4 8

1

0

N o

1

# S T #

1 :

Bundesblatt 106. Jahrgang

Bern, den 2. Dezember 1954

Band II

Erscheint wöchentlich.

Preis 30 Franken im fahr, Iß Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: : 50 Rappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli & Cie. in Bern :

# S T #

6745

Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die 36. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz (Vom 26. November 1954) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir erstatten Ihnen hiemit Bericht über die 36. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz.

: I. Einleitung 1: Allgemeines und Zusammensetzung der schweizerischen Delegation Die Internationale Arbeitskonferenz; hielt ihre 36. Tagung vomi 4. bis 25. Juni 1953 in Genf ab. Daran nahmen 58 Mitgliedstaaten (von insgesamt 66) mit 580 Delegierten und technischen Beratern teil.

; Zu ihrem Vorsitzenden wählte die Konferenz den ersten Begierungsdelegierten der Vereinigten Staaten von Amerika, Senator Irving M. Ives.

Die schweizerische Delegation setzte sich, gleich wie in den vorausgehenden Jahren, wie folgt zusammen: B e g i e r u n g s v e r t r e t e r Herr Dr. William Bappard, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Genf und Direktor des Institut universitaire de hautes études internationales, und Herr Fürsprech Max Kaufmann, Direktor des Bundesamtes für Industrie. Gewerbe und Arbeit; Ersatzdelegierter Herr Dr. Arnold Saxer, Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherung; Arbeitg e b e r v e r t r e t e r Herr Charles Kuntschen (Zentralverband schweizerischer Arbeitgeberorganisationen) ; Arbeitnehmervertreter Herr Jean Mori (Schweizerischer Gewerkschaftsbund). Dazu kamen einige technische Berater.

Bundesblatt. 106. Jahrg. Bd. II.

78

1102

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

2. Tagesordnung der Konferenz Die Tagesordnung der Konferenz umfasste folgende Gegenstände: Bericht des Generaldirektors; Finanz- und Budgetfragen; Mitteilungen und Berichte über die Anwendung der Übereinkommen und Empfehlungen; Bezahlter Urlaub (erste Beratung) ; Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz (abschliessende Beratung) ; Mindestalter für die Zulassung zu Untertagarbeiten im Kohlenbergbau (zweite Beratung); Organisation und Tätigkeit der staatlichen Verwaltungszweige für Arbeitsfragen (allgemeine Aussprache) ; Erweiterung des Verwaltungsrates.

II. Verhandlungen und Beschlüsse der Konferenz 1. Bericht des Generalidrektors Der Bericht des Generaldirektors des Internationalen Arbeitsamtes, dessen Überblick über die aktuellen Wirtschafts- und sozialpolitischen Probleme jeweils der Konferenz Gelegenheit zu einer allgemeinen Aussprache bietet, befasste sich diesmal hauptsächlich mit der Steigerung der Produktivität und den damit zusammenhängenden Fragen. Der Verfasser des Berichtes betont die Wichtigkeit einer Produktionssteigerung, da die auf der Welt bestehenden wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten weitgehend auf ein Unterangebot von Gütern und Leistungen zurückzuführen seien. Der Bericht schildert überdies die allgemeine wirtschaftliche und soziale Entwicklung im Laufe des verflossenen Jahres sowie die im Gange befindlichen und die geplanten Arbeiten der Internationalen Arbeitsorganisation.

Mehr als 100 Redner nahmen an der Aussprache über den Bericht des Generaldirektors teil, worunter mehrere Arbeitsminister. Sie äusserten sich sozusagen zu allen Fragen der Sozial- und Wirtschaftspolitik, hauptsächlich zu dem im Mittelpunkt stehenden Problem der Produktivität und dem der technischen Hilfe an wirtschaftlich unentwickelte Länder, welche die Internationale Arbeitsorganisation nach wie vor stark beschäftigt.

2. Finanz- und Budgetfragen Das von der Konferenz unbestritten angenommene Ausgabenbudget der Internationalen Arbeitsorganisation für das Jahr 1954 beläuft sich auf 6 556 887 Dollars (1953: 6469085 Dollars). Preissteigerungen und zusätzliche Arbeiten der Organisation sind die hauptsächlichen Gründe dieses gegenüber dem Vorjahr erhöhten Finanzbedarfs. Der Beitrag der Schweiz beläuft sich wiederum auf 1,81 Prozent der Budgetsumme und erreicht 104 318 Dollars (1953: 96 226 Dollars).

1103 3. Mitteilungen und Berichte über die Anwendung der Übereinkommen und .

Empfehlungen Eine der wichtigsten Aufgaben der Internationalen Arbeitsorganisation bestellt in der Sorge um die Einhaltung der von den Mitgliedstaaten ratifizierten Übereinkommen, kommt es doch nicht darauf an, dass möglichst viele davon ratifiziert werden, sondern dass Gewähr besteht für die strenge, gewissenhafte Durchführung der ratifizierten Übereinkommen. Um eine wirksame Kontrolle darüber zu ermöglichen, bedarf es vor allem der pflichtgemässen jährlichen Berichterstattung der Staaten über die von ihnen ratifizierten Übereinkommen. Bedauerlicherweise niuss immer wieder festgestellt- werden, dass diese dem Internationalen Arbeitsamt zu erstattenden Berichte nicht oder nur unvollständig oder nicht in der vorgeschriebenen Form eingehen, oder dass die Zustellung nicht fristgerecht erfolgt. Auch dieses Jahr waren statt der geschuldeten 981 Berichte nur 268 rechtzeitig, d.h. bis zum 15. Oktober 1952; eingetroffen ; bis die Konferenz ihrem Ende entgegenging, war die Zahl allerdings auf 826 gestiegen. Solche Unregelmässigkeiten und Verspätungen beeinträchtigen den Wert der Berichterstattung und die Möglichkeit einer nützlichen Überprüfung der Berichte in bedeutendem Masse. So kann schon die Expertenkommission, die einige Monate vor Beginn der Arbeitskonferenz zusammentritt und der die Aufgabe einer ersten Durchsicht der Berichte zufällt, bevor die Konferenz sie behandelt, ihre Arbeit in Anbetracht des lückenhaften Materials nur unvollkommen durchführen.

