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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Erstellung einer Schulwandkarte der Schweiz.

(Vom 20. März 1893.)

Tit.

Seit vor fünfzig Jahren H. Keller in Zürich und J. M. Ziegler in Winterthur ihre ,,Wandkarten der Schweiz im Maßstab l : 200,000" herausgaben und dieselben als erste Werke dieser Art auch in die Schulen einführten, ist kein erwähnenswerter Versuch gemacht worden, eine specielle Schulwandkarte zu erstellen.

Dies scheint um so befremdender, als während dieses Zeitraums die Landeskunde als Schulfach immer mehr Bedeutung erlangt und anderseits die Technik der Kartographie große Fortschritte aufzuweisen hat. Mit der Ausbildung der geographischen Lehrfächer in stofflicher und methodischer Richtung hat sich auch das Bedürfnis nach vollkommeneren Anschauungsmitteln geltend gemacht.

Einige Kantone sind demselben entgegengekommen und haben mit großen finanziellen Opfern Schulwandkarten ihrer Gebiete erstellen lassen. Ein solches Werk für das Gebiet der ganzen Schweiz zu beschaffen, konnte in Anbetracht der großen Kosten einem einzelnen Kanton nicht zugemutet werden. Es lag nahe, für diese interkantonale Aufgabe den Bund zu interessieren.

In der That wurde im Jahr 1885 das Gesuch an das eidgenössische Militärdepartement gestellt, es möchte durch das topographische Bureau eine Schulwandkarte der Schweiz erstellen lassen.

Dasselbe wurde jedoch mit der Begründung abgewiesen, daß das Gebiet der Schulkarten der Privatindustrie erhalten bleiben müsse.

1020 Diesen Grundsatz hat auch der schweizerische Ingenieur- und Architektenverein durch seine Delegiertenversammlung im Jahr 1890 ausgesprochen.

Die Privatindustrie, welche wohl befähigt wäre, allen Anforderungen in Bezug auf eine gute Schulkarte zu genügen, hat nicht versäumt, die Sache an die Hand zu nehmen ; allein die nähern Untersuchungen ergaben mit Sicherheit, daß wegen des beschränkten Absatzgebietes eine Rentabilität des Unternehmens nicht zu erwarten sei. Daher wandten sich im Juli 1891 die Verlagshandlung Schmid, Francke & Cie. mit Gebrüder Kümmerly in Bern, sodann im September des gleichen Jahres die kartographische Anstalt Schlumpf, vormals Randegger, in Winterthur, an das eidgenössische Departement des Innern mit den Gesuchen um Gewährung von Beiträgen an die Kosten der Erstellung einer Schulwandkarte der Schweiz, damit dieselbe zu billigem Preise an die Schulen abgegeben werden könne.

Diese Petitionen gaben Veranlassung zu einer gründlichen Untersuchung der ganzen Angelegenheit. Es handelte sich dabei weniger um Erwägungen, ob und in welcher Form die Bundesverfassung eine Unterstützung dieser Sache durch die Eidgenossenschaft gestatte, als vielmehr um die Prüfung, ob eine innere Notwendigkeit für das Eingreifen des Bundes vorhanden sei.

Eine Reihe von Fragen, teils pädagogischer, teils technischer Natur, wurden durch Fachmänner erörtert und entschieden.

In Übereinstimmung erklären sowohl Pädagogen, wie Kartographen, daß die vorhandenen Wandkarten der Schweiz den heutigen Anforderungen an den Unterricht in der Landeskunde nicht genügen.

Dies gilt namentlich in Bezug auf die Darstellungsweise des Terrains, welches zu schematisch behandelt ist und deswegen das Vorstellungsvermögen des Schülers in zu wenig präciser Weise unterstützt.

Die Auswahl der dargestellten Ortschaften, der Kommunikationen und der Namen ist mehr für Bureauzwecke als für die Schule getroffen. Dies erklärt sich leicht aus dem Umstände, daß die Verleger auch auf den Absatz der Karte außer der Schule angewiesen sind. In dem Bestreben, mit der Karte möglichst vielerlei Bedürfnissen zu genügen, ist den Forderungen eines methodischen Unterrichtes so wenig Rechnung getragen worden, daß von eigentlichen Schulkarten nicht gesprochen werden kann.

In dieser Beziehung ist die Schweiz von andern Ländern überflügelt,
was auf der geographischen Ausstellung in Bern im Jahr 1891 leicht nachzuweisen war. Und doch ist nicht zu verkennen, daß bei uns der Unterricht in der Landeskunde wegen der Mannigfaltigkeit

1021 der topographischen Verhältnisse besondere Schwierigkeiten bietet, deren Überwindung wesentlich durch tüchtige geographische Anschauungsmittel ermöglicht wird.

