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Bundesblatte 106. Jahrgang

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Bern, den 29. Juli 1954

Band II

Erscheint wöchentlich. Preis 3O Franken im Jahr, 16 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr : 50 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an Stampili & de. in Bern

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren zum Schutze der Mieter und Konsumenten (Vom 20. Juli 1954) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Am 16. Februar 1954 hat der Schweizerische Gewerkschaftsbund der Bundeskanzlei ein Volksbegehren zum Schutze der Mieter und Konsumenten mit 202 549 gültigen Unterschriften eingereicht. Der Nationalrät hat am. 19. März 1954 und der Ständerat am 25. März 1954 von unserem Bericht vom 12. März 1954 über das Zustandekommen des Volksbegehrens (BEI 1954, I 477) Kenntnis genommen und uns eingeladen, in der Sache Bericht zu erstatten und Antrag zu stellen. Wir beehren uns, diesem Auftrag hiemit nachzukommen.

I. Wortlaut der Initiative Das Volksbegehren hat folgenden Wortlaut:

'

:

.

Die unterzeichneten stimmberechtigten Schweizerbürger verlangen die Ergänzung der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft durch folgenden Zusatz :

Art. l Der Bund trifft im Rahmen der nachfolgenden Bestimmungen Massnahmen zur Sicherung der Kaufkraft und zum Schutze gegen die Teuerung.

Art. 2 Die Preise und Margen für Waren, industrielle und gewerbliche Leistungen sowie die Miet- und Pachtzinse sind zu überwachen.

Bundesblatt. 106. Jahrg. Bd. II.

13

170 Art. 3 Treten erhebliche Störungen in den Marktverhältnissen ein oder wird die Preisbildung durch staatliche Schutzmassnahmen beeinüusst, so sind zur Verhinderung unangemessener Preise und Margen von für das Inland bestimmten Waren sowie gewerblichen und industriellen Leistungen Höchstpreisvorschriften zu erlassen und nötigenfalls Preisausgleichsmassnahmen zu treffen.

Art. 4 Die Mietzinse der Wohnungen und Geschäftsräume dürfen ohne behördliche Genehmigung nicht über den am 31. Dezember 1953 zulässigen Stand erhöht werden.

Von der Mietzinskontrolle ausgenommen sind die nach dem 31. Dezember 1948 bezugsbereit gewordenen Neubauten sowie die möblierten Einzelzimmer und Ferienwohnungen.

, Art. 5 Die Mietzinse dürfen nicht höher festgesetzt werden, als zur Deckung der normalen Hausbesitzlasten, zu einer angemessenen Verzinsung des in. der Liegenschaft investierten Kapitals und der seitherigen wertvermehrenden Verbesserungen erforderlich ist. Dabei sind bei vor dem Jahre 1940 errichteten Bauten der Vorkriegswert, bei später errichteten die brancheüblichen Erstellungskosten einzusetzen.

Art. 6 Die Mietzinskontrolle kann schrittweise abgebaut werden, wenn ein nach Wohnungsgrösse und Preislage genügender Leerbestand an Mietobjekten vorhanden ist.

Zeitpunkt und Ausmass der Lockerung sind so zu wählen, dass die Lebenshaltungskosten und Einkommensverhältnisse nicht nachteilig beeinflusst werden.

Art. 7 Zum. Schutze der Mieter ist das Kündigungsrecht einzuschränken.

Der Pachtzins für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke bedarf der behördlichen Genehmigung: a. wenn der am 81. Dezember 1953 geltende Stand erhöht werden soll; b. wenn Grundstücke seit dem 31. Dezember 1953. erstmals verpachtet werden.

Art. 9 Der Bundesrat erlässt die erforderlichen Ausführungsvorschriften.

Die Kantone und Wirtschaftsverbände können zur Mitarbeit herangezogen werden.

3 Auf dem Gebiet der Miet- und Pachtzihskontrolle können einzelne Befugnisse an die Kantone übertragen werden.

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Art. 10 Die vorstehenden Bestimmungen treten am 1. Januar 1955 in Kraft und gelten bis 31. Dezember 1960.

Dieser deutsche Urtext ist für das Zustandekommen der Initiative massgebend.

171

II. Die Entwicklung der Preiskontrolle unter dem geltenden Verfassungszusatz In unserer Botschaft an die Bundesversammlung vom 2. Mai 1952 betreffend die befristete Weiterführung der Preiskontrolle haben wir unter dem Titel «Der Übergang von der kriegswirtschaftlichen Preiskontrolle zur Preisüberwachung» (BEI 1952, II, 71-74) über die schon im Eahmen des Kriegswirtschaftsrechts vorgenommenen Lockerungen der Preiskontrolle berichtet. Den damaligen Bereich der eigentlichen Preisreglementierung umschrieben M'ir hier (73) wie folgt: Heute werden nur noch auf wenigen Gebieten Preise festgesetzt. Es handelt sich, hier zur Hauptsache um die Miet- und Pachtzinse, flüssige Brenn- und Treibstoffe, Hausbrandkohle, Elektrizität, Pichten- und Tannenholz, Lagerhaus- und Umschlagstarife und um einige wesentliche Nahrungsmittel, deren Preise durch staatliche Schutzmassnahmen beeinflusst werden, nämlich um Brot, Mehl, Milch und Milchprodukte sowie einfuhrgeschützte Früchte, Gemüse, Kartoffeln und Eier.

Im Bericht über unsere Geschäftsführung im Jahre 1952 konnten wir Sie dann auch noch über die im September 1952 erfolgte Entlassung der Lagerhausund Umschlagstarife und der Holzpreise aus der Preiskontrolle orientieren.

Der Verfassungszusatz über die befristete Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle trat am I.Januar 1958 in Kraft. Gemäss der Übergangsbestimmung in seinem Artikel 3, Absatz ,1, blieben die kriegswirtschaftlichen Höchstpreisvorschriften längstens bis zum 31. Dezember 1953 in Geltung. Die Preiskpntrollstelle konnte im Verlaufe des Jahres 1953 verschiedene Höchstpreisvorschriften aufheben, so diejenigen für Hausbrandkohle mit Wirkung ab 1. April 1953, für Heizöle auf den 30. April 1953 und für die übrigen flüssigen Treib- und Brennstoffe, also auch für Autobenzin, am 19. Dezember 1953. Am 30. April 1953 wurde auch die Preisbildung für elektrische Energie freigegeben.

Andere Bestimmungen traten am 31. Dezember 1953 wegen des Dahinfallens der Eechtsgrundlage ausser Kraft.

' ', Seit dem 1. Januar 1953 wird die Zuständigkeit des Bundes in Artikel l des Verfassungszusatzes über die befristete Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle umschrieben. Danach kann der Bund «Vorschriften erlassen über Miet- und Pachtzinse sowie zum Schutze der Mieter». «Er kann ferner für Waren, die für das Inland bestimmt sind und deren Preisbildung durch Schutzmassnahmen, wie insbesondere durch Einfuhrbeschränkungen oder damit verbundene Zollzuschläge, sowie durch Hilfsmassnahmen des Bundes beeinflusst wird, Höchstpreisvorschriften erlassen und Preisausgleichsmassnahmen treffen.» Von diesen Kompetenzen wurde durch den Erlass des Bundesbeschlusses vom 10. Juni 1953 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle Gebrauch gemacht. Dieser sieht die Weiterführung und stufenweise Lockerung der Mietzinskontrolle, die Weiterführung der Pachtzinskontrolle und der Preisausgleichskasse für Eier und Eiprodukte, ferner die Weiterführung der Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte vor, deren allmähliche Bückbildung anzustreben ist. Für die geschützten Warenpreise ausserhalb des

172 Bereichs der Preisausgleichskassen sollen Höchstpreis- und Margenvorschriften nur erlassen werden, wenn eine gerechtfertigte Preisbildung nicht auf andere.

Weise ohne Beeinträchtigung eines angemessenen Schutzes erreicht werden kann. Seit I.Januar 1954 wurde denn auch von der Zuständigkeit des Bundes zur Eeglementierung dieser Preise nur in zurückhaltender Weise Gebrauch gemacht. Es ergingen der Bundesratsbeschluss vom 26. März 1954 über die Preisgestaltung für in- und ausländische Saat- und Speisekartoffeln (AS 1954, 471) und die Ausführungsverfügungen der Eidgenössischen Preiskontrollstelle dazu (AS 1954, 472 und 475), sodann die Verfügung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vom 4. Juni 1954 betreffend Preise für Erdbeeren (AS 1954, 681). Ferner wird'im Juli 1954 eine Verfügung betreffend Preise für Aprikosen zu erlassen sein. Dazu kommen dann noch die im Hinblick auf eine Übernahmepflicht der Importeure festgesetzten Übernahmepreise. Als einschlägige Erlasse sind bis jetzt zu nennen: die Verfügungen des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vom 17. Februar 1954 betreffend den Übernahmepreis für Walliser Kanada-Beinetten (AS 1954, 376), vom 4. Mai 1954 betreffend die Übernahme von Walliser-Spargeln (AS 1954, 555) und vom 26. Juni 1954 betreffend die Übernahmepreise für Tessiner-Bohnen (AS 1954, 666), ferner die gleichbetitelte Verfügung der Eidgenössischen Preiskontrollstelle vom 2. Juli 1954 (AS 1954, 670).

Auch der sachliche Geltungsbereich der Vorschriften über die Mietzinskontrolle ist seit dem Inkrafttreten des geltenden Verfassungszusatzes weiter eingeschränkt worden, nachdem die Mietzinse der möblierten Einzelzimmer und Ferienwohnungen bereits durch die Verfügung der Eidgenössischen Preiskontrollstelle vom 7. September 1950 über Mietzinse für möblierte Einzelzimmer und Ferienwohnungen freigegeben worden waren. Der Bundesbeschluss vom 10. Juni 1953 (Art. 2, Abs. 2) nahm die nach dem 31. Dezember 1946 bezugsbereit gewordenen Neubauten von der Mietzinskontrolle aus.