Auch in bezug auf andere Verpflichtungen - Vorlage der von der Konferenz beschlossenen Übereinkommen und Empfehlungen an die zuständige Behörde, Berichterstattung über die nicht ratifizierten Übereinkommen und die Empfehlungen -- kommen manche Staaten den bestehenden Vorschriften nur ungenügend nach, und es bedarf der ständigen Wachsamkeit und Anstrengung der Konferenz, um eine Besserung dieser Verhältnisse herbeizuführen.

4. Bezahlter Urlaub An ihrer 20. Tagung vom Jahre 1936 hatte die Internationale Arbeitskonferenz ein durch eine Empfehlung ergänztes Übereinkommen über den bezahlten Jahresurlaub angenommen, das sich auf sämtliche Wirtschaftszweige^ mit Ausnahme der Landwirtschaft und der Schiffahrt bezog. Wir haben uns dazu einmal in unserem Bericht vom 24. März 1937
über die genannte Tagung (BEI 1937, I, 658)· und'weiterhin in unseren Berichten vom 28. April 1939' (BEI 1939, I, 767) und 5. Januar 1950 (BEI 1950, I, 31) ausgesprochen; in den beiden zuletzt genannten Berichten geschah dies im Zusammenhang mit den Postulaten Eobert .und Oltramare betreffend die Batifikation verschiedener internationaler Arbeitsüberemkommen durch die Schweiz. Dabei führten wir unter anderem aus, dass trotz ausgedehnter Ferienregelung .auf gesamtarbeitsvertraglicher Grundlage und vielfachen Ferienvorschriften in eidgenössischen

1104 und kantonalen Gesetzen ein gesetzlicher Ferienanspruch in der im Übereinkommen vorgesehenen umfassenden Form bei uns nicht bestehe und deshalb unser Land dem Übereinkommen nicht beitreten könne, Auch in andern Ländern zeigten sich ähnliche Schwierigkeiten, so dass bis dahin erst 18 Eatifikationen dea Übereinkommens vorliegen. Der Verwaltungsrat beschloss deshalb, die Frage des bezahlten Urlaubs abermals auf die Tagesordnung der Konferenz zu setzen zur Aufstellung einer neuen Empfehlung, welche die inzwischen erzielten Fortschritte im Gebiete der Feriengewährung berücksichtigten, gleichzeitig aber auch den Bedürfnissen der Mitgliedstaaten besser Eechnung tragen sollte.

Die Konferenz entschied sich dementsprechend für die Form einer Empfehlung und unterzog den ihr vom Amt unterbreiteten Entwurf einer eingehenden ersten Beratung. Die zweite Beratung, die an der diesjährigen Internationalen Arbeitskonferenz stattfand, führte zu einer neuen Empfehlung über den bezahlten Urlaub, auf die wir in unserem Bericht über die genannte Tagung eintreten werden. Was die Eevision des Übereinkommens betrifft, ersuchte die Konferenz von 1953 den Verwaltungsrat, die Frage auf die Tagesordnung einer der nächsten Konferenzen zu setzen.

5. Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz Nach einer ersten Beratung, an der Konferenz von 1952, worüber sich das Nähere in unserem Bericht vom 18. Dezember 1953 (BEI 1953, III, 985) findet, führten die abschliessenden Verhandlungen an der folgenden Tagung zur Annahme einer Empfehlung, nachdem ein Abänderungsantrag, die Frage in einem Übereinkommen mit ergänzender Empfehlung zu regeln, abgelehnt worden war. Die -- Empfehlung ( N r . 97) über den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz wurde mit allen Stimmen der anwesenden 194 Delegierten angenommen. Was ihren Inhalt und die Stellung betrifft, die wir ihr gegenüber einzunehmen beantragen, verweisen wir auf das weiter unten Gesagte. Auch ist der Wortlaut der Empfehlung in der Beilage abgedruckt.

Ausser der Empfehlung stimmte die Konferenz drei mit dem Gegenstand im Zusammenhang stehenden Eesolutionen zu. Die erste und zweite betreffen die Aufstellung internationaler und nationaler Listen anmeldepflichtiger Berufskrankheiten, während die dritte die Eegierungen einlädt, die Ausbildung von Arbeitsärzten zu
fördern und die Frage der Organisation des arbeitsärztlichen Dienstes zu prüfen. Auch soll erwogen werden, ob die zuletzt genannte Frage nicht als eigentlicher Verhandlungsgegenstand auf die Tagesordnung einer der nächsten Arbeitskonferenzen zu setzen sei.

