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Schweizerisches Nro. 3.

Samstag, den 3. März 1849.

Man abonnirt ausschließlich beim nächstgelegenen Postamt. Preis für bas Jahr 1849 im ganzen umfange ber Schweiz p o r t o f r e i Frtn. 3.

Jnserate sind f r a n k i r t an bie Expedition einzusenden. Gebühr 1 Batzen per Zeile ober beten Raum.

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Verhandlungen der Bundesversammlung, des

National- und Ständerathes.

Jn Gemäßheit der im Art. 9 des Tagsatzungsbeschlusses vom 14. Herbstmonat 1848 über Einführung der schweizerischen Bundesverfassung vom 12. gl. M. (f. Nr. 1 des Bundesblattes) enthaltenen Bestimmungen hat am 6. Wintermonat 1848 die erste Versammlung der die oberste Behörde des Bundes (die Bundesversammlung) bildenden zwei Räthe, nämlich des National- und des Ständerathes, auf feierliche Weife stattgefunden.

Die Verhandlungen sind durch die Alterspräsidenten des National- und des Ständerathes, die Herren AltLandammann Sidler von Zug und Kantonsrichter Page ans Freibnrg, eröffnet worden.

Die von den beiden Räthen theils abgeändert, theils gemeinschaftlich nach Vorschrift des Art. 80 der BundesVerfassung gepflogenen wichtigern Verhandlungen sind in den folgenden, die hauptsächlichsten Aktenstücke, (Kommissionalberichte, Anträge, Beschlüsse, Dekrete u.) enthaltenden Bundesblatt I.

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74 Abschnitten dargestellt, welchen sich die wesentlichsten VerHandlungen des Bundesrathes anreihen sollen.

P r ü f u n g der Wahlakten.

Nach der Vorfchrift des Art. 10 des Tagsatznngsbeschlnsses vom 14. Herbstmonat 1848 über Einsührnng der neuen schweizerischen Bundesverfassung ist von den beiden Räthen am 6. Wintermonat 1848 zu Erwahrung der Wahlakten geschritten worden, und es haben die Wahlakten sämmtlicher Mitglieder des National- nnd Ständerathes die Genehmigung erhalten, mit Ausnahme derjenigen Akten, welche von den Mitgliedern des National- und Ständerathes aus den Kantonen Uri nnd Unterwaiden, und von den im bernischen Wahlbezirk Jura und im Kanton Freiburg gewählten Mitgliedern des Nationcîlrathes vorgelegt worden sind.

Die 2.8af5len von Uri und Unte.r....îaïden in den Nati(wal: und Standerat|).,, ( N a t i o n a l r a t h ) . Eine am 6. Wintermonat niedergesetzte Kommission, welcher die betressenden Wahlakten und mit diesen zwei aus den genannten Kantonen eingelangte Verwahrungen .e. zugewiesen worden sind, hat am 9. gl. M. dem Nationalrathe solgenden Bericht erstattet: "Sie haben uns unter den Akten der als beanstandet ,,zu betrachtenden Wahlen in den Nationalrath auch die,,jenigen der von Uri und Unterwalden getrossenen Wahlen "und zugleich 1) ein Schreiben von Landammann und "Regierungsrath des eidgenössischen Kantons Uri an Prä,,sident und Regierungsrath des h. Standes Bern, als ,,eidgenössischen Vorort, vom 26. Oktober, gewisse Verwah,,rungen enthaltend ; 2) ein solches von Landammann nnd

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,,Landrath des Kantons Unterwalden ob dem Wald, an ,,diefelbe Stelle und ähnlichen Jnhaltes, vom 27. Oktober; 7,3) eine Eingabe von Thalammann nnd Rath des Be,,zirkes Urfern, vom 5. November, betreffend die anläßlich ,,der Vornahme der Wahlen in die Bnndesverfammlung ,,von Uri abgegebene Erklärung, und 4) Eingaben von ,,655 Bürgern von Unterwalden nid dem Wald, betref,,fend Vorbehalte, unter welchen in diesem Halbstande die ,,Wahlen in die Bundesverfammlung vorgenommen wor"den, znr Berichterstattung und Antragstellung übermittelt.

,,Wenn Sie dadurch, daß Sie, entgegen einem Antrage ,,auf getrennte Behandlung der Wahlakten und der Ver"wahrungsfchreiben oder dem diesem Antrage eigentlich zu ,,Grunde liegenden Vorschlage der Anerkennung der Wah,,len nnd nachheriger Erledigung der Verwahrungen, be"schloffen haben, es seien sowohl die Wahlakten als die "Verwahrungsfchreiben uns znr Hinterbringung von Vor"fchlägen zu übermitteln und fomit fchon andeuteten, daß ,,diese beiden Gegenstände in Verbindung mit einander ,,stehen und zn behandeln sein dürften, fo ist eine genauere "Prüfung der Akten nur dazu geeignet gewefen, uns von "der Richtigkeit dieser Andeutung zu überzeugen.

"Die Gefandtfchaft des h. Standes Uri hat am "12. September dicfes Jahres im Schoosje der eidgenössi,,schen Tagfatzung bei Anlaß der Berathung über den ,,Entwurf zu einem Befchlusse, betreffend die feierliche Er"klärung der Annahme einer neuen -.Bundesverfassung, in "ihrem, dem Tagsatzungsprotokolle wörtlich einverleibten "Votum sich unter Anderm dahin ausgesprochen : ""Das Volk von Uri geht zudem von der festen Ueber; ,,,zeugung aus, daß zur Annahme eines neuen Sundes die ",,freie und u n g e z w u n g e n e Einwilligung sämmtlicher ""22 Kantone uothwendig ist, ohne welches Grundgesetz kein

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,,"Bund alo bindend muß angefehen werden. Das Volk ,,"und die Regierung »on Uri haben die Gefandschaft be,,"auftragt, diese Erklärung im Schoße hoher Tagsatzung, ,,"abzugeben."

,,Unterm 22. Oktober dieses Jahres hat dann die ,,Landsgemeinde »on Uri beschlossen, zu der dem Kantone "Uri zuständigen Wahl eines Nationalrathes und zweier "Ständeräthe mit der nachstehenden Erklärung zu schreiten., ""Die Landsgemeinde des Kantons Uri, obschon noch ""die nämlichen Grundsätze und Besorgnisse hegend, welche ,,"sie bestimmten, unterm 27. August abhin der neuen ""schweizerischen Bundesverfassung die Zustimmung mit ,,"großer Mehrheit zu versagen, wie selbes noch bestimmt ",,durch hiesige Ehrengesandtschaft unterm 12. Herbstmonat ",,abhin instruktionsgemäß im Schoße der h. Tagfatzung ,,"erklärt worden, hat dennoch nach Kenntnißnahme des ""Tagsatzungsbeschlnssesvorn 12.Herbstmonat, wodurch der ,,,,neue Bundescntwnrf mit 17 % Standesstimmen als ,,,,Grundgesetz der schweizerischen Eidgenossenschaft erklärt ,,"worden, -- der Aufforderung der h. Tagsatzung vom ,,"14. gleichen Monats (lant §. 6) entsprechend -- in Be,,·/tracht der kritischen Umstände sich dem Drange der Zeit /,//3etü9t u nk sofort seine Abgeordneten in National- und ""Ständerath gewählt.

,,,,Die Landsgemeinde verwahrt aber im Uebrigen noch ,,,,einmal kräftig und feierlichst die konfefsionellen und poli,,,,tifchen Rechte des Kantons."

,,Und nach Zuschrift vom 26. Oktober endlich setzten ,,Landammann und Regierungsrath des eidgenössischen ,,Kantons Uri den h. Vorort ..Bern in Kenntniß, ,,daß die ,,"Landsgemeinde zur Wahl eines Nationalrathes nnd zweier /,,,Ständeräthe u n t e r der eben a n g e f ü h r t e n Erklä///,rnng, welche dem Vororte ju H a n den des

77 National- und Standerathes mitgetheilt werde.

,,"geschritten sei.""

;

"Freilich haben dann Landammann und Regierungs-

,,rath unterm 26. Oktober abhin gleichzeitig nach dem ,,Erlasse ihrer Zuschrist an den Vorort dem Herrn Für,,sprech Lusser eine Urkunde ausgestellt, durch die einfach ·,,bezeugt wird, daß er zu einem Mitgliede des National,,rathes gewählt worden fei und an der nur etwa das "aussallen könnte, daß in ihr die Zuversicht ausgesprochen ,,wird, daß der Gewählte nach bestem Wissen und Ge"wissen den Nutzen und das Wohl d e s K a n t o n s Uri, /,sowie der gesammten schweizerischen Eidgenossenschast ,,wahren werde.

