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Bundesblatt 106. Jahrgang

Bern, den 4. Februar 1954

Band I

Erscheint wöchentlich. Preis SO Franken im Jahr, 16 Franken im Halbjahrzuzüglichh Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 50 Happen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an · Stämpfli & Cie. in Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über den Gesamtarbeits vertrag und dessen Allgemeinverbindlichkeit (Vom 29. Januar 1954)

:

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen den Entwurf zu einem Bundesgesetz über den Gesamtarbeitsvertrag und dessen Allgemeinverbindlichkeit mit der nachstehenden Botschaft zu unterbreiten.

I. Anlass und Vorbereitung ; 1. Bückblick 1. Unsere Rechtsordnung kennt seit dem Jahre 1912, in dem das revidierte Schweizerische Obligationenrecht in Kraft getreten ist, das Rechtsinstitut des Gesamtarbeitsvertrages (Art. 322 und 323 OE). Mit dieser kühnen Neuerung, deren Tragweite damals noch gar nicht übersehen werden konnte, hat die Schweiz der Entwicklung des kollektiven Arbeitsrechtes auf gesetzlicher Grundlage als eines der ersten Länder den Weg gebahnt.

Die Verbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben zwar schon vor dem Jahre 1912 kollektive Vereinbarungen abgeschlossen, die man als Tarifverträge bezeichnete, weil die Lohnsätze in einem «Tarif» festgelegt wurden.

Solche Vereinbarungen begründeten aber keine Rechte und Pflichten für die angeschlossenen Mitglieder, sondern nur. für die vertragschliessenden Verbände.

Die Mitglieder hatten sich kraft ihrer Verbandsmitgliedschaft an die Bestimmungen der kollektiven Vereinbarung zu halten; doch blieben abweichende Abmachungen zwischen einzelnen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleichwohl zivilrechtlich gültig. Die Verbände mussten sich damit begnügen, auf ihre Mitglieder mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln einzuwirken und sie schlimmstenfalls auszuschliessen.

Bundesblatt. 106. Jahrg. Bd. I.

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126 Mit den Artikeln 322 und 323 des Obligationenrechtes wurde die Grundlage dafür geschaffen, dass Arbeitgeber oder Arbeitgebervereinigungen gemeinsam mit Arbeitnehmern oder ArbeitnehmerVereinigungen Bestimmungen über die Dienstverhältnisse der beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufstellen können, die entgegenstehenden Einzelabmachungen vorgehen. Abreden zwischen den einem Gesamtarbeitsvertrag unterstellten Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die den Vertragsbestimmungen widersprechen, sind nichtig und werden durch diese Bestimmungen ersetzt. Auf diese Weise können für die Angehörigen eines Betriebes oder eines ganzen Berufes die Arbeitsverhältnisse einheitlich geregelt werden, was der Wahrung und Förderung des Arbeitsfriedens wie auch der Ordnung des Konkurrenzkampfes dient. Für die einzelnen Arbeitnehmer werden durch den Gesamtarbeitsvertrag bestimmte Arbeitsbedingungen festgelegt, die im Einzelfall nicht mehr besonders geregelt oder gar erkämpft werden müssen, und für die Arbeitgeber besteht die Gewähr, dass in den dem Vertrag unterstellten Betrieben einheitliche Arbeitsbedingungen und insoweit auch gleiche Voraussetzungen für die Produktionskosten gegeben sind.

2. Der Gesamtarbeitsvertrag gilt nur für die am Vertrag als Parteien beteiligten Personen sowie für die Mitglieder der vertragschliessenden Arbeitgeberund Arbeitnehmerverbände, während er auf andere Arbeitgeber und Arbeitnehmer desselben Berufes (sogenannte Aussenseiter) nicht anwendbar ist, weshalb die Zwecke des Gesamtarbeitsvertrages nicht immer in befriedigender Weise erreicht werden können. Die mit dem Gesamtarbeitsvertrag angestrebte Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen und damit auch der Konkurrenzverhältnisse in einem bestimmten Beruf kann in der Eegel nur verwirklicht werden, wenn entweder keine ins Gewicht fallenden Aussenseiter vorhanden sind, oder wenn die Eegelung auch für die Aussenseiter gilt. Von besonderer Bedeutung ist die gesamtarbeitsvertragliche Eegelung der Löhne und der Arbeitszeit sowie allfälliger sozialer Nebenleistungen (wie Gewährung von Ferien, Versicherungsbeiträgen usw.), da damit auch die Lohnkosten für die beteiligten Firmen fixiert werden. Aussenseiter, die zu diesen Leistungen nicht verpflichtet sind, könnten sich deshalb einen Vorsprung zum Nachteil der Mitglieder des vertragschliessenden
Arbeitgeberverbandes verschaffen. Ebenso könnten die Mitglieder des Arbeitnehmerverbandes, die dem Gesamtarbeitsvertrag unterstehen, benachteiligt werden, wenn Aussenseiter Arbeit zu ungünstigeren Bedingungen annehmen und die beteiligten Arbeitnehmer von ihren Arbeitsplätzen verdrängen. Es ist deshalb verständlich, dass die Beteiligten von Anfang an bestrebt waren, den Geltungsbereich des Gesamtarbeitsvertrages nach Möglichkeit auf alle Angehörigen des Berufes auszudehnen, wie dies schon die Vorbereitungen für das revidierte Obligationenrecht zeigen.

An eine, eigentliche Allgemeinverbindlicherklärung in der heutigen Form, durch die der Geltungsbereich von Gesamtarbeitsverträgen beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auf Grund einer besondern behördlichen Anordnung auf alle Angehörigen eines Berufes oder Wirtschaftszweiges ausgedehnt wird, dachte man damals noch nicht. Dagegen wurde die Frage der Aus-

127 dehnung des Geltungsbereiches von Gesetzes wegen eingehend erörtert. In seiner zweiten Botschaft betreffend die Revision des Obligationenrechts schlug der Bundesrat eine Bestimmung vor, wonach «öffentlich bekanntgemachte Tarifverträge» für alle Berufsangehörigen oder für eine bestimmte Gegend gelten sollten, soweit nicht in den einzelnen Dienstverträgen etwas anderes vereinbart wird (dispositive FernWirkung des Gesamtarbeitsvertrages) x). In den Beratungen der nationalrätlichen Kommission und des. Nationalrates machten sich Bestrebungen geltend, die noch weitergehen und den Geltungsbereich der Gesamtarbeitsverträge zwingend auf alle Angehörigen des betreffenden Wirtschaftszweiges oder der betreffenden Gegend ausdehnen wollten (obligatorische Fernwirkung) 2). Doch wurden in den Bäten nicht nur diese weitergehenden Vorschläge, sondern auch der Antrag des Bundesrates abgelehnt. Die Geltung des Gesamtarbeitsvertrages blieb demnach auf die Vertragsparteien und die Mitglieder der vertragschliessenden Verbände beschränkt.

Die der Natur des Gesamtarbeitsvertrages innewohnende Tendenz auf Ausdehnung seines Geltungsbereiches kam auch in der Folge nicht zur Buhe.

Unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg wurde die Frage der Einführung der Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen zur Diskussion gestellt. Das Bundesgesetz vom 27. Juni 1919 betreffend die Ordnung des Arbeitsverhältnisses 3), das in der Volksabstimmung verworfen wurde, enthielt auch eine Grundlage für die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen. Im Anschluss an diese Vorlage wurde im Jahr 1920 vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement der Entwurf zu einem besondern Bundesgesetz über die Verbindlichkeit von Gesamtarbeitsverträgen ausgearbeitet, der jedoch nicht weiter verfolgt wurde. Die Allgemeinverbindlicherklärung von Kollektivverträgen fand nach diesen ersten Versuchen einer allgemeinen Eegelung zunächst Eingang in die Spezialgesetzgebung, und zwar erstmals mit dem Bundesbeschluss vorn 18. Oktober 1922 betreffend staatliche Hilfeleistung für die Stickereiindustrie 4). Bald wurden auch die Vorstösse zur allgemeinen Einführung der Allgemeinverbindlicherklärung wieder aufgenommen. In den drèissiger Jahren versuchten ebenfalls einzelne Kantone (Genf, Neuenburg und Freiburg) die Allgemeinverbindlicherklärung
von Gesamtarbeitsverträgen für ihr Gebiet einzuführen; doch wurden die kantonalen Erlasse vom .Bundesgericht als bundesrechtswidrig aufgehoben B). In einem weitern Eahmen fand der Gedanke Ausdruck in der ersten Vorlage über die Revision der Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung aus dem Jahre 1939, die die Möglichkeit der Allgemein-, verbindlicherklärung nicht nur von Gesamtarbeitsverträgen, sondern von VerbandsvereinbaruBgen überhaupt, ohne sachliche Beschränkung auf das Arbeitsverhältnis, vorgesehen hatte.

!)

2 ) 3 ) 4 ) 6 )

BEI 1909, III, 745 und 853.

Sten. Bull., NE XIX, 587 ff.

BEI 1919, II, l ff. und III, 846 ff.

AS 38, 538.

BGE 64 I 23 und 65 I 249.

128 Für weitere Einzelheiten sei auf die Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 21. Mai 1941 zum Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen verwiesen 1).

3. Nach diesen Vorstössen und der Einführung auf Sondergebieten wurde die Allgemeinverbindlicherklärung erstmals von Bundes wegen in umfassender Weise im dringlichen Bundesbeschluss vom 1. Oktober 19412) vorgesehen. Auch wenn vor allem die damalige Zeitläge, in der Arbeitskonflikte nach Möglichkeit vermieden werden sollten, den Anstoss zur gesetzlichen Eegelung gab, so stellte diese doch anderseits einen natürlichen Abschluss der jahrzehntelangen Bestrebungen dar. Im Jahre 1943 wurde die Eegelung, die auf drei Jahre befristet war, durch einen dem Eeferendum unterstellten Bundesbeschluss vom 23. Juni 1943 3), der sich neben Artikel 64 vor allem auf Artikel 34ter der Bundesverfassung stützte, ersetzt. Dieser Beschluss, der gegenüber dem früheren einige Änderungen aufwies und ebenfalls befristet war, wurde in der Folge durch eine Eeihe von Bundesbeschlüssen vom 30. August 1946 4), vom 8. Oktober 1948 6) und vom 15. Juni 195l6) in seiner Geltungsdauer verlängert, zuletzt bis zum 81. Dezember 1954. Da über die Allgemeinverbindlicherklärüng zuerst Erfahrungen gesammelt ' werden sollten, begnügte man sich einstweilen mit einer provisorischen Ordnung.

2. Entstellung der Vorlage Anlässlich der letzten Verlängerung des Bundesbeschlusses vom 23. Juni 1943 erteilten die Eäte dem Bundesrat den Auftrag, eine neue Vorlage über die Allgemeinverbindlicherklärung vorzubereiten, um diese Eechtseinrichtung in die ordentliche Gesetzgebung überzuführen. Nachdem es möglich gewesen war, ·während längerer Zeit Erfahrungen zu sammeln und die rechtliche Ausgestaltung sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen allseitig abzuklären, war es in der Tat .gegeben, an eine definitive Ordnung der Allgemeinverbindlicherklärung heranzutreten. Auch waren die Vorbereitungen für das allgemeine Arbeitsgesetz so weit gefördert, dass auch die Beziehungen zum öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz überblickt werden konnten. Ferner war inzwischen in den neuen Wirtschaftsartikeln, die im Jahre 1947 in der Volksabstimmung angenommen wurden, dem Bund in Artikel 34ter, Absatz l, lit. c, ausdrücklich und in eindeutiger Weise die
Befugnis zum Erlass von Vorschriften über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen und andern gemeinsamen Vorkehren der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände zur Förderung des Arbeitsfriedens eingeräumt worden.

!)

2 ) 3 ) *) *) 6 )

BEI 1941, 321.

AS 57, 1106.

AS 59, 855.

AS 62, 1055.

AS 1949, 17.

AS 1951, 915.

129 Zu Beginn des Jahres 1949 wurden deshalb die Vorbereitungen für ein Bundesgesetz über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen an die Hand genommen. Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit bestellte im Auftrag des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes eine Expertenkommission, in der die Kantone, die Wissenschaft, die Verbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie die Verwaltung vertreten waren. In mehreren Tagungen, wurde die nicht einfache gesetzgeberische Materie einlässlich beraten. Das Ergebnis dieser Beratungen wurde in einem gedruckten Bericht und Gesetzesentwurf des Bundesamtes vom Dezember 1950 («Vorarbeiten für ein Bundesgesetz über den Gesamtarbeitsvertrag und dessen Allgemeinverbindlichkeit») niedergelegt.

: Die Kantonsregierungen und die Organisationen der Wirtschaft sowie weitere an der Arbeitsgesetzgebung interessierte Kreise wurden auf Grund des angeführten Berichtes und Gesetzesentwurfes zur Vernehmlassung aufgefordert.

Die allgemeinen Erwägungen und der Entwurf fanden im grossen und ganzen die Zustimmung der Mehrheit der befragten Kantonsregierungen und Organisationen. In einzelnen Fragen waren die Meinungen naturgemäss geteilt, worauf im folgenden an Ort und Stelle hingewiesen wird. Auf Grand der eingegangenen Vernehmlassungen wurde der Entwurf in einer letzten Tagung der Expertenkommission zu Beginn des vergangenen Jahres nochmals durchberaten und hierauf bereinigt. Dabei erwiesen sich einige Änderungen des Entwurfes vom Dezember 1950 als erforderlich; doch konnte im wesentlichen am ursprünglichen Entwurf festgehalten werden. Der Entwurf, den wir mit der vorliegenden Botschaft unterbreiten, entspricht, abgesehen von einzelnen am gegebenen Ort anzuführenden Ausnahmen, den Auffassungen der Kommission.

3. Eiribezug des Gesamtarbeitsvertrages

Schon zu Beginn der Beratungen zeigte es sich, dass1 der Gesamtarbeitsvertrag in die neue gesetzliche Regelung mit einbezogen werden rnuss.

Die Kommission war nämlich mit Eecht der Auffassung, dass bei der Allgemeinverbindlicherklärung die behördlichen Eingriffe auf ein Mindestmass zu beschränken seien und im wesentlichen nur im behördlichen Akt zu bestehen haben, der den Geltungsbereich des Gesamtarbeitsvertrages auf die dem Vertrag nicht' angeschlossenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer! des ganzen Berufes ausdehnt, während die Wirkungen der Allgemeinverbindlichkeit für die Aussenseiter rein privatrechtlich sein sollen. Dabei ergab sich, dass eine solche Ausgestaltung der Allgemeinverbindlichkeit, die man als privatrechthch bezeichnen kann, eine entsprechende Ordnung des Gesamtarbeitsvertrages voraussetzt.

Die Vertragsbestimmungen müssen sowohl auf die Beteiligten als auch auf die Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die durch die nachträgliche Ausdehnung des Geltungsbereiches erfasst werden, in befriedigender Weise angewandt werden können. Anderseits musste man sich von der bekannten Tatsache Rechenschaft geben, dass die rechtlichen Grundlagen im Obligationenrecht für eine befriedigende Durchsetzung der Gesamtarbeitsverträge nicht ausreichen. Die von der

130 Kommission und auch vom Bundesrat als richtig erachtete privatrechtliche Ausgestaltung der Allgemeinveibindlichkeit erfordert demnach eine Eevision und einen Ausbau des geltenden Bechte des G-esamtarbeitsvertrages. Dieser Auffassung, die im folgenden noch näher zu begründen ist (vgl. Kapitel II), schloss sich die Kommission von Anfang an mehrheitlich an, und es wurde nur vereinzelt die gegenteilige Meinung vertreten.

Der vorliegende Gesetzesentwurf bezieht sich demnach .sowohl auf den Gesamtarbeitsvertrag als auch auf die Allgemeinverbindlicherklärung. Obgleich die Eevision des Gesamtarbeitsvertragsrechtes aus den angeführten Gründen durch die Eegelung der Allgemeinverbindlicherklärung bedingt ist, darf anderseits nicht übersehen werden, dass diese Eevision auch für die künftige Entwicklung der nicht-allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsverträge von Bedeutung sein wird.

Es sei beigefügt, dass auch eine Empfehlung der Internationalen Arbeitsorganisation betreffend die Gesamtarbeitsverträge aus dem Jahre 1951 besteht.

Durch diese Empfehlung wird die Schweiz zwar nicht verpflichtet, entsprechende Vorschriften zu erlassen. Immerhin sei im Anschluss an den Hinweis des Bundesrates in seinem Bericht vom 12. Dezember 1952 über die 84. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz ^ festgestellt, dass die Vorlage den Grundsätzen der angeführten Empfehlung im wesentlichen entspricht. Soweit Abweichungen bestehen, ergeben sich diese aus dem Prinzip der freiheitlichen Ausgestaltung, das dem Entwurf zugrunde liegt.

II. Der Gesamtarbeitsvertrag 1. Das Kollektiwertragsrecht Schon vor dem Ersten Weltkrieg haben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu Verbänden zusammengeschlossen, um auf dem Wege kollektiver Vereinbarungen die Arbeitsbedingungen zu regeln und so ein Gleichgewicht zwischen den Parteien des Arbeitsmarktes herzustellen. Gegenwärtig sind über eine halbe Million Arbeitnehmer, d. h. über ein Drittel aller Arbeitnehmer, und rund 130 000 Arbeitgeber, die etwas mehr als die Hälfte sämtlicher Arbeitgeber (ohne Landwirtschaft) ausmachen, in Verbänden organisiert. Die Zeiten, in denen der einzelne Arbeitgeber mit seinen Arbeitnehmern die Arbeitsbedingungen ausschliesslich durch Einzeldienstvertrag regelte, sind längst vorbei. Neben das Einzeldienstvertragsrecht des Obligationenrechts und neben das gesetzliche
Arbeitsschutzrecht, wie es bundesrechtlich namentlich im Fabrikgesetz geregelt ist, ist das Kollektivrecht der Verbände getreten, das seinen Niederschlag in den Gesamtarbeitsverträgen findet.

Seiner äussern Form nach ist der Gesamtarbeitsvertrag zwar ein Vertrag.

Doch schafft er nicht nur Eechtsbeziehungen zwischen den vertr,agsschliessenden Parteien, sondern er stellt vor allem Vorschriften auf, die wie gesetzliche Bestimmungen unmittelbar für die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer l

) BEI 1952, III, 835.

131 . gelten. Dadurch erhält'er den Charakter einer Eeohtsquelle und stellt eine Art autonome Satzung dar. Die Befugnis, durch den Abschluss eines Vertrages Bechtsnormen zu schaffen, ergibt sich nicht ohne weiteres aus der Bechtsfähigkeit der beteiligten Personen und Verbände, sondern beruht auf der in den gesetzlichen Bestimmungen enthaltenen Ermächtigung, was oft übersehen wird (Art. 322 und 323 OE).

Die Gesamtarbeitsverträge machen zusammen mit andern kollektiven Vereinbarungen (Friedensabkommen und Abmachungen über die schiedsgerichtliche Erledigung von Streitigkeiten) das Kollektivvertragsrecht aus, das neben den staatlichen Vorschriften über das Arbeitsverhältnis einen immer breiteren Baum einnimmt. Es bedarf keiner nähern Begründung, dass in rechtlicher Hinsicht das Primat den staatlichen Vorschriften zukommt, und dass sich das Kollektivvertragsrecht im Eahmen der staatlichen Gesetzgebung zu bewegen hat.

Unter dieser Voraussetzung ist jedoch der Entfaltung des Kollektivrechtes der Verbände in der modernen Wirtschaft ein breiter Baum zu gewähren. Eine Beihe von Gegenständen sozialpolitischer Natur, die der einheitlichen Eegelung bedürfen, müssen auf kollektivvertraglichem Wege geordnet werden und können in unsern schweizerischen Verhältnissen nicht Inhalt der staatlichen Gesetzgebung sein. Zu diesen Gegenständen gehört vor allem die Begelung des Lohnes.

Im vielfältigen Geflecht der modernen Wirtschaft ist es kaum mehr denkbar, dass der Lohn überall vollständig dem freien Spiel der Kräfte überlassen bleibt.

Dass sich aber der Staat der Lohnregelung annehmen würde, fällt aus verschiedenen Gründen nicht in Betracht, weshalb eine kollektivvertragliche Ordnung sich als notwendig erweist. Dadurch wird insbesondere vermieden, dass der Staat zu sehr in den Interessenkampf der Arbeitsmarktparteien hineingezogen wird, da sich Lohnfragen und ähnliche Probleme kaum aus diesem Kampf herauslösen lassen. Die in den Gesämtarbeitsverträgen jeweils festgelegte Eegelung besteht denn auch in nichts anderem als in der Fixierung der im Eahmen der fortwährenden Auseinandersetzung erreichten vorläufigen Positionen der beiden Arbeitsmarktparteien.

Ferner dient die kollektivvertragliche Eegelung, die aus der geordneten Auseinandersetzung der beteiligten Kreise selber erwächst, der Aufrechterhaltung des Arbeitsfriedens,
wofür bei einseitiger staatlicher Festsetzung nicht immer in gleichem Masse Gewähr bestehen würde. Solange sich die Auseinandersetzung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Bahmen von Gesämtarbeitsverträgen und andern kollektiven Vereinbarungen bewegt, spielt sie sich in rechtlichen Formen und unter weitgehender Zurückdrängung blosser Machtmittel ab. Deshalb hat denn auch die Bundesverfassung die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesämtarbeitsverträgen in Artikel 34ter unter den Gesichtspunkt der «Förderung des Arbeitsfriedens» gestellt.

2. Bisherige Entwicklung 1. Trotz der gesetzlichen Eegelung im Jahre 1911 blieb die Zahl der Gesamtarbeitsverträge klein, solange sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer miss-

132 trauisch gegenüberstanden und im Gesamtarbeitsvertrag nur einen vorübergehenden Waffenstillstand im Klassenkampf erblickten. Im Jahre 1929 zählte man erst 300 Gesamtarbeitsverträge. Ihre Zahl stieg auf rund 1000 am Ende des Zweiten Weltkrieges und beträgt gegenwärtig rund 1400 1). Die Bedeutung dieser Verträge ist allerdings, was sowohl den Geltungsbereich als auch den Inhalt anbetrifft, sehr verschieden. Ungefähr die Hälfte sind sogenannte Firmenverträge, die von einem einzelnen Arbeitgeber mit Arbeitnehmerorganisationen abgeschlossen wurden; daneben wurden Ende 1952 91 Landesverträge, 75 Landesteilverträge, 250 kantonale Verträge und 268 Lokalverträge ermittelt.

Im ganzen werden rund 100 000 Arbeitgeber und nahezu 800 000 Arbeitnehmer von solchen Verträgen erfasst. Um ein richtiges Bild über die zahlenmässige Bedeutung zu erhalten, sind die Zahlen der von Gesamtarbeitsverträgen erfassten Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch in Beziehung zu den Gesamtzahlen der Selbständigerwerbenden und Unselbständigerwerbenden zu setzen. Nach der Stichprobenauswertung der Volkszählung 1950 2) beträgt die Zahl der Selbständigerwerbenden (ohne Landwirtschaft) rund 220 000 und diejenige der Unselbständigerwerbenden (ohne Landwirtschaft) ungefähr l 571 000. Die im April 1951 von Gesamtarbeitsverträgen erfassten Arbeitgeber machen somit rund 47 Prozent der Selbständigerwerbenden, die Arbeitnehmer rund 50 Prozent der Unselbständigerwerbenden aus.

Weitaus der grösste Teil der in Betracht fallenden Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden von Verträgen erfasst, die zwischen Verbänden abgeschlossen wurden. Die Landesverträge allein erfassen mehr als die Hälfte der Arbeitgeber und rund drei Fünftel der Arbeitnehmer.

Nach der Zahl der gësamtarbeitsvertraglich gebundenen Arbeitgeber in den einzelnen Wirtschaftszweigen stehen an der Spitze das Gastgewerbe (17,8%), das Baugewerbe (14,3%), die Nahrungsmittelindustrie (13,4%), die Holzbearbeitung (8,9%), das Reinigungsgewerbe (7,7%) und das graphische Gewerbe (4,5%). Daraus ist ersichtlich, dass die Gesamtarbeitsverträge vor allem in den inlandorientierten Wirtschaftszweigen von Bedeutung sind, während sie in der Exportindustrie eine geringere Verbreitung gefunden haben.

Weitere Einzelheiten über die bisherige Entwicklung der Gesamtarbeitsverträge sind den Tabellen l bis 4 im
Anhang zrt entnehmen.

2. Die tatsächliche Entwicklung der Gesamtarbeitsverträge hat im Verlauf der Jahre den rechtlichen Eahmen der Artikel 322 und 323 des revidierten Obligationenrechts aus dem Jahre 1911 gesprengt. Die Ausgestaltung der Verträge stimmt in vielen Fällen mit der zur Verfügung stehenden Kechtsform nicht mehr überein.

Ursprünglich bestund der Gesamtarbeitsvertrag zur Hauptsache aus Bestimmungen, die die einzelnen Dienstverhältnisse der beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer regelten. Daneben wurden Bestimmungen über Rechte und Pflichten der Parteien, wie z. B. die Friedenspflicht oder die schiedsgerichtliche !) Vgl. «Volkswirtschaft» 1952, 40.

2 ) Vgl. «Volkswirtschaft» 1952, 345.

133, Erledigung von Streitigkeiten, aufgenommen. Zu diesen sozusagen klassischen .Vorschriften sind nun aber, vor allem in den von Verbänden abgeschlossenen Verträgen, in immer grösserem Umfang solche Bestimmungen getreten, die die Beteiligten gegenüber den Vertragsparteien zu einem Tun oder Lassen verpflichten. So sollen z. B. die Vertragsparteien von den Arbeitgebern Beiträge an Familienausgleichska'ssen,: Ferien- oder Versicherungskassenì verlangen können.

Ferner werden namentlich direkte Verpflichtungen der Beteiligten gegenüber den Vertragsparteien vorgesehen, die der Kontrolle und Durchsetzung des Vertrages dienen. Die Beteiligten sind demgemäss zur Duldung von Kontrollen sowie zur Unterlassung von Kampfmassnahmen (Streiks und Aussperrungen) verpflichtet und haben bei der Verletzung des Vertrages den Verfall von Kautionen zu gewärtigen oder Konventionalstrafen zugunsten der Vertragsparteien zu entrichten. Mit diesen Bestimmungen erhalten die Vertragsparteien eine veränderte Stellung. Sie sind nicht mehr blosse Parteien, die einander gegenüberstehen, . sondern bilden eine Einheit, die den Beteiligten und auch Dritten gegenüber selbständig auftritt. In der Praxis der Gesamtarbeitsverträge wird nicht selten von einer «Vertragsgemeinschaft» gesprochen, und die Vertragsparteien verfügen vielfach über eigene Organe (paritätische Kommissionen zum Vollzug des Vertrages, Einigungsstellen, Schiedsgerichte zur Schlichtung von Streitigkeiten und gemeinsame Einrichtungen, wie Ferien- und Familienausgleichskassen sowie Arbeitsnachweisstellen). Die berufliche Zusammenarbeit hat da. durch eine starke Förderung erfahren, und damit ist der Arbeitsfrieden in entscheidender Weise gesichert worden. Die Kontrolle und Durchsetzung ist in diesen Fällen Sache der Vertragsgemeinschaft und ihrer Organe. Auch wenn eine einzelne Vertragspartei mit der Kontrolle und Durchsetzung beauftragt ist, so handelt sie doch im Namen der Vertragsgemeinschaft.

Die mit den angeführten neuen Bestimmungen versehenen Gesamtarbeitsverträge können weit wirksamer gestaltet werden als die früheren Verträge, die sich auf blosse Vereinbarungen über die einzelnen Dienstverhältnisse beschränkten, ohne gleichzeitig auch die Kontrolle und Durchsetzung zu ordnen.