1105 6. Mindestalter für die Zulassimg für Untertagarbeiten im Kohlenbergbau Auch die Beratungen über dieses Traktandum, das die Konferenz erstmals an der Tagung von 1952 behandelt hatte (siehe unsern letztjährigen Bericht, BEI 1953, III, 986), führte zur Annahme einer Empfehlung. Diese -- E m p f e h l u n g (Nr. 96) b e t r e f f e n d das Mind est al t er für die Zulassung zu U n t e r t a g a r b e i t e n im, Kohlenbergbau, über die wir uns weiter unten ausführlicher äussern und deren Wortlaut ebenfalls in der Beilage abgedruckt ist, -wurde mit 183 Stimmen ohne Gegenstimme und bei einer Enthaltung angenommen.

7. Organisation und Tätigkeit der staatlichen Verwaltungszweige für Arbeitsfragen Dieses Sachgebiet war der Konferenz nicht zur Ausarbeitung eines Übereinkommens oder einer Empfehlung, sondern lediglich zur allgemeinen Aussprache unterbreitet worden. Die hiefür eingesetzte Kommission hielt die Ergebnisse ihrer Beratungen in einer ausführlichen Denkschrift fest, die von der Konferenz einstimmig gutgeheissen wurde, wobei die Meinung bestand, dass die darin enthaltenen Anregungen und Schlussfolgerungen ohne jede rechtliche Verpflichtung dem einen oder andern Mitgliedstaat bei seinen Bestrebungen auf diesem Gebiete nützliche Dienste leisten könnten. Auch hierüber äussern wir uns eingehender im folgenden Abschnitt.

8. Erweiterung des Venvaltungsrates

:

Die Konferenz genehmigte eine Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation zu dem Zwecke, die Zahl der ordentlichen Mitglieder von 32 auf 40 zu erhöhen, wovon 20 (bisher 16) die Eegierungen und je 10 (bisher je 8) die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer zu vertreten hätten. Von den 20 die Eegierungen vertretenden Personen sollten 10 (bisher 8) durch die Mitgliedstaaten von «wirtschaftlich grösster Bedeutung» gewählt werden. -- Für alles Nähere verweisen wir auf unsere Botschaft vom 14. September 1953 betreffend die Genehmigung der ! Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation: (BEI 1953, III, 132).

( Gestützt auf die notwendige Zahl von Eatifikationen, worunter auch diejenige unseres Landes (siehe AS 1954, 567), wurde die von'der Konferenz beschlossene Verfassungsänderung rechtswirksam, so dass die; Neuwahl des Verwaltungsrates, welche die diesjährige Internationale Arbeitskonferenz turnusgemäss vorzunehmen hatte, auf Grund der neuen Bestimmungen stattfinden : konnte.

· .

9'..Resolutionen

' '

·.

Ausser den Eesolutionen, die auf die Konferenztraktanden Bezug hatten und von denen, schon die Eede war, nahm die Konferenz noch zwei weitere Eesolutionen an. Die eine bezieht sich auf die unentwickelten Länder und er-

1106 sucht den Generaldirektor, den Generalsekretär der Vereinten Nationen auf die Notwendigkeit einer Lösung gewisser für das Wirtschaftsleben dieser Länder besonders wichtiger Probleme aufmerksam zu machen. Die zweite betrifft den Arbeitsschutz und die Lebensbedingungen der Jugendlichen und ersucht den Verwaltungsrat, die auf diesem Gebiete sich stellenden Fragen weiter zu verfolgen.

III. Stellungnahme der Schweiz zu den hauptsächlichen Konferenzbeschlüssen 1. Empfehlung (Nr. 96) betreffend das Mindestatier für die Zulassung zu Untertagarbeiten im Kohlenbergbau a. Inhalt der Empfehlung Nach der Empfehlung sollen Jugendliche unter 16 Jahren im Kohlenbergbau untertage überhaupt nicht beschäftigt werden, während Jugendliche im Alter von über 16, aber unter 18 Jahren, nur zuzulassen sind a. für Lehrzwecke oder eine andere systematische Berufsausbildung, unter Aufsicht geeigneter beruflich erfahrener Personen, oder b. unter bestimmten von der zuständigen Behörde nach Anhörung der beteiligten Berufsverbände festgesetzten Bedingungen, die sich auf die Art des Arbeitsplatzes und der Beschäftigung sowie auf die systematische Überwachung von Gesundheit und Sicherheit der jugendlichen Arbeitnehmer beziehen.

6. Stellungnahme der Schweiz · Die Schweiz ist schon vor langem weitergegangen, als die Empfehlung es verlangt, indem sie bereits in der Bergwerksordnung vom 16. Juli 1943 und dann mit Bundesratsbeschluss vom 15. Dezember 1947 betreffend das Verbot der Beschäftigung von Jugendlichen und weiblichen Personen bei Untertagarbeiten in Bergwerken (AS 63, 1308) die Beschäftigung von Personen beiderlei Geschlechts unter 18 Jahren nicht nur in Kohlengruben, sondern in allen Bergwerken überhaupt als unzulässig erklärt hat. Die Empfehlung gibt uns deshalb zu kernen weiteren Massnahmen Anlass.