"Angesichts dieser Aktenstücke wird niemand behaupten /·können, daß die von Uri getroffenen Wahlen und die ,,von ihm gemachten Vorbehalte und Verwahrungen außer "Verbindung mit einander stehen und daß Uri somit seine ,,Wahl einsach und ohne Vorbehalt, wie die Bundesver"fassnng es fordert, getrossen habe. Vielmehr ist es nn,,läugbar, daß Uri nur unter gleichzeitiger Abgabe einer ,,Erklärung gewählt hat, und daß, wenn fchon dieser

,,Umstand, da einfach die Wahl und nichts als die Wahl ,,zu erfolgen hatte, die Rechtsbeständigkeit der Wahl in //Zweifel fetzen muß, vollends der Jnhalt der Erklärung

,,dazu geeignet ist, die Wahl als eine durchaus ungültige

,,erscheinen zu lassen. Für's Erste ist nämlich wohl in's ,,Auge zu fassen, daß Uri nur in Betracht der kriti,,fchen Umstände sich dem Drange der Zeit zu ,,fügen und feine Abgeordneten zu wählen erklärt, wäh,,rend Uri am 13. September abhin im Schoße der eid,,genöfsifchen Tagfatzung die andere Erklärung abgegeben, ,,es sei zur Annahme eines neuen Bundes die sreie ,,und ungezwungene Einwilligung sämmtlicher 22 Kan-

tone nothwendig und ohne diese Einwilligung kein Bund als bindend anzusehen. Liegt da die Vermnthung nicht außerordentlich nahe, es dürfte der Kanton Uri etwa unter Verhältnissen, die ihm günstiger erscheinen möchten, unter Berufung auf die mit den Wahlen in die neue Bundesversammlung verbundene Erklärung die Bundesversassung als dem Kantone Uri aufgedrungen und daher als für ihn unverbindlich darzustellen versuchen ? Sodann verdient noch der Schluß der Erklärung hervorgehoben zu werden, in der die Landsgemeinde kräftigst und feierlichst die konfessionellen und politischen Rechte des Kan,tons verwahrt. Es kann damit nicht gemeint sein, daß die Landsgemeinde die dem Kanton Uri gemäß der neuen Bundesverfassung zustehenden konfefsionellen und politifchen ·Rechte verwahre^ denn dieß wäre ja durchaus überflüssig und nnnütz; die Verwahrung muß sich also auf andere konfessionelle und politifche Rechte beziehen. Solche aber zu beanspruchen, ist als ein Angriff auf die bestehende Bundesverfassung anzufehen. Es liegt demnach in der Erklärung eine Nichtanerkennung der neuen Bnndesverfassung verborgen, und wie follten nun Wahlen in Folge diefer Bundesverfassung, welche mit einer, wenn man genau zusieht, gegen diefelbe gerichteten Erklärnng verbunden werden, als gültig anerkannt werden können ?

"Was die von dem hohen Stande Obwalden getroffene Wahl in den Nationalrath anlangt, fo ist auch hier vorerst; ans der von der Ehrengesandtschast dieses Standes am 12. September bei der bereits bezeichneten Gelegenheit. im Schoße der fchweizerifchen Tagsatznng abgegebenen Erklärung folgende Stelle herauszuheben:

. ,,"Die Jnstrnktionsbehörde von Obwalden theilt jetzt noch ,,die Ansicht, daß der Bund von 1815 als ein freier Ver-

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zweiundzwanzig souveräner Stände nnr mit allseittV ,,gem Einverständniß abgeändert werden könne."

,,Landammann und Landrath des Kantons Unterwalden ob dem Wald haben fodann unterm 27. Oktober Präsibent und Regierungsrath des h. Standes Bern als eid-' genöfsifchem Vororte mitgetheilt, es habe die Landsge-' rneinde von Obwalden "wenn auch V e r w a h r u n g ,, d e r b i s h e r i g e n R e c h t e a n s f p r e c h e n d , erkannt,

,,den Befchlüssen der Tagfatznng vom 12. und 14. Sept., ,,betressend die Einführung der neuen Bundesverfassung, "auf die in der Landsgemeindserkanntniß vom 27. August ,,bereits vorgefehene und ausgefprochene Weife sich zu ,,unterziehen und daher auch die vorgefchriebenen Wahlen "vorzunehmen."

"Endlich haben noch Landammann nnd Landrath von Unterwalden ob dem Wald dem auf diefe Weise von der

Landsgemeinde zum Mitgliede des Nationalrathes gewählten Herrn Landammann Wirz einen seine Wahl einsach beurkundenden Wahlakt ausgestellt.

"Da wir nicht im Besitze des Landsgemeinderkenntnisses vom 27. August sind, so können wir, obgleich die -.Berufung auf dasfelbe in dem vor Vornahme der Wahl gefaßten Landsgemeindsbefchlusse vielleicht anch zu Ausstellungen an der Wahl Veranlassung geben würde, auf diefen Punkt doch nicht weiter eintreten. Wir sind daher lediglich im Falle, eine Stelle aus dem Jhnen vorge-.

legten Aktenstücke hervorzuheben, eine Stelle, welche jedoch allein nach unferer Ansicht dazu geeignet ist, die von.

Obwalden getroffene Wahl in den Nationalrath als eine ungültige erfcheinen zu lassen. Landammann und LandTath von Obwalden theilen dem Vororte mit, die Lands-.

gemeinde habe "unter Verwahrung der bisherigen Rechte".

sich in der in der Landsgemeindserkannntniß vom 27. August ausgesprochenen Weise dem Tagsatzungsbeschluß vom 12. September zu unterziehen und daher die Wahlen vorzunehmen beschlossen." Also auch die Wahlen in Obwalden wurden nur mit Hinsicht auf eine vorher befchlossene Verwahrung getroffen, nnd in dem Jnhalte dieser Verwahrung liegt wieder nnlängbar ein Angriff auf die bestehende Bundesverfaffung. Deutlicher nämlich als Uri, wenn auch nicht gewisser, verwahrt Obwalden feine b i s h e r i g e n Rechte. Wenn nun Obwalden wie jeder andere schweizerische Kanton zusolge der neuen Bundesverfaffung gewisse Rechte der Bundesgewalt abzutreten hatte, so muß, wenn Obwalden seine bisherigen politischen Rechte verwahrt, angenommen werden, es anerkenne die Bundesverfassung in der That und Wahrheit nicht. Wie wir es bereits oben mit Bezug auf die Wahl Uri's gesagt, fo müssen wir es hier mit Bezug auf Obwalden wiederholen, daß eine in Folge der Bundesverfassung zn treffende Wahl, welche nur mit einem der Bundesverfassung widersprechenden Vorbehalte vorgenommen wird, als nichtig betrachtet werden muß.

"Gestützt auf diefe Aussführung, beehren wir uns, darauf anzutragen. Sie möchten, betreffend die in Uri und Unterwalden ob dem Wald in den Nationalrath getrof.senen Wahlen : /,,,Jn Erwägung, daß die Wahlen in den Nationalrath "einfach und ohne irgend welche Vorbehalte oder Ver"wahrungen zu treffen waren, daß nun aber fowohl "die Landsgemeinde von Uri als diejenige von Obwal"den diese Wahlen nur mit Vorbehalten und überdieß mit "solchen, welche der in der schweizerischen Eidgenoffen"fchaft geltenden Bundesverfassung widerfprechen, vorge,,nommen haben.

81 ,,beschließen: ,,1) Es seien die von Uri und Obwalden getroffenen "Wahlen in den Nationalrath für ungültig erklärt.

..,2) Es feien die die Verwahrungen und Erklärungen "enthaltenden Schreiben von Uri und Obwalden den "Regierungen diefer Stände zu Handen der betreffen"den. Landsgemeinden als durchaus unznläfsig zurück"zustellen."

,,3) Es seien Uri und Obwalden auszusordern, neue "Wahlen in den Nationalrath ohne irgend welche "Vorbehalte zu treffen."

"4) Es sei der Vorort mit der Vollziehung dieses Be"schlnsses beaustragt."

"5) Es habe die eidgenössische Kanzlei Thalammann und

"Rath des Bezirkes Ursern Mittheilung von diesem ,,Beschlüsse, soweit er Uri betrisst, vermittelst Pro"tokollauszuges zu machen."