Die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind nicht mehr darauf angewiesen,
nötigenfalls selber zu klagen, was für den Arbeitnehmer während der Dauer des Dienstverhältnisses in der Regel ohnehin nicht tunlich ist. Ferner treten an die Stelle der blossen Einwirkung der Verbandsorgane auf ihre Mitglieder die Vorkehren der Vertragsgemeinschaft, die sich auf die Beteiligten aller vertragschliessenden Verbände beziehen. Auf diese Weise ist nicht nur den einzelnen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gedient, sondern es wird damit auch das 'unabhängig vom Interesse der Einzelnen bestehende und an sich legitime Kollektivinteresse an der Einhaltung des Gesamtarbeitsvertrages wahrgenommen. Die tatsächliche Entwicklung bei der Ausgestaltung der Gesamtarbeitsverträge ist demnach auf Beweggründe zurückzuführen, die Berücksichtigung verdienen.

· , Anderseits ruuss festgestellt werden, dass zurzeit eine klare und ausreichende Eechtsgrundlage für die skizzierte Ausgestaltung der Gesamtarbeitsverträge

134 fehlt. Die angeführten direkten Verpflichtungen der Beteiligten gegenüber der Vertragsgemeinschaft sind richtigerweise als Verpflichtungen zu Lasten Dritter anzusehen, indem allen Verbandsangehörigen, auch solchen, die dem Gesamtarbeitsvertrag nicht zugestimmt haben, Verpflichtungen gegenüber der Vertragsgemeinschaft auferlegt werden. Die rechtliche Möglichkeit, solche Verpflichtungen zu begründen, kennt aber unser geltendes Eecht nicht, und zwar auch nicht bei der Ordnung des Gesamtarbeitsvertrages. Durch diesen können den Beteiligten nur Leistungen vorgeschrieben werden, die Inhalt eines Einzeldienstvertrages bilden könnten. Dazu gehören aber nicht die Leistungen, die Gegenstand der Verpflichtungen gegenüber der Vertragsgemeinschaft bilden.

Bei dieser Eechtslage ist anzunehmen, dass die in Frage stehenden neuen Bestimmungen in den Gesamtarbeitsverträgen vor dem Eichter keinen Bestand haben würden; dies um so weniger, als die Ordnung in den Verträgen, mangels der erforderlichen Eechtsbehelfe im geltenden Eecht, in zahlreichen Fällen nicht befriedigt.

Ob und wie mit besondern Bestimmungen in den Verträgen den Verpflichtungen gegenüber der Vertragsgemeinschaft imEahmen der gegenwärtigen Ordnung des Gesamtarbeitsvertrages Eechtsbeständigkeit verliehen werden könnte, sei hier nicht näher untersucht. Es dürfte der Hinweis darauf genügen, dass auf alle Fälle entsprechende Bestimmungen in den Statuten der am Vertrag beteiligten Verbände oder besondere individuelle Verpflichtungserklärungen der Verbandsmitglieder notwendig wären, was offensichtlich nicht unerhebliche Komplikationen bedingen würde.

3. Bevision und Ausbau der bestehenden Regelung 1. Angesichts dieser Sachlage ist es unerlässlich, dass die bestehende Eegelung des Gesamtarbeitsvertrages, in Übereinstimmung mit der tatsächlichen Entwicklung, in geeigneter Weise ergänzt und ausgebaut wird. Bei der Eevision des Obligationenrechts im Jahre 1911 wurde den Parteien des Gesamtarbeitsvertrages die Befugnis zur Aufstellung von Bestimmungen über das Arbeitsverhältnis eingeräumt. Zu dieser Kompetenz der Verbände, Normen für einen bestimmten Kreis von Personen zu erlassen, gehört aber richtigerweise auch die Befugnis, diese Normen durchzusetzen.

Wie schon erwähnt, ist eine rechtliche Ordnung des Gesamtarbeitsvertrages, die eine ausreichende und
wirksame Kontrolle und Durchsetzung erlaubt, mit Eücksicht auf die Allgemeinverbindlicherklärung unentbehrlich.

Die Ausdehnung des Geltungsbereiches von Gesamtarbeitsverträgen auf Grund einer behördlichen Anordnung ist nur zuzulassen, wenn die Verträge richtig durchgeführt werden können. Die befriedigende Durchsetzung der Verträge ist aber nur möglich, wenn den Vertragsparteien die erforderlichen, heute weitgehend noch fehlenden Eechtsbehelfe zur Verfügung gestellt werden. Erst der Ausbau des Gesamtarbeitsvertragsrechtes im Sinne der bisherigen Entwicklung ermöglicht eine einwandfreie privatrechtliche Ausgestaltung der Allgemeinverbindlichkeit, die durch die Ausdehnung des Geltungsbereichs des Gesamt-

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arbeitsvertrags .und die privatrechtlichen Wirkungen der allgemeinverbindlichen Bestimmungen auf die Beteiligten gekennzeichnet ist.

Wenn geltend gemacht wird, dass der bisherige Zustand in der Praxis zu keinen Schwierigkeiten Anlass gegeben habe, so ist dem entgegenzuhalten, dass sich der Zivilrichter bisher mit solchen Fällen nicht zu befassen hatte. Bei veränderter Wirtschaftslage könnten sich aber in vermehrtem Masse Streitigkeiten ergeben, die vor dem Zivilrichter zürn Austrag kämen. Dass die vertraglichen Schiedsgerichte oft geneigt sein dürften, über den Eahmen des geltenden Eechts hinauszugehen, ist erst recht kein Grund für einen Verzicht auf den Ausbau der bestehenden Eegelung. Im übrigen bringt der Ausbau der.geltenden Ordnung des Gesamtarbeitsvertrages keinerlei Nachteile irgendwelcher Art für die Beteiligten mit sich. Vielmehr werden diesen neue Bechtsbehelfe zur Verfügung gestellt, über die sie bisher nicht verfügten und die - ganz abgesehen von der Notwendigkeit im Hinblick auf die Allgemeinverbindlicherklärung - der künftigen Entwicklung der Gesarnta'rbeitsverträge in der Praxis nur förderlich sein werden.

Auf die Eevision und den Ausbau des Eechts des Gesamtarbeitsvertrages könnte nur verzichtet werden, wenn für die Durchsetzung der allgemeinverbindlichen Bestimmungen mit behördlichen Massnahmen, d. h. auf öffentlichrechtlichem Wege, gesorgt würde, oder wenn die nötigen neuen Eechtsbehelfe ausschliesslich für die allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsverträge geschaffen würden. Eine öffentlichrechtliche Ausgestaltung . der Allgemeinverbindlichkeit fällt jedoch ausser Betracht, und auch die zweite Möglichkeit erweist sich aus verschiedenen Gründen nicht als empfehlenswert. Bei der Beschränkung der neuen Eechtsbehelfe auf die allgemeinverbindlichen Verträge würden zwei Arten von Gesamtarbeitsverträgen entstehen, was schon an und für sich unerwünscht wäre. Besonders bedenklich wäre aber, dass dadurch der Allgemeinverbindlicherklärung in einer der Sache nicht angemessenen Weise Auftrieb gegeben würde. Es wäre zu befürchten, dass die Allgemeinverbindlicherklärung nicht wegen der Gründe verlangt würde, die sie legitimerweise rechtfertigen; vielmehr würde sie wohl in zahlreichen Fällen bloss im.Hinblick auf die besondern Eechtsbebelfe anbegehrt, die ausschliesslich für die allgemeinverbindlichen
Gesamtarbeitsverträge zur Verfügung stünden. Wenn es dagegen möglich ist, schon den Gesamtarbeitsvertrag als solchen auf Grund einer ausreichenden rechtlichen Ordnung so auszugestalten, dass er richtig durchgesetzt werden kann und seinen Zweck erfüllt, so wird die Allgemeinverbindlicherklärung nicht fremden Zielsetzungen dienstbar gemacht.

2. Im einzelnen sind die bestehenden Vorschriften über den Gesamtarbeitsvertrag angesichts der bisherigen Entwicklung und der bestehenden rechtlichen Mängel m der Durchsetzung vor allem in zwei Hinsichten zu ergänzen.

In Übereinstimmung mit den tatsächlichen Vorkehren der Verbände ist im Gesetz ausdrücklich zu bestimmen, dass direkte Bechtsbeziehungen zwischen den am Gesamtarbeitsvertrag beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern und

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der Vertragsgemeinschaft hergestellt werden können. Damit werden die oben angeführten Verpflichtungen der Beteiligten gegenüber der Vertragsgemeinschaft, die sich aus den neuen Bestimmungen in den Gesamtarbeitsverträgen ergeben und die vor allem auch der Kontrolle und Durchsetzung des Vertrages dienen, in rechtlich einwandfreier und zudem einfachster Weise ermöglicht. Da es sich dabei um eine bedeutsame rechtliche Neuerung handelt, ist ihr Gegenstand genau zu umschreiben.

Diese Regelung setzt aber voraus, dass eine neue Eechtsform als Instrument der beruflichen Zusammenarbeit zur Verfügung gestellt wird, die es den Vertragsparteien ermöglicht, als Vertragsgemeinschaft nach aussen eine Einheit zu bilden. Damit die Beteiligten gegenüber den Vertragsparteien unmittelbar verpflichtet werden können müssen diese als eine selbständige Einheit den Beteiligten wie auch Dritten gegenüber auftreten können. Den Vertragsparteien ist deshalb die Möglichkeit zu geben, sich durch ausdrückliche Bestimmung im Gesamtarbeitsvertrag als Gesamtarbeitsvertragsgemeinschaft zu konstituieren.

Die Vertragsgemeinschaft soll Träger der direkten Rechtsbeziehungen zu den Beteiligten sein, da sie vor allem im Hinblick auf diese geschaffen wird.

Sie soll aber ausserdem, wenn dies die Parteien bestimmen, Träger gemeinsamer Kassen und Fonds sein können, wie z. B. von Ausgleichs- und Ferienkassen, Personalfürsorgefonds, von anderen gemeinsamen Einrichtungen, die das Arbeitsverhältnis betreffen, vor allem solchen, die der Arbeitsvermittlung und der beruflichen Ausbildung dienen, sowie von paritätischen Institutionen, die verschiedene Aufgaben dieser Art gleichzeitig erfüllen. Die Expertenkommission wollte zwar mehrheitlich die Vertragsgemeinschaft auf die direkten Rechtsbeziehungen beschränken, namentlich aus der Befürchtung, die Vertragsgemeinschaft könne sich sonst zu sehr verselbständigen. Diese Befürchtung ist jedoch unbegründet, weil ja die Verbände selbst die Vertragsgemeinschaft bilden und deren Aufgaben bestimmen. Es wäre auch gesetzespolitisch nicht richtig, wenn man durch die vorgeschlagene Beschränkung die künftige Entwicklung der beruflichen Zusammenarbeit behindern würde. Es soll in allen Fällen Sache der Vertragsparteien sein, im Gesamtarbeitsvertrag ausdrücklich zu bestimmen, in bezug auf welche Gegenstände die
Vertragsgemeinschaft als selbständiger Rechtsträger auftreten kann. Die Vertragsparteien können ohne weiteres die Vertragsgemeinschaft auf einzelne oder alle der im Gesetz genannten Gegenstände der direkten Rechtsbeziehung beschränken oder den Aufgabenkreis nach ihrem eigenen Ermessen entsprechend den Bedürfnissen und Zwecken der Zusammenarbeit weiter fassen. Da die Umschreibung der Aufgaben und der Organisation der Vertragsgemeinschaft einzig und allein den Vertragsparteien zukommt, haben es diese in der Hand, eine Verselbständigung der Vertragsgemeinschaft zu verhindern.

Ausser dem angeführten Ausbau des Gesamtarbeitsvertragsrechts bedürfen noch einige weitere Punkte der Ordnung, was grösstenteils durch den skizzierten Ausbau und das Interesse an der Rechtssicherheit bedingt ist. Da der Gegenstand der direkten Rechtsbeziehungen im einzelnen genau umschrieben werden

137 muss, sollte auch der Gegenstand des Gesamtarbeitsvertrages als solcher eindeutig umgrenzt werden. Ferner ist die Regelung der direkten Rechtsbeziehungen nur dann voll verständlich, wenn gleichzeitig auch die Wirkungen des Gesamtarbeitsvertrages als solchen ini Gesetz geregelt werden. Sind aber in diesen Eichtungen neue Bestimmungen notwendig, so drängt sich eine Ordnung des Gesamtarbeitsvertrages auf, die die wichtigsten, Sachfragen einbezieht. Dabei ist auch dem Gebot der Rechtssicherheit Rechnung zu tragen, dem ini Hinblick auf die den Vertragsparteien einzuräumenden neuen Befugnisse zur Durchsetzung des Vertrages erhöhte Bedeutung zukommt. Es ist deshalb am Platz, dass auch die Dauer und die Form sowie das Verhältnis zur übrigen Gesetzgebung ergänzend geregelt werden.

Trotz dem Einbezug dieser Fragen war es möglich, den Gesamtarbeitsvertrag in nur acht Artikeln zu ordnen.

4. Ausdehnung des Geltungsbereiches. der Gesamtarbeitsverträge durch Vorkehren der Verbände Ein Problem, das näherer Abklärung bedurfte und auch hier besonders erörtert,werden niuss, bildet die Ausdehnung des Geltungsbereiches des Gesamtarbeitsvertrages durch eigene Vorkehren der Verbände.

Ì. Nach geltendem Recht ist der Gesamtarbeitsvertrag nur auf die vertragschliessenden Parteien und die Mitglieder der am Vertragsschluss beteiligten Verbände anwendbar : er entfaltet keine sogenannte Fernwirkung von Gesetzes wegen für weitere Personenkreise (z. B. nicht-organisierte Arbeitnehmer eines am Vertrag beteiligten Arbeitgebers), wie ihm auch keine sogenannte Nachwirkung hinsichtlich solcher Arbeitgeber und Arbeitnehmer zukommt, die nachträglich aus einem an einem Gesamtarbeitsvertrag beteiligten Verband ausscheiden. Auch kann der Geltungsbereich des Gesamtarbeitsvertrages nur beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auf dem Wege der, Allgemeinverbindlicherklärung ausgedehnt werden.

Da sornit die Möglichkeit der Ausdehnung des Geltungsbereiches mit den angeführten Mitteln beschränkt ist, versuchen die Parteien schon seit längerer Zeit mit mannigfachen Vorkehren von sich aus den Geltungsbereich ihrer Verträge auf die Aussenseiter auszudehnen. Die Aussenseiter werden veranlagst, entweder in den Verband einzutreten, womit der Gesamtarbeitsvertrag automatisch auch auf sie Anwendung findet, oder doch sich dem Vertrag
anzuschliessen. Der Anschluss erfolgt etwa auf dem Wege schriftlicher individueller Unterwerfungserklärungen (sogenannte Anschlussverträge) oder durch die Ausgabe von sogenannten Arbeitskarten an Arbeitnehmer gegen Entrichtung eines sogenannten Solidaritätsbeitrages an die Vertragsparteien. Auf die Inhaber von Arbeitskarten, die als «Vertragstreue» Arbeitnehmer gelten, wird der Gesamtarbeitsvertrag wie auf die Mitglieder der vertragschliessenden Verbände angewandt. Mit dem System der Arbeitskarte ist häufig die sogenannte Absperrklausel verbunden, wonach die Arbeitgeber verpflichtet sind, nur «Vertrags-

138 treue» Arbeitnehmer zu beschäftigen, während umgekehrt die Arbeitnehmer nur bei «Vertragstreuen» Arbeitgebern arbeiten dürfen. Dabei werden vielfach Vorkehren getroffen, die man als unerwünscht bezeichnen muss oder die gar den bestehenden Eechtsgrundsätzen widersprechen,-und nicht mit Unrecht erblickt man in diesen 'Vorkehren der Verbände eine charakteristische Auswirkung der Verbandsmacht.

* 2. Bei der Erörterung dieser Fragen muss man sich einerseits von den Gegebenheiten unserer gegenwärtigen Wirtschaft und der Funktion der Verbände in ihr Eechenschaft geben, anderseits aber auf die Verhinderung von Auswüchsen und Missbräuchen im Rahmen des Möglichen bedacht sein.

Mit Eücksicht darauf, dass seit mehr als zwölf Jahren die Möglichkeit besteht, auf Grund eines besondern behördlichen Verfahrens den Geltungsbereich von Gesamtarbeitsverträgen auf dem Wege der Allgemeinverbindlicherklärung, unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses und anderer schutzwürdiger Interessen, auf Aussenseiter auszudehnen, könnte man den Grundsatz der Ausschliesslichkeit der Allgemeinverbindlicherklärung aufstellen. Die Ausdehnung des Geltungsbereiches durch Vorkehren der Verbände wäre in diesem Fall vollständig zu untersagen, um lediglich den Weg der Allgemeinverbindlicherklärung offen zu lassen. Dabei könnte man sich darauf berufen, dass jene Form der Ausdehnung in der Praxis, und zwar auch im Gewand von privatrechtlichen Vereinbarungen, vielfach auf die Anwendung von direktem oder indirektem Zwang hinauslaufe.

Gegenüber einer solchen Lösung ist jedoch vorerst darauf zu verweisen, dass nach der bestehenden Rechtsordnung die Ausdehnung des Geltungsbereiches von Gesamtarbeitsverträgen durch Vorkehren der Verbände grundsätzlich zulässig ist, was auch durch die Rechtsprechung des Bundesgerichts bestätigt wird 1 ). Die Ausschliesslichkeit der Allgemeinverbindlicherklärung würde deshalb in einer einschneidenden Unterdrückung bisher zulässiger und verbreiteter Vorkehren bestehen. Infolgedessen würde sich die Zahl der Anträge auf Allgemeinverbindlicherklärung wesentlich erhöhen. Diesen Anträgen könnte man aber vielfach nicht entsprechen; es wäre denn, dass man auf eine Reihe notwendiger Voraussetzungen verzichten wollte. Zudem ist das Bestreben der Verbände, den Geltungsbereich ihrer Verträge auszudehnen, mit
Rücksicht auf das Ziel der Vereinheitlichung von Sozialleistungen und Konkurrenzbedingungen, in zahlreichen Fällen sachlich gerechtfertigt. Mit solchen Vorkehren wird Bedürfnissen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber Rechnung getragen, die sich in der modernen Wirtschaft ergeben haben und die man nicht unberücksichtigt lassen kann. Wollte man diese Vorkehren unterbinden, so müssten in vielen Fällen die Allgemeinverbindlicherklärung oder gar staatliche Vorschriften an ihre Stelle treten.

Unter diesen Umständen kann es sich lediglich darum handeln, Auswüchse des in der Praxis entwickelten Systems zu beseitigen. Diese Überlegungen x

) B GB 75 II 310.

139 waren bisher auch für die Praxis der Gerichte, insbesondere des Bundesgerichtes, wegleitend. Dabei ist freilich festzustellen, dass die bestehende rechtliche Grundlage den, tatsächlichen Verhältnissen auch in dieser Hinsicht nicht mehr voll entspricht. Früher mochten die allgemeinen Bestimmungen des Zivilgesetzbuches und des Obligationenrechts, insbesondere über den Schutz der Persönlichkeitsrechte, ausreichen. Heute erscheint es .dagegen als notwendig, diese allgemeinen Grundsätze in der Anwendung auf die Vorkehren der Verbände zur Ausdehnung des Geltungsbereiches von Gesamtarbeitsverträgen wenigstens teilweise zu konkretisieren.

3. Aus den angeführten Gründen und überdies im Interesse der Rechtssicherheit kann der Gesetzesentwurf auf die Eegelung der Vorkehren der Verbände zur Ausdehnung des Geltungsbereiches von Gesamtarbeitsverträgen nicht verzichten.

Der Anschluss ist im Gesetz ausdrücklich vorzusehen, und gleichzeitig ist festzulegen, dass die angeschlossenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Beteiligten gleichgestellt sind. Damit wird die Wirkung des Anschlusses, die nach geltendem Recht bei den individuellen Anschlussverträgen, wie sie heute üblich sind, nicht ohne weiteres klar ist, eindeutig umschrieben. Der Vertrag wirkt demnach ebenfalls unmittelbar und zwingend für die angeschlossenen Personen. Ferner sind Bestimmungen nötig, mit denen den Auswüchsen und Missbräuchen gesteuert werden soll. Dabei handelt es sich um die Frage der Anschlussbedingungen im allgemeinen und die besonderen Probleme des Verbands- und Vertragszwanges.

Hinsichtlich der Anschlussbedingungen ist der Grundsatz festzulegen, dass keine unangemessenen Bedingungen vorgesehen werden dürfen, wobei die Kostenbeiträge (sog. Solidaritätsbeiträge) von besonderer Bedeutung sind. Der vor allem unerwünschte und grundsätzlich bedenkliche, bei uns übrigens nicht verbreitete Verbandszwang, mit dem Arbeitgeber oder Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar zum Eintritt in einen vertragschliessenden Verband gezwungen werden sollen, ist - in Übereinstimmung mit der Praxis des Bundesgerichtes - vorbehaltlos zu untersagen. Auch die Kommission war einhellig dieser Auffassung.

Über die Regelung des Vertragszwanges, durch den Arbeitgeber oder Arbeitnehmer mit direktem oder indirektem Zwang zum Anschluss an den Vertrag veranlasst werden
sollen, waren die Meinungen geteilt. Der Entwurf des Bundesamtes vom Dezember 1950 enthielt eine Bestimmung, wonach kein Arbeitgeber oder Arbeitnehmer unter Androhung erheblicher wirtschaftlicher Nachteile zum Anschluss an einen Gesamtarbeitsvertrag gezwungen werden dürfe. Ferner wurde vorgeschlagen, Artikel 2, Absatz 3, dahin zu erweitern, dass auch Bestimmungen, Abreden und Massnahmen widerrechtlich sind, durch die Arbeitgeber oder Arbeitnehmer «unter Androhung oder Zufügung erheblicher Nachteile zum Anschluss an den Gesamtarbeitsvertrag gezwungen werden sollen». Solche Bestimmungen könnten aber, wie die Kommissionsmehrheit angenommen hat, in der praktischen Anwendung Schwierigkeiten

140 bereiten. Die Umstände bringen es mit sich, dass sich Aussenseiter aus wirtschaftlichen Überlegungen kollektivvertraglichen Eegelungen anschliessen. Wo in solchen Fällen die Grenze zwischen einer unzulässigen Drohung, sich dem Vertrag zu unterstellen, und dem vom Betroffenen unter den gegebenen Umständen in Kauf zu nehmenden Zwang wirtschaftlicher Gegebenheiten zu ziehen ist, kann in der Tat in genereller Form kaum befriedigend umschrieben werden, weshalb auf eine ausdrückliche Eegeìung besser verzichtet wird.

Dazu kommt, dass nach der Praxis des Bundesgerichts Bestimmungen, die die sogenannte Vertragstreue vorsehen, grundsätzlich zulässig sind1). Doch : dürfen durch die Vorkehren der Verbände die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen, insbesondere nach Artikel 27 und 28 des Zivilgesetzbuches, nicht verletzt werden. Auch in Zukunft muss es somit dem Eichter überlassen werden, im Emzelfall den Entscheid zu treffen. Die .Gerichtspraxis wird im Bahmen der bestehenden Vorschriften die anwendbaren Grundsätze unter Berücksichtigung der Verhältnisse zu formulieren haben. Im übrigen ist es denkbar, dass sich im Anschluss an eine Änderung in der Boykottrechtsprechung des Bundesgerichts die Gerichtspraxis auch mit den dem Boykott verwandten hier in Eede stehenden Vorkehren der Verbände unter neuen Gesichtspunkten befassen wird.

Nicht unerwähnt bleibe freilich, dass zahlreiche Streitfragen dieser Art nie zum gerichtlichen Austrag kommen, weil es der Betroffene nicht wagt zu klagen.

Bei dem Bestreben der Verbände, den Geltungsbereich des Gesamtarbeitsvertrages durch eigene Vorkehren auszudehnen, können diese, wie namentlich die Praxis der regionalen und lokalen Verträge zeigt, darauf ausgehen, andere, insbesondere kleinere und schwächere Verbände auszuschalten. Statt diese anderen Verbände dem Gesamtarbeitsvertrag beitreten zu lassen, können die vertragschliessenden Verbände versuchen, -die Mitglieder zum Einzelanschlusä an den Vertrag oder gar zum Übertritt aus ihrem Verband in den vertragschliessenden Verband zu veranlassen. Um dieses Ziel zu erreichen oder auch um andere Verbände überhaupt auszuschalten und sich eine Monopolstellung zu verschaffen, kann ein Verband versuchen, seine Vertragspartner durch eine Bestimmung im Gesamtarbeitsvertrag oder durch besondere Abreden und Massnahmen vom Abschluss
eines Gesamtarbeitsvertrages mit andern Verbänden abzuhalten. Ferner karin der Solidaritätsbeitrag unter Umständen so hoch angesetzt werden, dass die Mitglieder eines am Gesamtarbeitsvertrag nicht beteiligten Verbandes zum Übertritt in den vertragschliessenden Verband veranlasst werden.

Mit Eücksicht auf diese Möglichkeiten und Gefahren wurde namentlich seitens der kleinen Gewerkschaften der Antrag gestellt, es seien besondere Bestimmungen aufzunehmen, die den befürchteten Massnahmen entgegenzuwirken vermöchten. So wurde vorerst vorgeschlagen, bei der Umschreibung , von Begriff und Gegenstand des Gesamtarbeitsvertrages (Art. 1) die Abschluss!) BGE 7o II 312 ff.

· 141 freiheit der am Vertrag nicht beteiligten Verbände mit der nachstehenden Bestimmung zu sichern: «Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrages, Abreden und Massnahmen, die eine Vertragspartei vom Abschluss eines Gesamtarbeitsvertrages abhalten sollen, sind widerrechtlich.» Des weitern wurde eine Bestimmung in bezug auf die Solidaritätsbeiträge für solche Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorgeschlagen, die andern, am Vertrag nicht beteiligten Verbänden angehören. Danach sollen «Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrages oder Abreden über Beiträge von Verbandsmitgliedern, deren Verbände mangels Zustimmung der Vertragsparteien dem Gesamtarbeitsvertrag nicht zu gleichen Eechten und Pflichten beitreten können», nichtig sein. Vorschläge, die in der angedeuteten Sichtung gehen, sind grundsätzlich und im Hinblick auf ihre Zielsetzung durchaus erwägenswert. Doch ist der Bundesrat, in Übereinstimmung mit der mehrheitlichen Auffassung der Expertenkommission, zum Schluss gelangt, dass aus verschiedenen Gründen von einer gesetzlichen Begelung der aufgeworfenen Fragen abzusehen ist, namentlich weil die Dinge heute noch zu sehr im Flusse sind.

Was die Sicherung der Abschlussfreiheit anbelangt, so sollten in der Tat grundsätzlich alle Verbände die Möglichkeit haben, von der ihnen, durch das Gesetz eingeräumten Befugnis zur Aufstellung von Vorschriften für die beteiligten Arbeitgeber , und Arbeitnehmer mittels des Gesamtarbeitsvertrages Gebrauch zu machen. Es ist deshalb mit dem Grundgedanken des Gesamtarbeitsvertrages nicht vereinbar, dass einzelne Verbände durch, die private Macht anderer Verbände dieser Möglichkeit beraubt werden. Man kann sich fragen, ob nicht Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrages, Abreden und Massnahmen, die eine Vertragspartei vom Abschluss eines Gesamtarbeitsvertrages abhalten sollen, schon nach geltendem Eecht widerrechtlich sind, weil sie gegen Artikel 27 des Zivilgesetzbuches und die Artikel 19, 20 und 41 des Obligationenrechtes verstossen. Anderseits stellt sich die Frage, ob nicht Fälle denkbar sind, für die die vorgeschlagene Bestimmung in ihrer ausnahmslosen Formulierung zu weit gehen würde. Des weitern ist es fraglich, ob.mit einer Bestimmung, die lediglich, die Widerrechtlichkeit der entsprechenden Vertragsbestimmungen, Abreden und Massnahmen festlegt, das gewünschte Ziel erreicht
wird, wenn .nicht gleichzeitig ein Anspruch auf Beitritt und der Kontrahierungszwang vorgesehen werden. Das letztere fällt aber nicht in Betracht und wird von den Minderheitsgewerkschaften überwiegend auch nicht ausdrücklich verlangt.