Durch unsere Verordnung vom 30. Dezember 1953 über die Mietzinskontrolle und die Beschränkung des Kündigungsrechts (Art. 2, lit.c und d) wurden dann auch noch die nicht überbauten Grundstücke mit Ausnahme des Pflanzlandes und die nicht zusammen mit einer anderen unbeweglichen Sache vermieteten Einstellräumen
für Motorfahrzeuge (Garagen) aus der Mietzinskontrolle entlassen.

Angesichts der Verringerung der Aufgaben der Preiskontrollstelle war eine beträchtliche Verkleinerung ihres Personalbestandes möglich. Hierüber geben die folgenden Zahlen Auskunft: Zeitpunkt

Personalbestand

I.Januar 1952 I.Juli 1952. . .

78 74

I.Januar 1953 I.Juli 1953 I.Januar 1954 und seither.

59 50 42

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III. Inhalt und Auswirkungen des Volksbegehrens Die Initianten erstreben sowohl eine Ausdehnung und Verschärfung, als auch eine Verlängerung der Preiskontrolle, wie sie im Verfassungszusatz über die befristete Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle und im Bundesbeschluss vom 10. Juni 1953 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle vorgesehen ist. Damit sind die Gesichtspunkte für die Prüfung des vorgeschlagenen neuen Verfassungszusatzes gegeben. Es sind zunächst die von den Initianten befürworteten Änderungen des gegenwärtig geltenden Rechts zu würdigen (A). Sodann ist auf die Frage der Weiterführung der Preiskontrolle über den 31. Dezember 1956 hinaus einzutreten (B).

A. Die Tragweite der vorgeschlagenen Neuerungen

Die Initiative verlangt sowohl eine neue Umschreibung der Z u s t ä n d i g keit des Bundes, als auch für die Ausübung der Bundeskompetenz eine von der normalen verfassungsmässigen Regelung abweichende Form der Rechts- Setzung.

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1. Die Bundeskompelenz a. Das von,:den Initianten angestrebte Recht und die geltende Regelung sollen zunächst unter dem Gesichtspunkt des Zweckes der Bundeskompetenz verglichen werden. Dies deshalb, weil die Angabe des Zwecks einer Zuständigkeit einen wichtigen Anhaltspunkt für deren Schranken liefert. Nach dem Text des Volksbegehrens soll die vorgeschlagene Bundeskompetenz «zur Sicherung der Kaufkraft und zum Schutze gegen die Teuerung» dienen. Demgegenüber nennt der Ingress des geltenden Verfassungszusatzes als massgebend die «Absicht, allfällige volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen der Aufhebung der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates auf die Kosten der Lebenshaltung zu vermeiden». Der Ingress des Bundesbeschlusses vom 10. Juni 1958 spricht kürzer von «der Absicht, volkswirtschaftliche Störungen oder soziale Härten zu vermeiden». Es ist unverkennbar, dass in der von den Initianten befürworteten Umschreibung des Zwecks der Preiskontrolle der Wille zu ihrer Verschärfung einen sehr prägnanten Ausdrück gefunden hat.

Wenn auch zugegeben werden muss, dass die im Volksbegehren gewählte Formulierung den zuständigen Behörden einen gewissen engen Spielraum des Ermessens lässt und keineswegs jede Erhöhung von Preisen und Mietzinsen von vornherein auszuschliessen braucht, so kann doch der schärfere und umfassendere Charakter der von den Initianten der Preiskontrolle zugedachten Funktion nicht übersehen werden. Es ist eben nicht das gleiche, ob sich der Staat für die « Sicherung der Kaufkraft» einsetzt bzw. «Schutz gegen die Teuerung» gewährt, oder ob er lediglich «volkswirtschaftliche Störungen oder soziale Härten zu vermeiden» sucht, wenn es auch recht schwierig sein mag, im einzelnen genau anzugeben, wo die Grenze zwischen dem für das geltende Recht massgebenden Zweck und demjenigen des vorgeschlagenen neuen Verfassungs-

174 Zusatzes liegt. Innerhalb des letzteren hat man es wohl mit zwei Formulierungen («Sicherung der Kaufkraft» einerseits und «Schutz gegen die Teuerung» anderseits) zu tun, die aber ein und dasselbe bedeuten.

Hervorzuheben ist nicht nur der Unterschied in der Formulierung des Zweckes im geltenden Recht und der Initiative, sondern auch deren vom Bundesbeschluss vom 10. Juni 1953 abweichende Z i e l s e t z u n g . Während nämlich das gegenwärtig in Kraft befindliche Recht vom Gedanken des schrittweisen Abbaues der Preiskontrolle beherrscht ist, erstrebt das Volksbegehren ihre Weiterführung und Ausweitung.

b. Der sachliche Geltungsbereich der Preiskontrolle ist nach dem vorgeschlagenen Text sehr umfassend. Im einzelnen ist diesbezüglich folgendes zu beachten: Der geltende Verfassungszusatz ermächtigt den Bund, «für W a r e n , die für das Inland bestimmt sind und deren Preisbildung durch Schutzmassnahmen, wie insbesondere durch Einfuhrbeschränkungen oder damit verbundene Zollzuschläge, sowie durch Hilfsmassnahmen des Bundes beeinflusst wird, Höchstpreisvorschriften zu erlassen und Preisausgleichsmassnahmen zu treffen» (Art. l, Abs. 2). Demgegenüber will die Initiative alle Waren der Preiskontrolle unterstellen, wobei sich allerdings für den Brlass von Höchstpreisvorschriften und die Einführung von Preisausgleichsmassnahmen aus deren weiter unten zu erörternden Voraussetzungen eine nicht unwesentliche Beschränkung ergibt.

Die Preise industrieller und gewerblicher Leistungen sind durch das Ausserkrafttreten des auf den ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates beruhenden Notrechts aus der Preiskontrolle entlassen worden, sollen ihr aber nach dem Willen der Initianten wieder unterstellt werden. Die Verfasser des Volksbegehrens dürften den Begriff dieser Preise so verstehen, wie wir ihn in unserer Botschaft vom 2. Mai 1952 über die befristete Weiterführung der Preiskontrolle (BB1 1952, II, 111) durch die folgenden Ausführungen erläutert haben: Bei den Preisen für gewerbliche und industrielle Leistungen sind zwei Gruppen zu unterscheiden. Im Vordergrund steht die Kategorie von Leistungen, die direkt dem. Konsumenten erbracht werden, wie z. B. die Leistungen der Schuhmacher, der Coiffeure, der Schneider, der Waschanstalten und des Gastgewerbes. Werden gewerbliche und industrielle Leistungen nicht
direkt ihren definitiven Nutzniessern, sondern gewissen Unternehmern erbracht, dann ist die Bedeutung der betreffenden Entgelte für die Kosten der Lebenshaltung weniger offensichtlich; sie kann aber trotzdem unter Umständen nicht minder schwerwiegend sein. In diese zweite Kategorie fallen vor allem die verschiedenartigen Leistungen im Baugewerbe. Es ist allgemein bekannt, dass die gegenüber der Vorkriegszeit verdoppelten Baukosten zu den ausserordentlich hohen Mietzinsen für Neubau-Wohnungen geführt haben. In dieser Kategorie sind ferner die Tarife der Lägerhäuser und der Textilveredelungsindustrie, der sogenannten «Ausrüster», zu erwähnen. Die Entgelte der «Ausrüster» haben einen massgeblichen Einfluss auf die Preise der Endprodukte.

Der geltende Verfassungszusatz (Art. l, Abs. 1) bezeichnet den Bund ganz allgemein als zuständig zum Erlass von Vorschriften über Mietzinse. Der

175 Bundesbeschluss vom 10. Juni 1953 (Art. 2, Abs. 2) hat von dieser Kompetenz u.a. in der Weise Gebrauch gemacht, dass die nach dem 31. Dezember 1946 bezugsbereit gewordenen Neubauten von der Mietzinskontrolle ausgenommen wurden. Das Volksbegehren (Art. 4) will lediglich die nach dem 31. Dezember 1948 bezugsbereit gewordenen Neubauten nicht mehr der Mietzinskontrolle unterstellen, also die Freigabe der in den Jahren 1947 und 1948 erstellten Neubauten wieder rückgängig machen. Hievon würden zirka 15 000 nicht subventionierte Wohnungen betroffen sowie eine ansehnliche Zahl von Geschäftsräumlichkeiten und Garagen. Wir werden unten die Konsequenzen einer derartigen Eegelung erörtern.

In Übereinstimmung mit dem geltenden Eecht will die Initiative die möblierten Einzelzimmer und Ferienwohnungen von der Mietzinskontrolle ausgenommen wissen. Dagegen ist aus dem Volksbegehren nicht ersichtlich, was mit den in Artikel 4 des vorgeschlagenen Textes nicht erwähnten nicht überbauten Grundstücken, separat vermieteten Garagen und separat vermieteten Eeklameflächen und Schaukästen geschehen soll. Auch diese Objekte unterstehen nach der gegenwärtigen Eegelung der Mietzinskontrolle nicht mehr.

Hinsichtlich der l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n Pachtzinse bringt die Initiative keine Änderung des sachlichen Geltungsbereiches.

c. Bezüglich der Ausgestaltung der Preiskontrolle unterscheidet das Volksbegehren zwischen der blossen Preisüberwachung (Art. 2) einerseits und dem Erlass; von Höchstpreisvorschriften, eventuell in Verbindung mit Preisausgleichsmassnahmen (Art. 3), anderseits.

Das Wesen der Preisüberwachung als Vorstufe der eigentlichen Preiskontrolle wurde in unserer Botschaft vom 2. Mai 1952 (BB1 1952, II, 117) dahin gekennzeichnet, dass «sich die Behörden darauf beschränken, die Entwicklung der Preise zu verfolgen, sich über die Preisbildung, insbesondere über die geforderten Preise und deren Berechnungsgrundlagen, zu informieren und durch das Mittel, der freiwilligen Verständigung ungerechtfertigte Preiserhöhungen nach Möglichkeit zu vermeiden». Der geltende Verfassungszusatz erwähnt die Preisüberwachung nicht, lässt sie aber für den Bereich zu, für den Höchstpreisvorschriften aufgestellt werden dürfen. Der Bundesbeschluss vom 10. Juni 1953 (Art. 13, Abs. 2) gibt! der Preisüberwachung ihre rechtliche
Basis durch die Vorschrift, dass « den mit dem Vollzug ... betrauten Amtsstellen ...

