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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zu einem Bundesbeschluss betreffend Erstreckung der Geltungsdauer des Bundesbeschlusses über den Aufschub von Umzugsterminen (Vom 27. August 1954)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Mit Schreiben vom 29. Juni 1954 hat uns der Begierungsrat des Kantons Basel-Stadt ersucht, Ihnen die Verlängerung der Geltungsdauer des Bundesbeschlusses vom 20. März. 1953 über den Aufschub von Umzugstermirien zu beantragen. Dieser Beschluss gilt noch bis 31. Dezember 1954.

Wir beehren,uns, im folgenden zu diesem Begehren Stellung zu nehmen und Ihnen den Entwurf zu einem ihm entsprechenden Bundesbeschluss zu unterbreiten.

.

I·.

Wir erinnern daran, dass der Bundesrat seit 1942 auf Grund seiner ausserordentlichen Vollmachten zunächst einzelne Gemeinden zum Aufschub von Umzugsterminen ermächtigt hat. Am 28. Januar 1944 wurde der Bundesratsbeschluss über den Aufschub von Umzugsterminen erlassen; er wurde am 14. September 1948 ergänzt (BS 10, 961; AS 1948, 973).- Dieses Vollmachtenrecht trat Ende 1952 ausser Kraft.

Es erwies sich dann aber als notwendig und der Bundesrat wurde durch das am 15. Dezember 1952 im Ständerat eingereichte Postulat Häfelin eingeladen, neuerdings gleichartige Bestimmungen aufzustellen. Dies geschah auf Grund des Bundesbeschlusses (Verfassungszusatz) vom 26.1 September 1952 über die befristete Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle durch den Bundesbeschluss vom 20. März 1953 über den Aufschub von.Umzugsterminen

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(vgl. Botschaft in BEI 1953, I, 514 ff.; AS 1953, 149). Dieser Bundesbeschluss musate dringlich erklärt werden ; er unterstand dem nachträglichen, fakultativen Eeferendum im Sinne von Art. S9Ws, Abs. 2 BV.

Ober die Handhabung des Bundesratsbeschlusses vom 28. Januar 1944 und des Bundesbeschlusses vom 20. März 1953 orientiert nachstehende Tabelle : Anzahl der Gemeinden, für die Genehmigungen erteilt wurden

Umzugstermine

Auf Grund des BEB vom 28. Januar 1944/14. September 1948

1944 1945 1946

I.April .

I.Mai .

. . .

1. Oktober . . .

1 . November . . . .

übrige Termine . . .

Total

17 5 10 2 10 44

18

4 13 8 11 54

1947

1948

1949 1950

23 38 48 31 12 17 9 18 19 40 33 17 14 14 14 10 16 27 30 24 84 136 134 100

24 13 21 14 27 99

Auf Grund des BB vom 20. März 1953

1951 1952

Ì953

1954*

20 7 15 7 20 69

15 17 10 10 9 61

12 9 1

19

15 13 9 10 66

7 29

* bis Ende August 1954.

Von der Möglichkeit, auf Grund des Bundesbeschlusses vom 20. März 1953 Umzugstermine aufzuschieben, musste der Kanton Z ü r i c h nur noch für die Städte Zürich und Wiuterthur Gebrauch machen.

Der Kanton Bern benötigte im Jahre 1953 die Massnahme je zweimal in 10 Gemeinden (Lengnau bei Biel, Niederbipp, Biel, Brügg, Bolligen, Köniz, Lyss, Nidau, Steffisburg und Uetendorf) und je einmal in ebenfalls 10 Gemeinden (Arch, Lotzwil, Belp, Kehrsatz, Pieterlen, St-Imier, Schupfen, Urtenen, Büegsau und Aegerten) sowie im Jahre 1954 in 8 Gemeinden (Eüegsäu, Niederbipp, Biel, Bolligen, Köniz, Lyss, Nidau und Steffisburg).

Im Kanton L u z e r n war 1953 kein Aufschub erforderlich, dagegen wiederum im Frühjahr 1954 für die Stadt Luzern.