Hinsichtlich der Solidaritätsbeiträge von Verbandsmitgliedern, die den vertragschliessenden Verbänden nicht angehören, ist vorerst darauf zu verweisen, dass sie dort, wo sie sich als indirekter Verbandszwang auswirken, vom vorbehaltlosen Verbot jeglicher Abreden, und Massnahmen, durch die auch mittelbar der Eintritt in einen Verband erzwungen werden soll, betroffen werden. Ausserdem kann unzulässig hohen' Beiträgen mit der Bestimmung über deren Angernessenheit begegnet werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit wird im übrigen vom Eichter selbstverständlich dem Umstand Bundesblatt. 106. Jahrg. Bd. I.

12

142 Bechimng getragen werden, ob der einzelne Arbeitgeber oder Arbeitnehmer bereits einem Verband, der mangels Zustimmung der Vertragsparteien nicht beitreten konnte, angehört oder nicht. Aus diesem Grunde rechtfertigt es sich, bei jenen Solidaritätsbeiträgen, die sich nicht als indirekter Verbandszwang auswirken, den Entscheid dem Eichter zu überlassen und von einer gesetzlichen Bestimmung abzusehen. Dabei kann die Frage offen bleiben, ob eine Bestimmung, die den kostenlosen Anschluss von Verbandsmitgliedern ermöglichen soll, sachlich gerechtfertigt wäre 1) und praktisch überhaupt zum Ziele führen würde, wenn sie nicht mit einem Anspruch auf Anschluss verbunden würde.

lu. Die Allgemeinverbindlichkeit 1. Bisherige Entuncklung Schon die bisherige Entwicklung zeigt, dass die Allgemeinverbindlicherklärung einem Bedürfnis entspricht und im Bahmen des kollektiven Arbeitsrechtes der Verbände eine nicht unerhebliche Bolle spielt. Dabei bilden die Gesamtarbeitsverträge in der Inlandwirtschaft, insbesondere im Gewerbe, das Hauptanwendungsgebiet der Allgemeinverbindlicherklärung.

Seit dem Inkrafttreten des Bundesbeschlusses vom 1. Oktober 1941 bis Ende 1952 sind vom Bundesrat 209 Allgemeinverbindlicherklärungen ausgesprochen worden. In 69 Fällen handelte es sich um die Allgemeinverbindlicherklärung von ausgebauten Gesamtarbeitsverträgen. Von den vom Bundesrat allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen wurden Ende 1952 ca. 23 700 Arbeitgeber, wovon 7300 Aussenseiter (31 %), und ca. 73 700 Arbeitnehmer,, wovon ca. 32 000 Aussenseiter (40%), erfasst. Ausserdem sind von den Kantonen 268 Allgemeinverbindlicherklärungen ausgesprochen worden, von denen Ende 1952 rund 10 000 Arbeitgeber, wovon ca. 3000 Aussenseiter ,(30%), und ca. 20800 Arbeitnehmer, wovon ca. 9400 Aussenseiter (45%), erfasst wurden. Die von allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsverträgen erfassten Arbeitgeber und Arbeitnehmer machten Ende 1952 rund 15 Prozent, und die Arbeitnehmer rund 6 Prozent der Gesamtzahl der Selbständig- und Unselbständigerwerbenden (ohne Landwirtschaft) aus.

, , Bei der Würdigung dieser Zahlen sind im übrigen die Funktion und Tragweite der allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsverträge zu berücksichtigen, und es ist namentlich zu bedenken, dass es sich in verhältnismässig zahlreichen Fällen um ausgebaute
Gesamtarbeitsverträge oder doch um solche Verträge handelt, die wichtige Fragen (wie Löhne, Arbeitszeit, Teuerungszulagen) regeln.

Im übrigen ist die Zahl der von allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsverträgen erfassten Arbeitgeber und Arbeitnehmer allerdings starken Schwankungen unterworfen. Da die Allgemeinverbindlicherklärungen jeweils nur für eine beschränkte Zeit ausgesprochen werden, kann es sich ergeben, dass zahlenmässig ins Gewicht fallende Gesamtarbeitsverträge im Zeitpunkt der Zählung !) Vgl. BGE 75 II 316 f.

143 vorübergehend nicht allgemeinverbindlich sind. So ist beispielsweise die Zahl der durch Allgemeinverbindlicherklärung des Bundes erfassten Arbeitnehmer von 105 800 im Jahr 1951 auf 73 700 Ende 1952 gesunken,!weil die Allgemeinverbindlicherklärung von vier bedeutenden Verträgen (Coiffeurgewerbe, Gastgewerbe, Schlossergewerbe und Schreinergewerbe) kurz nach der Zählung von Ende 1951 dahinfiel und im Jahre 1952 nicht mehr erneuert wurde.

Weitere Einzelheiten über die bisherige Entwicklung der Allgemeinyerbindlicherklärung ergeben sich aus den Tabellen 5 bis 7 im Anhang.

2. Notwendigkeit .1. Wenn auch die Allgemein Verbindlicherklärung nicht die Eegel bilden kann für alle Fälle, in denen das Bedürfnis nach der Anwendung eines Ge-samtarbeitsvertrages auf die Aussenseiter besteht, so ist sie doch anderseits unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt und notwendig. Die Gründe, die schon bisher für diese Möglichkeit sprachen, werden auch inskünftig gegeben sein.

Wie oben ausgeführt, sollten sich die Gesamtarbeitsverträge in den meisten Fällen auch auf die Aussenseiter beziehen, sofern diese für den betreffenden Beruf ins, Gewicht fallen,- andernfalls würde der Gesamtarbeitavertrag seinen Zweck nicht erreichen. Deshalb ist die Allgemeinverbindlicherklärung, die in der Ausdehnung des. Geltungsbereiches auf Grund einer behördlichen Anordnung besteht, in einzelnen Fällen uiieiiässlich, so namentlich, wenn dievertragschliessenden Verbände den Geltungsbereich des Vertrages nicht durch eigene zulässige Vorkehren auf allfällige Aussenseiter ausdehnen können. Es wäre nicht gerechtfertigt, wenn in diesen Fällen auf die Ausdehnung des Geltungsbereiches überhaupt verzichtet werden müsste. In der Eegel dürften diese Fälle schwächere Organisationen betreffen, die nicht über die erforderliche Stellung in der Wirtschaft und die zugehörigen Einwirkungsmöglichkeiten verfügen. Die kollektivvertragliche Eegelung, die für bestimmte Gegenstände im Bahmen der staatlichen Vorschriften nicht zu entbehren ist, kann aber in den hier angeführten Fällen ebenso berechtigt sein wie in solchen Fällen, in denen die Verbände über die nötigen Mittel zur Ausdehnung des Geltungsbereiches aus 'eigener Kraft verfügen.

. ...

_ ; 2. Anderseits dürfen die Gefahren, die der Allgemeinverbindlicherklärung innewohnen, und die grundsätzlichen
Bedenken, die ihr entgegengehalten werden müssen, nicht ausser acht gelassen werden. Die kollektivvertragliche Eegelung in ihrer Verbindung mit der Allgemeinverbindlicherklärung ist eine besondere, Art der Eechtsetzung. die als solche und überdies im Hinblick auf ihre wirtschaftlichen Auswirkungen nicht unbedenklich ist.

Es besteht ein wesentlicher Unterschied darin, ob der Bürger auf dem Wege der ordentlichen staatlichen Gesetzgebung durch die ^zuständigen staatlichen Organe einer bestimmten Eegelung unterworfen oder ob er auf dem Wege der Allgemeinverbindlicherklärung einer von privaten Verbänden er-

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lassenen Ordnung unterstellt wird. Die Unterstellung auf Grund der Allgemeinverbindlicherklärung erfolgt zwar auch durch eine behördliche Anordnung. Doch lässt sich die Angemessenheit der Eegelung nicht in gleicher Weise überprüfen wie im Fall der staatlichen Gesetzgebung, und der allgemeinverbindliche Vertrag wird durch die Verbände vollzogen, die nicht von vornherein in derselben Weise Gewähr für eine gleiche Behandlung aller Beteiligten bieten wie die staatlichen Vollzugsorgane. Der Umstand ferner, dass die kollektivvertragliche Eegelung eine autonome, aus den Kreisen der Beteiligten selber erwachsende Eechtsbildung darstellt, ist zwar beachtenswert, aber nicht entscheidend. Bei der staatlichen Gesetzgebung neueren Datums werden die Wirtschaftsverbände und andere beteiligte. Kreise in ausgiebigem Masse angehört. Dabei kann aber durch die führende und entscheidende Eolle der zuständigen staatlichen Organe den Anforderungen einer richtigen Ordnung weit besser Eechnung getragen werden. Nicht zu übersehen ist schliesslich, dass die kollektivvertragliche Eegelung, namentlich wenn sie durch die Allgemeinverbindlicherklärung sanktioniert wird, zu einer Aufsplitterung der Eechtsordnung führt. An die Stelle allgemeiner Eechtssätze, die für alle Bürger in gleicher Weise gelten, tritt Sonderrecht für bestimmte Berufe und Wirtschaftszweige, das unter Ausschaltung des normalen demokratischen Gesetzgebungsverfahrens (Beratung und Beschluss durch die Bäte, mit Eeferendumsvorbehalt) und unter fast ausschliesslicher Mitwirkung der direkt Beteiligten zustande kommt, obwohl es auch andere Bevölkerungskreise und die Wirtschaft im ganzen beeinflusst.

Besonderer Beachtung bedürfen gerade die wirtschaftlichen Auswirkungen der Allgemeinverbindlicherklärung, die vor allem das Gebiet der Lohnregelung betreffen. Die Allgemeinverbindlicherldärung von Lohnsätzen bedeutet eine Abweichung vom Prinzip der freien Lohnbildung. Wie oben dargetan, kann zwar auf eine kollektivvertragliche, nötigenfalls auch durch die Allgemeinverbindlicherklärung ergänzte Lohnregelung in gewissen Fällen nicht verzichtet werden. Doch kann eine solche Eegelung auch ungünstige Wirkungen entfalten. Mittels der Allgemeinverbindlicherklärung von Löhnen kann eine Minderheit von Arbeitgebern gezwungen werden, Löhne auszurichten, zu denen sie sich in freier
Vereinbarung nicht bereit erklärt hätte. Das bedeutet nichts anderes, als dass ihnen die Löhne zwangsmässig vorgeschrieben werden.

Dieser Zwang wirkt nicht nur gegenüber Aussenseitern, sondern indirekt auch gegenüber den Verbandsmitgliedern selbst, da sich diese einem allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsvertrag selbst durch Austritt aus dem Verband nicht mehr entziehen können. Da die mit der Allgemeinverbindlicherklärung angestrebte Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen, insbesondere der Löhne, gleichzeitig eine Vereinheitlichung der Konkurrenzbedingungen bewirkt, hat die Allgemeinverbindlicherklärung nicht etwa nur eine soziale, sondern eine sehr bedeutsame,, wenn auch bisher nur ungenügend beachtete wirtschaftliche Seite. Es kommt nicht selten vor, dass der Anstoss zur Allgemeinverbmdlicherklärung von den Arbeitgebern ausgeht, die darin ein willkommenes Mittel

145 erblicken, um eine unbequeme Aussenseiter-Konkurrenz zu beseitigen. Sofern es sich um ein eigentliches Lohndumping handelt, d. h. um illoyale Konkurrenz durch Lohnunterbietung, ist dieses Bestreben durchaus legitim. In der Praxis sind allerdings die Grenzen zwischen illoyaler und unbequemer Konkurrenz fliessend. Die Behörden sehen sich deshalb oft vor schwierige Entscheidungen gestellt und müssen sich jedenfalls hüten, eine wirtschaftlich gerechtfertigte, wenn auch unbequeme Konkurrenz durch die Allgemeinverbindlicherklärung auszuschalten. Aussenseiter, die ohne Lohndrückerei in der Lage sind, zu günstigeren Preisen anzubieten, erfüllen eine wichtige ökonomische Funktion.

Sie sorgen für die Aufrechterhaltung des Marktmechanismus und bilden ein notwendiges Korrektiv gegen die einseitige Überspannung von Gruppeninteressen. Keinesfalls sollte die Verständigung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, so begrüssenswert sie an sich ist, auf Kosten eines Dritten erfolgen, der in diesem Pali meistens der Konsument ist. Auch ist darauf zu achten, dass das Kosten- und Preisniveau nicht überhöht wird, weil sich dies ungünstig auf die Konkurrenzfähigkeit unserer ; Exportindustrie auswirken könnte.

3. Daraus ergibt sich, dass die Allgemeinverbindlicherklärung zwar an und für sich gerechtfertigt ist, und dass sie im Anschluss an die bisherige vorläufige Eegelung und auf Grund der Erfahrungen sowie der seitherigen Entwicklung in die ordentliche Gesetzgebung übergeführt werden sollte. Damit würde sich; die Schweiz einer ganzen Eeihe von westeuropäischen Staaten (wie Deutsche Bundesrepublik, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Österreich) anschliessen, die die Allgeraeinverbindlicherklärung ebenfalls gesetzlich geregelt haben. Anderseits muss aber dafür Sorge getragen werden, dass sich ihre grundsätzlichen Mängel nicht in unerwünschter Weise auswirken. Dies bedeutet, dass die Allgemeinverbindlichkeit nur beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen und unter Berücksichtigung bestimmter Grundsätze angeordnet Werden darf. In allgemeiner Weise lassen sich die erforderlichen Schranken dahin formulieren, dass die Allgemeinverbindlicherklärung nur Platz greifen darf, soweit sie dem öffentlichen Interesse nicht widerspricht und insbesondere schutzwürdigen Interessen Dritter nicht zuwiderläuft. Dass die
Allgemeinverbindlicherklärung lediglich gegen das öffentliche Interesse nicht verstossen darf, und dass man nicht etwa verlangen kann, sie habe dem öffentlichen Interesse zu entsprechen, erklärt sich daraus, dass die Behörden auf die Eegelung im einzelnen, die ja von den Beteiligten selber aufgestellt worden ist und von diesen auch gehandhabt werden soll, keinen Einfluss haben. ; Die Verantwortung für die materielle Eegelung bleibt nach wie vor bei den beteiligten vertragschliessenden Verbänden.

Der Gesamtarbeitsvertrag hält sich im, Hinblick auf seine rechtliche Struktur grundsätzlich im Eahmen unserer Wirtschaftsverfassung. Es steht rechtlich im Belieben des Einzelnen, ob er sich der von den Verbänden geschaffenen Kollektivordnung unterziehen, oder ob er seine volle Freiheit durch Austritt aus dem Verband zurückgewinnen will, und der Einzelne kann von

146 dieser Möglichkeit je nach den umständen und dem wirtschaftlichen Druck, der auf ihn ausgeübt wird, jedenfalls in gewissem Ausmass Gebrauch machen.

Überspannungen des Gruppeninteresses dürften sich deshalb zum Teil von selbst korrigieren. Anders verhält es sich jedoch mit der Allgemeinverbindlich·erklärung, die eine vom Staat sanktionierte Zwangsordnung schafft, der sich die Einzelnen, und zwar auch die Mitglieder der vertragschliessenden Verbände, nicht mehr entziehen können. Die Allgemeinverbindlicherklärung sollte deshalb auch in Zukunft eine Ausnahme bilden und nur zurückhaltend angewandt werden; sie sollte nur Platz greifen, wenn das öffentliche Interesse und die schutzwürdigen Interessen Dritter nicht verletzt werden. Die Allgemeinverbindlicherklärung kommt vorwiegend in Berufen und Wirtschaftszweigen zur Anwendung, die vornehmlich auf den Binnenmarkt ausgerichtet und dem Konkurrenzdruck ausländischer Anbieter nicht ausgesetzt sind, so dass sich eine Überwälzung von lohnbedingten Kostenerhöhungen auf die Abnehmer leichter bewerkstelligen lässt. Deshalb ist vor allem eine Verletzung der Interessen der Konsumenten zu befürchten. Würde die Allgemeinverbindlicherklärung zur Eegel erhoben, so wäre eine weitgehende Erstarrung und eine tiefgreifende Umwandlung unserer Wirtschaft zu befürchten. Es sei beigefügt, dass freilich auch der gewöhnliche Gesamtarbeitsvertrag tatsächlich ähnliche Auswirkungen haben kann wie der allgemeinverbindliche Vertrag.

Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn keine nennenswerten Aussenseiter vorhanden sind, oder wenn die vertragschliessenden Verbände dank ihrer wirtschaftlichen Stellung die AusSenseiter durch eigene Vorkehren ihrer Eegelung unterwerfen können.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Allgemeinverbindlicherklärung dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufe oder nicht, muss auch die allgemeine wirtschaftliche Lage berücksichtigt werden. Während in einigermassen normalen Zeiten Löhne und Sozialleistungen, die sich im Rahmen einer fortschreitenden Verbesserung der wirtschaftlichen Stellung der Arbeitnehmer bewegen, bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen allgemeinverbindlich erklärt werden dürfen, ist in besondern Situationen grössere Zurückhaltung geboten. Besteht eine ausgesprochen inflationäre Entwicklung der ganzen Wirtschaft, so dürften eine Lohnerhöhung
sowie die Gewährung zusätzlicher . Sozialleistungen nur dann dem öffentlichen Interesse nicht widersprechen, wenn es sich darum handelt, sozialwirtschaftliche Mißstände und andere ins Gewicht fallende Ungerechtigkeiten zu beheben, oder die Löhne und Sozialleistungen der gesteigerten Produktivität der Wirtschaft anzupassen (vgl. dazu auch die Grundsätze der vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement eingesetzten beratenden Kommission für Lohnfragen 1 )).

Von besonderer Bedeutung ist, dass der Kontrolle und Durchsetzung der allgemeinverbindlichen Bestimmungen Beachtung geschenkt wird. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass der Gesamtarbeitsvertrag ohne Benachteiligung von Einzelpersonen oder bestimmter Berufe in gleicher Weise auf die dem Vertrag *) Vgl. «Volkswirtschaft» 1949, 102 ff. und 1953, 236 ff.

147' ursprünglich unterstellten Arbeitgeber und Arbeitnehmer wie auf die Aussenseiter angewandt wird. Des weitern sei das Verhältnis der ! Allgemeinverbindlicherklärung zur Ausdehnung des Geltungsbereiches durch eigene Vorkehren der Verbände besonders hervorgehoben. Da :die Allgemeinverbindlicherklärung vor allem dort als Ausnahmeregelung Platz greift, wo Vorkehren der Beteiligten nicht ausreichen oder nicht möglich sind, muss verlangt werden, dass die Vertragsparteien gewillt sind, dem Beitritt anderer Verbände zum Gesamtarbeitsvertrag..zuzustimmen und die einzelnen Aussenseiter freiwillig aufzunehmen. Es wäre nicht zu verantworten, solche Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die sich von sich aus dem Gesamtarbeitsvertrag anschliessen wollen, von den Vertragsparteien aber nicht zu angemessenen Bedingungen zugelassen werden, nachträglich mit Hilfe von staatlichem Zwang dem Gesamtarbeitsvertrag zu unterstellen.

3. Ausgestaltung 1. Bei der gesetzlichen Verankerung der Allgemeinverbindlicherklärung können zu einem guten Teil die Vorschriften des geltenden Bundesbeschlusses übernommen werden. Immerhin haben sich einige Mängel gezeigt, die bei dieser Gelegenheit behoben werden sollten.

, Diese Mängel beziehen sich vornehmlich, auf die Durchsetzung der allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsverträge. Wie schon in Kapitel II ausgeführt wurde, genügt es nicht, dass der Gesamtarbeitsvertrag Bestimmungen aufstellt, ohne dass zugleich auf die effektive Durchsetzung Bedacht genommen würde. Noch wichtiger ist dies aber bei der Allgemeinverbindlicherklärung: die allgemeinverbindlichen Bestimmungen sollen nicht hur auf die Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgedehnt werden, sondern auch wirklich Anwendung finden, wobei auf die Gleichbehandlung der Aussenseiter besonders zu achten ist. Da der Gesamfcarbeitsvertrag angesichts der heutigen Eegelung nicht in befriedigender Weise durchgesetzt werden kann, ist auch die Durchsetzung der allgemeinverbindlichen Bestimmungen unbefriedigend.

Nun kennt freilich der geltende Bundesbeschluss über die Allgemeinverbindlicherklärung verschiedene Bestimmungen, die einer bessern Durch-, Setzung der allgemeinverbindlichen Verträge dienen sollen. Nach geltendem Kecht können, wiewohl unter einschränkenden Voraussetzungen, auch Bestimmungen1 über die Kontrolle und die Folgen der Nichterfüllung
gesamtarbeitsvertraglicher Vorschriften allgemeinverbindlich erklärt werden (BB Art. 17 und VV Art. 17). Bestimmungen über Ausgleichskassen sind ebenfalls der Allgemeinverbindlicherklärung zugänglich (W Art. 18). Doch fehlt es aus den oben angeführten Gründen in diesen Fällen am ausreichenden privatrechtlichen Unterbau im Gesamtarbeitsvertrag selber. Des weitern überbindet der geltende Bundesbeschluss dem Staat Kontroll- und in gewissem Umfang auch Aufsichtsfunktionen (vgl. BB Art. 17). Gestützt auf solche Bestimmungen könnten also die zuständigen Behörden im Interesse einer ausreichenden Durchsetzung eingreifen. Es handelt sich aber um blosse Ansätze, und ausser-

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dem erweisen sich, worauf besonderes Gewicht gelegt werden muss, gerade die zuletzt genannten Einwirkungsmöglichkeiten als grundsätzlich bedenklich.

Wenn nämlich der Staat die Kontrolle und Aufsicht 'über die allgemeinverbindlichen Verträge übernimmt, wird der ursprüngliche Charakter der Gesamtarbeitsverträge geändert, und die Vertragsparteien verlieren die freie Verfügung über den von ihnen abgeschlossenen Vertrag.

Die Überprüfung der künftigen Ausgestaltung dpr Allgemeinverbindlicherklärung hatte sich demnach insbesondere darauf zu beziehen, wie die bestehenden Mängel in der Durchsetzung behoben werden können. Dabei stellte sich vor allem die Frage, ob eine privatrechtliche oder öffentlichrechtliche Ausgestaltung vorzuziehen sei. Wie in Kapitel I erwähnt, hat sich die Kommission mit Becht für die privatrechtliche Ausgestaltung entschieden, die nunmehr dem gegenwärtigen Gesetzesentwurf zugrunde liegt.und den Ausbau des Eechts deä Gesamtarbeitsvertrages bedingt.

2. Es wäre an sich denkbar, die Allgemeinverbindlicherklärung durchgehend öffentlichrechtlich auszugestalten. Diese Ordnung würde darin bestehen, dass die Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages, die als solche privatrechtlichen Charakter tragen, durch die Allgemeinverbindlicherklärung in öffentlichrechtliche Vorschriften umgewandelt würden und als solche vollzogen werden müssten. Die zuständige Behörde müsste die Einhaltung der allgemeinverbindlichen Bestimmungen von Amtes wegen kontrollieren und gegen deren Verletzung mit den Mitteln des Verwaltungszwanges und der Strafandrohung vorgehen. Auch die Bezahlung vorenthaltener Löhne wäre auf diesem Wege durchzusetzen. Die vertragschliessenden Verbände, die bei der Mitwirkung herangezogen würden, müssten insoweit der behördlichen Aufsicht unterworfen werden. Dies würde sich vor allem darin äussern, dass gegen die Massnahnien der Verbände oder ihrer Organe eine Beschwerde einzuräumen wäre.

Vorstösse, die Allgemeinverbindlicherklärung in dieser Eichtung auszubauen, wurden vor einigen Jahren unternommen. Doch begegneten sie bald erheblichem Widerstand, und heute wird eine so geartete Ausgestaltung der Allgemeinverbindlicherklärung allgemein abgelehnt. In der Tat ist angesichts der unerlässlichen staatlichen Eingriffe auf andern Gebieten heute nach Möglichkeit dafür zu sorgen, dass der
privatrechtliche Bereich nicht ohne Not noch mehr eingeschränkt wird. Auch würde sich eine öffentlichrechtliche Ausgestaltung sowohl für die Verbände wie für den Staat nachteilig auswirken.

Das Eigenleben und die Selbständigkeit der Verbände würden gefährdet, und der Staat müsste bei der Eegelung von Fragen, namentlich der Löhne, von denen er sich fernhalten sollte, zu sehr eingreifen. Schliesslich würde ein ungerechtfertigter Unterschied zwischen dem gewöhnlichen und dem allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsvertrag geschaffen, da jener nach wie vor seinen privatrechtlichen Charakter behielte.

3. Die privatrechtliche Ausgestaltung des Gesetzesentwurfes besteht im wesentlichen darin, dass durch die Allgemeinverbindlicherklärung der Gel-

149 tungsbereioh der gesarntarbeitsvertraglichen Bestimmungen auf die Aussenseiter ausgedehnt wird, ohne dass dadui-ch an der privatrechtlichen Wirkung der Bestimmungen auf die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer etwas geändert würde. Dies bedeutet, dass die Geltendmachung der Ansprüche aus dem .Gesamtarbeitsvertrag den Beteiligten anheimgestellt ist, ohne dass sich die Behörde darum zu kümmern hätte, und dass im Streit über diese Ansprüche nicht eine Verwaltungsbehörde, sondern wie in allen privatrechtlichen Angelegenheiten der Zivilrichter entspheidet. Der richtigen Durchsetzung dieser privatrechtlichen Bestimmungen dient der angefahrte Ausbau des E'echts des Gesamtarbeitsvertrages. Die Kegelung der Allgemeinverbindlichkeit gemäss dem Gesetzesentwurf nimmt deshalb im Anschluss an die Kegehmg des Gesamtarbeitsvertrages vor allem auf die Durchsetzung Bedacht. Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass auch die Bestimmungen über direkte Verpflichtungen gegenüber der Vertragsgemeinschaft allgemeinverbindlich erklärt werden können, so dass die Aussenseiter in gleicher Weise wie die den vertragschliessenden Verbänden angehörenden Mitglieder unmittelbar der Vertragsgemeinschaft gegenüber verpflichtet werden können.

Die dem Entwurf zugrunde liegende privatrechtliche Ausgestaltung der Allgemeinverbindlicherklärung bezieht sich vor allem auf die Eechtsstellung der einzelnen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Doch sind zum Schutze der Aussenseiter den Vertragsparteien und der von diesen gegebenenfalls gebildeten Vertragsgemeinschaft in gewissem Umfang öffentlichrechtliche Pflichten aufzuerlegen. Die A'ertragsparteien sind zu verpflichten, alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer tatsächlich gleich zu behandeln; ferner müssen sie in bezug auf die Führung von Ausgleichskassen und andern Einrichtungen, die das Verhältnis von Arbeitgebern und Arbeitnehmern betreffen, der Aufsicht und dem Weisungsrecht der zuständigen Behörde unterstehen. Als Sanktion bei Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und bei Verletzung der Weisungen der zuständigen Behörden ist die Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit vorzusehen. Diese sachlich gerechtfertigte Abweichung von der rein privatrechtlichen Ausgestaltung der Allgemeinverbindlicherklärung erklärt sich daraus, dass die Allgemeinverbindlichkeit auf einer behördlichen Anordnung,
einem -öffentlichrechtlichen Akt, beruht, sowie aus der besonderen Natur der in Frage stehenden Verpflichtungen der Vertragsparteien, die auf dem privatrechtlichen Weg der Klage beim Zivilrichter nicht befriedigend durchgesetzt werden könnten.