2. Empfehlung (Nr. 97) betreffend den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz a. Inhalt der E m p f e h l u n g In Abschnitt I werden die technischen Massnahmen aufgeführt, die zur Vermeidung von Berufskrankheiten getroffen werden sollten: Ordnung in genügend grossen, hellen und richtig durchlüfteten Arbeitsräumen; sanitarische Einrichtungen; soweit als möglich Ergatz von gefährlichen Stoffen und Arbeitsverfahren durch weniger gefährliche. Der Abschnitt II sieht medizinische Eintrittsuntersuchungen und periodische Untersuchungen der besonders gefährdeten Arbeiter vor, um das Auftreten von Berufskrankheiten zu verhüten, wobei

1107 die Arbeiter weder die Untersuchungskosten tragen noch Lohneinbusse erleiden sollten. Nach Abschnitt III soll die Gesetzgebung ein Meldesystem für die '· Berufskrankheiten errichten, damit wirksame Verhütungs- und Schutzmassnahmen getroffen werden können. Schliesslich verlangt Abschnitt IV, dass an den Arbeitsplätzen Hilfsmittel für die erste Pflege bei Unfällen und Krankheiten vorhanden sind.

*6. Stellungnahme der Schweiz Abschnitt I: In der Schweiz werden die verlangten Schutzmassnahmen, soweit es sich um die Verhütung von Berufskrankheiten und Unfällen handelt, von der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt auf Grund von Artikel 65 des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung in der Eegel durch Einzelweisungen angeordnet, ferner bestehen zur Verhütung von Berufskrankheiten verschiedene Verordnungen. In bezug auf die Hygiene in den Fabriken, so die Ordnung in den Arbeitsräumen, deren Beleuchtung, atmosphärische Verhältnisse, sanitäre Anlagen usw., werden die Betriebe von den eidgenössischen Fabrikinspektoraten und den kantonalen Aufsichtsorganen überwacht. Die bauliche Gestaltung der Fabriken unterliegt.dem Plangenehrnigungsverfahren.

Zu Abschnitt II: Für Silikosegefährdete und für Caissonarbeiter sehen Verordnungen ärztliche Eintritts- und Nachuntersuchungen vor. Bei dem verhältnismässig hohen Stand der Hygiene und der Gesundheitsvorsorge in der Schweiz wurde es bisher nicht als nötig befunden, noch weitere Arbeiten unter ein besonderes Regime obligatorischer ärztlicher Untersuchungen zu stellen.

Zu Abschnitt III: Ein eigentliches Meldeverfahren, wie es in der Empfehlung vorgesehen ist, kennen wir nicht. Dagegen kommen die Berufskrankheiten ohne, weiteres zur Kenntnis der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt durch die Meldungen von Erkrankungen, die ihr zur Erhältlichmachung der Leistungen zugehen. Das entsprechende Meldeformular enthält alle Fragen im Sinne der Empfehlung; dieses erlaubt die Erstellung von Statistiken, auf Grund derer, die notwendigen Verhütungsmassnahinen getroffen werden können.

; Zu Abschnitt IV: Sowohl die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt als auch die Fabrikinspektoren dringen bei den Betriebsinhabern auf die Verwendung sogenannter Hausapotheken und die Schaffung von Sanitätsposten.

Praktisch ist in allen Betrieben
von einiger Bedeutung für die erste Pflege und erste Hilfe gesorgt.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die schweizerischen Verhältnisse in bezüg auf den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz im wesentlichen der Empfehlung entsprechen, so dass bei uns kein Anlass zu besondern Massnahmen besteht.

1108 3. Denkschrift über die Organisation und Tätigkeit der staatlichen Verwaltungsstellen für Arbeitsfragen a. Inhalt der Denkschrift Was die Denkschrift bezweckt, bringt sie selber in folgenden Worten zum · Ausdruck: Die Forderung nach dem Bestehen einer nationalen Arbeitsbehörde ergibt sich daraus, dass für die Durchführung der Arbeits- und Sozialgesetzgebung, für die Verwirklichung der Sozialpolitik der Regierung, für die Prüfung und Lösung sozialer Fragen, für die fortschreitende Verbesserung der Arbeitsbedingungen, für die Herbeiführung und Aufrechterhaltung der Vollbeschäftigung und für die Erhaltung des Arbeitsfriedens eine selbständige Stelle (Arbeitsamt oder -département im weitesten Sinne) nötig ist. Diese Stelle muss über ein qualifiziertes, ausreichendes Personal und über genügende administrative Mittel verfügen, um sich wirksam und unparteiisch ihrer Aufgabe widmen zu können.

Die Behörde soll die Regierung auf dem laufenden halten, sie in ihrer Sozialpolitik und Sozialgesetzgebung beraten, diese Gesetzgebung durchführen und mit anderen Behörden, Departementen oder Ämtern bei Massnahmen, welche die Vollbeschäftigung, die Arbeitsverfassung, den Arbeitsfrieden usw. betreffen, zusammenarbeiten, unter regelmässiger Anhörung der Organisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer.

