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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Revision des Art. 24 der Bundesverfassung (Erweiterung der Oberaufsicht des Bundes über die Forstpolizei).

(Vom 14. November 1893.)

Tit.

In seiner Sitzung vom 23. März 1893 hat der Nationalrat nachfolgende von Herrn Nationalrat Baidinger eingereichte Motion erheblich erklärt: ,,Der Bundesrat ist eingeladen, zu prüfen, ob nicht der Bereich der Bundesaufsicht über das Forstwesen zu erweitern sei."

Dieser Einladung Folge gebend, beehren wir uns, Ihnen zunächst in kurzem über die Vorgeschichte des Motionsgegenstandes Bericht zu erstatten.

Auf Gesuche der Regierungen der Kantone Bern, Solothurn und Basel-Landschaft und des schweizerischen Forstvereins und ferner auf eine sachbezügliche Anregung der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission vom Jahre 1886 hatten wir unterm 1. Juni 1888 die Ehre, Ihnen den Entwurf eines Bundesbeschlusses samt Botschaft zu unterbreiten betreffend Verabfolgung von Bundesbeiträgen zu forstlichen Zwecken an Kautone, die ganz oder zum Teil außer dem eidgenössischen Forstgebiet liegen.

Im Nationalrat wurde durch Stichentscheid des Präsidiums Eintreten auf diesen Gegenstand beschlossen und nach gewalteter Diskussion und Verwerfung sämtlicher sachbezüglicher Anträge aus

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der Mitte des Rates schließlich bei der definitiven Abstimmung auch der bundesrätliche Antrag verworfen.

Vom Ständerat wurde in Sachen unterm 19. Dezember 1889 beschlossen : ,,Die Angelegenheit wird an den Bundesrat zurückgewiesen, mit der Einladung an denselben, zu geeigneter Zeit eine bezügliche Vorlage den Räten wieder einzubringen."

Unterdessen hat der schweizerische Forstverein mit Zuschrift vom 9. August 1890 neuerdings um eine Prüfung der Frage der Erweiterung des eidgenössischen Forstgebietes nachgesucht, und ferner ist die landwirtschaftliche Gesellschaft des Distrikts Courtelary und die gemeinnützige Gesellschaft des Jura, unterstützt vom Gemeinderat der Stadt Biel, unterm 30. November 1891 um Anwendung des Bundesgesetzes betreffend das Forstwesen auch auf den Jura eingekommen.

Obiges vorausschickend, verweisen wir bezüglich des Gegenstandes, über den wir Bericht zu erstatten die Ehre haben, auf unsere sachbezügliche Botschaft vom 1,, Juni 1888 und den derselben beigegebenen Bericht des Oberforstinspektorats.

Wesentliche Veränderungen in den Waldzuständen in den nicht zum eidgenössischen Forstgebiet gehörenden Landesteilen sind seither nicht eingetreten, dagegen wurden durch eine sehr einläßliche Enquete über die bernischen Freiberge und die Nordseite des Chasserai seitens des Herrn Forstinspektor Frey neue Belege für die Verminderung der Waldfläche während des letzten Jahrzehntes und für verhältnismäßig zu geringes Waldareal im Jura beigebracht.

Es muß ferner hervorgehoben werden, daß mancherorts das zu schwache Verhältnis der Bewaldung zur übrigen Bodenfläche, so namentlich in einigen Gegenden des Jura, dazu beigetragen hat, den Schaden, den die Landwirtschaft infolge der diesjährigen Trockenheit, insbesondere auch durch Versiegung von Quellen, erlitten, zu erhöhen, denn es liegt außer allem Zweifel, daß schattige Waldungen die Extreme in den Temperaturen und im Feuchtigkeitszustande der Luft auf eine gewisse Entfernung hin zu mildern vermögen und zur Speisung der Quellen mitwirken.

Wir fügen dem noch bei, daß die Benutzung von Wasserkräften zu industriellen, gewerblichen und anderen Zwecken eine immer größere Bedeutung gewinnt, und daß eine thunlichst reiche Bewaldung, namentlich in den Einzugsgebieten der Flüsse, wesentlich dazu beiträgt, verderbliche Hochwasser zu verhindern oder doch zu schwächen und einen möglichst gleichmäßigen, nachhaltigen Wasserstand zu erzielen.