Es sei beigefügt, dass die Eegelung des Gesetzesentwurfes eine typisch schweizerische Lösung darstellt, die in der ausländischen Gesetzgebung keine Parallele findet. Die ausländischen Eegelungen sehen, meist eine weitgehende Einwirkung der Behörden auf den allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsvertrag vor und verzichten selbst bei der Eegelung des gewöhnlichen Gesamtarbeitsvertrages nicht auf behördliche Eingriffe.

150

IV. Grundzüge des Entwurfes 1. Gliederung des Entwurfes 1. 'Die Gliederung des Entwurfes ist durch die beiden Sachgebiete des Gesamtarbeitsvertrages und der Allgemeinverbindlichkeit bedingt. In einem 1. Teil wird der Gesamtarbeitsvertrag und in einem II. Teil die Allgemeinverbindlichkeit, die auf dem Gesamtarbeitsvertrag als der materiellrechtlichen ' Grundlage beruht, geordnet. Da die Eechtswirkung der behördlichen Anordnung wichtiger ist als die Anordnung selbst, spricht der Entwurf im Gegensatz zum Bundesbeschluss nicht von «Allgemeinverbindlicherklärung», sondern von «Allgemeinverbindlichkeit». Der aus. einem einzigen Artikel bestehende III. Teil enthält die Schlussbestimmungen über das Inkrafttreten des Gesetzes, die Aufhebung der bisherigen Bestimmungen des Obligationenrechts und den Vollzug.

2. Bei der Regelung des Gesamtarbeitsvertrages werden in den drei ersten Artikeln der Begriff und der Gegenstand, der Anschluss sowie die Dauer und die Form geordnet. Dabei sind von besonderer Bedeutung die neuen Bestimmungen über den Anschluss in Artikel 2, durch die die Bestrebungen der Verbände zur Ausdehnung des Geltungsbereiches des' Gesamtarbeitsvertrages nach Möglichkeit in rechtlich einwandfreie Bahnen gelenkt werden sollen.

Daran schliessen sich die Bestimmungen über die. Wirkungen des Gesamtarbeitsvertrages (Art .4 und 5) und sodann, die in den Artikeln 6 und 7 enthaltenen Neuerungen, die das wichtigste Stück der gesetzlichen Neuordnung darstellen.

Artikel 6 ordnet für Verträge zwischen Verbänden die Gesamtarbeitsvertragsgemeinschaft, die nach aussen als selbständiger Eechtsträger auftritt, während Artikel 7 die Möglichkeit der direkten Bechtsbeziehungen zwischen der Vertragsgemeinschaft und den Beteiligten vorsieht. Bei diesen Bestimmungen handelt es sich nicht um einen notwendigen Inhalt jedes Gesamtarbeitsvertrages zwischen Verbänden; vielmehr steht es im Ermessen der Vertragsparteien, ob sie den Vertrag im Sinne dieser Artikel ausbauen wollen. Die in Artikel 8 enthaltenen ergänzenden Bestimimmgen betreffen das Verhältnis zur übrigen Gesetzgebung.

3. Die Regelung der Allgemeinverbindlichkeit ist in ,zwei Abschnitte gegliedert: der l. Abschnitt ordnet die materiellrechtliche Seite, während der 2. Abschnitt die Zuständigkeitsordnung und das Verfahrensrecht enthält.

Im Anschluss an-die
Bestimmung von Begriff und Gegenstand (Art. 9) werden vor allem die Voraussetzungen umschrieben, die erfüllt sein müssen, damit die Allgemeinverbindlichkeit angeordnet werden kann. Mit Rücksicht auf die grundsätzliche Problematik der Allgemeinverbindlicherklärung wurde auf eine vollständige und sorgfältige Umschreibung der Voraussetzungen besonderes Gewicht gelegt. Neben den allgemeinen Voraussetzungen (Art. 10) waren besondere Voraussetzungen vorzusehen für die Allgemeinverbindlichkeit von Bestimmungen über Beitragsleistungen an Ausgleichskassen oder andere

151 ähnliche Einrichtungen sowie von Bestimmungen über die Kontrolle, die Sicherung der Erfüllung und die Folgen der Nichterfüllung (Art. 11). Anschliessen'd.

werden die Wirkungen der Allgemeinverbindlichkeit umschrieben (Art. 12 und 13). Dabei wird zwischen den zwei grundsätzlich verschiedenen und deshalb auch gesondert geordneten Wirkungen unterschieden: der privatrechtlichen Wirkung auf die einzelnen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einerseits (Art. 12) -und der öffentlichrechtlichen Wirkung auf die Vertragsparteien (Art. 13).

Mit dieser Wirkung hängt als besondere weitere Wirkung die anschliessend vorgesehene Einsetzung eines besonderen Kontrollorgans zusammen (Art. 14).

Da die Allgemeinverbindlichkeit auf einer behördlichen Anordnung beruht, mussten die Zuständigkeit der Behörde, die die Allgerneinverbindliclikeit anordnet, und das Verfahren für die Anordnung geregelt werden. Ini Anschluss an den geltenden Bundesbeschluss werden je nach dem Geltungsbereich der Allgemeinverbindlichkeit der Bundesrat oder die Kantone als zuständig erklärt (Art. 15). Die Ordnung des Verfahrens im einzelnen, die durch die Stadien des Antrages, der Einsprache, der Prüfung und des Entscheides gekennzeichnet ist, entspricht im wesentlichen dem geltenden Eecht und der gegenwärtigen Praxis (Art. 15-25).

2. Abschliessende Regelung durch selbständiges Gesetz 1. Es handelt sich, unter Vorbehalt der ergänzenden Anwendung der übrigen. Zivilgesetzgebung, um eine abschliessende gesetzliche Eegelung.

Weder für das Becht des Gesamtarbeitsvertrages noch für die Begelung der Allgemeinverbindlicherklärung bedarf es einer Verordnung des Bundesrates, , die, ergänzende materielle Bestimmungen oder auch nur Ausführungs- und Vollzugs Vorschriften aufzustellen hätte. Für den Gesamtarbeitsvertrag ergibt sich dies schon aus der privatrechtlichen Natur der Materie und aus dem Umstand, dass die Behörde in den Gesamtsarbeitsvertrag nicht eingreifen kann. Hinsichtlich der Allgemeinverbindlicherklärung hätte man zwar einige Verfahrensbestimmungen in eine Vollzugsverordnung verweisen können. Da es sich aber nur um wenige Vorschriften handelt und diese später kaum abgeändert werden müssen, ist es angezeigt, sie gleich in das Gesetz aufzunehmen, 2. Näherer Erörterung bedarf die gesetzestechnische ; Frage, ob ein besonderes Gesetz zu erlassen
oder ob die Eegelung im Obligationenrecht unterzubringen Sei. In der Expertenkommission waren die Meinungen hierüber geteilt.

Auf alle Fälle sollten der Gesamtarbeitsvertrag und die Allgemeinverbindlichkeit izusammen geregelt werden, weil sich die Ordnung der Allgemeinverbindlichkeit auf die Eegelung des Gesamtarbeitsvertrages stützt .und beides zusammen die Kodifikation des Kollektivvertragsrechtes ausmacht. Dass die · Eegelung des Gesamtarbeitsvertrages und der Allgemeinverbindlicherklärung heute in getrennten Erlassen enthalten ist, beruht auf historischen Gründen.

Es wäre nicht, zu rechtfertigen, wenn man es anlässlich der Neuregelung unter-

152 lassen würde, die sachlich zusammengehörenden Gebiete in einen einzigen Brlass zu vereinigen.

Da nun aber ' die Allgemeinverbindlicherklärung einen öffentlichrechtlichen Einschlag besitzt, was sich namentlich auch in der Eegelung des Verfahrens und darin äussert, dass sie sich verfassungsrechtlich nicht .auf Artikel 64, sondern auf Artikel 84ter der Bundesverfassung stützt, dürfte es nicht angezeigt sein, sie in das Obligationenrecht aufzunehmen. Der Eahmen des Obligationenrechts, dem übrigens ein neuer Titel eingefügt werden müsste, würde dadurch gesprengt. Auch wäre es in diesem Fall nicht mehr möglich, das Verfahren der Allgemeinverbindlicherklärung im Gesetz selber zu ordnen; vielmehr müssten Ausführungsvorschriften vorbehalten und in Form einer Verordnung des, 'Bundesrates gesondert erlassen werden. Die Einverleibung in das Obligationenrecht wäre deshalb, abgesehen von den rechtlichen und sachlichen Erwägungen, auch den Bedürfnissen der Praxis nicht dienlich, da die Übersichtlichkeit leiden müsste. Vollends unübersichtlich würde die Eegelung dann, wenn man sich trotz sachlicher Zusammengehörigkeit von Gesamtarbeitsvertrag und Allgemeinverbindlichkeit entschliessen wollte, bloss den Gesamtarbeitsvertrag im Obligationenrecht zu ordnen und die Allgemeinverbindlichkeit in ein Spezialgesetz zu verweisen.- Schliesslich ist nicht zu übersehen, dass der Gesamtarbeitsvertrag nicht wie die übrigen Vertragstypen des besonderen Teils , des Obligationenrechtes einen ausschliesslich schuldrechtlichen Vertrag darstellt, sondern zugleich den Charakter einer autonomen Satzung besitzt, weshalb schon die Eegelung des Gesamtarbeitsvertrages im Obligationenrecht ohne gleichzeitige Ordnung der Allgemeinverbindlichkeit weit über den obligationenrechtlichen Eahmen hinausgeht.

Aus diesen Gründen sind wir zum Schluss gelangt, dass der Gesamtarbeitsvertrag und die Allgemeinverbindlichkeit zusammen in. einem besondern Gesetz zu regeln seien.

3. Allgemeiner Charakter der Regelung Vor der Erläuterung der einzelnen Bestimmungen sei auf einige durchgehende und wichtige Züge des Entwurfes verwiesen, in denen namentlich die freiheitliche Grundhaltung der Vorlage zum Ausdruck kommt.

1. Die Eegelung möchte mit einem Mindestmass behördlicher Eingriffe auskommen.

Im Eecht des Gesamtarbeitsvertrages sind, im Gegensatz zu
ausländischen Gesetzen, überhaupt keine behördlichen Massnahmen vorgesehen. Der Entwurf beschränkt sich darauf, den Eahmen abschliessend zu ziehen, in dem sich das Kollektivvertragsrecht unbehindert durch die Verwaltungsbehörden entfalten kann.

Die Eegelung der Allgemeinverbindlichkeit kennt behördliche Einwirkungen nur, soweit dies im Zusammenhang mit dem behördlichen Akt der Verbindlicherklärung als solchem und zum Schutz der Aussenseiter-notwendig ist. Dies kommt etwa darin zum Ausdruck, dass die Behörde mit der Anord-

153 nung der Allgemeinverbindlichkeit zugleich auch den Geltungsbereich sowie Beginn und Dauer der Allgenaeinverbindlichkeit festlegt (Ait. 20, Abs. 2). Da die Allgemeinverbindlichkeit nur beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen angeordnet werden darf, muss ferner die Behörde die Allgemeinverbindlichkeit ausser Kraft setzen können, wenn sich erweist, dass die Voraussetzungen nicht oder nicht mehr gegeben sind (Art. 25, Abs. 3). Ferner ist die Aufhebung der. AUgemeinverbindlichkeit bei Verletzung der den Vertragsparteien im Interesse der Aussenseiter gemäss Artikel 13 obliegenden Pflichten möglich.

Das positive Gegenstück zu diesem Mindestmass behördlicher Eingriffe ist der Grundsatz der Verfügung der Vertragsparteien über ihren Vertrag, dem der Entwurf bei der Allgemeinverbindlichkeit in vollem Umfang Bechnung trägt. Das Eecht, die Anordnung und die Ausserkraftsetzung der Allgemeinverbindlichkeit zu beantragen, steht allein den Vertragsparteien zu, und im zweiten Fall hat die Behörde dem Antrag ohne weiteres stattzugeben (Art. 9, Abs. l, und Art. 16, Abs. l, sowie Art. 25, Abs. 1). Ferner soll beim Vorliegen eines Beendigungsgmndes für den Gesamtarbeitsvertrag, der die Grundlage für die Allgemeinverbindlichkeit darstellt, : auf den gleichen Zeitpunkt auch die Allgemeinverbindlichkeit dahinfallen. Dabei endigen allerdings im Fall der nicht rechtzeitigen Benachrichtigung der zuständigen Behörde Gesamtarbeitsvertrag und Allgemeinverbindlichkeit im Interesse der Bechtssicherheit erst auf den Zeitpunkt der amtlichen Ausserkraftsetzung (Art.'25,'Abs. 2).

2. Die freiheitliche Tendenz des Entwurfes äussert sich ferner darin, dass gerade die wesentlichen Neuerungen im Bahmen des Gesamtarbeitsvertragsrechtes nicht in Beschränkungen, sondern in neuen rechtlichen Möglichkeiten bestehen, die den Bauin der Vertragsfreiheit ausweiten. Insbesondere die Bestimmungen über die Bildung einer Vertragsgemeinschaft und die direkte Bechtsbindung der Beteiligten an sie (Art. 6 und 7) stellen solche neue Bechtsformen dar. Diese Neuerungen sollen deshalb nicht von Gesetzes wegen bestehen, vielmehr soll das Gesetz den Vertragsparteien nur die Möglichkeit einräumen, davon nach ihrem eigenen Ermessen und in der ihnen gutscheinenden konkreten Ausgestaltung Gebrauch zu machen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Erweiterung
des Gegenstandes des Gesamtarbeitsvertrages hinzuweisen. Unter der Voraussetzung, dass die Bestimmungen das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betreffen, kann der Gesamtarbeitsvertrag sozusagen die Begelung beliebiger Gegenstände enthalten (Art. 1).

3. Soweit möglich sieht der Entwurf Bestimmungen vor, von denen die Parteien abweichen können, wenn sie dies wünschen. So ist es den Vertragsparteien anheimgestellt, im Bahmen des Gesetzes den Anschluss näher zu umschreiben (Art. 2, Abs. 2), die Kündigung zu ordnen (Art. 3, Abs. 1), Bestimmungen über die einzelnen Dienstverhältnisse von der unmittelbaren und unabdingbaren Wirkung auszunehmen (Art. 4, Abs. 1), den Umfang der Friedenspflicht zu bestimmen (Art. 5, Abs. 2), die Aufgaben und die Organisation der Vertragsgemeinschaft, deren Vertretung und die Gestaltung des

154 Innen Verhältnisses derselben zu regeln (Art. 6) sowie die direkte Bechtsbindung der Beteiligten für bestimmte Leistungen gegenüber einer Vertragspartei oder gegenüber einem Dritten vorzusehen (Art. 7).

Umgekehrt greifen zwingende Vorschriften nur Platz, soweit dies mit Eücksicht auf die Eechtssicherheit und die klare Umschreibung der Bechtsverhältnisse sowie im öffentlichen Interesse als geboten erscheint.

Auf eine ganze Eeihe von Vorschriften, die sich z. B. für den Gesamtarbeitsvertrag unter manchen Gesichtspunkten vertreten Hessen und sich in den ausländischen Gesetzgebungen finden, wurde verzichtet (z. B. Verjährungs- oder Verwirkungsfrist für Ansprüche aus dem Gesamtarbeitsvertrag, Nichtigerklärung von Nebenabreden, maximale Geltungsdauer des Gesamtarbeitsvertrages, sog. Nachwirkung und Fernwirkung, Pflicht zur Deponierung oder Registrierung des Vertrages).

4. Der freiheitliche Charakter der Eegelung muss anderseits auch hinsichtlich der Stellung der Aussenseiter, anderer Wirtschaftsgruppen,' der Konsumenten und der Allgemeinheit zur Geltung kommen. Die Freiheit anderer Kreise soll dadurch, dass vor allem die Verbände von ihrer im Bereiche des kollektiven Arbeitsrechts mit mannigfachen Eechtsbehelfen ausgestatteten Freiheit Gebrauch machen, nicht in untragbarer Weise beeinträchtigt werden.

Bei der Eegelung des Gesamtarbeitsvertrages wird diesem Gesichtspunkt namentlich durch die Vorschrift über die gleichen Eechte und Pflichten mehrerer am Vertrag beteiligter Verbände (Art. l, Abs. 4) und die Ordnung des Anschlusses (Art. 2) Eechnung getragen.

Bei der Allgemeinverbindlichkeit werden aus diesen Gründen namentlich der Gegenstand und die Voraussetzungen sehr sorgfältig umschrieben (Art. 9 bis 11). Insbesondere muss dafür geäorgt werden, dass die Aussenseiter nicht der Jurisdiktion der Verbandsinstanzen unterworfen werden können. Der Entwurf schliesst deshalb die Allgemeinverbindlicherklärung von Schiedsklauseln aus (Art. 9, Abs. 3). Der Aussenseiter soll sein Eecht vor dem ordentlichen Eichter geltend machen können. In die gleiche Eichtung weisen die Bestimmungen von Artikel 13 in Verbindung mit Artikel 25, Absatz 3, letzter Satz, sowie von Artikel 14. Danach sind die Aussenseiter bei der Durchführung des Gesamtarbeitsvertrages gleich wie die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu
behandeln, und die Ausgleichskassen und andern Einrichtungen, die im Gesamtarbeitsvertrag vorgesehen sind, unterstehen der Aufsicht der zuständigen Behörde, damit eine Beeinträchtigung der Interessen der Aussenseiter verhindert werden kann. Ferner kann unter Ablehnung der Kontrollorgane der Verbände ohne weitere Begründung die Einsetzung eines besonderen unabhängigen Kontrollorgans verlangt werden.

5. Da der Gesamtarbeitsvertrag "und die Wirkung der Allgemeinverbindlichkeit auf die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer privatrechtlich geregelt sind, ist hier kein Baum für behördliches Eingreifen, und es stellt sich so auch nicht die allgemeine Frage der Grenzziehung zwischen Bund und

155 Kanton. Lediglich für die Anordnung der Allgemeinverbindlichkeit als behördlichem Akt fragt es sich, ob neben dem Bund auch der Kanton zuständig sein soll.

Der Gedanke der kollektivrechtlichen Regelung, die sich unter anderem auch regionalen Besonderheiten anpassen soll, verlangt, dass die Allgemeinverbindlichkeit auch nur für das Gebiet eines Kantons oder Teile eines solchen angeordnet werden kann. Sieht man aber diese Möglichkeit vor, so ist es mit Bücksicht auf den föderalistischen Aufbau unseres Staates .gegeben, dass in diesem Fall der Kanton zuständig ist. Der Entwurf bestimmt deshalb in Übereinstimmmag mit der geltenden Begelung, dass der Kanton; unter den gleichen Voraussetzungen wie der Bund, die Allgerneinverbindlichkeit für das Kantonsgebiet anordnen kann (Art; 15, Abs. 2). Anderseits ist nicht zu übersehen, dass durch diese Möglichkeit mit Rücksicht auf die grosse wirtschaftliche Tragweite der Allgemeinverbindlichkeit gewisse Gefahren für gesamtschweizerische Interessen entstehen könnten. Deshalb macht der Entwurf, wiederum in Übereinstimmung mit der geltenden Begelung, die vom Kanton angeordnete Allgemeinverbindlichkeit vom Erfordernis der Genehmigung durch den Bund abhängig (Art. 21).

V. Bemerkungen zu den einzelnen Artikeln I. Abschnitt: Gesamtarbeitsvertrag Artikel l Begriff und Gegenstand Als Gesamtarbeitsvertrag gilt ein Vertrag zwischen Arbeitgebern oder deren Verbänden und Arbeitnehmern eines Betriebes oder Verbänden von Arbeitnehmern, der Bestimmungen über das Arbeitsverhältnis im Sinne der Absätze l oder 2 enthält. Die Umschreibung des Gegenstandes ist mit Bücksicht auf die bisherige Entwicklung sowie im Hinblick auf eine künftige weitere Entfaltung des Kollektivvertragsrechtes weit gefasst worden.

Absatz l : ' a. Die Bestimmungen, die unmittelbar Abschluss, Inhalt und Beendigung der Dienstverhältnisse der beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer regeln, die sog. normativen Bestimmungen, und die nach wie vor den eigentlichen Kern des Gesamtarbeitsvertrages ausmachen, :werden an die Spitze gestellt, während die andern, sog. schuldrechtlichen Bestimmungen in den Absätzen 2 und 3 geregelt werden.

b. Entsprechend dem geltenden Becht (Art. 322 OB) können nicht nur natürliche und juristische Personen Gesamtarbeitsverträge abschliessen, sondern auch nicht-organisierte Mehrheiten von Arbeitgebern oder die Arbeitnehmer eines Betriebes («groupements de fait»), jedoch wohl nur sofern unter

156

ihnen ein gesellschaftsrechtliches Verhältnis besteht1). Die Beschränkung der Vertragsfähigkeit auf natürliche Personen und Verbände mit juristischer Persönlichkeit würde zwar im Interesse der Rechtssicherheit liegen und wäre auch im Hinblick darauf gerechtfertigt, dass nunmehr den Parteien des Gesamtarbeitsvertrages vermehrte Befugnisse eingeräumt werden. Doch dürfte es kaum angängig sein, den Abschluss von sog. «Hausverträgen», d.h. von Gesamtarbeitsyertragen mit dem nicht-organisierten Personal -eines Betriebes, für die Zukunft zu verunmöglichen. Vornehmlich in der Textilindustrie besteht heute noch eine nicht unerhebliche Zahl solcher Verträge, die offenbar einem gewissen Bedürfnis entsprechen.

G. Der persönliche Geltungsbereich des Gesamtarbeitsvertrages wird auf die «beteiligten» Arbeitgeber und Arbeitnehmer beschränkt. Als «beteiligt» gelten die Mitglieder der vertragschliessenden Verbände, Arbeitnehmer eines Betriebes bei Hausverträgen, ferner einzelne Arbeitgeber, die ursprünglich Parteien des Gesamtarbeitsvertrages waren oder diesem nachträglich beigetreten sind, sowie einzelne Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die sich dem Gesamtarbeitsvertrag im Sinne von Artikel 2 angeschlossen haben. Eine sog.

Fernwirkung des Gesamtarbeitsvertrages auf Personen, die nicht zu den Beteiligten im eigentlichen Sinne gehören (z. B. auf Arbeitnehmer, die bei einem beteiligten Arbeitgeber in Dienst stehen, aber nicht Mitglieder eines vertragschliessenden Verbandes sind), ist nicht vorgesehen, wie die Vorlage auch die sog. Nachwirkung nicht kennt. In Übereinstimmung mit dem geltenden Eecht und gemäss der Grundtendenz des Entwurfes soll die Freiheit nicht unnötig beschränkt werden. Der Gesamtarbeitsvertrag soll nicht weiter reichen, als die Parteien selbst bestimmt haben, und nicht auf Dritte ohne deren Willen übergreifen. Dies schliesst selbstverständlich nicht aus, dass der Eichter bei Streitigkeiten über Einzeldienstverträge den nicht oder nicht mehr anwendbaren Gesamtarbeitsvertrag als mutmasslichen Vertragswillen subsidiär heranziehen kann (vgl. Art. 330, Abs. l, OE).

Absatz 2 : Ausser den normativen Bestimmungen gemäss Absatz l können auch andere Bestimmungen Gegenstand des Gesamtarbeitsvertrages sein, soweit sie das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern betreffen (die sog. schuldrechtlichen
Bestimmungen). Diese Bestimmungen sind jedoch, unter Vorbehalt von Artikel 7 sowie von Vereinbarungen zugunsten Dritter, nur unter den Vertragsparteien wirksam. Bestimmungen von ausschliesslich wirtschaftspolitischem Charakter (wie z. B. Preisfestsetzungen) fallen als Gegenstand ausser Betracht.

Obwohl das Obligationenrecht nur von den normativen Bestimmungen spricht, beschränken sich die Gesamtarbeitsverträge schon lange nicht mehr auf Bestimmungen dieser Art. In der Vorlage sind deshalb auch die schuld1 ) In diesem Sinn schon der Bericht des Bundesrates betreffend die Revision des Obligationenrechtes vom 1. Juni 1909. Vgl. BEI 1909, III, 745.

·

·

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rechtlichen Bestimmungen ausdrücklich anzuführen. Insbesondere soll es,möglich sein, in einen Gesamtarbeitsvertrag auch Bestimmungen aufzunehmen, die die einzelnen Dienstverhältnisse zwar nicht unmittelbar ordnen, jedoch die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten, vorausgesetzt, dass sie sich auf das Arbeitsverhältnis beziehen.

Dazu gehören z. B. Bestimmungen über Beitragsleistungen an Ausgleichskassen und über die Vertretung der Arbeitnehmer im Betrieb.

Um allen praktischen Bedürfnissen des kollektiven Arbeitsrechtes, das sich noch in voller Entwicklung befindet, Eechnung zu tragen, sollen die normativen Bestimmungen (Abs. 1), im Gegensatz zur geltenden Regelung, keinen unerlässlichen Bestandteil des Gesamtarbeitsvertrages darstellen. Auch ein Vertrag, der nur Bestimmungen gemäss Absatz 2 enthält, kann ein Gesamtarbeitsvertrag sein. Voraussetzung ist hiebei, dass dies dem Willen der Parteien entspricht. Die Vorschrift von Absatz 2 will demnach nicht besagen, dass eine Vereinbarung, die sich auf schuldrechth'che Bestimmungen beschränkt, von Gesetzes wegen immer als Gesamtarbeitsvertrag zu gelten habe. Vielmehr ist es den Vertragsparteien überlassen, ob sie die hier in Frage stehenden Bestimmungen in die Form eines gewöhnlichen obligaiionenrechtlichen Vertragekleidßn oder ob sie ihnen den Charakter und die Wirkungen eines Gesamts arbeitsvertrages geben wollen.

· ,.

Absatz 3 : Dieser Absatz betrifft die Bestimmungen, die die Bechte und Pflichten der vertragschliessenden. Parteien unter sich festlegen, sowie die besonders wichtige Kategorie von schuldrechtlichen Bestimmungen, die der Kontrolle und Durchsetzung des Gesamtarbeitsvertrages dienen. Gerade die Kontrolle und die Durchsetzung des Gesamtarbeitsvertrages bedürfen der Neuordnung.

Auf diese Bestimmungen nimmt denn auch Artikel 7 der Vorlage Bezug, weshalb sie bei der Umschreibung des Gegenstandes ausdrücklich anzuführen sind. , ' .'

Absätze: Da der Entwurf keinen Anspruch auf Beitritt zu einem Gesamtarbeitsvertrag und .keinen Kontrahierungszwang kennt, steht es im freien Ermessen der Vertragsparteien, ob sie andere Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände zu den Vertragsverhandlungen zulassen oder nachträglich zum Vertrag beitreten lassen wollen. Tun sie dies, so soll der Beitritt stets nur zu
gleichen Rechten und Pflichten erfolgen. Im Rahmen des Gesamtarbeitsvertrages soll es keine Verbände als Vertragsparteien minderen Rechtes geben. Dieser Grundsatz, der vor allem von den Minderheitsgewerkschaften vertreten wird, ist im Gesetz ausdrücklich festzulegen. Selbstverständlich : steht dieser Grundsatz einer angemessenen Berücksichtigung der Grosse und Bedeutung der einzelnen Verbände nicht entgegen; so kann etwa bei der Zusammensetzung der paritätischen Vertragsorgane die Zahl der Vertreter der einzelnen Verbände nach : der Zahl ihrer Mitglieder abgestuft werden.

Bundesblatt. 106. Jahrg. Bd. I.