"Was endlich noch die Beschwerde von 655 Bürgern von Nidwalden über die nach ihrer Angabe von der dortigen Landsgemeinde vor Vornahme der Wahlen in den Nationalrath beschlossenen Verwahrungen, die jedoch bis ,zur Stunde den Bundesbehörden nicht übermittelt worden sind, anlangt, so hat die Kommission, in Uebereinstimmung mit dem von ihr betreffend die beanstandeten Wahlen in Freiburg beobachteten Verfahren, beschlossen, den h. Vorort zu ersuchen, eine beglaubigte Abschrift des Textes der Eingabe der Regierung von Nidwalden zuzustellen und ihr für Beantwortung der Eingabe und für Einsendnng der Verwahrung, wenn eine solche wirklich beschlossen worden sein sollte, eine Frist von acht Tagen .anzusetzen. Jndem wir Jhnen hievon vorläufige Kenntniß geben, verbinden wir damit den Antrag, Sie möchten.

82 ,,da die Efogaben an "die Bundesversammlung gerichtet /,ftnt>, ' ,,beschließen: ,,Es seien beglaubigte Abschriften derselben dem Stände,,rathe zu übermitteln."

Die in dem vorstehenden Bericht enthaltenen Anträge sind am 9. Wintermonat von dem Nationalrath zum Befchlusse erhoben, und es sind d e m n a c h die von Uri und U n t e r w a l d e n ob dem Wald g e t r o f f e n e n

Wahlen als ungültig erklärt worden.

*

*

* Diefer Beschluß sand dann am 14. Wintermonat auch ans die im Wesentlichen mit den Erklärungen von Uri und Unterwalden ob dem Wald übereinstimmende Verwahrnng von Unterwalden nid dem Wald und die dortseits getroffene Wahl eines Abgeordneten seine Ausdehnnng.

( S t ä n d e r a t h). Von einer am 6. Wintermonat niedergesetzten Kommission ist am 8. gl. M. der nachstehende B e r i c h t erstattet worden: "Sie haben nnter'm 6. dieß einer Kommission den ,,Auftrag erthcilt, fowohl die Beglaubigungsakten der

,,durch die Stände Uri und Unterwalden ob dem Wald ,,gewählten Mitglieder des eidgenössifchen Ständeraths, "als die dnrch die Regierungen jener Stände dem Vororte ,,übermittelten Verwahrungen näher zu prüfen und fodann "hierüber einen Bericht und Antrag vorzulegen.

,,Die Kommission gibt sich die Ehre, dem erhaltenen ,,Auftrage andurch Folge zu geben.

,,Nach der Ansicht der Kommission dürfen die Beglan,,bignngsakten nicht vereinzelt in's Auge gefaßt werden.

,,Gegen dieselben ließe sich nichts einwenden. Sie werden

83 aber kommentirt durch amtliche Mittheilungen der Regierungen von Uri und Unterwalden ob dem Wald.

,,Jn einer Zuschrift vom 26. Oktober d. J. zeigt nämlich die Regierung von Uri dem hohen Vororte an: ,,es "sei dortige Kantonsgemeinde zur Wahl eines National"rathes und zweier Ständeräthe u n t e r d e r j e n i g e n " E r k l ä r u n g gefchritten, welche sie zu H a n d e n des " N a t i o n a l - und S t ä n d e r a t h s in der Beilage "mittheile.""

"Ebenso zeigte der Landrath von Unterwalden ob dem Wald unter'm 27. Oktober an: "es habe die Landsge,,meinde, in Erwägung der Beschlüsse der h. Tagfatznng ,,vom 12. und 14. September, betreffend die Einführung "der neuen Bundesverfassung und des dahin bezüglichen ."Kommissionalberichts, w e n n a u c h V e r w a h r n n g d e r . " b i s h e r i g e n Rechte a n s f p r e c h e n d , mit Einmnth ."erkennt, erwähnten Befchlüssen der hohen Tagfatznng ,"auf die in dem Landsgemeinderkenntnisse vom 27. August ."bereits vorgefehene und ansgefprochene Weife sich zu ."unterziehen und Vollziehung zu geben und daher auch .,,sofort die vorgeschriebenen Wahlen vorzunehmen."

"Dadurch ist konstatirt, daß die fraglichen Wahlen ,nnr unter Bedingungen oder Restriktionen vorgenommen .worden sind.

"Die betreffenden Regierungen fanden es fogar für ·nöthig, von diesen Restriktionen dem hohen Vororte Kennt,niß zu geben. Die Regierung von Uri ging noch weiter, .indem sie verlangte, daß daherige Mittheilungen dem National- und Ständerath vorgelegt werden.

"Hievon muß also, wie von den Wahlakten, Notiz ,genommen werden.

"Es sragt sich dann : sind solche Restriktionen oder .Verwahrungen zuläßig ?

' "Wird die Frage verneint, so fallen an und für sich die Wahlen dahin ; denn wenn nur unter Bedingung ge-

wählt wurde, die Bedingung aber unzuläßig ist, fo kann von keiner gültigen Wahl mehr die Rede fein. Es muß eine neue Wahl (ohne ..Borbehalt oder Bedingung) getroffen werden. Daß übrigens Verwahrungen oder Restrik-

tionen nicht znläßig feien, liegt nach der Anficht der Kommission außer allem Zweifel.

"Die Bundesverfassung enthält über die Rechtsverhält,nisse der einzelnen Kantone zum Bunde und nnter sich alle nöthigen Bestimmungen und sie gibt auch die Mittel ·an die Hand, wie allfällige Anstände zn entfcheiden seien.

"Andere, in der Bundesverfassung nicht begründete

.Rechte gibt es nicht.

"Entweder hätten alfo die von Uri und Obwalden eingegebenen Rechtsvcrwahrnngen keinen Sinn, oder dann sind sie nach der neuen Bundesverfassung nnzuläßig, da den Ständen Uri und Obwalden keine Rechte vor* behalten oder verwahrt bleiben dürfen, welche nicht in der Bundesverfassung begründet sind.

"Vollends klar wird die Sache, wenn der Jnhalt jener Verwahrungen oder Restriktionen genau in's Auge ·gefaßt wird.

,,Die Landsgemeinde in Obwalden verwahrt i h r e bish e r i g e n R e c h t e und bezieht sich auf das Landsgemeinde,erkenntniß vom 27. August.

,,Alle bisherigen Rechte können aber unmöglich fortbestehen.

,,Nach der neuen Bundesverfassung findet eine wefentliche Verfchiedenheit in der bisherigen Repräsentation statt, und es haben sich die Kantone zu Gunsten des Bundes noch mancherlei andere Befchränkungen gefallen zu lassen.

85 ,,Die Kantonsgemeinde von Uri erklärt: "sie habe, der .-"Aufforderung der Tagsatzung vom 14. gl. M. (laut §. 6) ,,/entsprechend -- in B e t r a c h t der kritischen Um-

,"stände sich dem Drange der Zeit gefügt und ,"fofort die Abgeordneten in National- und Ständerath ."gewählt. Die Landsgemeinde verwahre aber im Uebrigen ,,,noch einmal kräftig und feierlichst die konfessionellen und -"politischen Rechte des Kantons."

"Dieses kann nicht wohl etwas anderes heißen, als'; .einstweilen weiche man der Gewalt, verwahre sich aber ·feine Rechte auf günstigere Zeiten ! !

"Es wäre dieß ein gefährlicher Anfang im Geschäfts·verkehr der neuen eidgenöfsifchen Behörden.

"Betrachtet man endlich die Sache noch aus dem ·politischen Standpunkte, so wird man zu gleichen Resul.taten gelangen.

,,Es liegt im Jnteresse des Gesammtvaterlandes wie der einzelnen Kantone, daß die Bundesbehörden sosort ·diejenige kräftige Stellung einnehmen, die ihnen laut der neuen Bundesverfassung gebührt.

"Wirft man einen Blick auf die Berathungen der ·entschwundenen Tagsatzung und aus die Stellung mehrerer .Kantone gegenüber dem Bunde in der jüngsten Ver.gangenheit, so wird man darin eine laute Mahnung finden, jedem ungebührlichen Widerstreben von vornherein ,zn begegnen.

,,Jeder Kanton soll sich nun, wenn er die Vortheile ,der nenen Bundeseinrichtnngen genießen will, aufrichtig und offen denfelben anschließen.

,,Von- dieser Betrachtung geleitet, hat sich die Kommission dahin vereinigt, Jhnen den angebogenen Antrag ·zur Genehmigung zu empfehlen."