über Tatsachen, die für die Gestaltung ... der Preise der unter diesen Beschluss fallenden Waren ; bestimmend sind, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und auf Verlangen zu belegen» sind.

Nach der Formulierung des Volksbegehrens wäre jedoch-im Gegensatz zum geltenden Eecht der Bundesrat zur Preisüberwachung nicht nur befugt, sondern verpflichtet. Daraus könnte möglicherweise .gefolgert werden, dass die für die Preisüberwachung in Betracht kommenden Vorkehrungen dauernd eine gewisse Vollständigkeit und systematische Geschlossenheit aufweisen müssen

176 und sich nicht auf von Fall zu Fall als geboten erscheinende Überprüfungsmassnahmen beschränken dürfen.

Die Initianten wollen den Erlass von Höchstpreisvorschriften alternativ von zwei Voraussetzungen abhängig machen, nämlich entweder vom Eintritt «erheblicher Störungen in den Marktverhältnissen» oder davon, dass «die Preisbildung durch staatliche Schutzmassnahmen beeinflusst» wird. Den Begriff der erheblichen Störungen in den Marktverhältnissen haben wir in unserer Botschaft vom 2. Mai 1952 (BB1 1952, II, 112) wie folgt erläutert: Die Marktverhältnisse sind dann als gestört zu bezeichnen, wenn auf 'Grund der Entwicklung von Angebot und Nachfrage die Wirtschaft nicht zu rechtfertigende übermässige Preiserhöhungen oder Margenausweitungen verwirklichen kann. Immerhin soll der Erlass von Vorschriften nur dann möglich sein, wenn es sich um erhebliche Störungen handelt. Geringfügige Störungen, wie sie auch in normalen Zeiten immer wieder vorkommen, sollen nicht schon Anlass zu preiskontrollrechtlichen Eingriffen geben. Die Frage, wann eine Störung als erheblich zu bezeichnen ist, lässt sich nicht zum vorneherein allgemein gültig beantworten.

Was nun die zweite Voraussetzung des Erlasses von Höchstpreisvorschriften betrifft, so ist zunächst eine terminologische Neuerung zu erwähnen. Der Initiativtext spricht nur noch von «staatlichen Schutzmassnahmen», während im geltenden Verfassungszusatz von «Schutzmassnahmen... sowie ... Hilfsmassnahmen des Bundes» und im Bundesbeschluss vom 10. Juni 1953 (Art. 9, Abs. 1) von «Schutz- oder Hilfsmassnahmen des Bundes» die Eede ist. Etwas sachlich Neues wird im Volksbegehren durch die Weglassung des Wortes «Hilfsmassnahmen» kaum angestrebt. Der Verfassungszusatz und der Bundesbeschluss vom 10. Juni 1953 unterscheiden ja nicht so konsequent zwischen den beiden Begriffen Schutzmassnahmen und Hilfsmassnahmen, dass man sagen könnte, jedem der beiden Worte komme ein von demjenigen des andern deutlich sich unterscheidender Sinn zu. Zwar zeigte sich in den einschlägigen parlamentarischen Beratungen die Tendenz, unter «Schutzmassnahmen» hauptsächlich mengenmässige EinfUhrbeschränkungen zu verstehen, unter «Hilfsmassnahmen» dagegen mehr die Zuschüsse des Bundes (vgl. z. B. StenB NE, 1952, S. 597; StE, 1952, S. 252; NE, 1953, S. 54 ff.). Demgegenüber wurde in Artikel 9, Absatz 2, des Bundesbeschlusses vom 10. Juni 1953 für den Begriff Schutz- und Hilfsmassnahmen eine gemeinsame Erläuterung gegeben, so dass es sich hier um einen Sammelbegriff handelt., Angesichts dieses widerspruchsvollen Sprachgebrauchs darf man dem Verzicht auf das Wort «Hilfsmassnahmen» keine zu grosse Bedeutung für die Auslegung beimessen.

Der Initiativtext spricht von staatlichen Schutzmassnahmen. Darunter würden auch Schutzmassnahmen der Kantone fallen, soweit solche vorkommen.

Ganz besonders schwer wiegt nun, dass nach dem Volksbegehren Höchstpreisvorschriften erlassen werden müssen, wenn eine der beiden Voraussetzungen erfüllt ist («Treten... Störungen . . . ein oder wird die Preisbildung ... beeinflusst, so sind ... Höchstpreisvorschriften zu erlassen . . . » ) . Dies mag noch allenfalls hingehen, soweit es sich um das Erfordernis des Eintritts

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«erheblicher Störungen in den Marktverhältnissen» handelt. Hier kann es die zuständige Behörde kraft des ihr durch den Begriff der «Erheblichkeit» gewährten Ermessensspielraums in vielen Fällen ablehnen, Höchstpreisvorschriften zu erlassen, für welche kein ernstliches Bedürfnis besteht. Anders liegen nun aber die Dinge im Falle der Preisbeeinflussung durch staatliche Schutzmassnahmen. Hier erklären die'Initianten ganz kategorisch: Wenn Preisbeeinflussung durch staatliche Schutzmassnahmen, dann Höchstpreisvorschriften! Eine Einschränkung der Herrschaft dieses starren Prinzips ergibt sich auch nicht etwa daraus, dass die Höchstpreisvorschriften «zur Verhinderung unangemessener Preise und Margen von für das Inland bestimmten Waren sowie gewerblichen und industriellen Leistungen» bestimmt sind. Das Volksbegehren sieht nämlich anscheinend'ganz : bewusst - davon ab, den Erlass von Höchstpreisvorschriften lediglich im Hinblick auf die Eventualität vorzusehen, dass unangemessene Preise und Margen zu b e f ü r c h t e n sind, wie sich unser .Entwurf vom 2.Mai 1952 in einem etwas andern Zusammenhang ausgedrückt hatte. Vielmehr scheint · es, dass: die Initiative im Gegenteil von der Vorstellung ausgeht, die Preisbeeinflussung .durch staatliche Schutzmassnahmen müsse notwendigerweise die Gefahr unangemessener Preise und Margen mit 1 sich bringen. Eine solche Betrachtungsweise schiesst aber übers Ziel hinaus. Ihre Verankerung in der Verfassung würde den Bund mit der Pflicht zum Erlass einer Fülle von entbehrlichen Höchstpreisvorschriften belasten. Selbstverständlich können wir eine derartige Erweiterung der Aufgaben des Bundes nicht befürworten.

Was nun die Ausgestaltung der M i e t z i n s k o n t r o l l e betrifft, so wollen die Initianten wie im geltenden Recht das Mietzinserhöhungsverbot mit der Möglichkeit individueller Bewilligungen vorsehen. Jedoch sind die Funktionen, die: im Volksbegehren den individuellen Bewilligungen zugedacht werden,; grundsätzlich andere als im Bahnten der heutigen Begelung.

Die gegenwärtige Ordnung der Mietzinskontrolle lässt individuelle Mietzinserhöhungsbewilligungen nur noch in Ausnahmefällen zu, nämlich dann, wenn «der Vermieter mehr leistet, indem er z. B. wertvermehrende Verbesserungen vornimmt, zusätzliche Leistungen erbringt oder das Mietobjekt vergrössert» (Art. 3,
Abs. l, lit. a, des Bundesbeschlusses vom 10; Juni 1958). Im übrigen liegt dem geltenden Becht die Konzeption zugrunde, dass durch generelle Mietzinserhöhungsbewilligungen nicht nur notwendige Anpassungen der Mietzinse an die gesteigerten realen Kosten vorgenommen werden können, sondern dass darüber hinaus generell gutgeheissene Aufschläge ein notwendiges Mittel darstellen, um eine allmähliche Normalisierung des Wolmungsmarktes zu ermöglichen. :Demgegenüber lehnt die Initiative den Gedanken ab,, dass eine solche Handhabung der Mietzinskontrolle ihr Teil zu einer Entspannung der Lage .auf dem Wohnungsmarkt beitragen soll. Die Initianten wollen deshalb in materieller Hinsicht das Lastendeckungsprinzip wieder zur uneingeschränkten Geltung bringen und in formeller Beziehung die individuelle Festsetzung höchstzulässiger Mietzinse wiederum zum hauptsächlichen technischen Mittel der Mietzinskontrolle machen.

178 Die Annahme der Initiative würde deshalb auf dem Gebiet der Mietzinsentwicklung einfach die Fortdauer des gegenwärtigen Zustandes und damit der Diskrepanz der Mietzinse für Wohnungen in Alt- und Neubauten bringen. Da nämlich in die Lastenrechnung ein auf Grund des Vorkriegswertes der Liegenschaft berechneter Kapitalzins einzusetzen ist und die übrigen Lasten ihren Kulminationspunkt erreicht haben dürften, kann durch die Anwendung des Lastendeckungsprinzips, wie es von den Initianten aufgefasst wird, der allzu grosse Abstand der Mietzinse der Wohnungen in Alt- und Neubauten nicht verringert werden. Somit wird sich auch in Zukunft die Nachfrage im wesentlichen auf die billigen Wohnungen in Altbauten konzentrieren, so dass weiterhin vornehmlich die teuren Wohnungen leer bleiben werden. Die Initianten dürften sich einer vorderhand unbegründeten Hoffnung hingeben, wenn sie eine Erhöhung des Angebots an Mietobjekten der für die breiten Schichten der Bevölkerung in Betracht kommenden Preislagen ausschliesslich von den auch bei ungelockertem staatlichen Zwang sich regenden wirtschaftlichen Kräften erwarten. Wenn also das Volksbegehren (Art. 6) Freigaben einzelner geographisch oder sachlich begrenzter Kategorien von Mietobjekten und generelle Mietzinserhöhungsbewilligungen davon abhängig machen will, dass «ein nach Wohnungsgrösse und Preislage genügender Leerbestand an Mietobjekten vorhanden ist», so ist dazu zu bemerken, dass der Eintritt dieses Falles durch die im Volksbegehren enthaltene Eegelung ja gerade verhindert wird.