13

158

Artikel 2 Anschluss Wie schon dargelegt, ist es unerlässlich, dass die tatsächlichen Vorkehren der Verbände zur Ausdehnung des Geltungsbereiches in rechtlich einwandfreie Bahnen gelenkt werden. Dies liegt nicht nur im Interesse der Aussenseiter, sondern zu einem guten Teil auch in dem der Verbände und dient der Rechtssicherheit. Den bisher verwendeten sog. Anschlussverträgen dürften nämlich häufig die Wirkungen abgehen, die man gerne damit verbunden sehen möchte.

So ist es fraglich, ob es nach geltendem Recht ohne weiteres möglich ist, auf dem Weg des Anschlussvertrages, einzelnen Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Stellung von Beteiligten im eigentlichen Sinn einzuräumen, ohne ihnen gleichzeitig die Eigenschaft einer Vertragspartei zu verleihen. Es ist keineswegs sicher, ob die getroffenen Vorkehren vor dem Richter Bestand hätten. Aus diesen Gründen ist der Anschluss an den Gesamtarbeitsvertrag in die Regelung einzubeziehen.

Absatz l : a. Der Anschluss im Sinne der vorliegenden Bestimmung erfolgt durch einen Vertrag zwischen den Parteien des GesamtarbeitsVertrages und einzelnen Arbeitgebern oder Arbeitnehmern, durch den diese zu Beteiligten im Sinne von Artikel l, Absatz l, werden. Für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die sich so dem Gesamtarbeitsvertrag angeschlossen haben, gelten demnach die Bestimmungen des Vertrages in gleicher Weise wie für die den vertragschliessenden Verbänden angehörenden Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der normativen Bestimmungen, sondern auch in bezug auf allfällige direkte Rechtspflichten gegenüber der Vertragsgemeinschaft.

fe. Der Anschluss ist auf einzelne Arbeitgeber und Arbeitnehmer beschränkt.

Auf Verbände soll der Gesamtarbeitsvertrag nicht durch Anschlussvertrag, sondern nur durch den nachträglichen Beitritt ausgedehnt werden können.

Es widerspräche den gesellschaftsrechtlichen Grundanschauungen, wenn Verbände dem Vertrag unterworfen würden, ohne ihnen gleichzeitig Parteistellung einzuräumen. Über die Rechtsstellung mehrerer am Gesamtarbeitsvertrag beteiligter Verbände vgl. die Bemerkungen zu Artikel l, Absatz 4.

Absatz 2 : Der Anschluss ist auch ohne besondere Bestimmungen im Gesamtarbeitsvertrag möglich. Doch steht es den Parteien frei, den Anschluss im Vertrag nach ihrem Ermessen näher zu regeln. Dabei dürfen sie keine
unangemessenen Bedingungen vorsehen; andernfalls können diese durch den Richter nichtig erklärt oder auf das zulässige Mass beschränkt werden.

Die Angemessenheit der Bedingungen kann im Gesetz nicht näher umschrieben werden. Die Vorlage muss sich darauf beschränken, den allgemeinen Grundsatz aufzustellen und auf die Beiträge, die üblicherweise von den den

159 vertragschliessenden Verbänden nicht angehörenden Arbeitgebern und Arbeitnehmern verlangt werden (sog. Solidaritätsbeiträge), als wichtigsten Sonderfall ausdrücklich hinzuweisen. Die Bemessung dieser Beiträge im Streitfall ist Sache des Bichters. Der Beitrag darf nicht so bemessen sein, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die dem vertragschliessenden Verband nicht angehören, sich veranlasst sehen, dem Verband beizutreten. Aus diesem Grunde dürfen die Solidaritätsbeiträge jedenfalls nicht höher sein als die Mitgliederbeiträge der beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Wollte man, wie das Bundesgericht, auch «die für die Erreichung der wirtschaftlichen Potenz (dass ein Vertrag überhaupt möglich werden konnte) erforderlichen Leistungen» mitberücksichtigen 1), so könnte dadurch einer allzu starken Erhöhung der Solidaritätsbeiträge und damit dem Verbandszwang Vorschub geleistet werden.

Mit der Bestimmung, dass die Beiträge nicht zugunsten einer einzelnen Vertragspartei erhoben werden dürfen, soll verhindert werden, dass die Beiträge irgendwelchen Verbandszwecken, die mit dem Gesamtarbeitsvertrag nichts zu tun haben, dienstbar gemacht werden.

Zu den anderen Bedingungen, die ebenfalls angemessen sein müssen, gehören vor allem Kautionen, die als Garantie für die «Vertragstreue» geleistet werden müssen und gegebenenfalls zugunsten der Vertragsgemeinschaft verfallen.

: Absatz 8 : Wie in Kapitel II ausgeführt, ist der sog. Verbandszwang, in Übereinstimmung mit dem Bundesgericht2), als unzulässig zu erklären. Dagegen wird aus den angeführten Gründen auf eine ausdrückliche Bestimmung über den Vertragszwang verzichtet.

Artikels Dauer und Form Absatz l : a. Nach Absatz l wirkt die Kündigung für alle Parteien. Doch wird damit lediglich eine rechtliche Präsumption im Interesse der Eechtssicherheit aufgestellt. Die Parteien können im Vertrag ausdrücklich eine; andere Lösung vorsehen. So könnten sie bestimmen, dass im Fall einer Kündigung durch eine Partei der Vertrag unter den übrigen Parteien fortbesteht oder dass für diese eine kürzere Kündigungsfrist gilt, deren Ablauf jedoch auf den gleichen Zeitpunkt zu fallen hätte. Bei dieser Lösung hätte jede Partei die Möglichkeit zu prüfen, ob sie trotz dem Ausscheiden der kündigenden Partei noch ein Interesse an der Weiterführung des Vertrages hat.

Da die
meisten Gesamtarbeitsverträge eine Kündigungsfrist von drei Monaten kennen, wird die im geltenden Recht vorgesehene dispositive Frist von sechä Monaten auf drei Monate herabgesetzt.

!) BGE 75 II 322.

2 ) B.GE 75 II 305 ff.

160

&. Für die Kündigung des Anschlusses soll die gleiche Eegelung wie für den Gesamtarbeitsvertrag gelten, da kein Anlass zu einer abweichenden Bestimmung besteht.

c. Die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts über die Mängel des Vertragsabschlusses und über die Polgen der Nichterfüllung sind auch auf den Gesamtarbeitsvertrag anwendbar. Es stellt sich jedoch die Frage, ob nicht auch die Möglichkeit der Auflösung aus wichtigen Gründen vorzusehen sei, da die Bestimmung von Artikel 352 des Obligationenrechts über die Auflösung des Einzeldienstvertrages aus wichtigen Gründen auf den Gesamtarbeitsvertrag nicht anwendbar ist und es sich fragt, ob Artikel 545, Absatz 2, des Obligationenrechts über die Auflösung einer einfachen Gesellschaft aus wichtigen. Gründen Anwendung findet. Die Expertenkommission ist mit Rücksicht auf den Charakter des Gesamtarbeitsvertrages als eines sog. Normenvertrages zum Schluss gelangt, dass die Auflösung aus wichtigen Gründen nur auf Grund eines richterlichen Urteils erfolgen dürfe, um das plötzliche Dahinfallen eines Gesamtarbeitsvertrages mit den damit verbundenen Auswirkungen auf die Einzeldienstverträge zu vermeiden. Das richterliche Urteil müsste im Interesse der Rechtssicherheit konstitutive und nicht nur deklaratorische Wirkung haben, d. h. die Auflösung würde erst mit dem Urteil selbst wirksam und nicht schon im Zeitpunkt, in dem sich die Partei auf den wichtigen Grund berufen würde.

Eine nachträgliche nähere Prüfung hat aber ergeben, dass sich die von der Kommission vorgeschlagene Regelung nicht empfiehlt. Dass die Auflösung aus wichtigen Gründen um- auf Grund eines richterlichen Urteils zugelassen werden dürfte, ist zwar richtig; doch würde das Verfahren vor dem Richter so viel Zeit in. Anspruch nehmen, dass auf eine solche Bestimmung besser überhaupt verzichtet wird. In weitaus den meisten Fällen könnte der Vertrag schon vor dem richterlichen Urteil gekündigt werden, da die Kündigungsfrist in der Regal nur drei lionate beträgt. Zudem wären entweder die erstinstanzlichen Gerichte., und zwar auch für regionale oder kantonale Gesamtarbeitsverträge oder gar einen Landesvertrag, zuständig, oder es müsste eine einzige kantonale Instanz vorgesehen werden, die dann auch über den Bestand von Firmenverträgen zu befinden hätte. Beide Lösungen wären aber nicht
befriedigend. Aus den angeführten Gründen und mit Rücksicht darauf, dass bis heute keine praktischen Anwendungsfälle bekannt geworden sind, wurde von einer Bestimmung über die Auflösung aus wichtigen Gründen gänzlich abgesehen.

Absatz 2: Das Erfordernis der Schriftform für den Abachluss entspricht der bisherigen Ordnung und bedarf keiner weiteren Rechtfertigung. Dass die schriftliche Eorm auch auf die Abänderung Anwendung findet, ergibt sich schon aus Art. 12 des Obligationenrechts. Die Ausdehnung der Schriftform auf den Aufhebungsvertrag und die Kündigung liegt im Interesse der Rechtssicherheit und entspricht auch der Tragweite dieser rechtlichen Vorkehren.

161

Für den Anschlags sollen mit Rücksicht auf dessen Bedeutung dieselben Formerfordernisse gelten.

Artikel 4 Wirkung auf die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer Absatz 1: a. Die normativen -Bestimmungen gelten unmittelbar für die einzelnen Dienstverträge. In Übereinstimmung mit dem wirklichen oder doch stillschweigend vorauszusetzenden Parteiwillen gelten sie zudem von Gesetzes wegen als unabdingbar. Doch bleibt es den. Parteien überlassen, durch ausdrückliche Bestimmung im Gesarntarbeitsvertrag vorzusehen, dass allen oder einzelnen normativen Bestimmungen keine Unabdingbärkeit zukomme. In diesem Fall können Vertragsabreden getroffen werden, die vom Gesamtarbeitsvertrag abweichen.

b:, Den normativen Bestimmungen des Gesarutarbeitsvertrages kommt nicht nur keine Fernwirkung, sondern auch keine Nachwirkung zu. Obwohl diese Bestimmungen immittelbar für die einzelnen Dienstverträge gelten, entfalten sie ihre Wirkung lediglich «während der Dauer des Vertrages». Dabei ist es unerheblich, ob die normativen Bestimmungen auf den Einzeldienstvertrag nicht mehr zur Anwendung gelangen, weil der Gesarntarbeitsvertrag als solcher dahingefallen ist, oder ob sie nicht mehr anwendbar sind, weil der in Frage stehende Arbeitgeber oder Arbeitnehmer aus dem vertragschliessenden Verband ausgeschieden ist. Für die Mitglieder der vertragschliessenden Verbände, soll der Gesamtarbeitsvertrag nur so lange massgebend sein, als sie auf Grund der Verbandszugehörigkeit Beteiligte im Sinne von Artikel l, Absatz l, sind. Es würde einen ungerechtfertigten Eingriff in, die individuelle Freiheit darstellen, wenn man es einem Verbandsmitglied verwehren wollte, sich durch den Austritt aus dem Verband gleichzeitig auch vom Gesarntarbeitsvertrag zu befreien. Wie bei der Fernwirkung kann der Eichter auch hier auf den Gesamtarbeitsvertrag als Ausdruck der maßgebenden Übung zurückgreifen, womit für die hier in Betracht kommenden Fälle im wesentlichen das gleiche Ergebnis wie mit einer eigentlichen Nachwirkung erzielt wird.

Absatz 2 :

,

a. Der zwingende Charakter der normativen Bestimmungen zieht die Nichtigkeit abweichender Vereinbarungen nach sich, was in diesem Absatz ausdrücklich festgelegt wird. Ferner muss -in Übereinstimmung mit Artikel323, Absatz 2, des Obligationenrechts - bestimmt werden, dass an die Stelle der nichtigen Bestimmungen diejenigen des Gesamtarbeitsyertrages treten. Dies gilt ebenfalls nur für die Dauer des GesamtarbeitsVertrages. Da der Gesamtarbeitsvertrag keine Nachwirkung entfalten soll, fallen mit ihm auch die Bestimmungen in den Einzeldienstverträgen dahin,1 die ersatzweise an die

162 Stelle abweichender Vereinbarungen getreten sind. Die normativen Bestim mungen des Gesamtarbeitsvertrages werden also nicht «Bestandteile» der Dienstverträge, die als solche auch beim Wegfall des Gesamtarbeitsvertrages bestehen blieben. Was beim Wegfall des Gesamtarbeitsvertrages für die Einzeldienstverträge gilt, beurteilt sich nach den allgemeinen Eegeln des Obligationenrechts. Dabei kann der Eichter trotz dem Dahinfallen des Gesamtarbeitsvertrages unter Umständen auf die Vertragsbestimmungen als ruutmasslichen Parteiwillen zurückgreifen.

6. Vom Grundsatz der Nichtigkeit abweichender Bestimmungen wird eine Ausnahme zugunsten der Arbeitnehmer vorgesehen. Vertragsabreden, die für den Arbeitnehmer günstiger sind, können vom Gesamtarbeitsvertrag abweichen. Insoweit sind die normativen Bestimmungen nicht absolut, sondern lediglich relativ zwingend. Dieses Günstigkeitsprinzip, das in der Praxis schon heute allgemein anerkannt ist, kommt auch in anderem Zusammenhang zur Geltung (vgl. Art. 8, Abs. l, und Art. 12, Abs. 3).

" Absatz 3 : Dass ein Verzicht des Arbeitnehmers auf seine Ansprüche aus dem Gesamtarbeitsvertrag während der Dauer des Dienstverhältnisses nicht möglich ist, ergibt sich aus der Unabdingbarkeit der gesamtarbeitsvertraglichen Bestimmungen und entspricht der herrschenden Auffassung. Es empfiehlt sich jedoch, dies ausdrücklich festzulegen.

Die Vorlage sieht davon ab, die Ungültigkeit des Verzichtes auch für die Zeit nach der Beendigung des Dienstverhältnisses vorzuschreiben.Wollte man mit einer solchen Bestimmung den Arbeitnehmer schützen, so müsste sie nicht nur für die von einem Gesamtarbeitsvertrag erfassten Dienstverhältnisse, sondern generell gelten, weshalb sie nicht in den vorliegenden Gesetzesentwurf, sondern in den Titel über den Dienstvertrag des Obligationenrechts aufzunehmen wäre. Würde die Bestimmung lediglich im vorliegenden Gesetzesentwurf aufgestellt, so würde sie vornehmlich dem Schutze des Kollektivinteresses an der lückenlosen Durchsetzung des Gesamtarbeitsvertrages dienen.

Das Kollektivinteresse rechtfertigt jedoch die in Rede stehende Beschränkung der individuellen Freiheit nicht, und zwar auch dann nicht, wenn die Ungültigkeit des Verzichtes nach Beendigung des Dienstverhältnisses zeitlich begrenzt würde (z. B. auf drei Monate).

Artikel 5 Wirkung unter den
Vertragsparteien Gerichtspraxis und Eechtswissenschaft haben schon bisher angenommen, dass der Gesamtarbeitsvertrag bestimmte Wirkungen unter den Parteien entfaltet und diesen Pflichten auferlegt, auch wenn dies im Gesamtarbeitsvertrag nicht ausdrücklich bestimmt wird. Es empfiehlt sich, diese Eechtswirkungen

163 bei Anlass der gegenwärtigen Eevision ausdrücklich im Gesetz zu regeln, um ihre Natur und ihr Ausmass in grundsätzlicher Hinsicht zu umschreiben.und ihnen auch vermehrtes Gewicht zu geben. . .

· In diesem Sinne wird bestimmt, dass jede Vertragspartei für die Einhaltung des Gesamtarbeitsvertrages zu sorgen hat (Abs. l, erster Satz), was nichts anderes als die allgemeine Vertragspflicht in bezug auf den Gesamtarbeitsvertrag darstellt. Diese allgemeine «Einhaltungspflicht» äussert sich positiv in der «Durchführungspflicht» und negativ in der «Eriedenspflicht».

Bei Verbänden gehört zur «Einhaltungspflicht» insbesondere auch die Pflicht, auf die Mitglieder «einzuwirken». Während sich besondere Bestimmungen über die «Durchführungspflicht» erübrigen, bedürfen die «Einwirkungspflicht» und die «Friedenspflicht» der näheren Regelung (Abs. l, zweiter Satz und Abs. 2).

, Von den im vorliegenden Artikel geregelten schuldrechtlichen Wirkungen des Gesamtarbeitsvertrages zwischen den Vertragsparteien, .die ausnahmslos und ohne besondere Abrede immer gegeben sind, müssen die schuldrechtlichen Pflichten unterschieden werden, die die Vertragsparteien durch besondere Vereinbarung gemäss Artikel l, Absatz 3, begründen können. Dazu gehören namentlich auch die Konventionalstrafen. Dass es den Vertragsparteien frei steht, ihre Einhaltungspflicht, Inbegriffen die Einwirkungs- und Friedenspflicht, durch Konventionalstrafen zu verstärken, braucht in der Vorlage nicht erwähnt zu werden, wie sich auch ein Hinweis auf die Möglichkeit eines Garantieversprechens im. Sinne von Artikel 111 des Obligationenrechtes erübrigt.

Absatz l : Die Einwirkungspflicht spielt in. der Praxis eine nicht unerhebliche Rolle, da die Verbände für die Einhaltung des Gesamtarbeitsvertrages nur sorgen können, indem sie auf ihre Mitglieder entsprechend einwirken. Fraglich könnte sein, ob die Verbände nur ihre statutarischen Mittel einzusetzen haben oder ob sie auch: verpflichtet sind, allenfalls die weiteren Mittel anzuwenden, die ihnen das Gesetz an die Hand gibt. So lässt Artikel 72, Absatz 3, des. Zivilgesetzbuches auch beim Fehlen entsprechender Bestimmungen in den Statuten die Ausschliessung durch Vereinsbeschluss aus wichtigen Gründen zu. In Übereinstimmung mit der Grundtendenz der neuen Regelung, die Durchsetzung des Gesamtarbeitsvertrages
zu verstärken, statuiert die Vorlage die weitergehende Pflicht. Es ist ohnehin zu befürchten, dass die Verbände aus begreiflichen Rücksichten auf ihre Mitglieder bei der Handhabung der Einwirkungspflicht eher nachsichtig sein werden.

Beim Bestehen von direkten Rechtsbeziehungen zwischen der Vertragsgemeinschaft und den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Sinne von Artikel 7 tritt die direkte Einwirkung der Vertragsgemeinschaft auf sämtliche Beteiligten an die Stelle der Einwirkung der einzelnen Verbände auf ihre Mitglieder.

164

Absatz 2: Auch die Friedenspflicht, die sich wie die .Einwirkungspflicht aus der allgemeinen Einhaltungspflicht ergibt, wird ausdrücklich vorgesehen, weil sie von grosser Bedeutung ist; gilt doch der Gesamtarbeitsvertrag geradezu als das spezifische Instrument des Arbeitsfriedens (vgl. Art. 34, Abs. l, lit. c, BV).

Dabei ist vor allem wichtig, dass die Frage des Umfanges der Friedenspflicht (sog. relative oder absolute Friedenspflicht) beantwortet wird.

Die relative Friedenspflicht, d. h. die Pflicht, den Arbeitsfrieden zu wahren in bezug auf die Gegenstände, die im Gesamtarbeitsvertrag geregelt sind, ergibt sich immer und von selbst aus der Natur des' Vertrages. Dagegen muss die absolute Friedenspflicht, d. h. die Pflicht, sich an den Arbeitsfrieden auch in bezug auf Gegenstände zu halten, die im Gesamtarbeitsvertrag nicht geregelt sind und hinsichtlich welcher keine dem Vertrag innewohnende Einhaltungspflicht angenommen werden kann, ausdrücklich vereinbart werden.

Eine Ausnahme gilt für die wohl seltenen Fälle, in denen sich eine absolute Friedenspflicht nach Treu und Glauben aus der Art und dem Umfang der geregelten Gegenstände ergibt. Je umfassender und vollständiger der Gesamtarbeitsvertrag ist, um so mehr nähert sich die relative Friedenspflicht der absoluten.

Kampfmassnahmen widersprechen der Friedenspflicht auch dann, wenn sie im Interesse der Durchsetzung des Gesamtarbeitsvertrages ergriffen werden.

Zur Durchsetzung des Vertrages sind zuerst die im Vertrag vorgesehenen Mittel anzuwenden, und falls diese nicht ausreichen, ist nötigenfalls der Rechtsweg zu beschreiten.

Artikel 6 Gesamt arbeit s V e r t r a g s g e m e i n s c h a f t Da die direkten Rechtsbeziehungen der Vertragsgemeinschaft zu den Beteiligten den Ausgangspunkt für die neue Rechtsform bilden, stellt die Vorlage diese Rechtsbeziehungen bei der Regelung des Zweckes der Vertragsgemeinschaft in den Vordergrund. Die Vertragsgemeinschaft soll in erster Linie in bezug auf alle oder einzelne der in Artikel 7 genannten Gegenstände gebildet werden können. Anderseits soll aber, wie dargelegt, der Zweck der Vertragsgemeinschaft auch auf andere ausdrücklich im Vertrag anzuführende Gegenstände erstreckt werden können. Die Verbände haben es daher in der Hand, den Zweck der Vertragsgemeinschaft und damit deren Rechtsfähigkeit nach
aussen ihren besonderen Bedürfnissen anzupassen, indem sie im Gesamtarbeitsvertrag die Vertragsgemeinschaft sorgfältig regeln. Weil die gesetzliche Regelung der Vertragsgemeinschaft nicht auf die direkten Rechtsbeziehungen beschränkt bleibt, ist sie vor der Regelung der direkten Rechtsbeziehungen zu ordnen.

Im vorliegenden Artikel sind die Vorschriften aufzustellen, die für die _ Beziehungen der Vertragsgemeinschaft zu den Beteiligten und zu Dritten

165

gelten sollen (Abs. 1; Aussenverhältnis). Dabei bedürfen die Haftung und die Vertretung der besondern Ordnung (Abs. 2 und 3). Ausserderu sind die Beziehungen der einzelnen Parteien untereinander zu ordnen (Abs. 4; Innenverhältnis) .

Eine Vertragsgemeinschaft kann nur bei von Verbänden abgeschlossenen Gesamtarbeitsverträgen gebildet werden, da sie nur dort Aufgaben hat, wo ein kollektives Interesse gegenüber Dritten wahrzunehmen ist. Dies trifft aber beim Firmenvertrag, bei dem auf Arbeitgeberseite der Dritte fehlt, nicht zu, weshalb in diesem Fall ein neuer besonderer Eechtsträger nicht nötig ist.

Die vertragschliessenden Verbände sind im übrigen nach wie vor frei, einen Gesamtarbeitsvertrag abzuschliessen, ohne eine Verträgsgerueinschaft za bilden. Doch haben direkte Bechtsbeziehungen der Beteiligten zur Vertragsgemeinschaft nur dann einen Sinn und sind deshalb nur dann möglich, wenn diese gemäss Artikel 6 als neuer Eechtsträger konstituiert wird.

Es empfiehlt sich, den schon in der Praxis gebräuchlichen Ausdruck «Vertragsgenieinschaft» oder genauer und vollständiger « Gesamtarbeitsvertragsgemeinschaft» zu verwenden. Die Bundesgesetzgebung braucht auch in andern Fällen die Bezeichnung «Gemeinschaft» (vgl. die Gerneinderschaft und die Erbengemeinschaft nach Art. 336 ff. und 560 ff. ZGB sowie die Gläubigergemeinschaf t. in Art. 1157 ff. OB,). Einzelne Verbände von Arbeitgebern und Arbeitnehmern haben allerdings gegenüber dieser Bezeichnung den Einwand erhoben, dass sie unerwünschte Nebenvorstellungen erwecke, und statt dessen den Ausdruck «Gesamtheit der Vertragsparteien» vorgeschlagen. Diesem Ausdruck fehlt jedoch die für die Gesetzessprache erforderliche Prägnanz. Im übrigen lassen sich im französischen und italienischen Text Ausdrücke, die im Deutschen mit «Vertragsgemeinschaft» wiederzugeben sind («communauté conventionelle» und «comunità contrattuale»), nicht vermeiden.

Absatz l :

.

-

Da die Vertragsgemeinschaft gegen aussen selbständig auftreten und handeln muss, jedoch intern kein neuer Eechtsträger notwendig ist, ist es zweckmässig, die grundlegenden Vorschriften über die Kollektivgesellschaft, mit einigen Abweichungen, zu übernehmen. Die Vertragsgemeinschaft bildet somit eine der Kollektivgesellschaft nachgebildete «Gemeinschaft zur' gesamten Hand».

In Übereinstimmung mit dem Grundsatz über das Verhältnis der Kollektivgesellschaft zu Dritten gemäss Artikel 562 des Obligationenrechtes wird bestimmt, dass die Vertragsgemeinschaft als solche Eechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen sowie, vor Gericht klagen und verklagt werden kann.

Ein Eintrag im Handelsregister, wie er in den Artikeln 552 und 553 des Obligationenrechtes für die Kollektivgesellschaft verlangt wird, erscheint nicht als : notwendig.

166 Absatz 2 : Die Eegelung der Haftung für Verbindlichkeiten entspricht im wesent liehen dem Grundsatz von Artikel 568 des Obligationenrechtes für die Kollektivgesellschaft.

Absatz 8: In bezug auf die Vertretung der Vertragsgemeinschaft gegenüber Dritten oder vor Gericht wird als Eegelfall die gemeinsame Vertretung vorgesehen, sei es, dass die Parteien gemeinsam handeln oder dass sie ein von ihnen eingesetztes paritätisches Organ dazu ermächtigen. Diese Eegelung entspricht in der Mehrzahl der Fälle den tatsächlichen Bedürfnissen der Zusammenarbeit für die Durchführung des Vertrages. Nötigenfalls ist es Sache der einzelnen Vertragsparteien, das zur Vertretung beauftragte Organ anzuhalten, die zur Durchsetzung des Vertrages erforderlichen Massnahmen zu ergreifen. Im übrigen ist es den Vertragsparteien unbenommen, im Gesamtarbeitsvertrag die Vertretung anders zu ordnen, beispielsweise die einzelnen Verbände zur Vertretung zu ermächtigen.

Absatz 4: Für das Innenverhältnis der Vertragsgemeinschaft sollen die entsprechenden Vorschriften über die einfache Gesellschaft anwendbar sein, wie dies grundsätzlich auch bei der Kollektivgesellschaft gilt (Art. 557 OE) ; dies jedoch nur, soweit der Gesamtarbeitsvertrag keine andere Eegelung trifft.

Artikel 7 V e r p f l i c h t u n g der beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegenüber der V e r t r a g s g e m e i n s c h a f t Diese Bestimmung gilt nur für jene Gesamtarbeitsverträge, die beidseitig von Verbänden abgeschlossen werden, und gibt den vertragschliessenden Verbänden die Möglichkeit, direkte Bechtsbeziehungen zwischen der Vertragsgemeinschaft als neuem und selbständigem Eechtsträger einerseits und den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern anderseits herzustellen. Die direkte Bindung der Beteiligten gegenüber der Vertragsgemeinschaft ist namentlich notwendig, um die Durchsetzung des Gesamtarbeitsvertrages wirksamer zu gestalten und eine privatrechtliche Ausgestaltung der Allgemeinverbindlicherklärung zu ermöglichen.

Absatz l : .Die direkten Eechtsbeziehungen zwischen der Vertragsgemeinschaft und den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern bestehen nicht von Gesetzes wegen, sondern müssen im Gesamtarbeitsvertrag jeweils ausdrücklich vorgesehen werden. Die Herstellung direkter Eechtsbeziehungen von Gesetzes wegen würde für zahlreiche Gesamtarbeitsverträge über die tatsächlichen

167 Bedürfnisse hinausgehen, weil der Vertrag nur normative Bestimmungen enthält, ohne die Kontrolle und die Durchsetzung näher zu regeln, und weil die Parteien eine engere Zusammenarbeit, wie sie die Bildung der Vertragsgemeinschaft mit sich bringt, nicht wünschen.