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1. Der eidgenösfische Ständerath, ,,Nach Kenntnißnahme : "a. Von einer Zuschrift von Landammann und Regierungsrath des Standes Uri, d. d. 26. Oktober d. J.

an den eidgenössischen Vorort, worin angezeigt wird, daß die dortige Kantonsgemeinde den 22. gleichen Monats zur Wahl eines Nationalrathes nnd zweier Ständeräthe u n t e r d e r j e n i g e n E r k l ä r n n g geschritten sei, welche zu Handen des National- und Ständerathes mitgetheilt werde; "h. Von der besagten Erklärnng, welche im Wesentlichen

dahin geht: ""Die Landsgemeinde des Kantons Uri, obschon noch die "nämlichen G r u n d s ä t z e und B e s o r g n i s s e hegend, ,,welche sie bestimmten, der neuen Bnndesversassung nnterm "27. August die Zustimmung mit großer Mehrheit zu ver"sagen, habe dennoch, der Aufforderung der h. Tag"satznng vom 14. Juni (laut §. 6) entsprechend, in

."Betracht der kritischen Umstände sich dem ."Drange der Zeit gesügt und sofort ihre Abge."ordneten in den National- nnd Ständerath gewählt.

.""Die Landsgemeinde verwahre aber im Uebrigen noch ."einmal kräftig nnd feierlichst die konfefsionellen nnd po."litischen Rechte des Kantons.""

"c. Von den Beglaubigungsakten der gedachten Ab.geordneten in den Ständerath, der] Tit. Herren Rathsrherrn nnd Kommandanten Jost Muheim von Altors und ,Alt-Thalammann Jof. Fidel Christen von Andermatt; . hat, "Auf den Antrag einer Kommission, erwägend, daß alle ,angeführten Akten mit einander in der engsten Verbin,dung stehen und nicht vereinzelt in Behandlung gezogen ·werden dürfen;

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"Erwägend, daß sich daraus ergibt, es habe die Tit.

..andsgemeinde des Kantons Uri nur unter Restriktionen .lie Wahlen vorgenommen, welche ihr gemäß der neuen .Bundesverfassung zukommen; "Erwägend, daß folche Restriktionen oder Verwahcungen nicht zuläßig sind, da keinem Kanton von nun in gegenüber dem Bunde andere Rechte zukommen fönnen, als in der Bundesverfassung begründet sind, diese Rechte aber jede nöthige Garantie in der Bundesverfassung selbst sinden; "Erwägend, daß bei Zurückweisung der fraglichen [Restriktionen oder Verwahrungen die Wahlen, welche hierauf basirt sind, von felbst dahin fallen; ,,beschlossen: "1) Es können die Tit. Herren Rathsherr und Kommandant Jost Muheim von Altorf und Alt-Thalammann Jos. Fidel Christen von Andermatt, in Folge der von der Landsgemeinde des Kantons Uri unterm 22. Oktober getroffenen Wahlen als Mitglieder des eidgenössischen ©tcinderathe-.? sür den dortigen Stand nicht anerkannt werden ; "2) Gegenwärtiger Beschluß sei der Regierung des Kantons Uri zu Handelt der dortigen Landsgemeinde

mitzutheilen."

2. Der eidgenössische Ständerath, "Nach Kenntnißnahme : "a. von einer Zuschrift von Landammann und Landrath des Standes Unterwalden ob dem Wald, d. d. 27.Oktober d. J., an den eidgenösstfchen Vorort, worin angezeigt .wird, ,,"es habe die dortige Landsgemeinde unterm ,"22. Oktober, in Erwägung der Befchlüsse d'er h. Tag."fatznng vom 12. und 14. v. M., betreffend die Ein."führung der neuen Bundesverfassung, und des dahin

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"bezüglichen Kommifsionalberichts, w e n n auch V e r "wahrnng der bisherigenRechteanssprechend, "mit Einmuth erkennt, erwähnten Befchlüssen der hohen "Tagsatznng auf die in dem Landsgemeinderkenntnisse vom "27. August bereits vorgesehene und ausgesprochene Weise "sich zu unterziehen nnd Vollziehung zu geben und daher "auch sofort die vorgefchriebenen Wahlen vorzunehmen; "b. von dem Beglanbigungsakte des von dortiger Landsgemeinde zum Mitgliede des eidgenössifchen Ständerathes erwählten Mitgliedes, des Tit. Hrn. Landammann Joh. Jmseld von Lungern, ,,hat auf den Antrag einer Kommission, erwägend, daß die vom Tit. Landrath des Standes Uuterwalden ob dem Wald an den hohen eidgenössischen Vorort erlassene Zuschrift mit dem Beglanbigungsakte des Hrn. Landammann Jmfeld, als Mitglied des eidgenössischen Ständerathes, zusammengehalten werden muß;

"Erwägend, daß sich daraus ergibt, es habe dortige Landsgemeinde nur unter Restriktion die Wahlen vorgenommen, die ihr gemäß der neuen Bundesverfassung zukommen ; "Erwägend, daß solche Restriktionen oder Verwahrungen nicht zuläßig sind, da keinem Kanton gegenüber dem Bunde von nun an andere Rechte zukommen können, als in der Bundesverfassung begründet sind, diese Rechte aber jede nöthige Garantie in der Bundesverfassung selbst finden; "Erlvägend, daß bei Zurückweisung der fraglichen Restriktionen oder Verwahrungen die Wahlen, welche hierauf basirt sind, von felbst dahin fallen; _ "beschlossen:

,,1) Es könne der Tit. Herr Landammann Jmfeld

89 ,,von Lungern, in Folge der von der Landsgemeinde des ,,Standes Unterwalden ob dem Wald unterm 22. Oktober "d. J. getrossenen Wahl als Mitglied des eidgenössischen ,,Ständerathes für den dortigen Stand nicht anerkannt werden.

,,23 Gegenwärtiger Beschluß sei der Regierung des ,,hohen Standes Unterwalden ob dem Wald zu Handen ,,der dortigen Landsgemeinde mitzutheilen."

Der Ständerath hat den hievor angesührten Anträgen der Kommission am 8. Wintermonat seine Genehmigung ertheilt, und sonach die v o n Uri und U n t e r w a l d e n

ob dem Wald getroffenen Wahlen als ungültig erklärt.

*

*

*

Am 11. gl. M. ist dieser Beschluß dann auch auf die von Unterwalden nid dem Wald eingegangene Verwahrung

und die daselbst getroffene Wahl eines Mitgliedes des ©tänderathes ausgedehnt worden.

Jnfolge der »on dem National- und Ständerathe gefaßten Schlußnahmen sind die Lanbsgemeinden in den Kantonen Uri und Unterwalden der besagten Wahlangelegenheiten wegen aufs Neue versammelt worden, nnd es haben dieselben dann b e s c h l o s s e n , was folgt: Uri, am 19. Wintermonat.

,,Sofort unbedingt und ohne Vorbehalt zu den Wahlen "der dem Kantone zuständigen Mitglieder des National,,und Ständerathes zu fchreiten."

U n t e r w a l d e n ob dem Wald, am 19.Wintermonat, "1) Den Befchlüssen der h.Bundesverfammlnng vom 9.

"und 8. d.M. willObwalden allfeitig getreulich nachkommen..

"2) Es wird somit die am 22. Oktober ausgesprochene "und dem h. Vororte mitgethcilte Verwahrung in ihrem ,,ganzen Umfange beseitiget.

Bunb.sbtatt I., 7

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"3) Die Landsgemeinde trifft neue Wahlen in den "schweizerischen National- und Ständerath, ohne irgend "welche Vorbehalte, und sie wird treueidgenössisch die ,,nene Bundesverfassung halten und vollziehen."

U n t e r w a l d e n uid dem Wald, am 26. Winterinonat.

"Der Stand Unterwalden nid dem Wald zieht die Bon ,,der außerordentlichen Landsgemeinde am 22. Weinmonat "gemachte Verwahrung zurück.

Auf diefe Erklärungen hin sind die von den betreffenden (Wieder-) Gewählten im National- und Ständerathe vorgelegten Wahlakten genehmigt worden.

Die ...HSablen des beri-erscheiî Waïîïbezit.fs Sura in den Nationalratl.

Die obenerwähnte Kommiffion desNationalrathes, vom 6. Wintermonat 1848, hat am 9. Wintermonat folgenden fchriftlichen B e r i c h t erstattet: ,,Sie haben uns eine Befchwerde, welche gegen die ,,vom eidgenöffifchen Wahlkreife Jura im Kanton Bern ,,getroffenen Wahlen in den Nationalrath gerichtet ist, zur

,,Antragstellung übermittelt.