In redaktioneller Hinsicht drängen sich zum deutschen Text der vorgeschlagenen Bestimmungen über die Mietzinskontrolle noch die folgenden kritischen Bemerkungen auf: In Artikel 4 ist die Verwendung des Begriffs «Genehmigung» unbefriedigend. Dieses Wort dient nämlich richtigerweise zur Bezeichnung der nachträglichen behördlichen Zustimmung. Nun entspricht es aber doch wohl den Absichten der Initianten, dass Mietzinserhöhungen in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht einer vorgängigen behördlichen Zustimmung bedürfen, welche im strengeren juristischen Sprachgebrach als «Bewilligung» bezeichnet wird. Der Bundesbeschluss vom 10. Juni 1953 hat denn auch den früher auf dem Gebiet der Preiskontrolle verwendeten Begriff der «Genehmigung» erstmals konsequent durch «Bewilligung» ersetzt.
- In Artikel 5 ist nicht ohne weiteres klar, warum hier von «seitherigen wertvermehrenden Verbesserungen» gesprochen wird. Anscheinend sind die seit Kriegsausbruch bzw. bei in der Kriegs- und Nachkriegszeit errichteten Bauten die seit der Erstellung vorgenommenen wertvermehrenden Verbesserungen gemeint. Dieser Gedanke kommt aber im deutschen Text nicht klar zum Ausdruck; er ist aber mit dem französischen Text vereinbar.

Bezüglich der Ausgestaltung der Pachtzinskontrolle begnügt sich das Volksbegehren damit, die in Artikel 8 des Bundesbeschlusse's getroffene Eegelung zu übernehmen und auf die Stufe des Verfassungsrechts zu heben.

Durch den geltenden Verfassungszusatz (Art. l, Abs.l) wird der Bund ganz allgemein als zuständig erklärt, Vorschriften «zum Schutze der Mieter» zu erlassen. Gestützt auf diese Bestimmung erging zunächst der Bundes-

179 beschluss vom 20. März 1953 über den Aufschub von Umzugsterminen (AS 1953, 149). Der Bundesbeschluss vom 10. Juni 1953 (Art. 6) hat den Bundesrat dann ermächtigt, Vorschriften über die B e s c h r ä n k u n g des Kündigungsrechtes zu erlassen. Die andern Bestimmungen des Yolhnachtenrechts über Massnahmen gegen die Wohnungsnot, nämlich die Vorschriften über die Beschränkung der Freizügigkeit und die amtliche Inanspruchnahme unbenutzter Wohnräume, wurden nicht übernommen. Derartige Vorschriften hätten wohl auch gar nicht mehr erlassen werden dürfen, da es sich nicht um eigentliche Mieterschutzbestimmungen handelt. In diesem Punkte würde sich durch die Annahme der Initiative nichts.ändern, da sie in Artikel.7 lediglich vorschreibt: «Zum Schutze der Mieter ist das Kündigungsrecht einzuschränken». Nicht ganz klar ist, ob unter diese Bestimmung auch der Aufschub von Unizugsterminen subsumiert werden könnte. Nach dem bisherigen Sprachgebrauch der einschlägigen Gesetzgebung gehört diese Massnahme nicht zur Beschränkung des Kündigungsrechts. Sofern man also den Begriff der Beschränkung des Kündigungsrechts nicht extensiv interpretieren, sondern auf die bisher übliche Terminologie abstellen will, könnten sich auch Bestimmungen über den Aufschub von .Umzugsterminen nicht auf den vorgeschlagenen neuen; Verfassungszusatz stützen. Es wird weiter unten zu erörtern sein, ob die im geltenden Recht enthaltene ausgedehntere Bundeskompetenz, Vorschriften zum .Schutze der Mieter zu erlassen, durch die Annahme der Initiative aufgehoben würde.

2. Die Form der Rechtssetzung Die normale Eechtsform für ,die Regelung eines in die Zuständigkeit der Eidgenossenschaft fallenden Sachgebietes ist die Form des Bundesgesetzes bzw.

des ihm gleichgestellten allgemeinverbindlichen Bundesbeschlusses. Dies gilt vor allem auch für die Anwendung des Verfassungszusatzes .über die befristete Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle. Demgegenüber wollen die Initianteri die Ausführung des von ihnen befürworteten neuen Verfassungsrechts .unter Überspringung der Bundesversammlung direkt dem Bundesrat übertragen. Dieser würde dadurch eine selbständige Rechtsverordnungskompetenz erhalten, wie sie die Bundesverfassung in Artikel 35, Absatz 2 (Unterhaltungsspiele in den Kursälen) und Artikel 41, Absatz 4 (Rüstungsindustrie) ausdrücklich
vorsieht und wie sie in der Praxis vor allem, auch gestützt auf Artikel 102, Ziffer 9 und 10, der Bundesverfassung in Anspruch genommen wird. Zum Unterschied von diesen vom Gesichtspunkt der Zweckmässigkeit beherrschten Fällen kommt nun der von den Initianten verlangten selbständigen Rechtsverordnungskompetenz des Bundesrates insofern ein ungewöhnlicher Charakter zu, als unter den Motiven dieses Vorschlages der Gedanke eines politischen Misstrauensvotums an die Adresse der Bundesversammlung eine unverkennbare Rolle spielt. Der Bundesversammlung bzw. ihrer Mehrheit wird ja bekanntlich von den hinter dem Volksbegehren stehenden Kreisen der Vorwurf gemacht, sie habe beim Erlass des Bundesbeschlusses vom 10. Juni

180 1958 den in der Abstimmung vom 23. November 1952 zutage getretenen Volkswillen missachtet. Dies ist wohl der eigentliche Grund, weshalb nach dem Willen der Initianten die Bundesversammlung ausgeschaltet und der unmittelbare Vollzug des Verfassungszusatzes dem Bundesrat übertragen werden soll.

Es mag sich auch die Frage aufdrängen, ob der vorgeschlagene neue Verfassungszusatz und seine Auswirkungen nicht zu einer grundlegenden Änderung der staatsrechtlichen Stellung der Landesregierung führen könnten.

Gegen die nach einer allfälligen Annahme der Initiative notwendig werdenden Ausführungserlasse des Bundesrates könnte das Eeferendum nicht ergriffen werden. Man kann zweifellos in Übereinstimmung mit einem beträchtlichen Teil der einschlägigen Praxis der Bundesbehörden in guten Treuen die Ansicht vertreten, dass bei transitorischen Verfassungszusätzen nach Möglichkeit in einer einzigen Abstimmung sowohl über die Schaffung der betreffenden Bundeskompetenz als auch über die politisch wichtigsten Grundsätze ihrer Handhabung entschieden werden sollte. Jedoch ist auch die Auffassung vertretbar, dass angesichts der Wichtigkeit der Materien, die in den Ausführungserlassen geregelt werden müssen, die Unterstellung der sich unmittelbar auf die Verfassung stützenden Vorschriften unter das fakultative Referendum einem politischen Bedürfnis entspricht. J e d e n f a l l s wird sich die A k t i v b ü r g e r s c h a f t darüber klar sein müssen, dass sie durch die Annahme der Initiative auf jedes weitere Mitspracherecht bei der näheren A u s g e s t a l t u n g der Preiskontrolle verzichten würde.

In Artikel 9, Absatz 3, des Initiativtextes fällt auf, dass hier nicht auch von der Möglichkeit, die Eechtssetzung auf dem Gebiet des Kündigungsschutzes an die Kantone zu delegieren, gesprochen wird. Es drängt sich die Frage auf, ob damit die bisherige Regelung ausgeschlossen wird, wonach es den Kantonsregierungen überlassen bleibt, die Bestimmungen über die Beschränkung des Kündigungsrechts für das ganze Kantonsgebiet oder für bestimmte Gemeinden anwendbar zu erklären. Die Möglichkeit ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass die Initianten ganz bewusst davon abgesehen haben, die Betrauung kantonaler Instanzen mit der Rechtssetzung auf dem Gebiet des Kündigungsschutzes vorzusehen. Sollte Artikel 9, Absatz 3,
des Initiativtextes in diesem Sinne zu verstehen sein, dann könnte im Falle der Annahme des Volksbegehrens nicht aus Artikel 9, Absatz l, die Kompetenz zur Übertragung der in Frage stehenden Befugnis an die Kantonsregierungen abgeleitet werden.

3. Inkrafttreten und Übergangsrecht Artikel 10 des Initiativtextes bestimmt, dass der vorgeschlagene neue Verfassungszusatz am I.Januar 1955 in Kraft tritt. Was hat nun aber zu geschehen, wenn die Abstimmung des Volkes und der Stände erst: nach diesem Datum stattfinden kann und das Volksbegehren angenommen wird ? In unserem Bericht an die Bundesversammlung vom 29. Juli 1948 über das zweite Volksbegehren betreffend Rückkehr zur direkten Demokratie hatten wir uns zu

181 einer analogen Frage zu äussern. Der damals zu würdigende Initiativtext sah nämlich vor, dass alle vor der Annahme des Artikel 89bls der Bundesverfassung als dringlich erklärten Bundesbeschliisse und das ganze Kriegsnotrecht spätestens am 20. August 1947 ausser Kraft treten sollten. Wir bemerkten hiezu, dass einer allfälligen Annahme der Initiative rückwirkende Kraft zuerkannt werden müsse (BEI 1948, II, 988). Dies gilt auch für das Vorliegende Volksbegehren. Die sich hieraus ergebenden Konsequenzen können erst beurteilt werden, wenn gewisse Fragen des Übergangsrechts, denen wir uns im folgenden zuwenden, geklärt sind.

Fragen des intertemporalen Bechts würden sich im:Falle der Annahme der . Initiative vor allem im Bereich der Mietzinskontrolle stellen und zwar unabhängig davon, ob der Verfassungszusatz nun rückwirkend in Kraft tritt oder nicht. Man müsste sich nämlich überlegen, ob die vom 1. Januar 1954 bis zum Inkrafttreten des vorgeschlagenen neuen Verfassungszusatzes eingetretenen Änderungen der Rechtslage (individuelle und generelle Mietzinserhöhungsbewilligungen und Entlassungen aus der Mietzinskontrolle) bestehen bleiben dürfen. Diese Punkte sind im folgenden zu prüfen.