Da die direkten Eechtsbeziehungen im Sinne der vorliegenden Bestimmung in ihrer Wirkung den Verträgen zu Lasten Dritter gleichkommen, sind sie nur soweit zugelassen, als dies mit Bücksicht auf die legitimen Bedürfnisse im Kahmen der Entwicklung des Kollektivrechtes, insbesondere im Interesse der Durchsetzung des Gesamtarbeitsvertrages, notwendig ist. Die Vorlage zählt deshalb diejenigen Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrages in abschliessender Weise auf, in bezug auf die eine direkte Bindung der Beteiligten gegenüber der Vertragsgemeinschaft hergestellt werden kann.

lit\ a Bei den normativen Bestimmungen, die Abschluss, Inhalt und Beendigung der einzelnen Dienstverhältnisse der beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer ordnen, dient die direkte Bindung der bessern Durchsetzung des Vertrages.

Bestehen .direkte Eechtsbeziehungen, so muss man sich bei der Durchsetzung der normativen Bestimmungen nicht mit der oft unbefriedigenden Einwirkung der Verbände auf ihre Mitglieder behelfen. Vielmehr kann in diesem Fall die Vertragsgemeinschaft direkt von den einzelnen Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Einhaltung des Vertrages verlangen. Dabei ist allerdings das Klagerecht der Vertragsgemeinschaft auf die blosse Feststellung der Vertragsverletzung beschränkt (vgl. Art. 7, Abs. 2).

.

lit. & Die hier angeführten schuldrechtlichen Bestimmungen können auf Grund der direkten Eechtsbeziehungen in gleicher Weise wie , die normativen Bestimmungen geltend gemacht werden. Ohne direkte Eechtsbeziehungen wären Bestimmungen über die Beitragsleistung an Ausgleichskassen und andere Einrichtungen sowie über die Vertretung der Arbeitnehmer in den Betrieben als indirekte schuldrechtliche Bestimmungen auf die'beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht direkt anwendbar; sie würden lediglich zwischen den Vertragsparteien wirken und müssten auf dem Umweg über die Einwirkungspflicht zur Geltung gebracht werden. Beim Vorliegen direkter Eechtsbeziehungen können die aus diesen Bestimmungen sich ergebenden Ansprüche von der Vertragsgemeinschaft direkt gegenüber den Beteiligten geltend gemacht werden.

lit. c Auch bei den Bestimmungen über die Friedenspflicht, die für die einzelnen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten soll, handelt es sich um indirekte schuldrechtliche Bestimmungen; doch können diese ähnlich wie die unter ht. 6 angeführten Bestimmungen durch die direkten Eechtsbeziehungen gegenüber den Beteiligten unmittelbar geltend gemacht werden. Während die Bestini-

168 mungen gemäss lit. a und fc selbständigen materiellen Charakter besitzen, handelt es sich bei den die Friedenspflicht regelnden Bestimmungen um solche akzessorischer Natur, die der Einhaltung und Durchsetzung der materiellen Bestimmungen dienen.

lit.d Eine weitere Gruppe bilden Bestimmungen über Kontrollmassnahmen, Kautionen, Konventionalstrafen u. dgl., wiederum akzessorische Bestimmungen, die die Kontrolle und die Durchsetzung der materiellen Vertragsbestimmungen gemäss lit. a und b zu ihrem Gegenstand haben. Auch bei diesen Bestimmungen soll die Vertragsgemeinschaft ihre Ansprüche auf Duldung von Kontrollmassnahmen, Leistung von Kautionen und Konventionalstrafen unmittelbar gegenüber den Beteiligten geltend machen können, ohnedass die erforderlichen Massnahmen durch die einzelnen vertragschliessenden Verbände auf-dem Wege der Einwirkung auf ihre Mitglieder ergriffen werden müssten.

Über diese in lit. a bis d genau umschriebenen Fälle hinaus soll die Herstellung von direkten Eechtsbeziehungen nicht ermöglicht werden, da dafür ein legitimes Bedürfnis nicht besteht.

Absatz 2 : Der Vertragsgemeinschaft (gegebenenfalls den einzelnen Vertragsparteienöder einem Dritten) steht nach Massgabe der ihr gegenüber bestehenden, direkten Verpflichtung der beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer grundsätzlich der Anspruch auf Erfüllung zu (z. B. auf Leistung eines Beitrages an eine Kasse, auf Einsetzung einer Arbeitnehmervertretung, auf Duldung von Kontrollhandlungen, auf Kautionsleistung oder Entrichtung einer Konventionalstrafe sowie auf Unterlassung von Kampfmassnahmen). In bezug auf die Einhaltung der Bestimmungen, die unmittelbar Abschluss, Inhalt und Beendigung der einzelnen Dienstverhältnisse der beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer regeln (normative Bestimmungen), wird jedoch das Klagerecht auf die Feststellungsklage beschränkt.

Diese Beschränkung des Klagerechtes der Vertragsgemeinschaft ist umstritten. Der durchgehende Schutz des Kollektivinteresses würde die Zulassung der Erfüllungsklage verlangen. Doch würde die persönliche Freiheit des Einzelnen, seine Ansprüche selber gerichtlich durchzusetzen oder auch darauf zu verzichten, zu sehr beeinträchtigt, wenn die Vertragsgemeinschaft von sich aus und über den Kopf des Berechtigten hinweg auf Erfüllung klagen könnte. Im übrigen dürfte die
Feststellungsklage genügen, um das Kollektivinteresse in befriedigender Weise zu wahren. Dies umso mehr, als es den vertragschliessenden Verbänden freisteht, im Gesamtarbeitsvertrag Konventionalstrafen vorzusehen und diese entsprechend auszugestalten. Allerdings können «übermässig hohe Konventionalstrafen» vom Eichter herabgesetzt werden (Art. 163, Abs. 3, OE).

169 Absatz 3: An sich würde es genügen, wenn auch bei Beitragsleistungen die direkte Bindung lediglich gegenüber der Vertragsgemeinschaft hergestellt werden . könnte, da diese,jederzeit eine Vertragspartei oder einen Dritten zur Vornahme der erforderlichen Eechtshandlungen ermächtigen kann. Um jedoch auch in dieser Hinsicht den anscheinend bestehenden Bedürfnissen nach Möglichkeit zu entsprechen, wird ausdrücklich vorgesehen, dass die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch zur .Leistung an eine einzelne Vertragspartei oder . einen Dritten, die Träger einer Ausgleichskasse oder anderer Einrichtungen sind, verpflichtet werden können. In Übereinstimmung mit dem Grundsatz von Artikel 112 des Obligationenrechtes erhält in diesem Falle der begünstigte Dritte ein selbständiges Forderungsrecht, sofern der Gesamtarbeitsvertrag nicht etwas anderes bestimmt.

Artikels Verhältnis zur übrigen Gesetzgebung Absatz l : a. Wenn Absatz l entsprechend einem allgemeinen Grundsatz bestimmt, dass das zwingende Eecht des Bundes und der Kantone,den Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrages vorgehe, so ist dabei der sozialpolitische Aspekt des Kollektivyertragsrechts nicht zu übersehen. Der Gesamtarbeitsvertrag enthalt nämlich in erster Linie Bestimmungen, zugunsten des Arbeitnehmers.

Die herrschende Auffassung geht deshalb dahin, dass die für ; den Arbeitnehmer günstigeren Bestimmungen auch gegenüber dem zwingenden staatlichen Eecht Bestand haben sollen, sofern nicht den staatlichen Vorschriften entnommen werden muss, dass diese vorbehaltlose Geltung beanspruchen. Dieses sog. Günstigkeitsprinzip wird in der Vorlage anerkannt und gilt auch für gewöhnliche Gesamtarbeitsverträge im Verhältnis zu allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsverträgen (Art. 12, ,Abs. 3) sowie für Einzelv, ertrage gegenüber gesamtarbeitsvertraglichen Bestimmungen (Art. 4, Abs. 2).

b. In ;einzelnen Fällen kann es allerdings fraglich sein, ob nicht absolut zwingendes Eecht anzunehmen ist. Die herrschende Auffassung sieht zwar .heute ganz allgemein in der Sozialgesetzgebung, abgesehen von einigen Ausnahmen, nur sog. relativ zwingendes Eecht, d. h.. Mindestvorschriften, von denen der Gesamtarbeitsvertrag zugunsten der Arbeitnehmer abweichen kann. Ob dies in der Tat zutrifft, muss aber in jedem einzelnen Falle geprüft werden. Die Eegel ist jedenfalls
nicht ohne weiteres anwendbar auf Bestimmungen, die die finanzielle Lastenverteilung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern (z. B. in der Unfallversicherung) betreffen. Es fragt sich, ob es angängig sei, eine auf dem Wege der Gesetzgebung zustande gekommene Eegelung der Lastenverteilung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf dem ganz

170

andern Weg entsprechender gesamtarbeitsvertraglicher Bestimmungen und ihrer Allgemeinverbindlicherklärung abzuändern. Selbst wenn man Gesamtarbeitsverträge, durch die die Arbeitgeber Lasten übernehmen, die das Gesetz den Arbeitnehmern überbindet (z. B. die Prämien der Nichtbetriebsunfallversicherung), als rechtsbeständig betrachten mag, so ist doch eine Allgemeinverbindlicherklärung nicht zulässig, was auch der bisherigen Praxis des Bundesrates entspricht.

Im Interesse der Klarheit wäre es wünschenswert, wenn der Gesetzgeber künftig eindeutig zum Ausdruck bringen würde, ob Vorschriften der angeführten Art zugunsten der Arbeitnehmer abgeändert werden können oder ob sie absolut zwingend sind.

Absatz 2: Da es sich beim Gesamtarbeitsvertrag um ein Institut des Zivilrechtes handelt, finden die zivilrechtlichen Vorschriften, insbesondere das Obligationenrecht, ergänzend Anwendung. Darauf wird in ähnlicher Weise hingewiesen wie in andern Bundesgesetzen mit privatrechtlichen Bestimmungen (vgl. z. B. Art. 20 des Fabrikgesetzes, Art. 4 des Heimarbeitsgesetzes, Art. 2 des Handelsreisendengesetzes, Art. 8 des Bundesgesetzes über den unlauteren Wettbewerb).

Absatz 3 : a. Da die Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien sowie solche zwischen der Vertragsgemeinschaft und beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern von grosser Tragweite sein können, ist für diese Streitigkeiten die Berufung an das Bundesgericht ohne Rücksicht auf den Streitwert zuzulassen.

Es stehen dabei nicht nur materielle Ansprüche im Spiel, so dass es nicht richtig wäre, wenn die Möglichkeit des Weiterzugs von einem bestimmten Streitwert abhängig wäre.

b. Die Expertenkommission hat die Aufnahme einer Bestimmung in die Vorlage befürwortet, wonach die Kantone für die Beurteilung von Streitigkeiten aus dem Gesamtarbeitsvertrag zwischen den vertragschliessenden Verbänden «nach Möglichkeit» eine einzige Gerichtsinstanz zu bezeichnen hätten.

Die nähere Prüfung hat jedoch ergeben, dass sich eine solche Bestimmung nicht. empfiehlt. Abgesehen davon, dass die Bestimmung in der vorgesehenen Fassung für die Kantone nicht verbindlich wäre und schon deshalb nicht befriedigt, würden dadurch zwei Kategorien von gesamtarbeitsvertraglichen Streitigkeiten geschaffen: solche, die im normalen Verfahren zu beurteilen sind, und solche, die vor die einzige kantonale Instanz gelangen. Diese Zweiteilung wäre aber nicht erwünscht.

171

II. Abschnitt: Allgemeinverbindlichkeit 1. Begriff, Voraussetzungen und Wirkungen Artikel 9 Begriff und Gegenstand Absatz l : Gemäss der zugrundeliegenden privatrechtlichen Konzeption der Allgemeinverbindlicherklärung wird hier klar zum Ausdruck gebracht, dass es sich lediglich um die Ausdehnung des persönlichen Geltungsbereiches der von den vertragschliessenden Verbänden aufgestellten Bestimmungen handelt, ohne dass dadurch deren Eechtsnatur verändert wird. Der räumliche und der berufliche Geltungsbereich werden von der Allgemeinverbindlichkeit nicht berührt. Die Allgemeinverbindlichkeit kann sich somit nur auf Betriebe beziehen, die dem Erwerbszweig angehören, für den der allgemeinverbindlich zu erklärende Gesamtarbeitsvertrag abgeschlossen wurde. Dies ergibt sich schon aus dem Begriff ; der Allgemeinverbindlichkeit, weshalb sich eine ausdrückliche Bestimmung erübrigt.

Absatz 2: Da nicht alle Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrages allgemeinverbindlich erklärt werden können, muss das Gesetz festlegen, welche Bestimmungen zur Allgemeinverbindlicherklärung zugelassen werden.

Dass normative Bestimmungen, die gemäss Artikel 4 für die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten (lit. o), allgemeinverbindlich erklärt werden können, bedarf keiner besonderen Begründung. Ferner ist es gegeben, dass schuldrechtliche Bestimmungen, die auf Grund von Artikel 7 den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein bestimmtes Tun oder Unterlassen vorschreiben und sie zu 'deren Einhaltung gegenüber der Vertragsgemeinschaft unmittelbar verpflichten, ebenfalls Gegenstand der Allgemeinverbindlicherklärung sein können (lit. b). Dies ist, namentlich im Hinblick auf die Durchsetzung des Gesamtarbeitsvertrages, die Voraussetzung1 für eine befriedigende Kegelung der Allgemeinverbindlichkeit auf privatrechtlicher Grundlage. Dagegen fallen nicht in Betracht schuldrechtliche Bestimmungen, die lediglich die Eechtsbeziehungen unter den vertragschliessenden Verbänden ordnen und die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht berühren (z. B. die Bestimmungen über die Dauer und die Kündigung des Gesamtarbeitsvertrages).

Absatz 3 : a. Auch Bestimmungen über die schiedsgerichtliche Erledigung von Streitigkeiten (sog. Schiedsklauseln) können nicht allgemeinverbindlich er-

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klärt werden, weil dies dem Grundsatz des verfassungsmässigen Bichters (Art. 58 BV) und damit dem zwingenden Eecht des Bundes (Art. 10, Ziffer 4, der Vorlage) widersprechen würde. Wegen der grundsätzlichen Tragweite der Frage empfiehlt sich eine ausdrückliche Vorschrift.

i>. Die Expertenkommission hat eine Bestimmung vorgeschlagen, wonach Gesamtarbeitsverträge, die unter der Bedingung der Allgemeinverbindlicherklärung abgeschlossen werden, nur allgemeinverbindlich erklärt werden dürfen, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen. Die nochmalige Prüfung hat jedoch ergeben, dass sich eine solche Bestimmung erübrigt. Dass die unter der angeführten Bedingung abgeschlossenen Gesamtarbeitsverträge grundsätzlich auch allgemeinverbindlich erklärt werden können, kann keinem Zweifel unterliegen, da auch sonst in rechtlicher Hinsicht die unter bestimmten Bedingungen abgeschlossenen Verträge den unbedingt abgeschlossenen gleichgestellt sind. Es wird lediglich verlangt, dass die Bedingungen nicht unsittlich oder widerrechtlich sind. Die hier in Frage stehende Bedingung ist offenkundig weder unsittlich noch widerrechtlich. Dass die hier in Frage stehenden Verträge allgemeinverbindlich erklärt werden können, ergibt sich ausserdem aus Arbikel 10, Ziffer l, der Vorlage. Nach dieser Bestimmung muss sich die Allgemeinverbindlichkeit wegen der für die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer andernfalls zu erwartenden Nachteile als notwendig erweisen. Die Notwendigkeit der Allgemeinverbindlichkeit des Gesamtarbeitsvertrages, namentlich etwa wegen wirtschaftlicher Untragbarkeit für die Beteiligten, ergibt sich nicht immer erst nachträglich, nachdem der Vertrag schon während einiger Zeit Bestand hatte. Vielmehr kann von vornherein die Allgemeinverbindlichkeit eines Gesamtarbeitsvertrages als notwendig erscheinen, weshalb denn der Vertrag nur unter der Bedingung der Allgemeinverbindlichkeit abgeschlossen wird. Sollte sich bei der Prüfung der Voraussetzungen ergeben, dass die Vertragsparteien zu Unrecht angenommen haben, der Vertrag sei ohne Allgemeinverbindlichkeit wirtschaftlich untragbar, so müsste diese abgelehnt werden. Sie würde jedoch in diesem Fall nicht deshalb abgelehnt, weil die Bedingung, unter der der Vertrag abgeschlossen wurde, an sich unzulässig, sondern weil die Voraussetzung gemäss Artikel 10, Ziffer l,
nicht gegeben wäre.

Artikel 10 Allgemeine V o r a u s s e t z u n g e n In diesem Artikel werden in abschliessender Weise und in der Keihenfolge ihrer materiellen Bedeutung die Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlichkeit umschrieben.

An die Spitze gestellt werden die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Notwendigkeit der Allgemeinverbindlichkeit (Zifferl) sowie der Berücksichtigung des Gesamtinteresses, der berechtigten Interessen anderer Wirtschaftszweige und Bevölkerungskreise und der Minderheiten innerhalb des betreffenden Wirtschaftszweiges (Ziffer 2). Mit Eücksicht auf ihre Tragweite bedürfen diese

173

Fragen der besonderen Abklärung, weshalb vor allem sie Gegenstand der Begutachtimg :durch unabhängige Sachverständige gemäss Artikel 19 der Vorlage bilden sollen. Anschliessend wird das sogenannte Quorum geregelt, das verlangt, dass der allgemeinverbindlich zu erklärende Gesamtarbeitsvertrag grundsätzlich vom Willen der Mehrheit der Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen ist (Ziffer 3). Hierauf folgen eine Reihe von Voraussetzungen, die die Beachtung bestimmter Eechtsgnindsätze vorschreiben: Bechtsgleichheit, Verbandsfreiheit, Vorbehalt des zwingenden Eechts und Prinzip der «offenen Türe» (Ziffer 4 bis 7). Diese Voraussetzungen entsprechen im wesentlichen dem geltenden Eecht und der Praxis des Bundesrates, -werden jedoch näher umschrieben und zum Teil erstmals gesetzlich verankert (so der Grundsatz der «offenen Türe»).

Sind die Voraussetzungen erfüllt, so hat die Behörde die nachgesuchte Allgemeinverbindlichkeit anzuordnen. Dabei ist jedoch nicht zu übersehen, dass einzelne dieser Voraussetzungen dem Ermessen der Behörde nient unerheblichen Spielraum lassen.

· Ziffer!: Das Erfordernis der sachlichen Notwendigkeit der Allgemeinverbindlichkeit ist die wichtigste Voraussetzung. In der Praxis wird oft von einer «Bedürfnisklausel» gesprochen, doch handelt es sich nicht um ein subjektives, sondern um ein objektives «Bedürfnis» in dem Sinne, dass der Gesamtarbeitsvertrag. ohne Allgemeinverbindlichkeit überhaupt nicht oder nicht richtig durchgeführt werden könnte oder für die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer wirtschaftlich untragbar wäre. Die Allgemeinverbindlichkeit darf nur angeordnet werden, wenn der Gesamtarbeitsvertrag andernfalls nur mit «erheblichen Nachteilen» für die beteiligten Personen durchgeführt werden könnte.

'Ziffer 2: Die Allgemeinverbindlichkeit darf nur angeordnet werden, wenn sie dem Gesamtinteresse nicht widerspricht. Dagegen wird nicht verlangt, dass sie positiv dem Gesamtinteresse zu entsprechen habe. Wäre dies der Fall, so könnte der Staat die Initiative zur Allgemeinverbindlicherklärung kaum den Verbänden überlassen; er müsste von sich aus, wie bei staatlichen Gesetzen, die vom Gesamtinteresse verlangte Eegelung treffen.

Eine Verletzung des Gesamtinteresses ist namentlich dann anzunehmen, wenn das allgemeine Lohn- und Preisgefüge durch die Allgemeinverbindlicherklärung
gestört würde. Da die Allgemeinverbindlicherklärung von Lohnsätzen eine Abweichung vom Prinzip der freien Lohnbildung darstellt, ist die Gefahr einer Störung des Lohn- und Preisgefüges und somit einer Verletzung des Gesamtinteresses besonders gross. Die allgemeinverbindlich zu erklärenden Bestimmungen müssen sich ferner im Eahmen der jeweiligen Praxis der Gesamtarbeitsverträge halten und dürfen der Entwicklung nicht Bundesblatt. 106. Jahrg. Bd. I.

14

174 allzusehr vorgreifen. Es wäre mit dem Gesamtinteresse nicht zu vereinbaren, dass Bestimmungen, die vom sozialen Standpunkt aus zwar an sich begrüssenswert sein mögen, jedoch der Entwicklung allzu sehr vorauseilende Ausnahmen darstellen, auf dem Wege der Allgemeinverbindlicherklärung verallgemeinert und den Angehörigen des ganzen Berufes zwangsweise auferlegt werden.

Die Vorlage weist im übrigen auf einige besonders wichtige Aspekte des Gesamtinteresses ausdrücklich hin. So darf die Allgemeinverbindlichkeit die «berechtigten Interessen anderer Wirtschaftszweige und Bevölkerungskreise» nicht beeinträchtigen. Mit dieser Präzisierung soll unter anderem auch die Berücksichtigung der Interessen der Konsumenten unterstrichen werden. Die Allgemeinverbindlichkeit muss ferner Minderheitsinteressen innerhalb des in Frage stehenden Wirtschaftszweiges, die auf regionalen oder betrieblichen Verschiedenheiten beruhen,1 angemessen Bechnung tragen.

Ziffer 3: Die Allgemeinverbindlichkeit soll nur angeordnet werden, wenn die Mehrheit der Beteiligten dem Gesamtarbeitsvertrag zugestimmt hat. Damit nicht eine Minderheit, entgegen allen demokratischen Begeln, der Mehrheit eine Ordnung aufzwingen könne, wird das sogenannte Quorum vorgeschrieben.

Diese Voraussetzung schliesst drei Elemente in sich : die vom Gesamtarbeitsvertrag erfassten Arbeitgeber müssen mehr als die Hälfte der Arbeitgeber ausmachen, die nach der Allgemeinverbindlicherklärung dem Gesamtarbeitsvertrag unterstehen würden; dasselbe gilt auch für die Arbeitnehmer; zudem müssen die vom Gesamtarbeitsvertrag erfassten Arbeitgeber mehr als .die Hälfte aller Arbeitnehmer beschäftigen. Von der vorliegenden Voraussetzung soll nur ausnahmsweise abgesehen werden können, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen, und zudem nur in bezug auf die beteiligten Arbeitnehmer, nicht aber in bezug auf die Arbeitgeber. Solche besondere Umstände sind insbesondere dort gegeben, wo die Arbeitnehmer zum grossen Teil nur vorübergehend im Beruf tätig sind, weshalb sie in der Regel .den Berufsorganisationen nicht beitreten (beispielsweise im Gastwirtschaftsgewerbe). In diesen Fällen kann die Allgemeinverbindlicherklärung noch notwendiger als in anderen Berufen sein; vielfach wird erst dadurch das Zustandekommen des Gesamtarbeitsvertrages ermöglicht. Gemäss der bisherigen Praxis
wird die zuständige Behörde von dieser Ausnahmemöglichkeit mit grosser Zurückhaltung Gebrauch machen.

Ziffer 4: Dass die.allgemeinverbindlich zu erklärenden.Bestimmungen die Rechtsgleichheit nicht verletzen dürfen, wird schon in Artikel 34ter, Absatz 2, der Bundesverfassung verlangt. Bei gleichen Verhältnissen sollen für alle von der Allgemeinverbindlicherklärung erfassten Personen die gleichen Bestimmungen gelten; unterschiedliche Bestimmungen sollen nur Platz greifen, wenn dies durch die Ungleichheit der Verhältnisse gerechtfertigt ist.

175 Die allgemeinverbindlich zu erklärenden Bestimmungen dürfen auch nicht dem zwingenden Recht des Bundes und der Kantone widersprechen. Obschon sich dies aus Artikel 8, Absatz l, der Vorlage ergibt, wonach das zwingende Recht des Bundes und der Kantone den widersprechenden Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages vorgeht, ist eine ausdrückliche Bestimmung im Zusammenhang mit der Eegelung der Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung am Platze. Im übrigen sei beigefügt, dass der Entscheid der Behörde über die Allgemeinverbindlicherklärung die Frage nicht präjudiziert, ob eine Bestimmung des Gesamtarbeitsvertrages mit den zwingenden Vorschriften übereinstimme. Auch wenn Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages allgemeinverbindlich erklärt werden sollten, die .zwingenden Vorschriften widersprechen, sind und bleiben diese Bestimmungen · nichtig, was gegebenenfalls der Richter feststellen wird.

Ziffer 5: Die Verbandsfreiheit umfasst nicht nur die Freiheit der Einzelnen, Verbände zu bilden und solchen beizutreten, sondern auch die Freiheit der Verbände selbst, sich frei zu betätigen. Ausserdem aber schliesst die Verbandsfreiheit die Freiheit in sich, einem Verbände fernzubleiben. Deshalb wird in der Vorlage dieser Grundsatz positiv und negativ festgelegt.

Ziffern 6 und 7 : Das Prinzip der «offenen Ture», das in den Ziffern 6 und 7 formuliert wird, entspricht der freiheitlichen Konzeption der Vorlage wie auch der bisherigen Praxis. Verbänden muss der nachträgliche Beitritt zum Vertrag zu gleichen Rechten und Pflichten offen stehen. Dagegen kann dies zugunsten einzelner Arbeitgeber kaum verlangt werden. Den vertragschliessenden Verbänden steht es wohl frei, auch einzelne Arbeitgeber zu gleichen Rechten und Pflichten dem Gesamtarbeitsvertrag beitreten zu lassen, doch wäre es nicht gerechtfertigt, dies vorzuschreiben. Statt dessen muss aber die Möglichkeit des Beitritts zum Verband oder des Anschlusses an den Vertrag gegeben sein.

Ähnliche Überlegungen gelten auch in bezug auf den Arbeitnehmer. Es wäre nicht gerechtfertigt und mit dem Grundsatz der Verbandsfreiheit, der durch die Allgemeinverbindlicherklärung nicht beeinträchtigt werden darf, nicht vereinbar, einen Gesamtarbeitsvertrag allgemeinverbindlich zu erklären und so die Aussenseiter durch behördliche Anordnung zwangsweise dem Vertrag
zu unterstellen, wenn die vertragschliessenden Verbände den Beitritt zum Verband oder den Anschluss an den Vertrag nicht zulassen oder von unangemessenen Bedingungen abhängig machen.

'

176 Artikel!!

Besondere Voraussetzungen Absatz l : Besondere Voraussetzungen müssen erfüllt sein, wenn Bestimmungen über Beitragsleistungen an Ausgleichskassen und ähnliche Einrichtungen, die das.Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern betreffen, allgemeinverbindlich erklärt werden sollen. Die genannten Kassen und Einrichtungen müssen ausreichend organisiert sein und geordnet funktionieren. Dazu gehört nicht notwendigerweise, dass die Kassen und Einrichtungen paritätisch verwaltet werden. Doch entspricht dies vielfach, wenn auch nicht immer, den tatsächlichen Verhältnissen.

