836

# S T #

6742

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Fortführung der ausserordentlichen Leistungen an Auslandschweizer (Vom 2. November 1954)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Mit, dem Bundesbeschhiss über ausserordentliche Leistungen an Auslandschweizer, vom 17. Oktober 1946, wurde der Bundesrat beauftragt, den im Ausland verbliebenen oder in die Heimat zurückgekehrten, unverschuldet in Not geratenen Schweizerbürgern durch ausserordentliche Leistungen beizustehen, sofern die Notlage durch den letzten Weltkrieg oder durch politische oder wirtschaftliche Massnahmen ausländischer Behörden verursacht worden ist. Der Gesamtaufwand des Bundes hiefür wurde mit 75 Millionen Franken begrenzt. Diese Mittel werden bis Ende 1954 ausgeschöpft sein.

Die Fürsorge nach dem Bundesbeschluss von 1946 wäre aufgegangen in der beträchtlich erweiterten Sozialhilfe, die durch den Bundesbeschluss vom 23. Dezember 1953 über ausserordentliche Hilfeleistungen an kriegsgeschädigte Auslandschweizer hätte ermöglicht werden sollen. Dieser Bundesbeschluss ist aber in der Volksabstimmung vom 20. Juni 1954 verworfen worden. Heute stellt sich daher die Frage, ob die Leistungen auf Grund des Bundesbeschlusses von 1946 mit Ende des Jahres 1954 aufhören oder ob zu ihrer Fortsetzung neue Mittel bereitgestellt werden sollen.

In unserer Botschaft vom 27. März 1953 haben wir hervorgehoben, dass die Lebens- und Einkommensverhältnisse zahlreicher Auslandschweizer noch als prekär bezeichnet werden müssten; zahlreich seien die Fälle, in denen das Einkommen ohne ihr Verschulden so schmal geblieben sei, dass weitere Unterstützung mehr oder weniger fortlaufend gewährt werden müsse. Das hat sich inzwischen noch nicht wesentlich geändert. Ein Überblick über die Leistungen des Bundes in den letzten Jahren wird dies verdeutlichen:

837

Die G e s a m t a u f w e n d u n g e n der Eidgenössischen Zentralstelle für Auslandschweizerfragen beliefen sich netto auf: 1946-1949 53 990 929 Franken 1950 6018158 » ' 1951 3 975 222 » 1952 3 612 837 » 1953 4243093 » 1954 werden sie voraussichtlich 5 000 000 Pranken übersteigen. (Aus Darlehen werden über 2 Millionen Pranken an den Bund zurückfliessen.)

Die kollektive Hilfe an die Landsleute im Ausland, d. h. die Lieferungen namentlich von Lebensrnitteln, Kleidern und Schuhen, Medikamenten, konnte allerdings seit 1951 erheblich eingeschränkt werden. Der Aufwand hiefür machte aus: 1951 519 000 Pranken 1952 .

286 000 » 1953 ; 197000 » Für 1954 ist noch mit etwa 180 000 Pranken zu rechnen.

Demgegenüber nimmt die Zahl der einzelnen Unterstützungsfälle im Auslande eher wieder etwas zu. Namentlich ältere Landsleute, die bisher aus eigener Kraft über die durch den Krieg erlittene Beeinträchtigung hinwegzukommen vermochten, haben mehr und mehr Schwierigkeiten. Auch sonst werden immer noch neue Fälle von infolge des Krieges hilfebedürftig gewordenen Landsleuten bekannt. Teuerung und Devisenkursschwankungen sind ebenfalls spürbar.

Für Einzelunterstützungen im Ausland wurden ausgegeben: 1951 in 1510 Fällen 780 000 Franken 1952 in 1158 Fällen 720 000 » 1953, in 1274 Fallen 1130000 » 1954 werden es voraussichtlich etwa l 400 000 Franken sein.

Die Bückwanderung von Auslandschweizern in die Heimat hängt nach wie vor stark ab von der Entwicklung der wirtschaftlichen und politischen Lage in den Aufenthaltsstaaten. 1951 wurden der Zentralstelle 423 neue Bückwanderer gemeldet, 1952 bloss 283, 1953 wieder 738; 1954 waren es bis Ende August nur 89. Fast alle Bückwanderer haben anfänglich materielle Hilfe nötig; viele mussten Hab und Gut am früheren Wohnort zurücklassen. Sie haben namentlich, Kleider und Wäsche, Hausrat und Mobiliar nötig.

