der ganzen Schweiz und der öffentlichen Meinung in diesen^ Dingen zu sehr widerspreche, um nicht, sowohl für die Jnteressen des Fiskus als diejenigen des Handels, der Industrie, des Ackerbans, welche mit denjenigen der Kon.snmenten in enger Verbindung stehen, bedauerliche Folgen zu veranlassen. Nach Anerkennung dieser allgemeinen Erwägung hat Jhre Kommission den Betrag der Summe in Betracht gezogen, welche der Tarif abwerfen muß, damit die Bezahlung der Entschädigungen an die Kantone und die öffentliche Verwaltung der Eidgenossenschast gesichert sei.

Nach einigen Erörterungen über diesen Gegenstand ist die Kommission bei der Summe von ungefähr Fr. 3,000,000 brutto stehen geblieben, welche ihr für ihre Arbeiten und zu Befriedigung aller Anforderungen als Grundlage dienen soll. Aus den von dem Vorsteher des Finanzdepartementes erteilten Aufschlüssen geht ferner hervor, daß diese Brutto-

248 summe von 3 Millionen für die Bedürfnisse der Verwaltung hinreichend wäre.

Nachdem diefe Vorarbeit zu Ende gebracht war, hat sich Ihre Kommifsion sofort mit der Behandlung des Tarifs beschäftigt; allein hier begann die Spaltung.

Die Mehrheit hat neun Klassen für die Eintheilung der eingeführten Waaren mit einem Maximum von Fr. 10 festgesetzt.

Die Minderheit hat bloß sieben Klassen mit einem Maximum von Fr. 6 bestimmt.

Diese beiden Punkte veranlassen uns, das von uns gegenüber der Mehrheit der Kommission aufgestellte System in Kürze auseinander zu fetzen: 1) Zu zahlreiche Klassen erschweren die Anwendung des Tarifs; sie erheifchen eine große Anzahl Angestellter und Experten, um die verschiedenen den Gebühren unterworfenen Waaren zu unterscheiden. Zu zahlreiche Klassen erschweren den Handel, indem die Handelsleute genöthigt sind, die Anzahl der von ihnen versendeten Frachtstücke zu vermehren, woraus eine Kostenvermehrung für den Konsnmenten entsteht, und endlich ziehen sie für. den Fiskus die Gefahr der falschen Angaben nach sich, eine nothwendig.^ .^olg.^ davon , wenn eine Waare gleicher Natur, aber vermiedener Gattungen , sich in verschiedene Kategorien eingeteilt findet.

2) Das Maximnm des Tarifs, 10 Fr., ist zu hoch,

es gestattet das Aufkommen des Schmuggelhandels, es entsittlicht die Grenzbevölkerungen, es zerstört die ganze ^ Berechnung (économie) des Tarifs aus dem einzigen Grunde, weil es den Betrug einführt, und endlich bietet es der eidgenössifchen Kasse nur durchaus unsichere und ungewisse Hülssmittel dar.

249 Bei einem Maximum von Fr. 6, wie wir es in unserm Tarife festgestellt haben, glauben wir, gewähre die.

Zollumgehung kaum einen Gewinn, und es wären daher die Einkünfte des Fiskus gesichert.

. Ein zu hoher Tarif hinwieder würde die schweizerischen Völkerschaften, welche bis dahin nur einfachen Weggebühren unterworfen waren, überraschen, und da sich dieselben diese in ^Folge des neuen Bundesvertrages eingetretenen wesentlichen Veränderungen nicht wohl zu erklären wüßten, so liegt es im Interesse der Bundesversammlung dahin zu wirken, die neuen eidgenössischen Zollgebühren soviel wie möglich zu mäßigen, ohne jedoch dabei die sinanziellen Jnteressen der Eidgenossenschaft aus den Augen zu verlieren. Es ist übrigens überflüssig zu bemerken, daß, wenn der Tarif hoch genug wäre um den Schmuggel hervorzurufen, die Eidgenossenfchaft sich in die Notwendigkeit versetzt sehen würde, sich auf das von den verschiedenen uns umgebenden Staaten angenommene Repressivstem einzulassen, auf ein System, welches den Grundsätzen, die ein freies Volk stets bewahren soll, kaum zuträglich ist.