"Die Befchwerde stützt sich darauf, daß

,,1) im Bezirk Pruntrut die Stimmzedel nicht in ordent,,lichen Wahlversammlungen abgegeben wurden, fon,,dern einzeln, von Morgens 11 Uhr bis Abends ,,5 Uhr eingereicht werden konnten ; ,,2) der Präfekt des Pruntruts, der gemäß der Wahl,,verordnung dem Präsidenten der Gemeinde Pruntrut ,,beigegeben wurde, um mit ihm der Znsammentra,,gung der Gemeindescrntirn'en in dem Hanptorte des

,,Wahlkreises Jura durch die hiesür bestellte Wahl-

91 ,,kommission beizuwohnen, an den Berathungen und ,,Abstimmungen dieser Kommission Antheil genom,,men habe ;

,,3) in dem Wahlprotokolle von Epanvillers die Zahl ,,der ausgetheiften und eingegangenen Stimmzedel ,,nicht angegeben gewefen sei, und an der dießsalls ,,in der Wahlkommission stattgehabten Abstimmung ,,der Präfekt des Prnntrntes, ohne dazu berechtigt ,,gewesen zu sein, Antheil genommen habe; ,,4) Herr Stockmar durch Versprechen, die er in seiner

,,Stellung als Direktor der öffentlichen Arbeiten ge» ,,geben, auf die Wähler zu feinen Gunsten einzu.,,wirken versucht habe und darum dem Strafgesetze ,,verfallen fei; ,,5) daß sich in Pruntrut nicht 432 Wähler befinden, ,,und daß dort sogar die Annen im Spital zur Stimm,,gebung zugelassen worden seien.

""Die unterzeichnete Kommission trägt Jhnen daher ,,daraus an. Sie möchten -- ,,in Erwägung, daß die zur Anfechtung der in dem ,,Wahlkreise Jura getroffenen Wahlen vorgebrachten Gründe ,,theils thatsächlich nnerwahrt, theils unerheblich sind, " beschließen : "Es seien die angesochtenen Wahlen als gültig aner,,kannt, -- ,,und bezieht sich in Betreff der nähern Motivirung ,,dieses Antrages auf die mündliche Berichterstattung."

Der Herr Berichterstatter (Dr. Escher) war veranlaßt, in mündlichem Vortrage noch auf einzelne Punkte zurückzukommen, auf die gestützt, die Nichtigerklärung der betreffenden Wahlen verlangt werden wolle.

,,Die erste Beschwerde bestehe darin, daß im Pruntrut

,kein ordentliches Wahlverfahren innegehalten, sondern von ,11 Uhr Vormittags bis 5 Uhr Abends Stimmzedel eingege,ben worden seien. Es srage sich mithin, ob im Jura die ein.schlagende Vollziehungsverordnung des Regiernngsrathes ,von Bern wirklich auch innegehalten worden sei. Hier·aus müsse nun allerdings erinnert werden, daß den sormellen Vorschristen nicht gehörig nachgelebt worden sei, ·weil auch nach der eigentlichen Wahlverhandlung noch .Stimmzedel hätten abgegeben werden können. Es frage sich aber, ob aus diefem Verfahren irgendwelche materielle Nachtheile entstanden feien, und dieses müsse die Kommission unbedingt verneinen. Es bestehen nämlich in sämmtlichen Gemeinden des Jura Verzeichnisse, in welchen alle stimmfähigen Bürger aufgetragen feien. Diefe Ver.zeichnisse werden zu Anfange jeder Verfammlnng verlefen, und dabei angefragt, ob gegen irgend einen Namen Einsprache erhoben werden wolle. Das sragliche Versahren sei auch bei der Wahl der Nationalräthe überall inne gehalten worden und den Namen jedes Wählers habe man auf dem Verzeichnisse angemerkt, alfo daß im Gegentheil eine Kontrolle stattgefunden habe, wie man sie anderswo nicht leicht finden dürfte. Mit Rücksicht hierauf dürfe als znverläßig angenommen werden, daß kein Wähler an zwei Orten gestimmt, und daß kein Jndividnum das Wahlrecht ausgeübt, wozu es nicht befugt gewesen sei. Bei dieser Art der Abstimmung können eher Ucbclstände verhütet werden, und da es sich ergebe, daß der oben erwähnte Formfehler keine materiellen Nachtheile im Gefolge gehabt, so könne sich die Kommission nicht veranlaßt sehen, diesem ersten Beschwerdepunkt eine Erheblichkeit beizulegen.

,,Der zweite Punkt der Beschwerde beruhe darin, daß der Präsekt von Pruntrnt Antheil an der Bereinigung

93

ber Wahlprotokolle" genommen habe, indem man diesen Akt dahin ausdeuten wolle, daß die Gemeinde Pruntrut zwei Stimmen gehabt, während den übrigen Gemeinden je nur eine Stimme zugekommen fei; allein einmal gehe nicht hervor, daß die zur Bereinigung der Wahlprotokolle Zugezogenen kein Stimmrecht gehabt hätten, und fodann liege eine Erklärung bei den Akten, daß der Prä-

fekt nicht zu gleicher Zeit gestimmt habe, wie der Präsident der Kirchgemeinde.

"Der dritte Beschwerdepunkt bestehe darin, daß in der Gemeinde Epanvillers die Zahl der ausgegebenen und der eingegangenen Stimmzedel nicht angegeben worden sei. Diese Beschwerde sei bereits erledigt durch die in dem ersten Pnnkt näher ausgeführte Grundansicht, indem auch dieser Formsehler keine materiellen Nachtheile im Gefolge gehabt.

"Viertens werde behauptet, daß Herr Stockrnar durch Versprechungen in feiner Stellung als Direktor des Bauwefens versucht habe, auf die Wähler zu feinen Gunsten einzuwirken. Es fei aber als ausgemachte Thatfache anzunehmen, daß Herr Stockmar nicht ohne Veranlassung sich nach dem Jura begeben, fondern daß er zu jener Zeit von der Regierung des Kantons Bern den bestimmten Auftrag erhalten habe, die dortigen Straßen zu besichtigen. Es habe sich vornämlich um die Erstellung einer Straße von Soyhières nach Moulin neuf in der Länge von 43,000 Fuß und veranschlaget zu Frku. 159,302 gehandelt, und sodann um eine Verbindungslinie von

Pleigne snr Lucelle, veranschlagt zn Frkn. 60,000. Ans · den Akten gehe nun hervor, daß Herr Stockmar, weitentsernt Hoffnungen zu erregen, als ob die gigantischen Plane in Erfüllung gehen werden, im Gegentheil sich dahin ausgesprochen habe, daß jene Straßen höchstens

.94,,in die dritte Klasse verfetzt werden dürften, die hanpt,,fächlich den Gemeinden obliegen, und an welche der ,,Staat nur etwa einen Drittheil der Kosten beitrage.

,,Die fünfte Befchwerde habe darin bestanden, daß ,,Pruntrut nicht 432 Wähler zähle, und daß unter den ,,Stimmgebenden auch Almosengenössige sich befunden hät,/ten. Nun sei zwar richtig, daß nach den bernifchen Ge,,fetzen Almosengenössige kein Stimmrecht besitzen; allein ,,im Jura gebe es keine Almosengenössige, weil die Un,,terstütznng der Dürftigen lediglich der Privatwohlthätig,,keit überlassen fei. Ueberdieß werden bloß drei Perfonen "als folche bezeichnet, die als Allmofengenöfsige an der "Wahl Theil genommen, nnd dieses wären Männer über ,,70 Jahre, denen nach den dortigen Einrichtungen, ge-

,,stützt auf diefes Alter, ein Recht zustehe, in den Spital ,,aufgenommen zn werden; somit könnten dieselben im ,,eigentlichen Sinne gar nicht als Allmosengenössige be,,trachtet werden. Diese Drei kämen sodann schon aus ,,dem Grunde nicht in Anschlag, weil Herr Stockmar mit ,,einer Mehrheit von 509 Stimmen gewählt worden sei.

,,Würden also auch jene drei Männer, deren Stimmrecht "beanstandet wird, abgezogen, so würde gleichwohl in der ./Hauptsache kein anderes Resultat sich ergeben. Die Be,,hauptung, daß sich im Pruntrut keine 432 Wähler vor,,finden, müsse gerade als nnwahr bezeichnet werden, in,,dem ans amtlichen Berichten hervorgehe, daß die Summe ,,der Stimmberechtigten sich ans 525 belaufe, zu denen "noch etwa 40 Lehrer hinzugekommen feien, welche zur ,,Zeit der Wahl einen Wiederholungsknrs in Pruntrut ,,durchgemacht hätten."

Ohne Diskussion ist der Antrag der Kommission einstimmig (am 9. Wintermonat) zum Beschluß erhoben, und in

Folge dessen sind die Mitglieder des Wahlkreises Jura,

95 welche sich in Ausstand begeben hatten, eingeladen worden, an den ferner« Verhandlungen des Nationalrathes Antheil zu nehmen.

Die Wahlen von Freiburg in den Natii.jnalrat.lj.

V e r h a n d l u n g des N a t i o n a l r a t h e s . -- Die zur Untersuchung der Wahlanstände niedergesetzte Kommission hatte sich in Betress dieser Frage in eine Mehrheit nnd eine Minderheit getheilt.