11 Letzterer ist auch von großer Wichtigkeit für die Fischerei, denn vorigen Sommer sind wegen Versiegens mancher Gewässer oder starken Sinkens der Wasserstände eine Masse von Fischen und Fischlaich zu Grunde gegangen.

Wie dringend notwendig es ist, das Waldareal auch außer dem eidgenössischen Forstgebiet zu erhalten, örtlich zu erweitern und die Bestände sorgfältiger zu pflegen, als dies vielerorts gegenwärtig noch geschieht, belegen die zahlreichen Gesuche, die dem Bundesrat von dort um Subsidien an die Kosten von Wildbachverbauungen und Flußkorrektionen eingehen. In manchen dieser Fälle kann dargethan werden, daß Entwaldungen oder doch eine mangelhafte Waldwirtschaft im betreffenden Flußgebiet zur Verwilderung der Gewässer beigetragen haben. Der Bund kann nun allerdings, wo nötig, an die Bewilligung von Beiträgen an die Kosten solcher Bauten forstliche Bedingungen knüpfen; das Forstgesetz erlaubt ihm aber nicht, an diese außerhalb des eidgenössischen Forstgebietes liegenden Aufforstungen Subsidien auszusetzen, obwohl es der betreffenden Gegend schwer fällt, zu den meist bedeutenden Baukosten noch weitere Verpflichtungen einzugehen.

Mit der Berichterstattung über die forstlichen Zustände in erwähnten Flußgebieten wird das Oberforstinspektorat beauftragt und es hat dasselbe auch die Einhaltung allfällig gestellter forstlicher Bedingungen zu kontrollieren und auf Jahre hinaus zu überwachen.

Es greift somit der forstliche Geschäftskreis obiger Beamtung in Forstsachen jetzt schon über die Grenzen des eidgenössischen Forstgebietes hinaus.

Die Dringlichkeit der Ausdehnung des Geltungsgebietes des Bundesgesetzes betreffend das Forstwesen hat sich somit seit unserer letzten Botschaft nicht gemindert, sondern ist nur noch schärfer hervorgetreten, und die Billigkeit verlangt es, daß auch den außer dem eidgenössischen Forstgebiet liegenden Landesteilen unter gleichen Verpflichtungen gleiche Bundeshülfe wie denjenigen innert demselben gewährt werde.

Unterdessen ist auch der Bundesbeschluß betreffend Bundesbeiträge an die Besoldungen der höheren kantonalen Forstbearnten im eidgenössischen Forstgebiet zu stände gekommen und in Kraft erwachsen, von dessen Wohlthat die außer diesem Gebiet liegenden Kantone und Kantonsteile, resp. deren daselbst funktionierende Forstbeamten, ausgeschlossen sind.

Unser mit Botschaft vom 1. Juni 1888 gestellte Antrag ging dahin :

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,,Art. 1. Die im Bundesgesetz betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei im Hochgebirge vom 24. März 1876 unter Ziffer V, Art. 23 bis 25, für Forstzwecke vorgesehenen Bundesbeiträge können auch an Kantone, resp. Kantonsteile, welche außer dem eidgenössischen Forstgebiet liegen, verabfolgt werden, sofern die betreffenden Kantone die im angeführten Gesetze festgesetzten Verpflichtungen für den ganzen Kanton oder einen genau begrenzten Kantonsteil dauernd übernehmen."· Aus den Verhandlungen des Nationalrates über diesen Gegenstand geht hervor, daß die hierüber niedergesetzte Kommission geteilter Ansicht war. Eine Mehrheit beantragte ein Vorgehen, das dem vom Bundesrate vorgelegten mehr oder weniger entspricht, jedoch außer geringen ändern Abweichungen die von den Kantonen zum Bezug von Bundesbeiträgen einzugehenden Verpflichtungen näher bezeichnet und den Beitrag für die Aufforstungen auf das gesetzliche Minimum beschränkt, dagegen auch noch Entschädigungen für Verluste an Bodenwert bei Umwandlungen von Nichtwaldboden in Schutzwald bis 50 °/o des Minderwertes in Aussicht nimmt.