Ein zu hoher Tarif hätte keineswegs den Schutz der Jnteressen der Jndustriellen zur Folge und würde diejenigen der Konsumenten schwer verletzen. Bei einem zu hohen Taris würden die begünstigten Jndnstrien Konkurrenz entstehen sehen und bald wahrscheinlich würde die Produktion größer werden als der Verbrauch, und in Folge dessen Verminderung des Gewinnstes, des Lohnes, und Störung im Jndustriewesen des Landes eintreten. Bei dem System eines hohen Tarifes wird der Konfument während mehreren Jahren vielleicht sich die Gegenstände , deren er bedarf, theuer anschassen müssen .nnd wird von der Vermehrnng der Produktion erst dann Nutzen ziehen, wenn die Industriellen, einer zu starken Konkurrenz unterliegend,

250 genöthigt sein werden zu liquidiren, -- es ist dieß daher ein vorübergehender Vortheil. Neben diesen verschiedenen Betrachtungen gibt es noch andere, schlagendere. Vorerst würde der Zwischenhandel vernichtet. Die eigentlichen Niederlagshäuser würden demselben nicht hinreichende Leichtigkeit der Bewegnng in seinen Operationen gewähren, und es würde ihm, um sich zu erhalten, kein anderes Mittel

übrig bleiben , als die fingirten Niederlagshänser oder die Drawback (Rückzahlung der Aussuhrgebühr) , ein System, das sür den Staatsschatz Verlegenheiten und verschieden-

artige Folgen nach sich zieht.

Ferner setzt das Eingehen dieses Handels eine Menge

von Bürgern in die Notwendigkeit, sich, in Folge der ihre Interessen berührenden Störung, auf eine neue Jndustrie zu legen, und daraus entsteht eine den Handelsverhältnissen der ganzen Schweiz nngünstige Bewegung.

Endlich vermehrt ein zu hoher Tarif um ein Bedeu-

tendes die Bezngskosten; die Eidgenossenfchaft sähe sich genöthigt, die Anzahl der Bureaus zu vervielfältigen, daher auch diejenige des Personals, -- ein kostspieligeres Rechnungswesen einzusühren, und würde vielleicht dahin gebracht, ein besonderes Korps zu Bewachung ihrer Grenzen auszustellen. Diese Nachtheile, welche dazu beitragen, das Verwaltungssystem um vieles zu verwickeln, können nicht in Zweifel gezogen werden.

Mit einem Tarif, dessen Marimum geringer ist, gelangt die Minderheit der Kommission, bis an eine Disserenz

von Fr. 77,000, zum nämlichen Ergebniß als die Mehr-

heit derselben; diese Differenz jedoch wird mehr als hinreichend ausgeglichen durch die Vermindernng der allgemeinen Bezugskosten und durch die Gewißheit des Bezuges

selbst; denn es ist unmöglich in Abrede zu stellen, daß

251 durch einen höheren ..^aris eben dieser Be.^ug m .^rage

gestellt wird.

Der Verbrauch wird gewiß durch die Erhöhung der Fiskalgebühren vermindert werden, und der Schmuggel, wenn auch in geringem Maße betrieben, wird sowohl den Interessen des ehrlichen Handels, als denjenigen des öffentlichen Schatzes schaden.

