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Schweizerisches Bundesblatt.

45. Jahrgang. IV.

Nr. 44.

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18. Oktober 1893.

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die eidgenössische Volksabstimmung vom 20. August 1893.

(Vom 13. Oktober 1893.)

Tit.

Den 20. Juni 1893 haben Sie nachfolgenden Beschluß gefaßt :

Bundesbeschluss über das Initiativbegehren betreffend das Verbot des Schlachtens ohne vorherige Betäubung.

(Vom 20. Juni 1893.)

»

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht des unterm 30. August 1892 beim Bundesrate eingereichten und mit 83,159 Unterschriften versehenen Initiativbegehrens, worin die Aufnahme eines neuen Art. 2bis folgenden Inhalts in die Bundesverfassung verlangt wird : Art. 25bis.

Das Schlachten der Tiere ohne vorherige Betäubung vor dem Blutentzuge ist bei jeder Schlachtart und Viehgattung ausnahmslos untersagt."

nach Einsicht des Berichtes des Bundesrates vom 1. November 1892; Bundesblatt. 45. Jahrg. Bd. IV.

30

400

in Anwendung der Art. 8, 9 und 10 des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung, beschließt : 1. Das obgenannte Initiativbegehren wird der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreitet; die Bundesversammlung beantragt Verwerfung desselben.

2. Der Bundesrat wird mit der Anordnung der Abstimmung beauftragt.

Also beschlossen vom Nationalrate, Bern, den 29. März 1893.

Der Vizepräsident: L. F or v e r.

Der Protokollführer: R i n g i e r .

Also beschlossen vom Ständerate, Bern, den 20. Juni 1893.

Der Präsident: Eggli.

Der Protokollführer : S c h a t z m a n n .

Gemäß dem uns in Ziffer 2 erteilten Auftrage haben wir die Abstimmung auf Sonntag den 20. August abbin festgesetzt.

Die Abstimmung hat nachfolgendes Resultat ergeben :

401 Eidgenössische Volksabstimmung vom 20. August 1893 betreffend das Verbot des Schlachtens ohne vorherige Betäubung.

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Kantone.

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Leere und ungültige Stlmmkarten.

Ja.

Nein.

Standesstimme.

Leer Zürich . .

Bern . . .

Luzern . .

Uri ...

Schwyz . .

Obwalden .

Nidwaiden .

Glarus . .

Zug ...

Freibnrg .

Solothurn .

Baselstadt .

Baselland .

Schaffhausen Appenzell A. R .

Appenzell 1. Rh St. Gallen .

Graubünden Aargau . .

Thurgau .

Tessin . .

Waadt . .

Wallis . .

Nenenbnrg .

Genf. . .

86,333 114,533 31,138 4,286 12,221 3,621 2,860 8,247 6,019 28,534 19,024 13,485 12,798 8,005 12,330 3,006 51,816 22,237 40,033 24,051 28,169 62,779 27,718 26,262 19,408 668,913

- gStig.

60,821 5911 52 47,146 806 48,777 38,440 41 26 8,400 4,816 32 2,594 736 2,617 -- 10 1,492 997 4 3 321 -- 1 849 486 60 15 3,663 2,055 1,338 2 4 865 91 10,669 2,542 7,269 74 158 5,559 4,554 7 9 3,480 7,118 132 5,336 141 4 6,715 5,538 8,365 372 11 3,091 2,315 40 1,077 37,189 902 115 14,564 ?

?

2,903 33,576 614 45 29,653 15,046 196 5 11,496 6,860 52 20 854 18,100 25 40 3,071 12,531 395 30 10,814 115 63 4,866 5,944 84 43 745

7,712 Ja 9,531 Ja 3,517 Ja 1,826 Nein 1,115 Ja 669 Nein (V») 362 Ja (V») 1,533 Ja 467 Ja 8,036 Nein 1,478 Ja 1,058 Ja P/i) 1,650 Ja (Va) 1,032 Ja 4,891 Nein (Va) 1,198 Nein (Va) 21,608 Nein 8,959 Nein*) 3,264 Ja 3,349 Ja 5,934 Nein 14,964 Nein 12,106 Nein 5,770 Nein 5,072 Nein

191,527 127,101

-- --

lll/a Ja

W 72 JNem l/

318,628

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*) Art. H des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892. Die öemeindeprotokolle geben die Zahl der aueser Betracht fallenden Stimmzettel nicht an.