Eingehend werden sodann die Tätigkeitsgebiete dieser Behörde behandelt, wie Arbeitnehmerschutz, Arbeitsverfassung oder -statut, Arbeitbedingungen, die Probleme des Arbeitsmarktes und die soziale Sicherheit. Ferner wird ihre Mitwirkung bei Aufgaben in verwandten Gebieten, wie Aus- und Einwanderung, Genossenschaftswesen, Arbeiterwohnungsbau, Arbeits- und Lebensbedingungen, in der Landwirtschaft und andern Erwerbszweigen, des weitern bei Behandlung nicht-militärischer Gesichtspunkte innerhalb nationaler Militärdienstprogramme sowie bei Massnahmen des Bildungswesens und der Freizeitbenützung in Betracht gezogen. Selbstverständlich fallen in diesen Zusammenhang auch die Fragen der Arbeitsaufsicht, der Arbeitsstatistik und die damit verbundenen Verwaltungsprobleme in Bundesstaaten. Ebenso werden Vorschläge gemacht in bezug auf die Organisation der Arbeitsbehörde, ihre Personalpolitik und die Mittel, ihr Wirken in der breiten Öffentlichkeit bekanntzumachen, und schliesslich bezüglich des Ausbaus der zwischenstaatlichen Beziehungen dieser Stellen.

b. Stellungnahme der Schweiz Wie schon oben bemerkt, ergibt sich aus dieser Denkschrift für die Mitgliedstaaten der Internationalen Arbeitsorganisation keinerlei Verpflichtung. Wir haben deshalb auch nicht wie zu einem Übereinkommen oder einer Empfehlung Stellung zu nehmen. Indessen wird sich unser Land da, wo auf gesetzlichem, organisatorischem oder auch rein technischem Wege Neuerungen auf den Gebieten getroffen werden sollen, auf die sich die Denkschrift bezieht, die darin enthaltenen Anregungen, soweit sie bei uns einer Notwendigkeit entsprechen, zunutze machen.

:

1109

IV. Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Vorlage der Übereinkommen und Empfehlungen an die zuständige Behörde Entsprechend der durch die Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation den Mitgliedstaaten auferlegten Verpflichtung, die von der Internationalen Arbeitskonferenz aufgestellten "Übereinkommen und Empfehlungen ein Jahr oder keinesfalls später als 18 Monate nach Schluss der Konferenz der zur Entscheidung berufenen Behörde zu unterbreiten, erstatten wir Ihnen den vorliegenden Bericht. Die Notwendigkeit, die vom Internationalen Arbeitsamt in Verbindung mit den beteiligten Regierungen besorgte deutsche Übersetzung der französisch und englisch abgefassten Originaltexte abzuwarten, ist wiederum der Grund, weshalb wir für unsern Bericht von der verlängerten Frist von 18 Monaten Gebrauch machen mussten.

Wir empfehlen Ihnen, unsern Ausführungen zuzustimmen, und versichern Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 26. November 1954.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Rubatici 1865

Der Bundeskanzler: Ch. Oser

1110

Sechsunddreissigste Tagung der

Internationalen Arbeitskonferenz

Empfehlungen Die nachstehend abgedruckten deutschen Texte bilden die in Übereinstimmung mit Artikel 42 der Geschäftsordnung der Internationalen Arbeitskonferenz angefertigten offiziellen Übersetzungen der französischen und englischen Urtexte.

Empfehlung (Nr. 96) betreffend das Mindestalter für die Zulassung zu Untertagarbeiten im Kohlenbergbau Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 4. Juni 1953 zu ihrer sechsunddreissigsten Tagung zusammengetreten ist, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend das Mindestalter für die Zulassung zu Untertagarbeiten im Kohlenbergbau, eine Frage, die den sechsten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 19. Juni 1953, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend das Mindestalter (Kohlenbergbau), 1953, bezeichnet wird.

Die Konferenz empfiehlt den Mitgliedern, die folgenden Bestimmungen anzuwenden, sobald es die Verhältnisse in ihrem Lande gestatten, und dem Internationalen Arbeitsamt entsprechend den Beschlüssen des Verwaltungsrates über die zu ihrer Verwirklichung getroffenen Massnahmen zu berichten.

1. Jugendliche unter sechzehn Jahren sollten im Kohlenbergbau bei Untertagarbeiten nicht beschäftigt werden.

2. Jugendliche, die ein Alter von sechzehn, aber noch nicht von achtzehn Jahren erreicht haben, sollten im Kohlenbergbau bei Untertagarbeiten nicht beschäftigt werden, ausgenommen a. zum Zwecke der Lehrlingsausbildung oder einer andern systematischen Berufsausbildung, die unter entsprechender Beaufsichtigung durch geeignete Personen mit technischer und praktischer Berufserfahrung durchgeführt wird, oder

lili . &. unter Bedingungen, die von der zuständigen Stelle nach Anhörung der beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände festgelegt werden und die sich auf die zulässigen Arbeitsplätze und Beschäftigungsarten sowie auf die für eine systematische Überwachung der Gesundheit und der Sicherheit der jugendlichen Arbeitnehmer anzuwendenden Massnahmen beziehen.

Empfehlung (Nr. 97) betreffend den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz .

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 4. Juni 1953 zu ihrer sechsunddreissigsten Tagung zusammengetreten ist, hat'beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz, eine Frage, die den fünften Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 25. Juni 1953, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer, 1953, bezeichnet wird.

I. Technische Schutzmassnahmen gegen Gefahren für die Gesundheit der Arbeitnehmer 1. Die innerstaatliche Gesetzgebung sollte Bestimmungen über Massnahmen zur Verhütung, Verminderung oder Beseitigung von Gefahren für die Gesundheit am Arbeitsplatz vorsehen, einschliesslich der Massnahmen, deren Anwendung notwendig und angebracht sein kann, soweit die Gesundheit der Arbeitnehmer besonderen Gefahren ausgesetzt ist.