Das System ^der Kommissionsminderheit beruht hauptsächlich auf dem Grundsatz : ...

daß die Gebühren ^von 10 Batzen und darunter erträgliche, sehr geringe Gebühren sind, welche der Einfuhr keinen Eintrag thun werden und wo niemand daran denken wird, sich der Entrichtung derselben entziehen zu wollen..

daß daher der eidgenössische Fiskus seine Einnahme quellen in den zu 10 Batzen und darunter tarierten Gegenständen suchen muß ; auch hat die Minderheit der Kommission es sich daher zur Aufgabe gemacht , unter

gleichzeitiger Berücksichtigung der Interessen des Handels, des Ackerbaues und der Industrie, die größtmöglichste Summe der zu belegenden Gegenstände in die Kategorien von 10 Batzen und darunter aufzunehmen ; auf diese Weise steigen ihre vier ersten Klassen von 1 bis 10 Batzen auf den Betrag von:

3,634,226 Ztr., welche abwerfen während die Mehrheit der Kommission bloß

3,461,425 Ztr. erhält, welche

Fr. 1,318,011. -Fr. 1,098,012. 50

abwerfen. Diese Disserenz von .

172,801 Ztr.

und von Fr^ 219,998. 50

hat der Kommifsionsminderheit gestattet, die drei letzten Klassen um so viel zu vermindern, und hauptsächlich die Zahl der 6 Franken als Maximum nicht überschreiten zu

252 müssen, während die Mehrheit genöthigt ist, die obigen Differenzen aus die letzten Klassen überzutragen und ihr Maximum auf 10 Franken hinaufzusetzen, eine Zahl, welche die Minderheit in dem Sinne für gefährlich hält, als dadurch die Zollumgehung erzeugt würde und daher die Einkünfte des Bundes, in Folge dieser Umgehung um so zweifelhafter und unsicherer, vermindert werden dürften, und endlich der erste Schritt auf dem Wege des Schutzz olle s gethan wäre.

Unter diefen Umständen hat die Minderheit der Kommission die Ehre, Jhnen den Entwurf eines Tarifes vorzulegen, welcher zugleich die Interessen der Verwaltung mit denjenigen der Konsumenten vereinbart und den wichtigen Grundsatz der Handelsfreiheit aufrecht erhält, welchem

bis dahin die Schweiz ihre Wohlfahrt verdankt, und endlich dem Schmuggelhandel, diesem Krebsschaden aller derjenigen Länder, wo das Schutzzollsystem die Oberhand gewonnen, jeden Spielraum benimmt.

Die Vortheile des Tarifes, den wir Jhnen vorlegen, lassen sich in wenigen Worten zusammenfassen : Bessere Klasseneintheilung der tarierten Gegenstände^ Ersparnisse in den Bezugskosten; Vorteilhaftes Resultat in Betreff der Finanzen des Bundes.

Die Minderheit der Kommission beschränkt sich aus diese kurzgefaßte Auseinandersetzung, indem sie sich vor-

behält, ihre Ansichten bei der mündlichen Verhandlung geltend zu machen und diejenigen Punkte zu bekämpfen, in welchen sie mit der Mehrheit der Kommission nicht übereinstimmt.

Beilage zu Nr. 37 des schweizerischen Bundesblattes.

Mittwoch. den 18. Juli 1849.

#ST#

Aus den Verhandlungen des Bundesrathes.

Angelegenheit der dentschen Flüchtlinge.

Kreisschreiben.

Der schweizerische Bundesrath an sämmtliche eidgenossische Stände.

Bern, den 15. Juli 1849.

Getreue, liebe Eidgenossen!

Dem Vernehmen nach sollen auch einzelne solcher Fluchtlinge wieder in die Schweiz sich erschleichen, welche entweder von der Bundesbehörde ausgewiesen worden sind, wie z. B. Heinzen, oder die wegen Theilnahme an der

zweiten badischen Erhebung im September 1848 das Asyl-

recht verwirkt haben, wie Struve und Mithafte.

Der Bundesrath sieht sich daher veranlaßt, die hohen Kantonsregierungen einzuladen , aus solche Individuen Bnndesblatt I. Bd. II.

22

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Kommissionalberichte , betreffend das Zollwesen. (Fortsetzung.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1849

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

37

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

18.07.1849

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219-253

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