Herr Nationalrat Riniker, Präsident der nationalrätlichen Kommission, legte unterm 20. Mai 1889 einen besondern Beschlussesentwurf vor, der einzelne Bestimmungen 'aus dem Bundesgesetz über das Forstwesen in etwas abgeänderter Redaktion reproduziert (Art. 4, 5, 8, 21, 22, 23, 24 und 25). Unterm 24. Juni stellte er einen etwas modifizierten Antrag mit Aufnahme der Bestimmung im Antrag der Kommissionsmehrheit betreffend Entschädigung für oberwähnten Bodenwertverlust.

Eine Kommissionsminderheit stellte das Postulat: ,,Der Bundesrat wird eingeladen, Bericht und Antrag darüber zu hinterbringen, ob nicht Art. 24 der Bundesverfassung in dem Sinne abgeändert werden sollte, daß die Oberaufsicht des Bundes über die Wasser- und Forstpolizei weiter als auf das Hochgebirge ausgedehnt würde."1 Alle obigen, nebst weiteren Anträgen und verschiedenen Amendements aus der Mitte des Nationalrates wurden, wie bereits, angeführt, gleich wie der oberwähnte Antrag der Kommissionsmehrheit, in den eventuellen Abstimmungen verworfen und schließlich in der definitiven Abstimmung auch der bundesrätlicbe Antrag.

Oberwähntes Postulat der Kommissionsrninderheit wurde fallen gelassen und kam daher nicht zur Abstimmung.

Fragen wir uns
heute, nach Verfluß von etwas über 5 Jahren seit jenen Verhandlungen, welcher Weg einzuschlagen sei, um^zum erwünschten Ziele zu gelangen, so scheint uns jetzt, gestützt auf

IS das oben angeführte, das eben erwähnte Postulat der Kommissionsminderheit vom Juni 1889 den sachbezüglichen Verhältnissen, wie sie gegenwärtig vorliegen, am angemessensten zu sein.

In unserer Botschaft vom 1. Juni 1888 haben wir unseren damaligen Antrag unter anderem damit begründet, daß wir eine Revision der Verfassung zur Erreichung des beabsichtigten Zweckes und eine zwangsweise Ausdehnung des eidgenössischen Forstgebietes nicht für geboten halten, und zogen es vor, durch ein Übergangsstadium eine einheitliche forstliche Gesetzgebung auf geeignete Zeit vorzubereiten.

Obwohl unser damaliger Entwurf eines Bundesbeschlusses die Zustimmung der h. Räte nicht fand und damit auch der Übergang zu einer einheitlichen Gesetzgebung im Forstwesen auf die von uns beantragte Weise nicht vermittelt werden konnte, so sind es die unterdessen eingetretenen Verhältnisse, deren oben Erwähnung geschehen, die diese Vermittlungsrolle übernommen. Wir verweisen diesfalls auf die unterdessen eingereichten Petitionen im Sinne unseres heutigen Antrages und insbesondere auf die Eingabe des schweizerischen Forstvereins, der durch seine Anregungen zur Hebung des schweizerischen Forstwesens sich so bedeutende Verdienste erworben, sowie namentlich auch auf die bereits im Eingange unserer Botschaft erwähnte, vom Nationalrate am 23. März 1893 erheblich erklärte Motion Baidinger, Es scheint uns denn auch der im ständerätlichen Beschluß vom 19. Dezember 1889 erwähnte geeignete Zeitpunkt zur Wiedereinbringung einer sachbezüglichen Vorlage gekommen zu sein.

Wir besitzen gegenwärtig eine schweizerische Forstschule zur Heranbildung des höhern Forstpersonals, eine schweizerische Centralanstalt für das forstliche Versuchswesen; sämtliche Kantone anerkennen die eidgenössischen forstlichen Wählbarkeitszeugnisse uud haben auf Vornahme eigener kantonaler forstlicher Prüfungen verzichtet. Die Mehrzahl der Kantone, die -ganz oder nur- teilweise außer dem eidgenössischen Forstgebiet liegen, besitzen bereits für ihr Gesamtgebiet Forstgesetze, die meist einer nur geringen Abänderung bedürfen, um sie mit dem Bundesgesetz über das Forstwesen in Übereinstimmung zu bringen und sich damit den ganzen Vorteil der forstlichen Bundessubsidien, mit Inbegriff der Besoldungsbeiträge- an ihr Forstpersonal, zu verschaffen. Diejenigen Kantone aber, die
noch keine oder eine zu mangelhafte Forstgesetzgebung besitzen, sollten in ihrem eigenen und dem Interesse des Gesamtstaates zum Erlassen von solchen, resp. zur Revision derselben, verpflichtet werden.