2. Der Arbeitgeber sollte alle geeigneten Massnahmen i treffen, damit die allgemeinen Bedingungen am Arbeitsplatz ausreichenden Schutz für die Gesundheit der in Betracht kommenden Arbeitnehmer gewährleisten und damit insbesondere a. Schmutz und Abfall sich nicht in einem die Gesundheit gefährdenden Masse ansammeln, b. Bodenfläche und Höhe der Arbeitsräume ausreichend sind, uni zu verhindern, dass die Räume mit den darin beschäftigten Arbeitnehmern überfüllt oder durch Maschinen, Materialien oder Fertigwaren verstellt werden, c. ausreichende und zweckentsprechende Beleuchtung durch natürliches oder künstliches Licht oder durch beides zusammen vorhanden ist, d. geeignete atmosphärische Verhältnisse sichergestellt sind, so dass ungenügende Luftzufuhr und -bewegung, verbrauchte Luft, schädliche Zugluft, plötzliche Temperaturschwankungen und, soweit durchführbar, überniässige Feuchtigkeit, übermässige Hitze oder Kalte und unangenehme Gerüche vermieden werden,

1112 e. ausreichende und zweckentsprechende sanitäre Anlagen und Waschgelegenheiten und eine genügende Versorgung mit einwandfreiem Trinkwasser an geeigneten Stellen eingerichtet und gut instandgehalten werden, /. in Fällen, in denen die Arbeitnehmer bei Arbeitsbeginn und Arbeitsschluss ihre Kleider wechseln müssen, Umkleideräume oder andere geeignete Einrichtungen für den Wechsel und die'Aufbewahrung der Kleidung zur Verfügung gestellt und gut instandgehalten werden, g. in Fällen, in denen es den Arbeitnehmern nicht gestattet ist, am Arbeitsplatz zu essen oder zu trinken, auf dem Werksgelände geeignete Bäume zur Einnahme von Mahlzeiten vorhanden sind, wenn nicht zweckentsprechende Vorkehrungen getroffen worden sind, damit die Arbeitnehmer ihre Mahlzeiten anderswo einnehmen können, h. Erschütterungen und Lärm, die eine Gefahr für die Gesundheit der Arbeitnehmer bilden, nach Möglichkeit ausgeschaltet oder vermindert werden, i. gefährliche Stoffe sicher gelagert werden.

3. (1) Zur Verhütung, Verminderimg oder Beseitigung der Gefahren für die Gesundheit am Arbeitsplatz sollten alle geeigneten und durchführbaren Massnahmen getroffen werden, um a. schädliche Stoffe, Arbeitsvorgänge oder Arbeitsverfahren durch unschädliche oder weniger schädliche zu ersetzen, b. das Freiwerden schädlicher Stoffe zu verhindern und die Arbeitnehmer vor schädlichen Strahlen zu schützen, c. gefährliche Arbeiten in abgesonderten Bäumen oder Gebäuden auszuführen, in denen sich möglichst wenig Arbeitnehmer aufhalten, d. gefährliche Arbeiten in geschlossenen Einrichtungen auszuführen, damit eine Berührung von Personen mit gefährlichen Stoffen sowie das Entweichen von Stauben, Bauchen, Gasen, Fasern, Dämpfen oder Nebeln in gesundheitsschädlichen Mengen in die Luft des Arbeitsraumes vermieden werden, e. schädliche Staube, Bauche, Gase, Fasern, Dämpfe oder Nebel an oder nahe ihrer Entstehungsstelle durch mechanische Absaugung, Lüftungseinrichtungen oder sonstige geeignete Vorkehrungen zu beseitigen, wenn es nicht auf einem oder mehreren oder unter a bis d genannten Wege möglich ist, zu verhindern, dass Arbeitnehmer ihnen ausgesetzt sind, /. die Arbeitnehmer zum Schutz vor schädlichen Einwirkungen mit der erforderlichen Schutzkleidung, Schutzausrüstung und sonstigen persönlichen Schutzmitteln auszustatten, soweit andere Massnahmen
für den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer gegen diese Einwirkungen undurchführbar sind oder keinen ausreichenden Schutz gewährleisten, und um die Arbeitnehmer im Gebrauch der genannten Schutzmittel zu unterweisen.

(2) Soweit der Gebrauch der im vorstehenden Unterabsatz l / bezeichneten Schutzkleidung oder -ausrüstung wegen der mit der Arbeit verbundenen besonderen Gefahren erforderlich ist, sollte diese Kleidung oder Ausrüstung durch

1113

den Arbeitgeber bereitgestellt, gereinigt und instandgehalten werden. Soweit diese Schutzkleidung oder -ausrüstung durch giftige oder gefährliche Stoffe verunreinigt werden kann, sollte sie immer dann, wenn sie nicht bei der Arbeit getragen oder wenn sie durch den Arbeitgeber gereinigt oder instandgehalten wird, an einem völlig abgesonderten Ort aufbewahrt werden, wo sie die gewöhnliche Kleidung des Arbeitnehmers nicht verunreinigen kann.

(3) Die innerstaatlichen Stellen sollten Untersuchungen über die im Unterabsatz l dieses Absatzes bezeichneten Massnàhmen fördern und gegebenenfalls selbst durchführen sowie die Verwertung der Ergebnisse dieser Untersuchungen unterstützen. Derartige Untersuchungen sollten auch von den Arbeitgebern freiwillig durchgeführt werden.