Demzufolge haben sich f ü r Annahme des neuen Artikels 25bis der Verfassung die Mehrheit des Volkes, sowie 10 ganze und 3 Halbkantone, d a g e g e n 9 ganze und 3 Halbkantone ausgesprochen.

Bald nach Bekanntwerden dieses Resultates haben sich Stimmen erhoben, welche es als mindestens zweifelhaft hinstellten, ob die zum Inkrafttreten des neuen Verfassungsartikels erforderliche Mehrheit der Kantone vorhanden sei. Art. l der Bundesverfassung --

402 wurde argumentiert -- kenne nur 22 Kantone; die absolute Mehrheit von 22 sei 12 ; da sich aber für Annahme nur 11lk Kantone ausgesprochen hätten, sei die absolute Mehrheit nicht erreicht, und es dürfte die Vorlage daher als verworfen betrachtet werden.

Über diese Frage erhob sich eine nicht uninteressante Diskussion in der Presse. Es wurde zugegeben, daß unter der 48er Verfassung so hätte argumentiert werden mögen, daß aber angesichts des zunächst im Verfassungsentwurfe von 1872 komparierenden und sodann unverändert in die 1874er Verfassung übergegangenen Alineas 2 des einschlägigen Verfassungsartikels, angesichts namentlich der Motive, welche nach Mitgabe der Protokolle der Revisionskommission und der eidgenössischen Räte den Gesetzgeber bei Aufnahme jenes Alineas geleitet hätten, ein ernstlicher Zweifel darüber nicht bestehen könne, daß gegenwärtig zur Bildung der absoluten Mehrheit ll'/a Standesstimmen genügen, die für Inkrafttreten der neuen Verfassungsbestimmung erforderliche Mehrheit (Art. 123 der Bundesverfassung) somit vorhanden sei.

Wir begnügen uns, ohne weitläufiger zu sein, hier unserer Überzeugung Ausdruck zu geben, daß diese letztere Ansicht die richtige ist. Man hat in der That in den Jahren 1872 und 1874 der Unbill, welche darin lag, daß die Stimmen der in zwei Teile geschiedenen Kantone nur dann in Betracht kamen, wenn beide Teile in gleichem Sinne votierten, ein Ende machen wollen; es hieße aber, nachdem man auch halbe Stimmen selbständig zu zählen angefangen hat, auf halbem Wege stehen bleiben, wenn man sagen wollte, sie seien zwar in Betracht zu ziehen, soweit es sich darum handle, auszumitteln, ob die absolute Mehrheit erreicht sei, nicht aber, wo es sich darum handle, festzusetzen, aus wie viel Stimmen jene absolute Mehrheit bestehen müsse. Hat man mit dem System gebrochen, nur ganze Stimmen zu zählen, so muß man konsequenterweise auch mit dem System brechen, die absolute Mehrheit nur nach ganzen Stimmen zu. berechnen. Dafür spricht nicht bloß der Wortlaut der in Frage stehenden Verfassungsbestimmung, sondern insbesondere auch der anläßlich ihrer Diskussion im Nationalrate unwidersprochen gebliebene, somit stillschweigend gutgeheißene Hinweis auf den Modus der Abstimmung im Ständerate, wo die ursprünglich zusammengehörigen Halbkantone ebenfalls, ohne deswegen ihre Stimme
zu verlieren, ihre eigenen Wege gehen dürfen, und bei Abstimmungen mit dieser ihrer einen Stimme den Ausschlag geben können.

Wir betrachten daher den neuen Art. 25bii als auch von der Mehrheit der Kantone angenommen.