Von der Schulwandkarte der Schweiz muß in erster Linie verlangt werden, daß das Terrainbild in plastischer Weise zum Ausdruck gelange, und daß bei der Sichtung des zur Darstellung gelangenden Stoffes einzig die Bedürfnisse des Schulunterrichtes maßgebend seien. Eine klare, zusammenfassende und übersichtliche Behandlung des Gesamtinhaltes ist anzustreben. Das schroffe Hervortreten von Einzelheiten ist zu vermeiden; immerhin sollen die wichtigeren Signaturen auf Distanz lesbar sein. Für jedes Gebiet ist nur die dort herrschende Landessprache anzuwenden. Der Maßstab der Karte soll l : 200,000 sein.

Sind diese und weitere Forderungen einmal aufgestellt, so müssen auch Garantien für. deren richtige Ausführung geboten werden. Die Auswahl und Darstellungsweise der Kartenobjekte zu bestimmen, ist Sache einer Redaktionskommission, welche auch die Erstellung zu tiberwachen hat. Was die technische Ausführung betrifft, so beweisen die von zwei schweizerischen Firmen vorgelegten Modelle einer zukünftigen Schulkarte, daß ein hervorragendes Werk geschaffen werden kann.

Wenn in dieser Beziehung kein Zweifel in den Erfolg des Unternehmens gesetzt werden kann, so ist das Gegenteil der Fall in Bezug auf die Finanzfrage, für welche die Kosten der Erstellung und des buchhändlerischen Vertriebes, sowie die Größe des Absatzes in Betracht gezogen werden müssen. Bezügliche Berechnungen ergeben, daß bei einem Absatz von total 2000 Exemplaren während fünf Jahren ein Verkaufspreis von 27--32 Fr. für die unaufgezogene und von 35--40 Fr. für die aufgezogene Karte angenommen werden müßte.

Diese Preise sind so hoch, daß dabei von einer allgemeinen Verbreitung der Karte in den Schulen keine Eede sein kann.

Eine Reduktion obiger Verkaufspreise mit der Absicht, den Absatz zu steigern, würde das Risiko des Unternehmens zu sehr erhöhen. Denn es ist nicht zu übersehen, daß die Verleger der schon vorhandenen Wandkarten den Konkurrenzkampf leicht auf-, nehmen können, indem sie ihre jetzigen Preise von 14, resp. 20 Fr.

auch erniedrigen. Die allgemeine Erfahrung, daß das Billige dem Teuern und Bessern vorgezogen wird, gilt auch auf dem Gebiete der Lehrmittel.

Der Zweck einer Hebung des Unterrichtes in der Landeskunde würde also durch die Herausgabe einer guten Schulkarte nur sehr

1022 unvollkommen erreicht werden, wenn nicht durch Subventionierung des Unternehmens deren allgemeine Einführung in die Schulen ermöglicht wird.

Die Beschaffung der allgemeinen Lehrmittel ist Aufgabe der Kantone, und so wäre es auch ihre Sache, Subventionen filr die Schweizerkarte zu gewähren. Es ist indessen zu bedenken, daß die Kantone in erster Linie die Karten für ihre engern Gebiete zu erstellen haben. Bei denselben fällt der buchhändlerische Vertrieb wegen der kleinen Absatzgebiete gar nicht in Betracht, so daß die Erstellungskosten ganz den Kantonen zufallen. Zur Bemessung der Höhe derselben führen wir beispielsweise an: Die Schulwandkarte GraubUndens, im Maßstabe l : 100,000, ist auf Fr. 26,000 devisiert.

St. Gallen hat für 250 Exemplare seiner Karte, im Maßstabe l : 50,000, Fr. 16,000 bezahlt. Die Kosten der Karte von Zürich in gleichem Maßstabe sind für 500 Exemplare auf Fr. 14,000 berechnet.

Pur die Erstellung der Karte der Schweiz müßten sich die Kantone zu einem gemeinsamen Vorgehen einigen. Bei dem sehr ungleichen Interesse, welches dieselben solchen Specialaufgaben gegenüber zeigen und ihren finanziellen Mitteln nach auch zeigen können, wird dies kaum zu erreichen sein.

Wir sind der Ansicht, daß der Bund die bestehenden Schwierigkeiten lösen kann und soll. Alle Gründe, welche ihn zu seiner passiven Stellung auf dem Gebiete des Volksschulwesens verurteilten, fallen hier weg. Er hat aus militärischen Gründen ein ganz besonderes Interesse, das Fach der Landeskunde zu fördern. Durch seine billigen offiziellen Kartenwerke hat er der Privatindustrie jede Möglichkeit genommen, ihre Erzeugnisse auf dem allgemeinen Markte abzusetzen, was dieselbe zu den hohen Verkaufspreisen zwingt. Die Bundesversammlung hat aus erzieherischen Gründen Subventionen gewährt, um die Herausgabe des Tabellenwerkes Über nützliche Vögel, ferner des geographischen Handbuches von W. Rosier zu ermöglichen. Die Erstellung einer guten Schulwandkarte der Schweiz ist eine ungleich wichtigere und in der That interkantonale Aufgabe, deren Erfüllung logischerweise dem Bunde zukömmt.