Die Mehrheit beantragte Folgendes: ,,Der schweizerische Nationalrath, aus eingelangte Be,,schwerde des patriotischen Vereins in Murten, welche ,,wesentlich dahin geht, es habe die Regierung von Frei,,bnrg in der von ihr unter'm 23. September letzthin er,,lassenen Verordnung über die Wahlen in den National,,rath vorgeschrieben, daß nur diejenigen an der Wahl ,,Antheil nehmen können, welche die neue Bundesversassung ,,beschworen haben, welche Vorschrist sich gegen den Ar,,tikel 63 der Bundesversassung verstoße, weßnahen die ,,im Kanton Freiburg getrossenen Wahlen für den Natio,,nalrath kassirt und neue angeordnet werden möchten, -- ,,und ,,nach angehörtem Bericht einer hierüber niedergesetzten ,,Kommission,

,,hat,

,,Jn Erwägung, daß durch das Dekret der Tagfatzung ,,vom 14. September letztverflossen die Anordnung der ,,Wahlen in den Nationalrath sür das erste Mal den Kan,,tonen überlassen wurde;

,,Jn Erwägung, daß durch den Artikel 12 der von ,,der Regierung von Freiburg erlassenen Wahlverordnnng ,,ein Termin von drei Tagen sestgesetzt wurde, binnen

96

,,welchem allfällige Wahlrekfamationen bei dem Staats,/rathe von Freiburg vorgebracht werden sollten, welchen ,,Termin die Beschwerdeführer nicht eingehalten haben, -- ,, beschlossen: ,,lieber die im Eingang erwähnte Beschwerde zur ,,Tagesordnung zu schreiten."

Der Herr Berichterstatter für die Mehrheit, indem er sich mit dem betreffenden Dispositive einverstanden erklärte, beantragte, noch folgende Erwägung in die Motivirung auszunehmen: ,,Jn Erwägung, daß, abgesehen hievon, die von der ,,Regierung von Freiburg aufgestellte Wahlbedingnng, über ,,welche Befchwerde geführt wird, nur formeller Natur ist, ,,und sich nicht wesentlich gegen die Bundesverfassung ver-

«stoßt."

Dagegen stellte die Minderheit der Kommission folgenden Antrag: ,,Sie wollen, in Erwägung, daß Artikel 63 der ,,Bundesverfassung die Erfordernisse der Stimmbcrechtigung ,,bei den Wahlen in den schweizerischen Nationalrath be,,stimmt, und daß es den Kantonen nicht zustehen kann, zu ,,den durch die -.Bundesverfassung aufgestellten Erfordernissen ,,noch weitere hinzuzufügen, daß aber der Große Rath ,,von Freiburg folches durch die Bestimmung, daß nur ,,diejenigen Schweizerbürger stimmberechtigt feien, welche ,,die Bundes- und Kantonalverfassung befchworen haben,--

,,gethan; ,,Jn Erwägung, daß, da der Staatsrath von Frei,,bürg eine Frist nur für Reklamationen, die allenfalls bei ,,ihm anhängig gemacht werden wollten, nicht aber, was ,,übrigens anch außer feiner Befugniß gelegen hätte, eine ,,folche für Reklamationen bei dem fchweizcrischen National,,rathe angefetzt hat, -- durchaus nichts vorliegt, das die

97 ,,Beschwerde des Volksvereins von Murten bei dem Na,,-tionalrathe als verspätet erscheinen ließe, ,,beschließen: ,,1) Es seien die im Kanton Freiburg in den National,,rath getrosscnen Wahlen sür ungültig erklärt.

,,2) Es sei die Regierung von Freibnrg durch das Mittel ,/des Vorortes einzuladen, neue Wahlen in Beachtung ,,der Vorschriften der Bundesverfassung anzuordnen."

Nach längeren Beratungen ist (am 14. Wintermonat) beschlossen worden, die im Kanten Freiburg getroffenen Wahlen in den Nationalrath als ungültig zu erklären.

*

*

*

Die Regierung des Kantons Freiburg, welche in der Schlußnahme des Nationalrathes vom 14. November 1848 eine Aufhebung des vom Großen Rath erlassenen Wahldekrets vom 23. September 1848, -- daher einen Eingriff in die Kantonalfouvcränetät erblickte, erhob nunmehr nach Anleitung des §. 74, Nr. 17 der Bundesverfassung einen nach §. 80 von beiden Räthen in gemeinfamer ·Sitzung zu verhandelnden Kompetenzstreit, indem sie zugleich die Ansicht aussprach, daß unter allen Umständen der Nationalrath nicht einzig eine solche Schlußnahme wie diejenige vom 14. Wintermonat hätte sassen können, sondern daß dazu die Mitwirkung beider Räthe (der Bundesversammlung) nothwendig gewesen.

V e r h a n d l u n g der B u n d e s v e r s a m m l u n g . -- Die von den vereinigten Räthen dieser Angelegenheit wegen niedergesetzte Kommission war einstimmig der An-, sicht, daß das Begehren der Regierung des Kantons Freiburg sich zu einem Koinpetenzstreit gestalte; -- über die Art der Erledigung dieses Streites aber hat sich die Kom-, mission in eine Mehrheit und eine Minderheit getheift. .

98 · Gutachten der Mehrheit. ,,Die Mehrheit der ,,Kommission findet, daß der Nationalrath die Wahlen ,,des Kantons Freibnrg einzig ans dem Grunde kassirt hat,

,,weil die Behörden des Kantons Freibnrg die Wahlbenfugniß ihrer Bürger bei diesen Wahlen an die Bedingung ,,knüpften, daß nnr diejenigen an den Wahlen theilnehmen ,,können, welche fowohl die Verfassung des Kantons Frei,,burg als die neue Bundesverfassung beschworen haben.

,,Diese Schlußnahme des Großen Rathes des Kantons ,,Freiburg, wie felbe durch das Dekret vom 23. September ,,1848 festgefetzt ist, fei eine Folge des Dekretes der Tag,,fatzung vom 14.September 1848, wonach es jedem Kanton ,,überlassen worden, die Wahlen in den eidgenössischen Na,,tionalrath in einem oder mehreren Wahlkreisen vorznneh,,men und die daherigen Wahlverordnungen zu erlassen.

,,Diese Schlnßnahme stütze sich auf den §. 63 der ,,Bundesverfassung, welcher vorfchreibe: Stimmberechtigt ,,ist jeder Schweizer, der das zwanzigste Altersjahr zurück,,gelegt hat, und im Uebrigen nach der Gesetzgebung des ,,Kantons, in welchem er feinen Wohnsitz hat, nicht vom

,,Aktivbürgerrechte ausgeschlossen ist.

,,Die Festsetzung der Fälle, in welchen einem Bürger ,,ganz oder theilweise das Aktivbürgerrecht entzogen werde, "gehöre nach der Bundesverfassung in den Wirkungskreis ,,der Kantonalfouveränetät.

,,Das Dekret des Großen Rathes des Kantons Frei,,burg d. d. 23. September 1848 sei ein gesetzgeberischer

,,Akt dieser Behörde, zu dessen Erlassung die Berechtigung ,,von Bundeswegen nicht könne bestritten werden. Wenn

,,der Große Rath in seinem Dekret an die Nichtleistung des ,,Eides auf die Kantonal- und Bundesverfassung nicht den ,,Verlust des ganzen Aktivbürgerrechts, sondern nur eines ,,Theiles desselben festgesetzt habe, so sei dieses wieder in

99 ,,seiner Besugniß gestanden, indem derjenige, welcher zum ,,Ganzen berechtigt ist, gewiß auch zu einem Theile von ,,diesem Ganzen berechtigt sein müsse.

,,Der Große Rath des Kantons Freiburg habe in ,,dieser Beziehung nichts anderes gethan, als derjenige des ,,Kantons Waadt; auch da mußten die neu eintretenden

,,Aktivbürger die ganz gleiche Eidesformel befchwören, wie ,,die Bürger des Kantons Freiburg, bevor sie zu den ,,Wahlen in den Nationalrath zugelaffen wurden. Freilich ,,besteht im Kanton Waadt ein Gesetz vom 19. November ,,1845, welches einen solchen Eid von den Wahlversamm,,lnngen fordert, allein die in diefem Gefetz vorgefchriebene ,,Eidesformel erhielt der neuen Bnndesverfaffung wegen "diejenigen Abänderungen, welche auch in der Eidesformel ,,für den Kanton Freiburg enthalten sind.