Absatz 2: Hinsichtlich der Bestimmungen über die Kontrolle, die Sicherung der Erfüllung und die Folgen der Nichterfüllung muss verlangt werden, dass Gewähr für eine geordnete Anwendung besteht, wozu insbesondere auch gehört, dass alle erfassten Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleich behandelt werden (vgl. Art. 13, Abs. 1). Dies bedingt, dass die Kontrolle der Vertragsanwendung und die Durchsetzung ausreichend geregelt sind (lit. a). Von besonderer Bedeutung sind ferner die Beiträge der Aussenseiter, weshalb die Vorlage auch diese Frage regelt. Während im Eahmen des Gesamtarbeitsvertragsrechts die Angernessenheit dieser Beiträge nicht näher geordnet wird und deren Bestimmung im Einzelfall dem Richter überlassen werden muss (vgl. Art. 2, Abs. 2), ist bei der Begelung der Allgemeinverbindlichkeit die Höhe der Beiträge durch eine konkrete gesetzliche Bestimmung zu begrenzen. Bestimmungen über Kostenbeiträge sollen nur allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn die Beiträge der am Vertrag nicht beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anteile nicht übersteigen, die sich bei einer gleichmässigen Verteilung der tatsächlichen Kosten auf alle Arbeitgeber einerseits und auf alle Arbeitnehmer anderseits ergeben würden (lit. b). Schliesslich müssen besondere Voraussetzungen in bezug auf die Verwendung von Konventionalstrafen und verfallenen Kautionen sowie von allfälligen Überschüssen aus Kontrollkostenbeiträgen gegeben sein. Die Konventionalstrafen sollen nicht für irgendwelche Zwecke verwendet werden können, sondern der Deckung der Kontrollkosten dienen, und die Verwendung von allfälligen Überschüssen aus Konventionalstrafen und Kontrollkostenbeiträgen muss im Gesamtarbeitsvertrag in angemessener Weise geregelt sein. Dabei
fällt in erster Linie die Verwendung für allgemeine Zwecke des betreffenden Wirtschaftszweiges oder Berufes in Betracht ; in diesem Fall kommen die Mittel auch den am Vertrag ursprünglich nicht beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern in gleicher Weise zugute (lit. c).

177 :

Artikel 12

'

Wirkung auf die A r b e i t g e b e r und A r b e i t n e h m e r Absätze l und 2: Dieser Artikel regelt die Wirkung auf die einzelnen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die reih privatrechtlichen Charakter hat, im Gegensatz zur öffentlichrechtlichen Wirkung gernäsä Artikel 13. Zur Klarstellung wird ausdrücklich bestimmt, worin die Wirkung der, Allgemeinverbindlicherklärung des Näheren besteht, obwohl sie sich aus dem Wesen der behördlichen Massnahme (Art. 9) ableiten lässt.

Absatz 3 : , In diesem Zusammenhang ist auch eine Bestimmung über das Verhältnis zwischen einem allgemeinverbindlichen Gesarntarbeitsvertrag und einem gewöhnlichen Gesamtarbeitsvertrag aufzunehmen. Der erstere geht dem letzteren vor; doch gilt auch hier das schon oben angeführte Günstigkeitsprinzip, wonach abweichende Bestimmungen zugunsten der Arbeitnehmer vorbehalten bleiben (ygl. auch Art. 4, Abs. 2, und Art. 8, Abs. 1).

Artikel 13 Wirkung auf die Vertragsparteien Die in diesem Artikel geordnete Wirkung hat öffentlichrechtlichen Charakter. Dies gilt nicht nur für Absatz 2, der ein Aufsichts- und Weisungsrecht der zuständigen Behörde statuiert, sondern auch für den Grundsatz der Gleichbehandlung gemäss Absatz l, da bei Verletzung dieses Grundsatzes die Allgemeinverbindlichkeit aufgehoben werden kann (Art. 25, Abs. 3).

Absatz l : Die behördliche Massnahme der Aljgemeinverbindlicherklärung darf zu keiner Schlechterstellung der Aussenseiter führen. Dieser Gedanke kommt verschiedentlich in der Vorlage zum Ausdruck (vgl. Art. 10, Ziffer 4, Art. 11 und 13). Es genügt aber nicht, dass die Gleichstellung von Verbandsmitgliedern und Aussenseitern durch den Wortlaut der betreffenden Bestimmungen des 1 Gesamtarbeitsvertrages gewährleistet ist, sondern es muss auch dafür gesorgt werden, dass alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der Durchführung tatsächlich gleich behandelt werden. Deshalb hat die Vorlage diesen Grundsatz der Gleichbehandlung bei der Durchführung der allgemeinverbindlichen Bestimmungen, der eine besondere Wirkung der Allgemeinverbindlichkeit darstellt, ausdrücklich festgelegt. Diesem Grundsatz kann durch zivilrechtliche Klage allein nicht ausreichend Nachachtung verschafft .werden. Deshalb ist in Artikel 25, Absatz 3, eine öffentlichrechthche Sanktion vorgesehen. Danach kann die Allgemeinverbindlichkeit ausser Kraft gesetzt werden, wenn der

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,

Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt wird. Die Behörde kann in diesem Fall von Amtes wegen oder auch auf Anzeige betroffener Arbeitgeber und Arbeitnehmer einschreiten.

Absatz 2: Wenn Ausgleichskassen und andere Einrichtungen im Sinne von Artikel 7, Absatz l, lit. b, bestehen, so genügt es nicht, dass die entsprechenden Bestimmungen zu keinen Einwendungen Anlass geben und dass im Zeitpunkt der Allgemeinverbindlicherklärung Gewähr für eine geordnete Anwendung besteht, wie dies Artikel 11, Absatz l, verlangt. Die Ausgleichskassen und die andern Einrichtungen, die sich auch auf die Aussenseiter beziehen, müssen vielmehr andauernd im Sinne der allgemeinverbindlichen Bestimmungen und in geordneter Weise verwaltet werden. Dafür kann aber nur in der Weise gesorgt werden, dass der zuständigen Behörde ein Aufsichts- und Weisungsrecht zusteht. Die Möglichkeit der Klage durch die Betroffenen beim Zivilrichter reicht, wie im Fall von Absatz l, nicht aus, namentlich auch deshalb nicht, weil die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Eegel keinen genügenden Einblick in die'Verwaltung von Kassen und andern Einrichtungen besitzen. Die Behörde muss deshalb jederzeit prüfen können, ob die Kasse oder Einrichtung richtig verwaltet wird, um nötigenfalls die erforderlichen Weisungen zu erteilen. Werden die Weisungen nicht befolgt, so kann die Allgemeinverbindlichkeit gemäss Artikel 25, Absatz 8, aufgehoben werden. Diese Eegelung entspricht den geltenden Vorschriften, die sich bewährt haben, Artikel 14 Besonderes Kontrollorgan

. .

Absatz l : Aussenseiter sollen gegen ihren Willen nicht der verbandlichen Kontrolle unterstellt werden können. Aus diesem Grunde müssen sie die Möglichkeit haben an Stelle der im Gesarntarbeitsvertrag vorgesehenen Kontrollorgane bei der zuständigen kantonalen Behörde die Einsetzung eines besonderen Kontrollorgans zu verlangen. Örtlich zuständig ist die Behörde desjenigen Kantons, in dem der zu kontrollierende Betrieb gelegen ist.

Absatz 2: Gegenstand und Umfang der Kontrolle sind durch die zuständige Behörde zu umschreiben. Diese hat dabei die Vertragsparteien und den Aussenseiter anzuhören.

Absatz 3 : Die Kontrollkosten des besonderen Kontrollorgans gehen in der Eegel zu Lasten des betreffenden Aussenseiters. Doch kann die zuständige Behörde die Kosten ganz oder teilweise den Vertragsparteien oder gegebenenfalls der Vertragsgemeinschaft überbinden, wenn die Umstände dies rechtfertigen.

179 2. Zuständigkeit und Verfahren Artikel 15 Zuständige

Behörde

. Für die Ausscheidung der Zuständigkeit zwischen Bund und Kantonen zur Anordnung der Allgemeinverbindlichkeit soll, wie bis anhin, der räumliche Geltungsbereich massgebend sein. Der Kanton ist zuständig, wenn sich der Geltungsbereich der Allgeraeinverbindlichkeit nicht über, das Gebiet des Kantons hinaus erstrecken soll. In den anderen Fällen ist die Zuständigkeit des Bundesrates gegeben.

i Artikel 16 ; Antrag Absätze l und 2: Die behördliche Anordnung der Allgemeinverbindlichkeit setzt einen Antrag der Vertragsparteien voraus. Entsprechend der privatrechtlichen Ausgestaltung der Allgerneinverbindlichkeit kann der Antrag nur von den Vertragsparteien ausgehen. Dagegen sind andere Verbände, die möglicherweise an der Allgemeinverbindlicherklärung ein Interesse haben, entgegen dem Wortlaut des geltenden Bundesbeschlusses (Art. 5, Abs. 1), hiezu nicht legitimiert.

Die Vorlage möchte den Parteien die \erfugung über den von ihnen abgeschlossenen Vertrag belassen.

Der Antrag muss von allen Vertragsparteien ausgehen, weshalb die Allgemeinverbindlicherklärung nicht ausgesprochen werden kann, wenn die Parteien unter sich nicht einig sind. Dagegen ist es nicht erforderlich, dass der Antrag gemeinsam gestellt wird, wenn dies auch die Regel sein dürfte.

Absatz 3 : Die Vorlage sieht keine Auskunftspflicht der Vertragsparteien mit zugehörigen strafrechtlichen Sanktionen vor, wie Artikel 8 des geltenden Bundesbeschlusses. Statt dessen wird, entsprechend Artikel 4, Absatz l, der geltenden Vollzugsverordnung zum Bundesbeschluss, ausdrücklich bestimmt, dass das Verfahren ruht und nötigenfalls eingestellt wird, wenn der Antrag nicht ordnungsgemäss eingereicht wird oder die verlangten Angaben nicht gemacht werden. Da die Allgemeinverbindlichkeit nicht im öffentlichen Interesse angeordnet wird, braucht die Behörde auf die Fortsetzung des Verfahrens nicht Bedacht zu nehmen, sondern kann es den Antragstellern überlassen, die nötigen Angaben 'beizubringen. Ist dies nicht möglich, und sind der zuständigen. Behörde die erheblichen Tatsachen auch nicht von Amtes wegen bekannt, so wird dem Antrag keine weitere Folge gegeben.

180 Artikel 17 Veröffentlichung des Antrages Auf Grund der bisher gemachten Erfahrungen ist eine Einsprachefrist von 10 bis 30 Tagen angemessen. Dabei hat es die Meinung, dass die Frist namentlich für vollausgebaute Verträge immer 30 Tage betragen soll. Die kürzeste Frist von 10 Tagen wird nur für einfache Verfahren in Betracht fallen (·wie Abänderung oder Verlängerung einer bereits bestehenden Allgemeinverbindlicherklärung) .

Artikel 18 Einsprache Alle Personen, die durch die Allgemeinverbindlicherklärung in ihren Interessen beeinträchtigt werden könnten, haben die Möglichkeit zur Einsprache. Die Einsprachen sind schriftlich und begründet anzubringen. Das weitere Vorgehen zur Abklärung der Einsprachen wird von der zuständigen Behörde von Fall zu Fall je nach den gegebenen Verhältnissen bestimmt. Sie kann somit auch ein kontradiktorisches Verfahren durchführen, wenn sie dies als zweckmässig erachtet. Eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift darüber erübrigt sich. Jedenfalls ist den Vertragsparteien Gelegenheit zu geben, zu den Einsprachen, wie auch zu den Vernehmlassungen der Kantone im Sinne von Artikel 17, Absatz 2, schriftlich Stellung zu nehmen.

Artikel 19 Begutachtung Nach Abschluss des Einspracheverfahrens hat die zuständige Behörde in der Eegel ein Gutachten unabhängiger Sachverständiger einzuholen. Der Gegenstand des Gutachtens wird von der zuständigen Behörde bestimmt.

Ein Gutachten wird meist notwendig sein, um abzuklären, ob die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung gemäss Artikel 10, Ziffern l und 2, erfüllt sind, während die Eechtsfragen, zu denen die Voraussetzungen von Artikel 10, Ziffern 4 bis 7, Anlass geben, sowie das Quorum (Ziffer 3) meist keiner besondern Begutachtung bedürfen.

Da die Begutachtung in der Eegel stattfinden soll und eine gewisse Einheitlichkeit in der Beurteilung der sich stellenden Fragen notwendig ist, wird vorgesehen, dass ein ständiger Ausschuss von Sachverständigen bestellt werden kann, wenn sich dies als zweckmässig erweist. Dies dürfte vor allem für die Abklärung der wirtschaftlichen Voraussetzungen der Fall sein, während für die Eechtsfragen von Fall zu Fall ein geeigneter Gutachter herangezogen werden kann, ohne dass ein besonderer Ausschuss nötig wäre.

181

Artikel 20 Entscheid Der Inhalt des Entscheides besteht entweder in der Gutheissung oder in der Ablehnung des Antrages; dagegen kann die Behörde den Antrag nicht von sich aus abändern. Kann der Antrag in der vorliegenden Form nicht gutgeheissen werden, so stellt die Behörde den Verbänden anheim, ob sie den Antrag entsprechend abändern wollen.

Hinsichtlich der Bestimmung von Absatz 4 ist darauf aufmerksam zu machen, dass es sich dabei um eine generelle Präzisierung des Geltungsbereiches handelt. Über die Auslegung von Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages im Einzelfall entscheidet ausschliesslich der Zivilrichter.

Artikel 21 Genehmigung der kantonalen Allgemeinverbindlicherklärung Mit Bücksicht darauf, dass auch bei einer kantonalen Allgemeinverbindlicherklärung gesamtschweizerische Interessen berührt werden können, verlangt die Vorlage, in Übereinstimmung mit der geltenden Begelung, für die vom Kanton angeordnete Allgemeinverbindlichkeit die Genehmigung durch den Bund. Überdies soll durch die Genehmigung festgestellt werden, ob die Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlichkeit erfüllt sind und das Verfahren ordnungsgemäss durchgeführt wurde.

Artikel 22 V e r ö f f e n t l i c h u n g des Entscheides Die bisherige Praxis, wonach die vom Bundesrat ausgesprochene Allgemeinverbindlicherklärung, im Bundesblatt und im. Schweizerischen Handelsamtsblatt vollinhaltlich und die kantonalen Allgemeinverbindlicherklärungen vollinhaltlich nur im kantonalen Amtsblatt, mit einem Hinweis auf die Publikation im Schweizerischen Handelsamtsblatt, veröffentlicht werden, hat sich bewährt und soll deshalb beibehalten werden. Zur Vereinfachung und Kostenersparnis wird jedoch inskünftig. von der Veröffentlichung der vom Bundesrat ausgesprochenen Allgemeinverbindlicherklärungen im Schweizerischen Handelsamtsblatt abgesehen.

Artikel 23 Kosten .Die Verfahrenskosten werden den Vertragsparteien überbunden, weil die Allgemeinverbindlicherklärung von den Verbänden verlangt und im Interesse

182

des betreffenden Berufszweiges ausgesprochen wird. Die Aussenseiter können ebenfalls zu einer anteilmässigen Tragung dieser Kosten im Bahmen von Artikel 11, Absatz 2, herangezogen werden.

Artikel 24

-

Ä n d e r u n g der Allgemeinverbindlichkeit Für die Abänderung, die Ergänzung und die Verlängerung sind die gleichen Vorschriften wie für die Allgemeinverbindlicherklärung selbst anwendbar.

Artikel 25 Beendigung der Allgemeinverbindlichkeit Die Da,uer der Allgemeinverbindlichkeit wird von der Behörde auf Grund des Antrages der Parteien festgesetzt. Die Allgemeinverbindlichkeit fällt deshalb mit dem Ablauf ihrer Geltungsdauer dahin, ohne dass es einer förmlichen Ausserkraftsetzung bedürfte. Auch eine Veröffentlichung erübrigt sich, da die Dauer bereits mit dem Entscheid veröffentlicht worden ist.

Absatz l : Es bleibt den Parteien unbenommen, den Antrag auf' vorzeitige Aufhebung zu stellen. In diesem Fall hat die zuständige Behörde dem Antrag ohne weiteres stattzugeben und die Allgemeinverbindlichkeit ausser Kraft zu setzen.

Absatz 2 :, Besonderer Eegelung bedarf der Fall, dass der Gesamtarbeitsvertrag während der Geltungsdauer der Allgemeinverbindlichkeit dahinfällt (z. B.

durch Kündigung). Man könnte -die Auffassung vertreten, entsprechend dem Grundsatz, wonach die Parteien über den Gesamtarbeitsvertrag verfügen, müsse die Allgemeinverbindlichkeit mit der Beendigung des Gesamtarbeitsvertrages von selbst dahinfallen, ohne dass es eines besonderen behördlichen Aktes bedürfte. Die Behörde hätte dabei lediglich das Dahinfallen des Vertrages und damit auch der Allgemeinverbindlichkeit festzustellen und dies zu veröffentlichen. Diese Lösung würde jedoch voraussetzen, dass die Behörde vom Dahinfallen des Vertrages rechtzeitig benachrichtigt wird, damit sie das Dahinfallen der Allgemeinverbindlichkeit veröffentlichen könnte. Da hiefür keine ausreichende Gewähr besteht, soll die Begelung des geltenden Bundesbeschlusses, (Art. 18) beibehalten und ausdrücklich vorgesehen werden, dass der allgemeinverbindliche Gesamtarbeitsvertrag für alle von ihm erfassten Arbeitgeber und Arbeitnehmer erst auf den Zeitpunkt der behördlichen Ausserkraftsetzung dahinfällt. Es könnte sich sonst ergeben, dass die zuständigen Behörden und die Aussenseiter erst nach längerer Zeit vom Dahinfallen des

183 Vertrages Kenntnis erhalten, während die Verbandsmitglieder von ihren Verbänden rechtzeitig orientiert worden wären. Dies würde dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Arbeitgeber und Arbeitnehmer widersprechen und die Eechtssicherheit gefährden. Bis zum Zeitpunkt der Ausserkraftsetzung sind die Verbandsmitglieder wie die Aussenseiter an die allgemeinverbindlichen Bestimmungen gebunden, auch wenn der Gesamtarbeitsvertrag dahingefallen ist. Die Parteien behalten aber die Verfügung über ihren Vertrag, da die Kündigung des Vertrages von ihnen abhängt und die Behörde bei rechtzeitiger Benachrichtigung verpflichtet ist, die Allgemeiriverbindlichkeit auf den betreffenden Zeitpunkt aufzuheben.

Absatz 3: ' '. ·· Die zuständige Behörde hat die Allgemeinverbindlichkeit von Amtes w.egen oder auch auf Anzeige hin aufzuheben, wenn es sich erweist, dass die Voraussetzungen nicht oder nicht mehr erfüllt sind. Wie oben schon angeführt, kann die Allgemeinverbindlichkeit ebenfalls ausser Kraft gesetzt werden bei Verletzung, des Grundsatzes der Gleichbehandlung sowie bei Nichtbefolgung von Weisungen im Sinne von Artikel 13, Absatz 2. In diesen Fällen ist eine Veröffentlichung gemäss Artikel 22, Absatz 3, erforderlich, weil die Allgemeinverbindlichkeit vor Ablauf der Geltungsdauer dahinfällt.

III. Abschnitt: Schlussbestimmungen Artikel 26 Absatz l : Der geltende Bundesbeschluss über die Allgemeinverbindlicherklärung gilt nur bis Ende 1954, weshalb das Gesetz auf den 1. Januar 1955 in Kraft treten sollte. Andernfalls müsste der Bundesbeschluss bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Gesetzes verlängert werden, damit die Ende 195/4 geltenden allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsverträge keinen Unterbruch erleiden. Da das Gesetz unter Umständen noch nicht auf den 1. Januar 1955 in Kraft treten, kann und da eine Übergangsfrist für die Anpassung der bestehenden Gesamtarbeitsverträge an die neue Eechtslage notwendig erscheint, ist es gegeben, die Bestimmung des Zeitpunktes des Inkrafttretens dem Bundesrat zu überlassen.

Absatz 2 : 'Auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens sind die Artikel 322 und 323 des Obligationenrechtes, die die bisherige Eegelung des Gesamtarbeitsvertrages enthalten, ausser Kraft zu setzen. Dagegen braucht der Bundesbeschluss vom 23. Juni 1943 nicht ausser Kraft gesetzt zu werden, da er Ende 1954 ohnehin dahinfällt und das neue Gesetz nicht vor diesem Zeitpunkt in Kraft treten wird.

184 Absatz 3: Kantonale Vollzugsverordnungen sind ebensowenig erforderlich wie eidgenössische Ausfiihrungsvorschriften. Es genügt, wenn die Kantone die zu·ständigen Behörden bezeichnen, was durch einen Beschhiss des Begierungsrates geschehen kann. In allen Kantonen war bisher der Begierungsrat zur Anordnung der Allgemeinverbindlichkeit zuständig, während die Durchführung des Verfahrens meist einem Departement übertragen wurde.

Auf Grund dieser Darlegungen, empfehlen wir Ihnen, dem beigelegten Gesetzesentwurf zuzustimmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung. ' Bern, den 29. Januar 1954.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s id. e nt: Rubatici Der Bundeskanzler: Ch. Oser

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(Entwurf)

Bundesgesetz über

den Gesamtarbeitsvertrag und dessen Allgemeinverbindlichkeit

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der S c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t , gestützt auf Artikel 64, Absatz 2, und Artikel 84ter der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 29. Januar 1954, beschliesst: I. Gesamtarbeitsvertrag

Art. l B e g r i f f und Gegenstand Durch den Gesamtarbeitsvertrag können Arbeitgeber oder deren Verbände, und Arbeitnehmer eines Betriebes oder Verbände von Arbeitnehmern gemeinsam Bestimmungen über Abschluss, Inhalt und Beendigung der einzelnen Dienstverhältnisse der beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufstellen.

2 Der Gesamtarbeitsvertrag kann auch andere Bestimmungen enthalten, soweit sie das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern betreffen, oder sich auf die Aufstellung solcher Bestimmungen beschränken.

3 Der Gesamtarbeitsvertrag kann ferner die Eechte und Pflichten der Vertragsparteien unter sich sowie die Kontrolle und die Durchsetzung der in den Absätzen l und 2 genannten Bestimmungen regeln.

* Sind an einem Gesamtarbeitsvertrag auf Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerseite, von Anfang an oder auf Grund des nachträglichen Beitritts eines Verbandes mit Zustimmung der Vertragsparteien, mehrere Verbände beteiligt, so stehen, diese im Verhältnis gleicher Eechte und Pflichten zueinander. Abweichende Vereinbarungen sind nichtig.

1

Art. 2 Anschluss Einzelne Arbeitgeber und einzelne im Dienst ; beteiligter Arbeitgeber stehende Arbeitnehmer können sich mit Zustimmung der Vertragsparteien dem Gesamtarbeitsvertrag anschliessen und gelten als beteiligte Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Sinne von Artikel l, Absatz l.

1

186 2 , Der Gesamtarbeitsvertrag kann den Anschluss näher regeln. Unangemessene Bedingungen des Anschlusses, insbesondere Bestimmungen über unangemessene Beiträge, können vom Richter nichtig erklärt oder auf das zulässige Mass beschränkt werden. Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrages oder Abreden über Beiträge zugunsten einer einzelnen Vertragspartei sind nichtig.

3 Bestimmungen eines Gesamtarbeitsvertrages, Abreden und Massnahmen, durch die Arbeitgeber oder Arbeitnehmer zum Eintritt in einen vertragschliessenden Verband unmittelbar oder mittelbar gezwungen werden sollen, sind widerrechtlich.

Art. 3

Dauer und Form Ist der Gesamtarbeitsvertrag nicht auf bestimmte Zeit abgeschlossen und bestimmt er nicht etwas anderes, so kann er von jeder Vertragspartei mit Wirkung für alle andern Parteien nach Ablauf eines Jahres jederzeit auf drei Monate gekündigt werden. Diese Bestimmung gilt sinngemäss auch für den Anschluss.

2 Der Gesamtarbeitsvertrag, seine Änderung und Aufhebung durch gegenseitige Übereinkunft, der Beitritt einer neuen Vertragspartei sowie die Kündigung bedürfen zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form; ebenso die Anschlusserklärung einzelner Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie die Zustimmung der Vertragsparteien gemäss Artikel 2, Absatz l, und die Kündigung des Anschlusses.

Art. 4 Wirkung auf die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer 1 Die Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages über Abschluss, Inhalt und Beendigung der einzelnen Dienstverhältnisse gelten während der Dauer des Vertrages unmittelbar für die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer und können nicht wegbedungen werden, wenn der Gesamtarbeitsvertrag nicht etwas anderes bestimmt.

2 Abreden zwischen den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die gegen die unabdingbaren Bestimmungen verstossen, sind nichtig und werden durch die Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages ersetzt; doch können abweichende Abreden zugunsten der Arbeitnehmer getroffen werden.

3 Beteiligte Arbeitnehmer können auf ihre Ansprüche aus unabdingbaren Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages nicht verzichten, bevor das Dienstverhältnis beendigt ist.

Art. 5 1

Wirkung unter den V e r t r a g s p a r t e i e n Die Vertragsparteien sind verpflichtet, für die Einhaltung des Gesamtarbeitsvertrages zu sorgen. Verbände haben zu diesem Zweck auf ihre Mit1

187

glieder einzuwirken und nötigenfalls die statutarischen und gesetzlichen Mittel einzusetzen.

· ., · 2 Jede Vertragspartei ist verpflichtet, den Arbeitsfrieden zu wahren und sich insbesondere jeder Kampfniassnahme zu enthalten, soweit es sich um Gegenstände handelt, die im Gesanitarbeitsvertrag geregelt sind. Die Friedenspflicht gilt unbeschränkt, wenn dies ausdrücklich bestimmt ist oder sich nach Treu und Glauben aus Art und Umfang der geregelten Gegenstände ergibt.

Art. 6 Gesamt arbeit s V e r t r a g s g e m e i n s c h a f t 1

,In einem. zwischen Verbänden abgeschlossenen Gesanitarbeitsvertrag kann bestimmt werden, dass die Vertragsparteien in bezug auf die in Artikel 7, Absatz l, genannten oder auch auf andere ausdrücklich anzuführende Gegenstände eine Vertragsgemeinschaft bilden, die als solche Eechte erwerben und Verpflichtungen eingehen sowie vor Gericht klagen und verklagt werden kann.

2 Für Verbindlichkeiten der Vertragsgemeinschaft haftet deren Vermögen ; soweit dieses nicht ausreicht, haften die Vertragsparteien solidarisch.

3 Die Vertretung steht den Vertragsparteien gemeinsam1 zu, wenn sich aus dem Gesanitarbeitsvertrag nicht etwas anderes ergibt.

4 Auf das Verhältnis der Vertragsparteien unter sich sind die Bestimmungen über1 die einfache Gesellschaft gemäss Artikel 531: bis 542 und 544, Absatz l, des Obligationenrechts anwendbar, wenn der Gesanitarbeitsvertrag nicht etwas anderes bestimmt.

Art. 7 V e r p f l i c h t u n g der beteiligten A r b e i t g e b e r und Arbeitnehmer gegenüber der V e r t r a g s g e m e i n s c h a f t 1 Die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer können im Gesanitarbeitsvertrag unmittelbar gegenüber der gernäss Artikel 6 gebildeten Vertragsgemeinschaft verpflichtet werden, soweit es sich uni Bestimmungen handelt: a. die Abschluss, Inhalt und Beendigung der einzelnen Dienstverhältnisse der beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer regeln und für diese unmittelbar gelten; 6. die : die Beitragsleistung an Ausgleichskassen und andere Einrichtungen, die das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern betreffen, oder die Vertretung der Arbeitnehmer in den Betrieben regeln; G. die den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Pflicht auferlegen, den Arbeitsfrieden zu wahren und sich insbesondere jeder Kampfmassnahme zu enthalten; d. die ;die Kontrolle, die, Sicherung der Erfüllung und die:Folgen der Nichterfüllung, wie Kautionen und Konventionalstrafen, regeln.