I n d i v i d u e l l e Mietzinserhöhungsbewilligungen sind als «behördliche Genehmigung» im Sinne von Artikel 4 des Initiativtextes zu betrachten und würden deshalb in Kraft bleiben.

Auch unsere am I.Juni 1954 erteilte generelle Bewilligung zur Mietzinserhöhung um 5 Prozent kann als «behördliche Genehmigung» im Sinne von Artikel 4 des vorgeschlagenen neuen Verfassungszusatzes igelten. Daraus ergibt sich, dass die Vermieter auch noch nach der allfälligen Annahme des Volksbegehrens in Anwendung des Bundesratsbeschlusses vorn I.Juni 1954 Mietzinserhöhungen vornehmen dürfen.

'· Was nun die Freigabe der in den Jahren 1947 und 1948 bezügsbereit gewordenen : N e u b a u t e n durch Artikel 2, Absatz 2, des Bundesbeschlusses vom 10. Juni 1953 betrifft, so kann diese Lockerungsmassnahme nach dem Willen der Initianten wohl nicht als «behördliche Genehmigung» im Sinne des Volksbegehrens betrachtet werden. Würde man nämlich die Freigabe der in den Jahren 1947 und 1948 bezugsbereit gewordenen Neubauten als «behördliche Genehmigung» unbeschränkter Mietzinserhöhungen deuten,.dann hätten es die Hauseigentümer ja in der Hand, durch
während des laufenden Jahres vorgenommene massive Aufschläge die Wiederunterstellung der betreffenden Liegenschaften unter die Mietzinskontrolle praktisch wirkungslos zu machen. Eine Auslegung, die ein derartigesVorgehen ermöglicht, kann auf keinen Fall richtig sein.

Eine andere Frage ist es, wie die Wiederunterstellung ; der in den Jahren 1947/48 bezugsbereit gewordenen Neubauten unter die Mietzinskontrolle bewerkstelligt werden könnte. Die zweckmässigste Lösung bestünde nach unserem Dafürhalten darin, dass den Mietern durch die Ausführungsverordnung das Recht eingeräumt würde, die Festsetzung des höchstzulässigen Mietzinses gemäss Artikel 5 des Initiativtextes zu verlangen. Eine derartige Regelung

182 würde es noch am ehesten gestatten, die Neubauten der Jahre 1947/48 ohne ubermassige Beanspruchung des Verwaltungsapparates in den Anwendungsbereich der Mietzinskontrollvorschriften zurückzuführen. Man wird allerdings nicht übersehen dürfen, dass auch diese Lösung sehr unbillige und harte Auswirkungen haben kann. Man denke beispielsweise an den Fall, dass eine im Jahre 1948 bezugsbereit gewordene Liegenschaft nach dem 81. Dezember 1953 ·die Hand gewechselt hat. Der Kaufpreis wird dann der durch die Freigabe ermöglichten Erzielung höherer Mietzinse angepasst gewesen sein. Zwingt man nun den neuen Hauseigentümer, sich mit niedrigeren Ansätzen zu begnügen, so sind Verluste unvermeidlich. Diese würden sich möglicherweise in manchen Fällen geradezu ruinös auswirken. Derartige Konsequenzen einer allfälligen Annahme der Initiative könnten durch die Ausführungsverordnung, die sich ja in den durch den neuen Verfassungszusatz vorgezeichneten Bahnen zu bewegen hätte, nicht verhütet werden.

Die Folgen des rückwirkenden Inkrafttretens des vorgeschlagenen Verfassungszusatzes wären also in der Ausführungsverordnung so zu regeln, dass die in den Neubauten der Jahre 1947/48 seit dem 1. Januar 1954 erfolgten Aufschläge auf Verlangen überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden müssten.

4. Das Schicksal des geltenden Preiskontrollrechts

Der Verfassungszusatz über die befristete Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle und der Bundesbeschluss vom 10. Juni 1953 bestimmen, dass beide Erlasse bis zum 31. Dezember 1956 gelten. Hiebei kann es im Falle der Annahme des Volksbegehrens selbstverständlich nicht sein Bewenden haben.

Vielmehr wird nach einem allgemeinen Eechtsgrundsatz eine Verfassungs- oder Gesetzesbestimmung durch eine mit ihr unvereinbare oder inhaltlich übereinstimmende neue Verfassungsbestimmung aufgehoben. Es ist nun teilweise nicht ganz einfach zu bestimmen, wie sich dieses Prinzip im vorliegenden Zusammenhang auswirken würde. Zwar ist es offensichtlich, dass durch das Inkrafttreten des vorgeschlagenen Verfassungszusatzes die meisten Bestimmungen des Bundesbeschlusses vom 10. Juni 1953 beseitigt würden. Weniger klar wäre das Schicksal des geltenden Verfassungszusatzes. Bei oberflächlicher Betrachtung besteht zwischen diesem und dem Text des Volksbegehrens keine logische Unvereinbarkeit, aber auch keine Übereinstimmung. An und für sich wäre es nämlich durchaus denkbar, dass die Verfassung sowohl den Bundesgesetzgeber als auch den mit einer selbständigen Eechtsverordnungskompetenz ausgestatteten Bundesrat zur Ausübung von sich teilweise überschneidenden Bundeskompetenzen beruft. Eine derartige Ausgestaltung des Verfassungsrechts wäre aber nur dann sinnvoll und als gegeben anzunehmen, wenn davon ausgegangen werden dürfte, dass innerhalb des Bereiches der Überschneidung den Erlassen des Bundesgesetzgebers der Vorrang gegenüber denjenigen des Bundesrates zukommen soll. Eine solche Lösung würde aber den Absichten der Initianten zweifellos widersprechen. Man müsste deshalb wohl die aus einer eventuellen

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Annahme der Initiative resultierende verfassungsrechtliche Situation so deuten, dass keine mit der Zuständigkeit des Bundesrates konkurrierende Kompetenz des Bimdesgesetzgebers bestehen bliebe. Dagegen würde der geltende Verfassungszusatz wohl nicht vollständig aufgehoben, da - wie oben (III A l e letzter Absatz) gezeigt wurde - die durch ihn geschaffene Bundeskompetenz möglicherweise in einem Punkte etwas weiter geht als die aus dem vorgeschlagenen neuen Verfassungszusatz abzuleitende Zuständigkeit des Bundes.

Auch käme dem geltenden Verfassungszusatz noch insofern eine gewisse Bedeutung | zu, als er weiterhin als konstitutionelle Basis des: durch den neuen Verfassungszusatz nicht aufgehobenen und deshalb bis zum Erlass der neuen Ausführungsvorschriften des Bundesrates noch anzuwendenden Teils des Bundesbeschlusses vom 10. Juni 1953 zu betrachten wäre.

B. Die Frage der Wetterführung der Preiskontrolle nach dem 31. Dezember 1956

Die Frage der Weiterführung der Preiskontrolle nach dem 31. Dezember 1956 weist in den verschiedenen Teilen ihres sachlichen Geltungsbereiches, die wir unterschieden haben (III. A l b), je besondere Aspekte auf.

1. Mietzinse Wir haben oben (IIIA l o) angedeutet, dass dem Bundesbeschluss vom 10. Juni 1958 der Gedanke zugrundeliegt, es sei - wenn die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind - durch eine Beine von generellen Mietzinserhöhungsbewilligungen die Diskrepanz zwischen den Mietzinsen von Alt- und Neubauten zu beseitigen, dadurch der Wohnungsmarkt zu normalisieren und so die Mietzinskontrolle sukzessive überflüssig zu machen. Wir befürchten, dass die Erreichung dieses Zieles bis Ende 1956 ausserordentlich schwierig sein wird. Der politische Widerstand gegen generelle Mietzinserhöhungsbewilligungen in Verbindung mit einem möglichen Abflauen der Hochkonjunktur lässt jedenfalls eine Anpassung ,der Altmieten durch schrittweise generelle Erhöhungen nicht in so rascher Folge als durchführbar erscheinen, dass bis Ende 1956 mit einer Normalisierung des Wohnungsrnarktes gerechnet werden könnte. Für die Hauseigentümer würde ein langsameres Vorgehen bei der Erteilung genereller Erhöhungsbewilligungen allerdings eine Verschlechterung der Mietzinskontrolle bedeuten, da individuelle Mietzinserhöhungsbewilhgungen nach geltendem B.echt nur bei Mehrleistungen, also nicht schon bei ungenügender Lastendeckung, bewilligt werden können. Aus den angeführten Gründen dürfte auch noch Ende 1956 eine ,starke Diskrepanz zwischen Mietzinsen von Alt- und Neubauwohnungen bestehen. Die Möglichkeit erheblicher Mietzinserhöhungen wäre also nicht von der Hand zu weisen, wenn die Mietzinskontrolle Ende 1956 in zu abrupter Weise beesitigt würde. Wir hätten uns deshalb wohl auch ohne die vorliegende Initiative genötigt gesehen, Ihnen zu gegebener Zeit in geeigneter Form eine Verlängerung der Mietzinskontrolle zu beantragen. Unter anderen als den jetzt gegebenen Umständen würden wir es allerdings vorziehen, zu-

184 nächst die weitere Entwicklung abzuwarten und erst in einem etwas späteren Moment nötigenfalls mit einer entsprechenden Vorlage an Sie zu gelangen. Da 1 nun aber ohnehin eine neue Abstimmung des Volkes und der Stände über Fragen der Preiskontrolle nötig geworden ist, beehren wir uns, Ihnen auf Grund der Tatsache, dass die Verlängerung der Mietzinskontrolle über den 31. Dezember 1956 hinaus voraussichtlich notwendig sein wird, das Volksbegehren aber zu erheblichen Bedenken Anlass gibt, die Aufstellung eines G e g e n e n t w u r f e s zu beantragen. Inhaltlich wird dieser Gegenentwurf bezüglich der Mietzinskontrolle auf der Überlegung beruhen müssen, dass der dem geltenden Eecht zugrundeliegende Gedanke einer Überwindung der Diskrepanz der Mietzinse für "Wohnungen in Alt- und Neubauten mittels stufenweiser genereller Bewilligung von Mietzinserhöhungen zwar prinzipiell richtig ist, dass aber die Lokkerungsmassnahmen auf einen grösseren Zeitraum verteilt werden sollten.