403

Die Art und Weise, wie die Abstimmung verlaufen ist, veranlaßt uns zu keinen weitern Bemerkungen, außer der, daß die Gemeindeprotokolle von Graubilnden, entgegen der ausdrücklichen Vorschrift von Art. 14 des einschlägigen Gesetzes vom 27. Januar 1892 (A. S. n. F., Bd. XII, S. 889), es unterlassen haben, die Zahl der außer Betracht fallenden Stimmzettel anzugeben, weshalb es nicht möglich ist, festzustellen, wie viele Schweizerbürger sich überhaupt an der Abstimmung beteiligten.

Beschwerden sind keine eingelangt.

Wir beantragen demzufolge Inkrafterklärung des neuen Art. 25biB der Bundesverfassung, indem wir Ihnen Annahme des nachfolgenden Beschlußentwurfes empfehlen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 13. Oktober 1893.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

404 (Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

die Erwähnung der Volksabstimmung vom 20. August 1893 über das die Aufnahme des Verbotes des Schlachtens ohne vorherige Betäubung in die Bundesverfassung postulierende Initiativbegehren.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Protokolle betreffend die Sonntag den 20. August 1893 stattgehabte Volksabstimmung über das durch Bundesbeschluß vom 20. Juni 1893 vorgelegte Initiativbegehren um Aufnahme eines neuen Art. 25bi«, d. h. des Verbotes des Schlachtens ohne vorherige Betäubung, in die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 13. Oktober 1893, aus welchen Aktenstücken sich folgendes ergiebt: I. In B e z i e h u n g auf die A b s t i m m u n g des Volkes.

Es haben sich ausgesprochen:

405 Im Kanton Zürich . . . .

Bern Luzern . . . .

Uri Schwyz . . . .

Obwalden . . .

Nidwaiden . . .

Glarus . . . .

Zug Freiburg . . .

Solothurn . .

Baselstadt . . .

Baselland . . .

Schaffhausen . .

Appenzell A.-Rh. .

Appenzell I.-Rh. .

St. Gallen . . .

Graubilnden . .

Aargau . . . .

Thurgau . . .

Tessin . . . .

Waadt . . . .

Wallis . . . .

Neuenburg . . .

Genf

FOr Annahme der Vor- FOr Verwerfung der Vorläge mit Ja.

lage mit Nein.

7,712 47,146 9,531 38,440 3,517 4,816 1,826 736 1,492 1,115 321 669 486 362 2,055 1,533 865 467 8,036 2,542 5,559 1,478 3,480 1,058 5,336 1,650 5,538 1,032 3,091 4,891 1,077 1,198 14,564 21,608 2,903 8,959 29,653 3,264 11,496 3,349 854 5,934 3,071 14,964 12,106 395 4,866 5,770 5,072 745 127,101 191,527

II. In B e z i e h u n g auf die S t a n d e s s t i m m e n .

Es haben sich für A n n a h m e der Vorlage ausgesprochen folgende Kantone: Zürich Zug Bern Solothurn Luzern Schaffhausen Schwyz Aargau Glarus Thurgau

406

sowie folgende Halbkantone: Nidwaiden Baselstadt Baselland das heißt 10 ganze und 3 halbe Stände.

Für V e r w e r f u n g dagegen die Kantone: Uri Waadt Freiburg Wallis St. Gallen Neuenburg Graubünden Genf Tessin sowie folgende Balbkantone : Obwalden Appenzell A.-Rh.

Appenzell I.-Rh.

das heißt 9 ganze und 3 halbe Stände, erklärt: I. Die mit Bundesbeschluß vom 20. Juni 1893 vorgelegte teilweise Änderung der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 ist sowohl von der Mehrheit der stimmenden Schweizerbürger als von der Mehrheit der Kantone angenommen und tritt vom Tage des heutigen Beschlusses an in Kraft.

II. Demgemäß erhält die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 folgenden Zusatz: Art. 25bi«.

Das Schlachten der Tiere ohne vorherige Betäubung vor dem Blutentzuge ist bei jeder Schlachtart und Viehgattung ausnahmslos untersagt.

DI. Der Bundesrat wird mit der Veröffentlichung und weitern Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die eidgenössische Volksabstimmung vom 20. August 1893. (Vom 13. Oktober 1893.)

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1893

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44

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18.10.1893

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399-406

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10 016 324

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