188 2

Verletzt ein beteiligter Arbeitgeber oder Arbeitnehmer Pflichten aus Bestimmungen gemäss Absatz l, lit. a, so steht der Vertragsgemeinschaft nur die Peststellungsklage zu.

3 Bei Beitragspflichtigen im Sinne von Absatz l, lit. &, können die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Gesamtarbeitsvertrag auch zur Leistung an eine .einzelne Vertragspartei oder an einen Dritten, die Träger der Ausgleichskasse oder der andern Einrichtung sind, verpflichtet werden. Die einzelne Vertragspartei oder der Dritte können die Erfüllung selbständig verlangen, wenn der Gesamtarbeitsvertrag nicht etwas anderes bestimmt.

Art. 8 Verhältnis zur übrigen G e s e t z g e b u n g 1

Das zwingende Hecht des Bundes und der Kantone geht den Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages vor; zugunsten der Arbeitnehmer können jedoch abweichende Bestimmungen vereinbart werden, wenn sich aus den gesetzlichen Vorschriften nicht etwas anderes ergibt.

2 Auf den Gesamtarbeitsvertrag sind die Bestimmungen der zivilrechtlichen Gesetzgebung, insbesondere diejenigen über das Obligationenrecht, ergänzend anwendbar.

3 Bei Streitigkeiten zwischen den Parteien des Gesamtarbeitsvertrages oder zwischen der Vertragsgemeinschaft und beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist die Berufung an das Bundesgericht ohne Eücksicht auf den Streitwert zulässig.

II. Allgemeinverbindlichkeit l. Begriff, Voraussetzungen und Wirkungen

Art. 9 B e g r i f f und Gegenstand 1

Der Geltungsbereich eines zwischen Verbänden abgeschlossenen Gesamtarbeitsvertrages kann auf Antrag aller Vertragsparteien durch Anordnung der zuständigen Behörde (Allgemeinverbindlicherklärung) auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgedehnt werden, die am Vertrag nicht beteiligt sind.

2 Gegenstand der Allgemeinverbindlicherklärung können nur Bestimmungen sein: a. die gemäss Artikel 4 für die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer gelten; 6. die gemäss Artikel 7 die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegenüber der Vertragsgemeinschaft verpflichten.

3 Bestimmungen über die Beurteilung von Streitigkeiten durch Schiedsgerichte können nicht allgemeinverbindlich erklärt werden.

189

Art. 10 Allgemeine Voraussetzungen Die Allgemeinverbindlichkeit darf nur unter folgenden Voraussetzungen angeordnet werden: 1. Die Allgemeinverbindlichkeit muss sich wegen der für die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer andernfalls zu erwartenden erheblichen Nachteile als notwendig erweisen.

2. Die Allgemeinverbindlichkeit darf dem Gesamtinteresse nicht zuwiderlaufen und die berechtigten Interessen anderer Wirtschaftszweige und Bevölkerungskreise nicht beeinträchtigen. Sie muss ferner den auf regionalen oder betrieblichen Verschiedenheiten beruhenden Minderheitsinteressen innerhalb des in Frage stehenden Wirtschaftszweiges angemessen Eechnung tragen.

3. Am Gesamtarbeitsvertrag müssen, mehr als die Hälfte aller Arbeitgeber und mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer, die nach der Allgemeinverbindlicherklärung dem Gesamtarbeitsvertrag unterstehen würden, beteiligt sein. Die beteiligten Arbeitgeber müssen überdies mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer beschäftigen. Ausnahmsweise kann unter besondern Verhältnissen vom Erfordernis der Mehrheit der beteiligten Arbeitnehmer abgesehen werden.

4. Der Gesamtarbeitsvertrag darf die Rechtsgleichheit nicht verletzen und dem zwingenden Recht des Bundes und der Kantone nicht widersprechen.

5. Der Gesamtarbeitsvertrag darf die Verbandsfreiheit nicht beeinträchtigen, insbesondere nicht die Freiheit, sich einem Verbände anzuschliessen oder ihm fernzubleiben.

6. Andern Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden muss der Beitritt zum Gesamtarbeitsvertrag zu gleichen Eechten und Pflichten offen stehen, wenn sie ein berechtigtes Interesse nachweisen und ausreichende Gewähr für die Einhaltung des Vertrages bieten.

7. Andern Arbeitgebern und Arbeitnehmern muss der Beitritt zum Verband oder, der Anschluss nach Massgabe von Artikel 2 offen stehen.

Art. 11 : 1

Besondere Voraussetzungen

'.

Bestimmungen über Ausgleichskassen und andere Einrichtungen im Sinne von Artikel 7, Absatz l, lit. b, dürfen nur allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn die Organisation der Kasse oder Einrichtung ausreichend geregelt ist und Gewähr für eine geordnete Anwendung besteht.

2 Bestimmungen über die Kontrolle, die Sicherung der Erfüllung und die Polgen der .Nichterfüllung dürfen nur allgemeinverbindlich erklärt werden: a. wenn die Kontrolle und Durchsetzung ausreichend geregelt sind und Gewähr für eine geordnete Anwendung besteht; Bundesblatt. 106. Jahrg. Bd. I.

15

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6. wenn die Kontrollkostenbeiträge der am Gesamtarbeitsvertrag nicht beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anteile nicht übersteigen, die sich bei einer gleichmässigen Verteilung der tatsächlichen Kosten auf alle Arbeitgeber einerseits und auf alle Arbeitnehmer anderseits ergeben; c. wenn die Konventionalstrafen zur Deckung der Kontrollkosten bestimmt sind und die Verwendung allfälliger Überschüsse aus Konventionalstrafen und Kontrollkostenbeiträgen in angemessener Weise geregelt ist, vor allem zugunsten allgemeiner Zwecke des betreffenden Wirtschaftszweiges oder Berufes.

Art. 12 Wirkung auf die Arbeitgeber und Arbeitnehmer Die Bestimmungen gemäss Artikel 4 gelten auch für die am Gesamtarbeitsvertrag nicht beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer, auf die der Geltungsbereich des Vertrages ausgedehnt wird.

2 Sind die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemäss Artikel 7 gegenüber der Vertragsgemeinschaft verpflichtet, so gelten diese Verpflichtungen in gleicher Weise auch für die am Gesamtarbeitsvertrag nicht beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer, auf die der , Geltungsbereich des Vertrages ausgedehnt wird.

' 3 Die Bestimmungen eines allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsvertrages gehen den Bestimmungen eines nicht allgemeinverbindlichen Vertrages vor, jedoch mit Ausnahme der abweichenden Bestimmungen zugunsten der Arbeitnehmer.

Art. 13 1

Wirkung auf die Vertragsparteien Die Vertragsparteien Und gegebenenfalls die Vertragsgemeinschaft sind verpflichtet, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer, auf die der Geltungsbereich des Gesamtarbeitsvertrages ausgedehnt wird, bei der Durchführung des Vertrages gleich wie die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu behandeln.

2 Werden Bestimmungen über Ausgleichskassen oder andere Einrichtungen im Sinne von Artikel 7, Absatz l, lit. b, allgemeinverbindlich erklärt, so untersteht die Kasse oder Einrichtung der Aufsicht der zuständigen Behörde. Diese kann vom Träger der Kasse oder Einrichtung die benötigten Auskünfte verlangen und ihm die erforderlichen Weisungen über die Geschäftsführung erteilen.

Art. 14 1

Besonderes Kontrollorgan Arbeitgeber und Arbeitnehmer, auf die der Geltungsbereich des Gesamtarbeitsvertrages ausgedehnt wird, können jederzeit bei der zuständigen kantonalen Behörde die Einsetzung eines besondern, von den Vertragsparteien unabhängigen Kontrollorgans an Stelle der im Vertrag vorgesehenen Kontrollorgane verlangen.

1

19l 2

Die zuständige kantonale ;Behörde bestimmt Gegenstand und Umfang der Kontrolle nach Anhörung der Vertragsparteien und des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers, der die Einsetzung eines besondern Kontrollorgans verlangt^ 3 Die Kontrollkosten gehen zu Lasten des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers, der eine besondere Kontrolle verlangt hat ; doch können sie von der zuständigen kantonalen Behörde, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen, ganz oder teilweise den Vertragsparteien oder gegebenenfalls der Vertragsgemeinschaft ; auferlegt werden.

2. Zuständigkeit und Verfahren

Art. 15 Z u s t ä n d i g e Behörde Erstreckt sich der Geltungsbereich der Allgemeinverbindlichkeit auf das Gebiet mehrerer Kantone, so wird sie vom Bundesrat angeordnet.

2 Beschränkt sich der Geltungsbereich auf das Gebiet eines Kantons oder auf einen Teil davon, so wird die Allgemeinverbindlichkeit von der vom Kanton bezeichneten Behörde angeordnet.

1

Art. 16 Antrag 1 Der Antrag auf Allgenaeinverbindlicherklärung ist von allen Vertragsparteien der zuständigen Behörde schriftlich einzureichen. Die allgemeinverbindlich zu erklärenden Bestimmungen sind dem Antrag in den für den Geltungsbereich massgebenden Amtssprachen beizulegen.

2 Der Antrag hat den Gegenstand, den räumlichen, beruflichen und betrieblichen Geltungsbereich sowie Beginn und Dauer der Allgemeinverbindlichkeit anzuführen und die erforderlichen Angaben über die Voraussetzungen gemäse ;Artikel 10 und 11. zu enthalten.

.

3 Wird der Antrag nicht ordnungsgemäss oder nicht:mit den erforderlichen Angaben eingereicht, so ruht das Verfahren und wird nach erfolgloser Fristansetzung eingestellt.

Art. 17' V e r ö f f e n t l i c h u n g des Antrages ; 1 Der Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung ist mit den allgemeinverbindlich zu erklärenden Bestimmungen unter Ansetzung einer angemessenen Einsprachefrist von 10 bis 30 Tagen in den massgebenden Amtssprachen zu veröffentlichen. Von der Veröffentlichung kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlichkeit offensichtlich nicht erfüllt sind.

2 Anträge, über die der Bundesrat zu entscheiden hat, sind im Schweizerischen Handelsamtsblatt zu veröffentlichen und den in Betracht fallenden Kantonen zur Vernehmlassung zuzustellen.

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Anträge, über die der Kanton entscheidet, sind im kantonalen Amtsblatt zu veröffentlichen. Diese Veröffentlichung ist unter Angabe der Einsprachefrist im Schweizerischen Handelsamtsblatt anzuzeigen.

Art. 18 Einsprache 1

Wer ein Interesse glaubhaft macht, kann gegen den Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung schriftlich und begründet bei der zuständigen Behörde Einsprache erheben.

2 Den Vertragsparteien ist Gelegenheit zu geben, zu den Einsprachen sowie zu den Vernehmlassungen der Kantone schriftlich Stellung zu nehmen.

Art. 19 Begutachtung Die zuständige Behörde holt vor dem Entscheid das Gutachten unabhängiger Sachverständiger ein, wenn sich dies nicht von vornherein als überflüssig erweist. Sie kann, insbesondere zur Prüfung der Voraussetzungen gemäss Artikel 10, Ziffern l und 2, einen ständigen Ausschuss von Sachverständigen bestellen.

Art. 20 Entscheid Die zuständige Behörde prüft, ob die Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlichkeit erfüllt sind, und entscheidet über den Antrag.

2 Wird die Allgemeinverbindlichkeit angeordnet, so setzt die zuständige Behörde den räumlichen, beruflichen und betrieblichen Geltungsbereich fest und bestimmt Beginn und Dauer der Allgemeinverbindlichkeit.

3 Der Entscheid über den Antrag ist den Vertragsparteien und auch den Einsprechern, soweit diese betroffen sind, schriftlich und begründet zu eröffnen.

4 Ergeben sich nachträglich Zweifel über den Geltungsbereich, so wird dieser nach Anhörung der Vertragsparteien vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement oder von der für die Allgemeinverbindlicherklärung zuständigen kantonalen Behörde näher bestimmt.

1

Art. 21 Genehmigung der kantonalen Allgemeinverbindlicherklärung 1

Die kantonale Allgemeinverbindlicherklärung bedarf zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung des Bundesrates.

2 Die Genehmigung wird erteilt, wenn die Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlichkeit erfüllt sind und das Verfahren ordnungsgemäss durchgeführt worden ist.

193 3

Der Entscheid über die Genehmigung ist dem Kanton und den Vertragsparteien schriftlich und begründet zu eröffnen.

4 Erweist sich nachträglich, dass die Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlichkeit nicht oder nicht mehr erfüllt sind, so hat der Bundesrat die Genehmigung zu widerrufen. Im übrigen ist Artikel 25, Absatz 3, anwendbar.

Art. 22 Veröffentlichung

',

des Entscheides

1

Die vom Bundesrat allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträge sind in den massgebenden Amtssprachen mit Angabe des Geltungsbereiches sowie des Beginns und der Dauer der Allgemeinverbindlichkeit im Bundesblatt zu veröffentlichen.

2 Die von den Kantonen allgemeinverbindlich erklärten Gesaintarbeitsverträge sind mit den in Absatz l genannten Angaben im kantonalen Amtsblatt zu veröffentlichen. Diese Veröffentlichung ist im Schweizerischen Handelsamtsblatt anzuzeigen.

3 In gleicher Weise ist die Aufhebung der Allgemeinverbindhchkeit gemäss Artikel 25 zu veröffentlichen.

Art. 23 Kosten 1

Die Kosten für die Veröffentlichung des Antrages und des Entscheides sowie in der Eegel auch die Kosten der Begutachtung und allfällige weitere Kosten gehen zu Lasten der Vertragsparteien, die solidarisch dafür haften.

2 Die zuständige Behörde erlässt nach Abschluss des Verfahrens eine Kostenverfügung und verteilt die Kosten auf die Vertragsparteien. Die rechtskräftigen Kostenverfügungen sind vollstreckbaren gerichtlichen Urteilen im Sinne von Artikel 80 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und ,Kon. kurs gleichgestellt.

:

: ;

Änderung der 1

Art. 24

'

'

Allgemeinverbindlichkeit

Werden allgemeinverbindliche Bestimmungen abgeändert oder neue Bestimmungen allgemeinverbindlich erklärt, wird die Dauer der Allgemeinverbindlichkeit verlängert oder wird die Allgemeinverbindlichkeit teilweise ausser Kraft gesetzt, so sind die Vorschriften dieses Abschnittes anwendbar.

2 Die Vertragsparteien sind verpflichtet, die zuständige Behörde von jeder Änderung eines allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsvertrages sowie von dessen Kündigung und Aufhebung sofort schriftlich zu benachrichtigen.

194 Art. 25 Beendigung der Allgemeinverbindlichkeit 1

Beantragen alle Vertragsparteien die Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit, so ist diese von der für die Anordnung zuständigen Behörde ausser Kraft zu setzen.

2 Endigt der Gesamtarbeitsvertrag vor dem Ablauf der Geltungsdauer der Allgemeinverbindlichkeit,. so ist diese auf den gleichen Zeitpunkt ausser Kraft zu setzen. Wird die Benachrichtigung der zuständigen Behörde gemäss Artikel 24, Absatz 2, versäumt, so gelten die allgemeinverbindlichen Bestimmungen für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer bis zum Zeitpunkt, auf den die Behörde die Allgemeinverbindlichkeit ausser Kraft setzt.

3 Stellt die für die Allgemeinverbindlicherklärung zuständige Behörde von Amtes wegen oder auf Anzeige hin fest, dass die Voraussetzungen nicht oder nicht mehr erfüllt sind, so hat sie die Allgemeinverbindlichkeit ausser Kraft zu setzen; ebenso kann sie dies anordnen, wenn der Grundsatz der Gleichbehandluhg gemäss Artikel 13, Absatz l, verletzt wird oder die Weisungen gemäss Artikel 13, Absatz 2, nicht befolgt werden.

III. Schlussbestimmungen

Art. 26 1

Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Ge-

setzes.

2

Auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens werden die Artikel 322 und 323 des Schweizerischen Obligationenrechts aufgehoben.

3 Die Kantone bezeichnen die zuständigen Behörden für die Allgemeinverbindlicherklärung und deren Aufhebung, für die Durchführung des Verfahrens gemäss Artikel 16 bis 19 und Artikel 22 bis 24 sowie für die Massnahmen gemäss Artikel 13, Absatz 2, und Artikel 14.

4 Bei Anträgen, über die der Bundesrat entscheidet, ist das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit für/die Durchführung des Verfahrens und für die Massnahmen gemäss Artikel 13, Absatz 2, zuständig.

1473

195

ANHANG Gesamtarbeitsverträge nach räumlichem Geltungsbereich1) 1929-1952, Tabelle l , Zeitpunkt

Mai 1929

Landesverträge

8

Landesteil- Kantonale: Lokal- oder verträge Verträge Ortsverträg

FirmenVerträge

28

112

303

9

146

Insgesamt

Juni 1938 . . .

17

5

63

175

157

417

Ende 1944. . .

29

20

129

262

192

632

Ende 1945 . . .

43

44

193

263

300

843

Ende 1946 . . .

62

56

234

279

435

1066

286,

587

1251'

258

697

1349

277

758

1434

283

762

1447

230

258

726

1367

250

268

758

1442

Ende 1947 . . .

80

56

242

Ende 1948 . . .

84

60

250

Ende 1949 . . .

88

65

246

Ende 1950 . . .

88

65

249

April 1951 . . .

88

65 75

Ende 1952 . . .

91

,

:

1 ) Die Angaben stützen sich auf Unterlagen, die dem Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit auf freiwilliger Grundlage zur Verfügung gestellt wurden, weshalb keine Gewähr für Vollständigkeit besteht.

196 Gesamtarbeitsverträge und erfasste Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach räumlichem Geltungsbereich 1.April 1951 Tabelle 2 Räumlicher Geltungsbereich

Erfasste Arbeitgeber

Verträge

absolut

Landesverträge Landesteilverträge . . . .

Kantonale Verträge . . .

Lokal- oder Ortsverträge .

FirmenVerträge .

. . .

Zusammen Abzüglich1 Mehrfachzählungen - -) Total

88 65 230 258 726 1867

66511 11614 28974 14468 726 122 293

1367

19627 102 666

|

Erfasste Arbeitnehmer

in %

absolut

in %

54,4 9,5 23,7 11,8 0,6 100,0

524 388 69826 133 905 97 110 64425 889 654

59,0 7,8 15,1 10,9 7,2 100,0

114 951 774 703

1 ) Im Gastgewerbe konnten die Mehrfachz ählungen n icht ausgeschaltet werden.

Gesamtarbeitsverträge und erfasste Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach Art der Vertragsparteien

1929 und 1951 Tabelle 3 Vertragstypen

1929

Hausverträge Einseitig korporative Verträge (Firmenverträge) .

Zweiseitig korporative Verträge .

. .

Zusammen Abzüglich Mehrfachzäh2 lungen ) Total 1 ) 2

Erfasste Arbeitgeber

Verträge 1951

1951 »)

Erfasste Arbeitnehmer 1929

1951

6

67

67

822

8493

134

738

1117

9580

79844

163 303

562 1367

121 109

54384 64786

801 317 889 654

64786

114 951 774 703

303

1367

122 293 19 627 102 666

Für 1929 liegen keine Angaben vor.

) Im Gastgewerbe konnten die Mehrfachzählungen nicht ausgeschaltet werden.

197 Gesamtarbeitsverträge und erfasste Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach Erwerbsgruppen 1.April 1951 Tabelle Erwerbsgruppen

Verträge

Erfasste Arbeitgeber 1) absolut

Land- und Forstwirtschaft, Gartenbau Industrie und Handwerk .

Nahrungsmittel, Getränke Tabakindustrie Industrie der Fette und Öle Chemische Industrie . .

Gummiindustrie . . . .

Holz- und Korkbearbeitung . . .

. . . .

Spielwaren, Sportartikel, Zelluloidwaren . . .

Papierindustrie Graphisches Gewerbe. .

Lederindustrie Textilindustrie Bekleidung, Ausrüstungsgegenstände . .

Kraft-, Gas- und Wasser- .

lieferung Industrie der Erden und Steine Metallindustrie

Maschinenindustrie 2) . .

Uhrenindustrie, Musikinstrumente, Feinmechanik Baugewerbe . .

Verkehr Handel, Banken, Versicherungen . . .

.

Gastgewerbe

.. in %

Erfasste Arbeitnehmer 1) absolut

in %

13 753 104 8

3631 49866 13609 23

3,5 48,6 13,3 0,0

6786 492 275 40310 3040

0,9 63,5 5,2 0,4

6 56 2

6 100 3

0,0 0,1 0,0

539 15300 254

0.1 2,0 0,0

87

9181

9,0

40262

5,2

4 26 16 8 169

12 138 4600 1452 2070

0,0 0,1 4,5 1,4 2,0

1198 10686 18514 6207 68589

0,2 1,4 2,4' 0,8 8,8

30

7911

7,7

57343

7,4

10

20

0,0

965

0,1

43 107 63

474 5353 1478

0,5 5.2 1,4

14854 23000 112 614

1,9 3,0 14,5

14

3436

3,4

78600

10,1

185

14697

14,3

108 480

14,0

50

1642

1,6

10812

1,4

279

5689

5,6

43875

6,7

22

18233

17,8

97549

12,6

1,9 65 8908 8,6 14926 Total 1367 102 666 j 100,0 774 703 100,0 .

1 ) Mehrfachzählungen, die von der Erfassung einzelner Arbeitgeber oder Arbeitnehmer durch mehrere Gesamtarbeitsverträge herrühren, wurden, mit Ausnahme des Gastgewerbes, ausgeschaltet.

2 ) Mit Einschluss des Eriedensabkommens in der Maschinen- und Metallindustrie.

Übrige

198

Allgemeinverbindlicherklärungen nach Gegenstand und Zuständigkeit

1942-1953 Tabelle S Ausgebaute Verträge

Jahr

Bund

1942 . . . .

1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 1950 1951 1952 1953

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

,

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

2 2 7 16 10 10 . 9 4 3 6 4

Total

73

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

Kantone

Nur einen Gegenstand regelnde Verträge 1)

Verlängerungen und Abänderungen

Bund

Bund ! Kantone

Kantone

24 16 13 8 8 9 15 19

2 11 15 13 15 3 6 1 -- -- 1 --

4 4 3 4 -- -- -- 3 1 2 --

160

67

21

3 11 13 21

Insgesamt Bund 1 Kantone

2 - 2 3 9 13 11 13 18 12

5 2 11 13 5 12 13 15 12 18 15

2 14 18 22 33 16 25 23 15 16 25 16

3 20 19 35 41 21 25 21 26 22 35 34

85

121

225

302 2)

1 1

1 ) Davon beziehen sich 75 auf Teuerungszulagen, 5 auf Lohntarife, 3 auf Ferien und Feiertage, 2 auf Krankenversicherung und je 1 auf Gewährung eines freien Halbtages, auf Kinderzulagen und auf Bezahlung von Sonntagsarbeit.

2 ) Davon Waadt 54, Genf 51, Bern 34, Zürich 29, Freiburg und BaselStadt je 17, St. Gallen 16, Wallis 15, Neuenburg 10, Solothurn 9, Aargau 8, Appenzell A.-Rh. und Graubünden je 7, Schaffhausen 6, Thurgau 5, Luzern 4, Obwalden, Glarus und Tessin je 3, Schwyz 2, sowie Zug und Basel-Landschaft je 1. In den Kantonen Uri, Nidwaiden und Appenzell I.-Bh. wurden keine Allgemeinverbindlicherklärungen ausgesprochen.

199

Von Allgemeinverbindlicherklärungen erfasste Arbeitgeber und Arbeitnehmer

1942-1953 Tabelle 6 Arbeitnehmer

Arbeitgeber Zeitpunkt

davon Aussenseiter

Insgesamt

absolut

Insgesamt

in %

davon Aussenseiter absolut

in%

9500 28000 36250

2000 9400 11750

51 900 67700 53100 80150 101 650 107 050 105 800 73700 93150

17700 23 700 21 550 39000 47000 48950 48400 32000 45 800

21 34 32 34 35 41 49 46 46 46 43 49

15000 21250 10600 1650 2550 10200 10400 9400 11250

51 57 62 26 28 45 42 45 42

Bund 0

Oktober 1942 .

Oktober 1943 .

Oktober 1944. .

Oktober 1945 .

Oktober 1946 .

Oktober 1947 .

Oktober 1948 .

Dezember 1949 Dezember 1950 Dezember 1951 Dezember 1952 Dezember 1953

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

1000 3650 3800 . 5150

3000 11850

12950 18900 24650 15500 31 050 30500 32000 32 200 23700 28150

7350 6000 .

9800 9150 9700 9800 7300 8750

33 31 29 27 30 39 32 30 30 30 31 31

Kantone 1) Oktober 1945 2) Oktober 1946 .

Oktober 1947 .

Oktober 1948 .

Dezember 1949 Dezember 1950 Dezember 1951 Dezember 1952 Dezember 1953

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

10200 14 700 7300 3300 i 4 400 9 250 9500 10000 11100

.

2950 4350 2200 1150 1500 3050 3200 3000 3400

29 30 30 35 34 33 35 30 31

29300 87300 17100 6400 9200 22800 24900 20800 26700

1 ) Da für einzelne Berufe sowohl Landesverträge wie kantonale Zusatz, vertrage allgemeinverbindlich erklärt wurden, ergeben sich Doppelzählungen, weshalb die Zahlen von Bund und Kantonen nicht addiert werden können.

2 ) Für die Jahre 1942 bis 1944 liegen keine Angaben vor.

200

Von Bund und Kantonen ausgesprochene Allgemeinverbindlicherklärungen nach Erwerbszweigen 1942-1953 Tabelle 7 Bund

Erwerbszweige

Schreiner-, Glaser- und Zimmereigewerbe, Möbel-, fabrikation . .

.

. .

. . . .

Coiffeurgewerbe .

. . . .

. . . .

Bekleidung, Ausrüstungsgegenstände Maler- und Gipsergewerbe Kleinhandel Spengler-, Installations- und Zentralheizungsgewerbe Gastgewerbe "Tapezierer- und Tapezierer-Dekorateurgewerbe.

Schlosser-, Eisenbau- und Karosseriegewerbe .

Gärtnergewerbe .

Lederindustrie, Sattler- und Tapezierergewerbe .

Zahntechniker, Krankenpflege Kleiderfärbereien, Reinigungsanstalten . . . .

Dachdeckergewerbe Auto crew erb e Elektro-Installationsgewerbe, Radiotechniker .

Kar t on agenin dus trie Zementwarenindustrie, Ziegeleien, Keramische Industrie Wagner- und Drechslergewerbe, Holzwarenindustrie . . .

.

. .

. . .

Baugewerbe . . .

Marmor- und Granitindustrie, Bildhauer- und Grabmalgewerbe Korbwaren-, Rohrmöbel-, Bürsten- und Pinselindustrie Holzindustrie Goldleisten- und Rahmenfabrikation Teigwarenindustrie . .

. .

Ingenieur- und Architekturbureaux . . .

Schreibmaschinenmechaniker .

Huf- und Wagenschmiedegewerbe Bäcker- und Konditoreigewerbe Kaminfegergewer b e Total

Kantone

Insgesamt

28 13 37 8

87

115 46

21 5 6 16 4 13

2 17 15 2 14 4 16 12

3 13 6 10

33 3 29 33

13 4

9

6 5 5 3

7

9 7

3

6

1 1

6 5 5 3 3 3 2 1 1

302

527

-- 3 3

2 ·

225

23 22 21 18 18 17 16 15 13 13 10 10 9

9 3

40 37 33

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über den Gesamtarbeitsvertrag und dessen Allgemeinverbindlichkeit (Vom 29. Januar 1954)

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1954

Année Anno Band

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Volume Volume Heft

05

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6552

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

04.02.1954

Date Data Seite

125-200

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