Wir würden für den Bereich der Mietzinskontrolle die zweckmässigste Lösung darin erblicken, dass der gegenwärtige Verfassungszusatz bis zum 81. Dezember 1960 in Kraft bleibt. Wir berücksichtigen dabei auch den Umstand, dass die Verlängerung der Mietzinskontrolle die Weiterführung des Kündigungsschutzes ebenfalls unerlässlich machen wird. Die Geltungsdauer des Bundesbeschlusses vom lO. Juni 1953 sollte ebenfalls bis zum 31. Dezember 1960 verlängert werden, jedoch unter dem Vorbehalt der Möglichkeit einer vorherigen Änderung auf dem Wege der Gesetzgebung.

2. Landwirtschaftliche Pachtzinse In unserer Botschaft vom 2. Mai 1952 haben wir auf die bei den Pachtzinsen bestehende Auftriebstendenz (BB11952, II, 84) hingewiesen und auch daran erinnert, dass der Pachtzinsartikel des Bodenrechtes die seit der Abwertung des Schweizerfrankens ausgeübte Pachtzinskontrolle weder ersetzt, noch gar überflüssig macht. Diese Auftriebstendenzen werden auch Ende 1956 noch vorhanden sein. So ist denn bereits in den Eäten von Herrn Nationalrat Stähli und verschiedenen Mitunterzeichnern unterm 23. Dezember 1953 eine Motion eingereicht worden, welche den Einbau der Pachtzinskontrolle in das Bundesgesetz über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes verlangt. Da aber noch keineswegs feststeht, ob diese Eevision des Bodenrechtes durchgeführt werden wird,
erachten wir es als angezeigt, aus den gleichen Erwägungen, die uns im Jahre 1952 veranlassten, die Weiterführung der Pachtzinskontrolle zu beantragen, im vorerwähnten Gegenentwurf auch eine nochmalige Verlängerung der Pachtzinskontrolle vorzusehen.

3. Warenpreise Innerhalb des Kreises der Warenpreise werden auch in Zukunft die durch staatliche Schutzmassnahmen beeinflussten Preise im Vordergrund des Interesses stehen. Wir haben oben (III Ale) ausgeführt, dass wir eine unbedingte P f l i c h t des Bundes, seine preisbeeinflussenden Schutzmassnahmen durch

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185

Höchstpreisv'orschriften zu ergänzen, als zu starr ablehnen müssen. Im übrigen Hessen wir aber schon bisher nie den geringsten Zweifel darüber, dass wir die K o m p e t e n z des Bundes zum Erlass von Höchstpreisvorschriften als notwendige und natürliche Ergänzung seiner Zuständigkeit zur Ergreifung von preisbeeinflussenden Schutzmassnahmen betrachten. Diese Auffassung hat bereits Bundesrat Obrecht als Sprecher des Bundesrates im Jahre 1985 vertreten, jndem er in der Eintretensdebatte des Nationalrates über den Entwurf zum Bundesbeschìuss betreffend die Überwachung von Warenpreisen folgendes ausführte (StenB NE 1935, S. 255): .

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.

Zudem wiederhole ich in diesem Zusammenhange, dass in der Tat diese Preiskontrolle nichts anderes darstellt als eine notwendige Konsequenz: der Bundesbeschlüsse, die Sie bereits gefasst haben. Sie haben den Bundesrat ermächtigt-, die Einfuhrbeschränkungen einzuführen. Sie haben ihn ermächtigt, zahlreiche andere Schutzmassnahmen zu treffen. Sie haben gewünscht, und es steht sogar in der Motion des Herrn Grimm, über die wir uns in den nächsten Tagen unterhalten werden, dass die Kaufkraft in den Dienst unseres Exportes gestellt werden soll. Dies ist nur möglich, wenn wir die Einfuhr kontingentieren und mit den Kontingenten den Kompensationsverkehr durchführen können. Aber Sie wollen dabei sicher sein, dass im Schutze dieser staatlichen Massnahmen mit den Preisen nicht Missbrauch getrieben wird. Sie machen uns dafür verantwortlich, dass wir zum Rechten sehen, damit solche Missbräuche . nicht vorkommen. Wir verlangen nun von Ihnen nichts anderes, als dass Sie uns das Instrument in die Hand geben, damit wir die Verantwortung tragen können. Wenn Sie uns das Instrument, das wir bereits notdürftig geschaffen haben, ohne dass wir die ausdrückliche Ermächtigung dazu hatten, aus der Hand schlagen, versetzen Sie uns in die absolute Unmöglichkeit, diese Kontrolle durchzuführen.

In unserer Botschaft an die Bundesversammlung vom 2. Mai 1952 betreffend die befristete Weiterführung der Preiskontrolle haben wir der gleichen Überlegung Ausdruck gegeben (BEI 1952, II, 114): '· Wir erachten es für richtig, für alle jene Fälle, da der Bund Schutz- und Hilfsmassnahmen ergreift, die zu einer Beschränkung der freien Preisbildung führen, die Möglichkeit des Erlasses von Preisvorschriften
vorzusehen.

Diesen Gedanken haben wir dann in unserer Botschaft an die Bundesversammlung vom 3. Februar 1953 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle wie folgt näher ausgeführt (BEI 1953, I, 802/303) : Seit einigen Jahren sind wieder Einfuhrschutzmassnahmen zugunsten der einheimischen Landwirtschaft nötig geworden, wie wir .sie aus den dreissiger Jahren kennen... Mit der Einfuhrregulierung allein ist es aber nicht getan, da sie verschiedene Gefahren in sich birgt. Kommt zu wenig ausländische Ware auf den Markt, dann steigen die Preise der geschützten inländischen Erzeugnisse über das zur Deckung der einheimischen Produktionskosten nötige Mass. Das kann vor allem bei Saison-Produkten zutreffen, deren Erntezeit begrenzt ist und stark von der'Witterung abhängt.

Durch die Lockerung der Einfuhr kann nicht immer eine rechtzeitige Normalisierung der Situation herbeigeführt werden. Deswegen müssen die staatlichen Hufs- und Schutzmassnahmen, soweit sie die Preisbildung beeinflussen, weiterhin durch eine Preiskontrolle ergänzt werden können... Diese Ausführungen beziehen sich nicht nur auf landwirtschaftliche, sondern selbstverständlich auch auf industrielle und gewerbliche Produkte, soweit für sie Schutz- oder Hilfsmassnahmen gewährt würden.

Wie wir feststellen konnten, wird diese unsere Betrachtungsweise auch in der Bundesversammlung geteilt. Die Kontrolle der sogenannten geschützten Bundesblatt. 106. Jahrg. Bd. II.

14

186 Warenpreise ist der unbestrittene Teil der Preiskontrolle. Einschlägige Erklärungen sind schon in den Beratungen der Jahre 1985 und 1936 von führenden Parlamentariern abgegeben worden. So erklärte beispielsweise Nationalrat Tschumi als Berichterstatter der Kommissionsmehrheit, «aus dem Umstände...

dass der Staat einer Anzahl Bürger durch besondere Massnahmen Vorteile sichert», ergebe sich, «für ihn ohne Widerspruch die Berechtigung, ja sogar die Pflicht, dafür zu sorgen, dass nicht der Allgemeinheit daraus Nachteile erwachsen» (StenB NR 1935, S. 237). Zum gleichen Eesultat gelangte Nationalrat Gottret, ebenfalls Berichterstatter der Kommissionsmehrheit (S. 239). Im Ständerat wies Herr Schöpfer als Berichterstatter der Kommission ausdrücklich darauf hin, dass es zu den Pflichten des Staates gehört, den einzelnen Wirtschaftsgruppen gewährten besonderen Schutz «so zu handhaben, dass er nicht zum Nachteil des Konsumenten ausschlägt. Darin liegt die Begründung der K o m p e t e n z (von uns gesperrt) des Staates, für so geschützte Waren oder Betriebe die Preise zu kontrollieren» (StenB St R 1936, S. 229).

Im gleichen Sinne äusserte sich Ständerat Béguin: «Nous pouvons donc admettre, que la Confédération a non seulement le droit, mais aussi le devoir de faire en sorte que les mesures prises par elle dans l'intérêt de la production nationale (contingentement, etc.) n'engendrent pas d'abus de la part de ceux qui profitent, directement ou indirectement, dé ces mesures» .(S. 232).

Wir möchten heute die Frage aufwerfen, ob die unangefochtene Zusammengehörigkeit von Schutzmassnahmen des Bundes und seiner Befugnis zum Erlass von Höchstpreisvorschriften nicht auch eine verfassungsrechtliche Bedeutung hat, nämlich in dem Sinne, dass in der Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zur Ergreifung von preisbeeinflussenden Schutzmassnahmen auch seine Kompetenz zum Erlass von Höchstpreisvorschriften enthalten ist, die die gleichen Waren beschlagen, so dass es für die letztere Kategorie von Rechtssätzen einer besonderen verfassungsmässigen Grundlage gar nicht mehr bedarf.

Wir glauben, dass sich diese Auffassung vertreten lässt; Dies um so mehr, als man sich der Tatsache bewusst sein muss, dass es sich bei der Kontrolle der 'geschützten Warenpreise um eine dauernde Aufgabe des Bundes handelt. Immerhin hat eine
ausdrückliche Norm über die Zuständigkeit des Bundes zur Limitierung der sogenannten geschützten Warenpreise den Vorteil, eine klare verfassungsrechtliche Situation zu schaffen. Aus diesem Grunde beantragen wir Ihnen, in dem aufzustellenden Gegenentwurf auch vorzusehen, dass die im geltenden Verfassungszusatz enthaltenen Normen über die Zuständigkeit des Bundes zum Erlass von Höchstpreisvorschriften bis zum 81. Dezember 1960 in Kraft bleiben sollen. Im Zusammenhang damit rechtfertigt sich auch die Verlängerung der Geltungsdauer der einschlägigen Bestimmungen des Bundesbeschlusses vom 10. Juni 1953.