, Im Kanton, Solothurn erwies sich der Aufschub 1953 notwendig: zweimal für Grenchen, Solothurn und Zuchwil, einmal für. Bettlach und Ölten, im Frühjahr 1954., für alle genannten Gemeinden ausser Zuchwil, dagegen auch für Derendingen.

.

, B a s e l - S t a d t , wo das ganze Kantonsgebiet als Einheit behandelt wird; benötigte den Aufschub für sämtliche Frühjahrs-, Sommer- und Herbsttermine der Jahre 1958 ;wie 1954..

.

;, .

... Im Kanton .Basel-Landschaft musste den Gemeinden Allschwil, Binningen, Birsfelden und Pratteln regelniässig der Aufschub bewilligt werden.

Die Stadt St. Gallen wurde seit 1953 zum Aufschub sämtlicher ordent!

licher Quartalstermine ermächtigt; · · ' . . .

339 Im Kanton N é u e n b u r g musate der Aufschub gewährt:werden: La Ghauxde-Fonds je für den 1. Mai 1953 und 1954; Le Lode für den 1. Mai und den 24. September 1953 sowie für den 1. Mai 1954; der Stadt Neuenburg für den 24. Juni und den 24. September 1953.

II.

Wir haben, in. unserer Botschaft vom 20. Februar 1953 davor gewarnt, sich auf eine Erneuerung des Bundesbeschlusses verlassen zu wollen (BB11953, I, 520), und wir hegten die bestimmte Erwartung, dass man nach Ablauf der Geltungsdauer des Bundesbeschlusses ohne den schweren Eingriff in das ordentliche Eecht auskommen werde, den wir damals nicht ohne Bedenken vorgeschlagen haben.

Der Eegierungsrat von B a s e l - S t a d t führt nun in seinem Gesuch aus, dass die Hoffnung, der Wohnungsmangel möchte bis Ende 1954 behoben sein, nicht in Erfüllung gegangen ist; die Lage auf dem Wohnungsmarkt sei immer noch prekär. Der Leerwohnungsbestand machte im Oktober 1953 nur noch 0,04 Prozent aus gegenüber 0,07 Prozent im Oktober 1952. Der Wohnungszuwachs betrug 1953 = 1720; für 1954 wird mit 2000 neuen Wohnungen gerechnet, was aber nach den Berechnungen des kantonalen Statistischen Amtes nicht ausreichen wird, um wesentlich mehr als den laufenden Jahresbedarf zu decken. Es wird bestimmt auch für die Jahre 1955 und 1956 mit einem fühlbaren Wohnungsmangel gerechnet. Aus dem Gesuch wiederholen wir folgende Ziffern: 1953: April Juli Oktober 1954: April Juli . . . .

;

.

Gesuche um Aufschub

erteilte Bewilligungen

189 102 251 158 125

151 79 185 124 107

Aus staatlichen Mitteln hat Basel allein in den Jahren 1953 und 1954 mit einem Kostenaufwand von 11 485 000 Franken für Minderbemittelte 356 Wohnungen erstellt.

Wir haben den übrigen Kantonen, in denen seit 1953 noch Umzugstermine aufgeschoben wurden, Gelegenheit gegeben, sich bis Ende ' Juli dieses Jahres zum Antrag des Kantons Basel-Stadt zu äussern.

Zürich, St.Gallen und Neueiiburg unterstützen das Gesuch; Basel-Landschaft befürwortet lediglich eine Verlängerung um ein Jahr.

Der Eegierungsrat des Kantons Zürich weist darauf hin, dass die Städte Zürich und Winterthur ohne den Aufschub noch nicht auskommen, weil die vorhandenen Notwohnungen jeweileh nicht ausreichen, um alle von Obdach· losigkeit bedrohten Familien unterzubringen und dass die Schwierigkeit, diesen durchwegs Minderbemittelten eine Unterkunft zu tragbarem Mietzins zur Verfügung zu stellen, weiterhin anhalten wird.

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Nach der erhaltenen Auskunft standen in der Stadt St.Gallen im Juli 1954 nur drei Wohnungen leer, was einem Leerwohnungsbestand von 0,014 Prozent entspricht, während gleichzeitig 53 Familien mit 190 Personen, wovon 71 Kinder, als von Obdachlosigkeit bedroht angemeldet waren. Die Eegierung schreibt, es fehle an einfachen, gesunden Wohnungen, und die Lage werde von.