,,Daß der Kanton Freiburg berechtigt war, von feinen ,,Bürgern das Gleiche zu verlangen, was der Kanton ,,Waadt bisanhin unbestritten von den seinigen sorderte, ,,wird wohl müssen zugestanden werden. Daß der Kanton ,,Freiburg nicht bloß die Beschwörung der Bundesver,,sassung, sondern auch der Kantonalverfassung verlangte, ,,könne demselben um so weniger bestritten werden, als die ,,Kantonalverfassung diefes Kantons die eidgenöfsifche Ge,,währleistung erhalten hat, -- aus welcher Thatsache solge, ,,daß diese Kantonalverfassung dem zur Zeit der ansge,,fprochenen Gewährleistung bestandenen Bunde nichts Zu,,widerlaufendes enthalte. Nebenbei findet die Mehrheit ,,der Kommifsion, daß die befondern Verhältnisse, welche ,,in Bezug auf Freiburg obwalten, und welche die Tag,,fatzung bewogen, diesem Kantone sowohl in Bezug auf ,,die Vorlage feiner Kantonalverfassung, als der Bundes,,verfassung und der Abstimmung über beide durch das »freiburgische Volk, gewisse exzeptionelle Vergünstigungen

100 ,,zu gewähren, gegenwärtig noch fortbestehen, und daß ,,diefelben auch von den neuen Bundesbehörden, namentlich ,,da es sich bloß um die erste Einführung der Verfassung ,,und die erste Wahl der Behörden handelt, und fürderhin ,,alles durch ein allgemein verbindliches Bundesgesetz regulirt ,,werden muß, mit Milde sollten beurtheilt werden.

,,Die Regierung und der Große Rath von Freiburg ,,haben wohl ihre Verhältnisse am besten benrtheilt, und ,,wissen müssen, ans welchen Gründen sie nach dem Bei,,spiele der nachbarlichen Regierungsbehörden des Kantons ,,Waadt von den stimmsähigen Bürgern den Eid aus die ,,Kantonal- und Bundesverfassung verlangten.

,,Die Kommission findet, es fei Sache der Behörden ,,des Kantons Frnbnrg, diefe gefetzgeberifche Maßregel ,,vor ihrem Volke zu verautworten ; es könne dagegen der ,,Bnndesverfammlung, nnd am allerwenigsten einer bloßen

,,Abtheiluug derselben, das Recht nicht zustehen, die Be,,hörden des Kantons Freiburg in der Ausübung ihrer im ,,§. 3 der Bundesversassung zugesicherten kantonalen Be,,fugnisse zu beschränken, noch ihre im Wirkungskreifc ihrer ,,kantonalen Besugnisse erlassenen Anordnungen zu beur,,theilen und darüber zu verfügen.

"Jhre Kommission findet (nämlich die Mehrheit), daß "der Nationalrath seine Befngniß, über die Wahlen von ,,Freibnrg zu urtheilen, einzig aus dem §. 7 des Dekrets "der Tagfatzung vom 14. September 1848 herleiten könne,

"welcher dahin lautet : ""Jedem gewählten Mitgliede des ""Nationalraths ist ein von der betreffenden Kantonalbe""hörde unterzeichneter Wahlakt auszustellen, den der Ge""wählte vor Könstituirung der Behörde zum Zweck der ,,"Erwahrung der Wahlakten abzugeben hat/"' ,,Diefes Recht, das Kreditiv der Einzelnen zu unter,,fuchen, könne sich nicht auf die Beurtheilung eines von

101 den obersten Kantonsbehörden ausgegangenen, in ihren gefetzgeberifchen Befugnissen liegenden Wahldekrets ausdehnen, wie sich schon aus dem Umstande ergebe, .daß die einzelnen Wahldekrete weder der Genehmigung der Tagsatzung, noch weniger der neuen Bundesbehörden unterstellt wurden.

,,Die Mehrheit Jhrer Kommission findet, in der Schlnßnahme des Nationalrathes vom 14. November 1848 liege ein Angriss aus das von dem Großen Rathe des Kantons Freiburg erlassene Dekret vom 23. Septem-

ber 1848, und eine Versügung über dieses Dekret wird dem Nationalrathe nicht zukommen.

,,Jhre Kommission stellt Hochdenselben den Antrag, die Bundesversammlung wolle beschließen: es sei die Schlußnahme des Nationalraths vom 14. November 1848, betreffend die Nationalrathswahlen d'es Kantons Freiburg, aufzuheben.

,,Sollte wider Erwarten die hohe Verfammlnng diesen 3lntrag der Mehrheit der Kommission nicht genehmigen, [o ist letztere auch in das eventuell gestellte Begehren uon Freibnrg eingetreten, über die Frage nämlich: ob bie am 14. November 1848 vom Nationalrathe gefaßte Schlußnahme nach Mitgabe der Bundesverfassung nicht zur endlichen Erledigung an den Ständerath gebracht werden müsse.

,,Ueber diese Frage findet zwar die Kommifsion bereits einen Entscheid des Nationalraths vom 15. November 1848, durch welchen über die gleiche, von Seite eines Mitgliebes der Verfammlung gestellte Motion zur Tagesordnung geschritten wurde.

,,Die Mehrheit der Kommifsion findet, daß jene beschlossene Tagesordnung vielmehr der Form, der Art

02 und Weife, wie der Antrag in die Versammlung gebracht .worden, nicht aber dem innern Wesen gegolten habe.

,,Die Mehrheit der Kommission findet, da eine Kantonsregierung diese Frage in Anregung bringe, so seien beide Abtheilungen der Bundesversammlung schuldig, die Frage zu untersuchen und zu entscheiden, ob die Schlußnahme des Nationalrathes nicht durch den Ständerath .müsse beurtheilt werden.

,,Diese Abtheilung der Kommission glaubt im Hinblick .auf die Bundesverfassung diese Frage bejahen zu müssen.

·Die Bundesverfassung gibt in den Artikeln 67 und 71 ,den gefonderten Abtheilungen der Bundesverfammlung .kein anderes Recht, als sich einen Präsidenten und Vice/Präsidenten zu bezeichnen. Nach §. 73 und 74 müssen ,alle und jede Befchlüsse, welche nach Jnhalt der Bundes.versassung in die Kompetenz des Bundes gehören, von .beiden Räthen berathen und gesaßt werden.

,,Nach §. 74 gehört zu diesen von beiden Räthen zu .erlassenden Verfügungen unter Anderem: Gesetze und

.Befchlüsse über die Wahlart der Bundesbehörden.

,,Hnldigt man nun der Ansicht der Kommission nicht, ,daß das Dekret des Großen Rathes von Freiburg ein .Ausfluß der Kautonalsouveräuetät fei, daß dasselbe viel,mehr unter die Kompetenz des Bundes falle, fo muß .dasfelbe gewiß von beiden Räthen beurtheilt werden, ,indem die ..Bundesverfassung keine Gefetze und ..Beschlüsse .kennt, welche über eine fo wichtige Frage nur von einem ,Rathe erlassen werden können.

"Man wird freilich der Kommifsion vorwerfen, beide

,Räthe hätten 'in ähnlichen Fällen, -z. B. bezüglich der

.Wahlen von Unterwalden und Uri, und der Nationalrath .bezüglich der Wahlen des bernerschen Jura, bereits in ,den einzelnen Abtheilungen Beschlüsse gefaßt.

103 ,,Die Kommission kann dieses im Ganzen nicht bestreiten, allein bei allen diesen Anteeedentien wurde von Niemanden Beschwerde erhoben, weßhalb auch beide Räthe nicht in den Fall kamen, die Frage zu berathen. Jn Uri und Unterwalden handelte es sich nicht um die Wahlen, sondern um die Reservationen und Protestationen gegen die Bundesverfassung. Diefe Refervationen und Protestationen wurden von beiden Räthen behandelt, und beide fanden, es feien felbe nicht zulässig, und die auf diefelben getroffenen Wahlen können ebenfalls nicht anerkannt werden.

,,Diese srühern Fälle stehen also den von der Mehrheit der Kommission aufgestellten Ansichten nicht entgegen.

Nebenbei ist es immerhin erlaubt, wenn eine Behörde findet, sie habe früher eine Sache unrichtig benrtheilt, felbe später besser und konform den verfassungsmäßigen Grundsätzen zu beurtheilen.

,,Beide Räthe sind in dem ihnen angewiesenen Ge.schäftokreise noch ganz neu, und da wird es Niemand .verübeln können, wenn hin und wieder Verstöße entstehen.

,,Pflicht ist es aber, folche Verstöße gut zu machen, .sobald man sie entdeckt, und es wird dem Nationalrathe ,im Verein mit dem Ständerathe um so unschwerer fallen, ,da bereits am 14. November 1848 die Stimmen in .ersterer Behörde gleich stunden, und die 44 Stimmenden .der Majorität bloß deßhalb eben die Majorität bilden »konnicn, »eil nach dem Reglement die Stimme des Herrn ·Präsidenten nicht gezählt werden durfte.