Zu den «Waren, die für das Inland bestimmt sind und deren Preisbildung durch Schutzmassnahmen . . . des Bundes beeinflusst wird», gehören auch die Mahlerzeugnisse aus Brotgetreide und das Brot. Die Zuständigkeit des Bundes zum Erlass von Höchstpreisvorschriften für diese Erzeugnisse wird in einer

18.7 Spezialvorschrift, nämlich Artikel l, lit.&, des Verfassungszusatzes über die Brotgetreideordnung des Landes ausgesprochen. Dieser Verfassungszusatz gilt bis zum 81. Dezember 1957. Nach seinem Dahinfallen bliebe die Kompetenz des Bundes zum Erlass von Höchstpreisvorschriften für Mahlerzeugnisse aus Brotgetreide.und Brot bestehen, wenn in diesem .Zeitpunkt noch die allgemeinen Vorschriften1 des Verfassungszusatzes über die befristete Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle in Kraft wären bzw. wenn man annehmen kann, dass die Zuständigkeit zur Preisreglementierung in der Kompetenz zur Ergreifung von Schutzmassnahmen enthalten ist.. Für die Wirksamkeit von Höchstpreisvorschriften für Mahlerzeugnisse aus Brotgetreide und Brot wären aber Mahlvorschriften unentbehrlich. Es wird im Rahmen der Revision des Getreidegesetzes zu prüfen sein, o.b die Zuständigkeit des Bundes zum Erlass derartiger Bestimmungen durch eine besondere Norm des Verfassungsrechts vorgesehen werden soll.

Bei Waren, deren Preisbildung nicht durch Schutzmassnahmen des Bundes beeinflusst wird, besteht gegenwärtig und wohl auch in der nächsten Zukunft kein dringendes Bedürfnis dafür, dass der Bund zum Erlass von Höchstpreisvorschriften ermächtigt wird. Für den Fall einer ernstlichen Störung der Zufuhr von lebenswichtigen Gütern oder einer unmittelbaren Kriegsgefahr sieht der Entwurf des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes vom 4. Februar 1954 zu einem Gesetz über die wirtschaftliche Kriegsvorsorge (Art. 15) vor, dass «der Bundesrat zur Bekämpfung ungerechtfertigter Preiserhöhungen auf den für das Inland bestimmten, nach diesem Gesetz bewirtschafteten Gütern Preisvorschriften aufstellen und preisausgleichende Massnahmen treffen» kann.

4. Preise gewerblicher und industrieller Leistungen Das hievor (S. 171) Ausgeführte gilt sinngemäss auch für diese Kategorie von Entgelten. Somit wäre, soweit es sich um Leistungen handeln würde, deren Preisbildung durch Schutzmassnahmen beeinflusst wird, aus der Kompetenz des Bundes, solche Massnahmen zu ergreifen nötigenfalls, auch dessen Zuständigkeit zum Erlass von Höchstpreis Vorschriften abzuleiten. Was die andern gewerblichen und industriellen Leistungen betrifft, so besteht vorläufig kein Bedürfnis für die Schaffung einer Bundeskompetenz zum Erlass einschlägiger
Höchstpreisvorschriften. Dies um so weniger, als die Zuständigkeit zum Einschreiten gegen volkswirtschaftlich, oder sozial schädliche K a r t e l l p r e i s e ja schon gemäss Artikel 81bl8, Absatz 3, lit.d, der Bundesverfassung besteht. Die Ausübung dieser Kompetenz müsste selbstverständlich durch ein Bundesgesetz oder einen 'dem fakultativen Referendum unterstehenden Bundesbeschluss geschehen.

5. Preisausgleichsmassnaiimen Gegenwärtig besteht eine Preisausgleichskasse für Milch und Milchprodukte und eine solche für Eier und Eiprodukte. Die Preisausgleichskasse für

188 Milch und M i l c h p r o d u k t e hat nach Möglichkeit zur Tiefhaltung des Milchpreises für die Konsumenten in Mangelgebieten und Konsumzentren beizutragen; Zu diesem Zwecke kann die Preiskontrollstelle aus der Preisausgleichskasse Spannenzulagen an Molkereien und Milchgeschäfte zum Ausgleich der Verteuerung der molkereitechnischen Behandlung und des Detailvertriebes von Konsummilch, Beiträge an die Beschaffungskosten für Aushilfsmilch und Beiträge an die Sammel- und Transportkosten für die Konsummilch aus den normalen Einzugsgebieten entrichten. Zur Finanzierung der Preisausgleichskasse dienen, soweit nötig, die Erträgnisse der gemäss Artikel 27 des Beschlusses der Bundesversammlung vom 29. September 1953 über Milch, Milchprodukte und Speisefette (Milchbeschluss) erhobenen Abgaben auf Konsummilch und Konsumrahm sowie der Zollzuschlag auf Importbutter gemäss Artikel 52, Absatz 2, des gleichen Beschlusses. Gemäss Artikel 10, Absatz 4, des Bundesbeschlusses vom 10. Juni 1953 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle ist die Verringerung der Zuschüsse an die Kosten der Konsummilch schrittweise anzustreben. Jedoch wird es voraussichtlich nicht möglich sein, diese Preisausgleichskasse bis zum 31. Dezember 1956 aufzuheben.

Die Preisausgleichskasse für Eier und E i p r o d u k t e bezweckt, den Importeuren die Erfüllung der Pflicht zur Übernahme von Inlandeiern gemäss Artikel 23, Absatz l, lit.c, des Landwirtschaftsgesetzes zu ermöglichen.

Die Kasse funktioniert gut und ist von keiner Seite materiell bestritten. Allerdings ist sie nach wie vor Gegenstand der handelspolitischen Bedenken, über die wir Sie in unserer Botschaft vom 3. Februar 1953 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle (BB11953, I, 292/93) orientiert haben.

Es dürfte im Interesse einer klaren verfassungsrechtlichen Situation empfehlenswert sein, dass in dem von Ihnen aufzustellenden Gegenentwurf auch die Verlängerung der Geltungsdauer der im gegenwärtigen Verfassungszusatz enthaltenen Klausel über die Preisausgleichsmassnahmen vorgesehen wird. Auch die einschlägigen Bestimmungen des Bundesbeschlusses vom 10. Juni 1953 sollten über den 81. Dezember 1956 hinaus in Kraft bleiben.

IV. Formelle Fragen 1. Das Problem der Einheit der Materie Nach Artikel 121, Absatz 3, der Bundesverfassung hat dann, wenn auf dem Wege der Volksanregung mehrere verschiedene Materien zur Revision oder zur Aufnahme in die Bundesverfassung vorgeschlagen werden, jede derselben den Gegenstand eines besonderen Initiativbegehrens zu bilden. Ein Volksbegehren darf also nur dann als Ganzes Gegenstand einer einzigen Abstimmung sein, wenn es dem Erfordernis der Einheit der Materie entspricht. Diese Bedingung wird durch die vorliegende Initiative nach unserem Dafürhalten erfüllt. Es besteht in der Tat ein innerlicher Zusammenhang der im einzelnen vorgeschlagenen Bestimmungen. Diese bilden nämlich ein abgerundetes und geschlossenes System eines verschärften Preiskontrollrechts.

189 2. Vergleich der Texte der Initiative Bei der Prüfung von Volksbegehren betreffend Revision der Bundesverfassung inusste schon öfters festgestellt werden, dass der Text in den drei Landessprachen nicht übereinstimmte (vgl. BEI 1948, III, 925). Die frühere Praxis hatte darüber, wie die Eidgenössischen Räte in derartigen Fällen vorgehen sollen, verschiedene Grundsätze entwickelt (BEI 1948, III, 925-928).

Nachdem nun aber durch das Bundesgesetz vom 5. Oktober 1950 betreffend die Abänderung des Bundesgesetzes über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend die Revision der Bundesverfassung (AS 1951, 17) der Begriff des «für das Zustandekommen des Volksbegehrens massgebenden Textes» Aufnahme in das positive Bundesstaatsrecht gefunden hat, ist die juristische Situation bedeutend einfacher geworden. Es besteht jetzt kein Zweifel mehr, dass unwesentliche Abweichungen der drei Fassungen durch Anpassungen an den als massgebend bezeichneten Text zu beheben sind. Im vorliegenden Falle ist dies der deutsche Text.

Die in Artikel l und Artikel 5, Satz 2, des vorgeschlagenen Verfassungszusatzes gewählten Formulierungen haben im deutschen, französischen und italienischen Text nicht genau die gleiche Bedeutung.

a. Art. 1.

Der deutsche Text lautet: «Der Bund trifft im Rahmen der nachfolgenden Bestimmungen Massnahmen zur Sicherung der Kaufkraft und zum Schutze gegen die Teuerung.»

Der französische Text lautet: «La Confédération prend les mesures nécessaires, selon les dispositions ci-après, pour sauvegarder le pouvoir d'achat et prévenir la hausse du coût de la vie.»

Der italienische Text lautet: «La Confederazione prende le misure necessarie, conformemente alle disposizioni qui di seguito, per salvaguardare il potere d'acquisto e per prevenire l'aumento ; del costo' della vita.»

Eine materielle Abweichung des französischen und italienischen Textes vom deutschen Text wird durch die Verwendung des Wortes «nécessaires» bzw. «necessarie» bewirkt. Dürfte sich nämlich der Bund gemäss Artikel l bei der Anwendung der folgenden Artikel, insbesondere des Artikels 2, auf die «zur Sicherung der Kaufkraft undizum Schutze gegen die Teuerung» notwendigen Massnahmen beschränken, so würde die Preisbeeinflussung durch staatliche Schutzmassnahmen nicht automatisch die Pflicht der Landesregierung zum Erlass von Höchstpreisvorschriften nach sich ziehen. Vielmehr müsste sich dann der Bundesrat erst noch ein Urteil darüber bilden, ob eine Preisreglementierung notwendig ist. Insofern wäre der Ermessensspielraum der Landesregierung grösser als nach dem von den Initianten als massgeblich erklärten

190 deutschen Text. Diese Differenz ist durch Anpassung des französischen und italienischen Textes an den deutschen Text zu beheben.

b. Art. 5, Satz 2.

Der deutsche Text lautet: «Dabei sind bei vor dem. Jahre 1940 errichteten Bauten der Vorkriegswert, bei später errichteten die branchenüblichen Erstellungskosten einzusetzen.»