Bei den Bückwanderern aus früheren Jahren macht sich deutlich bemerkbar, dass viele in: der Schweiz nicht im angestammten Beruf Arbeit finden konnten, sondern vorerst lediglich als Hilfsarbeiter in Industrie und Gewerbe ; sie werden daher auch schon von geringen Schwankungen: des Arbeitsmarktes

838 getroffen. Mancher findet sich auf die Dauer mit dieser Stellung nicht ab, sondern strebt in begreiflicher und anerkennenswerter Weise wieder nach einer Beschäftigung, die der im Ausland ausgeübten nahekommt. Deshalb haben, besonders die Darlehen zur Gründung einer selbständigen Existenz zugenommen.

Zahlreich sind ferner die Hilfsgesuche für Eückwanderer, denen die Zentralstelle zwar früher schon geholfen hat, die aber ihr Auskommen nicht genügend haben festigen können, um auch nur geringen Rückschlägen, wie, Krankheitsfällen in der Familie, zu begegnen. Schliesslich werden auch immer mehr Eückwanderer, die bisher den Lebensunterhalt noch aus eigener Arbeit zu bestreiten vermochten, wegen vorgerückten Alters hilfebedürftig. Die A u f w e n d u n g e n für die Eückwanderer haben deshalb wieder zugenommen: 1951 2 255 000 Franken 1952 2483000 » 1953 . 2332000 » 1954 voraussichtlich rund 3 500 000 Franken. , An Darlehen für Existenzgründungen wurden ausgerichtet: 1951 in 101 Fällen 909 000 Franken 1952 in 118 Fällen 911000 » 1953 in 159 Fällen 1356000 » 1954 voraussichtlich etwa l 260 000 Franken.

Erwähnt sei noch die Aktion zur Schul- und Berufsausbildung junger Auslandschweizer, die seit einigen Jahren gemeinsam mit der Konferenz für Bückwandererhilfe durchgeführt wurde: Jährlich wurden etwa 40-60 Söhnen und Töchtern von Landsleuten im Auslande schweizerische Lehrstellen vermittelt oder kürzere oder längere Besuche schweizerischer Schulen ermöglicht. Auf diese Weise kann der Nachwuchs der Auslandschweizer mit Land und Volk, mit schweizerischem Wesen und Schaffen besonders wirksam vertraut gemacht werden. Der Kostenanteil des Bundes betrug im Einzelfall durchschnittlich rund 2000 Franken.

Der Bundesbeschluss von 1946 wurde gefasst im Zeichen der Solidarität der Heimat mit dem vom Kriege schwer betroffenen Auslandschweizertum. Not sollte igelindert, die Gefahr der Armengenössigkeit von den im Ausland unver- · schuldet in Bedrängnis geratenen Landsleuten abgewendet werden. Was auf Grund des Bundesbeschlusses getan werden konnte, ist zweifellos beachtlich; in vielen Einzelfällen war es segensreich. Die Entwicklung der Arbeit der Eidgenössischen Zentralstelle für Auslandschweizerfragen zeigt indessen, dass das Werk noch nicht als beendet bezeichnet werden kann. Wir glauben, dass es



·

'

839

nicht wohl verantwortet werden könnte, diese, Hilfstätigkeit mit Ende des laufenden Jahres einfach abzubrechen. Davon würden besonders hart die Auslandschweizer getroffen, die wegen Alters oder aus gesundheitlichen Gründen auf Hilfe angewiesen sind und der Armenfürsorge anheimfallen müssten.

Aus diesen Erwägungen schlagen wir vor, zu dem,in Artikel 4, Absatz l, des Bundesbeschlusses vom 17. Oktober 1946 festgesetzten Betrag von 75 Millionen Franken zusätzlich weitere Mittel zur Verfügung zu stellen, ohne deren Gesamtbetrag näher zu bezeichnen. Das wird erlauben, die bisherige Hilfe einstweilen fortzusetzen, ohne jedoch deren Dauer zu präjudizieren.