4. (1) Die Arbeitnehmer sollten unterrichtet werden a. über die Notwendigkeit der in den vorstehenden Absätzen 2 und 3 erwähnten Schutzmassnahmen, b. über ihre Verpflichtung, bei der einwandfreien Durchführung dieser Massnahmen mitzuarbeiten und sie nicht zu behindern, . c. über ihre Verpflichtung, von den ihnen zur Verfügung gestellten Schutzgeräten und -ausrüstungen zweckentsprechenden Gebrauch zu machen.

(2) Beratungen mit den Arbeitnehmern über die zu treffenden Massnàhmen sollten als ein wichtiges Mittel angesehen werden, um deren Mitarbeit herbeizuführen.

5. (1) Die Luft der Arbeitsräume, in denen mit gefährlichen oder schädlichen Stoffen umgegangen wird oder solche Stoffe hergestellt oder verwendet werden, sollte regelmässig in genügend kurzen Zeitabständen untersucht werden, um sicherzustellen, dass sie keine giftigen oder Beiz auslösenden Staube, Rauche, Gase, Pasern, Dämpfe oder Nebel in Mengen enthält, die gesundheitsschädigend wirken können. Die zuständigen Stellen sollten von Zeit zu Zeit die verfügbaren Angaben über den zulässigen Höchstgehalt schädlicher Stoffe als Anhaltspunkte für alle Beteiligten veröffentlichen.

' , (2) Die mit dem' Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz betraute Stelle sollte ermächtigt sein, die Umstände, unter denen es erforderlich ist, die Luft in den oben genannten Arbeitsräurnen zu untersuchen, und die Art und Weise der Durchführung dieser Untersuchungen näher zu bestimmen.

Diese Untersuchungen sollten von Fachkräften, gegebenenfalls ärztlichen Fachkräften mit Erfahrungen in der
Arbeitsmedizin, durchgeführt oder überwacht werden.

· 6. Die zuständige1 Stelle sollte durch alle geeigneten Massnàhmen, zum Beispiel durch Warnungsaufschriften am Arbeitsplatz, die Aufmerksamkeit der in Betracht kommenden Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die den Arbeitnehmern drohenden besonderen Gefahren und die dagegen zu treffenden Vorsichtsmassnahmen lenken.

· 7. Die zuständige Stelle sollte Beratungen auf gesamtstaatlicher Ebene zwischen der Arbeitsaufsichtsbehörde oder einer sonstigen für den Gesundheits-

1114 schütz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz zuständigen Stelle und den beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden vorsehen, um den Bestimmungen der Absätze 2, 3, 4, 5 und 6 Geltung zu verschaffen.

II. Ärztliche Untersuchungen 8. (1) Die innerstaatliche Gesetzgebung sollte besondere Bestimmungen über ärztliche Untersuchungen der Arbeitnehmer enthalten, die mit besonders gesundheitsgefährlichen Arbeiten beschäftigt sind.

(2) Die Beschäftigung von Arbeitnehmern mit besonders gesundheitsgefährlichen Arbeiten sollte abhängig gemacht werden von a. einer ärztlichen Untersuchung, die kurz vor oder nach der Einstellung des Arbeitnehmers durchgeführt wird, oder b. einer regelmässig wiederkehrenden ärztlichen Untersuchung oder c. beiden unter a und b genannten Untersuchungen.

(3) Die innerstaatliche Gesetzgebung oder eine von ihr dazu ermächtigte geeignete Stelle sollte nach Anhörung der beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände von Zeit zu Zeit bestimmen, a. bei welchen Gefahren und unter welchen Umständen ärztliche Untersuchungen durchgeführt werden sollten, b. bei welchen Gefahren eine ärztliche Einstellungsuntersuchung oder eine regelmässig wiederkehrende ärztliche Untersuchung oder beide stattfinden sollten, c. in welchen höchstzulässigen Zeitabständen regelmässig wiederkehrende ärztliche Untersuchungen durchgeführt werden sollten, wobei Art und Grad der Gefahr und die besonderen Umstände gebührend zu berücksichtigen sind.

9. Ärztliche Untersuchungen im Sinne des vorstehenden Absatzes sollten durchgeführt werden, um a. möglichst früh Anzeichen einer. bestimmten Berufskrankheit oder einer besonderen Anfälligkeit für eine solche Krankheit zu entdecken, 5. bei vorliegender Gefahr einer solchen Berufskrankheit festzustellen, ob ärztliche Bedenken gegen die Beschäftigung oder Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers mit gewissen Arbeiten bestehen.

10. (1) Soweit bei vorliegender Gefahr einer bestimmten Berufskrankheit keine ärztlichen Bedenken gegen die Beschäftigung eines Arbeitnehmers mit gewissen Arbeiten bestehen, sollte eine entsprechende Bescheinigung in der von der zuständigen Stelle vorgeschriebenen Art und Weise ausgestellt werden.

(2) Diese Bescheinigung sollte vom Arbeitgeber aufbewahrt und zur Verfügung der Beamten der Arbeitsauf Sichtsbehörde oder einer sonstigen für den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz zuständigen Stelle gehalten werden.

1115 (3) Diese Bescheinigung sollte auch zur Verfügung des betreffenden Arbeitnehmers gehalten werden.

11. Die ärztlichen Untersuchungen sollten durch einen geeigneten Arzt durchgeführt werden, der soweit wie möglich Kenntnisse in der Arbeitsmedizin besitzen sollte.