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Sieben Kantone, die nur teilweise dem eidgenössischen Forstgebiet angehören, besitzen zwei oder gar dreierlei verschiedene forstliche Gesetzgebungen: das Bundesgesetz, die Vollziehungsverordnung zu demselben und das ForstgeseU für den außer dem Forstgebiet liegenden Landesteil.

Der Kanton Schwyz, der anfänglich auch zu diesen zählte, kam deshalb mit dem Gesuche um Aufnahme des gesamten Kantons in die Umgrenzung des eidgenössischen Forstgebietes ein, worin ihm denn auch durch Bundesbeschluß vom 9. Brachmonat 1877 entsprochen wurde.

Unzweifelhaft bedarf der Jura und das schweizerische Hügelland der forstlichen Oberaufsicht nicht so sehr wie das Hochgebirge; aber auch bei ändern Bundesgesetzen ähnlicher Natur, die nicht für sämtliche Kantone gleich notwendig sind, hat man sich nicht zum Erlaß von Partialgesetzen veranlaßt gesehen.

Und so ist es auch wünschbar, daß die Schweiz ein einheitliches Forstgesetz besitze, das dann auch einheitlichere Instruktionen, z. B. für die Triangulation und die Detailvermessung der Waldungen, eine einheitliche Forststatistik etc. ermöglicht.

Noch bleibt uns für den Fall der Annahme unseres Antrages die finanziellen Folgen desselben zu beleuchten übrig.

Bundesbeiträge werden gegenwärtig an Kantone des eidgenössischen Forstgebietes verabreicht für: 1. die Besoldungen der höhern kantonalen Forstbeamten, 2. die Kurse zur Heranbildung von Unterförstern, 3. die Triangulation IV. Ordnung zum Zwecke der Waldvermessung, nebst Übernahme der Prüfung letzterer, 4. Aufforstungen und damit allfällig verbundene Verbaue.

Da mehrere fraglicher Kantone bereits einen Kataster besitzen, so kämen bei denselben" bezüglich der Vermessungen nur allfällige Revisionen in Betracht.

Eine annähernde Berechnung ergiebt, daß das forstliche Budget durch eine einheitliche forstliche Gesetzgebung um cirka Fr. 100,000 stärker belastet werden müßte als bisher.

Schließlich bemerken wir noch, daß durch die beantragte Revision des Art. 24 der Bundesverfassung, welcher dem Bunde die Oberaufsicht über die Wasserbau- und Forstpolizei überträgt, auch das Bundesgesetz betreffend die Wasserbaupolizei die wünschbare verfassungsmäßige Grundlage finden würde.

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Indern wir Ihnen nachstehenden Entwurf eines Bundesbeschlusses zur Annahme empfehlen, versichern wir Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 14. November 1893.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

Revision des Art. 24 der Bundesverfassung (Erweiterung der Oberaufsicht des Bundes Über die Forstpolizei).

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsichtnahme einer Botschaft des Bundesrates vom 14. November 1893; in Anwendung der Art. 84, 85, Ziff. 14, und 118 der Bundesverfassung, beschließt Art. 1. In Art. 24, erster Absatz, der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 werden die Worte ,,im Hochgebirge" gestrichen. Es lautet nun dieser Absatz: ,,Der Bund hat das Recht der Oberaufsicht über die Wasserbau- und Forstpolizei.* Art. 2. Vorstehender ßundesbeschluß wird der Abstimmung des Volkes und der Stände unterstellt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Revision des Art. 24 der Bundesverfassung (Erweiterung der Oberaufsicht des Bundes über die Forstpolizei). (Vom 14. November 1893.)

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29.11.1893

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9-16

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