Der als nicht allgemein verbindlich bezeichnete Bundesbeschluss vorn 17. Oktober 1946 bleibt im übrigen inhaltlich unverändert; es wird lediglich die Höchstgrenze für den Gesamtaufwand des Bundes aufgehoben. Es läge vielleicht nahe, auch dafür die Form des nicht allgemein verbindlichen Bundesbeschlusses zu wählen. In Anbetracht des verwerfenden Ergebnisses der Volksabstimmung vom 20. Juni 1954 über eine erweiterte Auslandschweizerhilfe sind wir aber der Atiffassung, dass déni Schweizervolk die Möglichkeit der direkten Stellungnahme zu wahren und der ihnen im Entwurf vorliegende Bundesbeschluss dem fakultativen Referendum zu unterstellen sei.

Dies hätte jedoch zur Folge, dass die Hilfe an die Auslandschweizer vom Beginn des Jahres 1955 bis zum Ablauf der Referendumsfrist, eventuell bis zur Volksabstimmung, mangels weiterer Mittel eingestellt bliebe. Auch wenn eine Volksabstimmung nicht verlangt würde, entstände ein Unterbruch, der gerade diejenigen Auslandschweizer am härtesten träfe, die eine andauernde Hilfe am nötigsten haben. Das muss vermieden werden. Wir haben deshalb in den Staatsvoranschlag für das Jahr 1955 ein Begehren für einen Kredit aufgenommen, der es erlaubt, die Zeit bis zum anfälligen Inkrafttreten des vorliegenden Beschlusses zu überbrücken.

: Schliesslich sei erwähnt, dass die gegenwärtige Vorlage lediglich die Weiterführung der Hilfe bei ausgesprochener materieller Not zum Gegenstand hat.

Offen bleibt die Frage, ob den kriegsgeschädigten Schweizerbürgern noch Zuwendungen gemacht werden sollen, die über das hinausgehen, was der Bundesbeschluss von 1946 vorsah. Der Bundesrat ist noch nicht in der Lage, sich dazu naher zu äussern. Er
kann nur seine Antwort vom 1. Oktober 1954 auf die Motion Vontobel vom 23. September 1953 und auf die Interpellation Schmid (Zürich) vom 22, Juni 1954 bestätigen, mit der er seine Bereitschaft erklärte, diese Frage zu prüfen. Eine solche Untersuchung braucht erfahrungsgemäss um so mehr Zeit, als die schweizerischen Opfer des zweiten Weltkrieges von sehr verschiedenartigen Schäden betroffen wurden. Zu berücksichtigen wäre ferner, inwieweit einzelnen Gruppen von Geschädigten bereits gewisse Leistungen seitens des Auslandes zugekommen sind oder, in dieser oder jener Weise, noch zukommen; es wird sich dabei allerdings nur um einen sehr begrenzten Kreis handeln. Nach Auffassung des Bundesrates müsste eine weitere Aktion des Bundes diesen Umständen und Verschiedenheiten Rechnung tragen. Der

840

Bundesrat wird die bereits eingeleiteten Abklärungen fortführen. Er behält sich vor, den eidgenössischen Bäten hierüber zu gegebener Zeit Bericht und Antrag zu stellen.

Wir empfehlen Ihnen den nachstehenden Beschlussesentwurf zur Annahme und benützen den Anlass, Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 2. November 1954.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Rubatici Der Bundeskanzler: Ch. Oser

841 (Entwurf)

Bundesbeschluss über

die Fortführung der ausserordentlichen Leistungen an Auslandschweizer Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 2. November 1954, beschliesst: Art. l · ; Die Hilfe an Auslandschweizer wird nach den Bestimmungen des Bundesbeschlusses vom 17. Oktober 1946 über ausserordentliche Leistungen an Auslandschweizer weiterhin ausgerichtet.

Die hiefür erforderlichen Mittel sind jeweilen in den Voranschlag der Eidgenossenschaft einzustellen.

Die Absätze l und 5 des Artikels 4 des Bundesbeschlusses vom 17. Oktober 1946 über ausserordentliche Leistungen an Auslandschweizer werden aufgehoben.

; ; . .. ' Art. 2 ' Der Bundesrat wird, gemäss den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntgabe dieses Beschlusses veranlassen und den Zeitpunkt des Inkrafttretens festsetzen.

1850

Bundesblatt. 106. Jahrg. Bd. II.

:

Gl

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Fortführung der ausserordentlichen Leistungen an Auslandschweizer (Vom 2. November 1954)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1954

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

44

Cahier Numero Geschäftsnummer

6742

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

04.11.1954

Date Data Seite

836-841

Page Pagina Ref. No

10 038 817

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.