Tag zu Tag verschärft, «weil laufend alte Häuser mit guten Wohnungen abgerissen und durch teure Wohnungen ersetzt oder weil zahlreiche Altwohnungen in möblierte Einzelzimmer umgewandelt oder auch etwa zu Geschäftszwecken vermietet werden».

Die Eegierung von B a s e l - L a n d s c h a f t meldet, dass von den angefragten Gemeinden, mit Ausnahme von zweien, alle die Aufschubmöglichkeit noch als unentbehrlich erklären.

Laut Bericht des Justizdepartementes des Kantons Neuenburg bezeichnen die Stadt Neuenburg sowie Le Lode und La Chaux-de-Fonds den Aufschub als unentbehrliches Mittel, Obdachlosigkeit zu verhüten. Z. B. La Chaux-deFonds zählte Mitte Juni 1954 noch 526 Wohnungssuchende, von denen 56 sich in gekündigten Wohnungen befinden. Es wird insbesondere auch auf den Mangel an Mietobjekten zu bescheidenen Zinsen hingewiesen.

Wir fügen zur Illustration auszugsweise noch einige Zahlen der von Obdachlosigkeit Bedrohten an, wie sie den Gesuchen zu entnehmen waren.

Gebinde

Zürich

Umzugstermin

.

Winterthur. . . . . . .

Biel

Lyss

Luzern St.Gallen

La Chaux-de-Fonds . . .

Le Locle Grenchen

1. 4.1953 1.10.1953 1. 4.1954 1.10.1953 1. 4.1954 1.5.1953 1.11.1958 1. 5.1954 1. 5.1953 1.11.1953 1. 5.1954 15. 3.1954 1. 5.1953 1.10.1953 1. 5.1954 1.5.1954 1. 5.1954 1. 4.1953 1.10.1953 1.' 4.1954

120 über 100 131 21 43 50 60 50 17 10 8 6 36 46 69 35 14 35 -- 64

-- -- -- 82 159 -- -- -- 50 32 31 29 -- -- -- 113 46 -- 48 228

341 Gemeinde

Solothurn. .

Birsfelden .

Binningen Allschwil

usw.

Umzugstermin

1. 4.1953 1.10.1953 1. 4.1954 1. 4.1953 1. 4.1958 1.4.1954 · !.. 4.1953 1.10.1953 1. : 4.1954 ,

.'

:

18 -- -- 6 14 9 7 11 16 usw.

-- 41 81 35 40 23 , 35 49 usw.

III.

Das Justizdepartement des Kantons Solothurn erklärt, möglicherweise würden die Gemeinden auch ohne Aufschub auskommen, wenn er vom Bunde nicht mehr gewährt würde.

!

· Bern spricht sich entschieden gegen die Verlängerung aus. Der Begierungsrat dieses Kantons kommt in seinem Schreiben vom 27. Juli 1954 zum Schlüsse: «Mit der Nicht-Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Bundesbeschlusses über denAufschub von Umzugsterminen bietet sich die Möglichkeit, einenSchritt zur Bückkehr zur normalen Bechtsordnung zu tun, die nicht unbenutzt bleiben sollte». Die Zahl der Einsprachen gegen Kündigungen ist im Kanton Bern in der Zeit vom 1. Januar bis 20. Juli 1954 im allgemeinen zurückgegangen, so z.B.

in Biel, das sonst verhältnismässig am meisten unter Wohnungsnot litt, um 15 Prozent, woraus auf eine leichte, fortschreitende Entspannung der Wohnungsmarktlage geschlossen wird. Ferner wird von der Berner Regierung festgehalten, dass im Frühjahr 1953 noch 18 Gemeinden zum Aufschub des Umzugstermins ermächtigt werden mussten im Herbst 1953 noch 12 und im Frühling 1954 nur noch 8 Gemeinden.

: Das Justizdepartement des Kantons Luzern liess uns wissen, eine Bückfrage bei den Gemeinderäten der grossen Vorortsgemeinden von Luzern habe ergeben, dass sie die Weiterführung der Aufschubmöglichkeit von Umzugsterminen nicht mehr als notwendig erachten. Das kantonale Justizdepartement erachtet deshalb die Weiterfuhrung des Bundesbeschlusses für den Kanton Luzern «nicht als unmittelbar notwendig».