Der maßgebende Gesichtspunkt bei dem Entscheid über die Höhe und die Form der Bundesunterstützung ist die Hebung des Unterrichtes in der Landeskunde. Soll diese Absicht voll und ganz erreicht werden, so giebt es nur eine prinzipielle Lösung:
Der Bund läßt die Schulwandkarte erstellen und giebt sie gratis an alle Primär-, Mittel- und Fortbildungsschulen der Schweiz, welche Unterricht in der Landeskunde erteilen, ab.

1023 Die Karte würde durch eine Privatfirma auf Grund eines Pflichtenheftes und unter Mitwirkung und Kontrolle der vom Bund ernannten Fachmänner angefertigt. Zu vereinbartem Preise wird die nötige Anzahl bezogen und durch Vermittlung der Kantone an die Schulen abgegeben. Von den Kantonen wird nur das Montieren der Karten (Aufziehen auf Leinwand, Stäbe und Lackieren) verlangt, was zu festgesetztem Preise von der ausführenden Firma zu übernehmen ist.

Der buchhändlerische Vertrieb bleibt der Privatfirma überlassen, wobei immerhin für die späteren Bezüge zu. Schulzwecken ein reduzierter Preis vereinbart werden müßte.

Dieser Modus giebt dem Bunde alle Gewähr in Bezug auf Inhalt, Ausführung und Ausstattung der Karte, bürgt für den größtmöglichen erzieherischen Erfolg und setzt seine finanziellen Leistungen ein für allemal fest.

Wir haben uns überzeugt, daß alle Subventionsformen, welche eine bloße Preisreduktion zum Zwecke haben, weniger wirksam sind und auch ökonomisch ungünstigere Resultate ergeben.

Um die finanziellen Folgen unseres Vorschlages kennen zu lernen, haben wir von den bedeutendsten kartographischen Anstalten der Schweiz Kartenproben und verbindliche Devise einreichen lassen.

Demnach kosten die Karten unaufgezogen bei Bestellung von 2,000 Exemplaren à Fr. 25. -- . . . Fr. 50,000 4,000 ,, ,, ,, 16. 50 . . . . ,, 66,000 6,000 ,, ,, ,, 12. 25 ...

,, 73,500 8,000 ,, ,, ,, 9. 92 ...

,, 79,360 10,000 ,, ,, ,, 8. 44 . . . _ ,, 84,400.

Daraus geht hervor, daß es den Gesamtinteressen entspricht, wenn von Anfang an der ganze Bedarf an Karten bestellt werden kann.

Diesen Bedarf genau festzustellen, ist heute an Hand der vorhandenen Statistik unmöglich. Wir schätzen denselben auf 6000 bis 8000 Karten, wobei wir alle Primär-, Mittel- und Fortbildungsschulen berücksichtigen. Innert dieser Schätzung variiert der Ankaufspreis nur um Fr. 6000 und beträgt im Maximum Fr. 80,000. Dazu sind Fr. 5000 für allgemeine Unkosten, Proben, Eedaktion, Kontrolle u. s. w. zu rechnen, so daß die Gesamtleistung des Bundes höchstens Fr. 85,000. betragen würde. Diese Summe wäre auf drei Jahre zu verteilen.

Im Sinne dieser Ausführungen gestatten wir uns, Ihnen den nachstehenden Beschlußentwurf zur Annahme zu empfehlen.

1024 Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 20. März 1893.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

102» (Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

die Erstellung einer Schulwandkarte der Schweiz.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 20. Marx 1893, besch ließt: Art. 1. Der Bund läßt eine Schulwandkarte der Schweiz erstellen, um dieselbe unentgeltlich an alle Primär-, Mittelund Fortbildungsschulen der Schweiz, welche Unterricht in, der Landeskunde erteilen, abzugeben, sofern die Kantone das Montieren derselben übernehmen.

Art. 2. Der hierfür nötige Kredit, welcher Fr. 85,000 nicht übersteigen soll, wird auf die Jahre 1894 bis 1896 verteilt und mit den betreffenden Summen in die Jahresvoranschläge eingestellt.

Art. 3. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt, welcher als nicht allgemein verbindlicher Natur sofort in Kraft tritt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Erstellung einer Schulwandkarte der Schweiz. (Vom 20. März 1893.)

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22.03.1893

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