Der französische Text lautet: «Les immeubles bâtis avant 1940 seront évalués au prix d'avant-guerre; les autres, d'après les prix usuels de construction.»

Der italienische Text lautet: «Valore determinate per gli immobili costruiti prima del 1940 è il prezzo d'anteguerra ; per gli altri immobili, il costo di costruzione usuale. »

Eine materielle Abweichung des französischen und italienischen Textes vom deutschen Text besteht hier insofern, als «Vorkriegswert» (valeur d'avant-guerre, valore d'anteguerra) und «prix d'avant-guerre» bzw. «prezzo d'anteguerra» (Vorkriegspreis) zwar verwandte, aber keineswegs identische Begriffe sind. Hat nämlich eine Liegenschaft in der unmittelbaren Vorkriegszeit die Hand gewechselt, dann ist der effektiv bezahlte Betrag der Vorkriegspreis. Da bei der Abmachung desselben besondere Umstände, wie etwa die überstürzte Liquidation eines Unternehmens, Erbteilungen, Handänderungen unter Verwandten usw. mitgewirkt haben können, braucht der Vorkriegspreis dem wahren Vorkriegswert, wie er unabhängig von den Zufälligkeiten eines einzelnen Verkaufes durch die Anwendung einer bestimmten Berechnungsmethode ermittelt werden kann, nicht zu entsprechen. Auch diese Differenz ist durch Anpassung des französischen und italienischen Textes an den deutschen Text zu beheben.

Wir h a b e n somit im b e i l i e g e n d e n B e s c h l u s s e n t w u r f im f r a n z ö s i s c h e n u n d i t a l i e n i s c h e n T e x t d i e ini V o l k s b e g e h r e n e n t h a l t e n e n F a s s u n g e n von A r t i k e l l und A r t i k e l 5, S a t z 2, d u r c h neue, d e m d e u t s c h e n T e x t m a t e r i e l l e n t s p r e c h e n d e Fassungen ersetzt.

3. Der Text des Gegenentwurfes Wir haben bereits ausgeführt, aus welchen Gründen die Bestimmungen des geltenden Verfassungszusatzes über Miet- und Pachtzinse, Kündigungsschutz, geschützte Warenpreise und Preisausgleichsmassnahmen bis zum 31. Dezember 1960 in Kraft bleiben sollten. Die andern Bestimmungen des Verfassungszusatzes sind von untergeordneter Bedeutung. Es ist zweckmässig, die Gültigkeitsdauer des ganzen Verfassungszusatzes zu verlängern.

Was den Bundesbeschluss vom 10. Juni 1953 betrifft, so gilt er gemäss seinem Artikel 17, Absatz 2, bis 31. Dezember 1956. Es sollte vermieden werden, dass die Bundesversammlung genötigt ist, die Geltungsdauer .dieses Bundes-

191

beschlusses noch durch einen besonderen Bundesbeschluss zu verlängern.

Anderseits soll aber die Möglichkeit, den Bundesbeschluss vom 10. Juni 1953 auf dem Wege der Gesetzgebung zu ändern, nicht beeinträchtigt werden.

Der von Ihnen aufzustellende Gegenentwurf kann sehr einfach gehalten sein und wie folgt lauten : Die Gültigkeitsdauer des Verfassungszusatzes vom 26. September 1952 über die befristete Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle wird bis zum 31. Dezember 1960 -verlängert.

Der Bundesbeschluss vom 10. Juni 1953 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle bleibt längstens bis zum 31. Dezember 1960 in Kraft. Er kann auf dem Wege der Gesetzgebung abgeändert werden.

V. Schlussfolgerungen Unsere eingehende Würdigung des Volksbegehrens dürfte gezeigt haben, dass der vorgeschlagene neue Verfassungszusatz keine wünschenswerte Ergänzung unseres öffentlichen Eechts darstellt. Zu diesem Ergebnis gelangt man vor allem aus folgenden Gründen: Die Initiative verstösst dadurch, dass sie dem Bundesrat eine P f l i c h t zur umfassenden Preisüberwachung auferlegen will, gegen das Gebot einer möglichst rationellen, sich auf die notwendigsten Eingriffe in die Wirtschaft beschränkenden Verwaltung.

Von den Initianten wird in allzu starrer Weise der Grundsatz aufgestellt, preisbeeinflussende Schutzmassnahmen des Bundes hätten a u t o m a t i s c h H ö c h s t p r e i s v o r s c h r i f t e n nach sich zu ziehen.

Hinsichtlich der Mietzinskontrolle würde die Annahme des Volksbegehrens mit der verlangten Anwendung des Lastendeckungsprinzips die Fortdauer der Diskrepanz der Mietzinse für Alt- und Neubauwohnungen bewirken.

'.

Die geforderte Erweiterung und Verschärfung der Preiskontrolle würde eine Vergrösserung des Personalbestandes der Preiskontrollstellen des Bundes und der Kantone unerlässlich machen.

Die angestrebte Ausschaltung der Bundesversammlung .und die alleinige Betrauung des Bundesrates mit dem Erlass von Ausführungsvorschriften ruft ernsten Bedenken.

Schliesslich lässt die verlangte' Wiederunterstellung der Neubauten aus den Jahren 1947 und 1948 unter die Mietzinskontrolle Störungen des Wirtschaftslebens befürchten.

Wir kommen also zum Schluss, dass das Volksbegehren zum Schutze der Mieter und Konsumenten zu verwerfen ist. Dagegen empfehlen wir Ihnen, dem von uns .formulierten Gegenentwurf zuzustimmen.

192 Wir beantragen Ihnen daher, nachstehenden Entwurf eines Bundesbeschlusses anzunehmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 20. Juli 1954.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Rubattel Der Vizekanzler: F. Weber

198 (Entwurf)

Bundesbeschluss über

das Volksbegehren zum Schutze der Mieter und Konsumenten Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der Schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , nach Prüfung des Volksbegehrens vom 16. Februar 1954 zum Schutze der Mieter und Konsumenten, nach Einsicht in einen Bericht des Bundesrates vom 20. Juli 1954, gestützt auf Artikel 121, Absatz 6, der Bundesverfassung und Artikel 8 ff.

des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892/5. Oktober 1950 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend die Bevision der Bundesverfassung, .

, .

beschliesst:

Art. l Es werden der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreitet: 1. Das Volksbegehren, das wie folgt lautet:

Art. l Der Bund trifft im Rahmen der nachfolgenden Bestimmungen Massnahmen zur Sicherung der Kaufkraft und zum Schutze gegen die Teuerung.

Art, 2 \ Die Preise und Margen für Waren, industrielle und gewerbliche Leistungen sowie die Miet- und Pachtzinse sind zu überwachen.

. . ' . : .

Art. 3 Treten erhebliche Störungen in den Marktverhältnissen ein: oder wird die Preisbildung durch staatliche Schutzmassnahmen beeinflusst, so sind zur Verhinderung unangemessener Preise und Margen von für das Inland bestimmten Waren sowie gewerblichen und industriellen Leistungen Höchstpreisvorschriften zu erlassen und nötigenfalls Preisausgleichsmassnahmen zu treffen.

Art. 4 Die Mietzinse der Wohnungen und Geschäftsräume dürfen ohne behördliche Genehmigung nicht über den am 31. Dezember 1953 zulässigen Stand erhöht werden.

Von der Mietzinskontrolle ausgenommen sind die nach dem 81. Dezember 1948 bezugsbereit gewordenen Neubauten sowie die möblierten Einzelzimmer und Ferienwohnungen.

194 Art. 5 Die Mietzinse dürfen nicht höher festgesetzt werden, als zur Deckung der normalen Hausbesitzlasten, zu einer angemessenen Verzinsung des in der Liegenschaft investierten Kapitals und der seitherigen wertvermehrenden Verbesserungen erforderlich ist. Dabei sind bei vor dem Jahre 1940 errichteten Bauten der Vorkriegswert, bei später errichteten die brancheüblichen Erstellungskosten einzusetzen.

Art. 6 Die Mietzinskontrolle kann schrittweise abgebaut werden, wenn ein nach Wohnungsgrösse und Preislage genügender Leerbestand an Mietobjekten vorhanden ist.

Zeitpunkt und Ausmass der Lockerung sind so zu wählen, dass die Lebenshaltungskosten und Einkommensverhältnisse nicht nachteilig beeinflusst werden.

Art. 7 Zum Schutze der Mieter ist das Kündigungsrecht einzuschränken.

Art. 8 Der Pachtzins für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke bedarf der behördlichen Genehmigung: a. wenn der am 31. Dezember 1953 geltende Stand erhöht werden soll; b. wenn Grundstücke seit dem 31. Dezember 1953 erstmals verpachtet werden.

Art. 9 Der Bundesrat erlässt die erforderlichen Ausführungsvorschriften.

Die Kantone und Wirtschaftsverbände können zur Mitarbeit herangezogen werden.

3 Auf dem Gebiet der Miet- und Pachtzinskontrolle können einzelne Befugnisse an die Kantone übertragen werden.

1 2

Art. 10 Die vorstehenden Bestimmungen treten am 1. Januar 1955 in Kraft und gelten bis 31. Dezember 1960.

2. Der Gegenentwurf der Bundesversammlung, der folgende Fassung hat: Die Gültigkeitsdauer des Verfassungszusatzes vom 26. September 1952 über die befristete Weiterführung einer beschränkten Preiskontrolle wird bis zum 31. Dezember 1960 verlängert.

Der Bundesbeschluss vom 10. Juni 1953 über die Durchführung einer beschränkten Preiskontrolle bleibt längstens bis zum 31. Dezember 1960 in Kraft. Er kann auf dem Wege der Gesetzgebung abgeändert werden.

Art. 2 Dem Volk und den Ständen wird beantragt, das Volksbegehren (Art. l, Ziff. 1) zu verwerfen, dagegen den Gegenentwurf der Bundesversammlung (Art. l, Ziff. 2) anzunehmen.

Art. 3 Der Bundesrat ist mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

1726

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren zum Schutze der Mieter und Konsumenten (Vom 20. Juli 1954)

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29.07.1954

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