Die Lage auf dem Wohnungsmarkt und die Gefahr von Obdachlosigkeit sind zweifellos nicht nur Fragen des Wohnraumes, sondern nicht weniger Probleme des Preises, wie dies auch aus den erwähnten Vernehmlassungen hervorgeht. Dass der Aufschub von Umzugsterminen keine neuen Wohnungen schafft, wie wir in der Botschaft von 1953 (BEI 1953, I, 519) bemerkten, gilt nach wie vor; ebenso gilt, dass diese Massnahme einen schweren Eingriff in das ordentliche Becht bedeutet. Der Bundesrat verkennt dies keineswegs und

342 .möchte sich daher gerne der vom Begierungsrat des Kantons Bern vertretenen Auffassung anschliessen. Wir zweifeln auch nicht daran, dass diese oder jene Gemeinde auch ohne Aufschub auskäme, wie der Kanton Solothurn sich äusserte.

Dem steht nun aber einwandfrei gegenüber, dass besonders in gewissen Industriegegenden die kommunalen Behörden noch nicht in der Lage wären, an gewissen ordentlichen Umzugsterminen die Obdachlosigkeit besonders der minderbemittelten und kinderreichen Familien zu vermeiden.

Wenn auch mit schweren Bedenken, sehen wir uns daher doch veranlasst, Ihnen den Erlass eines Bundesbeschlusses zu beantragen, durch den die Möglichkeit, Umzugstermine aufzuschieben, auch für die Jahre 1955 und 1956, also bis zum Ablauf der Geltungsdauer des Verfassungszusatzes vom 26. September 1952, geschaffen wird. An den Kantonen' liegt es in erster Linie, durch ihre Praxis den Weg zurück zum ordentlichen Eecht zu weisen; denn Art. l des Bundesbeschlusses vom 20. März 1953 erklärt lediglich, dass die Kantonsregierungen Gemeinden zum Aufschub eines Umzugstermins ermächtigen können. Die kantonalen Eegierungen haben es somit in der Hand, ihren Gemeinden das Mittel des Aufschubs nicht mehr zur Verfügung zu stellen und sie damit zu zwingen, andere Wege zu suchen. Ob und wo sich ein solches Vorgehen gegenüber dieser oder jener Gemeinde rechtfertigen mag, kann nur die mit den einzelnen Verhältnissen vertraute Kantonsregierung entscheiden: Der Entwurf zu einem Bundesbeschluss bedarf keiner näheren Erläuterungen. Wir möchten verhindern, dass er dringlich erklärt werden muss. Da jedoch der Verlängerungsbeschluss auf 1. Januar 1955 in Kraft treten soll, müssen wir Sie bitten, die Vorlage in der bevorstehenden Septembersession zu verabschieden; nur so kann erreicht werden, dass die Referendumsfrist noch im Jahr 1954 ablaufen wird.

Wir empfehlen Ihnen den vorgelegten Bundesbeschluss zur Annahme und versichern Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 27. August 1954.

Im Namen des schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Rubattel 1766

,

Der Bundeskanzler: Ch. Oser

343 (Entwurf)

.

Bundesbeschluss betreffend

Erstreckung der Geltungsdauer des Bundesbeschlusses über den Aufschub von Umzugsterminen

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 1. Absatz l, des Bundesbeschlusses vom 26. September 1952 über die befristete Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 27. August 1954, beschliesst:

Art. l Die Geltungsdauer des Bundesbeschlusses vom 20.März 1953 über den Aufschub von Umzugsterminen1 wird bis zum 31. Dezember 1956 erstreckt.

:

Art. 2

Dieser Beschluss tritt am 1. Januar 1955 in Kraft.

Der Bundesrat wird beauftragt, diesen Beschluss gemäss dem Bundesgesetz vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen.

.

1) AS 1953, 149.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zu einem Bundesbeschluss betreffend Erstreckung der Geltungsdauer des Bundesbeschlusses über den Aufschub von Umzugsterminen (Vom 27. August 1954)

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1954

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

02.09.1954

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