,,Die Mehrheit der Kommission stellt in zweiter Linie ,den Antrag : ,,Es sei die vorwürsige Frage von beiden Abtheilungen ,der Bundesversammlung, mithin vom National- und ,vom Ständerath, zu behandeln, und die Vollziehung der

104 ,,Schlußnahme des Nationalrathcs bis zur endlichen Er,,ledigung durch den Ständerath zu verschieben. Die ,,Mehrheit der Kommission muß es der hohen Bundes,,versammlnng überlassen, zu entscheiden, ob letzterer An,,trag in vereinter Versammlung beider Räthe, oder durch ,,die gesonderten Abtheilnngen zu berathen sei.

,,Gutachten der Minderheit. Der Staatsrath ,,des Kantons Freiburg beschwert sich darüber, daß durch ,,den vom Nationalrath am 14. dieß gesaßten Beschluß die ,,Kantonalsouveränetät verletzt worden sei und daß jeden,,falls der Nationalrath nicht die Befugniß gehabt habe, ,,für sich allein und ohne Mitwirkung des Ständerathes ,,den fraglichen Entscheid zu fassen.

,,Die beiden Räthe vereinigt, haben die Richtigkeit ,,diefer doppelten Beschwerde zu untersuchen, denn nach ,,Art. 80, verglichen mit Art. 74. Nr. 17, haben sie ,,Kompetenzstreitigkeiten im Allgemeinen zu entscheiden und ,,insbesondere auch zu würdigen, ob ein Gegenstand in ,,den Bereich des Bundes oder der Kaulonalfouveränetät ,,gehöre. Wenn aber die Bundesversammlung finden ,,wird, daß die Kantonalsouveränetät nicht verletzt sei, ,,und daß der Nationalrath seine Kompetenz auch sonst ,,nicht überschritten habe, so steht es ihr nach der Bundes,,versussung nicht zu, irgendwie darüber einzutreten, ob ,,der Nationalrath von seiner Befugniß einen passenden ,,oder einen unpassenden Gebranch gemacht, ob er wohl ,,oder übel entfchieden habe, zumal die aus den beiden ,,vereinigten Räthen bestehende Bundesversammlung keines,,wegs eine Appellationsinstanz für den Nationalrath und

,,den Ständerath bildet.

,,Fragt man nun erstens, ob die Kantonalfouveränetät ,,des Standes Freiburg verletzt fei, fo ist vor Allem aus ,,kiar_, daß, da die Wahlen für den Nationalrath nach

105 ,,Art. 62 der Bundesverfassung in eidgenössischen Wahl,,kreisen stattsinden, die Kantonalbehörden, welche dieselben ,,vorbereiten und leiten, bloß als Delegirte der Bundes,,gewalt handeln und der Aussicht der Bundesbehörden ,,unterworfen sind. Jn der Kassation der Wahlen an ,,sich kann daher ein Eingriff in die Kantonalfouveränetät ,,jedenfalls nicht gefunden werden.

,,Freilich wird gesagt, der Nationalrath habe nicht ,,bloß die Wahlen selbst für ungültig erklärt, fondern ,,indirekt durch die Motive seines Beschlusses auch diejenige

,,Vorschrift der Wahlordnung, welche die Beeidigung der "Wähler betrisst, umgestoßen, während doch zu Erlassung ,,dieser Vorschrift aus zwei Gründen die Kantonalbehörden ,,befngt gewesen feien, einerfeits weil für diefes erste Mal ,,die Anordnung dieser Wahlen durch den von der Tag-

,,satznng am 14. September 1848 gesagten Beschluß den

,,Kantonen überlassen worden sei, und anderseits weil die ,,Feststellung des Aktivbürgerrechts, wohin der fragliche ,,Punkt gehöre, nach Art. 63 der Bundesverfassung felbst "der kantonalen Gefetzgebnng zukomme.

,,Dagegen ist aber zu erwiedern, daß zwar allerdings ,,durch Art. 4 des Dekrets vom 14. September 1848 den ,,Kantonen für dießmal die Bildung der Wahlkreife frei,,gegeben worden ist, daß hingegen Art. 5 des nämlichen ,,Dekrets in Bezug auf Stimmberechtigung einfach auf ,,den Art. 63 der Bundesverfassung hinweist. Und was "das Aktivbürgerrecht betrisst, so enthält Art. 28 der ,,Freibnrger Verfassung, welcher fagt, wer vom Aktiv,,bürgerrecht ansgefchlossen fei, kein Wort von der Eid-

,,leistnng. Auch bezeichnet das Dekret des Großen Rathes ,,von Freiburg, welcher übrigens die Verfassung nicht zuwandern befugt ist, den Eid ausdrücklich als ein zu dem ,,Alterserfordernisse und dem Aktivbürgerrechte hinzukomBundtsblatt I.

8 .

106 ,,mendes drittes Requisit, was gar nicht hätte erwähnt ,,werden müssen, wenn das Aktivbürgerrecht von der Be,,eidignng abhängig wäre.

,,Somit ist eine Verletzung der Kantonalsouveränetät ,,überall nicht vorhanden.

,,Wenn es sich sodann zweitens srägt, ob zu dem ,,fraglichen Beschlüsse des Nationalrathes nicht die Mit,,wirkung des Ständerathes erforderlich gewesen wäre, so ,,unterliegt es keinem Zweifel, daß die Prüfung nnd An,,erkennnng oder Kassation der Wahlen zur Konstituirung "gehört, und nach der einmüthigen Ansicht und Praxis ,,beider Räthe hat jeder derselben sich unabhängig vom ,,andern zu konstitniren. Freilich wird auch hier wieder ,,eingewendet, man müsse die streitige Vorschrift der Wahl,,Ordnung, welche indirekt umgestoßen worden fei, und ,,die Wahlen felbst auseinanderhalten; diese habe der ,,Nationalrath wohl für ungültig erklären dürfen, aber ,,um jene zu kafsiren fei die Zustimmung des Ständerathes ,,erforderlich gewefen. Allein beides ist unzertrennlich mit,,einander verknüpst. Wer besugt ist, eine Wahl umzu-

,,stoßen, ist auch besugt, den dießsälligen Akt zu motiviren ,,und direkt oder indirekt aus eine Regel hinzuweisen, welche ,,befolgt werden muß, damit nicht die nenvorznnehmende ,,Wahl abermals nichtig sei. Deßhalb hält die Minderheit ,,dasür, die Beschwerde des Staatsrathes des h. Standes ,,Freiburg sei in allen Beziehungen unbegründet."

Minderheitsantrag: ,,Jn Berücksichtigung, -- ,,1) daß es nicht in der Besugniß der Kantone liegt, zu ,,den in Art. 63 der Bundesverfassung genau festgefetzten ,,Bedingungen des Stimmrechts noch andere hinzuzufügen; ,,2) daß daher der Nationalrath, indem er ans diefem ,,Grunde die von dem Großen 9iathe des Kantons Frei-

107 ,,burg erlassene Wahlordnung als nichtig behandelte und ,,die nach derselben vorgenommenen Wahlen für ungültig ,,erklärte, keineswegs die Kantonalfouveränetät verletzt hat; ,,3) daß es im Wesen des Zweikammersystems liegt, ,,daß jedes der beiden Organe der gesetzgebenden Gewalt ,,sich unabhängig von dem andern konstitnirt, wie dieß ,,anch von beiden Räthen einmüthig anerkannt und geübt ,,worden ist; ,,möge die Bundesversammlung beschließen: ,,1) Es sei der von der Regierung des Kantons Frei,,burg erhobenen Beschwerde keine Folge zu geben.

,,2) Mittheilung an die Regierung des Kantons Frei* ,,burg und an den Nationalrath."

Nach der Verlesung der vorstehenden Berichte und Befchlussesentwürfe hat die Bnndesverfammlnng noch von einer von 36 Einwohnern Mnrtens unterzeichneten Zuschrift vom 19. Wintermonat Kenntniß genommen, in welcher gegen die Wahlkassation Verwahrung eingelegt wurde.

Jnfolge längerer Berathung hat die B und e s» erfa mm l u n g (am 20. Wintermonat 1848) den Antrag der Mehrheit der Kommission zum Beschluß erhoben, dahin lautend : ,,Es sei die Schlußnahme des Nationalrathes vom "14. November 1848, wodurch die Nationalrathswahlen "des Kantons Freiburg ungültig erklärt worden, auf"gehoben."

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Verhandlungen der Bundesversammlung, des National- und Ständerathes.

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03.03.1849

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