, 12. Bei allen ärztlichen Untersuchungen und bei der Führung und Aufbewahrung der hierauf bezüglichen Unterlagen sollten Massnahmen zur Wahrung des ärztlichen Berufsgeheimnisses getroffen werden.

13. (1) Die ärztlichen Untersuchungen im Sinne dieser Empfehlung sollten für den in Betracht kommenden Arbeitnehmer mit keinerlei Auslagen verbunden sein.

(2) Für die infolge solcher Untersuchungen ausgefallene Arbeitszeit sollte in den Fällen, in denen die Frage durch die innerstaatliche, Gesetzgebung geregelt ist, kein Lohnabzug vorgenommen werden; in,.den Fällen, in denen die Frage durch Gesamtarbeitsverträge geregelt ist, sollten die Bestimmungen des mass'gebenden Vertrags gelten.

III. Meldung von Berufskrankheiten 14. (1) Die innerstaatliche Gesetzgebung sollte die Meldung, der festgestellten Fälle und der Verdachtsfälle von Berufskrankheiten vorschreiben.

(2) Diese Meldung sollte verlangt werden, um a. Verhütungs- und Schutzmassnahmen einzuleiten und deren wirksame Durchführung sicherzustellen, b. die Arbeitsbedingungen und sonstigen Umstände, die tatsächlich oder vermutlich Berufskrankheiten verursacht haben, zu untersuchen, c. Statistiken über Berufskrankheiten aufzustellen, d. die Einleitung oder den Ausbau von Massnahmen zu ermöglichen, die dazu bestimmt sind, den Opfern von Berufskrankheiten die dafür vorgesehene Entschädigung zu gewährleisten.

(3) Die Meldung sollte der Arbeitsaufsichtsbehörde oder einer sonstigen mit dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz betrauten - Stelle erstattet werden.

' , 15. Die innerstaatliche Gesetzgebung sollte a. die Personen näher bestimmen, denen die Meldung der festgestellten Fälle und der Verdachtsfälle von Berufskrankheiten obliegt, &. die Art und Weise der Meldung solcher Fälle von Berufskrankheiten und die zu meldenden Einzelheiten vorschreiben und insbesondere näher bestimmen, i) in welchen Fällen sofortige Meldung zu erstatten ist und in welchen Fällen eine Meldung in bestimmten Zeitabständen genügt, ü) in Fällen mit sofortiger Meldepflicht, innerhalb welcher Frist nach Feststellung eines Falls oder eines Verdachtsfalls einer Berufskrankheit die Meldung zu erstatten ist,

1116 iii) in Fällen, in denen eine Meldung in bestimmten Zeitabständen genügt, innerhalb welcher Zeitabstände die Meldung zu erstatten ist.

16. Die Meldung sollte der mit dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz betrauten Stelle die Angaben liefern, die für eine wirksame Ausübung ihrer Aufgaben zweckdienlich oder notwendig sein können, insbesondere die folgenden Einzelheiten: a. Alter und Geschlecht des Betreffenden, b. Beruf und Gewerbe oder Wirtschaftszweig, in dem der Betreffende beschäftigt ist oder zuletzt beschäftigt war, c. Name und Adresse des Betriebs, in dem der Betreffende beschäftigt ist oder zuletzt beschäftigt war, d. Art der Krankheit oder der Vergiftung, e. die Art der schädlichen Einwirkung und der Tätigkeit, auf welche die Krankheit oder die Vergiftung zurückgeführt wird, /. Name und Adresse des Betriebs, in dem der Arbeitnehmer nach seiner Ansicht der Gefahr ausgesetzt war, auf welche die Krankheit oder die Vergiftung zurückgeführt wird, g. soweit es der die Meldung erstattenden Person bekannt ist oder von ihr leicht festgestellt werden kann, den Zeitpunkt des Beginns und gegebenenfalls des Endes der Gefährdung in jedem der Berufe, Gewerbe oder Wirtschaftszweige, in denen der betreffende Arbeitnehmer der Gefahr ausgesetzt war oder ist.

17. Die zuständige Stelle sollte nach Anhörung der beteiligten Arbeitgeberund Arbeitnehmerverbände eine Liste der meldepflichtigen Berufskrankheiten oder Krankheitsgruppen unter Angabe der Symptome aufstellen und daran von Zeit zu Zeit die nach den Umständen erforderlichen oder wünschenswerten Änderungen vornehmen.

IV. Erste Hilîe 18. (1) Vorkehrungen für Erste Hilfe und Notbehandlung bei einem Unfall, einer Berufskrankheit, einer Vergiftung oder einer Unpässlichkeit sollten am Arbeitsplatz vorgesehen sein.

(2) Die innerstaatliche Gesetzgebung sollte die Art und Weise bestimmen, in welcher der vorstehende Unterabsatz angewendet wird.

V. Allgemeine Bestimmung 19. Soweit in dieser Empfehlung der Ausdruck «innerstaatlich» in Verbindung mit Gesetzgebung oder Stellen verwendet wird, ist er im Falle eines Bundesstaates so zu verstehen, dass er sich sowohl auf den Bund als auch auf das Land, die Provinz, den Kanton oder eine sonstige Einheit des Bundesstaates beziehen kann.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die 36. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz (Vom 26. November 1954)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1954

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

48

Cahier Numero Geschäftsnummer

6745

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

02.12.1954

Date Data Seite

1101-1116

Page Pagina Ref. No

10 038 846

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.